November 2002 - Evang.-Luth. Kirchengemeinde Nürnberg-Eibach
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Der Monatsspruch zum <strong>November</strong><br />
„Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen,<br />
und der Tod wird nicht mehr sein.“ Offenbarung 21,4<br />
Der<br />
Suppenteller fällt<br />
zu Boden, die<br />
Scherben<br />
verteilen sich in<br />
jede Ecke, die<br />
ganze Küche -<br />
ein<br />
Trümmerfeld,<br />
und mittendrin<br />
Klein-Kerstin,<br />
daneben, an der<br />
Spüle, die<br />
Mama.<br />
Eigentlich wollte Kerstin ja helfen.<br />
Eigentlich wollte sie der Mama zeigen,<br />
dass sie schon eine Große ist und<br />
aufräumen kann. Statt dessen holt die<br />
Mama jetzt Schaufel und Besen und<br />
kehrt alles zusammen, damit sich<br />
niemand in dem Scherbenchaos<br />
schneidet. So ein Reinfall. Kaum liegt der<br />
Ex-Teller am Boden, heult Klein-Kerstin<br />
los, teils aus Frust, weil's nicht so läuft<br />
wie geplant mit dem Helfen, teils weil sie<br />
weiß, was die Mama sagen wird. Ist ja<br />
schließlich nicht der erste Teller, der im<br />
Hause Stengel zu Bruch geht... Die<br />
Scherben sind im Müll, der Boden frisch<br />
gewischt, nur die Kerstin heult noch, als<br />
sei gerade der letzte Teller im Haus<br />
kaputt gegangen. Die Mama nimmt das<br />
Handtuch vom Haken, kniet sich vor die<br />
Tochter, wischt ihr vorsichtig über die<br />
Augen, nimmt sie in die Arme und sagt.<br />
„Macht doch nix. Ist doch nur ein Teller.<br />
Alles nicht schlimm.“<br />
Szenenwechsel: Die christlichen<br />
Gemeinden in Kleinasien leben in Angst.<br />
Sie treffen sich nur noch heimlich. Man<br />
erzählt sich, dass Christen verfolgt und<br />
getötet werden, weil sie nicht den<br />
römischen Kaiser huldigen wollen. Angst<br />
geht um, selten wird noch gemeinsam<br />
gelacht, ungewiß ist die Zukunft. Und<br />
dann erreicht sie ein Brief. Vom Neuen<br />
Jerusalem ist darin die Rede, und dass<br />
2<br />
Gott bei seinen Menschen wohnen wird.<br />
Er selbst wird sie trösten. Den Bedrohten<br />
wird zugesagt, dass die Zuwendung<br />
Gottes spürbar sein wird. So, wie sie die<br />
Unterdrückung und die Angst gerade<br />
erleben, werden sie erleben, dass Gott<br />
Anteil nimmt an ihrem Schicksal. Er wird<br />
die Tränen seiner Menschen abwischen,<br />
die jetzt noch Rotz und Wasser heulen<br />
vor Kummer. Mehr noch: Gott selbst wird<br />
das aufheben, was ihn von seinen<br />
Menschen trennt. Denn auch der Tod<br />
wird nicht mehr sein.<br />
Zugegeben, mein Leben war damals<br />
wegen eines kaputten Tellers nicht in<br />
Gefahr, aber ich spüre eine<br />
Verbundenheit mit den Adressaten des<br />
Briefes. Ich glaube, dass für Menschen<br />
Trost und Beistand lebensnotwendig ist.<br />
Das, was mich belastet wendet sich von<br />
mir ab, wenn ich durch einen<br />
Mitmenschen getröstet werde. Das<br />
Belastende ist zwar immer noch da, aber<br />
betrübt mich nicht mehr unmittelbar, weil<br />
ich spüre, dass ich mit meinem Kummer<br />
nicht alleine bin. Gott tut dies auch, er<br />
geht sogar einen Schritt weiter: Nicht nur,<br />
dass er seine Menschen tröstet, er<br />
offenbart ihnen auch, dass es einst<br />
keinen Grund mehr geben wird, zu<br />
trauern. Die Angst der Christen in<br />
Kleinasien ist zwar immer noch<br />
vorhanden, aber ihr Blick wendet sich ab<br />
von dem Schrecklichen, hin zu einer<br />
tröstenden Verheißung, die auch für uns<br />
bis heute gilt.<br />
Für mich wird in jeder tröstenden<br />
Zuwendung eines Menschen ein Stück<br />
dieser Verheißung sichtbar, und ich<br />
erkenne, dass es unsere Aufgabe ist, sie<br />
durch Zuwendung und Wertschätzung<br />
dem Nächsten gegenüber am Leuchten<br />
zu erhalten, gerade in den kommenden<br />
Sonntagen, die die Sterblichkeit des<br />
Menschen zum Thema haben.<br />
Ihre Kerstin Stengel