27.08.2013 Aufrufe

PDF-Vollversion

PDF-Vollversion

PDF-Vollversion

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Das Menschliche ist daher nicht vom Biologischen oder vom Sozialen her<br />

auszulegen, sondern vom Seinsverständnis.<br />

Nach dem daseinsanalytischen Verständnis wird der Mensch dann krank, wenn er<br />

sich unfrei und in seinem menschlichen Dasein bedroht fühlt. Er wird auch krank,<br />

indem er sich seiner Endlichkeit des In-der-Welt-Sein und seinem Gewissen<br />

verschließt (Holzhey-Kunz, 2008). In der Krankheit sind nicht nur einzelne Organe<br />

betroffen, sondern das ganze Dasein ist beeinträchtigt. Dem Menschen wird die<br />

Möglichkeit des Todes bewusst, denn Krankheit weist auf die Beschränktheit und<br />

Vergänglichkeit hin. Folglich gehört zum Dasein als ein Ganzes schließlich auch das<br />

Sein zum Tode. Das heißt, das Sterblichsein ist ein tragender Wesenszug des<br />

menschlichen Daseins und zählt ebenfalls zum Leben. Gesundheit meint hingegen<br />

die Gesamtheit der gegebenen Verhaltensmöglichkeiten eines Menschen im freien<br />

Vollzug. Gesundsein bedeutet auch offen sein für Krankheit, denn ein krampfhaftes<br />

Sichwehren gegen Krankwerden durch Vermeiden von Kontakten wirkt selbst<br />

krankhaft. Krankheit bedeutet letztlich immer einen Verlust an menschlicher Freiheit<br />

(Holzhey-Kunz, 2008).<br />

Die Daseinsanalyse lehnt jegliche spekulativen Hypothesen von psychischer<br />

Krankheit als Störung des Trieb- und Affektlebens ab. Ebenso verzichtet sie auf die<br />

psychodynamischen Modelle der Verdrängung, Regression und des Unbewussten.<br />

„Wo von Dasein gesprochen wird, hat der Begriff des Unbewussten keinen Platz<br />

mehr.“ (Kohli-Kunz, 1975, zitiert nach Condrau, 2003, S.152). Aus<br />

daseinsanalytischer Sicht haben psychische Symptome einen Sinn und führen die<br />

Betroffenen bei der therapeutischen Klärung zu sich selbst und zum Grund ihres<br />

Leidens. Holzhey-Kunz (2008), die sich der Psychoanalyse wieder annähert,<br />

verbindet Freuds These, dass psychopathologische Symptome einen unbewussten<br />

Sinn haben, mit existenzphilosophischen Erkenntnissen. Demnach kann psychisches<br />

Leiden nicht nur ein Leiden an unverarbeiteten Erfahrungen aus der Kindheit<br />

bedeuten, sondern auch ein Leiden am eigenen Sein. Seelisches Leiden wird nach<br />

daseinsanalytisch-hermeneutischer Auslegung als ein agierender Umgang mit dem<br />

eigenen Sein aufgefasst, es kann aber auch Ausdruck struktureller Störungen sein.<br />

Prinzipiell ist unter seelischem Leid eine Form von unfreiem Existieren hinsichtlich<br />

der jeweiligen Um- und Mitwelt zu verstehen.<br />

38

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!