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learning from las vegas oder die identität einer stadt

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überdimensionale Zahnpastatuben <strong>oder</strong> Zigarettenschachteln, weil sie<br />

komplett in einen Werbeträger verwandelt werden; man macht sogar wieder<br />

<strong>die</strong> Fenster zu, <strong>die</strong> für das Publikum geschaffen wurden, damit auch das<br />

Fenster Bestandteil der Werbefläche wird. Das sehe ich als Perversion an.<br />

Die Frage ist, ob dadurch wirklich mehr Geld in <strong>die</strong> Kasse der Stadt kommt.<br />

Aber dadurch haben wir nicht mehr Geld, denn dadurch stehen natürlich<br />

Reklameflächen z. B. in den U-Bahnhöfen leer, weil immer <strong>die</strong> neueste und<br />

lauteste Reklamemöglichkeit nachgefragt wird und <strong>die</strong> anderen<br />

entsprechende Umsatzeinbußen haben. Ich bringe ein Beispiel vom<br />

Münchner Flughafen, das ich wirklich toll finde und den man nicht genug<br />

loben kann. Bei allen Flughäfen der Welt haben Sie kilometerlange<br />

Billboards, bevor sie endlich am Flughafen sind. In München gibt es eine<br />

einzige Uhr, auf der auf einen Sponsor hingewiesen wird. Ich darf ihn leider<br />

nicht nennen, aber der Betrag, der da hereinkommt, ist größer als für<br />

Dutzend Billboards, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Landschaft verschandeln. Deshalb sollten wir<br />

uns gegen <strong>die</strong> Inflationierung der Werbeflächen wehren. Es kommt dadurch<br />

nicht mehr Geld herein, sondern es wird nur marktschreierischer.<br />

Schmid: Frau Barzen hätte sicher viel mehr Werbung am Flughafen.<br />

Barzen: Nein, denn das wäre ein abschreckendes Beispiel, wie Werbung nicht sein<br />

darf. Ich finde, der ganze Flughafen sieht aus wie ein einziges Audi-Forum.<br />

Wenn ich den Flughafen ver<strong>las</strong>se, wo das Beispiel des Transrapids<br />

aufgebaut ist <strong>oder</strong> wenn ich oben hinausgehe, springt mir ein riesengroßes<br />

Schild „Audi-Forum“ entgegen. Wenn ich Mercedes wäre und der<br />

Mercedes-Stern nicht erlaubt wäre, würde ich mich auf den Arm genommen<br />

fühlen. Ich kann <strong>die</strong> Diskussion über einen Stern auf einem Dach nicht<br />

nachvollziehen. Ich habe mit einigen Leuten gesprochen, <strong>die</strong> am Flughafen<br />

angekommen sind, und habe sie gefragt, was ihnen in Erinnerung<br />

geblieben ist. Jeder fragte mich, ob es ein von Audi gesponserter Flughafen<br />

ist. Das finde selbst ich nicht mehr in Ordnung.<br />

Ude: Ja, Sie haben Recht. Ich meinte das Vorfeld des Flughafens und nicht <strong>die</strong><br />

Peinlichkeit, <strong>die</strong> Sie jetzt hier ansprachen.<br />

Schmid: Es wurden schon Hunderte von Prozessen geführt, auch gegen <strong>die</strong><br />

Behörden. Wie ist das rechtlich geregelt? Kann das jede Stadt machen, wie<br />

sie möchte?<br />

Deimer: Ja, sie kann ihre eigene Verordnung er<strong>las</strong>sen, aber vom Landesamt gibt es<br />

Vorgaben. Schwierig wird es bei der Möblierung der Innenstädte. Da wird<br />

es schwierig, weil in der Tat eine Entartung in ästhetischen Fragen in der<br />

Bevölkerung festzustellen ist. Es ist unglaublich, dass man Straßen und<br />

Plätze, <strong>die</strong> eine hervorragende architektonische Gestalt haben, mit<br />

irgendwelchen Einrichtungsgegenständen „verschönern“ will <strong>oder</strong> dass man<br />

<strong>die</strong> Natur hereinholt und glaubt, man müsste überall Bäume hineinpflanzen<br />

<strong>oder</strong> Pflanzkübel aufstellen. Ich denke, dass auch beim Städtebau, bei der<br />

Stadtgestaltung und der Denkmalpflege eine ganz harte Linie notwendig ist.<br />

Schmid: Wie weit wird das von der Bevölkerung, von den Bürgern goutiert? Herr Dr.<br />

Sing, wie sieht es mit der Akzeptanz durch <strong>die</strong> Bürger aus?<br />

Sing: Ich kann nichts Schlimmes daran finden, wenn z. B. der Königsplatz als<br />

Open-Air-Kino benutzt wird <strong>oder</strong> als Veranstaltungssaal für Konzerte. Hier<br />

besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass sich <strong>die</strong> Denkmalschützer in <strong>die</strong> Ecke stellen<br />

<strong>las</strong>sen als <strong>die</strong> Granitburschen, <strong>die</strong> nicht zu<strong>las</strong>sen wollen, dass der<br />

öffentliche Raum auch genutzt wird. Es ist ein öffentlicher Raum, auch<br />

wenn es ein historisches Ensemble ist. Wir leben im 21. Jahrhundert und<br />

<strong>die</strong> Bürger wollen den öffentlichen Raum mit ihrem Leben erfüllen und da<br />

wird es gefährlich, wenn man sich nur auf Granitpositionen zurückzieht und<br />

nicht daran denkt - auch wenn das Ludwig I. gebaut hat -, ob man hier nicht<br />

auch einen Kaffee draußen trinken <strong>oder</strong> ein Konzert hören kann. Hier muss<br />

man aufpassen, dass man im Zuge <strong>einer</strong> öffentlichen Debatte überlegt, was

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