REISEN - Berliner Behindertenzeitung
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10 SOZIALPOLITIK<br />
BBZ – Dezember 2006/ Januar 2007<br />
Lebenshilfe: Keine Aufweichung des Solidaritätsprinzips<br />
durch die Gesundheitsreform zulassen!<br />
Bei einem Pressegespräch im<br />
Hauptstadtbüro der Bundesvereinigung<br />
Lebenshilfe wiesen Klaus<br />
Lachwitz, Justitiar und stellvertretender<br />
Geschäftsführer der Bundesvereinigung<br />
und Prof. Jeanne Nicklaus-<br />
Faust, Mitglied des Bundesvorstandes<br />
der Lebenshilfe auf aktuelle Schwerpunkte<br />
aus der Sicht von Menschen<br />
mit Behinderungen hin.<br />
Der Solidaritätsgrundsatz werde<br />
durch die Gesundheitsreform gefährdet.<br />
Das in den Bundestag eingebrachte<br />
GKV-Wettbewerbsstärkungs<br />
gesetz mit der Möglichkeit, Mitglieder<br />
mit günstigen Wahltarifen und<br />
Beitragsrückerstattungen zu werben<br />
gefährde die Leistungsstandards von<br />
Krankenkassen, die besonders viele<br />
alte, chronisch kranke und behinderten<br />
Mitglieder haben (z.B. AOK).<br />
Chronisch kranke und behinderte<br />
Menschen müssten auch weiterhin<br />
alle medizinisch notwendigen Leistungen<br />
erhalten können. Schon jetzt<br />
gebe es Beispiele, dass Eltern mit<br />
schwerstbehinderten oder chronisch<br />
kranken Kindern Schwierigkeiten<br />
haben, in eine Krankenkasse ihrer<br />
Wahl einzutreten. Diese Tendenz<br />
werde nehme zunehmen, wenn der<br />
Solidaritätsgrundsatz durch die Gesundheitsreform<br />
aufgeweicht wird.<br />
Bei der Hilfsmittelversorgung drohen<br />
große Einbrüche, da zukünftig<br />
soll nur noch Hilfsmittel mit dem<br />
niedrigsten Preis zur Verfügung<br />
gestellt werden sollen, in der Regel<br />
Mit einem Kongress - mit internationaler<br />
Beteiligung - im Haus der<br />
Bremischen Bürgerschaft unter dem<br />
Motto „Visionen 2020 – Behinderte<br />
Menschen setzen Meilensteine für<br />
die Behindertenpolitik“ wollen behinderte<br />
Menschen am 20./21. November<br />
ihre Vorstellungen für eine<br />
zukunftsweisende Behindertenpolitik<br />
entwerfen und diskutieren. Der<br />
vom Bundesministerium für Gesundheit<br />
geförderte Kongress wird<br />
vom Behindertenverband Interessenvertretung<br />
Selbstbestimmt Leben<br />
in Deutschland (ISL) organisiert.<br />
Neben der Bundesbehindertenbeauftragten,<br />
Karin Evers-Meyer, werden<br />
auch Referenten aus Schweden und<br />
der Schweiz am Kongress teilnehmen.<br />
Die Visionen von Uwe Frevert vom<br />
Vorstand der ISL zielen beispielsweise<br />
darauf ab, dass behinderte Menschen<br />
zukünftig wie alle anderen<br />
Fertigprodukte, während meisten behinderten<br />
Menschen bedarfsgerechte<br />
Hilfsmittel benötigen, die individuell<br />
angepasst werden. Für die Krankenkassen<br />
würden daher diese Personen<br />
zu unwillkommenen und teuren Patienten,<br />
da sie „unrentabel“ sind.<br />
Auch in den Lebensorten Pflege-<br />
und Wohnheim müsste „häusliche<br />
Krankenpflege“ muss auch in Wohnheimen<br />
möglich sein. Der Begriff der<br />
„Häuslichkeit“ müsse deshalb überdacht<br />
und den neuen Lebensformen<br />
alter, chronisch kranker und behinderter<br />
Menschen angepasst werden.<br />
Reform der Eingliederungshilfe:<br />
Während kranke Menschen Leistungen<br />
der Krankenkassen erhalten,<br />
müssten pflegebedürftige Personen<br />
auf die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung<br />
zurückgreifen. Zu<br />
wenig bekannt sei, dass Menschen<br />
mit geistiger Behinderung oft lebenslang<br />
auf die Leistungen der Eingliederungshilfe<br />
Menschen angewiesen<br />
sind. Hier drohe auf Grund der wachsenden<br />
Zahl von alt werdenden Menschen<br />
mit geistiger Behinderung eine<br />
Kostenexplosion für die Kommunen.<br />
Während diese eine Beteiligung des<br />
Bundes an der Finanzierung der Eingliederungshilfe<br />
verlangen, strebe<br />
die Bundesregierung an, den Kostenanstieg<br />
in der Eingliederungshilfe<br />
zu drosseln. Lachwitz: „Der Staat<br />
kann nicht aus der Verantwortung<br />
entlassen zu werden, dafür Sorge zu<br />
tragen, dass Menschen mit geistiger<br />
Behinderung auch in Zukunft flächendeckend<br />
ausreichend gefördert,<br />
betreut und versorgt werden können.<br />
Die geplante Reform der Eingliederungshilfe<br />
muss deshalb viel mehr<br />
als bisher in das Licht der Öffentlichkeit<br />
gerückt werden. Nur dann kann<br />
es gelingen, auch Menschen mit geistiger<br />
Behinderung als gleichwertige<br />
Bürger anzuerkennen, die mitten in<br />
der Gesellschaft leben können.“<br />
Die Große Koalition habe eine<br />
Reform der sozialen Pflegeversicherung<br />
angekündigt. Es ist dringend<br />
erforderlich, die Höhe der seit 1995<br />
unveränderten Beträge an die Kostenentwicklung<br />
anzupassen und die<br />
inzwischen offenkundigen Mängel<br />
der Pflegeversicherung zu beseitigen.<br />
Bestimmte Gruppen pflegebedürftiger<br />
Menschen sind bisher in<br />
der Pflegeversicherung benachteiligt,<br />
vor allem an Demenz erkrankte<br />
alte Menschen und um Menschen<br />
mit schwerer geistiger Behinderung.<br />
Sie seien zwar oft noch körperlich<br />
mobil, können sich selber an- und<br />
auskleiden, essen und trinken, aber<br />
bedürften dazu der ständigen Beaufsichtigung,<br />
da sie vergesslich<br />
oder orientierungslos sind. Der Beaufsichtigungsbedarf<br />
wird in der<br />
sozialen Pflegeversicherung völlig<br />
unzureichend berücksichtigt. Viele<br />
Demenzerkrankte oder Menschen<br />
mit geistiger Behinderung erhalten<br />
deshalb gegenwärtig kein Pflegegeld<br />
oder sonstige Pflegeleistungen.<br />
Dr. Rudolf Turber<br />
Behinderte setzen in Bremen<br />
Meilensteine für Behindertenpolitik<br />
auch und mit der Unterstützung, die<br />
sie brauchen, in der Gemeinde statt<br />
in Sondereinrichtungen leben und<br />
arbeiten können. „Die Hoffnung,<br />
dass sich der Grundsatz einer barrierefreien<br />
und diskriminierungsfreien<br />
Umwelt zunehmend durchsetzt<br />
und vor allem, der Glaube, dass die<br />
Entfaltung der großen Energie und<br />
der vielen Ideen, die in der Selbsthilfe<br />
behinderter Menschen stecken,<br />
unsere Gesellschaft positiv prägen<br />
kann“, sind nach Auffassung von<br />
Uwe Frevert weitere Visionen, die<br />
während dem Kongress zur Sprache<br />
kommen werden.<br />
Neben Vorträgen, wie zum Beispiel<br />
von der Bundesbehindertenbeauftragten,<br />
Karin Evers-Meyer, dem<br />
Bremer Sozialrichter Horst Frehe<br />
und Dr. Adolf Ratzka aus Stockholm<br />
steht die Arbeit in einer Reihe von<br />
Arbeitsgruppen, sowie Talkrunden<br />
auf dem Programm. Mit einer Abschlussaktion<br />
sollen die während der<br />
Tagung entwickelten Meilensteine<br />
dargestellt und deren Umsetzung in<br />
Gang gebracht werden. „Vor allem ist<br />
für uns bei diesem Kongress wichtig,<br />
dass wir einmal den Blick von den<br />
Problemen des Alltags in die Weiten<br />
der Möglichkeiten richten, die<br />
behinderten Menschen erschlossen<br />
werden können. Dabei werden uns<br />
sicherlich die internationalen Referenten<br />
die richtige Inspiration geben“,<br />
so Uwe Frevert. Interessant an<br />
diesem Kongress sei vor allem, dass<br />
am Eröffnungstag die Vorträge von<br />
Die Sozialsenatorin<br />
Dr. Heidi Knake-Werner<br />
zur Zukunft der Behindertenpolitik<br />
in Berlin<br />
Anlässlich des Internationalen Tages<br />
der Menschen mit Behinderungen<br />
lädt die Landesvereinigung Selbsthilfe<br />
Berlin e.V. in Zusammenarbeit<br />
mit der Arbeitsgruppe der <strong>Berliner</strong><br />
Behindertenverbände und -initiativen<br />
zu einer Diskussion mit der kürzlich<br />
wieder benannten Sozialsenatorin,<br />
Dr. Heidi Knake-Werner, ins <strong>Berliner</strong><br />
Rathaus ein. Sie wird ihre Vorstellungen<br />
über die Behindertenpolitik in<br />
Berlin in den nächsten Jahren – insbesondere<br />
im Europäischen Jahr der<br />
Chancengleichheit 2007 – darlegen.<br />
Bürgerinnen und Bürger mit und<br />
ohne Behinderung haben dann die<br />
Gelegenheit, brisante Fragen zur Zukunft<br />
der Behindertenpolitik in der<br />
Bundeshauptstadt an die Leiterin der<br />
zuständigen Senatsverwaltung selbst<br />
zu richten. Im Mittelpunkt werden<br />
voraussichtlich Themen wie der Sonderfahrdienst,<br />
das Landespflegegeld<br />
sowie die Situation behinderter Menschen<br />
auf dem Arbeitsmarkt stehen.<br />
Veranstaltungstermin ist Mittwoch,<br />
der 6. Dezember 2006 in der<br />
Zeit von 17 bis 19 Uhr im <strong>Berliner</strong><br />
Rathaus, Ferdinand-Friedensburg-<br />
Saal (Raum 338). Weitere Informationen<br />
unter 030/ 27 59 25 25 und<br />
auf www.lv-selbsthilfe-berlin.de.<br />
Jürgen Friedrich, Landesvereinigung<br />
Selbsthilfe Berlin e.V.<br />
Littenstr. 108, 10179 Berlin. Tel.:<br />
2759 2525, Fax: 2759 2526. juergen.<br />
friedrich@lv-selbsthilfe-berlin.de,<br />
www.lv-selbsthilfe-berlin.de<br />
Horst Frehe und der Bundesbehindertenbeauftragten<br />
aus der Perspektive<br />
des Jahres 2020 gehalten werden.<br />
„Diese Perspektive erlaubt es<br />
den ReferentInnen einmal frei von<br />
Zwängen auf die Zukunft sperspektiv<br />
en für unsere Gesellschaft und für<br />
behinderte Menschen zu blicken“, so<br />
Uwe Frevert.<br />
Nähere Informationen gibt‘s im<br />
Internet unter www.isl-ev.de und<br />
gibt Ihnen gerne Ottmar Miles-Paul,<br />
Tel. 0179-235 1063.<br />
Interessenvertretung<br />
Selbstbestimmt Leben<br />
in Deutschland e.V. – ISL<br />
Kölnische Straße 99<br />
34119 Kassel<br />
Tel. 0561/ 99 77 172<br />
Handy: 0179-235 10 63<br />
Fax: 0561/ 72 885-29<br />
E-Mail: ottmar.miles-paul@<br />
bifos.de, www.isl-ev.de