REISEN - Berliner Behindertenzeitung
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BBZ – Dezember 2006/ Januar 2007 KULTUR<br />
Vincent van Gogh (1853 – 1890)<br />
zählt heute wohl zu den bekanntesten<br />
Malern der europäischen Welt. Doch<br />
zu seinen Lebzeiten hat er nur ein einziges<br />
seiner Gemälde verkaufen können,<br />
begleiteten den gebürtigen Niederländer<br />
nahezu beständig Armut<br />
und auch ein rastloses Suchen nach<br />
einer ihm gerechten Lebensform.<br />
Nach Meinungsverschiedenheiten<br />
mit seiner Geschäftsführung und seiner<br />
Kündigung im Beruf des Kunsthändlers<br />
(1869 – 1876) war er, arm<br />
wie die Grubenarbeiter, als Prediger<br />
im Kohlerevier von Borinage tätig,<br />
begann damals, den rauen Alltag<br />
der Menschen dort in Zeichnungen<br />
festzuhalten. Ab 1880 besuchte er<br />
Vincent van Gogh, Stilleben mit Sonnenblumen<br />
die Kunstakademie in Brüssel, nach<br />
dem Tod seines Vaters im Jahre 1885<br />
die Kunstakademie in Antwerpen.<br />
1882 hatte er in Den Haag zusammen<br />
mit der früheren Prostituierten<br />
Sien eine Wohnung bezogen, was<br />
eine weitgehende Ächtung in seinem<br />
Bekanntenkreis zur Folge hatte.<br />
Von 1886 bis 1888 lebte er in Paris,<br />
wohnte dort bei seinem Bruder Theo,<br />
einem Kunsthändler (und Freund),<br />
der zeitlebens seinen Unterhalt bezahlte.<br />
Paris war im 19. Jahrhundert<br />
das Zentrum der modernen Kunst,<br />
für van Gogh die „Heimat der Bilder“,<br />
und auf vielen Gebieten die<br />
Wiege der Avantgardisten, der kulturellen<br />
Vorreiter. In Paris traf er Henri<br />
de Toulouse-Lautrec, viele wichtige<br />
Vertreter des Impressionismus und<br />
lernte dort auch Paul Gauguin kennen,<br />
mit dem es wegen ihrer unter-<br />
Bekannte Persönlichkeiten<br />
mit Behinderung<br />
Ein Blick in die Geschichte<br />
schiedlichen künstlerischen<br />
Auffassungen zu langen, hitzigen<br />
Diskussionen kam.<br />
Wie zuvor in Den Haag<br />
und Antwerpen waren es<br />
auch in Paris oft sehr einfache<br />
Motive, die er für seine<br />
Gemälde wählte, wie das<br />
Paar alter, mit Schlamm beschmutzter<br />
Kutscherstiefel,<br />
die er auf einem Flohmarkt<br />
gekauft hatte. Van Gogh<br />
dazu: „Plumpe Schuhe und<br />
Rosen können auf die gleiche<br />
Weise gut sein.“ Im<br />
Februar 1888 verließ er Paris<br />
in Richtung Süden, zog<br />
nach Arles in die Provence,<br />
„dort gibt es noch mehr Farbe<br />
und noch mehr Sonne“.<br />
Dort angekommen, malte<br />
er zunächst Winterbilder,<br />
später blühende Obstgärten<br />
und Blumen, vor allem Sonnenblumen,<br />
die einfachen<br />
Menschen, ein Paar Holzschuhe<br />
und immer wieder<br />
Landschaften. Er malte in<br />
einer Art rasender Arbeitswut,<br />
zeichnete und malte oft<br />
bis zur Erschöpfung, bis hin<br />
zu Krisen. In Arles mietete<br />
er für 15 Francs monatlich<br />
sein „gelbes Haus“, das ihm<br />
Caféterasse bei Nacht<br />
eigentlich zum Ort für eine Künstlerkolonie<br />
mit den Pariser Freunden werden sollte.<br />
Doch nur Paul Gauguin sagte zu und kam.<br />
Schon bald wurden aber wieder unvereinbare<br />
Auffassungen deutlich. Im Zuge eines sehr<br />
heftigen Streits mit Gauguin im Dezember<br />
1888 verletzte van Gogh sich selbst am Ohr;<br />
der Arzt berichtete seinem Bruder Theo aber<br />
auch von mehreren Schüben nicht näher definierter<br />
Anfälle.<br />
Nach heftigen Anfeindungen durch Nachbarn<br />
in Arles begab sich van Gogh in eine<br />
Nervenheilanstalt, doch auch dort wiederholten<br />
sich schwere Anfälle mit optischen<br />
und akustischen Halluzinationen. Er selbst<br />
hat diese Anfälle in Briefen als epileptische<br />
Anfälle benannt. Doch auch sein starker<br />
Konsum von Absinth, dem grünen Wermutschnaps,<br />
könnte zu seinem Krankheitsbild<br />
beigetragen haben. Einige Ärzte halten<br />
heute die so genannte Menière-Krankheit<br />
23<br />
Vincent van Gogh, Paris, Frühjahr 1887:<br />
Selbstbildnis (Öl auf Karton, 42 x 33,7 cm)<br />
Chicago, The Art Institute of Chicago<br />
für die wahrscheinlichste Ursache<br />
seiner Symptome, für die häufigen<br />
Schwindel-Attacken, verbunden mit<br />
Übelkeit und einem Tinnitus. Vielleicht<br />
war ein Tinnitus ja auch die<br />
Ursache für seine Selbstverletzung<br />
am Ohr im Dezember 1888.<br />
Im Mai 1890 verließ er das Hospital,<br />
fuhr nach Auvers-sur-Oise, eine<br />
Stunde von Paris entfernt, wo er sich<br />
wieder in die künstlerische Arbeit<br />
stürzte, aber auch über eine „maßlose<br />
Einsamkeit“ klagte. Als er am<br />
27. Juli 1890 mit starken Schmerzen<br />
nach Hause zurückkehrte, entdeckten<br />
Ärzte eine Pistolenkugel in seiner<br />
Brust. Vincent van Gogh starb<br />
wenige Tage später im Beisein seines<br />
Bruders Theo; dieser starb selbst<br />
sieben Monate nach seinem Bruder.<br />
Erst nach dessen Tod hat sich sein<br />
Anspruch einer Kunst für alle an seinem<br />
eigenen Werk erfüllt. Vincent van<br />
Goghs Kunstwerke brachten nicht nur<br />
bei Auktionen Millionen-Summen<br />
ein, sondern konnten auch als Vorlagen<br />
für zahllose Reproduktionen dienen<br />
und so tatsächlich „etwas Licht in<br />
die Häuser der Armen“ bringen.<br />
Vincents Schlafzimmer