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Individuelle Trauer im Film

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auf und lädt sie nach Ancona ein, was diese jedoch zu diesem Zeitpunkt der Geschichte noch<br />

ablehnt. Unter dramaturgischen Gesichtspunkten betrachtet wirkt dieser Aufschub als<br />

retardierendes Moment. Obwohl durch dieses Hinzutreten einer Figur von außen bereits ein<br />

Weg zur Bewältigung des Problems aufscheint, verstärkt sich die emotionale Spannung<br />

zwischen Giovanni und Paola vorerst gerade durch diesen Brief.<br />

2.7.3.3. Wendepunkt und Ansatz einer Lösung (1:22:13 – 1:32:50)<br />

Die entscheidende Wendung, hin zu einem versöhnlichen Schluss, erhält die Geschichte<br />

durch Ariana, die sich entschieden hat, die Familie doch zu besuchen. Nach kurzem Gespräch<br />

erklärt Ariana, sie und ihr Freund Stefano seien per Anhalter unterwegs. Giovanni entschließt<br />

sich, die beiden zur nächsten Autobahnauffahrt zu fahren, wo sie bessere Chancen hätten,<br />

mitgenommen zu werden. Gemeinsam mit Paola, Irene, Ariana und Stefano fahren sie los.<br />

Um die Reise abzubilden, greift Moretti auf die Zeit raffende Technik des elliptischen<br />

Erzählens zurück und zeigt nur die wichtigsten Stationen des Weges. Die Fahrt endet am<br />

frühen Morgen an einer Autobahnraststätte, die am Meer liegt. Nach einem Kaffee<br />

verabschieden sich Stefano und Ariana von der Familie. Giovanni, Paola und Irene laufen am<br />

Strand entlang. Diese letzten Bilder schließen den <strong>Film</strong> mit Aussicht auf einen positiven<br />

Umgang mit dem Tod Andreas ab. Da hier zwar der <strong>Film</strong>, nicht jedoch die Geschichte der<br />

<strong>Trauer</strong> Giovannis und seiner Familie endet, kann in Hinblick auf die Erzählform von einem<br />

offenen Ende gesprochen werden.<br />

2.7.3.4. Fazit der Analyse<br />

Die lange Exposition, die ein Drittel der <strong>Film</strong>dauer in Anspruch n<strong>im</strong>mt, stellt die Rituale der<br />

Familie dar, die zwischen Frühstück, Schule, Arbeit und Freizeit den Alltag in einer<br />

liebevollen Atmosphäre zu bewältigen hat. Dem Zuschauer wird die Möglichkeit geboten,<br />

sich aufgrund dieser ihm wahrscheinlich ebenfalls vertrauten Handlungen mit der Familie zu<br />

identifizieren. Gleichzeitig wird eine Atmosphäre bürgerlichen Glücks geschaffen und so die<br />

Fallhöhe vorbereitet. Der Kontrast, der durch die schockierende Wirkung des unerwarteten<br />

Todes geschaffen wird, wirkt so umso eindrücklicher. Da der Tod völlig ohne vorbereitenden<br />

‚suspense’ geschieht, wird für den Zuschauer deutlich, dass der Tod eine Konstante der<br />

Wirklichkeit ist, der jeder, ihn eingeschlossen, in jedem Augenblick zum Opfer fallen kann.<br />

Der Tod, als das die <strong>Trauer</strong> auslösende Ereignis in „Das Z<strong>im</strong>mer meines Sohnes“, passiert<br />

einfach ohne äußeren Anlass wie beispielsweise eine Krankheit und ohne moralischen<br />

Anspruch, wie sie etwa die Bestrafung durch Tod <strong>im</strong> Sinn einer poetischen Gerechtigkeit<br />

nach einer moralischen Verfehlung darstellen würde. Die Folgen des Verlusts des Sohnes

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