Individuelle Trauer im Film
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2<br />
ist eine eingesunkene, tonuslose Haltung mit hängenden Schultern, bei Naturvölkern oft ein<br />
Zusammenkauern auf dem Boden.“ 4<br />
2.2. Sigmund Freud und die <strong>Trauer</strong><br />
Während die Melancholie schon in der griechischen Antike Gegenstand der Beschäftigung in<br />
Philosophie und Poesie 5 war, ist die Untersuchung der <strong>Trauer</strong> eine neuzeitliche Erscheinung.<br />
Eine der ersten wissenschaftlich-systematischen Abhandlungen über dieses Gefühl stellt die<br />
1917 erschiene Schrift „<strong>Trauer</strong> und Melancholie“ 6 von Sigmund Freud dar. Hierin entwirft er<br />
ein psychoanalytisches Modell der <strong>Trauer</strong>reaktion, das sich bis heute als grundlegend für die<br />
weitere Theoriebildung erwiesen hat. ‚<strong>Trauer</strong>’ ist nach Freud „regelmäßig die Reaktion auf<br />
den Verlust einer geliebten Person oder einer an ihre Stelle gerückten Abstraktion wie<br />
Vaterland, Freiheit, ein Ideal usw.“ 7 Im Unterschied zur pathologisierten Melancholie<br />
erscheint die <strong>Trauer</strong> als gesunde emotionale Reaktion auf einen erlittenen Verlust. Sie „enthält<br />
den Verlust des Interesses für die Außenwelt (...), den Verlust der Fähigkeit, irgend ein neues<br />
Liebesobjekt zu wählen (...), die Abwendung von jeder Leistung, die nicht mit dem Andenken<br />
des Verstorbenen in Beziehung steht“ 8 . Ihre Aufgabe sei es, das Ich mit dem geschehenen<br />
Verlust zu konfrontieren, so dass es diesem in einem aktiven Prozess möglich wird, seine<br />
libidinösen Energien langsam vom verlorenen Liebesobjekt ab zu ziehen um sich danach<br />
wieder der Realität bzw. neuen Bindungen zuwenden zu können. Dieser als ‚<strong>Trauer</strong>arbeit’<br />
bezeichnete Prozess sei zwar mit Schmerzen verbunden, doch notwendig, denn „tatsächlich<br />
wird aber das Ich nach der Vollendung der <strong>Trauer</strong>arbeit wieder frei und ungehemmt.“ 9 Die<br />
<strong>Trauer</strong>arbeit gilt als abgeschlossen, wenn „das verlorene Objekt nirgends mehr unwillkürlich<br />
erwartet wird und wenn auch die Vorstellung und Erinnerung an das Objekt keinen<br />
<strong>Trauer</strong>effekt, keine Tränen mehr auslöst.“ 10<br />
4<br />
Schleidt, Margret: Humanethologische Aspekte der <strong>Trauer</strong>. In: Ochsmann, Randolph; Howe, Jürgen (Hg.):<br />
<strong>Trauer</strong> – Ontologische Konfrontation. Bericht über die 2. Tagung zur Thanato-Psychologie vom 23.- 24.<br />
November 1989 in Osnabrück. Stuttgart 1991, S. 13.<br />
5<br />
Vgl. Klibanski, Raymon: Panofsky, Erwin; Saxl, Franz: Saturn und Melancholie. 2. Aufl., Frankfurt/M. 1990.<br />
Auch: Haverkamp, Anselm: Laub voll <strong>Trauer</strong>. Hölderlins späte Allegorie. München 1991.<br />
Sowie: Bohrer, Karl Heinz: Der Abschied: Theorie der <strong>Trauer</strong>. Frankfurt/M. 1996.<br />
6<br />
Freud, Sigmund: <strong>Trauer</strong> und Melancholie. In: ders.: Studienausgabe. Hgg. von Mitscherlich, Alexander;<br />
Richards, Angela; Strachey, James. Bd. III. Frankfurt/M. 1975, S. 197-212.<br />
7<br />
Ders. S. 212.<br />
8<br />
Ders. S. 198.<br />
9<br />
Ders. S. 199.<br />
10<br />
Tomann, Walter: <strong>Trauer</strong>. In: Lexikon der Psychologie. Hgg von Arnold, Wilhelm; Eyseneck, Jürgen; Meili,<br />
Richard. 11. Auflage, Bd. III. Freiburg 1980, S. 2350f.<br />
Vgl. hierzu: Turnhe<strong>im</strong>, Michael: <strong>Trauer</strong>, Melancholie und Psychoanalyse. In: Zarnegin: Kathy: Buchstäblich<br />
traurig. Basel 2004, S. 161-173: Anhand eines Briefs, den Freud 1929 an Ludwig Binswanger, dessen Sohn<br />
gestorben war, schrieb, stellt Turnhe<strong>im</strong> die These auf, dass es „bei Freud zwei Sichtweisen der <strong>Trauer</strong>“ (ebd. S.<br />
161) gegeben habe. Während die klassisch gewordene, in „<strong>Trauer</strong> und Melancholie“ beschriebene Reaktion mit