Download (PDF) - Sportwissenschaftlicher Nachwuchs
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Kommentar: Interdisziplinarität<br />
"Den Gegenstandsbereich der Kuhnschen Wissenschaftsphilosophie bildet<br />
der Gesamtbereich der Grundlagenwissenschaften, und zwar hinsichtlich seines<br />
epistemischen Aspekts" (Hoyningen-Huene, 1989, S. 37). Wenn sich<br />
Kuhn also auf die "'reine Wissenschaft' (oder 'Grundlagenforschung', 'basic<br />
science')" (Hoyningen-Huene, 1989, S. 17) konzentriert, werden weite Bereiche<br />
der Wissenschaft ausgeklammert (z. B. die Geschichtswissenschaften, die<br />
Philosophie und die angewandten Wissenschaften) oder als nichtwissenschaftlich<br />
oder vor-wissenschaftlich disqualifiziert (z. B. die moderne<br />
Soziologie) (vgl. Chalmers, 2001, S. 91 f.; Hoyningen-Huene, 1989, S. 16 f.).<br />
Diese Einschränkungen erschweren die Bestimmung und die Ein- und Abgrenzung<br />
derjenigen Einheiten, die im Hinblick auf Inkommensurabilität untersucht<br />
werden müssen (Diese Schwierigkeiten nehmen mit der Einführung des<br />
Paradigmenbegriffs eher noch zu; vgl. dazu Kap. 2.3). Die schlichte Feststellung<br />
unterschiedlicher Disziplinaritäten reicht zur Identifikation dieser – evtl.<br />
inkommensurablen – Einheiten nicht aus, da einige Disziplinen und die angewandten<br />
Wissenschaften insgesamt nicht in den Anwendungsbereich fallen.<br />
Darüber hinaus ist die Aufgliederung des Gesamtbereichs Wissenschaft in<br />
Disziplinen historisch veränderlich (vgl. z. B. Kuhn, 1976, S. 191) und zudem<br />
aspektabhängig (vgl. Hoyningen-Huene, 1989, S. 19; Kuhn, 1976, S. 189). Die<br />
disziplinübergreifende sportwissenschaftliche Forschung (z. B. Heckhausen &<br />
Strang 1988) liefert also zunächst kein stichhaltiges Indiz für Inkommensurabilität,<br />
sofern angewandte Wissenschaften und/oder nach Kuhn vor- oder nichtwissenschaftliche<br />
Disziplinen beteiligt sind.<br />
Zweitens: Theorienvergleich vs. Theorienverknüpfung<br />
Das Kuhnsche Phasenmodell – der Wechsel von normaler Wissenschaft und<br />
Revolution in aufeinanderfolgenden Phasen – enthält zwingend die chronologische<br />
Dimension, so dass Inkommensurabilität ursprünglich an die zeitliche<br />
Verortung von Theorien bzw. Paradigmen (vor- und nachrevolutionär) gebunden<br />
war (vgl. Hoyningen-Huene, 1989, S. 207; Kuhn, 1974, S. 258). Erst später<br />
bekommt der Begriff eine weiter gefasste Bedeutung. Es geht um den Vergleich<br />
von rivalisierenden Paradigmen innerhalb eines Wissenschaftsgebietes<br />
im Hinblick auf wissenschaftlichen Fortschritt und empirischer Leistungsfähigkeit<br />
(vgl. Chalmers, 2001, S. 95 f., S. 101 f.; Hoyningen-Huene, 1989, S. 212<br />
f.) und entsprechend um die Gründe für die jeweilige Theoriewahl (vgl. Kuhn,<br />
1974, S. 252 ff.). Ausgeschlossen erscheint demnach die Möglichkeit, beiden<br />
– durch eine Revolution getrennten – Theorien anzuhängen; die Frage ist ein<br />
"entweder – oder". Bei einer interdisziplinären Theoriebildung soll jedoch weder<br />
verglichen noch gewählt werden. Es geht ebenso nicht um einen historischen<br />
Ablösungsprozess von Paradigmen, auch nicht um ihre unverbundene<br />
parallele Existenz innerhalb eines Forschungsgebietes (wie z. B. beim Welle-<br />
Teilchen-Dualismus in der Physik), sondern um die synchrone Verknüpfung<br />
zweier Theorien.<br />
2.2 Reduzierbarkeit<br />
Um dem Vorwurf der Irrationalität oder des Relativismus bei der Theoriewahl<br />
(vgl. z. B. Chalmers, 2001, S. 101; Kuhn, 1974, S. 255) zu entgehen, ließe<br />
20<br />
Ze-phir 9 (2002) 1