3.1 Zur Psycho® und Sozlodynamlk des Kindes - elearning.hawk ...
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Aber nicht nur in dieser Entwicklungsphase wirkt die psychosexuelle<br />
Eigenkraft <strong>des</strong> Geschlechts. Aus den Bef<strong>und</strong>en der<br />
modernen Stressforschung wissen wir, wie sich diese Primärkraft<br />
verselbstständigen <strong>und</strong> Befindlichkeit <strong>und</strong> Verhalten beeinflussen<br />
kann, wenn es darum geht, die körperlich-seelische<br />
Befindlichkeit einem wie immer auch gearteten somatischen<br />
Gleichgewicht zuzuführen. Wir spüren selbst, wie wir in kritischen<br />
Lebenssituationen, in denen die gewohnten psychischen<br />
<strong>und</strong> sozialen Mechanismen der Orientierung <strong>und</strong> Handlungsregulierung<br />
versagen, in „Zustände" kommen, in denen wir<br />
uns nicht mehr erkennen oder fassungslos auf unsere körperlich-seelischen<br />
Reaktionen sind, die sich augenscheinlich aus<br />
unserer Selbstkontrolle gelöst haben.<br />
Deshalb kommt die Soziologie - auch wenn sie sich mit der<br />
Psychoanalyse verbündet - immer dort an ihre Grenzen, wo<br />
sie die subjektive Erfahrung <strong>des</strong> Geschlechtlichen im Emotionalen<br />
ortet <strong>und</strong> mit Begriffen wie „Betroffenheit" <strong>und</strong> „Zustandsbefindlichkeit"<br />
zu arbeiten versucht. Solche Begriffe<br />
verweisen zwar - soziologisch gesehen - auf einen nicht mehr<br />
erklärbaren „psychophysischen Rest", können diesen aber<br />
höchstens nur mit psychoanalytischen Assoziationen beschreiben,<br />
seine - freilich zum Sozialen hin gebrochene - Eigenmächtigkeit<br />
aber nicht erklären. Diese interdisziplinäre<br />
Problematik lässt sich am besten am Beispiel der sozialisationstheoretischen<br />
Verwendung <strong>des</strong> Paradigmas der Geschlechtsidentität<br />
darstellen.<br />
Im Gender-Diskurs wird in der Regel der Identitätsbegriff <strong>des</strong><br />
Symbolischen Interaktionismus verwendet. Dieser sucht die<br />
Verbindung von personaler Befindlichkeit <strong>und</strong> sozialem<br />
Standort der Person. Es wird eine Identitätsgleichung aufgemacht,<br />
in der ein Zusammenspiel von gesellschaftlichen Verhaltenserwartungen<br />
<strong>und</strong> individueller, personaler Selbstäußerung<br />
zu jener psychosozialen Balance führt, in der die Identität<br />
ein mit sich <strong>und</strong> anderen im Einklang Sein` darstellt. Im<br />
Mittelpunkt dieser von G. H. Mead (1973) entwickelten Identitätstheorie<br />
steht der „generalisierte Andere", in den das Ich<br />
sich über sprachliche Interaktion hineinzuversetzen hat, um<br />
seinen Platz <strong>und</strong> seine Zustandsgewissheit, sein Selbst im Sozialen<br />
zu finden. Indern ich lerne mich sozial zu verhalten, bin<br />
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ich <strong>und</strong> gewinne ich meine Sicherheit <strong>des</strong> Selbst. Das bedeutet<br />
nicht, dass ich mich einfach sozial anpasse. Vielmehr wird in<br />
diesem Identitätskonzept davon ausgegangen, dass ich mich<br />
mit meinen personalen Angelegenheiten <strong>und</strong> meinem Eigensinn<br />
in der Interaktion mit Anderen auseinandersetze, dass ich<br />
mir ein Bild von mir über die Anderen mache, dabei aber<br />
meine eigene Personalität <strong>und</strong> Individualität ausspiele.<br />
Doch in diesem Konzept bleibt ungeklärt, ob <strong>und</strong> wie das vorsoziale,<br />
triebgeprägte Ich (dem psychoanalytischen Es nahe),<br />
das im sozialen Ich (Me) aufgeht, seine vorsoziale Kraft verloren<br />
oder vielleicht doch behalten hat: „Meads Gedanken zu<br />
Identität fügen sich zu einem Interpretationsmodell, in dem<br />
die Identität vor allem durch die Erwartung <strong>und</strong> Faltung der<br />
Anderen gebildet wird. Wegen der großen Bedeutung, die das<br />
Lernen von Sprache <strong>und</strong> die kognitive Dimension menschlichen<br />
Daseins in ihm haben, kann man auch von einem Wissensmodell<br />
sprechen. Von der "Triebnatur <strong>des</strong> Menschen wird<br />
in ihm also abgesehen" (Gottschalch 1988, S. 117). Das Problem<br />
einer soziologischen Annäherung an das Selbst besteht im<br />
Gr<strong>und</strong>e also darin, dass sich trotz entsprechendem Anspruch<br />
der Moderne die vorsozialen Strukturen, welche die erste Natur<br />
<strong>des</strong> Menschen bilden, nicht rational <strong>und</strong> linear von der<br />
zweiten Natur her, dem Sozialen <strong>des</strong> Menschen, aufschließen<br />
<strong>und</strong> entsprechend integrieren lassen. Die sozialwissenschaftlichen<br />
Zivilisationstheoretiker - allen voran Norbert Elias<br />
(1976) - haben in diesem Zusammenhang ja gezeigt, dass der<br />
ökonomische fortschritt <strong>und</strong> die soziale Strukturierung der<br />
modernen Industriegesellschaften mit der Unterdrückung <strong>und</strong><br />
Kanalisierung der menschlich-kreatürlichen Triebstrukturen<br />
einher gegangen sind. Jede soziale Regel, je<strong>des</strong> Recht <strong>und</strong> jede<br />
Institution : so zitiert Wilfried Gottschalch (1988, S. 114)<br />
den Soziologen Helmut Plessner - „artikuliert, kanalisiert <strong>und</strong><br />
unterdrückt die entsprechenden Triebregungen". In dieser<br />
psychohistorischen Verortung der menschlichen Triebstrukturen<br />
wird deutlich, dass die menschlichen Triebe, „die aus unbekannten<br />
Tiefen stammen" (Gottschalch) nie für sich allein,<br />
sondern immer in der Spannung zum Sozialen gesehen werden<br />
müssen. Eben wegen dieser sozialen Spannung, in der das<br />
Triebverhalten steht, stecken in ihm auch Widerständigkeit,<br />
Eigensinn <strong>und</strong> Protest gegen Verdrängung <strong>und</strong> Entmündigung<br />
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