häufig über Anmache (positives Moment: Zuneigung zu Mädchen, Suche von Nähe <strong>und</strong> Geborgenheit; negatives Moment: Der Junge muss vor anderen, insbesondere vor der Clique, seinen Mann stehen, er darf sich nicht dem Mädchen ,unterwerfen'). Oft wird dieses Verhalten von Mädchen gefördert` <strong>und</strong> unterstützt, z.B. durch Kichern oder durch das Zulassen solcher Annäherungen. Strategisches Jungenverhaiten ist also ambivalentes Verhalten. Jungen lassen ihre innere männliche Hilflosigkeit nicht nur in frauenabwertenden Abstraktionen <strong>und</strong> Projektionen aufgehen, sondern senden durchaus empathische Signale nach außen, die aber in der Regel missachtet oder nicht so entschlüsselt werden. Strategisches Verhalten ist meist ritualisiert, dies gibt dem Jungen Sicherheit: Er muss sich nicht offenbaren, sich nicht stellen, so kann man vor der Clique das Gesicht wahren. Jungen, die nicht in einer festen Gleichaltrigengruppe sind, werden dennoch über die Ausstrahlung der Gleichaltrigenkultur entsprechend beeinflusst. Allerdings sind sie der permanenten Gruppenkontrolle <strong>und</strong> ihrem Konformitätsdruck nicht so stark ausgesetzt. Jungen, die gern viel mit Mädchen zusammen sind, sind offener für ein anderes als das gängige männliche Verhalten. (Überarbeiteter Auszug aus Böhnisch, L./Winter, R.: Männliche Sozialisation 1993, S. 86/87) In Cliquen wird auch Risikoverhalten kultiviert, es hält sie zusammen. Der Begriff <strong>des</strong> Risikoverhaltens drückt zweierlei aus. Zum einen signalisiert er den Experimentaleharakter der Jugendphase, zum anderen, dass die Jugendzeit sich von der gesellschaftlich eingerichteten Schonphase Jugend hin zur Risikophase Jugend entwickelt hat. Jugendliche verhalten sich „riskant", wenn sie sich selbst (aber auch andere) in ihrer leibseelischen Integrität gefährden oder diese gar zerstören, weil sie nicht mehr die Grenzen zwischen kulturellem Experiment <strong>und</strong> sozialem Bewältigungsdruck kalkulieren können. Deshalb hat Risikoverhalten heute vielfach die jugendkulturelle Unbefangenheit verloren, weil die Jugendphase längst nicht mehr den Schutz <strong>des</strong> Moratoriums genießt (Entgrenzung der Jugend) <strong>und</strong> früh unter sozialem Problemdruck steht. Dennoch gehört Risikoverhalten zum Spezifikum männlicher Sozialisation. In ihrem Bestseller „Kleine IJelden in Not" (1990) füh- 162 ren Schnack/Neutzling plastisch vor, wie Jungen Anerkennung oft nur durch Risikoverhalten <strong>und</strong> die „mannhafte" Bewältigung seiner Folgen (,Ein Indianer kennt keinen Schmerz') erlangen können, auch wenn sie eigentlich darauf nicht abfahren bzw. Angst davor haben. Männliches Risikoverhalten zeigt sich dabei stärker in der Selbst- <strong>und</strong> Fremdgefährdung nach außen (Alkohol- <strong>und</strong> Verkehrsrausch, Einlassen in Gewaltszenen), weibliches Risikoverhalten richtet sich eher nach innen (Medikamentenmissbrauch, Magersucht). Beide treffen sich in der Drogenkultur. Mieses Risikoverhalten ist durch die Unwirklichkeits-Wirklichkeits-Spannung <strong>des</strong> pubertären Jugendalters besonders aufgeladen. Es vermittelt ein Lebensgefühl, in dem Wohlsein <strong>und</strong> Unwohlsein, Omnipotenzerleben <strong>und</strong> (dennoch nicht zu verscheuchende) psychosoziale Belastung gegeneinander bestehen. Solange sich - in der jugendkulturellen Dynamik - die Grenzen <strong>des</strong> Selbsterlebens hinausschieben lassen, so lange überwiegt der Rauschzustand <strong>des</strong> jugendkulturellen Kicks. Sind solche Grenzen aber subkulturell <strong>und</strong> sozialräumlich überschritten, droht Auffälligkeit <strong>und</strong> damit Kriminalisierung <strong>des</strong> Verhaltens. In dieser räumlichen Perspektive zeigt sich auf, wie ambivalent die Außenzentrierung männlicher Sozialisation sein kann. Auf der einen Seite erwerben Jungen früh sozialräumliche Kompetenzen, auf der anderen Seite geraten sie damit auch eher in Zonen sozialer Auffälligkeit <strong>und</strong> Kontrolle. Eine Jungenclique entsteht im ausdrücklichen räumlichen Bezug einer Gleichaltrigengruppe. Jungen besetzen' <strong>und</strong> kontrollieren Räume, ihr Verhalten ist ,Territorialverhalten'. Männliche ominanz drückt sich hier schon früh in den verschiedensten Formen jugendkultureller räumlicher Dominanz aus. Dieses Raumverhalten strukturiert sich nämlich auch über Ausgrenzung, <strong>Zur</strong>ückdrängung anderer Jungen, die nicht der Clique angehören <strong>und</strong> äußert sich nicht zuletzt auch in der räumlichen <strong>Zur</strong>ücksetzung von Mädchen. Die männliche Abwertung der Frau setzt ihre ersten Zeichen im räumlichen Jungenverhalten der ,Anmache', aber auch in der räumlich demonstrierten Beschützerpositur' der Jungen. ie raumgreifende Jungenclique ist somit der soziale Ort, wo sich die Muster männlichen Bewältigungsverhaltens, wie wir
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