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Bürgerschaftliches Engagement

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und Verantwortungen an jene Personen vergeben, die<br />

am besten ihre Intelligenz und Fähigkeiten demonstrieren<br />

können, und diese Faktoren werden im Allgemeinen<br />

durch die Bildungsleistungen beurteilt. Ein hohes Niveau<br />

an Bildung gewährt Zugang zu Positionen und Erfahrungen,<br />

welche wiederum diesen Personen erlauben,<br />

mehr Beweise ihrer Intelligenz und Fähigkeit anzuhäufen,<br />

und verweigern (oder zumindest erschweren) so den<br />

Zugang zu solchen Erfahrungen für jene mit niedrigerem<br />

Leistungsniveau. Dies ist ein heimtückisches Argument:<br />

Es impliziert, dass jene, die nicht erfolgreich sind – sogar<br />

ganze Gruppen von Personen – selbst für jedwede Nachteile<br />

verantwortlich sind. Es lässt institutionelle und<br />

strukturelle Hindernisse zum Erfolg unberücksichtigt<br />

und ignoriert die Tatsache, dass jene, die es in einer Leistungsgesellschaft<br />

„schaffen“, Maßnahmen ergreifen werden,<br />

um sicherzustellen, dass ihre Kinder in Strukturen<br />

eingeschlossen sind, in denen diese, unabhängig von ihrer<br />

„Leistung“, erfolgreich sein werden.<br />

Der Begriff „Leistungsgesellschaft“ stammt aus einem<br />

satirischen Argument gegen die Vermengung von Ideen<br />

der Gleichheit mit Vorstellungen von Leistung, in „The<br />

Rise of the Meritocracy“ von Michael Young, einem Soziologen<br />

und sozialen Unternehmer. Er mokiert sich über<br />

die Tatsache, wie eine Elite – die durch Leistung ausgewählt<br />

wurde – arrogant und selbstgefällig danach strebt,<br />

sicherzustellen, dass ihre privilegierte Position an ihre<br />

Nachkommen weitergegeben wird, obgleich diese vielleicht<br />

weniger talentiert sind. Er argumentiert, dass jedes<br />

Bestreben, einer Elite einen speziellen Status als besonders<br />

wichtigen Teil der Gesellschaft zu geben – den einer<br />

„kreativen Minderheit“ oder einer „rastlosen Elite“, wie er<br />

es nennt – eine viel größere Mehrheit an Entmachteten<br />

hervorbringen würde: „Every selection of one is the rejection<br />

of the many“ (Young: 1958, S. 15).<br />

Kurz vor seinem Tod im Jahr 2002 vermerkt Young<br />

ironisch, wie seine Satire missverstanden und falsch angewandt<br />

wurde:<br />

„Ability of a conventional kind, which used to be distributed<br />

between the classes more or less at random, has<br />

become much more highly concentrated by the engine of<br />

education. A social revolution has been accomplished by<br />

harnessing schools and universities to the task of sieving<br />

people according to education’s narrow band of values.<br />

With an amazing battery of certificates and degrees at its<br />

disposal, education has put its seal of approval on a minority,<br />

and its seal of disapproval on the many who fail<br />

to shine from the time they are relegated to the bottom<br />

streams.“ 3 (Young: 2001)<br />

Der Trugschluss der Leistungsgesellschaft durchzieht<br />

viele Bereiche der Rechtfertigung eines Bildungswettbewerbs.<br />

Er basiert auf der Annahme, dass der prinzipielle<br />

Zweck eines Bildungssystems sei, die Leistungen<br />

einzelner zu filtern und zu beurteilen anstatt sie mit<br />

Fähigkeiten, Fertigkeiten und dem Verständnis auszustatten,<br />

erfüllte Mitglieder einer Gesellschaft zu werden.<br />

Das System, wie es Young so wortgewandt beschreibt,<br />

ist dazu gemacht, Versagen zu schaffen: Dies wiederum<br />

macht Ungleichheit, mit all ihren sozialen Konsequenzen,<br />

unabdingbar. Der sogenannte „Level-playing-field“-<br />

Zugang zur Schaffung fairer Voraussetzungen ist dabei<br />

das logische Grundprinzip aller Maßnahmen zur Chancengleichheit<br />

.Der Begriff des Spielfeldes spiegelt die<br />

Geisteshaltung wider, dass Bildung als ein Wettbewerb<br />

zwischen Individuen zu sehen ist, mit der Begleiterscheinung,<br />

dass es Verlieren und Versagen gibt.<br />

Die Praxis der Leistungsgesellschaft hat in vielen Ländern<br />

ganze soziale Gruppen gebildet, die „versagen“, und<br />

institutionalisiert daher schwache Leistung. Dies bietet<br />

wiederum Handlungsspielraum für beschwichtigende<br />

Rationalisierungen und rechtfertigt diskriminierende<br />

Handlungen gegen sozial Gruppen, seien es bestimmte<br />

Klassen, Ethnien, behinderte Menschen oder andere<br />

Minderheiten.<br />

Diese Ungleichheit ist also nicht zufällig oder gleichmäßig<br />

über die Bevölkerung verteilt: Sozioökonomische<br />

Nachteile sind eng mit schwachen Leistungen in der Bildung<br />

verbunden, ähnlich wie die Zugehörigkeit zu einer<br />

ethnischen Minderheit. Vor allem Migrant/innen leiden<br />

in diesem Qualifizierungsrennen, wobei bewiesen werden<br />

kann, dass dies nicht die Konsequenz von Schwierigkeiten<br />

in der Zweitsprache ist, sondern die der institutionellen<br />

Praxis auf Ebene der Schulverwaltung und<br />

anderswo. Betrachten Sie das Beispiel aus der pisa-Studie<br />

in Bezug auf die Sprachkompetenz von heimischen<br />

Schüler/innen und Migrant/innen der ersten Generation<br />

und vergleichen Sie es dann mit den Ergebnissen von<br />

Migrant/innen der zweiten Generation, welche selbstverständlich<br />

„heimisch“ sind, da sie im Land geboren und<br />

aufgewachsen sind, das ihre Eltern gewählt haben.<br />

Darstellung – Unterschiede in der Leseleistung der<br />

Schüler/innen bezüglich Migrationsstatus und Land,<br />

2006<br />

(Leseleistung im Durchschnitt; von ausgewählten eu-<br />

Ländern, in denen Daten von Migrant/innen erster und<br />

zweiter Generation verfügbar sind)<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

Die Arbeit der Migration-Policy-Group in Brüssel,<br />

im Besonderen deren komparative Arbeit im Migrant-<br />

Integration-Policy-Index (mipex) (Huddleston u.a.:<br />

2011), ist in diesem Zusammenhang bedeutsam, weil sie<br />

das Ausmaß der Diskriminierung von Migrant/innen in<br />

der Bildungspolitik aufzeigt. Eine neue Gruppe, sirius,<br />

sammelt und verbreitet nun aktiv wissenschaftliche<br />

3 Begabungen, welche<br />

einst zwischen den<br />

Klassen mehr oder weniger<br />

zufällig verteilt waren,<br />

wurden durch den Motor<br />

der Bildung viel höher<br />

konzentriert. Eine soziale<br />

Revolution wurde durch<br />

angepasste Schulen und<br />

Universitäten erreicht, um<br />

Personen entsprechend<br />

des eng gefassten<br />

Wertebündels der Bildung<br />

auszusieben. Mit einer<br />

erstaunlichen Anhäufung<br />

von Zertifikaten und<br />

akademischen Graden<br />

und ihrer Vergabe, legt<br />

Bildung ihr Gütesiegel<br />

auf eine Minderheit, und<br />

ihr Siegel der Ablehnung<br />

auf eine Vielzahl an<br />

Menschen, denen es<br />

versagt geblieben ist,<br />

hervorragende Leistungen<br />

zu vollbringen.<br />

BE DK DE FR LU NL AT SE UK<br />

MigrantInnen<br />

erster Generation<br />

Schwerpunkt <strong>Bürgerschaftliches</strong> <strong>Engagement</strong><br />

MigrantInnen<br />

zweiter Generation<br />

Einheimische<br />

SchülerInnen<br />

Datenquelle: oecd<br />

pisa 2006 (adaptiert<br />

von der Europäischen<br />

Kommission, 2008,<br />

Darstellung 3, S. 6)<br />

DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 02-2013 · NR. 248 — 11

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