Bürgerschaftliches Engagement
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Schwerpunkt <strong>Bürgerschaftliches</strong> <strong>Engagement</strong><br />
Politische Bildung im<br />
ländlichen Raum<br />
Versuch eines Plädoyers<br />
Seit dem „Arbeitskreis Politische Bildung“ Mitte der<br />
1990er-Jahre und dem Erscheinen des Buches von Hans Knaller<br />
„Gegenkonzepte. Politische Bildung und Erwachsenenbildung“<br />
1998 hat sich am Charakter der Politischen Bildung als<br />
Randerscheinung in der Angebotsstruktur der Volkshochschulen<br />
wenig verändert. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen<br />
Umbrüche allerdings ist die Wichtigkeit dieses Fachbereiches<br />
unverändert gegeben.<br />
Sabine Aschauer-<br />
Smolik<br />
Schwerpunkt<br />
Zur Definition von „Politischer Bildung“<br />
Orientiert man sich an der im Rahmen der „Europarats-<br />
Charta zur Politischen Bildung und Menschenrechtsbildung“<br />
(http://www.bmukk.gv.at/medienpool/23178/2012_15.pdf) formulierten<br />
Grundlage, so handelt es sich bei Politischer<br />
Bildung vornehmlich um Demokratiebildung und Erziehung<br />
zur Rechtsstaatlichkeit. Ziel sei es, „Lernende […]<br />
zu befähigen, ihre demokratischen Rechte und Pflichten<br />
in der Gesellschaft wahrzunehmen und zu verteidigen,<br />
den Wert der Vielfalt zu schätzen und im demokratischen<br />
Leben eine aktive Rolle zu übernehmen, in der Absicht,<br />
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fördern und zu<br />
bewahren“. Liest man weiter, öffnet sich das Feld hin<br />
zur „aktive[n] Partizipation im Hinblick auf die zivilgesellschaftlichen,<br />
politischen, sozialen, wirtschaftlichen,<br />
rechtlichen und kulturellen Bereiche der Gesellschaft“.<br />
Durch diese Ergänzungen sind Verknüpfungen verschiedener<br />
gesellschaftlicher Aspekte sowie unterschiedlicher<br />
thematischer Schwerpunkte im Rahmen der Politischen<br />
Bildung mitgedacht.<br />
Die Erfahrung zeigt, dass Bildungsangebote im klassischen<br />
Verständnis der Politischen Bildung, wie z.B. zur<br />
Funktionsweise unseres Staatswesens, zu den Institutionen<br />
der Europäischen Union und dem Zusammenwirken<br />
der verschiedenen politischen Ebenen von der europäischen<br />
über die Bundes- und Länderebene bis hin zum lokalen<br />
Bereich, immer noch gerne wahrgenommen werden.<br />
Spricht man mit den Teilnehmer/innen, so ermutigt sie<br />
das Vorhandensein solcher Angebote, sich und anderen<br />
gegenüber einzugestehen, dass sie zu diesen Themen wenig<br />
wissen. Leider gibt es kaum Studien zur Wirkung von<br />
politischer Bildungsarbeit, eine Tatsache, die Planende<br />
zwingt, Entscheidungen auf Angebotsebene auf Erfahrungswerten<br />
aufzubauen. Veranstaltungen dieser Art ziehen<br />
freilich kein Massenpublikum an, sind aber, umgelegt<br />
auf Seminargrößenordnungen, immer wieder gut besucht.<br />
Bezüglich der politischen Bildungsarbeit der Volkshochschulen<br />
im ländlichen Umfeld plädiere ich aus der bisherigen<br />
Erfahrung für Mut zur Verbindung verschiedener<br />
24 — DIE ÖSTERREICHISCHE VOLKSHOCHSCHULE · 02-2013 · NR. 248<br />
gesellschaftlicher Aspekte, um einen breiten Zugang für<br />
möglichst viele Interessierte zu schaffen.<br />
Die Definition von „ländlicher Raum“<br />
Naheliegend erscheint, dass Fragestellungen der Politischen<br />
Bildung im urbanen oder gar großstädtischen<br />
Raum nicht einfach in eine ländlich geprägte Region<br />
transferiert werden können. Nimmt man die Österreich-<br />
Karte der Klassifizierung des ländlichen Raums nach<br />
eu-/oecd-Kriterien zur Hand (www.statistik.at), so wird<br />
rasch klar, dass diese Typologisierung für die spezifischen<br />
Bedürfnisse in Bezug auf Politische Bildung nicht weiterhilft:<br />
Mit Ausnahme der Regionen Rhein-Bodensee,<br />
Innsbruck und Wien-Umland (klassifiziert als „überwiegend<br />
städtische Regionen“) und Salzburg-Umgebung,<br />
Traunviertel, Linz-Wels, Klagenfurt-Villach, Graz, die<br />
östliche Obersteiermark und Niederösterreich-Süd („intermediäre<br />
Regionen“) sind alle anderen Regionen Österreichs<br />
als „überwiegend ländliche Regionen“ zu bezeichnen<br />
(www.oekosozial.at). Das heißt, dass zur Konzeption<br />
politischer Bildungsangebote für konkrete Regionen der<br />
Blick in der Angebotsplanung weiter fokussiert werden<br />
muss. Die wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen<br />
Bedingungen sind regional zu unterschiedlich, als<br />
dass politische Bildung für den gesamten so definierten<br />
„ländlichen Raum“ einheitlich zu gestalten wäre.<br />
Und nun …<br />
Man könnte jetzt einwenden, dass entscheidende globale<br />
Prozesse, die bis in die kleinsten Strukturen wirken,<br />
sich heute anscheinend unabhängig vom Individuum<br />
vollziehen und damit alle betreffen. Die sozialen Ungleichheiten<br />
und Ungerechtigkeiten sind in den vergangenen<br />
Jahrzehnten keinesfalls geringer geworden, ein<br />
Ende des Aufgehens der sozialen Schere in weiten Regionen<br />
Europas ist im Gegenteil nicht absehbar, prekäre<br />
Arbeitsbedingungen sind in Mitteleuropa bereits in die<br />
Mittelschicht vorgedrungen.<br />
Da globale Prozesse Menschen allerorts betreffen,<br />
stellt sich die Frage, ob es überhaupt Sinn macht, Politische<br />
Bildung entsprechend den in den verschiedenen<br />
Regionen herrschenden Rahmenbedingungen zu differenzieren.<br />
Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen<br />
werden. Antworten auf die Frage nach der Notwendigkeit<br />
der Analyse konkreter Lebens- und Rahmenbedingungen<br />
einer Region liefert die Politische Psychologie<br />
mit Einblicken in die psychologischen Hintergründe von<br />
politischem und sozialem Verhalten (vgl. Frankenberger/<br />
Frech/Grimm: 2007, S.13). Ein einheitliches kollektives<br />
Selbst wie einst in der Arbeiter/innen- oder Student/<br />
innenbewegung gibt es nicht mehr. Seit damals hat der<br />
gesellschaftliche Wandel neue Formen der Subjektivität<br />
und des Handelns hervorgebracht, die politisch relevant<br />
sind und damit auch die Interessenslage für Politische<br />
Bildung prägen. Eine These lautet, dass in Krisenzeiten<br />
und in Zeiten sich auflösender Traditionen, Sozialformen<br />
und sozialer Bindungen viele Menschen auf alte kollektive<br />
Bewältigungsstrategien zurückgreifen. Sie beziehen<br />
sich wieder auf eine Gruppe, der sie sich sozial zugehörig<br />
fühlen (Bibouche/Held: 2007, S. 192). Ein Problem dabei