Download PDF - Medien Servicestelle Neue ÖsterreicherInnen
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einer Baustelle mit mehrheitlich nicht Deutsch sprechenden Arbeiten äußerst schwierig. Die<br />
einzigartige Schanierfunktion, die der Dolmetscher nun im Kommunikationsprozess zwischen<br />
Arbeitern und Polier einnimmt, erlaubt dem Übersetzer eine nicht zu unterschätzende<br />
sprachliche Handlungsfreiheit – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich die<br />
Übersetzungsleistungen größtenteils der Kontrolle der Führungskräfte entziehen. Die<br />
Kontrolle beginnt erst dort wieder zu greifen, wo Übersetzungen – wie gleichfalls belegt –<br />
von so schlechter Qualität sind, dass sie den augenscheinlichen Test in der Arbeitspraxis<br />
nicht bestehen. So erzählt uns ein Dolmetscher, dass er nicht immer alles genau so<br />
übersetzt, wie der Polier es sagt. Beschimpfungen oder die von ihm als unwichtig<br />
eingeschätzten Anweisungen des Poliers werden diplomatisch geschickt entweder gar nicht<br />
oder auf andere Weise übersetzt, um den gewünschten Arbeitseffekt zu erzielen. Darüber<br />
hinaus werden im Übersetzungsprozess hegemoniale Sprachregelungen, die von homogenen<br />
Sprachentitäten ausgehen, bewusst unterlaufen. In den Erzählungen des Dolmetschers<br />
erschien es selbstverständlich, sich eines vielfältigen mehrsprachigen Repertoires zu<br />
bedienen und zwischen unterschiedlichen Sprachen, Codes und Registern zu switchen. Die<br />
Hegemonie der deutschen Sprache zeigt sich darin, dass die notwendigen Fachbegriffe für<br />
die Arbeit auf der Baustelle, zusätzlich immer auch auf Deutsch vermittelt werden, so das<br />
Deutsch zumindest partiell in Bezug auf die fachlichen Register als Lingua franca eingesetzt<br />
werden kann. Obwohl eine genaue soziolinguistische Untersuchung und Beschreibung dieser<br />
spezifischen sprachlichen Aushandlungsfeldes noch erfolgen muss, verweist der Einblick, den<br />
wir im Zuge unserer Forschung gewinnen konnten, auf einen vielversprechenden Raum, in<br />
dem sich hybride, (gegen)hegemoniale Sprachhandlungen verdichten und deren<br />
Untersuchungen wichtige Aussagen über die Kommunikation auf mehrsprachigen Baustellen<br />
ermöglicht.<br />
An der oben skizzierten Analyse des Sprachenregimes auf der Baustelle mit seinen konkreten<br />
Aushandlungsprozessen und Verweisen auf ein globales, nationales, lokales und<br />
unternehmensinternes sprachliches Regime, lässt sich eine weitere wichtige Dimension des<br />
Sprachenregimebegriffes erörtern. Er verweist auf eine Verschränkung analytisch<br />
unterscheidbarer Sprachenregime, die aufeinander folgen, parallel verlaufen oder<br />
miteinander verschränkt sein können (vgl. Busch 2009:131f). Das Sprachenregime der<br />
untersuchten Baustellen lassen sich nach Blommaert als elaboriertes „altes“ Sprachenregime<br />
charakterisieren, das durch eine zunehmende mehrsprachige Praxis herausgefordert wird<br />
und somit kontinuierlichen Veränderungen unterliegt (Blommaert 2005a:213f). Als Folge<br />
einer Infragestellung bisheriger sprachlicher Machtverhältnisse durch die Veränderung der<br />
politischen Ökonomie der Baustelle sowie durch Migrationsprozesse, die eine zunehmende<br />
Mehrsprachigkeit nach sich ziehen, können folglich Restrukturierungsprozesse bestehender<br />
Sprachenhegemonien beobachtet werden.<br />
Die Baustelle ist seit Jahrzehnten ein Ort, an der mehrsprachige Praxis im operativen Bereich<br />
gelebt und ausverhandelt wird, ohne von der monolingualen Baustellenbürokratie, deren<br />
Sprache Deutsch ist, adäquat berücksichtigt zu werden. Das Beispiel des Versuches einer<br />
(schwachen) Institutionalisierung von Dolmetschern kann als eine Reaktion auf die<br />
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