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Interessant ist nun aber, dass der Wandel der europäischen Sicherheitskultur zwar ein<br />

vermehrtes Nachdenken über Mehrsprachigkeit und deren teilweisen Berücksichtigung in<br />

den Unterweisungsmaterialien zur Konsequenz hat, das Interesse der Unternehmen jedoch<br />

hauptsächlich in der rechtlichen Absicherung ihrer eigenen Firmen besteht. Hewitt, der<br />

ähnlichen Trends in den USA beobachtet hat (vgl. Hewitt 2012:271f), weist darauf hin, dass<br />

selbst das Aufkommen neuer Sprachenpolitiken in den Unternehmen nicht vorschnell auf<br />

eine Veränderung sprachlicher Hierarchien schließen lässt, sondern als Teil einer<br />

Wirtschafts‐ und rechtlichen Absicherungsstrategie interpretiert werden muss. Damit lässt<br />

sich zumindest teilweise erklären, weshalb trotz zunehmender Sensibilität gegenüber<br />

Mehrsprachigkeit, die monolinguale Baustellenbürokratie weitgehend intakt bleibt. Dies<br />

obwohl ihre Funktionalität in der Praxis oft in Frage gestellt werden muss, worauf die<br />

widersprüchlichen Aussagen der Experten schließen lassen. Widersprüchlich sind die<br />

Aussagen der Experten in diesem Zusammenhang deshalb, weil sie einerseits eindringlich<br />

über die Kommunikationsprobleme am Bau berichten und gleichzeitig betonen, dass der<br />

Arbeitsablauf trotz aller Probleme in der Praxis dennoch funktioniert. Auch die<br />

eigentümliche Rolle der dolmetschenden Arbeiter zeigt, dass die Führungskräfte am Bau<br />

Verantwortung an die Arbeiter abgeben und ihnen schlussendlich in den Ausführungen<br />

häufig vertrauen müssen, weil ihnen die geeigneten Kontrollwerkzeuge (wie z. B.:<br />

Sprachkompetenzen) fehlen. Diese Beobachtung verweist auf die Bürokratieanalyse<br />

Castoriadis, der die autonome Organisationsweise der ArbeiterInnen im Produktionsbereich<br />

jenen der Abhängigkeitsbeziehungen schaffenden, herrschaftsförmigen Bürokratie<br />

gegenüberstellt, die jedoch immer wieder versucht, von den kreativen<br />

Organisationstechniken der ArbeiterInnen zu profitieren, um die Produktivität zu steigern.<br />

(vgl. Becksteiner/Steinklammer/Reiter 2010:42).<br />

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das sprachliche Regime auf den Baustellen<br />

aufgrund unterschiedlicher globaler Gesellschaftsentwicklungen, der<br />

Diversifizierungsprozesse räumlicher Bezüge, zeitlicher Verdichtungen, dem Wandel einer<br />

europäischen Sicherheits‐ und Sozialpolitik sowie eine die nationale, unternehmensinternen<br />

monolinguale Hegemonie herausfordernden sprachlichen Praktiken restrukturiert. Anhand<br />

der Bedeutung des Behelfsdeutsch, des Dolmetschens und der „anderen“ Sprachen auf der<br />

Baustelle, soll diese Entwicklung nochmals deutlicher festgemacht werden.<br />

3.2. Behelfsdeutsch<br />

Die Verwendung eines stark vereinfachten und teilweise pidginisierten Deutsch 24 wird als<br />

notwendiges Kommunikationsinstrument auf den Baustellen wahrgenommen. Pidginisierte<br />

Formen bleiben allerdings stigmatisiert und werden auch als Produkte kontraproduktiver<br />

Erwerbsprozesse abgelehnt. Der Verbesserung der Deutschkenntnisse wird ein hoher<br />

24 Das sind Nennform‐Gruppen, die gerade die Tätigkeit beschreiben und das ist es damit – und das stellt sich<br />

halt so ein. Also der weiß, einige Wörter kennt er, also „schneller“, oder „arbeiten“, oder „tun“ oder „putzen“<br />

oder was immer (III, 227‐229).<br />

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