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Titel Band 1 - OPUS

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Philosophie und sagte, Aristoteles habe das zweite<br />

Buch seiner Poetik speziell dem Lachen gewidmet,<br />

… soweit er wisse, habe Aristoteles aber<br />

vom Lachen als einer guten Sache und einem<br />

Vehikel der Wahrheit gesprochen“ (144f.). So<br />

wird das Lachen zu einem Unterthema des Romans<br />

und zu einem Erkennungszeichen unter<br />

denen, die etwas gemerkt haben. Jorge begründet<br />

seine Taten so: „Dieses Buch hätte den Gedanken<br />

rechtfertigen können, die Sprache der einfachen<br />

Leute sei Trägerin einer Wahrheit. Das mußte<br />

verhindert werden“ (609). Auf diese Spur sind<br />

wir schon mehrmals gestoßen, daß nämlich die<br />

alte Wahrheit in der Sprache selbst verborgen ist.<br />

Sie verhüllt sich „unter dem Schleier erschrekkender<br />

und schamloser Figuren“, doch „desto<br />

weniger heftet sich die Phantasie ans fleischliche<br />

Verlangen, sondern sieht sich vielmehr gezwungen,<br />

die Geheimnisse aufzudecken, die sich unter<br />

der Schändlichkeit der Bilder verbergen“ (107).<br />

Doch warum unterdrückt die Kirche ein Buch<br />

über das Lachen? Jorge nennt das Lachen etwas<br />

Niedriges und Gemeines, und das Volk möge<br />

lachen als „zeitlich begrenzte Verunreinigung zur<br />

Abfuhr der schlechten Säfte“ (602), doch das<br />

Buch sei gefährlich, weil es das Bild Gottes entstellen<br />

könne. In diesem Buch „wird die Funktion<br />

des Lachens umgestülpt und zur Kunst erhoben,<br />

hier werden ihm die Tore zur Welt der Gebildeten<br />

aufgetan, hier wird das Lachen zum Thema der<br />

Philosophie gemacht, zum Gegenstand einer perfiden<br />

Theologie … Doch dieses Buch könnte<br />

lehren, daß die Befreiung von der Angst vor dem<br />

Teufel eine Wissenschaft ist!“ (603). Er will damit<br />

sagen, daß man über den Teufel lacht, sobald<br />

man herausgefunden hat, wer er ist. Die Kirche<br />

aber verdankt ihre Existenz dem Kampf gegen<br />

einen Teufel, den es nicht gibt. Und so verbreitet<br />

auch William die Lehre, daß das Gottesvolk nicht<br />

reif sei für die gehüteten Geheimnisse (116). Dagegen<br />

sagte Ingeborg Bachmann schon 1959 in<br />

einer Rede: „Die Wahrheit ist dem Menschen<br />

zumutbar.“ 23 William von Baskerville aber resümiert:<br />

„Vielleicht gibt es am Ende nur eins zu<br />

tun, wenn man die Menschen liebt: sie über die<br />

Wahrheit zum Lachen bringen, die Wahrheit zum<br />

Lachen bringen, denn die einzige Wahrheit heißt:<br />

lernen, sich von der krankhaften Leidenschaft für<br />

die Wahrheit zu befreien“ (624).<br />

UMBERTO ECO: Das Foucaultsche Pendel<br />

(1988). In einer Mailänder Bar entwerfen drei<br />

Lektoren nur zum Spaß einen Verschwörungsplan.<br />

Sie behaupten, im Besitz eines Geheimtextes<br />

der Tempelritter zu sein, der zur Weltherrschaft<br />

der Eingeweihten führen könnte. Eco<br />

behandelt in diesem Roman ungezählte Geheimbünde<br />

der Weltgeschichte und behauptet, daß alle<br />

ihre Ordensbrüder in Wahrheit nichts gewußt<br />

haben. Was die Bruderschaft jeweils vereint, ist<br />

nicht der Schutz eines tradierten Geheimnisses,<br />

sondern die Suche nach einem Geheimnis, das es<br />

aber gar nicht gibt. Jemand, der im Verdacht<br />

steht, wirklich ein Geheimnis zu wissen, befindet<br />

sich in tödlicher Gefahr, was die drei Protagonisten<br />

(Diotallevi, Jacopo Belbo und Casaubon,<br />

der Ich-Erzähler) leider zu spät merken. Belbo<br />

entgeht nur knapp einem Anschlag mit Bombe<br />

und Zeitzünder. Er wird erpreßt von den Irren, die<br />

an die Existenz eines Geheimnisses glauben. Diese<br />

„spirituelle Ritterschaft“ schnappt ihn aber<br />

doch (667) und tötet ihn am Pendel des Foucault.<br />

Casaubon wartet am Ende auf seine Verfolger,<br />

die ihn auch finden werden (754). Eco schüttet<br />

seinen Spott aus über alle, die an ein Geheimnis<br />

glauben und etwas aufdecken wollen. Als Beispiel<br />

dient ein gewisser Ingolf, der 1935 verschwunden<br />

war, wie in Luft aufgelöst, vermutlich<br />

tot. Er hatte als guter Monomane 30 Jahre lang an<br />

seinem Fund gearbeitet. „Tatsache ist, daß er<br />

1935 glaubte, am richtigen Punkt angelangt zu<br />

sein, oder auch an einem toten Punkt, denn nun<br />

beschloß er, sich an jemanden zu wenden, entweder<br />

um ihm zu sagen, was er wußte, oder um sich<br />

von ihm sagen zu lassen, was er nicht wußte.<br />

Aber das, was er wußte, muß etwas so Geheimes<br />

und Schreckliches gewesen sein, daß der, dem er<br />

davon erzählte, ihn verschwinden ließ“ (156). Ein<br />

Professor Camestres hat ebenfalls Geheimes entdeckt<br />

und meint dazu: „Wer diese Geheimnisse<br />

ohne die nötige Vorbereitung erführe, würde in<br />

den Abgrund stürzen!“ (316). Die einzige Figur,<br />

die ohne ironische Behandlung über Geheimnisse<br />

sprechen darf, ist Lia, Casaubons schwangere<br />

Lebensgefährtin, weil sie das von allen Gesuchte<br />

überall in den Realien des Lebens, besonders<br />

öffentlich im menschlichen Körper, sehen kann:<br />

„Leute mit Grips im Kopf, wenn sie den Ofen des<br />

Alchimisten sehen, der rundum zu ist und innen<br />

warm, dann denken sie an den Mutterleib, der das<br />

Kind hervorbringt, und nur deine Diaboliker<br />

sehen die Madonna mit dem Kind im Leib und<br />

denken, sie wäre eine Anspielung auf den<br />

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