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Titel Band 1 - OPUS

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die Sehnenscheidenentzündung. Wir können aus<br />

diesem Wort erkennen, daß der Mediziner jede<br />

aus Haut- und Bindegewebe oder Muskelfasern<br />

bestehende Gleithülle so benennt, in der sich ein<br />

anderes bewegt. Dieses andere ist anatomisch ein<br />

Nerv, eine Sehne oder ein Gefäß, woraus sich<br />

impuristisch die Gleichsetzung von Nerv, Sehne<br />

und Gefäß mit Per ergibt. — Nehmen wir als<br />

zweites Beispiel das Wort vestibulum. Von den<br />

sieben im Duden genannten Vorhöfen ist einer<br />

VV. Auf ihn projizieren wir die anderen, welche<br />

sich im Ohr, im Netzsack, im Kehlkopf, in der<br />

Nasenhöhle und in der Mundhöhle befinden, wodurch<br />

sich nun wieder eine Gleichsetzung dieser<br />

Organe mit dem wG konsequent ergibt. Auf gleiche<br />

Weise verfahren wir bei vielen Gruppen: Wo<br />

immer also eines der Wörter im OG-Bereich zu<br />

Hause ist, setzen wir die anderen damit gleich<br />

(cum grano salis, denn im einzelnen ergeben sich<br />

wegen der Anschauung Abweichungen) und gewinnen<br />

Entsprechungen von Organen. Manche<br />

Gruppen ergeben sich durch gleiche Vorsilben,<br />

z.B. inter- im Sinne von iVamu, wobei die genannten<br />

Begrenzungsteile sich als Lami/Lama<br />

herausstellen, oder intra- im Sinne von iVag mit<br />

der gleichen Konsequenz: Das Wort hinter intra-<br />

ist eine Bezeichnung für Vag. Überall gibt es<br />

Flügel, Bögen, Zwiebeln, Kanäle, Köpfe, Höhlen,<br />

Säulen, Muscheln, Hörner, Kronen, Leisten, Rükken,<br />

Spalten, Löcher, Gruben, Bändchen, Risse,<br />

Trichter, Bänder, Zungen, Füße, Wurzeln, Netze,<br />

Säcke, Röhren, Segel u.a.<br />

Als nächstes durchsuchte ich Georges Ausführliches<br />

Handwörterbuch Lateinisch-Deutsch<br />

(6680 Spalten) nach lateinischen Bezeichnungen<br />

für sexuelle Dinge und ergänzte meine Wörtersammlung<br />

um viele allgemeine lateinische<br />

Grundwörter, und alle waren verbunden mit einem<br />

der impuristischen Wurzelwörter. Bei<br />

10.000 Datensätzen war kaum ein deutsches<br />

Stichwort dabei. Nun aber kehrte ich die Daten<br />

um, machte aus den deutschen Bedeutungen der<br />

medizinischen und lateinischen Stichwörter jeweils<br />

separate Stichwörter und erreichte (mit<br />

einigen Ergänzungen aus der Jägersprache, aus<br />

dem Rotwelschen und anderen Spezialgebieten)<br />

die stattliche Zahl von 35.000 Wörtern. Viele<br />

lateinische Wörter nenne ich Kreuzwörter, nämlich<br />

solche, von denen uns mindestens eine impuristische<br />

Bedeutung bekannt ist, so daß wir die<br />

vorhandene impuristische Lösung auf die anderen<br />

Bedeutungen übertragen können. Sie könnten<br />

auch Gabelwörter heißen, weil sich in ihnen eine<br />

Übertragung auf andere Zinken der Bedeutungsgabel<br />

ereignet. Ein schönes Beispiel dafür<br />

ist das Wort porcus mit seinen Bedeutungen: 1.<br />

weibliche Scham (Vul); 2. Schwein, Mutterschwein,<br />

Saugferkel, ein mit anderen Tieren angefülltes<br />

Schwein (zum Essen), Meerschwein (ein<br />

Seefisch), Schweinskopfw (keilförmige Schlachtordnungw).<br />

Solche Kreuzwörter sind impuristisch<br />

direkt verständlich, wenn wir alle Bedeutungen<br />

der zweiten Gruppe wie die sexuelle Sonderbedeutung<br />

verstehen (hier also als Vul). Es ist wichtig,<br />

festzustellen, daß hier nicht ein Akt der Willkür,<br />

eine planlose Chiffrensetzung, stattfindet,<br />

sondern eine Entfaltung oder Aufdeckung der<br />

Polysemie im Sinne eines objektiven Befundes.<br />

Mit Homonymen kann man genauso verfahren,<br />

indem man die wissenschaftlich mühsame Trennung<br />

des optisch gleichen rückgängig macht. —<br />

In meinem Wörterbuch sind die Wörter letztlich<br />

alle miteinander vernetzt (durch Quellenangabe<br />

mit Verweis-Zahlen). Ich denke, daß Benn so<br />

etwas meinte, als er von einem »Netz der Wörter«<br />

sprach. Wenn man ein Wort herauszieht,<br />

hängt eine Kette daran, die bis zu einem Schlüsselwort<br />

zurückführt. Ein Beispiel: Mitesser ><br />

Finne > Nagel > clavus > Hühnerauge > Auge ><br />

GC. An solche Ketten kann man dann wieder<br />

Synonyme anhängen (hier z.B. Schmarotzer,<br />

Parasit; Leichdorn, Dorn), und mit philologischer<br />

Exaktheit gewinnt man immer mehr Erklärungen.<br />

Allerdings liegt die Schwierigkeit in der potentiellen<br />

und realen Mehrdeutigkeit jedes Wortes, so<br />

daß ein Wörterbuch für manche Wörter mehr als<br />

zehn impuristische Bedeutungen verzeichnen<br />

muß (z.B. für „Schlange“ im Totenbuch der Alten<br />

Ägypter). — Bei den Wurzelwörtern im Schlüsselverzeichnis<br />

unterscheiden wir zwei Gruppen,<br />

nämlich Instrumentalwörter und Funktionswörter.<br />

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