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01 - Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ...

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<strong>B<strong>und</strong>esamt</strong> <strong>für</strong> <strong>zentrale</strong> <strong>Dienste</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>offene</strong> <strong>Vermögensfragen</strong><br />

Rechtsprechungsübersicht<br />

<strong>01</strong>/2<strong>01</strong>0<br />

vom 30. März 2<strong>01</strong>0<br />

Seite<br />

VG Dresden, Urteil vom 23. Juni 2009, Az.: 6 K 3168/00 [6052] 3<br />

Entschädigung nach dem NS-VEntschG; Anteilsschädigung;<br />

ergänzende Singularrestitution; Rechtsschutzbedürfnis bei<br />

vorheriger Beteiligung an Erlösauskehransprüchen <strong>für</strong> das<br />

später geschädigte Unternehmen<br />

§ 1 Abs. 1 Satz 4,<br />

§ 1 Abs. 6,<br />

§ 3 Abs. 1 Satz 4,<br />

§ 6 Abs. 6 Satz 4,<br />

§ 6 Abs. 5b VermG<br />

BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2009, Az.: 5 C 33.07 [6070] 7<br />

Entschädigung; Wertpapiere; Aktien; Unternehmensanteile;<br />

Umfang der Bindungswirkung des Gr<strong>und</strong>lagenbescheides;<br />

Einheitswertfähigkeit, Unternehmen; Prozesszinsen<br />

§ 1 Abs. 6,<br />

§ 2 Abs. 2,<br />

§ 3 Abs. 1 Satz 4,<br />

§ 6 Abs. 1a VermG;<br />

§ 2 NS-VEntschG;<br />

§ 4 EntschG<br />

VG Berlin, Urteil vom 21. Januar 2<strong>01</strong>0, Az.: 29 A 181.07 [6081] 11<br />

Entschädigung <strong>für</strong> den Verlust eines Unternehmens nach dem<br />

NS-VEntschG; verwertbarer Ersatzeinheitswert; Reinvermö-<br />

gensermittlung; Bilanz; Bilanzstichtag; Bilanzposition<br />

§ 2 Satz 3 NS-VEntschG i. V. m.<br />

§ 4 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 EntschG<br />

BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2<strong>01</strong>0, Az.: 5 B 11.09 [6082] 15<br />

Verfolgungsbedingter Vermögensverlust; Entschädigung nach<br />

NS-VEntschG; Wiederaufnahmegr<strong>und</strong> i. S. § 580 ZPO; Unver-<br />

wertbarkeit des letzten vor der Schädigung festgestellten Ein-<br />

heitswertes; Streitwertbegrenzung auf 500.000,00 €<br />

§ 580 ZPO i. V. m.<br />

§ 4 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 EntschG <strong>und</strong><br />

§ 2 des NS-VEntschG;<br />

§ 52 Abs. 4 GKG<br />

- 2 -


- 2 -<br />

BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2<strong>01</strong>0, Az.: 3 C 3.09 [6087] 17<br />

Feststellung des Schadensausgleichs bei Beteiligung an<br />

Familienstiftung; Bezugsrecht<br />

§ 335b,<br />

§ 349 Abs. 3 <strong>und</strong> 5 LAG;<br />

§ 3 Abs. 1,<br />

§ 4 Abs. 2 Satz 2 der 18. FDV<br />

Herausgeber:<br />

<strong>B<strong>und</strong>esamt</strong> <strong>für</strong> <strong>zentrale</strong> <strong>Dienste</strong> <strong>und</strong> <strong>offene</strong> <strong>Vermögensfragen</strong><br />

- Referat Q 3 -<br />

DGZ-Ring 12, 13086 Berlin 11055 Berlin<br />

Telefon: (<strong>01</strong>888) 70 30 - 0<br />

Telefax: (<strong>01</strong>888) 70 30 - 1140<br />

E-Mail: poststelle@badv.b<strong>und</strong>.de<br />

Internet: www.badv.b<strong>und</strong>.de<br />

- 3 -


Entschädigung nach dem NS-VEntschG;<br />

Anteilsschädigung; ergänzende Singularrestitution;<br />

Rechtsschutzbedürfnis bei vorheriger<br />

Beteiligung an Erlösauskehransprüchen<br />

<strong>für</strong> das später geschädigte Unternehmen<br />

Leitsätze der Bearbeiterin (nicht amtlich):<br />

- 3 -<br />

§ 1 Abs. 1 Satz 4,<br />

§ 1 Abs. 6,<br />

§ 3 Abs. 1 Satz 4,<br />

§ 6 Abs. 5b,<br />

§ 6 Abs. 6 Satz 4 VermG<br />

Wird der vermögensrechtliche Anspruch wegen des Entzugs von Anteilsrechten/Mitgliedschaftsrechten<br />

durch eine Wiederherstellung der Mitgliedschaftsrechte am Unternehmen <strong>und</strong><br />

Teilnahme an der Restitution des Unternehmen wegen dessen nachfolgender Schädigung<br />

erfüllt, besteht daneben kein weiterer vermögensrechtlicher Anspruch wegen des Entzuges<br />

der Mitgliedschaftsrechte.<br />

Ein Anspruch auf ergänzende Singularrestitution nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG kommt daneben<br />

nur in Betracht, wenn auch die spätere Schädigung des Unternehmens selbst durch<br />

eine Maßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG erfolgte.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.: VG Dresden, Urteil vom 23. Juni 2009, Az.: 6 K 3168/00<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Entschädigung dem Gr<strong>und</strong>e nach<br />

dem NS-VEntschG <strong>für</strong> den Verlust einer Aktienbeteiligung seines Rechtsvorgängers an der<br />

S-AG <strong>und</strong> über den Anspruch des Klägers auf ergänzende Singularrestitution an den zwei<br />

ehemals im Eigentum der S-AG stehenden Gr<strong>und</strong>stücken.<br />

Der Rechtsvorgänger des Klägers war bis 1934 Aufsichtsratsvorsitzender der S-AG, danach<br />

bis zu seinem Ausscheiden 1936 Aufsichtsratsmitglied. Ob <strong>und</strong> in welchem Umfang er selbst<br />

auch Aktien gehalten hat, ist streitig.<br />

Die streitgegenständlichen Gr<strong>und</strong>stücke veräußerte die S-AG 1953.<br />

1963 wurde die S-AG in eine KG mit staatlicher Beteiligung umgewandelt. 1972 wurde sie<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage des Beschlusses des Ministerrates vom 9. Februar 1972 in Volkseigentum<br />

überführt. 1992 wurde sie von der Treuhandanstalt gemäß § 3a VermG an einen Investor<br />

veräußert.<br />

Auch die Rechtsnachfolger der an der S-KG beteiligten Aktionäre hatten vermögensrechtliche<br />

Ansprüche angemeldet. Durch notarielle Vereinbarung vom 30. September 1992 einigten<br />

sich die an der KG zum Zeitpunkt der Schädigung beteiligten Aktionäre mit dem Kläger<br />

auf eine gemeinsame Verfolgung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche. Mit einer weiteren<br />

notariellen Vereinbarung aus dem Jahre 1993 regelten sie, dass 40 % der Gesellschaftsanteile<br />

an der KG i. L. auf den Kläger entfallen. Dieser Regelung lag u. a. die Vorstellung der<br />

Vertragspartner zugr<strong>und</strong>e, dass der Rechtsvorgänger des Klägers Aktien im Nennwert von<br />

300.000,00 RM an der S-AG gehalten habe.<br />

1993 stellte das Sächsische LARoV durch Bescheid fest, dass die Verstaatlichung der KG<br />

eine schädigende Maßnahme darstelle <strong>und</strong> die KG i. L. einen Anspruch auf Erlösauskehr<br />

habe. Unter Bezugnahme auf die notariellen Vereinbarungen wurde weiter festgestellt, dass<br />

- 4 -


- 4 -<br />

sich die Antragsteller über die Höhe der einzelnen Gesellschafteranteile geeinigt hätten. Der<br />

Kläger war an diesem Verfahren beteiligt. Sein Anteil an dem Erlös wurde vereinbarungsgemäß<br />

an ihn ausbezahlt.<br />

Das Sächsische LARoV hatte zuvor bereits durch Bescheid aus dem Jahre 1992 die Berechtigung<br />

wegen des Entzugs der Aktien festgestellt. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid<br />

hob die Beklagte diesen Bescheid auf <strong>und</strong> lehnte zugleich den Antrag auf Einräumung von<br />

Bruchteilseigentum an den ehemaligen Unternehmensgr<strong>und</strong>stücken ab. Es sei nicht nachgewiesen,<br />

dass der Rechtsvorgänger des Klägers Aktien der S-AG besessen <strong>und</strong> 1936<br />

durch eine Maßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG verloren habe.<br />

Mit der Klage verfolgt der Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche weiter.<br />

Das Gericht hat die Klage abgewiesen.<br />

Aus den Gründen:<br />

Das Gericht hat die streitgegenständliche Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig<br />

zurückgewiesen.<br />

1. Der geltend gemachte Anspruch auf Entschädigung der Aktienbeteiligung sei bereits<br />

durch Erfüllung erloschen. Der behauptete Vermögensverlust des Klägers sei bereits vollumfänglich<br />

durch den bestandskräftigen Bescheid des Sächsischen LARoV aus dem Jahre<br />

1993, mit der der KG i. L. ein Anspruch auf Erlösauskehr zuerkannt worden sei, ausgeglichen<br />

worden. In dieses Verfahren, das die Schädigung des Unternehmens im Jahre<br />

1972 zum Gegenstand gehabt habe, sei der Kläger gemäß § 6 Abs. 4 Satz 4 VermG einbezogen<br />

worden. Die Wiedergutmachung des Schadens erfolgte dadurch, dass ihm nach<br />

§ 6 Abs. 5b Satz 1 VermG die Anteile an dem Unternehmen zurückübertragen <strong>und</strong> die<br />

Mitgliedschaft wiederhergestellt worden sei. Mit der Übertragung des Erlösherausgabeanspruches<br />

auf die KG i. L. seien dann zugleich sämtliche Ansprüche der Gesellschafter<br />

wegen mittelbarer Schädigung erfüllt worden. § 6 Abs. 5b Satz 2 VermG stelle klar, das<br />

die Gesellschafter neben der Rückgabe des Unternehmens keine zusätzlichen Entschädigungsansprüche<br />

geltend machen könnten.<br />

2. Gleiches gelte auch <strong>für</strong> den geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung <strong>für</strong> den Verlust<br />

der 1953 aus dem Unternehmen ausgeschiedenen Flurstücke, § 3 Abs. 1 Satz 4<br />

VermG. Gr<strong>und</strong>sätzlich bestehe ein ergänzender Singularrestitutionsanspruch auf im Falle<br />

einer nach § 1 Abs. 6 VermG entzogenen Beteiligung an einem Unternehmen. Werde der<br />

vermögensrechtliche Anspruch des Berechtigten durch eine Wiederherstellung seiner<br />

Mitgliedschaftsrechte am Unternehmen <strong>und</strong> Teilnahme an der Restitution aufgr<strong>und</strong> einer<br />

später erfolgten Schädigung des Unternehmens erfüllt, komme eine ergänzende Singularrestitution<br />

nur in Betracht, wenn auch die Schädigung des Unternehmens selbst durch eine<br />

Maßnahme nach § 1 Abs. 6 VermG erfolgte. Eine andere Betrachtung würde dem Sinn<br />

der ergänzenden Singularrestitution nicht gerecht werden. Sie würde darüber hinaus zu<br />

einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der verschiedenen Anteilseigner führen.<br />

Der nach § 1 Abs. 6 VermG geschädigte Anteilseigner nimmt über die Restitution an dem<br />

später geschädigten Unternehmen auch an dessen Zugewinn nach der Anteilsschädigung<br />

teil. Ein solcher Zugewinn ist auch darin zu sehen, dass der Erlös der nach der Anteilsschädigung<br />

veräußerten Gegenstände dem Unternehmen zugeflossen ist. Eine Einräumung<br />

von Bruchteilseigentum neben der Beteiligung an diesem Zugewinn würde den<br />

nach § 1 Abs. 6 Berechtigten - entgegen der gemäß Art. 3 GG geboten Gleichbehandlung<br />

- gr<strong>und</strong>los begünstigen.<br />

- 5 -


Anmerkungen:<br />

- 5 -<br />

Hervorzuheben ist, dass sich in dieser Entscheidung erstmalig ein Gericht mit der Reichweite<br />

von § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG bei Teilnahme des Anteilsgeschädigten an der Restitution des<br />

nach 1945 geschädigten Unternehmens auseinandersetzt.<br />

Die Entscheidung ist rechtskräftig. Sie ist bislang nicht in juris veröffentlicht.<br />

Mitgeteilt von Katrin Holst<br />

- 6 -


Entschädigung; Wertpapiere; Aktien; Unternehmensanteile;<br />

Umfang der Bindungswirkung<br />

des Gr<strong>und</strong>lagenbescheids; Einheitswertfähigkeit,<br />

Unternehmen; Prozesszinsen<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

- 7 -<br />

§1 Abs. 6,<br />

§ 2 Abs. 2,<br />

§ 3 Abs. 1 Satz 4,<br />

§ 6 Abs. 1a VermG;<br />

§ 2 NS-VEntschG;<br />

§ 4 EntschG<br />

Bei der Schädigung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft (hier durch Zwangsverkauf von<br />

Aktien) in der NS-Zeit ist unabhängig von der Höhe der Beteiligung die Höhe der Entschädigung<br />

nach der anteiligen Bemessungsgr<strong>und</strong>lage der Entschädigung <strong>für</strong> Unternehmen (§ 2<br />

Satz 2 NS-VEntschG) zu bemessen.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2009, Az.: 5 C 33.07<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Gegenstand des Rechtsstreits war die Gewährung einer Entschädigung <strong>für</strong> einen Aktienanteil<br />

an einer Aktiengesellschaft. Dieser Aktienanteil umfasste 5,215 % des Aktienkapitals der<br />

AG <strong>und</strong> wurde vom Rechtsvorgänger der Kläger im Dezember 1935 verfolgungsbedingt an<br />

die D. Bank veräußert. Im August 1969 zahlte die D. Bank aufgr<strong>und</strong> eines Vergleichs im Zusammenhang<br />

mit der Entziehung der in Rede stehenden Aktien einen Betrag in Höhe von<br />

125.000,00 DM an die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger.<br />

Streitig war unter den Beteiligten, nach welchen Gr<strong>und</strong>sätzen eine Entschädigung nach dem<br />

NS-VEntschG i. V. m. dem EntschG zu bemessen ist <strong>und</strong> in welcher Höhe diese schließlich<br />

zur Auszahlung kommt.<br />

Mit einem bestandskräftigen Entschädigungsgr<strong>und</strong>lagenbescheid hatte das Berliner Landesamt<br />

zur Regelung <strong>offene</strong>r <strong>Vermögensfragen</strong> bereits festgestellt, dass die Kläger einen<br />

Anspruch auf Entschädigung <strong>für</strong> den Verlust der streitgegenständlichen Aktienanteile haben.<br />

Außerdem enthielt dieser Bescheid den Hinweis, dass sich die Höhe der zu gewährenden<br />

Entschädigung bei Immobilien sowie Unternehmen an dem Vierfachen des vor der Schädigung<br />

zuletzt festgestellten Einheitswerts orientiere.<br />

Im anschließenden Entschädigungshöhenverfahren entschied das <strong>B<strong>und</strong>esamt</strong> zur Regelung<br />

<strong>offene</strong>r <strong>Vermögensfragen</strong>, dass die Kläger keinen Anspruch auf Entschädigung <strong>für</strong> die Aktienanteile<br />

haben. Da die entzogene Aktienbeteiligung weniger als 20 % des Aktienkapitals<br />

des Unternehmens umfasste, bemesse sich die Entschädigung nach den Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>für</strong><br />

sonstiges Geldvermögen (§ 2 Satz 8 NS-VEntschG). Die hieraus resultierende Entschädigung<br />

sei jedoch niedriger als der anzurechnende Anteil an dem Betrag, der von der D. Bank<br />

nach dem Vergleich vom August 1969 bereits gezahlt wurde.<br />

Das Verwaltungsgericht Berlin wies die hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 30. November<br />

2007, 4 A 320.07, ab.<br />

- 8 -


- 8 -<br />

Das Verwaltungsgericht folgte im Wesentlichen der Auffassung der Beklagten, wonach die<br />

Berechnung der Entschädigungshöhe gem. § 2 Satz 8 NS-VEntschG auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />

verdoppelten Kurswerte der Aktien zum Zeitpunkt der Entziehung erfolgt. Eine an den Unternehmenseinheitswert<br />

anknüpfende Berechnung nach § 2 Satz 2 NS-VEntschG (die zu einer<br />

deutlich höheren Entschädigung geführt hätte) komme nicht in Betracht.<br />

Das VG Berlin knüpfte dabei an die in § 2 NS-VEntschG vorgenommene Aufteilung des gesamten<br />

zu entschädigenden Vermögens in zwei Vermögensgruppen an. In der einen Gruppe<br />

seien die Vermögenswerte, <strong>für</strong> die ein Einheitswert festgestellt wird (§ 2 Satz 2 NS-<br />

VEntschG), in der anderen die, <strong>für</strong> die dies nicht geschieht (§ 2 Satz 8 NS-VEntschG). Als<br />

einheitswertfähiges Vermögen im Sinne von § 2 Satz 2 NS-VEntschG sei lediglich Gr<strong>und</strong>vermögen,<br />

land- <strong>und</strong> forstwirtschaftliches Vermögen sowie Betriebsvermögen zu verstehen.<br />

Für Aktien bzw. Aktienanteile werde kein Einheitswert festgestellt.<br />

Dementsprechend ließ das VG Berlin die Bemessung der Entschädigung <strong>für</strong> die Aktienanteile<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage des § 2 Satz 8 NS-VEntschG unbeanstandet.<br />

Auf die vom Verwaltungsgericht zugelassene Revision der Kläger hin änderte das BVerwG<br />

das erstinstanzliche Urteil ab <strong>und</strong> verpflichtete die Beklagte, den Klägern eine Entschädigung<br />

zu gewähren. Die Entschädigung <strong>für</strong> den Verlust des Aktienvermögens sei - so das BVerwG<br />

- gem. § 2 Satz 2 NS-VEntschG nach Maßgabe des anteiligen Unternehmenseinheitswerts<br />

vor der Schädigung zu bemessen.<br />

In den Gründen führte das BVerwG aus, dass das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen<br />

sei, dass die Art <strong>und</strong> Weise der Berechnung der Entschädigung nach dem NS-<br />

VEntschG nicht schon durch den Gr<strong>und</strong>lagenbescheid geregelt ist.<br />

Die Frage, ob nach den Bestimmungen des Vermögensrechts dem Gr<strong>und</strong>e nach <strong>für</strong> den<br />

Verlust eines bestimmten Vermögensgegenstandes Entschädigung zu leisten ist, sei systematisch<br />

von der Entscheidung zu trennen, welche Regelungen zur Bemessung der Entschädigung<br />

heranzuziehen <strong>und</strong> wie diese auszulegen sind.<br />

Soweit <strong>für</strong> die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung eine andere behördliche Zuständigkeit<br />

besteht als <strong>für</strong> die vorgelagerte vermögensrechtliche Entscheidung über die Berechtigung<br />

dem Gr<strong>und</strong>e nach, seien die Gr<strong>und</strong>lagenbescheide nicht dahingehend zu verstehen,<br />

dass sie in das Verfahren zur Festlegung der Höhe der Entschädigung übergreifen.<br />

Bindungswirkung würden allerdings die Feststellungen zum Schädigungsgegenstand, zum<br />

Zeitpunkt der Schädigung sowie zum Entschädigungsberechtigten haben.<br />

Dennoch sprach das BVerwG den Klägern einen Anspruch auf eine weitergehende Entschädigung<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage des § 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Satz 2 NS-VEntschG zu. Denn Aktien<br />

seien im Sinne des Entschädigungsrechts Unternehmensanteile bzw. Beteiligungen an einem<br />

(einheitswertfähigen) Unternehmen <strong>und</strong> deshalb auf der Gr<strong>und</strong>lage des anteiligen Unternehmenseinheitswertes<br />

zu entschädigen.<br />

Nach dem Aktienrecht sei eine Aktie - so das BVerwG - sowohl Wertpapier als auch anteilige<br />

Beteiligung an einem Unternehmen. Eine Aktienbeteiligung bilde bei gesellschaftsrechtlicher<br />

Betrachtung einen Bruchteil des Gr<strong>und</strong>kapitals. Im Gegensatz zu anderen Wertpapieren verkörpere<br />

die Aktie nicht allein eine Forderung oder ein Sachenrecht. Verbrieftes Recht sei<br />

vielmehr bei der Aktie die Mitgliedschaft unter Einschluss der dazugehörigen Teilrechte, die<br />

überwiegend in Herrschaftsrechte <strong>und</strong> Vermögensrechte unterteilt werden. Der Entzug von<br />

Aktien bedeute daher regelmäßig den Entzug der mit Einwirkungsrechten auf ein Unternehmen<br />

verb<strong>und</strong>enen Beteiligung an einem Unternehmen. Im Sinne des § 2 NS-VEntschG bedeute<br />

die Schädigung durch Zugriff auf eine Aktienbeteiligung mithin auch eine Schädigung<br />

an einem Unternehmen.<br />

Die Auffassung der Beklagten, erst ab einer Mindestbeteiligung von mehr als 20 % sei eine<br />

Aktienbeteiligung an einem Unternehmen nach den Gr<strong>und</strong>sätzen der Unternehmensentschädigung<br />

zu entschädigen, teilte das BVerwG nicht. Eine solche Beschränkung sei - so<br />

- 9 -


- 9 -<br />

das BVerwG - in § 2 NS-VEntschG nicht ausdrücklich vorgesehen <strong>und</strong> folge insbesondere<br />

nicht aus der Bezugnahme auf §§ 16 - 26 B<strong>und</strong>esrückerstattungsgesetz.<br />

Nachdem das BVerwG geklärt hatte, welche gesetzlichen Regelungen zur Anwendung<br />

kommen, musste es entscheiden, an welchen Wert bei der Bemessung der Entschädigungshöhe<br />

anzuknüpfen ist. In Betracht kamen dabei der Kurswert der Aktien oder der Einheitswert<br />

des Unternehmens. Das BVerwG kam zu dem Ergebnis, dass der Einheitswert maßgeblich<br />

ist, der <strong>für</strong> das Unternehmen vor der Schädigung zuletzt festgestellt worden ist.<br />

Weiterhin entschied das BVerwG, dass von der Entschädigung, die gem. § 2 Satz 2 NS-<br />

VEntschG auf der Gr<strong>und</strong>lage des zu vervierfachenden Einheitswertes des Unternehmens zu<br />

bemessen ist, der Betrag abzuziehen ist, der den Klägern bzw. ihren Rechtsvorgängern aus<br />

dem im Jahre 1969 mit der D. Bank abgeschlossenen Vergleich zugeflossen ist. Das Verwaltungsgericht<br />

habe den Sachverhalt - so das BVerwG - verfahrensfehlerfrei <strong>und</strong> zutreffend<br />

dahingehend bewertet, dass dieser Betrag mit Blick auf die Entziehung der Aktien gezahlt<br />

worden ist, <strong>für</strong> deren Schädigung im vorliegenden Verfahren Entschädigung begehrt wird.<br />

Schließlich sprach das BVerwG den Klägern einen Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von<br />

jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB),<br />

soweit diese die Verzinsung nach § 2 Satz 9 <strong>und</strong> 10 NS-VEntschG übersteigen. Das<br />

BVerwG führte hierzu aus, dass § 291 BGB im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar<br />

sei, wenn das einschlägige Fachgesetz keine gegenteilige Regelung enthält. Die materielle<br />

Zinsregelung des § 2 Satz 9 <strong>und</strong> 10 NS-VEntschG schließe den Anspruch auf Prozesszinsen<br />

weder dem Wortlaut nach aus noch würden sich aus dem Regelungszweck oder der Entstehungsgeschichte<br />

Hinweise ergeben, dass damit eine den Prozesszinsenanspruch ausschließende<br />

fachrechtliche Regelung getroffen werden sollte.<br />

Anmerkungen:<br />

Das erstinstanzliche Urteil des VG Berlin <strong>und</strong> das Urteil des BVerwG sind in juris veröffentlicht<br />

worden. Das Urteil des BVerwG ist auch in die Online-Entscheidungssammlung des<br />

BVerwG (http://www.b<strong>und</strong>esverwaltungsgericht.de) aufgenommen worden.<br />

Mitgeteilt von Frank Pronath<br />

- 10 -


- 11 -<br />

Entschädigung <strong>für</strong> den Verlust eines Unternehmens<br />

nach dem NS-VEntschG; verwertbarer<br />

Ersatzeinheitswert; Reinvermögensermittlung;<br />

Bilanz; Bilanzstichtag; Bilanzposition<br />

Leitsätze juris:<br />

§ 2 Satz 3 NS-VEntschG i. V. m.<br />

§ 4 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 EntschG<br />

1. Nichtverwertbar im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 EntschG ist auch ein <strong>für</strong> ein Unternehmen<br />

festgesetzter Einheitswert, in den betrieblich genutzte Gr<strong>und</strong>stücke eingeschlossen waren,<br />

wenn nunmehr Entschädigung <strong>für</strong> das Gr<strong>und</strong>stück ohne diese Gr<strong>und</strong>stücke zu ermitteln<br />

ist.<br />

2. In § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG ist eine Reihenfolge festgelegt, wonach gr<strong>und</strong>sätzlich die<br />

Bilanz zum letzten Stichtag vor der Schädigung heranzuziehen ist <strong>und</strong> nur in Fällen, in<br />

denen diese nicht vorliegt, auf andere Unterlagen von ähnlicher Beweiskraft zurückzugreifen<br />

ist.<br />

3. Dieser Gr<strong>und</strong>satz kann jedoch Einschränkungen erfahren. Eine Bilanzposition kann jedenfalls<br />

dann nicht verwertet werden, wenn durch beweiskräftige historische Unterlagen<br />

(vgl. § 4 Abs. 1 Satz 3 <strong>und</strong> § 4 Abs. 2. Satz 2 2. Alt EntschG) nachgewiesen ist, dass der<br />

Ansatz gerade aus Gründen der Verfolgung zu niedrig war. Dies darf allerdings nicht dahin<br />

missverstanden werden, dass auf diesem Wege Boykottschäden wieder gut gemacht<br />

werden. Es verbleibt vielmehr bei den gegebenenfalls durch den allgemeinen Verfolgungsdruck<br />

verursachten, gegenüber den Werten von 1932/33 niedrigen Bilanzansätzen.<br />

Lediglich wenn die ohnehin schon rückläufigen Wertangaben verfolgungsbedingt noch<br />

weiter gekürzt werden mussten, ist die in Rede stehende Bilanzposition zu korrigieren.<br />

Ebenfalls nicht zu korrigieren ist es, wenn das Unternehmen in der letzten Stichtagsbilanz<br />

den rechtlichen, insbesondere steuerrechtlichen Gegebenheiten <strong>und</strong> marktwirtschaftlichen<br />

Gr<strong>und</strong>sätzen folgend - in zulässiger Weise - seine Vermögensgegenstände in der Bilanz<br />

mit niedrigeren Werten ausgewiesen hat als die Vermögensgegenstände tatsächlich Wert<br />

am Markt besaßen.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

VG Berlin, Urteil vom 21. Januar 2<strong>01</strong>0, Az.: 29 A 181.07<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die Parteien streiten über die Höhe der Entschädigung <strong>für</strong> die arisierte jüdische F.-OHG,<br />

deren Berechtigung zuvor durch bestandskräftigen Gr<strong>und</strong>lagenbescheid festgestellt wurde.<br />

Die F.-OHG betrieb bis ins Jahr 1938 ein Möbel- <strong>und</strong> Textilkaufhaus in Berlin, in dem vornehmlich<br />

Abzahlungsgeschäfte getätigt wurden, auf insgesamt 6 nahe beieinander liegenden<br />

Gr<strong>und</strong>stücken. Die Gr<strong>und</strong>stücke standen in dem persönlichen Eigentum zweier Gesellschafter.<br />

In der Steuerbilanz der F.-OHG wurden diese Gr<strong>und</strong>stücke, dem geltenden Steuerrecht<br />

entsprechend, als Betriebvermögen aufgeführt.<br />

Mit Verträgen vom 7. Dezember 1938 wurden das Unternehmen <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>stücke veräußert,<br />

wobei die Unternehmensveräußerung unter der Bedingung des Vollzugs der Gr<strong>und</strong>stücksverkäufe<br />

stand. Für das Unternehmen selbst wurde ein Kaufpreis von 719.000,00 RM<br />

- 12 -


- 12 -<br />

erzielt, worin jedoch auch der Liquidationserlös eines weiteren, von den Gesellschaftern der<br />

F-OHG betriebenen Unternehmens, über das nichts weiter bekannt ist, enthalten war.<br />

Im Rahmen der Veräußerung war von den Gesellschaftern ein Gutachter beauftragt worden,<br />

der eine Bewertungsbilanz zum 15. September 1938 erstellt hatte. Daneben lagen die Steuerbilanz<br />

zum 31. Juli 1937 sowie eine Veräußerungsbilanz per 30. November 1938 vor. Letztere<br />

wies <strong>für</strong> Warenlager <strong>und</strong> Außenstände Beträge aus, die deutlich über denen der Steuerbilanz<br />

aus dem Jahre 1937 lagen, jedoch unter den von dem Gutachter ausgewiesenen Beträgen.<br />

Die Veräußerungsbilanz wies einen Veräußerungsgewinn von 1.25 Mio. RM auf. In einem<br />

Rechtsmittelverfahren über die steuerliche Behandlung dieses Veräußerungsgewinns wurde<br />

vom Oberfinanzpräsidenten im Jahre 1941 eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben. In<br />

dieser trat der Gutachter der Auffassung des Finanzamtes, in dem stark erhöhten Gewinn<br />

1938 drücke sich ein in den Vorjahren durch zu niedrige Bilanzansätze verschleierter Gewinn<br />

aus, entgegen. Der Gutachter führte u. a. aus, der Gewinn beruhe im Wesentlichen auf einer<br />

deutlich höheren Bewertung der Außenstände <strong>und</strong> des Warenlagers. Insoweit habe aber<br />

zuvor nicht eine zu niedrige Bewertung stattgef<strong>und</strong>en. Vielmehr habe die vorsichtige Bewertung<br />

in zulässiger Weise den Besonderheiten des Abzahlungsgeschäftes Rechnung getragen.<br />

Dies gelte <strong>für</strong> die Außenstände „in besonderem nach 1933 bei Betrieben mit jüdischen<br />

Inhabern“. Denn „nichtarische Betriebe konnten ihre Außenstände nicht mit Nachdruck einziehen“.<br />

Der Wert sei daher <strong>für</strong> den arischen Erwerber weit höher.<br />

Im Lastenausgleichsverfahren stellte das zuständige Ausgleichsamt einen Schaden am Betriebsvermögen<br />

einschließlich Betriebsgr<strong>und</strong>stücke in Höhe von 494.050,00 RM fest.<br />

Die Beklagte hielt den Ersatzeinheitswert, da er diese Betriebsgr<strong>und</strong>stücke mitberücksichtigte,<br />

<strong>für</strong> unverwertbar <strong>und</strong> zog zur Ermittlung der Bemessungsgr<strong>und</strong>lage die Steuerbilanz zum<br />

31. Dezember 1937 heran. Nach dieser errechnete sich ein negatives Reinvermögen. Deshalb<br />

stellte die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid eine Entschädigung in<br />

Höhe von Null € fest. Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin eine Entschädigung<br />

in Höhe von rd. 3.25 Mio. €. Nach ihrer Auffassung ist die Bewertungsbilanz des Gutachters<br />

zum 15. September 1938 zur Bestimmung des Reinvermögens heranzuziehen.<br />

Das VG Berlin verurteilte die Beklagte zur Feststellung einer Entschädigung in Höhe vom<br />

r<strong>und</strong> 650.000,00 € abzüglich noch festzustellender Lastenausgleichsrückforderung <strong>und</strong> wies<br />

die Klage im Übrigen ab.<br />

Seine Entscheidung begründet das VG wie folgt: Die Annahme der Beklagten, der bestandskräftig<br />

festgestellte Ersatzeinheitswert sei hier nicht verwertbar, träfe zu. Zwar läge keine<br />

Unverwertbarkeit gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EntschG i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 3 EntschG,<br />

§ 580 ZPO vor. Die Unrichtigkeit eines Einheitswertes sei aber nicht auf die dort normierten<br />

Fälle, in denen sich die Unrichtigkeit aus später aufgef<strong>und</strong>enen Urk<strong>und</strong>en ergäbe, beschränkt.<br />

Unverwertbar im Sinne von § 4 Abs. 2 EntschG sei auch ein Ersatzeinheitswert, in<br />

dem betriebliche Gr<strong>und</strong>stücke eingeschlossen sind, wenn die Entschädigung <strong>für</strong> das Unternehmen<br />

ohne die Gr<strong>und</strong>stücke zu ermitteln sei, weil die Gr<strong>und</strong>stücke im Wege der Singularrestitution<br />

zurückzugeben seien.<br />

Sei der Ersatzeinheitswert unverwertbar, so sei eine Reinvermögensermittlung gemäß § 4<br />

Abs. 2 EntschG vorzunehmen. Danach sei das Reinvermögen anhand der Bilanz <strong>für</strong> den<br />

letzten Stichtag vor der Schädigung oder einer sonstigen beweiskräftigen Unterlage nach im<br />

Weiteren aufgezählten Maßgaben festzustellen. Damit habe der Gesetzgeber eine Reihenfolge<br />

festgelegt, wonach gr<strong>und</strong>sätzlich die Steuerbilanz heranzuziehen sei <strong>und</strong> nur in den<br />

Fällen, in denen eine solche nicht vorliege, auf andere Urk<strong>und</strong>en von ähnlicher Beweiskraft<br />

- 13 -


- 13 -<br />

zurückzugreifen sei (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 2 EntschG in BT-<br />

Drucks. 12/4887 Seite 34). Da<strong>für</strong> spräche der die Entschädigungsregelungen prägende<br />

Beschleunigungs- <strong>und</strong> Vereinfachungsgedanke. Diesem würde es widersprechen, wenn die<br />

Behörde trotz vorliegender Steuerbilanz zur Hilfswertermittlung alle sonstigen Unterlagen<br />

sichten <strong>und</strong> auf ihre Verwertbarkeit hin untersuchen müsste.<br />

Das Gericht lies in seiner Entscheidung offen, ob im Anwendungsbereich von § 4 Abs. 2<br />

EntschG gr<strong>und</strong>sätzlich auf den letzten Stichtag vor der Schädigung oder auf den letzten Einheitsbewertungsstichtag<br />

abzustellen sei. Aus systematischen Gründen sei jedenfalls dann<br />

auf den letzten Stichtag vor der Schädigung abzustellen, wenn ein bestandskräftiger Ersatzeinheitswert<br />

vorläge, der lediglich nicht verwertbar sei. Denn bei der Ersatzeinheitswertsfeststellung<br />

sei stets auf den letzten Stichtag vor der Schädigung abgestellt worden.<br />

Weiter setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, ob das NS-VEntschG eine Korrektur<br />

in der Steuerbilanz aufgeführter Werte vorsehe oder zulasse.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich sehe das NS-VEntschG nach Auffassung des VG Berlin diese Möglichkeit<br />

nicht vor. Die Ermittlung des Reinvermögens erfolge anhand der bilanzierten Werte. Das<br />

Ausnutzen bestehender Bilanzierungsspielräume durch den Geschädigten rechtfertige keine<br />

nachträgliche Höherbewertung von bilanziertem Vermögen.<br />

Ausnahmsweise komme eine Korrektur dann in Betracht, wenn historische Urk<strong>und</strong>en belegen,<br />

dass die Niedrigbewertung von bilanziertem Vermögen selbst verfolgungsbedingt erfolgte.<br />

So verhalte es sich vorliegend mit der Position „Außenstände“. Diese habe die Geschädigte<br />

deshalb so niedrig bewerten müssen, weil sie nach dem Gutachten des Oberfinanzpräsidenten<br />

von der Geschädigten deshalb nicht zu realisieren waren, weil diese als<br />

„jüdische“ Gesellschaft ihre Außenstände nicht einziehen konnte.<br />

Anmerkungen:<br />

Das Urteil beschäftigt sich mit der Nichtverwertbarkeit von bestandskräftig festgestellten Ersatzeinheitswerten<br />

(1.) <strong>und</strong> der Ermittlung des Reinvermögens (2.).<br />

1. Das VG bestätigt die Auffassung des BADV, wonach Ersatzeinheitswerte über die in § 4<br />

Abs. 1 EntschG normierten Gründe hinaus unverwertbar sind, wenn die Vermögenswerte<br />

nicht identisch sind. Eine Herausrechnung der Vermögenswerte aus dem Ersatzeinheitswert<br />

findet nicht statt. Ist der Ersatzeinheitswert nicht verwertbar, so ist nach der Vorgabe<br />

des Gesetzgebers das Reinvermögen zu ermitteln. Sofern dies nicht möglich ist, ist eine<br />

Schätzung vorzunehmen (§ 2 Satz 3 NS-VEntschG i. V. m. § 4 Abs. 3 EntschG).<br />

Ein häufig auftretender Fall ist der festgesetzte Ersatzeinheitswert <strong>für</strong> eine Personengesellschaft<br />

unter Einbeziehung der im Eigentum der Gesellschafter stehenden „Betriebgr<strong>und</strong>stücke“.<br />

Denn das VermG behandelt diese Gr<strong>und</strong>stücke als Singularvermögen der<br />

Gesellschafter, in deren Eigentum sie zum Zeitpunkt der Schädigung standen. Eine zusätzliche<br />

Berücksichtigung der Betriebsgr<strong>und</strong>stücke bei der Entschädigung des Unternehmens<br />

würde eine nicht angemessene doppelte Wiedergutmachung nach sich ziehen.<br />

Welche Unterlagen zur Ermittlung der Bemessungsgr<strong>und</strong>lage heranzuziehen sind, ergibt<br />

sich aus der Entschädigungsakte. Das VG hat ausdrücklich betont, dass in diesen Fällen<br />

auf den Schädigungszeitpunkt abzustellen sei, auf den auch die Ausgleichsbehörde abgestellt<br />

habe. D. h. die von der Entschädigungsbehörde herangezogenen Unterlagen können<br />

auch von dem BADV herangezogen werden. Nur die Ermittlung der Bemessungsgr<strong>und</strong>lage<br />

erfolgt nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 bzw. 3 EntschG.<br />

2. Besondere Aufmerksamkeit verdient das Urteil auch wegen seiner Auseinandersetzung<br />

mit der Frage der Korrektur von bilanzierten Werten. Im Gr<strong>und</strong>satz bleibt es dabei, dass<br />

das Reinvermögen anhand der Bilanz des letzten Stichtages vor der Schädigung berech-<br />

- 14 -


- 14 -<br />

net wird <strong>und</strong> zwar nach den Maßgaberegelungen des seinerzeit geltenden steuerlichen<br />

Bewertungsrechts <strong>und</strong> nicht des Handelsrechts (BVerwG, Urteil vom 16. September 2004<br />

- 3 C 42.03 - Buchholz 428.41 § 4 EntschG Nr. 2 = ZOV 2005, 294 ff. = IFLA 2006, 100<br />

ff.). Eine Ausnahme kommt nur unter ganz engen Voraussetzungen in Betracht. Nämlich<br />

dann, wenn der bilanzierte Wert selbst verfolgungsbedingt (zu) niedrig angesetzt wurde<br />

<strong>und</strong> historische Unterlagen dies belegen. D. h. aus der historischen Urk<strong>und</strong>e muss sich<br />

sowohl die Verfolgung als auch die Fehlerhaftigkeit des Wertansatzes ergeben. Dies betrifft<br />

vor allem Fälle, in denen sich wie hier aus den Unterlagen der Steuerbehörden ergibt,<br />

dass Vermögenswerte, z. B. Forderungen in der Hand des jüdischen Eigentümers weniger<br />

Wert waren, weil dieser sie verfolgungsbedingt nicht realisieren konnte. Im vorliegenden<br />

Fall ergab sich aus den Unterlagen auch der Wertansatz, den ein Nichtverfolgter hätte<br />

wählen müssen.<br />

Das Urteil ist rechtskräftig <strong>und</strong> in juris veröffentlicht.<br />

Mitgeteilt von Katrin Holst<br />

- 15 -


Verfolgungsbedingter Vermögensverlust; Entschädigung<br />

nach NS-VEntschG; Wiederaufnahmegr<strong>und</strong><br />

i. S. § 580 ZPO; Unverwertbarkeit<br />

des letzten vor der Schädigung festgestellten<br />

Einheitswertes; Streitwertbegrenzung<br />

auf 500.000,00 €<br />

Leitsätze der Bearbeiterin (nicht amtlich):<br />

- 15 -<br />

§ 580 ZPO i. V. m.<br />

§ 4 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 EntschG <strong>und</strong><br />

§ 2 des NS-VEntschG;<br />

§ 52 Abs. 4 GKG<br />

1. Unter welchen Umständen eine nach der Schädigung entstandene Urk<strong>und</strong>e einen Wiederaufnahmegr<strong>und</strong><br />

im Sinne § 580 Nr. 7b ZPO in Verbindung mit § 4 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 des<br />

EntschG <strong>und</strong> § 2 des NS-VEntschG darstellt.<br />

2. Streitwertbegrenzung auf 500.000,00 € auch in Fällen nach NS-VEntschG.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2<strong>01</strong>0, Az.: 5 B 11.09<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die Parteien stritten über eine von der Klägerin begehrte weitere Entschädigung <strong>für</strong> ein im<br />

Jahre 1938 geschädigtes Unternehmen.<br />

Da die Wertfortschreibung des Einheitswertes zum Stichtag 1. Januar 1936 auch Betriebsstätten<br />

des Unternehmens enthielt, die nicht im Geltungsbereich des Vermögensgesetzes<br />

belegen <strong>und</strong> somit nicht zu entschädigen sind, war der Einheitswert zum Stichtag 1. Januar<br />

1936 ungekürzt nicht verwendbar.<br />

Dementsprechend wurde gemäß § 4 Abs. 2 EntschG i. V. m. § 2 NS-VEntschG eine Reinvermögensberechnung<br />

auf Gr<strong>und</strong>lage der in der Wertfortschreibung per 1. Januar 1936 enthaltenen<br />

Werte vorgenommen.<br />

Mit ihrer Klage beim VG Berlin machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass der zum<br />

1. Januar 1936 festgestellte Einheitswert nicht verwertbar sei, weil sich der tatsächliche Unternehmenswert<br />

aus einem Bericht vom 19. März 1948, der im Rahmen des Wiedergutmachungsverfahren<br />

vom Wirtschaftsberaters <strong>und</strong> Buchprüfers des Unternehmens erstellt wurde,<br />

ergebe.<br />

Das VG Berlin wies die Klage mit Urteil vom 12. Dezember 2008 ab <strong>und</strong> führte in seiner Entscheidungsbegründung<br />

u. a. aus, dass eine Unverwertbarkeit des Einheitswertes nicht schon<br />

im Hinblick auf den Bericht des Wirtschaftberaters <strong>und</strong> Buchprüfers aus dem Jahre 1948<br />

gegeben sei, da die an eine Urk<strong>und</strong>e im Sinne § 580 Nr. 7b ZPO gestellten Voraussetzungen<br />

bei diesem Bericht nicht festgestellt werden konnten.<br />

Das VG stellte ferner fest, dass es sachgerecht <strong>und</strong> nicht zu beanstanden sei, wenn die Beklagte<br />

ihrer Reinvermögensberechnung die Wertfortschreibung des Einheitswert per 1. Januar<br />

1936 zugr<strong>und</strong>e legt, denn es handele sich bei dieser Unterlage, da finanzamtlich geprüft,<br />

um die beweiskräftigste Unterlage.<br />

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde vom BVerwG mit Beschluss vom 27.<br />

Januar 2<strong>01</strong>0 zurückgewiesen.<br />

- 16 -


- 16 -<br />

1. In seiner Begründung machte das BVerwG deutlich, dass die von der Klägerin <strong>und</strong> Beschwerdeführerin<br />

hinsichtlich eines Wiederaufnahmegr<strong>und</strong>es im Sinne des § 580 ZPO i.<br />

V. m. § 2 Abs. 2 NS-VEntschG aufgeworfene Frage bereits hinreichend durch die Rechtssprechung<br />

des B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichts beantwortet sei. Danach bedürfe es <strong>für</strong> den<br />

Wiederaufnahmegr<strong>und</strong> des § 580 Nr. 7b ZPO einer Urk<strong>und</strong>e, die eine dem Betr<strong>offene</strong>n<br />

günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde, wenn sie bereits im vorausgegangenen<br />

Verfahren (hier dem steuerlichen Verfahren zur Ermittlung <strong>und</strong> Feststellung des<br />

Einheitswertes) hätte verwendet werden können. Sie müsse zudem so beschaffen sein,<br />

dass sie die Richtigkeit der tatsächlichen Entscheidungsgr<strong>und</strong>lage des Erstbescheides<br />

erschüttere. Sie müsse zu der sicheren Überzeugung führen können, dass die Behörde<br />

damals von falschen tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen sei <strong>und</strong> in Kenntnis der<br />

wirklichen Verhältnisse zugunsten des Betr<strong>offene</strong>n entschieden haben würde (Beschluss<br />

des BVerwG vom 30. Mai 1990 - 3 CB 25.89 - IFLA 1990, 132 f.).<br />

Das BVerwG führte des Weiteren aus, dass der Bericht des Wirtschaftberaters <strong>und</strong> Buchprüfers<br />

aus dem Jahre 1948 auch schon deswegen keine Urk<strong>und</strong>e im Sinne § 580 Nr. 7<br />

ZPO sei, weil er nicht bereits zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Festsetzung des fortgeschriebenen<br />

Einheitswertes 1936 vorhanden war <strong>und</strong> lediglich erst zu einem späteren<br />

Zeitpunkt aufgef<strong>und</strong>en worden sei.<br />

2. Zur Streitwertbegrenzung auf 500.000,00 € führte das BVerwG aus, dass nach dem Sinn<br />

<strong>und</strong> Zweck der Regelung, das Gerichtskostenrisiko sowohl <strong>für</strong> die Berechtigten als auch<br />

<strong>für</strong> die öffentliche Hand zu begrenzen, § 52 Abs. 4 GKG, nach dem in Verfahren vor den<br />

Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem VermG der Streitwert<br />

nicht über 500.000,00 € angenommen werden dürfe, auch in Fällen gelte, in denen<br />

eine Rückgabe nach dem VermG ausgeschlossen <strong>und</strong> deshalb nach dem NS-VEntschG<br />

Entschädigung zu gewähren sei oder der Berechtigte Entschädigung gewählt habe.<br />

Das Urteil des VG Berlin ist damit rechtskräftig.<br />

Anmerkungen:<br />

Zur Streitwertbegrenzung im NS-VEntschG haben die 29. Kammer des VG Berlin mit Beschluss<br />

vom 17. März 2006 - 29 A 316.<strong>01</strong> - <strong>und</strong> auch das VG Potsdam mit Beschluss vom 7.<br />

Juli 2008 - 1 K 1488/07 - eine gegenteilige Auffassung vertreten, wonach die Begrenzung<br />

des § 52 Abs. 4 GKG nicht auf Ansprüche nach dem NS-VEntschG analog anwendbar sei.<br />

Dieser Beschluss des BVerwG ist in juris <strong>und</strong> in der BVerwG-Online-Entscheidungssammlung<br />

nachlesbar.<br />

Die Klägerin <strong>und</strong> Beschwerdeführerin hat zwischenzeitlich die Anhörungsrüge nach § 152a<br />

VwGO beim BVerwG eingelegt.<br />

Mitgeteilt von Ilona Lindhorst<br />

- 17 -


Feststellung des Schadensausgleichs<br />

bei Beteiligung an Familienstiftung; Bezugsrecht<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

- 17 -<br />

§ 335b,<br />

§ 349 Abs. 3 <strong>und</strong> 5 LAG;<br />

§ 3 Abs. 1,<br />

§ 4 Abs. 2 Satz 2 der 18. FDV<br />

Wird einer Familienstiftung ein Vermögenswert zurückübertragen, <strong>für</strong> dessen Wegnahme<br />

den Bezugsberechtigten der Stiftung Lastenausgleich gewährt worden war, ist der Schadensausgleich<br />

den im Zeitpunkt der Rückgabe noch lebenden Lastenausgleichsempfängern,<br />

deren Erben oder Erbeserben zuzurechnen, soweit sie zugleich Bezugsberechtigte der Stiftung<br />

sind.<br />

Leitsätze des Bearbeiters (nicht amtlich):<br />

1. Der Beteiligtenbegriff aus § 335b LAG ist bei Familienstiftungen deckungsgleich mit demjenigen<br />

des § 349 Abs. 3 Satz 3 LAG <strong>und</strong> bezieht sich mithin auf Personen, denen der<br />

Schadensausgleich materiell-rechtlich zuzurechnen ist <strong>und</strong> die nach § 349 Abs. 5 Satz 1<br />

LAG als Rückzahlungspflichtige in Betracht kommen.<br />

2. Wegen der Schadensausgleichsfiktion des § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG ist nicht von Belang,<br />

ob das zurückgegebene Vermögen in absehbarer Zeit Erträge erwarten lässt, die zu<br />

Ausschüttungen an die Destinatäre (Bezugsberechtigten) führen.<br />

3. Die <strong>für</strong> die Schadensfeststellung im Lastenausgleich maßgebende Fiktion des § 3 Abs. 1<br />

der 18. Feststellungs- <strong>und</strong> Durchführungsverordnung (FDV), die es ermöglichte als Beteiligte<br />

die im Zeitpunkt der Schädigung lebenden, vom Stifter als Berechtigte eingesetzten<br />

Familienmitglieder anzusehen, wirkt im Falle des Schadensausgleichs fort.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2<strong>01</strong>0, Az.: 3 C 3.09<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die Kläger wenden sich gegen einen einheitlichen Bescheid des B<strong>und</strong>esausgleichsamtes<br />

(Beklagte) über die Höhe des Schadensausgleichs an der Beteiligung an einer Familienstiftung.<br />

Sie sind Erben oder Erbeserben von Personen, die Bezugsberechtigte dieser Familienstiftung<br />

waren.<br />

Die Stiftung diente der Versorgung der drei Töchter des Stifters <strong>und</strong> ihrer ehelichen Abkömmlinge.<br />

Einziger Vermögensgegenstand <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lage der Ausschüttungen an die Bezugsberechtigten<br />

war seit Ende 1939 ein Gr<strong>und</strong>stück in Berlin, das ab 1952 zwangsverwaltet<br />

<strong>und</strong> mit Wirkung vom 1. April 1988 entschädigungslos in Eigentum des Volkes überführt<br />

wurde. Das Gr<strong>und</strong>stück wurde der weiterhin existenten Familienstiftung im Jahre 2003 gemäß<br />

dem Vermögensgesetz zurückübertragen. Daraufhin erließ die Beklagte gegenüber den<br />

Erben der Lastenausgleichsempfänger - soweit sie bei Vermögensrückgabe Destinatäre der<br />

Stiftung waren - den angefochtenen einheitlichen Bescheid.<br />

- 18 -


- 18 -<br />

Das Verwaltungsgericht Frankfurt wies die Klagen mit Urteil vom 5. Dezember 2008 - 7 E<br />

5417/06 (3) - mit der Begründung ab, dass der Schaden am Wirtschaftsgut, <strong>für</strong> das Lastenausgleich<br />

gewährt worden sei, durch Rückgabe der Liegenschaft an die Familienstiftung<br />

ausgeglichen <strong>und</strong> dieser Schadensausgleich den Klägern zuzurechnen sei.<br />

Die hiergegen von den Klägern eingelegte Revision wurde im Wesentlichen damit begründet,<br />

dass die seinerzeitigen Destinatäre Lastenausgleich nicht <strong>für</strong> Anteile an der Familienstiftung,<br />

sondern <strong>für</strong> nach der Schädigung ausgefallene Revenuen erhalten hätten. Ferner, dass die<br />

jetzigen Destinatäre aufgr<strong>und</strong> des heruntergewirtschafteten <strong>und</strong> mit Gr<strong>und</strong>schulden belasteten<br />

Vermögenswerts auf absehbare Zeit nicht mit Ausschüttungen aus der Stiftung rechnen<br />

könnten.<br />

Die Revision der Kläger wurde vom BVerwG aus folgenden Gründen abgewiesen:<br />

Zutreffend sei das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Schaden am 3. April<br />

2003 ausgeglichen worden ist. Da<strong>für</strong> sei nach dem das Lastenausgleichsrecht beherrschenden<br />

Gr<strong>und</strong>satz der Objektidentität maßgeblich, dass eine Leistung <strong>für</strong> den Verlust desselben<br />

Schadensobjektes gewährt worden sei, das Gegenstand der Feststellung war. Der Einwand<br />

der Kläger, es fehle hier an der Objektidentität, weil lediglich der Verlust der seinerzeit bestehenden<br />

Bezugsberechtigungen entschädigt worden wären, nicht aber die Wegnahme des<br />

Gr<strong>und</strong>stücks, träfe nicht zu. Soweit der angefochtene Bescheid davon ausgehen würde,<br />

dass infolge der Rückgabe des Stiftungsvermögens auch die festgestellten Schäden an den<br />

Bezugsrechten ausgeglichen worden seien, seien damit die Konsequenzen der 18. FDV <strong>für</strong><br />

die Bezugsberechtigten in den Blick genommen. Denn bei der Berechnung der Höhe des<br />

Schadens am Stiftungsvermögen wäre im Feststellungsverfahren entsprechend § 4 Abs. 2<br />

Satz 2 der 18. FDV der kapitalisierte Wert der Bezugsrechte nur als Abzugsposten eingestellt<br />

worden.<br />

Den Schadensausgleich könnten die Kläger nicht mit der Behauptung infrage stellen, dass<br />

ein nur im Wert stark gemindertes Gr<strong>und</strong>stück zurück übertragen worden sei. Denn nach<br />

§ 349 Abs. 3 Satz 2 LAG sei es ohne Belang, wenn ein Gr<strong>und</strong>stück im Rückgabezeitpunkt<br />

infolge des im Beitrittsgebiet üblichen Reparaturstaus heruntergewirtschaftet <strong>und</strong> mit Gr<strong>und</strong>schulden<br />

belastet wäre (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2009 - 3 C 21.08 - LKV<br />

2009, 317 = Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 20 = ZOV 2009, 248 m. w. N.). Ein<br />

Restschaden sei nur dann anzuerkennen, wenn nach der Verkehrsauffassung nicht mehr<br />

von einem Gebäude gesprochen werden könne, es sich vielmehr um eine Ruine handelte,<br />

so dass eine Wiederherstellung einer Neuerrichtung gleichkäme (vgl. Urteil vom 30. April<br />

2009, a. a. O. Rdnr. 19). Wegen der Schadensausgleichsfiktion des § 349 Abs. 3 Satz 2 LAG<br />

sei es ebenso wenig von Belang, ob das zurückgegebene Gr<strong>und</strong>stück in absehbarer Zeit<br />

Erträge erwarten ließe, die zu Ausschüttungen an die Destinatäre führen.<br />

Die Beklagte sei § 335b Abs. 1 LAG befugt gewesen, neben der Höhe des Schadensausgleichs<br />

an der Beteiligung, die Beteiligten selbst durch Feststellung zu bestimmen. Da die<br />

einheitliche Feststellung die Rückforderung vorbereiten würde, sei Beteiligter im Sinne des<br />

§ 335b Abs. 1 LAG, wer als Rückzahlungsverpflichteter in Betracht komme. Hierzu regele<br />

§ 349 Abs. 5 Satz 1 LAG, dass sich die Rückforderung gegen Empfänger von Ausgleichsleistungen,<br />

deren Erben oder weitere Erben sowie bei einem der Nacherbfolge unterliegenden<br />

Vermögen gegen Nacherben richtet, soweit diese oder deren Rechtsnachfolger die<br />

Schadensausgleichsleistung erlangt hätten.<br />

Bei Familienstiftungen träte der Schadensausgleich bei dem im Zeitpunkt der Rückübertragung<br />

noch lebenden unmittelbar Geschädigten (den Empfängern von Ausgleichsleistungen)<br />

oder ihren Erben <strong>und</strong> Erbeserben ein, wenn sie zum Zeitpunkt der Rückgabe des Vermö-<br />

- 19 -


- 19 -<br />

genswertes zugleich Bezugsberechtigte (Destinatäre) der Stiftung wären. Sie würden durch<br />

die Rückgabe des Vermögenswertes an die Stiftung in den Genuss von Vorteilen gelangen,<br />

die es rechtfertigten, ihnen den Schadensausgleich zuzurechnen, auch wenn er unmittelbar<br />

der Familienstiftung zugute kommen würde. Das ergäbe sich aus § 349 Abs. 3 Satz 3 LAG,<br />

der <strong>für</strong> juristische Personen bestimmt, dass der Schadensausgleich dem einzelnen Beteiligten<br />

der Gesellschaft entsprechend seinem Beteiligungsverhältnis zuzurechnen ist. Nach<br />

Maßgabe der 18. FDV gelte dies entsprechend bei Familienstiftungen. Einer solchen Regelung<br />

bedürfte es, weil nach § 229 Abs. 3 LAG nur natürlichen Personen Ausgleichsleistungen<br />

gewährt werden könnten, Stiftungen gemäß §§ 80 ff. BGB aber im Unterschied zu Kapital-<br />

oder Personengesellschaften weder Anteilseigner, Gesellschafter noch sonst Beteiligte kennen<br />

würden, die als potenziell Geschädigte in diesem Sinne in Betracht kämen. § 3 Abs. 1<br />

der 18. FDV ermögliche es, als Beteiligte die im Zeitpunkt der Schädigung lebenden, vom<br />

Stifter als Berechtigte eingesetzten Familienmitglieder anzusehen, an die das Stiftungsvermögen<br />

im Falle der Auflösung der Familienstiftung gefallen wäre. Ihnen würde nach § 2 Abs.<br />

1 Satz 1 der 18. FDV der Schaden so zugerechnet, als wären sie an dem geschädigten<br />

Vermögen im Zeitpunkt der Schädigung zur gesamten Hand berechtigt gewesen. Diese Fiktion<br />

einer Beteiligung am Stiftungsvermögen wirke im Falle des Schadensausgleichs fort.<br />

Träte dieser, wie hier, infolge einer Rückgabe eines Vermögenswertes an die Stiftung ein, so<br />

wäre der Ausgleich den gemäß § 3 Abs. 1 der 18. FDV bestimmten Beteiligten bzw. ihren<br />

Erben (§ 349 Abs. 5 Satz 1 LAG) in derselben Weise wie der Schaden zuzurechnen.<br />

Anmerkungen:<br />

Das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht hat mit seiner Erstentscheidung zu Fragen der Feststellung<br />

des Schadensausgleichs bei Vermögensschäden von Familienstiftungen die lastenausgleichrechtliche<br />

Praxis in vollem Umfang bestätigt. Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Frage der<br />

Zurechnung des Schadensausgleichs gegenüber den Lastenausgleichsempfängern bzw.<br />

deren Erben als natürliche Personen bei Vermögenswerten, die an die weiterhin existente<br />

Stiftung restituiert wurden.<br />

Das rechtskräftige Urteil ist in der BVerwG-Online-Entscheidungssammlung veröffentlicht.<br />

Mitgeteilt von Jochen Möser

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