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08 - Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ...

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<strong>B<strong>und</strong>esamt</strong> zur Regelung <strong>offene</strong>r<br />

<strong>Vermögensfragen</strong><br />

Rechtsprechungsübersicht<br />

<strong>08</strong>/1999<br />

vom 30. Juni 1999<br />

Seite<br />

VG Berlin, Urteil vom 25. Februar 1999, Az.: 29 A 389.94 3264 5<br />

Redlicher Erwerb; keine ordnungsgemäße Verwaltungspraxis; Dienstzugehörigkeit;<br />

Funktionsträger<br />

§ 4 Abs. 3 Buchst. a VermG<br />

BVerwG, Beschluß vom 1. März 1999, Az.: 7 B 23.99 3253 9<br />

Anordnung staatlicher Verwaltung als Schädigungstatbestand<br />

§ 1 Abs. 4 VermG<br />

BVerwG, Beschluß vom 3. März 1999, Az.: 7 B 5.99 3250 11<br />

Zielgerichtete Manipulationen bei Veräußerung von Gr<strong>und</strong>stücken durch<br />

den staatlichen Verwalter; Voraussetzungen zur Veräußerung eines Gr<strong>und</strong>stücks<br />

aus wirtschaftlichen Gründen; unzureichende Sachaufklärung durch<br />

das VG als Revisionsgr<strong>und</strong><br />

§ 4 Abs. 3 Buchst. a VermG;<br />

§ 1 Abs. 2 der VO über die Rechte <strong>und</strong> Pflichten des Verwalters vom<br />

11. Dezember 1968;<br />

§ 86 Abs. 1 VwGO<br />

BVerwG, Beschluß vom 5. März 1999, Az.: 7 B 230.98 3279 13<br />

Unternehmensenteignungen; Enteignungsverbot; Rehabilitierung nach<br />

dem russischen Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern politischer<br />

Verfolgung; Enteignung durch deutsche Stellen<br />

§ 1 Abs. 8 Buchst. a,<br />

§ 1 Abs. 7 VermG<br />

VG Magdeburg, Urteil vom 23. März 1999, Az.: 9 K 112/98 3243 15<br />

Wirksamkeit der Abtretung eines vermögensrechtlichen Anspruchs; Berechtigter<br />

im Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG; Rechtsnatur des Erlösauskehranspruchs;<br />

Einwand der Konfusion; Untergang eines vermögensrechtlichen<br />

Anspruchs nach §§ 30 Abs. 1 Satz 2, 31 Abs. 5 Sätze 2 <strong>und</strong> 3<br />

VermG<br />

§ 6 Abs. 1 a <strong>und</strong> 5 a,<br />

§ 6 Abs. 5 a Satz 1 Buchst. a - c,<br />

§§ 6 Abs. 6 Satz 1, Abs. 6 a Satz 4,<br />

§§ 30 Abs. 1 Satz 2, 31 Abs. 5 Sätze 2 <strong>und</strong> 3 VermG;<br />

Art. 14 Abs. 1 des 2. VermRÄndG;<br />

§ 1 Abs. 4 THG;<br />

§ 54 VwVfG;<br />

§§ 133, 325, 362, 437, 440 BGB;<br />

§§ 113 Abs. 5 Satz 1, 173 VwGO;<br />

§ 265 Abs. 2 ZPO<br />

- 2 -


- 2 -<br />

BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, Az.: 7 C 11.98 3271 23<br />

Redlicher Erwerb; wirksamer Erwerb; Genehmigung nach der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsverordnung;<br />

Hinweise <strong>und</strong> Erläuterungen zum Nutzungsrechtsgesetz;<br />

Richtlinie zur Durchführung des Gesetzes über den Verkauf<br />

volkseigener Eigenheime; Verleihung des Nutzungsrechts; Fiktion<br />

der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung; Wiederaufgreifen des Genehmigungsverfahrens;<br />

Folgen des Wiederaufgreifens <strong>für</strong> die Eigentümerstellung;<br />

Anbahnung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VermG; Zweifamilienhaus;<br />

Komplettierungskauf<br />

§ 1 Abs. 1 Buchst. b <strong>und</strong> Abs. 2,<br />

§ 4 Abs. 2 Satz 1 <strong>und</strong> Satz 2 Buchst. a VermG;<br />

§ 7 Abs. 3 AnmVO;<br />

§ 2 Abs. 1 Buchst. a GVVO;<br />

§ 7 Abs. 3 Satz 1 GVO<br />

BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, Az.: 7 C 17.98 3283 29<br />

Restitutionsausschluß; Erwerb durch privaten Handwerker oder Gewerbetreibenden;<br />

redlicher Erwerb; dingliches Nutzungsrecht; Stichtag; Verkaufsgesetz<br />

§ 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b,<br />

§ 4 Abs. 3 Buchst. a,<br />

§ 16 Abs. 3 Satz 1 VermG;<br />

§ 1 Verkaufsgesetz vom 7. März 1990<br />

BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, Az.: 7 C 12.98 3265 35<br />

Sowjetische Besatzungszone; Uraltguthaben; Reichsmarkforderung;<br />

Währungsreform; Umwertung; besatzungshoheitliche entschädigungslose<br />

Enteignung; Vollzugsauftrag Besatzungsmacht; SMAD-Befehl<br />

Nr. 111/1948; Eingriff Währungsrecht; Währungsschaden; manipulativer<br />

Vermögenszugriff; unlautere Machenschaft<br />

§ 1 Abs. 1 Buchst. a,<br />

§ 1 Abs. 3,<br />

§ 1 Abs. 8 Buchst. a,<br />

§ 2 Abs. 2 Satz 2 VermG;<br />

§ 1 Abs. 3 Nr. 5 AusglLeistG<br />

BVerwG, Beschluß vom 26. März 1999, Az.: 7 B 41.99 3275 39<br />

Erbschaftssteuer als Ausschlagungsgr<strong>und</strong>; Rechtswirksamkeit einer<br />

Entscheidung der Rehabilitierungskammer des Landgerichts<br />

§ 1 Abs. 3 <strong>und</strong> Abs. 7,<br />

§ 2 Abs. 1 VermG;<br />

§ 3 Abs. 2 StrRehaG;<br />

§ 57 Abs. 3 StGB-DDR<br />

BVerwG, Beschluß vom 26. März 1999, Az.: 7 B 45.99 3278 41<br />

Rechtliches Gehör; redlicher Erwerb<br />

§ 4 Abs. 2 Satz 1 VermG;<br />

Art. 103 Abs. 1 GG<br />

- 3 -


- 3 -<br />

BVerwG, Urteil vom 29. April 1999, Az.: 7 C 13.98 3292 43<br />

Unlautere Machenschaft; Ausreise aus der DDR; ausreisebedingte<br />

Gr<strong>und</strong>stücksveräußerung; Anscheinsbeweis; Ausreise von Rentnern;<br />

Verkaufsverlangen des Staates; Gr<strong>und</strong>eigentum fremder Staatsangehöriger<br />

§ 1 Abs. 3 VermG<br />

Herausgeber: <strong>B<strong>und</strong>esamt</strong> zur Regelung <strong>offene</strong>r <strong>Vermögensfragen</strong><br />

Mauerstr. 39 - 40, 10117 Berlin; Postfach 305, 10107 Berlin<br />

Telefon (030) 22310 - 0; Telefax (030) 22310 – 260;<br />

E-Mail: post@barov.b<strong>und</strong>.de;<br />

Internet:http://www.barov.b<strong>und</strong>.de<br />

Ansprechpartner:<br />

- Verteiler <strong>und</strong> Versand der Rechtsprechungsübersicht:<br />

Frau Breitfeld, App. 124<br />

- Für Behörden zwecks Übersendung der Entscheidung im Volltext<br />

(Bitte die in genannten Ziffern <strong>und</strong> die Nummer der RÜ angeben): Frau Fräsdorf, App. 115<br />

- 4 -


Redlicher Erwerb; keine ordnungsgemäße Verwaltungspraxis;<br />

Dienstzugehörigkeit; Funktionsträger<br />

Leitsatz des Bearbeiters (nicht amtlich):<br />

- 5 -<br />

§ 4 Abs. 3 Buchst. a VermG<br />

Der Erwerb eines Gr<strong>und</strong>stücks steht nicht im Einklang mit der ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis<br />

in der DDR <strong>und</strong> führt damit zu seiner Unredlichkeit, wenn der Erwerber kraft<br />

seiner Dienstzugehörigkeit zum Magistrat von Berlin, Abteilung Finanzen, einer begünstigenden<br />

internen Ausnahmeregelung unterlag, dadurch überhaupt erst am Vergabesystem <strong>für</strong><br />

Vermögenswerte partizipierte <strong>und</strong> über die willkürlich praktizierte Umsetzung auch informiert<br />

war.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

VG Berlin, Urteil vom 25. Februar 1999, Az.: 29 A 389.94<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die Klägerin begehrt die Rückübertragung eines im Eigentum der beigeladenen Eheleute stehenden<br />

Hausgr<strong>und</strong>stücks.<br />

Die Klägerin verließ die DDR am 4. September 1975 ohne Beachtung der Meldevorschriften.<br />

Gemäß § 1 der AO Nr. 2 vom 3. Oktober 1958 wurde daraufhin das mit einem kleinen Wochenendhaus<br />

bebaute Gr<strong>und</strong>stück am 18. November 1975 unter staatliche Treuhandverwaltung<br />

gestellt. Zehn Tage später wies die Magistratsverwaltung von Berlin den Beigeladenen<br />

das streitgegenständliche Wochenendgr<strong>und</strong>stück zur Nutzung <strong>und</strong> käuflichen Übernahme zu.<br />

Am 19. Dezember 1975 wurde der Gr<strong>und</strong>stückskaufvertrag geschlossen.<br />

Im Zuge der Mitte Oktober bis Mitte Dezember 1975 getr<strong>offene</strong>n Vorbereitungen zur Veräußerung<br />

der Parzelle hatte der Beigeladene zu 1 in seiner dienstlichen Funktion als stellvertretender<br />

Unterabteilungsleiter Finanzen beim Magistrat verschiedene Maßnahmen veranlaßt. So<br />

kündigte er dem Rat des Stadtbezirks Berlin-Lichtenberg am 10. Oktober 1975 die Verkaufsabsicht<br />

an <strong>und</strong> stellte <strong>für</strong> den Magistrat verschiedene gr<strong>und</strong>stücksbezogene Angaben zusammen.<br />

Es existieren weiter zwei handschriftliche Vermerke mit dem Wortlaut: „Gen. K - bitte<br />

Eintragung des Verwaltervermerks im Gr<strong>und</strong>buch veranlassen, jedoch noch nicht VEB KWV<br />

zum Verwalter bestellen.“ sowie „Gen. M - würdest Du mit dem Stadtrat reden.“<br />

Der Beteiligte zu 1 trug dazu vor, daß die Überlassung der wenigen verfügbaren Parzellen an<br />

Mitarbeiter der Magistratsabteilung Finanzen gr<strong>und</strong>sätzlich unzulässig gewesen sei, allerdings<br />

habe eine Vergabe entsprechend einer internen mündlichen Dienstanweisung ausnahmsweise<br />

mit Genehmigung des Stadtrats erfolgen können. Die Genehmigung habe ebensowenig wie<br />

die Antragstellung der Schriftform bedurft. Beides sei über den „kleinen Dienstweg“ gegangen<br />

<strong>und</strong> in der Abteilung „sozusagen leger gehandhabt“ worden. Entsprechend habe er sein<br />

Erwerbsinteresse gegenüber seinen Vorgesetzten bek<strong>und</strong>et.<br />

- 6 -


- 6 -<br />

Die ausdrückliche mündliche Zuweisungsentscheidung des Stadtrats sei unmittelbar nach der<br />

handschriftlich vermerkten Bitte ergangen, mit dem Stadtrat zu reden. Vergaberichtlinien oder<br />

sonstige schriftlich fixierte Entscheidungs- <strong>und</strong> Auswahlkriterien habe es weder <strong>für</strong> Magistratsmitarbeiter<br />

noch im Hinblick auf die Bearbeitung von Anträgen Außenstehender gegeben.<br />

Kriterien <strong>für</strong> die Entscheidung seien neben überdurchschnittlicher fachlicher Leistung auch<br />

die gesellschaftliche Arbeit des Interessenten <strong>und</strong> die Art des Gr<strong>und</strong>stücks gewesen.<br />

Aus den Gründen:<br />

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Verpflichtungsklage auf Restitution als begründet erachtet.<br />

Ein redlicher Erwerb durch die Beigeladenen liege nicht vor, da die Voraussetzungen des § 4<br />

Abs. 3 Buchst. a VermG gegeben seien. Eine ordnungsgemäße Verwaltungspraxis zeichne<br />

sich dadurch aus, daß die Anwendung von Vorschriften <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>sätzen nicht nur zum<br />

Schein erfolgt sei <strong>und</strong> lediglich der formalen Rechtfertigung diene, sondern sich die Vorgehensweise<br />

in der Rechtswirklichkeit der DDR innerhalb des durch die Regelungen vorgegebenen<br />

Ordnungsrahmens bewege. Daran fehle es hier.<br />

Zwar begründe ein Verstoß gegen vertraulich gebliebene Verwaltungsvorschriften <strong>und</strong><br />

-abläufe regelmäßig keine Unredlichkeit des Erwerbers, weil bereits die Kenntnis der Bestimmungen<br />

bei außenstehenden Dritten nicht vorausgesetzt werden kann <strong>und</strong> sich die insoweit<br />

denkbaren Unregelmäßigkeiten ohnehin überwiegend in der Sphäre der Verwaltung zutragen<br />

(BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 7 C 4.93 - BVerwGE 95, 1<strong>08</strong> ff. = ZIP 1994,<br />

488 ff. = OV-spezial 1994, 4 ff. = NJW 1994, 1359 ff. = Buchholz 112 § 4 Nr. 7, 3 ff. = RGV<br />

B IX 52). Eine abweichende Beurteilung sei aber geboten, wenn der Erwerber kraft seiner<br />

Dienstzugehörigkeit solchen begünstigenden internen Ausnahmeregelungen unterlag, dadurch<br />

überhaupt erst an dem Vergabesystem partizipierte <strong>und</strong> über die willkürlich praktizierte Umsetzung<br />

auch informiert war.<br />

Dem gesamten Vergabemodus sei das Gepräge einer Privilegienzuteilung eigen gewesen, die<br />

der Gesetzgeber des Vermögensgesetzes als wiedergutmachungsbedürftiges Unrecht gewertet<br />

habe. Bei der Fassung des Regelbeispiels habe der Gesetzgeber den Akzent auf die „Ordnungsgemäßheit“<br />

gelegt, so daß eine auf unkontrollierter Machtausübung basierende Verwaltungspraxis<br />

als Ausdruck von Willkür die Unredlichkeit des Erwerbsvorgangs indiziere.<br />

Die unter Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Verwaltungspraxis erlangten Vermögenswerte<br />

sollten nach dem klaren Willen des Gesetzgebers auch nicht unter Berufung auf die Üblichkeit<br />

der Vorgehensweise innerhalb eines bestimmten Verwaltungsbereichs oder im Hinblick<br />

auf besondere Usancen der Staats- <strong>und</strong> Parteifunktionäre oder sonstige verdiente Mitarbeiter<br />

gerechtfertigt werden können (Erläuterungen der B<strong>und</strong>esregierung zum Vermögensgesetz -<br />

BT-Drucks. 11/7832 - abgedr. in: RVI, Bd. IV, 100.1 E, S. 12).<br />

Dabei sei unerheblich, daß die Beigeladenen nicht ausdrücklich um bevorzugte Behandlung<br />

ihres Erwerbsanliegens nachgesucht haben. Es reiche aus, daß sie dies den Umständen nach<br />

wußten oder zumindest hätten wissen müssen. Insoweit genüge jede Stufe der Fahrlässigkeit<br />

(BVerwG, Beschluß vom 22. April 1994 - 7 B 188.93 - VIZ 1994, 413 = ZOV 1994, 318 =<br />

OV-spezial 1994, 14 = NJW 1994, 2371 = RGV B IX 71 = KPS § 4 VermG 6/94, S. 1 ff. sowie<br />

BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1995 - 7 C 42.93 - ZOV 1995, 150 ff. = VIZ 1995, 288<br />

ff. = NJW 1995, 1506 ff. = RGV B IX 107 = Buchholz 112 § 4 VermG Nr. 12, S. 21 ff.). Die<br />

Beigeladene zu 2 müsse sich das Wissen ihres Gatten wegen des in ehelicher Lebensgemein-<br />

- 7 -


- 7 -<br />

schaft erfolgten Gr<strong>und</strong>stückserwerbs zurechnen lassen (BVerwG, Beschluß vom 2. Juni 1995<br />

- 7 B 210.95 - Gr<strong>und</strong>eigentum 1995, 883 ff. = ZOV 1995, 318 f. = DtZ 1995, 343 f. = VIZ<br />

1995, 520 f. = OV-spezial 1995, 352 = NJ 1995, 612 = D-spezial 1995, Nr. 48, 7 = RGV B I<br />

98 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 46). Im Ergebnis sei zudem festzustellen, daß die Teilnahme<br />

des Beigeladenen zu 1 an dem durch Willkür geprägten Vergabemodus bei der gebotenen<br />

Gesamtschau der maßgeblichen tatsächlichen Einzelfallumstände auch jenseits der nicht<br />

abschließend normierten Regelbeispiele einen vergleichbaren Grad moralischer Verwerflichkeit<br />

erreiche, der die Unredlichkeit des Erwerbs zu Lasten der Beigeladenen begründe.<br />

Anmerkungen:<br />

Judikatur zur Unredlichkeit von Funktionsträgern beim Erwerb von Vermögenswerten ist<br />

bisher kaum zur Veröffentlichung gelangt. Im Gr<strong>und</strong>satz hat das BVerwG mit Beschluß vom<br />

2. April 1993 - 7 B 22.93 - (ZOV 1993, 193 = VIZ 1993, 350 = NJW 1993, 2002 = OVspezial<br />

1993, 15; Vorinstanz VG Dresden, Urteil vom 11. November 1992 - IX K 524/92 -<br />

RGV B IX 24 = VIZ 1993, 265) dargelegt, daß allein die Wahrnehmung bestimmter Funktionen<br />

im Partei- <strong>und</strong> Staatsapparat durch einen Erwerber keine Unredlichkeit begründe. Eine<br />

persönliche Machtstellung könne zwar ein Indiz <strong>für</strong> die Ausnutzung dieser Position sein. Im<br />

konkreten Einzelfall müßten sich aber Anhaltspunkte <strong>für</strong> ein unredliches Verhalten ergeben.<br />

Eine weitere Entscheidung vom 29. März 1993 des VG Potsdam (ZOV 1993, 285 ff.) ähnelt<br />

in der Gr<strong>und</strong>konstellation dem oben besprochenen Urteil. Danach müsse sich ein Ratsmitglied,<br />

das über einen längeren Zeitraum an zahlreichen Beschlüssen des Rates der Gemeinde<br />

mitgewirkt hat, mit denen der Entzug von Eigentumsrechten in nicht ordnungsgemäßer Weise<br />

vorbereitet worden ist, die Unredlichkeit eines derartigen Erwerbs auch dann zurechnen lassen,<br />

wenn er an dem ihn selbst betreffenden Beschluß nicht beteiligt war. Jedenfalls trage er<br />

die Beweislast da<strong>für</strong>, daß sein Rechtserwerb redlich gewesen war.<br />

Mitgeteilt von Kristof Copija<br />

- 8 -


Anordnung staatlicher Verwaltung als Schädigungstatbestand<br />

Leitsätze der Bearbeiterin (nicht amtlich):<br />

- 9 -<br />

§ 1 Abs. 4 VermG<br />

1. Die Anordnung der staatlichen Verwaltung gemäß § 6 der Verordnung zur Sicherung von<br />

Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 löst keinen Rückübertragungsanspruch nach § 1<br />

VermG aus.<br />

2. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Wiedergutmachung durch Aufhebung der staatlichen<br />

Verwaltung ist dann nicht mehr möglich, wenn die staatliche Verwaltung durch eine Enteignung<br />

überholt wird, die ihrerseits keine Schädigung im Sinne von § 1 VermG darstellt.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Beschluß vom 1. März 1999, Az.: 7 B 23.99<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Das BVerwG hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des VG Greifswald vom 1.<br />

Dezember 1998 - 6 A 1440/97 - zurückgewiesen, weil der Rechtssache keine gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Bedeutung zukommt, die in einem Revisionsverfahren noch geklärt werden müßte. Der Beschwerdeführer<br />

hält die Frage <strong>für</strong> ungeklärt, ob die Anordnung der staatlichen Verwaltung<br />

gemäß § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli 1952 geeignet<br />

ist, einen Rückübertragungsanspruch nach § 1 VermG auszulösen.<br />

Das betr<strong>offene</strong> - ehemals staatlich verwaltete - Gr<strong>und</strong>stück wurde in der ehemaligen DDR <strong>für</strong><br />

öffentliche Zwecke beansprucht. Um es in Volkseigentum überführen zu können, wurde der<br />

Eigentümer enteignet. Die Enteignung selbst erfüllte keinen Schädigungstatbestand des<br />

VermG.<br />

Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, daß schon die Anordnung der staatlichen Verwaltung<br />

über Gr<strong>und</strong>stücke von West-Eigentümern Ausdruck des Teilungsunrechts sei, welches durch<br />

das VermG wiedergutgemacht werden müsse.<br />

Das BVerwG verneint einen Rückübertragungsanspruch, weil durch die staatliche Verwaltung<br />

keine Eigentümerposition entzogen würde, die dem Berechtigten zurückgegeben werden könne.<br />

Die Wiedergutmachung im Falle der staatlichen Verwaltung erfolge nur durch deren Aufhebung,<br />

um dem Eigentümer so die entzogenen Rechte <strong>und</strong> Befugnisse wieder einzuräumen.<br />

Sofern die Verwaltung durch eine spätere Enteignung überholt werde, die ihrerseits keine<br />

Schädigung im Sinne des VermG darstellt, sei eine Wiedergutmachung nicht mehr möglich.<br />

- 10 -


Anmerkungen:<br />

- 10 -<br />

Der Senat verweist in seinem Beschluß auf sein Urteil vom 24.Februar 1994 - 7 C 22.93 -<br />

(BVerwGE 95, 167 ff. = ZIP 1994, 566 f. = NJW 1994, 1297 f. = VIZ 1994, 237 f. = ZOV<br />

1994, 323 f. = DÖV 1994, 739 = Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 16 = Buchholz 428 § 1<br />

VermG Nr. 16 = RGV E I 17 = KPS § 7 VermG 1/94). Darin wurde bereits ausgeführt, daß<br />

mit der staatlichen Verwaltung in der DDR nicht die Eigentümerstellung entzogen wurde. Die<br />

Wiedergutmachung erfolge daher nicht durch Rückübertragung, sondern durch Aufhebung<br />

der staatlichen Verwaltung.<br />

Mitgeteilt von Katharina Hedtstück<br />

- 11 -


Zielgerichtete Manipulationen bei Veräußerungen<br />

von Gr<strong>und</strong>stücken durch den staatlichen<br />

Verwalter; Voraussetzungen zur Veräußerung<br />

eines Gr<strong>und</strong>stücks aus wirtschaftlichen<br />

Gründen; unzureichende Sachaufklärung<br />

durch das VG als Revisionsgr<strong>und</strong><br />

Leitsätze der Bearbeiterin (nicht amtlich):<br />

- 11 -<br />

§ 4 Abs. 3 Buchst. a VermG;<br />

§ 1 Abs. 2 der VO über die<br />

Rechte <strong>und</strong> Pflichten des Verwalters<br />

vom 11. Dezember 1968;<br />

§ 86 Abs. 1 VwGO<br />

1. Ob ein Erwerbsvorgang eines staatlich verwalteten Gr<strong>und</strong>stücks unredlich im Sinne von §<br />

4 Abs. 3 a VermG war oder nicht, beurteilt sich zunächst danach, inwieweit die Verkaufsvoraussetzungen<br />

nach den Rechtsvorschriften der DDR tatsächlich erfüllt waren. Erst<br />

wenn diese nicht gegeben waren, stellt sich die Frage, ob der Verkauf zielgerichtet manipuliert<br />

war <strong>und</strong> der Erwerber dies hätte erkennen müssen.<br />

2. Bei Veräußerungen nach § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Rechte <strong>und</strong> Pflichten des<br />

Verwalters vom 11. Dezember 1968 (GBl. II 1969, S. 1) hat das VG daher zu ermitteln, ob<br />

der Verkauf aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich war. Festzustellen ist hier<strong>für</strong>, in<br />

welcher Höhe Forderungen bestanden, <strong>und</strong> ob diese nicht anders als durch einen Verkauf<br />

befriedigt werden konnten.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Beschluß vom 3. März 1999, Az.: 7 B 5.99<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Das BVerwG hat durch Beschluß das Urteil des VG Dresden vom 17. Juni 1998 - 2 A<br />

1515/96 - aufgr<strong>und</strong> der Nichtzulassungsbeschwerde aufgehoben <strong>und</strong> den Rechtsstreit zur anderweitigen<br />

Verhandlung <strong>und</strong> Entscheidung an das VG zurückverwiesen.<br />

Das VG hatte einer Klage, gerichtet auf Rückübertragung eines Gr<strong>und</strong>stücks (einschließlich<br />

Einfamilienhaus), stattgegeben, weil das Anwesen im Jahre 1979 durch einen staatlichen<br />

Verwalter an die Beigeladenen veräußert <strong>und</strong> dadurch der Schädigungstatbestand des § 1 Abs.<br />

1 Buchst. c VermG verwirklicht worden sei. Die Beigeladenen seien bei dem Erwerb des<br />

Gr<strong>und</strong>stücks unredlich gewesen (§ 4 Abs. 3 Buchst. a VermG). Das VG begründete die Unredlichkeit<br />

damit, daß die Verkaufsabsicht des Verwalters einzig von dem sachfremden Gr<strong>und</strong><br />

getragen wurde, den Beigeladenen Eigentum daran zu verschaffen <strong>und</strong> die Erwerber den<br />

Hintergr<strong>und</strong> auch hätten erkennen können. Dies zeige sich daran, daß der Verwalter den Beigeladenen<br />

bereits 1973 das Gr<strong>und</strong>stück zum Verkauf angeboten habe, weil die Mieten die<br />

Instandsetzungen nicht getragen hätten. Da die Beigeladenen das Geld zu diesem Zeitpunkt<br />

noch nicht hätten aufbringen können, habe er mit dem Verkauf bis 1979 gewartet.<br />

Nach Auffassung des BVerwG habe das VG den Sachverhalt nur unzureichend geklärt (§ 86<br />

Abs. 1 VwGO). Das Urteil des VG beruhe daher auf einem Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2<br />

Nr. 3 VwGO).<br />

- 12 -


- 12 -<br />

Unabhängig von der Absicht des staatlichen Verwalters, das Gr<strong>und</strong>stück zu verkaufen, hätte<br />

das VG <strong>für</strong> einen unredlichen Erwerb im Sinne von § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG zunächst<br />

feststellen müssen, daß der Verkauf gegen die Rechtsvorschriften der DDR verstieß.<br />

Solche Feststellungen fehlten. Stattdessen habe das VG einzig aus der Absicht des staatlichen<br />

Verwalters geschlossen, daß die Voraussetzungen <strong>für</strong> einen Verkauf aus wirtschaftlichen<br />

Gründen im Sinne von § 1 Abs. 2 der Verwalterverordnung nicht vorgelegen hätten. Es habe<br />

aber nicht untersucht, welche Instandsetzungskosten <strong>und</strong> andere Forderungen entstanden sind,<br />

<strong>und</strong> ob deren Befriedigung nur durch einen Verkauf möglich gewesen waren. Die Tatsache,<br />

daß der Verwalter das Haus 1973 noch nicht verkaufte, zeige zwar, daß der Verkauf zu diesem<br />

Zeitpunkt noch abwendbar war. Diese Feststellung sei aber nicht geeignet, die wirtschaftliche<br />

Situation im Jahre 1979 zu beschreiben.<br />

Die vorrangige Absicht des Verwalters, die Beigeladenen zu begünstigen, sei zwar erheblich,<br />

um in dem Verkauf eine zielgerichtete Manipulation zu sehen. Darüber müsse das VG aber<br />

erst nach Ermittlung der wirtschaftlichen Situation des Anwesens befinden <strong>und</strong> dann klären,<br />

ob die Beigeladenen dies hätten erkennen können.<br />

Das Urteil des VG sei deshalb aufzuheben <strong>und</strong> zurückzuverweisen.<br />

Mitgeteilt von Katharina Hedtstück<br />

- 13 -


Unternehmensenteignungen; Enteignungsverbot;<br />

Rehabilitierung nach dem russischen Gesetz<br />

über die Rehabilitierung von Opfern politischer<br />

Verfolgung; Enteignung durch deutsche<br />

Stellen<br />

Leitsatz der Bearbeiterin (nicht amtlich):<br />

- 13 -<br />

§ 1 Abs. 8 Buchst. a,<br />

§ 1 Abs. 7 VermG<br />

Rehabilitierungsbescheinigungen nach dem russischen Gesetz über die Rehabilitierung von<br />

Opfern politischer Verfolgung erfüllen selbst dann nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 7<br />

VermG, wenn sie im Einzelfall auch die von deutschen Stellen verfügte Enteignung in ihren<br />

Rehabilitierungsausspruch einbeziehen.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Beschluß vom 5. März 1999, Az.: 7 B 230.98<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die Klägerinnen hatten in ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem<br />

Urteil des VG Leipzig vom 16. März 1998 (2 K 270/95) u. a. im Hinblick auf die im Verfahren<br />

vorgelegten russischen Rehabilitierungsbescheinigungen geltend gemacht, der Rechtssache<br />

komme gr<strong>und</strong>sätzliche Bedeutung zu.<br />

Aus den Gründen:<br />

Mit dem vorliegenden Beschluß wies das BVerwG die Beschwerde zurück:<br />

Die rechtliche Bedeutung russischer Rehabilitierungen sei durch das BVerwG, Urteile vom<br />

25. Februar 1999 - 7 C 8.98 <strong>und</strong> 7 C 9.98 - (besprochen in der BARoV-RÜ 05/1999) geklärt.<br />

Danach seien Vermögenswerte, die in der sowjetischen Besatzungszone durch Organe der<br />

Besatzungsmacht selbst enteignet oder sonst entzogen wurden, an die früheren Eigentümer<br />

zurückzugeben, wenn diese durch die zuständigen russischen Behörden nach dem russischen<br />

Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgung rehabilitiert worden seien.<br />

Dagegen erfüllten derartige Rehabilitierungsbescheinigungen selbst dann nicht den Tatbestand<br />

des § 1 Abs. 7 VermG, wenn sie im Einzelfall auch die von deutschen Stellen verfügte<br />

Enteignung in ihren Rehabilitierungsausspruch einbezögen. Im vorliegenden Fall handelte es<br />

sich um eine derartige Enteignung durch deutsche Stellen, so daß die von den Klägerinnen<br />

vorgelegten Bescheinigungen <strong>und</strong> Schreiben der russischen Generalstaatsanwaltschaft schon<br />

aus diesem Gr<strong>und</strong> keine rechtlichen Wirkungen mit Bezug auf den Tatbestand des § 1 Abs. 7<br />

VermG entfalten könnten, ganz unabhängig von der Frage, welche Bedeutung die Rehabilitierung<br />

des Geschäftsführers <strong>und</strong> Vorstandmitglieds einer Aktiengesellschaft mit Blick auf die<br />

Enteignung des Unternehmens haben könnte.<br />

- 14 -


Anmerkungen:<br />

- 14 -<br />

Dieser Beschluß ist im Zusammenhang mit den Urteilen des BVerwG vom 25. Februar 1999 -<br />

7 C 8.98 <strong>und</strong> 7 C 9.98 - bedeutsam. Das BVerwG bestätigt hier wiederum den in den o. g.<br />

Urteilen aufgestellten Gr<strong>und</strong>satz, daß Enteignungsentscheidungen deutscher Verwaltungsstellen<br />

unter der Oberhoheit der SMAD - also bspw. Maßnahmen der Bodenreform oder von<br />

der DWK durchgeführte Enteignungen aufgr<strong>und</strong> der SMAD-Befehle Nr. 124/64 bzw. landesrechtliche<br />

Enteignungsmaßnahmen - nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 7 VermG erfüllen<br />

können. Damit wird erkennbar, daß das BVerwG <strong>für</strong> die Anwendung des § 1 Abs. 7 VermG<br />

nur russische Rehabilitierungsentscheidungen, die die Aufhebung vermögenseinziehender<br />

Maßnahmen durch Strafurteil aussprechen, anerkennen will.<br />

Mitgeteilt von Gabriele Körner<br />

- 15 -


Wirksamkeit der Abtretung eines vermögensrechtlichen<br />

Anspruchs; Berechtigter im<br />

Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG;<br />

Rechtsnatur des Erlösauskehranspruchs;<br />

Einwand der Konfusion; Untergang eines<br />

vermögensrechtlichen Anspruchs nach §§ 30<br />

Abs. 1 Satz 2, 31 Abs. 5 Sätze 2 <strong>und</strong> 3<br />

VermG<br />

Leitsatz des Bearbeiters (nicht amtlich):<br />

- 15 -<br />

§ 6 Abs. 6 Satz 1,<br />

§ 6 Abs. 1 a <strong>und</strong> 5 a,<br />

§ 6 Abs. 5 a Satz 1 Buchst. a - c<br />

§ 6 Abs. 6 a Satz 4,<br />

§ 30 Abs. 1 Satz 2,<br />

§ 31 Abs. 5 Sätze 2 <strong>und</strong> 3 VermG;<br />

Art. 14 Abs. 1 des 2. VermRÄndG;<br />

§ 1 Abs. 4 THG;<br />

§ 54 VwVfG;<br />

§§ 133, 325, 362, 437, 440 BGB;<br />

§ 113 Abs. 5 Satz 1,<br />

§ 173 VwGO;<br />

§ 265 Abs. 2 ZPO<br />

Berechtigter im Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG ist die „Lazarusgesellschaft“.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

VG Magdeburg, Urteil vom 23. März 1999, Az.: 9 K 112.98<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die ehemalige B. AG verfügte über ein Stammkapital von 200.000,00 RM, nach 1945 umgestellt<br />

auf einen Nennwert von 200.000,00 Mark/DDR. Inhaberaktien im Werte von<br />

195.300,00 RM befanden sich im Eigentum der A. KG. Diese befand sich im Eigentum von<br />

Herrn A. als Komplementär <strong>und</strong> Frau A. als Kommanditistin. Beide verließen im Januar 1953<br />

„entgegen der seinerzeit geltenden Meldevorschriften“ die DDR. Das Vermögen der Eheleute<br />

A. unterlag daraufhin der Verordnung vom 17. Juli 1952 <strong>und</strong> wurde entschädigungslos enteignet.<br />

Die Anteile der Kommanditgesellschaft an der B. AG wurden der Deutschen Investitionsbank<br />

zur Verwaltung übertragen. Im März 1953 wurde die B. AG als Aktiengesellschaft<br />

aufgelöst <strong>und</strong> der Betrieb als VEB B. fortgeführt.<br />

Die ehemaligen Gesellschafter der A. KG, Herr A. <strong>und</strong> Frau A., sind verstorben. Mit notariellem<br />

Vertrag vom 12. Mai 1962 erklärten die Eheleute A.:<br />

„Der Herr A. war als einziger persönlich haftender Gesellschafter an der ... (A. KG) beteiligt.<br />

Die Frau A. war einzige Kommanditistin an dieser Gesellschaft. ... Die Firma ist etwa 1953 in<br />

einen sogenannten volkseigenen Betrieb umgewandelt. Die ... übertragen hiermit ihre sämtlichen<br />

Rechte aus diesen Beteiligungen oder an deren Stelle oder etwa getretenen oder tretenden<br />

Rechte an ... (Frau E., geb. A.) unentgeltlich, die diese Übertragung damit annimmt. Die<br />

vorbezeichnete Firma war Inhaber des gesamten Aktienkapitals der B. AG mit Ausnahme<br />

einer Minorität ... .“<br />

- 16 -


- 16 -<br />

Mit Schreiben vom 4. Oktober 1990 meldete Frau E. im eigenen Namen vermögensrechtliche<br />

Ansprüche auch hinsichtlich der früheren B. AG an.<br />

Der VEB B. wurde am 28. Mai 1990 in die B. GmbH umgewandelt. Zum Vermögen dieses<br />

Unternehmens gehörte unter anderem die ehemalige Betriebsstätte der B. AG.<br />

Mit notariellem Vertrag vom 8. August 1991 veräußerte die Treuhandanstalt (THA) an die<br />

Herren C. <strong>und</strong> D. als Gesellschafter der GbR C./D. die von ihr gehaltenen Geschäftsanteile<br />

der B. GmbH in Höhe von nominal 50.000,00 DM. In dem Vertrag wurde darauf hingewiesen,<br />

daß die B. GmbH auch Eigentümer des Werkteils II sei, bezüglich dessen Reprivatisierungsansprüche<br />

bestünden, <strong>und</strong> daß dieser Werkteil von den Käufern zu einer maximal festgelegten<br />

Summe vom Rückübertragungsberechtigten durch gesonderten Vertrag erworben<br />

werde.<br />

Mit notariellem Vertrag vom 28. Oktober 1991 verkaufte Frau E. die angemeldeten vermögensrechtlichen<br />

Ansprüche an der ehemaligen B. AG an die Herren C. <strong>und</strong> D. in GbR C./D.<br />

<strong>und</strong> trat in Erfüllung des Kaufvertrages diese Ansprüche an die Erwerber ab, die die Abtretung<br />

annahmen. Die Abtretung wurde mit Schreiben vom 5. Oktober 1992 bei dem Beklagten<br />

angezeigt.<br />

Mit notarieller Urk<strong>und</strong>e vom 25. Mai 1992 veräußerten die Herren C. <strong>und</strong> D. als Gesellschafter<br />

der GbR C./D. die von ihnen gehaltenen Geschäftsanteile an der B. GmbH sowie den von<br />

ihnen mit notariellem Vertrag vom 28. Oktober 1991 erworbenen Anspruch auf Rückübertragung<br />

des Unternehmens der B. AG an die D. AG, die die Geschäftsanteile ihrerseits zwischenzeitlich<br />

weiterveräußerte.<br />

Letztere, vertreten durch Herrn D., veräußerte den Anspruch auf Rückübertragung des Unternehmens<br />

mit notariellem Vertrag vom 22. Juni 1992 an den Kläger zu 1 <strong>und</strong> trat diesen in<br />

Erfüllung des Kaufvertrages an den Kläger zu 1 ab.<br />

Mit dem am 22. Februar 1994 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben zeigte der Kläger<br />

zu 1. die Abtretung des vermögensrechtlichen Anspruchs an.<br />

Der Kläger zu 1 trat mit notariellem Vertrag vom 21. April 1998 unter Hinweis auf ein<br />

„Schreiben“ des Beklagten vom 18. März 1997 seinen künftigen Anspruch auf anteilige Auskehrung<br />

einer von der B. AG i. L. zu erhaltenden Entschädigung sowie seinen künftigen<br />

Zahlungsanspruch aus § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG gegen die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

bzw. die B<strong>und</strong>esanstalt <strong>für</strong> vereinigungsbedingte Sonderaufgaben an den Kläger zu 2 ab. Mit<br />

am 7. Mai 1998 bei dem Beklagten eingegangenen Schriftsatz zeigte der Kläger zu 2 die vorgenannten<br />

Abtretungen an.<br />

Der Kläger zu 1 hatte zunächst nur Untätigkeitsklage erhoben, mit der er ursprünglich seine<br />

Wiedereinsetzung in Mitgliedschaftsrechte <strong>und</strong> die Zahlung eines Veräußerungserlöses begehrte.<br />

Mit Bescheid vom 3. August 1998 stellte das Landesamt zur Regelung <strong>offene</strong>r <strong>Vermögensfragen</strong><br />

fest, daß die B. AG i. L. im Zeitpunkt der Abtretung der vermögensrechtlichen Ansprüche<br />

durch Frau E. hinsichtlich des vormaligen Unternehmens der B. AG Berechtigte i. S.<br />

d. Vermögensgesetzes war (Ziffer 1) <strong>und</strong> die vermögensrechtlichen Ansprüche der B. AG i.<br />

L. mit der Abtretung durch notariellen Kaufvertrag vom 28. Oktober 1991 untergegangen sind<br />

(Ziffer 2). Die Ansprüche der (nun) Kläger zu 1 <strong>und</strong> 2 auf Erlösauskehr oder Entschädigung<br />

wurden abgelehnt (Ziffer 3).<br />

- 17 -


- 17 -<br />

Daraufhin setzte der Kläger zu 1 seine Untätigkeitsklage als Verpflichtungsklage fort; der<br />

Kläger zu 2 trat dieser bei.<br />

Aus den Gründen:<br />

Das VG Magdeburg hielt den Bescheid <strong>für</strong> rechtmäßig, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Den Klägern<br />

stünde nicht das Recht zur Seite, den <strong>für</strong> die Berechtigte geltend gemachten vermögensrechtlichen<br />

Anspruch an dem ehemaligen Unternehmen geltend zu machen. Auch den Klägern<br />

selbst stünde ein solcher Anspruch nicht zu. Der Beklagte habe diese Ansprüche im Ergebnis<br />

zu Recht zurückgewiesen.<br />

Der Erfolg der Klage scheitere nicht an der gemeinschaftlichen Geltendmachung der vermögensrechtlichen<br />

Ansprüche durch die Kläger, insbesondere sei auch die Klage des Klägers zu<br />

2. zulässig. Dem stünden §§ 173 VwGO i. V. m. 265 Abs. 2 ZPO nicht entgegen, wonach die<br />

Abtretung während der Anhängigkeit des gerichtlichen Verfahrens keinen Einfluß auf den<br />

Prozeß habe.<br />

Denn der Kläger zu 1 habe der Klageerhebung durch den Kläger zu 2 zugestimmt. Darüber<br />

hinaus mangele es dem Kläger zu 2 auch nicht an der notwendigen Aktivlegitimation <strong>für</strong> das<br />

von ihm geltend gemachte Begehren. Diese folge aus der Wirksamkeit der teilweisen Abtretung<br />

des vermögensrechtlichen Anspruchs in bezug auf die begehrte Erlösauskehr <strong>und</strong> seinen<br />

Anspruchs in bezug auf die begehrte Abtretung des vermögensrechtlichen Anspruchs gegen<br />

die Liquidationsgesellschaft mit Vertrag vom 21. April 1998.<br />

Die wertmäßige Abtretung des vermögensrechtlichen Anspruches durch den Kläger zu 1 (Zedent)<br />

an den Kläger zu 2 (Zessionar) beruhe auf §§ 3 Abs. 1 Satz 2 VermG, 398 ff. BGB. Die<br />

Abtretung sei ein vom Verpflichtungsgeschäft abstraktes Verfügungsgeschäft zwischen dem<br />

Zedenten <strong>und</strong> dem Zessionar. Dessen Wirksamkeit vorausgesetzt, scheide der Zedent aus dem<br />

Schuldverhältnis, das nunmehr zwischen dem Zessionar als neuen Gläubiger <strong>und</strong> dem bisherigen<br />

Schuldner, hier dem Beklagten, bestünde, aus.<br />

Dadurch könne der ursprüngliche Inhaber eines vermögensrechtlichen Anspruches der langen<br />

Verfahrensdauer bei den Ämtern <strong>und</strong> Landesämtern zur Regelung <strong>offene</strong>r <strong>Vermögensfragen</strong><br />

wie auch bei den Gerichten entgegenwirken <strong>und</strong> auf diese Weise den Zeitpunkt des Wertzuflusses<br />

in sein Vermögen vorverlegen (Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus,<br />

VermG, § 3, Rdnr. 29). Zwar dürfte die wertmäßig beschränkte Abtretung eines auf die Restitution<br />

eines Unternehmens gerichteten vermögensrechtlichen Anspruchs mangels Teilbarkeit<br />

unzulässig sein. Hier habe der Kläger zu 1 an den Kläger zu 2 jedoch keinen Teil eines Unternehmensrestitutionsanspruchs<br />

abgetreten.<br />

Vielmehr beträfe die Abtretung den Anspruch auf Erlösauskehr gegen die Beigeladene in einer<br />

wertmäßig beschränkten Höhe, was zur Folge habe, daß der Kläger zu 1 lediglich in dem<br />

Umfang der Abtretung aus dem bestehenden Verwaltungsrechtsverhältnis ausgeschieden sei.<br />

Die wertmäßig beschränkte Abtretung des Erlösauskehranspruchs sei wirksam. Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> die Wirksamkeit einer Teilabtretung sei die Teilbarkeit der der Abtretung zugr<strong>und</strong>eliegenden<br />

Forderung.<br />

Denn bei dem von den Klägern geltend gemachten Anspruch handele es sich um eine (stets<br />

teilbare) Geldforderung gegenüber der Beigeladenen, deren Bestehen durch den Beklagten<br />

festgestellt werden solle, auch wenn diese lediglich das Surrogat <strong>für</strong> den an sich nicht teilbaren<br />

Anspruch auf Rückübertragung eines Unternehmens sei.<br />

- 18 -


- 18 -<br />

Der Wirksamkeit einer solchen Abtretung stünde auch nicht entgegen, wenn sie zum Abtretungszeitpunkt<br />

noch gar nicht bestanden hätte, da auch die Abtretung erst zukünftig entstehender<br />

Forderungen rechtlich möglich sei, sofern ihr Entstehen nicht ausgeschlossen sei.<br />

Von der Wirksamkeit einer Abtretung sei auch dann auszugehen, wenn sich nachträglich herausstellte,<br />

daß der abgetretene vermögensrechtliche Anspruch gar nicht besteht. Dies ziehe<br />

lediglich zivilrechtliche Rechtsfolgen in der Weise nach sich, daß der Zedent über das Kausalgeschäft<br />

<strong>für</strong> deren Bestand (§§ 440, 437, 325 BGB) hafte. Den Klägern hätte somit die<br />

Befugnis zugestanden - gemeinsam - feststellen zu lassen, ob vermögensrechtliche Ansprüche<br />

dem Gr<strong>und</strong>e nach bestehen.<br />

Darüber hinaus sei die Abtretung des vermögensrechtlichen Anspruchs durch die Herren C.<br />

<strong>und</strong> D. an D. AG vom 25. Mai 1992 zwar nicht gemäß Art. 14 Abs. 1 des 2. VermRÄndG<br />

innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Vermögensgesetzes in der Fassung des 2.<br />

VermRÄndG, mithin bis zum 22. Oktober 1992, beim Beklagten angezeigt worden. Dies<br />

stünde jedoch ihrer Wirksamkeit nicht entgegen, da sie keine Elemente enthielte, die eine Anzeigepflicht<br />

hätte auslösen können (Fieberg u. a., a. a. O., Rdnr. 57 ff.).<br />

Die Klage habe jedoch aus anderen Gründen keinen Erfolg. Zwar habe auch das Gericht wegen<br />

der bestandskräftigen Feststellung der Berechtigung der B. AG i. L. in Ziffer 1 des Bescheides<br />

auszugehen. Allein aus der Feststellung der Berechtigung könnten die Kläger jedoch<br />

ihr Recht auf Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche zugunsten der Berechtigten<br />

nicht herleiten.<br />

Dieses Recht stünde allein einem Anmeldeberechtigten nach § 6 Abs. 6 Satz 1 VermG zu.<br />

Danach könne der Antrag auf Rückgabe eines Unternehmens nur von jedem Gesellschafter<br />

bzw. dessen Rechtsnachfolger gestellt werden; andere Alternativen seien hier nicht gegeben.<br />

Verfolge der Anmelder seine vermögensrechtlichen Ansprüche nach Ablehnung seines Antrages<br />

im gerichtlichen Verfahren weiter, obliege es dem Gericht, zu beurteilen, ob in der Person<br />

eines Klägers die Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 Satz 1 VermG vorliegen, da nur diesem<br />

Personenkreis aufgr<strong>und</strong> der ihm durch das Vermögensgesetz verliehenen Antragsbefugnis das<br />

Recht zukomme, den gestellten vermögensrechtlichen Antrag im Falle seiner Ablehnung im<br />

eigenen Namen mit der Klage weiterzuverfolgen (BVerwG, Urteil vom 17. April 1997 - 7 C<br />

15.96 - VIZ 1997, 477 f. = ZOV 1997, 348 f. = OV-spezial 1997, 282 f. = RGV D V 92).<br />

Einer eigenen Beurteilung der Anmeldeberechtigung durch das Gericht stünde auch insoweit<br />

nicht Ziffer 1 des Bescheides entgegen, da sich die darin enthaltene Bindungswirkung in der<br />

Feststellung der Berechtigung erschöpfe.<br />

Es könne dahinstehen, ob den Klägern das zur Durchsetzung ihres Hauptantrages erforderliche,<br />

sich aus § 6 Abs. 6 Satz 1 VermG ergebende Recht, <strong>für</strong> die Berechtigte das Bestehen des<br />

vorgenannten Anspruchs feststellen zu lassen, bereits deshalb versagt werden müsse, weil sie<br />

selbst nicht Aktionäre der B. AG gewesen seien <strong>und</strong> sie ihre Rechtsnachfolge auch nicht auf<br />

eine Übertragung dieses Rechts durch die ehemaligen Aktionärin begründen könnten.<br />

Der Rechtsnachfolge stünde insoweit zwar nicht entgegen, daß sie <strong>für</strong> denjenigen nicht in<br />

Betracht komme, der sich auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Aktienpapieren nach der<br />

Löschung der AG berufe (VG Magdeburg, Urteil vom 17. September 1998 - A 9 K 85/97 -).<br />

Rechtsnachfolger i. S. v. § 6 Abs. 1 a, Abs. 6 Satz 1 VermG sei jedoch derjenige, der den<br />

vermögensrechtlichen Anspruch durch Abtretung erworben habe (Fieberg u. a., a. a. O., § 6<br />

Rdnr. 562). Der Rechtsstellung der Kläger als Rechtsnachfolger stünde entgegenstehen, daß<br />

letztendlich die Kläger dieses Recht nicht von der ehemaligen Aktionärin, der A. KG, erworben<br />

hätten. Frau E. habe die Erklärungen im Vertrag vom 28. Oktober 1991 nicht im Namen<br />

- 19 -


- 19 -<br />

der ehem. Gesellschaft als Aktionärin, sondern in ihrem eigenen Namen abgegeben. Die Klage<br />

sei deswegen bereits mit ihrem Hauptantrag abzuweisen.<br />

Aber auch bei Unterstellung der Annahme, daß Frau E. durch die Übertragung der Rechte im<br />

Jahre 1962 die ehem. KG nunmehr als Einzelkaufmann fortführte (§ 142 HGB) <strong>und</strong> es zur<br />

Übertragung aller ihr zustehenden Rechte im vermögensrechtlichen Verfahren ausreichend<br />

gewesen wäre, Erklärungen im eigenen Namen abzugeben, verhelfe dies der Klage nicht zum<br />

Erfolg.<br />

Denn der der Berechtigten zustehende vermögensrechtliche Anspruch aus der entschädigungslosen<br />

Enteignung ihres Unternehmens könne jedenfalls zum streitentscheidenden Zeitpunkt<br />

der mündlichen Verhandlung durch die Kläger nicht mehr durchgesetzt werden.<br />

Gemäß § 6 Abs. 5 VermG erfolge die Rückgabe eines enteigneten Unternehmens an den Restitutionsberechtigten<br />

durch Übertragung der Rechte, die dem Eigentümer nach der jeweiligen<br />

Rechtsform zustünden.<br />

Zur Erfüllung dieses Anspruches auf Rückgabe könne die Behörde unter anderem die Maßnahmen<br />

nach § 6 Abs. 5 a Satz 1 Buchst. a - c VermG anordnen. Die Restitution von Unternehmen<br />

erfolge dadurch, daß der Verfügungsberechtigte an die Berechtigte (Ausnahme § 5<br />

Abs. 1 Buchst. c VermG) entweder Vermögenswerte (Sachwerte) oder aber (Gesellschafts-)<br />

Anteile übertrage, wodurch der vermögensrechtliche Anspruch erfüllt werde.<br />

Nach diesen rechtlichen Gegebenheiten hätte, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen<br />

des § 6 Abs. 1 Satz 1 VermG, die B. AG i. L. u. a. einen Anspruch auf Übertragung von Geschäftsanteilen<br />

an der B. GmbH gehabt.<br />

Bis zum Zeitpunkt der Veräußerung habe die THA die Inhaberschaft über die Geschäftsanteile<br />

gehabt, § 1 Abs. 4 THG.<br />

Mit der Veräußerung der (gesamten) Geschäftsanteile der B. GmbH durch notariellen Vertrag<br />

vom 8. August 1991 im Wege eines share deal (Anteilsverkaufes) an die Herren C. <strong>und</strong> D. sei<br />

der vermögensrechtliche Anspruch der AG i. L. auf Rückübertragung des Unternehmens jedoch<br />

untergegangen (BVerwG, Urteil vom 28. August 1995 - 7 B 214.95 - VIZ 1995, 714 =<br />

ZOV 1995, 474 = RGV D V 62).<br />

An seine Stelle sei mit Einfügung des § 6 Abs. 6 a Satz 4 in das Vermögensgesetz (Privatisierungs-<br />

<strong>und</strong> Hemmnisbeseitigungsgesetz vom 22. März 1991) der Anspruch der B. AG i. L.<br />

auf Erlösauskehr gegenüber der THA getreten.<br />

Vor diesem rechtlichen Hintergr<strong>und</strong> könne von einer Abtretung eines Erlösauskehranspruchs<br />

der Frau E. an die Herrn C. <strong>und</strong> D. (GbR) nicht ausgegangen werden, da keine Identität zwischen<br />

der ggf. Anmeldeberechtigten Frau E. <strong>und</strong> der Restitutionsberechtigten AG i. L. bestünde.<br />

Der Gegenstand dieser Abtretung habe sich auf die der Zedentin aus ihrer Stellung als<br />

ggf. Anmeldeberechtigte zustehenden Rechte beschränkt.<br />

Die fehlende Durchsetzbarkeit des der Berechtigten zustehenden vermögensrechtliche Anspruchs<br />

aus der entschädigungslosen Enteignung ihres Unternehmens beruhe allerdings nicht<br />

- so wie von der Beigeladenen noch im Verwaltungsverfahren angesprochen - auf einem Untergang<br />

im Wege der Konfusion entsprechend §§ 362 ff. BGB (Vereinigung von Gläubiger<br />

<strong>und</strong> Schuldner in einer Person).<br />

Denn ein Schuldverhältnis erlösche durch Konfusion nur dann, wenn Forderung <strong>und</strong> Schuld<br />

sich in einer Person vereinigten (Heinrichs, in: Palandt, a. a. O., Überblick vor §§ 362 ff.).<br />

Dies sei hier zum Zeitpunkt der Abtretung jedoch nicht der Fall gewesen.<br />

Mit der Veräußerung der Geschäftsanteile habe sich der ursprünglich auf Naturalrestitution<br />

gerichtete Anspruch der Berechtigten gegenüber dem Verfügungsberechtigten nach § 6 Abs.<br />

5, Abs. 5 a VermG in eine Forderung auf Auskehr des Erlöses (§ 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG)<br />

gewandelt.<br />

- 20 -


- 20 -<br />

Diesen Anspruch hätten jedoch nicht die zum Zeitpunkt der Veräußerung Verfügungsberechtigten<br />

C./D., sondern die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, die THA, gegenüber der Berechtigten<br />

- der AG i. L. - zu erfüllen.<br />

Das zum Zeitpunkt der Abtretung aufgr<strong>und</strong> des Vertrages mit Frau E. bei C./D. allenfalls belegene<br />

Recht eines Anmeldeberechtigten zur Durchsetzung des der Berechtigten zustehenden<br />

vermögensrechtlichen Anspruchs sei im Zuge des von ihnen mit der Treuhandanstalt geschlossenen<br />

Privatisierungsvertrages über die B. GmbH erloschen <strong>und</strong> könne deshalb nunmehr<br />

nicht mehr durch die Kläger ausgeübt werden.<br />

Dem Wortlaut des Privatisierungsvertrages vom 8. August 1991 zwischen der THA <strong>und</strong> den<br />

Herren C. <strong>und</strong> D. lasse sich zwar dieser Wille der Vertragsschließenden nicht entnehmen.<br />

Nicht darauf, sondern auf den wahren Willen der Beteiligten komme es nach §§ 54 ff.<br />

VwVfG, 133 BGB auch bei der Auslegung einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung in einem<br />

gemischt zivilrechtlich/öffentlich-rechtlichen Vertrag an.<br />

Dieser sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vom Gericht zu erforschen.<br />

Bei der Vereinbarung der Höhe des Kaufpreises <strong>für</strong> die Geschäftsanteile sei das Bestehen des<br />

restitutionsbelasteten Betriebsteiles II berücksichtigt worden.<br />

Denn es sei zwischen dem nominalen Wert der Geschäftsanteile in Höhe von 50.000,00 DM,<br />

die das gesamte Unternehmen, mithin auch den Betriebsteil II, erfasse <strong>und</strong> dem da<strong>für</strong> vereinbarten<br />

Kaufpreis zu unterscheiden.<br />

Die Festsetzung einer Maximalsumme <strong>für</strong> den Erwerb von Rückübertragungsansprüchen habe<br />

diesbezüglich die bestehende Übereinstimmung der Beteiligten ausgedrückt, daß mit dem<br />

Erwerb des „vermögensrechtlichen Anspruchs“ dem tatsächlichen Wert der Geschäftsanteile<br />

Rechnung getragen werde.<br />

Die Auslegung des Vertragsinhaltes dergestalt, daß mit der Zahlung des Kaufpreises <strong>für</strong> die<br />

Geschäftsanteile <strong>und</strong> dem Erwerb des „vermögensrechtlichen Anspruchs“ der Herren C. <strong>und</strong><br />

D. von Frau E. über die in dem Vertrag selbst vereinbarten Gewährleistungsansprüche <strong>und</strong><br />

dem Neubewertungsvorbehalt keinerlei Ansprüche mehr bestehen sollten, entspreche zwingend<br />

auch den ausschließlich von wirtschaftlichen <strong>und</strong> kaufmännischen Aspekten geprägten<br />

Unternehmensprivatisierungen der Beigeladenen. Dies würde verkannt, wenn auch nach erfolgter<br />

Privatisierung den C./D. noch ein durchsetzbarer Erlösauskehranspruch zur Seite stehen<br />

würde.<br />

Für die Vertragsauslegung spreche auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem<br />

Abschluß des Privatisierungsantrages, der Abtretung des „vermögensrechtlichen Anspruchs“<br />

<strong>und</strong> der Erfüllung des Privatisierungsvertrages (Januar 1992).<br />

Eine Verbindung zwischen den einzelnen Verträgen <strong>und</strong> ihrer inhaltlichen Gestaltung mit<br />

dem Ziel der Freistellung des Unternehmens <strong>und</strong> der BvS von Ansprüchen nach dem Vermögensgesetz<br />

sei unverkennbar.<br />

Die am Privatisierungsvertrag Beteiligten seien von einer zukünftig nicht mehr bestehenden<br />

Realisierbarkeit des der Liquidationsgesellschaft zustehenden vermögensrechtlichen Anspruchs<br />

bei Vertragsabschluß ausgegangen. Hier<strong>für</strong> spreche auch, daß diese Forderung zu<br />

keiner Zeit weder direkt gegenüber der THA/BvS noch über den Beklagten geltend gemacht<br />

worden sei.<br />

Dem Umstand, daß der vermögensrechtliche Anspruch durch C./D. mit den Geschäftsanteilen<br />

abgetreten worden sei <strong>und</strong> der Kläger zu 1 als Mitarbeiter der Rechtsabteilung der THA seinerzeit<br />

den Privatisierungsvertrag erarbeitet habe, sei keine die gef<strong>und</strong>ene Auslegung des<br />

- 21 -


- 21 -<br />

Vertrages anderweitig beeinflussende Bedeutung zuzumessen, obwohl der Kläger zu 1 aus<br />

eigener Anschauung den Willen der Vertragsschließenden haben kennen können.<br />

Denn sowohl zeitlich nach dem Abschluss eines Vertrages als auch in der Person Anderer<br />

eintretende Umstände könnten den bei Vertragsabschluss bestehenden Willen anderer Beteiligter<br />

nur in eng begrenzten Ausnahmefällen widerspiegeln.<br />

Der Kläger zu 1 habe zudem im Verfahren eine anderweitige Vertragsauslegung aus den ggf.<br />

auch ihm als ehemaligen Mitarbeiter der THA bekannten Umständen der Privatisierung zu<br />

keiner Zeit geltend gemacht.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e könne dahinstehen, ob die Vertragsgestaltung zwischen der THA als der<br />

Erlösauskehrverpflichteten <strong>und</strong> den Anmeldeberechtigten C./D. wegen §§ 30 Abs. 1 Satz 2,<br />

31 Abs. 5 Sätze 2 <strong>und</strong> 3 VermG auch den Untergang des vermögensrechtlichen Anspruchs<br />

selbst bewirkt habe.<br />

Nach diesen Vorschriften könne der vermögensrechtliche Anspruch auch durch eine einvernehmliche<br />

Regelung zwischen dem Verfügungsberechtigten <strong>und</strong> dem Berechtigten befriedigt<br />

werden. Mit der Verwendung des Begriffs des „Berechtigten“ in den vorgenannten Vorschriften<br />

sei nicht zwingend der Restitutionsberechtigte gemeint.<br />

Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, daß das Vermögensgesetz den Begriff des Berechtigten<br />

uneinheitlich verwende. Darüber hinaus greife die Regelung gerade auf den Fall<br />

zurück, in dem eine Berechtigung durch die da<strong>für</strong> zuständige Behörde (noch) nicht festgestellt<br />

wurde, zumal in dieser Zeit der bei der Unternehmensrestitution Berechtigte faktisch „durch<br />

die Anmeldeberechtigten“ handele.<br />

Anmerkungen:<br />

Das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht hat in dem vom VG Magdeburg zitierten Urteil vom 17. April<br />

1997 - 7 C 15.96 - (VIZ 1997, 477 f. = ZOV 1997, 348 f. = OV-spezial 1997, 282 f. = RGV D<br />

V 92) festgestellt, daß es <strong>für</strong> die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche, die auf<br />

ein Unternehmen gerichtet sind, maßgeblich auf die Unterscheidung zwischen der Anmeldeberechtigung<br />

einerseits <strong>und</strong> der Berechtigung anderseits ankommt.<br />

Danach bestimmt sich die Berechtigung bei der Restitution von Unternehmen nicht nach der<br />

allgemeinen Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG, sondern nach der besonderen Vorschrift<br />

des § 6 Abs. 1 a VermG.<br />

Berechtigter bei der Rückgabe eines Unternehmens ist derjenige, dessen Vermögenswerte von<br />

Maßnahmen nach § 1 VermG betroffen sind, also der Rechtsträger des entzogenen Unternehmens<br />

(§ 6 Abs. 1 a Satz 1 VermG). Dieser Rechtsträger besteht als in Auflösung befindlich<br />

fort, wenn die im Zeitpunkt der Schädigung vorhandenen Gesellschafter oder Mitglieder oder<br />

Rechtsnachfolger dieser Personen, die mehr als 50 % der Anteile oder Mitgliedschaftsrechte<br />

auf sich vereinen <strong>und</strong> namentlich bekannt sind, einen Anspruch auf Rückgabe des Unternehmens<br />

oder von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten des Rückgabeberechtigten angemeldet<br />

haben (§ 6 Abs. 1 a Satz 2 VermG). Das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht stellt klar: Rückgabeberechtigter<br />

ist in derartigen Fällen allein der wiederbelebte Rechtsträger des entzogenen Unternehmens.<br />

Für die Rechtsstellung der anmeldeberechtigten Gesellschafter, Mitglieder oder Rechtsnachfolger<br />

dieser Personen ergibt sich aus den genannten Regelungen die Befugnis, zugunsten des<br />

geschädigten Unternehmensträger die Rückgabe des Unternehmens zu beantragen. Ihnen wird<br />

hierdurch aber keine materiell-rechtliche, sondern nur eine verfahrensrechtliche Position vermittelt.<br />

Das Vermögensgesetz verleiht ihnen vielmehr die Rechtsstellung von Verfahrens- <strong>und</strong><br />

Prozeßführungsbefugten, um zu gewährleisten, daß der Anspruch auch bei mangelnder<br />

Handlungsfähigkeit der Liquidationsgesellschaft weiterverfolgt werden kann. Sie können mit-<br />

- 22 -


- 22 -<br />

hin trotz fehlender Sachbefugnis die Rechte des geschädigten Unternehmensträgers im Verwaltungs-<br />

<strong>und</strong> Gerichtsverfahren in eigenem Namen geltend machen, d. h. Rückübertragung<br />

auf die durch ihre Anmeldung entstandene Liquidationsgesellschaft verlangen. Diese über die<br />

bloße Vertretung hinausgehende Rechtsstellung folgt aus der besonderen rechtlichen <strong>und</strong><br />

wirtschaftlichen Beziehung, die die Gesellschafter oder Mitglieder bzw. deren Rechtsnachfolger<br />

zu dem geschädigten Unternehmensträger besitzen. Dementsprechend schließt die von § 6<br />

Abs. 6 Satz 1 VermG diesen Personen verliehene Antragsbefugnis das Recht ein, den gestellten<br />

Antrag im Falle seiner Ablehnung im eigenen Namen mit der Klage weiterzuverfolgen.<br />

Aus diesen Gründen hat das VG Magdeburg zutreffend die Aktivlegitimation der Kläger als<br />

Rechtsnachfolger der Frau E. festgestellt.<br />

Ob sich der Ausschluß der materiellen Berechtigung der Kläger hinsichtlich des Erlösauskehranspruchs<br />

mit der Begründung des VG Magdeburg rechtfertigen läßt, beantwortet sich<br />

anhand des Begriffs des „Berechtigten“ i. S. d. § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG.<br />

Das VG Magdeburg vertritt hierzu die Ansicht, daß sich zwar der ursprünglich auf Naturalrestitution<br />

gerichtete Anspruch in eine Forderung auf Auskehr des Erlöses wandele, die materielle<br />

Berechtigung sich hierdurch jedoch nicht verändere.<br />

Die Frage der Berechtigung bei der Erlösherausgabe <strong>und</strong> Entschädigung <strong>für</strong> Unternehmensverluste<br />

(so der entsprechende Titel eines Aufsatzes von Rufert/Neupert, in: VIZ 1995, 266<br />

ff.) ist umstritten.<br />

So wird im Hinblick auf den in § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG verwendeten Plural („die Berechtigten“)<br />

behauptet, daß nicht der Restitutionsberechtigte im Sinne des § 6 Abs. 1 a VermG, d.<br />

h. die „Lazarusgesellschaft“, sondern die Gesellschafter des geschädigten Unternehmens oder<br />

deren Rechtsnachfolger insoweit anspruchsberechtigt sind (vgl. die Nachweise bei Hofert/Neupert,<br />

a. a. O.).<br />

Zu dieser Auseinandersetzung hat das VG Magdeburg keine Stellung genommen.<br />

Dabei liegt auf der Hand, daß mit dem Verfügungsberechtigten im Sinne der Vorschrift des<br />

§ 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG nicht der Erwerber gemeint ist. Der Einwand der Konfusion entsprechend<br />

§§ 362 ff. BGB ist aber in Betracht zu ziehen, wenn als Restitutionsberechtigte im<br />

Sinne des § 6 Abs. 6 a Satz 4 VermG die Gesellschafter des geschädigten Unternehmens anzusehen<br />

wären. Die C./D. wären einerseits zur Zahlung des Kaufpreises aus der Veräußerung<br />

der Geschäftsanteile der B. GmbH verpflichtet, könnten aber andererseits als Rechtsnachfolger<br />

der Gesellschafter den Erlös herausverlangen.<br />

Im Ergebnis würde aber auch in diesem Fall ein Erlösauskehranspruch ausscheiden.<br />

Mitgeteilt von Mark Weber<br />

- 23 -


Redlicher Erwerb; wirksamer Erwerb; Genehmigung<br />

nach der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsordnung;<br />

Hinweise <strong>und</strong> Erläuterungen zum<br />

Nutzungsrechtsgesetz; Richtlinie zur Durchführung<br />

des Gesetzes über den Verkauf<br />

volkseigener Eigenheime; Verleihung des<br />

Nutzungsrechts, Fiktion der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung;<br />

Wiederaufgreifen des<br />

Genehmigungsverfahrens; Folgen des Wiederaufgreifens<br />

<strong>für</strong> die Eigentümererstellung;<br />

Anbahnung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a<br />

VermG; Zweifamilienhaus; Komplettierungskauf<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

- 23 -<br />

§ 1 Abs. 1 Buchst. b <strong>und</strong> Abs. 2,<br />

§ 4 Abs. 2 Satz 1 <strong>und</strong> 2 Buchst. a<br />

VermG;<br />

§ 7 Abs. 3 AnmVO;<br />

§ 2 Abs. 1 Buchst. a GVVO;<br />

§ 7 Abs. 3 Satz 1 GVO<br />

Ein als Gebäudeeigentümer im Gr<strong>und</strong>buch eingetragener Erwerber hatte eine in der Rechtswirklichkeit<br />

der DDR unangreifbare <strong>und</strong> daher <strong>für</strong> den redlichen Erwerb ausreichende Position,<br />

wenn ihm <strong>für</strong> den im Februar 1990 beurk<strong>und</strong>eten Hauskauf zwar keine Genehmigung<br />

nach der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsverordnung erteilt, jedoch ein Nutzungsrecht an dem volkseigenen<br />

Gr<strong>und</strong>stück verliehen worden war.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, Az.: 7 C 11.98<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Der Kläger wendet sich in dem vorliegenden Verfahren gegen den redlichen Erwerb der Beigeladenen,<br />

da der Erwerb des Gebäudes ohne eine Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung erfolgt<br />

sei.<br />

Die Beigeladenen - Mieter des Hauses - hatten im Mai 1989 den Erwerb des Gebäudes beantragt.<br />

Die Mitmieter des als Zweifamilienhaus genutzten Anwesens hatten keine Einwände<br />

gegen den Verkauf erhoben.<br />

Der notarielle Kaufvertrag wurde am 18. Februar abgeschlossen. Der Magistrat von Berlin<br />

verlieh gleichzeitig das beantragte Nutzungsrecht mit Wirkung vom 1. März 1990. Die<br />

Gr<strong>und</strong>bucheintragung der Beigeladenen erfolgte am 7. Mai 1990. Im Juni 1990 erwarben diese<br />

noch das Gr<strong>und</strong>stück hinzu. Im August 1990 wurden sie als Eigentümer des Gr<strong>und</strong>stücks<br />

in das Gr<strong>und</strong>buch eingetragen.<br />

Im August 1990 beantragte der Kläger die Rückübertragung des Gr<strong>und</strong>stücks <strong>und</strong> das Wiederaufgreifen<br />

des Genehmigungsverfahrens nach der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsordnung - GVVO -<br />

aufgr<strong>und</strong> § 7 der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche - Anm-<br />

VO -. Auf Ersuchen des Amtes wurde ein Widerspruch gegen die Richtigkeit der Eintragung<br />

der Beigeladenen als Eigentümer des Gr<strong>und</strong>stücks eingetragen.<br />

- 24 -


- 24 -<br />

Das ARoV lehnte den Antrag des Klägers auf Rückübertragung ab, da eine Rückgabe nach §<br />

4 Abs. 2 VermG wegen des redlichen Erwerbes der Beigeladenen ausgeschlossen sei.<br />

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger Klage auf Rückübertragung des<br />

Gr<strong>und</strong>stücks, hilfsweise auf Übertragung des Rückübereignungsanspruches des Beklagten<br />

gegen die Beigeladenen.<br />

Der Kläger meinte, daß die Beigeladenen kein Eigentum erlangt hätten, weil sein Antrag auf<br />

Wiederaufgreifen des Genehmigungsverfahrens aufschiebende Wirkung gehabt habe <strong>und</strong> ein<br />

Widerspruch im Gr<strong>und</strong>buch verzeichnet sei. Das Gr<strong>und</strong>stück müsse ihm nach § 7 Abs. 3 der<br />

Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsordnung zurückgegeben oder der Anspruch des Beklagten gegen die<br />

Beigeladenen auf Rückübereignung des Gr<strong>und</strong>stückes übertragen werden.<br />

Hilfsweise berufe er sich darauf, daß er das Eigentum nach dem Aufbaugesetz nicht verloren<br />

habe, da dessen Voraussetzungen offenk<strong>und</strong>ig nicht vorgelegen hätten.<br />

Schließlich sei die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VermG verfassungswidrig, da<br />

sie enteignende Wirkung habe.<br />

Darüber hinaus seien die Beigeladenen auch unredlich gewesen. Es habe sich um ein Zweifamilienhaus<br />

gehandelt, das nicht unter die Bestimmungen zum Verkauf von Eigenheimen<br />

falle. Die Beigeladenen hätten es auch nicht zum Eigenbedarf, sondern allein aus einem Vermieterinteresse<br />

heraus erworben, was die gewerbliche Nutzung seit Mitte 1990 belege. Die<br />

Beigeladenen seien zudem im Ministerium des Innern beschäftigt gewesen.<br />

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, es liege ein redlicher Erwerb<br />

vor. Der Antrag des Klägers auf Wiederaufgreifen des Genehmigungsverfahrens sei nicht<br />

erwerbshindernd. Derart weitreichende Rechtsfolgen seien mit der in § 7 Abs. 3 Anmeldeverordnung<br />

angeordneten aufschiebenden Wirkung nicht verb<strong>und</strong>en.<br />

Mit seiner Revision begehrte der Kläger vorrangig die Übertragung des Rückübereignungsanspruchs<br />

des Beklagten gegen die Beigeladenen auf sich, hilfsweise die Rückübertragung des<br />

Gr<strong>und</strong>stücks. Dazu machte er geltend: Da weder <strong>für</strong> den Gebäude- noch <strong>für</strong> den Gr<strong>und</strong>stücksverkauf<br />

die erforderlichen Genehmigungen erteilt worden seien, müsse eine Rückabwicklung<br />

der Verträge nach schuldrechtlichen Gr<strong>und</strong>sätzen erfolgen, so wie es § 7 Abs. 3 GVO vorsehe.<br />

Soweit der Beklagte sich nunmehr darauf berufe, daß nach den Hinweisen <strong>und</strong> Erläuterungen<br />

des Finanzministeriums der DDR zum Nutzungsrechtsgesetz mit der Verleihung des Nutzungsrechts<br />

die Genehmigung zum Hauskauf als erteilt anzusehen sei, fehle es an entsprechenden<br />

Feststellungen der Vorinstanz. Abgesehen hiervon seien Zweifel an der geltend gemachten<br />

Verwaltungspraxis angebracht; diese würden sich daraus ergeben, daß die Beigeladenen<br />

mit Schreiben des Magistrats von Berlin vom 16. Januar 1990 darauf hingewiesen worden<br />

seien, daß ein Nutzungsrecht erst nach der Genehmigung des Kaufvertrags verliehen werde<br />

<strong>und</strong> zudem in beiden Kaufverträgen unter Nr. 6 darauf aufmerksam gemacht werde, daß<br />

die Wirksamkeit der Verträge von der staatlichen Genehmigung abhänge.<br />

Selbst wenn aber eine Genehmigung erteilt worden sei, sei diese durch das Wiederaufgreifen<br />

des Genehmigungsverfahrens rückwirkend außer Kraft gesetzt worden.<br />

Aus den Gründen:<br />

Das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht hat die Revision im wesentlichen mit folgender Begründung<br />

abgelehnt:<br />

- 25 -


- 25 -<br />

1. Es liege ein redlicher Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG vor, der nicht voraussetze,<br />

daß das Rechtsgeschäft zivilrechtlich wirksam sei. Maßgeblich ist nach Ansicht des<br />

Gerichts vielmehr allein, ob dem Erwerber eine Eigentümerstellung verschafft wurde, die<br />

gemessen an der Rechtswirklichkeit der DDR unangreifbar gewesen sei. Eine solche Position<br />

hätten die Beigeladenen erlangt. Da<strong>für</strong> reiche es allerdings nicht aus, daß die Beigeladenen<br />

ein entsprechendes Rechtsgeschäft abgeschlossen hätten <strong>und</strong> im Gr<strong>und</strong>buch als Eigentümer<br />

eingetragen worden seien. Vielmehr habe ein Erwerber - jedenfalls angesichts<br />

der Wende zu rechtsstaatlichen Verhältnissen in der DDR - nur dann auf die faktische Unangreifbarkeit<br />

seiner Eigentümerstellung vertrauen können, wenn ihm die <strong>für</strong> die Wirksamkeit<br />

des Rechtsgeschäfts nach § 2 Abs. 1 Buchst. a der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsverordnung<br />

- GVVO - vom 15. Dezember 1977 (GBl. I 1978, 73) notwendige Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung<br />

erteilt worden sei.<br />

a) Den Beigeladenen sei eine schutzwürdige Rechtsposition zuzuerkennen, da nach dem<br />

Abschnitt 2.2.3. der Hinweise <strong>und</strong> Erläuterungen des Ministeriums <strong>für</strong> Finanzen zur<br />

Durchführung des Nutzungsrechtsgesetzes vom 31. Dezember 1986 im Zusammenhang<br />

mit dem Verkauf volkseigener Eigenheime die nach der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsverordnung<br />

erforderliche Genehmigung mit der Verleihung des Nutzungsrechts als erteilt gegolten<br />

habe. Dieselbe Regelung enthalte auch die von dieser Bestimmung in Bezug genommene<br />

Richtlinie des Ministeriums der Finanzen vom 10. April 1985 zur Durchführung<br />

des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Eigenheime, Miteigentumsanteile <strong>und</strong><br />

Gebäude <strong>für</strong> Erholungszwecke vom 19. Dezember 1973 (GBl. I S. 578) - Eigenheimgesetz<br />

- unter Abschnitt 4.<br />

Ein gesondertes Genehmigungsverfahren sei daher nicht erforderlich gewesen, da bei<br />

der Verleihung des Nutzungsrechtes alle Gesichtspunkte geprüft worden wären, die im<br />

Genehmigungsverfahren nach der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung zu beachten gewesen<br />

seien.<br />

Die revisionsrechtlichen Einwände des Klägers gegen die Berücksichtigung dieser<br />

Richtlinien würden nicht durchgreifen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die vom<br />

Ministerium der Finanzen stammenden Bestimmungen als Bestandteil der DDR-<br />

Rechtsordnung anzusehen seien, wovon offenbar der Beklagte ausgehe, oder als das<br />

förmliche Recht überlagernde Verhaltensanweisungen. Da es ausschließlich darauf ankomme,<br />

ob die von den Beigeladenen erlangte Position in der Rechtswirklichkeit der<br />

DDR unangreifbar gewesen sei, sei allein maßgeblich, ob es der Rechtspraxis entsprochen<br />

habe, im Falle der Nutzungsrechtsbewilligung von einem zusätzlichen Genehmigungsverfahren<br />

nach der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsordnung abzusehen. Es liege auf der<br />

Hand, daß solche ministeriellen Anweisungen beachtet worden seien.<br />

Dem stehe nicht entgegen, daß der Notar damals auf das Erfordernis einer staatlichen<br />

Genehmigung hingewiesen habe, bzw. daß die Beigeladenen seinerzeit darauf aufmerksam<br />

gemacht worden seien, daß erst nach der Genehmigung des Kaufvertrages ein Nutzungsrecht<br />

verliehen werden könne. Da im Rahmen der Nutzungsrechtsbewilligung die<br />

Voraussetzungen <strong>für</strong> die Erteilung der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung zu prüfen<br />

gewesen seien, sei die Verleihung des Nutzungsrechts in der Tat davon abhängig gewesen,<br />

daß der Kaufvertrag genehmigt werden konnte, wenn auch diese Genehmigung<br />

nicht mehr gesondert erteilt werden mußte. Materiell seien die Anforderungen der<br />

Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsordnung durch diese Verfahrensvereinfachung nicht entfallen; es<br />

sei lediglich auf eine eigenständige Genehmigung im Hinblick auf das Nutzungsrecht<br />

verzichtet worden. In diesem materiellen Sinne seien die den Beigeladenen erteilten<br />

- 26 -


- 26 -<br />

Belehrungen zu verstehen, ohne daß ein Widerspruch zu den ministeriellen Anweisungen<br />

bestehe. Im übrigen gehe es nicht darum, ob vor der Verleihung des Nutzungsrechtes<br />

eine Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung verlangt worden sei.<br />

b) Die Beigeladenen seien auch nicht etwa deswegen bloße Bucheigentümer geworden,<br />

weil - wie der Kläger geltend mache - die Enteignung des Gr<strong>und</strong>stücks nach dem Aufbaugesetz<br />

nichtig sei <strong>und</strong> der Magistrat von Berlin ihnen daher mangels Verfügungsbefugnis<br />

gar kein Eigentum verschaffen konnte. Insoweit sei nicht entscheidend, ob die<br />

Enteignungsvoraussetzungen eingehalten worden seien; vielmehr komme es allein in<br />

Anlehnung an die ständige Rechtsprechung (BVerwG, zusammenfassender Beschluß<br />

vom 14. Januar 1998 - 7 B 339.97 - BARoV-RÜ 06/1998 = VIZ 1998, 212 = OVspezial<br />

1998, 298 = RGV B II 198) darauf an, ob die damalige Enteignung faktisch<br />

wirksam gewesen sei. Dies könne nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz<br />

nicht ernsthaft bezweifelt werden.<br />

c) Ein wirksamer Erwerb der Beigeladenen sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil<br />

der Kläger das Wiederaufgreifen des Genehmigungsverfahrens beantragt habe. Der Senat<br />

habe bereits entschieden, daß die in § 7 Abs. 3 AnmVO angeordnete aufschiebende<br />

Wirkung ebenso wie die aufschiebende Wirkung eines gegen die Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung<br />

eingelegten Rechtsbehelfs keine weitergehende Rechtsfolgen auslösen<br />

könne als eine Aufhebung der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung selbst. Diese habe<br />

nach § 7 GVO nur eine schuldrechtliche Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts unter<br />

Wiederaufleben des mit der Eigentumsübertragung entfallenen Restitutionsanspruchs<br />

zur Folge (BVerwG, Urteil vom 28. August 1997 - 7 C 63.96 - BARoV-RÜ 19/1997 =<br />

OV-spezial 1998, 236 = VIZ 1998, 378 = RGV D I 61).<br />

2. Der rechtswirksame Erwerb des Gebäudes <strong>und</strong> des da<strong>für</strong> verliehenen Nutzungsrechts<br />

durch die Beigeladenen sei auch redlich im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG gewesen.<br />

Gegen den redlichen Erwerb spreche nicht, daß der Vertrag erst nach dem 18. Oktober<br />

1989 abgeschlossen worden sei. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts sei dieser<br />

vor dem 19. Oktober 1989 schriftlich angebahnt worden, so daß die Voraussetzungen<br />

des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VermG vorlägen. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit<br />

dieser Vorschrift bestünden nicht, wie das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht bereits festgestellt<br />

habe (BVerwG, Beschluß vom 22. Februar 1996 - 7 B 36.96 - VIZ 1996, 269 f., 647<br />

f. = ZOV 1996, 209 ff. = OV-spezial 1996, 298 = NJW 1996, 1767 f. = RGV B IX 145).<br />

Bedenken gegen die Redlichkeit im Hinblick darauf, daß das Haus als Zweifamilienhaus<br />

verkauft worden sei, seien unerheblich. Die Veräußerung eines volkseigenen Zweifamilienhauses<br />

hätte durchaus im Einklang mit den Rechtsvorschriften der DDR gestanden. Als<br />

Eigenheim im Sinne des Eigenheimgesetzes sei nach § 1 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative der<br />

Durchführungsbestimmung zu diesem Gesetz vom 19. Dezember 1973 (GBl. I S. 590) i. d.<br />

F. der 2. Durchführungsbestimmung vom 9. April 1985 (GBl. I S. 109) auch ein Gebäude<br />

mit einer zweiten Wohnung, die als selbständige Wohnung vermietet werden konnte, also<br />

auch ein Zweifamilienhaus, zu verstehen gewesen.<br />

Die gewerbliche Nutzung des Hauses ab Mitte 1990 stelle als untergeordneten Nebenerwerb<br />

die Eigennutzungsabsicht nicht in Frage.<br />

Abschließend betont das Gericht, daß der Rechtsbehelf gegen die - fingierte - Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung,<br />

die oder deren Wirkung der Kläger mit seinem Antrag auf<br />

Wiederaufgreifen des Verfahrens angegriffen habe, nicht zum Ausschluß des § 4 Abs. 2<br />

- 27 -


- 27 -<br />

Satz 2 Buchst. a VermG führen könne (BVerwG, Urteil vom 28. August 1997 - 7 C 63.96 -<br />

a. a. O.). Ebensowenig könne hieran der spätere sogenannte Komplettierungskauf scheitern.<br />

Anmerkungen:<br />

Im wesentlichen lassen sich dieser Entscheidung zwei Schwerpunkte entnehmen: zum einen<br />

zur Frage des redlichen Erwerbes nach dem 18. Oktober 1989, zum anderen zum Verhältnis<br />

redlicher Erwerb <strong>und</strong> Verfahren bei Aufhebung der Genehmigung nach § 7 GVO.<br />

1. Redlicher Erwerb nach dem 18. Oktober 1989<br />

Die Frage, ob ein redlicher Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VermG vorliegt,<br />

wenn die Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung <strong>für</strong> den Gebäudekaufvertrag nicht ausdrücklich<br />

erteilt worden ist, aber die Käufer bereits im Gr<strong>und</strong>buch als Eigentümer eingetragen<br />

sind, veranlaßt die Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichts immer wieder<br />

zum Nachdenken. Eindeutig festgelegt hat das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht, daß die zivilrichtliche<br />

Unwirksamkeit des Kaufvertrages mangels Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung<br />

unerheblich ist. Vielmehr komme es darauf an, daß der Erwerber eine unangreifbare Position<br />

entsprechend der Rechtswirklichkeit der DDR erlangt habe.<br />

Wenn die Kaufverträge vor dem Rücktritt Honeckers, dem 18. Oktober 1989, zwar angebahnt,<br />

aber erst danach abgeschlossen worden sind, so kann an der Unangreifbarkeit dieser<br />

Position gezweifelt werden, da der Fortbestand der DDR <strong>und</strong> der seinerzeitigen „Eigentumsverhältnisse“<br />

Anfang 1990 nicht mehr gesichert war. Allerdings war auch nicht <strong>für</strong> jeden<br />

Erwerber vorhersehbar, ob tatsächlich eine Wiedervereinigung der beiden deutschen<br />

Staaten erfolgen würde.<br />

Mit Urteil vom 31. Juli 1997 hat das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht den Sachverhalt - Gebäudekaufvertrag<br />

im Mai 1990, aber ohne erforderliche Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung -<br />

so entschieden, daß es die Voraussetzungen eines redlichen Erwerbes abgelehnt hat<br />

(BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1997 - 7 C 28.96 - ZOV 1997, 423 = RGV B IX 191 = BA-<br />

RoV-RÜ 17/1997). Dies wurde damit begründet, daß im Mai 1990 kein Erwerber mehr<br />

angesichts der bevorstehenden Wiedervereinigung damit rechnen konnte, faktisch wie ein<br />

Eigentümer angesehen <strong>und</strong> behandelt werden zu können. Hiermit hat das Gericht die sich<br />

anbahnenden Veränderungen - wie den Abschluß des Staatsvertrages über die Schaffung<br />

einer Währungs-, Wirtschafts- <strong>und</strong> Sozialunion vom 18. Mai 1990 - berücksichtigt, die von<br />

den Bürgern der DDR nicht negiert werden konnten (s. Kittke: Anmerkung zum Urteil des<br />

BVerwG vom 31. Juli 1997 - 7 C 28.96 - NJ 1997, 660 = BARoV-RÜ 17/1997 = OVspezial<br />

1998, 125 = ZOV 1997, 423 = RGV B IX 191).<br />

In der vorliegenden Entscheidung hat das Gericht nicht mehr abgewogen, ob ein Bürger<br />

der DDR auf seine unantastbare Rechtsposition vertrauen konnte, sondern es hat auf die oben<br />

zitierten Richtlinien des Ministeriums <strong>für</strong> Finanzen verwiesen <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung<br />

aufgr<strong>und</strong> des genehmigten Nutzungsrechtes <strong>für</strong> erteilt angesehen.<br />

Hätte es die Richtlinien nicht hinzugezogen, so wäre mit Spannung zu erwarten gewesen,<br />

wie das BVerwG einen vor dem Stichtag angebahnten, aber im Februar 1990 abgeschlossenen<br />

Kaufvertrag beurteilt hätte. Im Rahmen des sozialverträglichen Interessenausgleiches<br />

i. S. d. Gemeinsamen Erklärung der Regierungen der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

<strong>und</strong> der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung <strong>offene</strong>r <strong>Vermögensfragen</strong> vom<br />

- 28 -


- 28 -<br />

15. Juni 1990 hätte es bei der Auslegung einen sozialverträglichen Ausgleich zwischen den<br />

unterschiedlichen Interessen von Ost <strong>und</strong> West bei der Lösung der <strong>Vermögensfragen</strong><br />

schaffen müssen. Ob Anfang des Jahres 1990 Zweifel an dem Fortbestand solcher Rechtsgeschäfte<br />

berechtigt waren, läßt diese Entscheidung aber offen.<br />

Verfassungsrechtliche Bedenken hat das BVerwG im Anschluß an seine ständige Rechtssprechung<br />

<strong>für</strong> unbeachtlich erklärt. Die Benachteiligung der Alteigentümer beruhe auf<br />

sachgerechten Erwägungen (Verweis auf BVerwG, Beschluß vom 22. Februar 1996 - 7 B<br />

36.96 - a. a. O.).<br />

Anzumerken bleibt ferner, daß auch der BGH in seiner Entscheidung vom 26. März 1999<br />

(V ZR 294/97) im Hinblick auf die Frage, ob einem Nutzer Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz<br />

gegen den Alteigentümer zustehen, das Fehlen der staatlichen<br />

Genehmigung nach der Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsverordnung der DDR <strong>für</strong> den seinerzeitigen<br />

Kaufvertrag als unbeachtlich angesehen hat.<br />

2. Verhältnis zur Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung<br />

Obgleich der Kläger die Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung mit seinem Antrag auf Wiederaufgreifen<br />

des Verfahrens angegriffen hat, kann dieser Rechtsbehelf nach Ansicht des<br />

BVerwG nicht dazu führen, daß ein redlicher Erwerb ausgeschlossen sei. Es könne dahingestellt<br />

bleiben, inwieweit in diesem Verfahren überhaupt ein an die Aufhebung der<br />

Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung knüpfender Anspruch nach § 7 Abs. 3 Satz 1 GVO<br />

geltend gemacht werden könne. Damit dürfte das BVerwG den Fall einer Aufhebung einer<br />

solchen Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung den Zivilgerichten überlassen haben. Welche<br />

Konsequenzen dies hat, bleibt in der Praxis noch abzuwarten.<br />

Mitgeteilt von Dr. Constanze Budde-Hermann<br />

- 29 -


Restitutionsausschluß; Erwerb durch privaten<br />

Handwerker oder Gewerbetreibenden;<br />

redlicher Erwerb; dingliches Nutzungsrecht;<br />

Stichtag; Verkaufsgesetz<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

- 29 -<br />

§ 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b,<br />

§ 4 Abs. 3 Buchst. a,<br />

§ 16 Abs. 3 Satz 1 VermG;<br />

§ 1 Verkaufsgesetz vom 7. März 1990<br />

Ein den Rückausnahmetatbestand des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG erfüllender Erwerb<br />

volkseigener Gebäude <strong>für</strong> Gewerbezwecke auf der Gr<strong>und</strong>lage des § 1 des Verkaufsgesetzes<br />

vom 7. März 1990 setzt voraus, daß der Erwerber bei Vertragsabschluß privater Handwerker<br />

oder Gewerbetreibender war. Es bleibt offen, ob darüber hinaus auch Fälle erfaßt werden, in<br />

denen die Aufnahme eines Handwerks- oder Gewerbebetriebs bei Vertragsabschluß sichergestellt<br />

war.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, Az.: 7 C 17.98<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Der Kläger wendet sich gegen die vom Beklagten verfügte Rückübertragung des Eigentums<br />

an einem 611 m² großen Gr<strong>und</strong>stück, auf dem sich ein zweieinhalbgeschossiges Gebäude befindet,<br />

in dem der Kläger eine Diskothek betreibt.<br />

Das zunächst gemäß § 6 der Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten vom 17. Juli<br />

1952 (GBl. I S. 615) unter staatlicher Verwaltung stehende Gr<strong>und</strong>stück wurde 1981 auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage des Aufbaugesetzes der DDR enteignet <strong>und</strong> in Volkseigentum überführt.<br />

Der Kläger war seit 1982 Leiter einer im Erdgeschoß des Gebäudes befindlichen HO-<br />

Gaststätte. Am 9. Januar 1990 äußerte er gegenüber dem VEB Gebäudewirtschaft den<br />

Wunsch nach einem Erwerb des Gr<strong>und</strong>stücks zur Ausübung einer privaten Gewerbetätigkeit.<br />

Nachdem die Beigeladenen zu 1 dem beabsichtigten Verkauf widersprochen hatten, schlossen<br />

der Rat der Stadt T. <strong>und</strong> der Kläger am 19. März 1990 einen Kaufvertrag über das Gebäude<br />

auf dem streitbefangenen Gr<strong>und</strong>stück. Die Gr<strong>und</strong>stücksverkehrsgenehmigung wurde am 7.<br />

Mai 1990 erteilt. Außerdem verlieh ihm der Rat des Kreises mit Urk<strong>und</strong>e vom 26. April 1990<br />

ein unbefristetes Nutzungsrecht an dem volkseigenen Gr<strong>und</strong>stück. Mit notariellem Vertrag<br />

vom 24. September 1990 kaufte der Kläger auch das volkseigene Gr<strong>und</strong>stück zu einem Kaufpreis<br />

von 2.444,00 M; eine Eintragung als Eigentümer in das Gr<strong>und</strong>buch ist nicht mehr erfolgt.<br />

Auf der Gr<strong>und</strong>lage des Gewerbegesetzes der DDR vom 6. März 1990 (GBl. I S. 138) erteilte<br />

der Rat der Stadt dem Kläger am 17. Juli 1990 eine Gewerbeerlaubnis zur Eröffnung der<br />

Gaststätte „Harzbräu“. Am 28. September 1990 übernahm der Kläger die Gaststätte von der<br />

Betreiberin, einer Rechtsnachfolgerin der HO. In der Folgezeit investierte der Kläger nach<br />

seinem Vortrag etwa 450.000,00 DM in das Gebäude.<br />

- 30 -


- 30 -<br />

Mit Bescheid vom 14. Juli 1993 übertrug der Beklagte das Eigentum an dem Gr<strong>und</strong>stück an<br />

die Beigeladenen zurück, hob das dem Kläger verliehene Nutzungsrecht an dem Gr<strong>und</strong>stück<br />

auf <strong>und</strong> setzte einen Ablösebetrag von 11.440,00 DM fest.<br />

Den Widerspruch des Klägers wies das LARoV zurück. Unter anderem stellte es in seiner<br />

Begründung fest, daß die Voraussetzungen der Rückausnahme in § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b<br />

VermG nicht gegeben seien. Der Kläger sei zum Erwerbszeitpunkt weder privater Handwerker<br />

noch Gewerbetreibender gewesen, so daß er das Gebäude nicht auf der Gr<strong>und</strong>lage des § 1<br />

des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 - Verkaufsgesetz -<br />

(GBl. I S. 157) erworben habe.<br />

In der Klagebegründung hat der Kläger dem Verwaltungsgericht vorgetragen, er habe als Gewerbetreibender<br />

das Gebäude zum Betrieb seiner Gaststätte erworben <strong>und</strong> hierauf seine Existenz<br />

gegründet. Für derartige Fälle sei die den Redlichkeitsschutz erweiternde Vorschrift des<br />

§ 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG in das Vermögensgesetz eingefügt worden. Das Verwaltungsgericht<br />

Magdeburg hat die Klage durch Urteil vom 12. Mai 1998 - A 5 K 283/97 - abgewiesen.<br />

Zur Begründung führt es u. a. aus:<br />

Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG lägen nicht vor, da der Gebäudeerwerb<br />

nicht unter den Tatbestand des § 1 des Verkaufsgesetzes vom 7. März 1990 falle.<br />

Zwar sei das Gebäude an den Kläger <strong>für</strong> Gewerbezwecke veräußert worden. Der Kläger sei<br />

im Zeitpunkt des Rechtserwerbs aber nicht Gewerbetreibender im Sinne des Gewerbegesetzes<br />

der DDR vom 6. März 1990 gewesen. Als Angestellter der HO habe er keine selbständige<br />

Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gewerbegesetzes ausgeübt. Mit Blick auf den Zweck<br />

des Verkaufsgesetzes, in der damaligen Umbruchphase die wirtschaftliche Eigeninitiative zu<br />

fördern, genüge zwar zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmales „Gewerbetreibender“ schon<br />

die Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Gewerbeerlaubnis, sofern die Erlaubnis nach<br />

dem Rechtserwerb erteilt <strong>und</strong> sodann alsbald mit der Gewerbeausübung begonnen worden sei.<br />

Dies sei hier aber nicht der Fall, <strong>und</strong> daher könne die Klage ungeachtet der Tatsache, daß<br />

sämtliche anderen Voraussetzungen des § 1 Verkaufsgesetz <strong>und</strong> des § 1 Abs. 2 der Durchführungsverordnung<br />

zu diesem Gesetz - DVO zum Verkaufsgesetz - (GBl. I S. 158) vorgelegen<br />

hätten, keinen Erfolg haben. Die Revision wurde vom Verwaltungsgericht wegen der gr<strong>und</strong>sätzlichen<br />

Bedeutung zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).<br />

Aus den Gründen:<br />

Die Revision ist nicht begründet. Der Senat führt dazu u. a. wie folgt aus:<br />

Das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerfrei angenommen, daß die Schädigung der Beigeladenen<br />

einen Anspruch auf Rückübertragung des entzogenen Vermögenswertes zur Folge hat,<br />

weil kein gesetzlicher Restitutionsausschlußgr<strong>und</strong> bestehe.<br />

Der Kläger könne sich nicht auf den hier allein in Betracht kommenden Ausschlußtatbestand<br />

des redlichen Erwerbs (§ 4 Abs. 2 <strong>und</strong> 3 VermG) berufen. Eine der in § 4 Abs. 2 Satz 2 HS 2<br />

VermG aufgeführten, zur Gr<strong>und</strong>regel des § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG zurückzuführenden Ausnahmen<br />

von der Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 HS 1 VermG sei nicht gegeben. Der<br />

hier in Betracht zu ziehende Tatbestand des Buchstaben b, also der Erwerb auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

des § 1 des Verkaufsgesetzes, sei nicht erfüllt.<br />

§ 1 des Verkaufsgesetzes eröffnete erstmals in der DDR die rechtliche Möglichkeit, volkseigene<br />

Gebäude <strong>für</strong> Gewerbezwecke an private Handwerker <strong>und</strong> Gewerbetreibende, die Bürger<br />

der DDR oder Ausländer mit ständigem Wohnsitz in der DDR waren, zu verkaufen. Nach § 1<br />

Abs. 1 der DVO zum Verkaufsgesetz mußte es sich um Gebäude handeln, die durch Hand-<br />

- 31 -


- 31 -<br />

werker oder Gewerbetreibende <strong>für</strong> die Ausübung ihres Berufes oder ihrer Gewerbetätigkeit<br />

genutzt werden können; die Gebäude durften eine, im Ausnahmefall auch zwei Wohnungen<br />

enthalten (§ 1 Abs. 2 DVO). Die mit diesen Vorschriften bezweckte Förderung des bis dahin<br />

eher unerwünschten privaten Handwerks <strong>und</strong> Gewerbes war Teil eines Bündels gesetzlicher<br />

Maßnahmen, mit dem die DDR den Übergang von einer sozialistischen Planwirtschaft zu<br />

einer marktwirtschaftlich geprägten Ordnung einleitete. Beispielhaft seien die VO über die<br />

Organisation des Handwerks der DDR vom 22. Februar 1990 (GBl. I S. 150), das Gewerbegesetz<br />

der DDR (s. o.) <strong>und</strong> das Gesetz über die Gründung <strong>und</strong> Tätigkeit privater Unternehmen<br />

<strong>und</strong> über Unternehmensbeteiligungen vom 7. März 1990 (GBl. I S. 141) zu nennen.<br />

Die im Zuge dieser beginnenden Privatisierung der DDR-Wirtschaft getätigten Käufe restitutionsbelasteter<br />

Immobilien durch private Handwerker <strong>und</strong> Gewerbetreibende auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

des Verkaufsgesetzes sollten mit der durch das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz<br />

vom 22. Juli 1992 (BGBl. I S. 1257) eingefügten Bestimmung des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b<br />

VermG nachträglich gesichert werden. War der Erwerb im Vertrauen auf die damalige Gesetzeslage<br />

in redlicher Weise erfolgt, ist eine Rückübertragung an den Berechtigten ungeachtet<br />

der Stichtagsregelung ausgeschlossen. In diesem Sinne handele es sich um eine vergangenheitsorientierte<br />

investive Vorfahrtsregelung (vgl. BT-Drucks. 12/2944, S. 42 <strong>und</strong> 51), mit der<br />

ein ähnliches Ergebnis wie mit den zukunftsorientierten Regelungen des Investitionsgesetzes<br />

vom 23. September 1990 (BGBl. II S. 889, 1157) <strong>und</strong> des Investitionsvorranggesetzes vom<br />

14. Juli 1992 (BGBl. I S. 1286) erzielt werden soll. Dieser Vertrauensschutz sei aber nur gerechtfertigt,<br />

wenn das Erwerbsgeschäft tatsächlich „auf der Gr<strong>und</strong>lage“ des § 1 Verkaufsgesetz<br />

i. V. m. der DVO erfolgt ist. Dazu zähle, daß der Käufer zum berechtigten Erwerberkreis<br />

gehörte <strong>und</strong> es sich um ein vom Gesetz umfaßtes Erwerbsobjekt handelte (unter Hinweis auf<br />

BVerwG, Urteil vom 29. August 1996 - 7 C 6.96 - BARoV-RÜ 06/1996 = OV-spezial 1996,<br />

394 f. = ZOV 1996, 433 ff. = VIZ 1996, 711 f. = DtZ 1996, 38 f. = NJ 1997, 207 f. = RGV B<br />

IX 173 = Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 34, S. 79 =; Urteil vom 19. November 1998 - 7<br />

C 5.98 - BARoV-RÜ 02/1999 = VIZ 1999, 211 = ZOV 1999, 155 = OV-spezial 1998, 345).<br />

Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, daß die Veräußerung des volkseigenen<br />

Gebäudes an den Kläger durch den Kaufvertrag vom 19. März 1990 nicht durch das<br />

Verkaufsgesetz gedeckt war. Dieses Gesetz sei am Tag des Vertragsschlusses in Kraft getreten,<br />

somit handelten die Parteien wohl in Kenntnis der Gesetzeslage. Für die Heranziehung<br />

des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VermG sei jedoch maßgebend, ob die Voraussetzungen des<br />

§ 1 Verkaufsgesetz bei Vertragsschluß objektiv vorgelegen haben. Dies sei hier nicht der Fall<br />

gewesen. Der Kläger - zu diesem Zeitpunkt bei der HO angestellter Leiter einer Gaststätte -<br />

habe erst am 28. September 1990 mit der Übernahme der Gaststätte von der Betreiberin ein<br />

Gewerbe aufgenommen. Gemäß § 1 Abs. 2 Gewerbegesetz ist jede auf Dauer angelegte selbständige<br />

Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird, als ein solches Gewerbe<br />

zu verstehen.<br />

Die Frage, ob die Vorschrift des § 1 Verkaufsgesetz über ihren Wortlaut hinaus so verstanden<br />

werden kann, daß auch Personen erfaßt werden, die zum Zeitpunkt des Erwerbsgeschäfts ihre<br />

Absicht, eine Tätigkeit als privater Handwerker oder Gewerbetreibender aufzunehmen, noch<br />

nicht in die Tat umgesetzt hatten, könne der erkennende Senat offenlassen. Eine Einbeziehung<br />

künftiger Handwerker <strong>und</strong> Gewerbetreibender in den Anwendungsbereich des § 1 Verkaufsgesetz<br />

wäre nur unter der Voraussetzung zu erwägen, daß nach Abschluß des Kaufvertrages<br />

die Aufnahme des Betriebes in dem betreffenden Gebäude in sachlicher <strong>und</strong> zeitlicher Hinsicht<br />

sichergestellt war. Zum Vergleich könne man auf den Erwerb volkseigener Ein- <strong>und</strong><br />

Zweifamilienhäuser abstellen: An Erwerber, die das Gebäude zum Zeitpunkt des Verkaufs<br />

nicht schon bewohnten, durfte nur verkauft werden, wenn die künftige persönliche Nutzung<br />

- 32 -


- 32 -<br />

des Wohnraums gewährleistet war (vgl. § 4 der DVO zum Gesetz volkseigener Gebäude vom<br />

15. März 1990).<br />

Diese Erwerbsvoraussetzung sei im Fall des Klägers nicht gegeben gewesen. Zwar hatte er<br />

den Wunsch, die Gaststätte privat zu führen, bereits im Januar 1990 bek<strong>und</strong>et, doch lagen bei<br />

Abschluß des Kaufvertrages am 19. März 1990 keine objektiven Anhaltspunkte <strong>für</strong> eine hinreichend<br />

sicher bevorstehende Übernahme der HO-Gaststätte vor. Vielmehr vermietete der<br />

Kläger nach dem Erwerb des Gebäudes zunächst einmal die Gaststättenräume an die bisherige<br />

Betreiberin weiter. Die erforderliche Gewerbeerlaubnis beantragte er sodann erst drei Monate<br />

nach Vertragsschluß. Den Betrieb übernahm er erst ein halbes Jahr nach dem Vertragsschluß.<br />

Die Ungewißheit der Aufnahme eines privaten Gewerbes ergebe sich auch daraus, daß die<br />

maßgebenden Erwerbsdokumente keinen Hinweis auf eine bevorstehende Übernahme des<br />

Gaststättenbetriebes enthielten. Das Nutzungsrecht an dem volkseigenen Gr<strong>und</strong>stück z. B.<br />

wurde „entsprechend seinen Wohnbedürfnissen“ gestattet. All dies lasse folgern, daß im Vordergr<strong>und</strong><br />

zunächst der Erwerb des Eigentums an dem Gebäude stand.<br />

Die angefochtenen Behördenbescheide <strong>und</strong> das VG-Urteil seien insoweit auch nicht b<strong>und</strong>esrechtlich<br />

zu beanstanden, als der Beklagte das dem Kläger verliehene Nutzungsrecht aufgehoben<br />

hat. Unabhängig von den hier nicht vorliegenden Rückausnahmetatbeständen i. S. d. §<br />

4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a - c VermG sei der Kläger als unredlich gemäß § 4 Abs. 3 Buchst. a<br />

VermG anzusehen.<br />

Der Erwerb des Gebäudes <strong>und</strong> damit auch des akzessorischen dinglichen Nutzungsrechts an<br />

dem volkseigenen Gr<strong>und</strong>stück habe, wie ausgeführt, nicht im Einklang mit den zum Zeitpunkt<br />

des Erwerbs in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften gestanden. Dies hätte der<br />

Kläger wissen müssen. Dieses Tatbestandsmerkmal sei mit fahrlässiger Unkenntnis gleichbedeutend<br />

<strong>und</strong> somit erfüllt, wenn der Erwerber bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt den<br />

Rechtsverstoß hätte erkennen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 7 C 4.93 -<br />

BVerwGE 95, 1<strong>08</strong> = ZIP 1994, 488 ff. = OV-spezial 1994, 14 = NJW 1994, 1359 ff. =<br />

RGV B IX 52 = VIZ 1994, 239 ff. = NJ 1994, 326). Dies sei hier der Fall gewesen. Nach dem<br />

Rücktritt des Staatsratsvorsitzenden Honecker am 18. Oktober 1989 seien höhere Anforderungen<br />

an die Sorgfaltspflicht im allgemeinen als <strong>für</strong> die Zeit vorher zu stellen. Dem Kläger<br />

müsse klar gewesen sein, daß er sich auf ein risikobehaftetes Geschäft eingelassen hatte. Aufgr<strong>und</strong><br />

unterschiedlicher Aussagen der staatlichen Stellen zur Zulässigkeit eines Erwerbs wäre<br />

erhöhte Vorsicht angebracht gewesen. Bei Kenntnis des am Tag des Vertragsschlusses in<br />

Kraft getretenen Verkaufsgesetzes hätte sich ihm aufdrängen müssen, daß er die Erwerbsvoraussetzungen<br />

nicht erfüllte. Erst recht sei von einer fahrlässigen Unkenntnis auszugehen,<br />

wenn dem Kläger das Inkrafttreten des Verkaufsgesetzes - welches den Erwerb volkseigener<br />

Gebäude durch private Gewerbetreibende erstmals ermöglichte - nicht bekannt gewesen sein<br />

sollte.<br />

Anmerkungen:<br />

1. Der beteiligte Oberb<strong>und</strong>esanwalt vertrat die Auffassung, die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz<br />

2 Buchst. b VermG greife bereits dann ein, wenn ein volkseigenes Gebäude ungeachtet der<br />

rechtlichen Zulässigkeit faktisch auf der Gr<strong>und</strong>lage des § 1 Verkaufsgesetz veräußert worden<br />

sei. Das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung gewinne erst<br />

im Rahmen der Redlichkeitsprüfung nach § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG Bedeutung.<br />

Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> diese Auffassung könnte sein, daß der Begriff des Gewerbetreibenden (vgl.<br />

§ 1 Abs. 2 Gewerbegesetz der DDR), der im wesentlichen aus der b<strong>und</strong>esdeutschen<br />

Rechtsordnung übernommen wurde, im Hinblick auf die Rechtsverhältnisse in der DDR<br />

- 33 -


- 33 -<br />

nicht erschöpfend war. Daher galt in der Praxis jede Erwerbstätigkeit von Bürgern, die weder<br />

in einem Arbeitsverhältnis standen noch Mitglied einer PGH waren, als private gewerbliche<br />

Tätigkeit (z. B. auch die sog. freien Berufe; s. dazu Holst/Liedtke, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus,<br />

VermG, Kommentar, Stand April 1998, Rdnr.<br />

131 zu § 4 VermG). Diese weite Auslegung erleichterte den zuständigen Stellen sicherlich<br />

die Prüfung des Berechtigtenkreises aus dem Verkaufsgesetz. Zwar muß man davon ausgehen,<br />

daß sich der Verkäufer gr<strong>und</strong>sätzlich die Gewerbeerlaubnis hat vorlegen lassen. Im<br />

Ausnahmefall könnten aber die Erklärungen des Erwerbers <strong>und</strong> die Begleitumstände diese<br />

Vorlage entbehrlich gemacht haben. Wenn dieser - wie hier - das Gebäude tatsächlich zu<br />

Gewerbezwecken nutzte, sollte auch die Schutzfunktion <strong>und</strong> der Zweck des § 4 Abs. 2 Satz<br />

2 Buchst. b VermG, in der Form einer vergangenheitsorientierten investiven Vorfahrtsregelung<br />

wirken können. Nur derjenige, welcher als unredlich im Sinne des § 4 Abs. 3<br />

VermG gelten muß, soll sich nicht mehr auf den Schutzzweck des Absatzes 2 berufen.<br />

Gleichwohl teilt das BVerwG diese Auffassung nicht. Es kommt zu dem Ergebnis, daß der<br />

Vertrauensschutz durch die Einbindung des Erwerbsgeschäfts in das Verkaufsgesetz nicht<br />

uneingeschränkt gelten kann. Nur wenn die gr<strong>und</strong>legenden tatbestandlichen Voraussetzungen<br />

des Verkaufsgesetzes erfüllt waren, soll dieser Schutz greifen. Vorliegend wird dies<br />

bereits bei der Frage, ob der Kläger dem berechtigten Erwerberkreis angehört hat, negiert.<br />

2. In den Fällen der Verleihung dinglicher Nutzungsrechte (vgl. § 7 DVO zum Verkaufsgesetz)<br />

bedarf es m. E. einer gr<strong>und</strong>sätzlichen Klärung über das Verhältnis der Voraussetzungen<br />

einer Ausnahme von der Stichtagsregelung zu den Bestimmungen <strong>und</strong> Regelbeispielen<br />

des unredlichen Erwerbs im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. a - c VermG. Der erkennende<br />

Senat stellt hier die Unredlichkeit des Klägers im Sinne des § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG<br />

fest, ohne näher auf die Rückausnahmetatbestände <strong>für</strong> den Erwerb eines Nutzungsrechtes<br />

einzugehen. Demnächst wird dieses Verhältnis aber Gegenstand eines anderen Revisionsverfahren<br />

sein (s. BVerwG - 7 C 37.98 -). Das Revisionsverfahren soll Gelegenheit zur<br />

Klärung der Frage bieten, ob ein nach dem Stichtag verliehenes akzessorisches dingliches<br />

Nutzungsrecht gem. § 16 Abs. 3 VermG ohne nähere Prüfung des redlichen Erwerbs aufzuheben<br />

ist, wenn die Voraussetzungen einer Ausnahme von der Stichtagsregelung (§ 4<br />

Abs. 2 Satz 2 HS 2 Buchst. a - c VermG) nicht erfüllt sind.<br />

3. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des 7. Senats zu § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG (vgl.<br />

Urteil vom 18. Januar 1996 - 7 C 20.94 - BARoV-RÜ 14/1998 = ZOV 1996, 207; 1998,<br />

376 = NJ 1996, 324 = VIZ 1996, 267 = RGV B IX 144) erscheint mir die heutige Auslegung<br />

des Merkmals der fahrlässigen Unkenntnis teilweise widersprüchlich. In der zitierten<br />

Entscheidung wurde u. a. ausgeführt: „Daß die Rechtswirksamkeit des vollendeten Erwerbsgeschäfts<br />

nicht Voraussetzung <strong>für</strong> den anspruchshindernden Einwand der Redlichkeit<br />

ist, findet seinen sinnfälligen Ausdruck in § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG. Wenn danach ein<br />

Rechtserwerb in der Regel als unredlich anzusehen ist, wenn er nicht in Einklang mit den<br />

zum Zeitpunkt des Erwerbs in der Deutschen Demokratischen Republik geltenden allgemeinen<br />

Rechtsvorschriften, Verfahrensgr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis<br />

stand <strong>und</strong> der Erwerber dies wußte oder hätte wissen müssen, wird deutlich,<br />

daß die Rechtswirksamkeit des vollendeten Erwerbsgeschäfts nicht Voraussetzung <strong>für</strong> den<br />

anspruchshindernden Einwand der Redlichkeit ist. Wenn danach ein Rechtserwerb in der<br />

Regel als unredlich anzusehen ist, wenn er nicht in Einklang mit den zum Zeitpunkt des<br />

Erwerbs in der Deutschen Demokratischen Republik geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften,<br />

Verfahrensgr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> einer ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis stand<br />

<strong>und</strong> der Erwerber dies wußte oder hätte wissen müssen, wird deutlich, daß ein Verstoß gegen<br />

DDR-Recht allein regelmäßig nicht ausreicht, dem Erwerber die Berufung auf eine Eigentumsposition<br />

zu versagen. Hinzu kommen muß - ebenso wie bei den hier nicht ein-<br />

- 34 -


- 34 -<br />

schlägigen Regelbeispielen der Buchst. b <strong>und</strong> c des § 4 Abs. 3 VermG - ein subjektives Zurechnungselement.<br />

Ausschlaggebend <strong>für</strong> die Frage des Behaltendürfens ist demnach nicht,<br />

ob der Erwerber seine Position im Einklang mit den Normen des DDR-Rechts erlangt hat,<br />

sondern ob sein Vertrauen in den Bestand seiner Eigentümerstellung gemessen an den Regelbeispielen<br />

des § 4 Abs. 3 VermG schutzwürdig ist. Nur in diesem Rahmen können die<br />

Normen des Zivilrechts der DDR Bedeutung gewinnen.“<br />

In dieser Entscheidung wurde die Unredlichkeit der Erwerber im Sinne des § 4 Abs. 3<br />

Buchst. a VermG schon deswegen verneint, weil nach der Rechtsprechung des Senats der<br />

Tatbestand dieser Norm voraussetzt, daß der Verstoß gegen das DDR-Recht bei objektiver<br />

Betrachtung die Absicht erkennen läßt, den Erwerbsvorgang gezielt zu beeinflussen<br />

(BVerwGE 97, 286 ff. ). Überträgt man diese Gr<strong>und</strong>sätze auf den vorliegenden Fall,<br />

bleibt <strong>für</strong> den objektiven Betrachter die Frage offen, worin die gezielte Beeinflussung des<br />

Erwerbs durch den Kläger gelegen haben soll. Nach den Ermittlungen ist nicht erkennbar,<br />

daß er bewußt <strong>und</strong> gezielt gegen die geltende Rechtslage verstoßen hat. Nach dem<br />

BVerwG soll bereits die fahrlässige Unkenntnis einzelner Umstände - hier die fehlende<br />

Anwendbarkeit der Vorschriften auf künftige Gewerbetreibende - das Risiko voll auf seine<br />

Seite verlagern. Hätten nicht auch die zuständigen staatlichen Stellen eingehender prüfen<br />

müssen, ob sämtliche Voraussetzungen <strong>für</strong> den Erwerb nach dem Verkaufsgesetz vorlagen?<br />

Deren Versäumnis trifft den Kläger um so härter, da er das angestrebte Gewerbe<br />

später wirklich ausübte <strong>und</strong> vermutlich auch erhebliche Investitionen tätigte.<br />

Mitgeteilt von Hartmut Nohl<br />

- 35 -


- 35 -<br />

Sowjetische Besatzungszone; Uraltguthaben;<br />

Reichsmarkforderung; Währungsreform; Umwertung;<br />

besatzungshoheitliche, entschädigungslose<br />

Enteignung; Vollzugsauftrag Besatzungsmacht;<br />

SMAD-Befehl Nr. 111/1948; Eingriff;<br />

Währungsrecht; Währungsschaden; manipulativer<br />

Vermögenszugriff; unlautere Machenschaft<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

§ 1 Abs. 1 Buchst. a,<br />

§ 1 Abs. 3,<br />

§ 1 Abs. 8 Buchst. a,<br />

§ 2 Abs. 2 Satz 2 VermG;<br />

§ 1 Abs. 3 Nr. 5 AusglLeistG<br />

Die Ablehnung der Umwertung von Reichsmarkforderungen, deren rechtmäßigen Erwerb der<br />

Kontoinhaber den DDR-Behörden nicht nachgewiesen hat, ist als Maßnahme im Zusammenhang<br />

mit der Währungsreform in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands keine entschädigungslose<br />

Enteignung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. a oder des § 1 Abs. 8 Buchst. a<br />

VermG.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Urteil vom 25. März 1999, Az.: 7 C 12.98<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die Kläger beanspruchen die Feststellung ihrer Berechtigung auf Entschädigung nach dem<br />

Gesetz zur Regelung <strong>offene</strong>r <strong>Vermögensfragen</strong> (VermG). Gegenstand ihres Antrages ist ein<br />

Reichsmarkguthaben aus der Zeit vor dem 9. Mai 1945 (Uraltguthaben), dessen Umwertung<br />

im Zuge der Währungsreform überwiegend versagt worden war.<br />

Die Rechtsvorgänger der Kläger hatten bei den zuständigen DDR-Stellen mehrere Sparguthaben<br />

in Höhe von insgesamt 1.129.779,00 RM, davon 953.657,00 RM Geschäftsguthaben einer<br />

Holzgroßhandlung, zur Umwertung angemeldet. Davon wurden jedoch von der Landesfinanzdirektion<br />

Sachsen nur 40.000,00 RM zu Umwertung freigegeben. Die Umwertung der<br />

weiteren Guthaben wurden mit der Begründung abgelehnt, sie seien aus kriegs- <strong>und</strong> spekulationsbedingten<br />

Gewinnen hervorgegangen.<br />

Diese Entscheidung wurde durch den Rat des Bezirkes, Abt. Finanzen, dahingehend berichtigt,<br />

daß nunmehr 282.335,00 RM zur Umwertung freigegeben wurden.<br />

Eine gegen die Begrenzung der Höhe einer Umwertung gerichtete Eingabe der Rechtsvorgänger<br />

der Kläger beim Ministerium der Finanzen der DDR hatte eine Verböserung in der Weise<br />

zur Folge, daß der Rat des Bezirkes seine Freigabeentscheidung aufhob <strong>und</strong> es bei den<br />

40.000,00 RM gemäß der Entscheidung der Landesfinanzdirektion Sachsen blieb.<br />

Die Kläger beantragten am 30. Dezember 1992 die nachträgliche Umwertung <strong>und</strong> Auszahlung<br />

des Uraltguthabens.<br />

Das Sächsische Landesamt zur Regelung <strong>offene</strong>r <strong>Vermögensfragen</strong> (SLARoV) lehnte den<br />

Antrag mit der Begründung ab, daß keine Schädigung nach § 1 VermG vorliege. Die Kläger<br />

erhoben beim VG Dresden Verpflichtungsklage, die sie damit begründeten, daß die Ableh-<br />

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- 36 -<br />

nung der Umwertung eine entschädigungslose Enteignung i. S. v. § 1 Abs. 1 Buchst. a VermG<br />

<strong>und</strong> die Aufhebung der Entscheidung des Rates des Bezirkes eine unlautere Machenschaft i.<br />

S. v. § 1 Abs. 3 VermG darstellten.<br />

Das VG hat mit Urteil - 1 K 384/96 - am 18. Dezember 1997 die Klage abgewiesen. In der<br />

Begründung heißt es, die Guthaben seien auf besatzungshoheitlicher Gr<strong>und</strong>lage (§ 1 Abs. 8<br />

Buchst. a VermG) entzogen worden. Durch eine Verordnung der Deutschen Wirtschaftskommission<br />

(DWK) vom 21. Juni 1948 <strong>und</strong> einen Befehl Nr. 111/1948 der SMAD sei bestimmt<br />

worden, daß Guthaben aus Spareinlagen, laufenden <strong>und</strong> anderen Konten eines Inhabers,<br />

die den Betrag von insgesamt 5.000,00 RM überstiegen, erst nach Feststellung ihres<br />

redlichen Erwerbs umgetauscht würden; Einkommen von Kriegsgewinnlern <strong>und</strong> durch Spekulation<br />

erzielte Gewinne (darunter habe man in weiter Auslegung Uraltguthaben verstanden,<br />

die während des Krieges erworben worden waren) sollten als nicht rechtmäßig erworben gelten<br />

<strong>und</strong> konfisziert werden. Unter Bezug auf diese Rechtsnormen seien die Uraltguthaben der<br />

Rechtsvorgänger der Kläger entwertet <strong>und</strong> damit faktisch enteignet worden. Der besatzungshoheitliche<br />

Zusammenhang habe sich auch noch auf den Bescheid des Rates des Bezirkes<br />

nach dem 7. Oktober 1949 erstreckt.<br />

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision, welche die Kläger damit begründen, daß das<br />

VG zu Unrecht von einer besatzungshoheitlichen Maßnahme ausgegangen sei. Der Befehl Nr.<br />

111/1948 SMAD habe keine unmittelbare Enteignung des Uraltguthabens bewirkt, da deutsche<br />

Stellen konstitutiv über die Höhe der Umwertung zu entscheiden gehabt hätten. Ebensowenig<br />

könne von einem von der Besatzungsmacht erteilten Vollzugsauftrag ausgegangen<br />

werden. Die Enteignung sei von dieser weder eingeleitet noch sachlich vorgeformt gewesen.<br />

Die erste enteignende Maßnahme sei der Bescheid der Landesfinanzdirektion Sachsen gewesen.<br />

Als zweiter Enteignungsakt sei die Aufhebung der bestandskräftigen Entscheidung des<br />

Rates des Bezirkes anzusehen. In beiden Fällen habe es sich um eine entschädigungslose Enteignung<br />

gehandelt. Die Aufhebung der Freigabeentscheidung des Rates des Bezirkes habe<br />

über dies eine unlautere Machenschaft dargestellt, die den Zweck verfolgt habe, das Holzhandelsunternehmen<br />

zu schädigen.<br />

Aus den Gründen:<br />

Die Revision ist nach Auffassung der BVerwG unbegründet. Im Ergebnis habe das VG die<br />

Klage zu Recht abgewiesen.<br />

Die Nichtumwertung der Uraltguthaben (Reichsmarkforderungen) habe jedoch entgegen der<br />

Annahme des VG nicht auf besatzungshoheitlicher Gr<strong>und</strong>lage beruht. Das BVerwG folgt insoweit<br />

der Auffassung der Kläger, als es ebenfalls davon ausgeht, daß der Befehl Nr.<br />

111/1948 die Umwertung nicht ausgeschlossen sondern die Entscheidung hierüber von den<br />

Ergebnissen einer späteren Prüfung eines rechtmäßigen Erwerbs abhängig gemacht habe (Nr.<br />

7 Buchst. f bezüglich laufender Konten <strong>und</strong> Spareinlagen ab 3.000,00 RM; Nr. 7 Buchst. g<br />

von Bargeld <strong>und</strong> Kontoguthaben über 5.000,00 RM). Zu dieser Überprüfung sei es vor Gründung<br />

der DDR nicht mehr gekommen, da einschlägige Bestimmungen erst nach dem 7. Oktober<br />

1949 erlassen wurden. Es könne deshalb keine Rede davon sein, daß sich die Inhaber eines<br />

Uraltguthabens bereits durch den SMAD-Befehl vollständig <strong>und</strong> endgültig aus ihrem Eigentum<br />

verdrängt sehen mußten.<br />

Zwar könne es unter bestimmten Voraussetzungen auch Fälle geben, wo eine die Gründung<br />

der DDR überdauernde Enteignungsverantwortung der Besatzungsmacht anzunehmen sei,<br />

nämlich dann, wenn unter deren Oberhoheit eine sowohl gegenständliche wie sachlich vorgeformte<br />

Enteignungsaktion eingeleitet worden war <strong>und</strong> den Handlungen oder Verlautbarungen<br />

der Besatzungsmacht ein entsprechender Vollzugsauftrag zu entnehmen sei (vgl. VG Dresden<br />

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- 37 -<br />

- IX K 524/92 - VIZ 1993, 265 f. = RGV B IX 24 = BVerwGE 98, 1 - Berliner Liste 3 -;<br />

BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1995 - 7 C 55.95 - OV-spezial 1997, 76 ff. = VIZ 1996, 451 =<br />

ZOV 1996, 302 = DtZ 1996, 358 = BVerwGE 101, 201 - Nacherfassung -; BVerwG<br />

vom 27. Juni 1996 - 7 C 53.95 - BVerwGE 101, 273 ff. = ZOV 1996, 383 ff. = ZIP 1996,<br />

1718 ff. = VIZ 1996, 577 ff. = BVerwGE 101, 273 = RGV B II 158 - Sportverein;<br />

Urteil vom 6. Dezember 1996 - 7 C 9.96 - BARoV-RÜ 05/1997 = VIZ 1997, 220 = ZOV<br />

1997, 125 = OV-spezial 1997, 233 = RGV B II 160 = Buchholz 428 § 1 VermG u. a.). Das<br />

Gericht äußerte Zweifel daran, ob ein solcher Vollzugsauftrag auch dann anzunehmen sei,<br />

wenn - wie hier - die organisatorischen <strong>und</strong> verfahrensmäßigen Voraussetzungen mit einer<br />

Richtlinie vom 30. August 1951, also erst drei Jahre später geschaffen wurden.<br />

Die Frage, ob ein Restitutionsausschluß gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG vorliege oder<br />

nicht, bedürfe jedoch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Selbst wenn das VermG anzuwenden<br />

wäre, hätte eine Berechtigung nach diesem Gesetz nicht bestanden.<br />

Das nicht umgewertete Uraltguthaben sei nicht von einer schädigenden Maßnahme nach § 1<br />

Abs. 1 Buchst. a oder § 1 Abs. 3 VermG betroffen gewesen.<br />

Der von der DWK angeordneten Währungsreform <strong>und</strong> die vorausgegangene Auszahlungssperre<br />

<strong>für</strong> Reichsmarkguthaben habe das Merkmal der Diskriminierung gefehlt.<br />

Die Umstellung der Reichsmark <strong>und</strong> die damit einhergehende Entwertung der Reichsmarkguthaben<br />

habe unterschiedlos alle Geldeigentümer in der SBZ betroffen; sie habe der Bereinigung<br />

der Konkurslage des Deutschen Reiches <strong>und</strong> einem wirtschaftlichen Neuaufbau einschließlich<br />

geordneter Finanzen gedient. Der Umstand allein, daß Reichsmarkguthaben mit<br />

dem Inkrafttreten der Währungsreform praktisch wertlos wurden, rechtfertige nicht die Annahme<br />

einer entschädigungslosen Enteignung.<br />

Die Überprüfung des rechtmäßigen Erwerbs von Uraltguthaben habe in sachlichem Zusammenhang<br />

mit der Währungsreform gestanden. Sie habe alle Guthaben erfaßt, die bestimmte<br />

Höchstbeträge überschritten. Die Überprüfung habe sich nicht auf Personen bezogen, sondern<br />

auf ein diskriminierungsfreies sachliches Merkmal. Nur solche Geldvermögen hätten in die<br />

Währungsreform einbezogen werden sollen, die nach abstrakten <strong>und</strong> generellen Vorgaben der<br />

Besatzungsmacht rechtmäßig erworben worden waren. Ein solcher Eingriff als währungsrechtliche<br />

Maßnahme sei gesellschaftspolitisch neutral <strong>und</strong> deshalb keine rechtsstaatswidrige<br />

Enteignung gewesen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1975 - 3 C 11.74 -).<br />

Eine personenbezogene Diskriminierung ergebe sich auch nicht daraus, daß die aus kriegs<strong>und</strong><br />

spekulationsbedingten Gewinnen entstandenen Uraltguthaben als rechtswidrig erworben<br />

galten. Auch diese Regelung habe keinen Strafcharakter gehabt, sondern habe dem Ziel gedient,<br />

die Umwertungsansprüche im Interesse einer Konsolidierung der Staatsfinanzen zu<br />

begrenzen. In der Nichtberücksichtigung der nach früherem Recht entstandenen kriegs- <strong>und</strong><br />

spekulationsbedingten Reichsmarkforderungen habe kein als Diskriminierung zu mißbilligendes<br />

Sonderopfer gelegen, das der entschädigungslosen Enteignung eines rechtlich geschützten<br />

Vermögensbestandes gleichkäme. Auch nach § 1 Abs. 3 Nr. 5 AusglLeistG seien Gläubigerverluste,<br />

die im Zusammenhang mit der Neuordnung des Geldwesen gestanden hätten, von<br />

einer Ausgleichsleistung ausgeschlossen.<br />

Es hätte allerdings auch im Zusammenhang mit der Neuordnung des Geldwesens gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

ein Tatbestand einer unlauteren Machenschaft erfüllt sein können, nämlich dann, wenn<br />

im Einzelfall in manipulativer, sittlich vorwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung<br />

der DDR gezielt auf Vermögenswerte zugegriffen worden wäre. Im vorliegenden<br />

- 38 -


- 38 -<br />

Fall scheitere aber die Annahme einer unlauteren Machenschaft bereits daran, daß weder die<br />

Kläger entsprechendes vorgetragen noch der Akteninhalt hier<strong>für</strong> entsprechendes ergeben hätten.<br />

Dem hinsichtlich der unlauteren Machenschaften unsubstantiierten Klagevorbringen sei nicht<br />

zu entnehmen, daß von den damaligen gesetzlichen Vorschriften zu Lasten der Rechtsvorgänger<br />

der Kläger abgewichen worden wäre. Die Nichtumwertung der Uraltguthaben habe offenbar<br />

auf dem Umstand beruht, daß die Rechtsvorgänger der Kläger den rechtmäßigen Erwerb<br />

ihres Vermögens nicht hätten nachweisen können.<br />

Auf unlautere Machenschaften deute auch nicht die Tatsache hin, daß die Einspruchsentscheidung<br />

des Rates des Bezirkes, durch die ein höherer Betrag zur Umwertung freigegeben<br />

worden war, nach einer Eingabe an den Präsidenten der Volkskammer aufgr<strong>und</strong> eines Schreibens<br />

des Ministeriums der Finanzen „verbösert“ worden sei. Allein daraus, daß eine den maßgebenden<br />

Rechtsvorschriften widersprechende Verwaltungsentscheidung über die Umwertung<br />

der angemeldeten Uraltguthaben auf die Eingabe des Rechtsvorgängers der Kläger zu<br />

ihrem Nachteil korrigiert worden sei, ergebe sich kein manipulativer Vermögenszugriff im<br />

Sinne des § 1 Abs. 3 VermG.<br />

Anmerkungen:<br />

Mit diesem Urteil stellt das BVerwG eine Kategorie von Vermögensverlusten klar, die nach<br />

seiner Auffassung in die DDR-Zeit fällt, jedoch keine Schädigung gemäß § 1 Abs. 1 bis 7<br />

VermG darstellt: nämlich Währungsverluste.<br />

Keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG liegt nach Auffassung des Gerichtes<br />

deshalb vor, weil ihr das Merkmal der Diskriminierung eines bestimmten Personenkreises<br />

fehlt. Währungsverluste entstanden aufgr<strong>und</strong> eines sachlichen, diskriminierungsfreien Merkmales:<br />

der Überschreitung eines bestimmten Höchstbetrages.<br />

Das BVerwG sieht eine solche Begrenzung der umzuwertenden Uraltguthaben im Interesse<br />

einer Bereinigung der Konkurslage des Deutschen Reiches, eines wirtschaftlichen Neuaufbaues<br />

<strong>und</strong> einer Konsolidierung der Finanzen als gerechtfertigt an.<br />

Das Gericht verweist auf eine entsprechende Bewertung dieses Sachverhaltes durch den Gesetzgeber,<br />

wie sie mit der Einordnung von Währungsverlusten unter den § 1 Abs. 4<br />

AusglLeistG - also als unter eine Kategorie, <strong>für</strong> die keine Ausgleichsleistung gewährt wird -<br />

vorgenommen wurde.<br />

Das Gericht grenzt diese Maßnahme deutlich ab von solchen, die ungeachtet einer die Gründung<br />

der DDR überdauernden Wirkung noch in die Eigenverantwortung der Besatzungsmacht<br />

fallen.<br />

Mitgeteilt von Dr. Kurt Grabarse<br />

- 39 -


Erbschaftssteuer als Ausschlagungsgr<strong>und</strong>;<br />

Rechtswirksamkeit einer Entscheidung der<br />

Rehabilitierungskammer des Landgerichts<br />

Leitsatz des Bearbeiters (nicht amtlich):<br />

- 39 -<br />

§ 1 Abs. 3 <strong>und</strong> Abs. 7,<br />

§ 2 Abs. 1 VermG;<br />

§ 3 Abs. 2 StrRehaG;<br />

§ 57 Abs. 3 StGB-DDR<br />

Die Entscheidung der Rehabilitierungskammer eines Landgerichts kann dann keine Bindungswirkung<br />

<strong>für</strong> die Folgeentscheidungen nach dem Vermögensgesetz haben, wenn eine<br />

spätere Streichung von Gr<strong>und</strong>stücken aus dem Gr<strong>und</strong>buch auf anderen Ereignissen als der<br />

vom Rehabilitierungsgericht aufgehobenen Vermögenseinziehung beruhte.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Beschluß vom 26. März 1999, Az.: 7 B 41.99<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Der Beschwerdeführer legte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil<br />

des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 29. Oktober 1998 - 2 K 583/95 - (siehe BARoV-<br />

RÜ 01/1999), ein.<br />

Aus den Gründen:<br />

Die Beschwerde ist nach dem Beschluß des BVerwG erfolglos.<br />

Ihr komme nicht die behauptete Rechtsgr<strong>und</strong>sätzlichkeit im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1<br />

VwGO zu.<br />

Sie möchte in einem Revisionsverfahren die Frage geklärt wissen, „welche Bindungswirkung<br />

der Entscheidung des zuständigen Landgerichts (Rehabilitierungskammer) <strong>für</strong> die Folgeentscheidung<br />

nach dem Vermögensgesetz zukommt.“<br />

Darüber wäre in einem Revisionsverfahren schon deshalb nicht zu entscheiden, weil nach den<br />

Feststellungen des VG die Mutter des Klägers seit 1966 als Eigentümerin der streitigen<br />

Gr<strong>und</strong>stücke im Gr<strong>und</strong>buch eingetragen war <strong>und</strong> ihre spätere Streichung auf andere Ereignisse<br />

als der vom Rehabilitierungsgericht aufgehobenen strafrechtlichen Vermögenseinziehung<br />

beruhte. Da sich mithin die Vermögenseinziehung spätestens seit 1966 nicht mehr ausgewirkt<br />

habe, könnten die in Rede stehenden Gr<strong>und</strong>stücke nicht Gegenstand einer Rückgabe nach § 1<br />

Abs. 7 VermG i. V. m. § 3 Abs. 2 StrRehaG sein, weil es in soweit keiner Wiedergutmachung<br />

bedürfe.<br />

Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler<br />

- eine mangelnde Aufklärung <strong>und</strong><br />

- eine Verletzung des Überzeugungsgr<strong>und</strong>satzes<br />

lägen nicht vor.<br />

Mitgeteilt von Dr. Kurt Grabarse<br />

- 40 -


- 41 -<br />

Rechtliches Gehör; redlicher Erwerb § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG;<br />

Art. 103 Abs. 1 GG<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Beschluß vom 26. März 1999, Az.: 7 B 45.99<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des VG Chemnitz<br />

vom 19. November 1998 - 2 K 394/94 - wurde zurückgewiesen. Eine Verletzung auf Gewährung<br />

des rechtlichen Gehörs der Kläger sei nicht gegeben. Das VG durfte einen bereits gefaßten<br />

Beweisbeschluß wieder aufheben, weil es die unter Beweis gestellten Tatsachen als<br />

wahr habe unterstellen können. Eine Vernehmung der Zeugen hätte insbesondere ergeben,<br />

daß der Rat des Kreises den Kaufvertrag mit den Beigeladenen vermittelt <strong>und</strong> diese als Käufer<br />

ausgesucht habe <strong>und</strong> nicht der zuständige Rat der Gemeinde. Dem Urteil liege aber die Auffassung<br />

zugr<strong>und</strong>e, daß die Wohnraumzuweisung ungeachtet einer möglichen gezielten Weisung<br />

des Rates des Kreises den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen habe. Ausgehend<br />

von dieser <strong>für</strong> den Umfang seiner Aufklärungspflicht maßgeblichen Sicht des Gerichts sei der<br />

geltend gemachte Verfahrensmangel nicht erkennbar.<br />

Weiter begründe die bloße Nutzung einer Kaufgelegenheit nach der Rechtsprechung des Senats<br />

keine Unredlichkeit (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1994 - 7 C 4.93 - BVerwGE 95,<br />

1<strong>08</strong> ff. = ZIP 1994, 488 ff. = OV-spezial 1994, 14 f. = NJW 1994, 1359 ff. = RGV B IX 52 =<br />

VIZ 1994, 239 ff. = NJ 1994, 326 f.).<br />

Mitgeteilt von Kristof Copija<br />

- 42 -


Unlautere Machenschaft; Ausreise aus der<br />

DDR; ausreisebedingte Gr<strong>und</strong>stücksveräußerung;<br />

Anscheinsbeweis; Ausreise von Rentnern;<br />

Verkaufsverlangen des Staates; Gr<strong>und</strong>eigentum<br />

fremder Staatsangehöriger<br />

Leitsatz des Gerichts:<br />

- 43 -<br />

§ 1 Abs. 3 VermG<br />

Die Vermutung, daß die ausreisebedingte Veräußerung von Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> Gebäuden auf<br />

unlautere Machenschaften (Nötigung <strong>und</strong> Machtmißbrauch) im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG<br />

zurückzuführen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 1996 - 7 C 59.94 - BVerwGE 100,<br />

310), gilt auch im Falle der Ausreise von Rentnern.<br />

Gericht, Datum <strong>und</strong> Az.:<br />

BVerwG, Urteil vom 29. April 1999, Az.: 7 C 13.98<br />

Tatbestand/Problem:<br />

Die klagende Gemeinde wendet sich gegen die vermögensrechtliche Rückübertragung eines<br />

Hausgr<strong>und</strong>stücks an die Beigeladenen. Der im Jahre 1985 geborene Vater des Beigeladenen<br />

war im Gr<strong>und</strong>buch eingetragener Eigentümer des streitbefangenen Gr<strong>und</strong>stücks. Da er <strong>und</strong><br />

seine Ehefrau wegen ihres altersbedingten Ges<strong>und</strong>heitszustandes zu ihren Kindern in die<br />

B<strong>und</strong>esrepublik umsiedeln wollten, beantragten sie im Oktober 1987 ihre Ausreise aus der<br />

DDR. Am 14. Dezember 1987 veräußerten sie das Hausgr<strong>und</strong>stück an das Eigentum des Volkes;<br />

der Rat der Gemeinde wurde Rechtsträger. Am 11. Januar 1988 wurde die Rechtsänderung<br />

in das Gr<strong>und</strong>buch eingetragen. Danach reiste das Ehepaar aus.<br />

Den Rückübertragungsantrag der Beigeladenen lehnte das zuständige ARoV in 1993 ab, weil<br />

ein redlicher Erwerb Dritter im Jahre 1990 vorgelegen habe. Im Widerspruchsverfahren hob<br />

das LARoV diesen Bescheid auf <strong>und</strong> übertrug den Beigeladenen das Eigentum an dem<br />

Gr<strong>und</strong>stück. Es sah den Schädigungstatbestand des § 1 Abs. 3 VermG als erfüllt an, weil die<br />

Rechtsvorgänger der Beigeladenen das Gr<strong>und</strong>stück veräußert hätten, um ausreisen zu können.<br />

Redlichen Erwerb verneinte es.<br />

Die Klägerin hat ihre nunmehr erhobene Klage darauf gestützt, daß Rentner die DDR jederzeit<br />

zu Besuchszwecken hätten verlassen können. Im Hinblick darauf habe ein Verkaufsdruck<br />

gar nicht entstehen können. Die Vermutung, daß in Ausreisefällen der Gr<strong>und</strong>stücksveräußerung<br />

eine unlautere Machenschaft zugr<strong>und</strong>e liegt, sei daher erschüttert. Das Verwaltungsgericht<br />

Chemnitz hat die Klage mit Urteil vom 16. Juli 1997 - 5 K 1093/94 - abgewiesen, da der<br />

Anscheinsbeweis aufgr<strong>und</strong> der tatsächlichen Umstände nicht erschüttert sei. Mit der zugelassenen<br />

Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.<br />

- 44 -


Aus den Gründen:<br />

- 44 -<br />

Die Revision ist nach Auffassung des BVerwG nicht begründet. Die der Klageabweisung<br />

zugr<strong>und</strong>e liegende <strong>und</strong> auf die Regeln des Anscheinsbeweises gestützte Annahme, der Veräußerung<br />

des Gr<strong>und</strong>stücks durch die Rechtsvorgänger der Beigeladenen liege eine unlautere<br />

Machenschaft zugr<strong>und</strong>e, stehe im Einklang mit dem B<strong>und</strong>esrecht.<br />

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (gr<strong>und</strong>legendes Urteil des BVerwG vom 29.<br />

Februar 1996 - 7 C 59.94 - BVerwGE 100, 310 ff. = VIZ 1996, 335 ff. = ZOV 1996, 213 ff. =<br />

NJW 1996, 1909 ff. = NJ 1996, 490 ff. = RGV B IX 147) streitet bei der ausreisebedingten<br />

Veräußerung von Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> Gebäuden im Regelfall eine Vermutung da<strong>für</strong>, daß diese<br />

auf eine staatliche Nötigung <strong>und</strong> damit auf Machtmißbrauch im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG<br />

zurückzuführen ist. Die nach den Gr<strong>und</strong>sätzen des Anscheinsbeweises zu erschütternde Vermutung<br />

rechtfertigt sich aus der Erfahrungstatsache, daß die mit Ausreiseangelegenheiten<br />

befaßten staatlichen Stellen in ständiger Praxis die Genehmigung der Ausreise von der vorherigen<br />

Aufgabe des Gr<strong>und</strong>eigentums durch Verkauf, Schenkung oder Verzicht abhängig gemacht<br />

haben, während die Einsetzung eines Gr<strong>und</strong>stücksverwalters nur in Ausnahmefällen<br />

gestattet wurde. Das geschah, obwohl nach den einschlägigen veröffentlichten <strong>und</strong> unveröffentlichten<br />

Vorschriften der <strong>für</strong> die Genehmigung der Ausreise erforderliche Nachweis einer<br />

ordnungsgemäßen Regelung der Gr<strong>und</strong>stücksangelegenheiten nicht nur durch Verkauf oder<br />

Schenkung, sondern auch durch Einsetzung eines Verwalters erbracht werden konnte. Diese<br />

rechtswidrige Praxis war daher <strong>für</strong> den Gesetzgeber ein typisches Beispiel staatlichen Einsatzes<br />

unlauterer Mittel (vgl. die Erläuterungen der B<strong>und</strong>esregierung zum Vermögensgesetz,<br />

BT-Drucks. 11/7831, S. 3). Die Vermutung erstreckt sich darauf, daß die staatlichen Organe<br />

in dieser Weise Druck auf den Ausreisewilligen ausgeübt haben <strong>und</strong> dieses Vorgehen ursächlich<br />

<strong>für</strong> den Vermögensverlust war.<br />

Diese Gr<strong>und</strong>sätze seien auch im Falle der Ausreise von Rentnern anwendbar. Es habe ein vergleichbarer<br />

Verkaufsdruck wie bei Personen im Erwerbsalter bestanden. Zwar konnten Rentner<br />

aus fiskalischen Erwägungen heraus unter erleichterten Voraussetzungen ausreisen (vgl.<br />

Teil A Nr. III. 1. Abs. 1 Buchst. F sowie 9. der Ordnung Nr. 0118/77 des Ministers des Innern<br />

<strong>und</strong> Chefs der deutschen Volkspolizei vom 8. März 1977 in der jeweils geltenden Fassung,<br />

abgedruckt bei Lochen/Meyer-Seitz, Die geheimen Anweisungen zur Diskriminierung Ausreisewilliger,<br />

S. 371 ff.). Dennoch war ihre Ausreise genehmigungspflichtig <strong>und</strong> setzte wie<br />

bei allen anderen Antragstellern die Abgabe einer Erklärung über die Regelung der Gr<strong>und</strong>stücksangelegenheiten<br />

voraus (vgl. Teil A Nr. III. 7. der erwähnten Ordnung Nr. 0118/77 i. V.<br />

m. der Anlage 3 Nr. 2. <strong>und</strong> der Anlage 9, a. a. O.). Auch Rentnern konnte die Genehmigung<br />

der Wohnsitzänderung versagt werden, wenn eine ordnungsgemäße Verwaltung von<br />

Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> Gebäuden nicht gewährleistet war (vgl. Teil A Nr. III. 3. a. a. O.). Konnten<br />

Rentner demnach nur unter diesen Voraussetzungen legal ausreisen, sei als Möglichkeit sich<br />

einem rechtswidrigen Verkaufsverlangen zu entziehen, nur eine illegale Wohnsitzverlegung<br />

anläßlich einer Besuchsreise in die B<strong>und</strong>esrepublik in Betracht gekommen. Dies habe aber<br />

nicht nur dazu geführt, daß spätere Besuche der DDR ausgeschlossen gewesen seien, sondern<br />

auch dazu, daß ihr Eigentum unter staatliche Verwaltung gestellt <strong>und</strong> damit faktisch entschädigungslos<br />

verloren gewesen wäre.<br />

Die Vermutung <strong>für</strong> eine unlautere Machenschaft entfalle bei der staatlich genehmigten Ausreise<br />

von Rentnern auch nicht deswegen, weil ihnen der Verkauf des Gr<strong>und</strong>eigentums erfahrungsgemäß<br />

nicht abverlangt worden wäre. Zwar sei es vorgekommen, daß Rentnern die Ausreise<br />

gestattet wurde, ohne ihre Immobilien aufgeben zu müssen. Daß dies bei Rentnern öfter<br />

geschehen sei als bei anderen Personen im Erwerbsalter, belegten diese Einzelfälle jedoch<br />

- 45 -


- 45 -<br />

nicht. Selbst wenn sich künftig ergeben sollte, daß in einzelnen Kreisen in dieser Hinsicht<br />

eine großzügigere Handhabung der Genehmigungspraxis bestanden habe, wäre damit nur <strong>für</strong><br />

deren Zuständigkeitsbereich die ansonsten weiterhin gültige Vermutung <strong>für</strong> staatlichen<br />

Machtmißbrauch erschüttert, solange kein Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Annahme besteht, daß die vereinzelten<br />

oder nur örtlich begrenzt feststellbaren Fälle Ausdruck einer generellen Praxis seien. Allein<br />

der Umstand, daß die DDR bei Rentnern anders als bei Erwerbstätigen ein volkswirtschaftliches<br />

Interesse an der Ausreise hatte, reiche <strong>für</strong> eine solche Annahme nicht aus; denn<br />

das Verlangen, das Immobiliareigentum aufzugeben, sei maßgeblich von dem Bestreben getragen<br />

gewesen, in der DDR kein Gr<strong>und</strong>eigentum fremder Staatsangehöriger entstehen zu<br />

lassen. Dieses Anliegen der DDR-Führung, das Gegenstand eines mit dem Beschluß des Ministerrats<br />

vom 23. Dezember 1976 angeordneten Maßnahmenbündels war (vgl. Fieberg/Reichenbach,<br />

Enteignung <strong>und</strong> <strong>offene</strong> <strong>Vermögensfragen</strong> in der DDR, Ergänzungsband,<br />

RWS-Dokumentation 7, Nr. 3.24 a) sei auch in Ausreisefällen uneingeschränkt verfolgt worden<br />

(vgl. MfS-Befehl Nr. 6/77 vom 18. März 1977, Anlage 5, Abschnitt 1, 9. Spiegelstrich,<br />

abgedruckt bei Lochen/Meyer-Seitz, a. a. O., S. 23 ff.). Da diese Erwägung unabhängig vom<br />

Alter oder der Berufstätigkeit des jeweiligen Antragstellers Gültigkeit gehabt habe, liege es<br />

nahe, daß Rentner von diesen unlauteren Machenschaften nicht ausgenommen gewesen seien.<br />

Anmerkungen:<br />

Im sachlichen Zusammenhang mit der obigen Entscheidung ist die Revision zum BVerwG in<br />

einem weiteren lang umstrittenen Problemfall zugelassen. In dem Verfahren - BVerwG 8 C<br />

8.99 - (Ausgangsinstanz: VG Weimar vom 9. Dezember 1998 - 1 K 430/97 -) wird geklärt<br />

werden, ob der Anscheinsbeweis <strong>für</strong> das Vorliegen einer unlauteren Machenschaft auch <strong>für</strong><br />

die Zeit vor Erlaß der Ordnung Nr. 0118/77 des Ministers des Innern <strong>und</strong> Chefs der Deutschen<br />

Volkspolizei vom 8. März 1977 „Über das Vorgehen bei der Unterbindung <strong>und</strong> Zurückdrängung<br />

von Versuchen von Bürgern der DDR, die Übersiedlung nach der BRD oder<br />

Westberlin zu erreichen ...“ (vgl. BARoV-Schriftenreihe, Heft 1, Dok. 32) Anwendung findet.<br />

Mitgeteilt von Kristof Copija

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