08 - Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ...
08 - Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ...
08 - Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Aus den Gründen:<br />
- 44 -<br />
Die Revision ist nach Auffassung des BVerwG nicht begründet. Die der Klageabweisung<br />
zugr<strong>und</strong>e liegende <strong>und</strong> auf die Regeln des Anscheinsbeweises gestützte Annahme, der Veräußerung<br />
des Gr<strong>und</strong>stücks durch die Rechtsvorgänger der Beigeladenen liege eine unlautere<br />
Machenschaft zugr<strong>und</strong>e, stehe im Einklang mit dem B<strong>und</strong>esrecht.<br />
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (gr<strong>und</strong>legendes Urteil des BVerwG vom 29.<br />
Februar 1996 - 7 C 59.94 - BVerwGE 100, 310 ff. = VIZ 1996, 335 ff. = ZOV 1996, 213 ff. =<br />
NJW 1996, 1909 ff. = NJ 1996, 490 ff. = RGV B IX 147) streitet bei der ausreisebedingten<br />
Veräußerung von Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> Gebäuden im Regelfall eine Vermutung da<strong>für</strong>, daß diese<br />
auf eine staatliche Nötigung <strong>und</strong> damit auf Machtmißbrauch im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG<br />
zurückzuführen ist. Die nach den Gr<strong>und</strong>sätzen des Anscheinsbeweises zu erschütternde Vermutung<br />
rechtfertigt sich aus der Erfahrungstatsache, daß die mit Ausreiseangelegenheiten<br />
befaßten staatlichen Stellen in ständiger Praxis die Genehmigung der Ausreise von der vorherigen<br />
Aufgabe des Gr<strong>und</strong>eigentums durch Verkauf, Schenkung oder Verzicht abhängig gemacht<br />
haben, während die Einsetzung eines Gr<strong>und</strong>stücksverwalters nur in Ausnahmefällen<br />
gestattet wurde. Das geschah, obwohl nach den einschlägigen veröffentlichten <strong>und</strong> unveröffentlichten<br />
Vorschriften der <strong>für</strong> die Genehmigung der Ausreise erforderliche Nachweis einer<br />
ordnungsgemäßen Regelung der Gr<strong>und</strong>stücksangelegenheiten nicht nur durch Verkauf oder<br />
Schenkung, sondern auch durch Einsetzung eines Verwalters erbracht werden konnte. Diese<br />
rechtswidrige Praxis war daher <strong>für</strong> den Gesetzgeber ein typisches Beispiel staatlichen Einsatzes<br />
unlauterer Mittel (vgl. die Erläuterungen der B<strong>und</strong>esregierung zum Vermögensgesetz,<br />
BT-Drucks. 11/7831, S. 3). Die Vermutung erstreckt sich darauf, daß die staatlichen Organe<br />
in dieser Weise Druck auf den Ausreisewilligen ausgeübt haben <strong>und</strong> dieses Vorgehen ursächlich<br />
<strong>für</strong> den Vermögensverlust war.<br />
Diese Gr<strong>und</strong>sätze seien auch im Falle der Ausreise von Rentnern anwendbar. Es habe ein vergleichbarer<br />
Verkaufsdruck wie bei Personen im Erwerbsalter bestanden. Zwar konnten Rentner<br />
aus fiskalischen Erwägungen heraus unter erleichterten Voraussetzungen ausreisen (vgl.<br />
Teil A Nr. III. 1. Abs. 1 Buchst. F sowie 9. der Ordnung Nr. 0118/77 des Ministers des Innern<br />
<strong>und</strong> Chefs der deutschen Volkspolizei vom 8. März 1977 in der jeweils geltenden Fassung,<br />
abgedruckt bei Lochen/Meyer-Seitz, Die geheimen Anweisungen zur Diskriminierung Ausreisewilliger,<br />
S. 371 ff.). Dennoch war ihre Ausreise genehmigungspflichtig <strong>und</strong> setzte wie<br />
bei allen anderen Antragstellern die Abgabe einer Erklärung über die Regelung der Gr<strong>und</strong>stücksangelegenheiten<br />
voraus (vgl. Teil A Nr. III. 7. der erwähnten Ordnung Nr. 0118/77 i. V.<br />
m. der Anlage 3 Nr. 2. <strong>und</strong> der Anlage 9, a. a. O.). Auch Rentnern konnte die Genehmigung<br />
der Wohnsitzänderung versagt werden, wenn eine ordnungsgemäße Verwaltung von<br />
Gr<strong>und</strong>stücken <strong>und</strong> Gebäuden nicht gewährleistet war (vgl. Teil A Nr. III. 3. a. a. O.). Konnten<br />
Rentner demnach nur unter diesen Voraussetzungen legal ausreisen, sei als Möglichkeit sich<br />
einem rechtswidrigen Verkaufsverlangen zu entziehen, nur eine illegale Wohnsitzverlegung<br />
anläßlich einer Besuchsreise in die B<strong>und</strong>esrepublik in Betracht gekommen. Dies habe aber<br />
nicht nur dazu geführt, daß spätere Besuche der DDR ausgeschlossen gewesen seien, sondern<br />
auch dazu, daß ihr Eigentum unter staatliche Verwaltung gestellt <strong>und</strong> damit faktisch entschädigungslos<br />
verloren gewesen wäre.<br />
Die Vermutung <strong>für</strong> eine unlautere Machenschaft entfalle bei der staatlich genehmigten Ausreise<br />
von Rentnern auch nicht deswegen, weil ihnen der Verkauf des Gr<strong>und</strong>eigentums erfahrungsgemäß<br />
nicht abverlangt worden wäre. Zwar sei es vorgekommen, daß Rentnern die Ausreise<br />
gestattet wurde, ohne ihre Immobilien aufgeben zu müssen. Daß dies bei Rentnern öfter<br />
geschehen sei als bei anderen Personen im Erwerbsalter, belegten diese Einzelfälle jedoch<br />
- 45 -