Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr - BfU
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fu-Sicherheitsdossier Nr. 06<br />
<strong>Der</strong> <strong>Faktor</strong> <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>motorisierten</strong> <strong>Strassenverkehr</strong><br />
Autoren: Bern 2010<br />
Uwe Ewert, Gianantonio Scaramuzza, Steffen Niemann, Esther Walter<br />
bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung
fu-Sicherheitsdossier Nr. 06<br />
<strong>Der</strong> <strong>Faktor</strong> <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>motorisierten</strong> <strong>Strassenverkehr</strong><br />
Autoren: Bern 2010<br />
Uwe Ewert, Gianantonio Scaramuzza, Steffen Niemann, Esther Walter
Autoren<br />
Uwe Ewert<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, u.ewert@bfu.ch<br />
Dr. phil. MPH; Psychologiestudium an der Universität Freiburg i.Br. Studium der Gesundheitswissenschaften<br />
in den USA. Seit 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter der bfu. Forschungsschwerpunkte:<br />
Einstellungen und Verhalten von Verkehrsteilnehmern, Fussgänger, Senioren, Benützung<br />
von Sicherheitsgurten, Sicherheit auf Ausserortsstrassen, <strong>Geschwindigkeit</strong>.<br />
Gianantonio Scaramuzza<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, g.scaramuzza@bfu.ch<br />
Dipl. Ing. ETH; Bauingenieurstudium an der ETH Zürich; bis 1986 Assistent am Institut für Verkehrsplanung<br />
und Transportsysteme (IVT) an der ETH Zürich. 1986–2004 Mitarbeiter in der Abteilung<br />
Verkehrstechnik der bfu. Seit 2004 tätig als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung<br />
Forschung der bfu. Schwerpunkte: Infrastruktur (insbesondere Verkehrsberuhigung), Fussverkehr,<br />
Fahrradverkehr, Geisterfahrer und Unfallschwerpunkte.<br />
Steffen Niemann<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu, s.niemann@bfu.ch<br />
Magister Artium; Studium der Soziologie, Psychologie und Informationswissenschaften an der<br />
Universität Düsseldorf; 1995–2005 Mitarbeiter am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der<br />
Universität Bern. Seit April 2005 bei der bfu in der Abteilung Forschung. Arbeitsschwerpunkte:<br />
Datengrundlagen in den Bereichen Haus und Freizeit, <strong>Strassenverkehr</strong>, Sport, sowie eigene Erhebungen<br />
der bfu.<br />
Esther Walter<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschung, bfu, e.walter@bfu.ch<br />
Lic. phil.; Studium am Institut für Psychologie der Universität Bern; 1997–2001 Assistentin am<br />
Institut für Sozial- und Präventivmedizin in Bern. Seit 2002 wissenschaftliche Mitarbeiterin der<br />
Forschungsabteilung der bfu. Schwerpunkte: Fahrradverkehr, Fussverkehr, Motorradverkehr,<br />
Kinder, Kampagnen. Seit 2006 <strong>im</strong> interuniversitären Weiterbildungsstudiengang Public Health.
Impressum<br />
Herausgeberin bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung<br />
Postfach 8236<br />
CH-3001 Bern<br />
Tel. +41 31 390 22 22<br />
Fax +41 31 390 22 30<br />
info@bfu.ch<br />
www.bfu.ch<br />
Bezug http://shop.bfu.ch<br />
Autoren Uwe Ewert, Dr. phil., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu<br />
Gianantonio Scaramuzza, dipl. Ing. ETH, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu<br />
Steffen Niemann, M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter Forschung, bfu<br />
Esther Walter, lic. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Forschung, bfu<br />
Mitarbeit Nathalie Clausen, lic. iur., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu<br />
Regula Stöcklin, Fürsprecherin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu<br />
Cinthia Donzallaz Cerf, lic. iur., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Recht, bfu<br />
Redaktion Stefan Siegrist, Dr. phil., Leiter Forschung / Ausbildung, Stv. Direktor, bfu<br />
Druck/Auflage Bubenberg Druck- und Verlags-AG, Monbijoustrasse 61, CH–3007 Bern<br />
1/2010/600<br />
© bfu/FVS 2010 Alle Rechte vorbehalten; Reproduktion (z. B. Fotokopie), Speicherung, Verarbeitung und<br />
Verbreitung sind mit Quellenangabe (s. Zitationsvorschlag) gestattet.<br />
Dieser Bericht wurde <strong>im</strong> Auftrag des Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) hergestellt. Für den<br />
Inhalt ist die bfu verantwortlich.<br />
Zitationsvorschlag Ewert U, Scaramuzza G, Niemann S, Walter E. <strong>Der</strong> <strong>Faktor</strong> <strong>Geschwindigkeit</strong> <strong>im</strong> <strong>motorisierten</strong><br />
<strong>Strassenverkehr</strong>. Bern: bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung; 2010. bfu-Sicherheitsdossier 06.<br />
Aus Gründen der Lesbarkeit verzichten wir darauf, konsequent die männliche und weibliche<br />
Formulierung zu verwenden.<br />
Aufgrund von Rundungen sind <strong>im</strong> Total der Tabellen leichte Differenzen möglich.<br />
Wir bitten die Lesenden um Verständnis.
Inhalt<br />
I. Abstract / Résumé / Compendio 9<br />
1. Deutsch 9<br />
2. Français 10<br />
3. Italiano 11<br />
II. Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 12<br />
1. Kurzfassung 12<br />
1.1 Einleitung 12<br />
1.2 Exkurs: Raser 12<br />
1.3 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 12<br />
1.4 Unfallgeschehen 13<br />
1.5 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 13<br />
2. Version abrégée 18<br />
2.1 Introduction 19<br />
2.2 Digression: les chauffards 19<br />
2.3 La vitesse de différents points de vue 19<br />
2.4 Accidentalité 20<br />
2.5 Mesures de gestion de la vitesse 20<br />
3. Riassunto 26<br />
3.1 Introduzione 26<br />
3.2 Digressione: pirati della strada 26<br />
3.3 La velocità da diversi punti di vista 26<br />
3.4 Incidentalità 27<br />
3.5 Misure per la gestione della velocità 27<br />
III. Einleitung 33<br />
IV. Exkurs: Raser 35<br />
V. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 37<br />
1. Einleitung 37<br />
2. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus Sicht der Unfallverhütung 37<br />
2.1 <strong>Geschwindigkeit</strong> als Risikofaktor für die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls 37<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Inhalt 5
2.1.1 Reaktionszeit 37<br />
2.1.2 Abweichung von der Durchschnittsgeschwindigkeit als Risikofaktor<br />
für einen Unfall 38<br />
2.2 <strong>Geschwindigkeit</strong> als Risikofaktor für die Schwere von Verletzungen 39<br />
3. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus verkehrstechnischer Sicht 40<br />
4. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus juristischer Sicht 41<br />
4.1 Einleitung 41<br />
4.2 Entwicklung der <strong>Geschwindigkeit</strong>sbeschränkungen 41<br />
4.3 Gesetzliche Vorschriften betreffend <strong>Geschwindigkeit</strong> 43<br />
4.3.1 Absolute Höchstgeschwindigkeiten 43<br />
4.3.2 Anpassen der <strong>Geschwindigkeit</strong> an die Umstände (Art. 32 Abs. 1 SVG und<br />
Art. 4 VRV) 45<br />
5. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus Sicht der Psychologie 47<br />
5.1 Lerntheorie 47<br />
5.2 Theorie des geplanten Verhaltens 48<br />
5.3 Das Risk Speed Model von Taylor (1964) 49<br />
5.4 Contagion Model of Speeding 49<br />
5.5 Persönlichkeitstheorie 49<br />
6. Fazit 50<br />
VI. Unfallgeschehen 51<br />
1. Datenlage 51<br />
2. Unfallgeschehen 1992–2008 52<br />
3. Das aktuelle Unfallgeschehen (2004–2008) 54<br />
4. Fazit 59<br />
VII. Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 60<br />
1. Einleitung 60<br />
2. Höchstgeschwindigkeit 60<br />
3. Motorfahrzeuglenkende 61<br />
3.1 Alter 61<br />
3.2 Geschlecht 62<br />
3.3 Reaktionszeit 62<br />
3.4 Einstellungen 62<br />
3.5 Sensation Seeking 63<br />
3.6 Risikoakzeptanz 64<br />
3.7 Risikowahrnehmung 64<br />
3.8 Alkoholniveau 65<br />
6 Inhalt bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
3.9 Motorfahrzeugbesitz 65<br />
3.10 Anzahl Passagiere 65<br />
3.11 Graduated Driver Licensing 66<br />
3.12 Behandlung von delinquenten Motorfahrzeuglenkenden 66<br />
3.13 Verkehrssicherheitskampagnen 67<br />
3.14 Fazit 68<br />
4. Recht und seine Durchsetzung 68<br />
4.1 Sanktionen nach reinen <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen (ab 01. Januar 2005) 68<br />
4.1.1 Allgemein 68<br />
4.1.2 Strafrechtliche Sanktionen 70<br />
4.1.3 Administrativmassnahmen: insbesondere Verwarnung oder<br />
Führerausweisentzug 71<br />
4.2 Staffelung der Sanktionen in Abhängigkeit von der Gefährlichkeit des<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikts 72<br />
4.3 Demerit points 72<br />
4.4 Kontrolltätigkeit der Polizei 73<br />
4.4.1 Sichtbarkeit 74<br />
4.4.2 Mobile oder stationäre Kontrollen 74<br />
4.4.3 Unbemannte versus bemannte Kontrollen 74<br />
4.4.4 Polizeikontrollen mit oder ohne Ankündigung/Kampagnen? 75<br />
4.4.5 Schnelligkeit der Bestrafung 75<br />
4.4.6 Fakten zur <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelinquenz und zu den Polizeikontrollen<br />
in der Schweiz 75<br />
4.4.7 Section Control 76<br />
4.4.8 Zufällige Auswahl der Kontrollstellen und -zeiten 77<br />
4.4.9 Fazit 78<br />
5. Verkehrstechnik 78<br />
5.1 Einleitung 78<br />
5.1.1 Abgrenzung 78<br />
5.1.2 Problematik der <strong>Strassenverkehr</strong>sunfallstatistik hinsichtlich<br />
verkehrstechnischer Mängel 79<br />
5.1.3 Begriffe 79<br />
5.2 Übergeordnete Ziele 80<br />
5.3 Planung 81<br />
5.4 Infrastruktur 82<br />
5.4.1 Autobahnen 82<br />
5.4.2 Ausserortsstrassen 82<br />
5.4.3 Verkehrsorientierte Innerortsstrassen 87<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Inhalt 7
5.4.4 Siedlungsorientierte Innerortsstrassen 90<br />
5.5 Gestaltung und Betrieb 91<br />
5.5.1 Grundsätzliches 91<br />
5.5.2 Autobahnen und Ausserortsstrassen 92<br />
5.5.3 Innerortsstrassen 92<br />
5.6 Umsetzung in der Schweiz 96<br />
5.6.1 Best<strong>im</strong>mung der durch Infrastrukturmängel bedingten Unfälle 96<br />
5.6.2 Neudefinition der Ausbaugeschwindigkeit in den VSS-Normen 96<br />
5.6.3 Aufwertung der VSS-Normen 96<br />
5.6.4 Ausbildung der Ingenieure und Planer 96<br />
5.6.5 Sensibilisierung von Verwaltungen und Politik für die Bedeutung<br />
der Infrastruktur 97<br />
5.6.6 Instrumente zur systematischen flächendeckenden Sicherheitsüberprüfung<br />
geplanter und bestehender Infrastruktur 97<br />
5.6.7 Erarbeiten diagnostischer Verfahren zur sicherheitstechnischen Analyse der<br />
horizontalen Linienführung 99<br />
5.6.8 Förderung der Umsetzung des bfu-Modells Tempo 50/30. 99<br />
5.7 Fazit 100<br />
6. Fahrzeugtechnische Massnahmen 101<br />
6.1 Deformationszone/Knautschzone 101<br />
6.2 Sicherheitsgurt 102<br />
6.3 Airbags 103<br />
6.4 Elektronisches Stabilitätskontrolle 103<br />
6.5 ISA 105<br />
6.6 Leistungsgewicht 106<br />
6.7 Fazit 106<br />
VIII. Schlussfolgerungen 108<br />
Quellenverzeichnis 109<br />
8 Inhalt bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
I. Abstract / Résumé / Compendio<br />
1. Deutsch<br />
Die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung präsentiert<br />
<strong>im</strong> vorliegenden Sicherheitsdossier evidenzbasierte<br />
Massnahmen zur Entschärfung der<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sproblematik auf Schweizer Strassen.<br />
Wichtig sind nebst der Einhaltung der allgemeinen<br />
Höchstgeschwindigkeit auch die Anpassung<br />
der Fahrgeschwindigkeit an die Verhältnisse.<br />
Aufgrund eines Fehlverhaltens bezüglich <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
werden pro Jahr durchschnittlich<br />
1251 Personen schwer verletzt, 163 sterben. Die<br />
Hälfte der Getöteten erleidet ihr Schicksal bei einem<br />
Selbstunfall auf Ausserortsstrassen, ein Viertel<br />
bei Unfällen innerorts. Autobahnen stellen keinen<br />
Schwerpunkt dar.<br />
Die Unfallfahrer sind hauptsächlich männlich und<br />
eher jung. Alkohol und das soziale Umfeld begünstigen<br />
schnelles Fahren. Die Wirksamkeit der Zweiphasenfahrausbildung<br />
muss diesbezüglich noch<br />
evaluiert werden. Sinnvoll wäre ein Alkoholverbot<br />
für Neulenkende.<br />
Für ein wirksames <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement<br />
haben sich Polizeikontrollen als wichtiges Element<br />
erwiesen. Pro Jahr werden rund 2,5 Mio. Fahrer<br />
wegen überhöhter <strong>Geschwindigkeit</strong> gebüsst. Die<br />
allermeisten Kontrollen werden automatisch<br />
durchgeführt. <strong>Der</strong>en Intensivierung, vor allem auf<br />
Landstrassen, ist notwendig. Zudem sind gut sichtbare<br />
sowie räumlich und zeitlich möglichst zufällig<br />
verteilte bemannte <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
sinnvoll. Nur so kann die für eine Verhaltensände-<br />
rung sehr wichtige Kontrollerwartung gesteigert<br />
werden. Führerausweisentzüge in Kombination mit<br />
verhaltenstherapeutischen Interventionen haben<br />
sich ebenfalls als wirksam erwiesen.<br />
Zur Entschärfung des <strong>Geschwindigkeit</strong>sproblems<br />
trägt auch die Opt<strong>im</strong>ierung einer adäquaten Infrastruktur<br />
bei, mit der das Strassennetz hierarchisiert<br />
sowie selbsterklärende und fehlertolerante Strassen<br />
realisiert werden sollen. Innerorts sind in erster<br />
Linie die Nutzungsansprüche aller Verkehrsteilnehmenden<br />
zu berücksichtigen. Ausserortsstrassen<br />
sind prioritär so zu projektieren, dass sie zu einem<br />
homogenen <strong>Geschwindigkeit</strong>sverlauf führen. Die<br />
Beseitigung von festen Objekten am Strassenrand<br />
(z. B. Mauern, Zäune, Pfosten) und – unter gewissen<br />
Bedingungen – die Montage von Mittelleitschranken<br />
können die Folgen von geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfällen reduzieren. Zur Umsetzung<br />
dieser Interventionen sind Fachleute laufend zu<br />
sensibilisieren sowie Road Safety Audits, Road Safety<br />
Inspections und Black Spot Management für<br />
obligatorisch zu erklären.<br />
Bezüglich Fahrzeugsicherheit ist der Sicherheitsgurt<br />
nach wie vor die wichtigste Massnahme. Ebenfalls<br />
sehr wirkungsvoll ist die elektronische Stabilitätskontrolle,<br />
die das Schleudern verhindern kann.<br />
Auch künftige Fahrzeugtechnik wie ISA (Intelligent<br />
Speed Adaptation) wird einen Beitrag gegen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle<br />
leisten können.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 9
2. Français<br />
Dans ce dossier de sécurité, le bpa – Bureau de<br />
prévention des accidents présente des mesures<br />
basées sur des données probantes et à même d'atténuer<br />
la problématique de la vitesse sur les routes<br />
suisses. Outre le fait de respecter la vitesse max<strong>im</strong>ale<br />
générale, il est <strong>im</strong>portant d'adapter sa vitesse<br />
aux conditions.<br />
En raison d'un comportement erroné relatif à la<br />
vitesse, 1251 personnes sont grièvement blessées<br />
et 163 décèdent chaque année. La moitié des tués<br />
est vict<strong>im</strong>e d'une perte de maîtrise sur des routes<br />
hors localité et un quart subit un accident en localité.<br />
Les autoroutes ne représentent pas une priorité.<br />
Les conducteurs accidentés sont principalement<br />
des hommes plutôt jeunes. L'alcool et le milieu<br />
social favorisent la vitesse au volant. A ce sujet,<br />
l'efficacité de la formation à la conduite en deux<br />
phases doit encore être évaluée. Interdire l'alcool<br />
aux nouveaux conducteurs serait une mesure judicieuse.<br />
Les contrôles de police se sont avérés être un élément<br />
<strong>im</strong>portant d'une gestion efficace de la vitesse.<br />
Chaque année, quelque 2,5 millions de conducteurs<br />
reçoivent une amende pour cause d'excès de<br />
vitesse. La plupart des contrôles sont automatisés.<br />
Il faut les intensifier, surtout sur les routes secondaires.<br />
De plus, il est judicieux de faire des<br />
contrôles de vitesse bien visibles ainsi que des<br />
contrôles spatialement et temporellement répartis<br />
au hasard et effectués par des policiers. C'est la<br />
seule manière d'augmenter la probabilité subjective<br />
d'être contrôlé, si <strong>im</strong>portante pour un changement<br />
de comportement. Les retraits du permis de<br />
conduire en combinaison avec des interventions<br />
thérapeutiques visant à changer le comportement<br />
se sont également avérés efficaces.<br />
Opt<strong>im</strong>iser une infrastructure adéquate en hiérarchisant<br />
le réseau routier et en réalisant des routes<br />
lisibles qui tolèrent les erreurs contribue aussi à<br />
atténuer le problème de la vitesse. A l'intérieur des<br />
localités, il faut en premier lieu tenir compte des<br />
exigences de tous les usagers de la route. Les routes<br />
hors localités doivent prioritairement être<br />
conçues de manière à ce que les vitesses soient<br />
homogènes. L'él<strong>im</strong>ination d'objets fixes au bord de<br />
la route (par ex., murs, clôtures, poteaux) et – sous<br />
certaines conditions, le montage de glissières de<br />
sécurité centrales peuvent réduire les conséquences<br />
d'accidents dus à la vitesse. Pour réaliser ces interventions,<br />
il faut constamment sensibiliser les spécialistes<br />
et rendre obligatoires les safety audits<br />
routiers, les inspections ainsi que la gestion des<br />
points noirs.<br />
En ce qui concerne la sécurité des véhicules, la<br />
ceinture de sécurité reste la mesure la plus <strong>im</strong>portante.<br />
Le contrôle électronique de la stabilité qui<br />
peut prévenir les dérapages est également très<br />
efficace. Les technologies du futur comme ISA<br />
(Intelligent Speed Adaptation) pourront contribuer<br />
à contrer les accidents dus à la vitesse.<br />
10 Abstract / Résumé / Compendio bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
3. Italiano<br />
In questo dossier sicurezza, l'upi – Ufficio prevenzione<br />
infortuni – presenta delle misure basate<br />
sull'evidenza per smorzare la problematica relativa<br />
alla velocità sulle strade svizzere. Oltre al rispetto<br />
dei l<strong>im</strong>iti mass<strong>im</strong>i di velocità è altrettanto <strong>im</strong>portante<br />
adeguare la velocità di marcia alle condizioni<br />
meteo e stradali.<br />
Ogni anno, i comportamenti erronei correlati alla<br />
velocità causano mediamente 1251 feriti gravi e<br />
163 morti. La metà dei morti è coinvolta in un<br />
incidente a veicolo isolato su una strada extraurbana,<br />
un quarto su una strada urbana. Le autostrade<br />
non rientrano tra i punti ad alta incidentalità.<br />
I conducenti coinvolti in un incidente sono prevalentemente<br />
uomini e piuttosto giovani. L'alcol e<br />
l'ambiente sociale favoriscono l'eccesso di velocità.<br />
L'efficacia della formazione in due fasi su tale punto<br />
deve ancora essere valutata. Andrebbe preso in<br />
considerazione un divieto di bere alcolici per i neopatentati.<br />
I controlli della polizia si sono rivelati uno strumento<br />
<strong>im</strong>portante per una gestione efficace della velocità.<br />
Ogni anno si multano circa 2,5 milioni di conducenti<br />
per eccesso di velocità. La stragrande maggioranza<br />
dei controlli è effettuata automaticamente.<br />
Specialmente sulle strade extraurbane è necessario<br />
intensificarli. Inoltre, sono utili dei controlli<br />
della velocità effettuati spazialmente e temporalmente<br />
in modo casuale da agenti che si trovano sul<br />
posto. Solo in questo modo è possibile aumentare<br />
l'aspettativa di essere controllati che è fondamentale<br />
per un cambiamento del comportamento.<br />
Anche le revoche della patente legate a terapie<br />
comportamentali si sono rivelate efficaci.<br />
A contrastare il problema relativo alla velocità contribuisce<br />
anche un'infrastruttura migliorata con cui<br />
gerarchizzare la rete stradale e realizzare delle strade<br />
self explaining che tollerano degli errori. Nell'abitato<br />
va in pr<strong>im</strong>a linea tenuto conto delle esigenze<br />
di tutti gli utenti. Le strade extraurbane vanno progettate<br />
in modo che comportino delle velocità<br />
omogenee. La soppressione di oggetti fissi al bordo<br />
della strada (p. es. muri, staccionate, pali) e, in<br />
particolari condizioni, il montaggio di guardrail<br />
centrali possono ridurre le conseguenze degli incidenti<br />
correlati alla velocità. Per realizzare questi<br />
interventi bisogna continuamente sensibilizzare gli<br />
specialisti e rendere obbligatori i Road Safety Audit,<br />
le Road Safety Inspection e il Black Spot<br />
Management.<br />
In materia di sicurezza dei veicoli, la cintura di sicurezza<br />
è tuttora la misura più <strong>im</strong>portante. Molto<br />
efficace è anche il controllo elettronico della stabilità<br />
che può evitare uno sbandamento. Anche le<br />
tecniche future come l'ISA (sistema intelligente di<br />
adattamento della velocità) contribuirà a ridurre gli<br />
incidenti correlati alla velocità.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Abstract / Résumé / Compendio 11
II. Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto<br />
1. Kurzfassung<br />
1.1 Einleitung<br />
<strong>Der</strong> Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) verfolgt<br />
eine Geldvergabepolitik, die auf Schwerpunkte <strong>im</strong><br />
Unfallgeschehen und wirksame Massnahmen ausgerichtet<br />
ist. Voraussetzung dafür ist ein umfassendes<br />
Wissensmanagement. Die Verwaltungskommission<br />
des FVS hat der bfu – Beratungsstelle<br />
für Unfallverhütung einen langfristig angelegten<br />
Leistungsauftrag für die Erarbeitung der notwendigen<br />
Grundlagen erteilt. Die Sicherheitsdossiers<br />
decken dabei einen wichtigen Teilauftrag ab. Sie<br />
umfassen die präventionsorientierte Analyse von<br />
Schwerpunkten <strong>im</strong> Unfallgeschehen. Diese Dossiers<br />
haben den Anspruch, den aktuellen Wissensstand<br />
wiederzugeben, um evidenzbasierte Entscheidungen<br />
zu ermöglichen.<br />
Die Publikation richtet sich an Personen und Institutionen,<br />
die für die Planung und Finanzierung<br />
von präventions- oder anderen sicherheitsrelevanten<br />
Massnahmen <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> verantwortlich<br />
sind.<br />
Die Fahrgeschwindigkeit der Motorfahrzeuge hat<br />
einen entscheidenden Einfluss auf die Verkehrssicherheit:<br />
Einerseits verkürzen hohe <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
die Zeit, um auf Verkehrssituationen reagieren<br />
zu können, und erhöhen dadurch die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass es zu einem Unfall kommt.<br />
Andererseits beeinflusst die <strong>Geschwindigkeit</strong> die<br />
Schwere eines allfälligen Unfalls. Gerade bei den<br />
sehr verletzlichen Verkehrsteilnehmenden (Fuss-<br />
gänger, Rad- und Motorradfahrende) hängt die<br />
Überlebenswahrscheinlichkeit bei Unfällen sehr<br />
stark von der Kollisionsgeschwindigkeit ab.<br />
1.2 Exkurs: Raser<br />
Ein Thema, das <strong>im</strong> Zusammenhang mit den <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikten<br />
<strong>im</strong>mer wieder auftaucht,<br />
sind die sogenannten Raser. Diese Diskussion widerspiegelt<br />
ein generelles Problem der Prävention,<br />
dass es zwar Hochrisikogruppen gibt (beispielsweise<br />
Raser), diese aber zumeist sehr klein und deshalb<br />
nur für einen eher geringen Teil des Problems<br />
verantwortlich sind. Gruppen hingegen, die nur<br />
leicht auffällig sind (= etwas zu schnell fahren),<br />
sind viel grösser und demzufolge auch viel öfter ein<br />
Teil des Problems (= Unfälle mit überhöhter <strong>Geschwindigkeit</strong>).<br />
Dies bedeutet, dass wirksame Interventionen<br />
sowohl auf Raser als auch auf die breite<br />
Masse ausgerichtet sein müssen.<br />
1.3 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher<br />
Sicht<br />
Insgesamt handelt es sich bei der Fahrgeschwindigkeit<br />
um ein komplexes Thema, das mithilfe<br />
verschiedener Fachdisziplinen zu analysieren und<br />
behandeln ist. Die technische Ausgestaltung des<br />
Systems <strong>Strassenverkehr</strong> und der Fahrzeuge hat<br />
einen <strong>im</strong>mensen Einfluss auf das <strong>Geschwindigkeit</strong>sund<br />
Gefahrenniveau. Die Analyse dieser Einflüsse<br />
ermöglicht die Einflussnahme durch Verkehrstechnik<br />
und Verkehrstelematik. Das Rechtssystem gibt<br />
den gesetzlichen Handlungsrahmen vor und kann<br />
allfällige Verstösse ahnden. Es ist zu prüfen, ob die<br />
12 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
sicherheitsfördernde Wirkung der Vorschriften und<br />
Sanktionsandrohungen gegeben ist und inwiefern<br />
sie opt<strong>im</strong>iert werden kann. Einerseits kann das<br />
Verhalten des Einzelnen beeinflusst werden, andererseits<br />
können sich rechtliche Vorgaben auch an<br />
Systeme respektive an deren Planer richten. Die<br />
Psychologie schliesslich zeigt auf der Grundlage<br />
von verschiedenen Modellen und Theorien auf, wie<br />
das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten der Motorfahrzeuglenkenden<br />
beeinflusst wird und verändert werden<br />
kann. Welche psychologische Theorie am «besten»<br />
ist, kann nicht abschliessend beurteilt werden.<br />
Aber es ist offensichtlich, dass Theorien, die Interventionsmöglichkeiten<br />
aufzeigen, für die Prävention<br />
geeigneter sind als andere, die ein Menschenbild<br />
mit wenig Veränderungspotenzial beinhalten.<br />
1.4 Unfallgeschehen<br />
Zwischen 1992 und 2008 hat gemäss den polizeilich<br />
registrierten Unfällen mit möglichem <strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss<br />
die Anzahl der Leichtverletzten<br />
um 22 %, diejenige der Schwerverletzten<br />
um 47 % und diejenige der Getöteten um 59 %<br />
abgenommen. Aktuell (Durchschnitt 2004–2008)<br />
werden jährlich 1251 Personen bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
schwer verletzt und 163 getötet.<br />
Dabei sind über die Hälfte der Opfer Personenwageninsassen<br />
und annähernd 30 % Motorradfahrende.<br />
Mit rund 5 % resp. 6 % sind aber auch der<br />
Fussverkehr und Radfahrende betroffen. <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle<br />
sind häufig Schleuder-/Selbstunfälle.<br />
Allein 70 % aller Schwerverletzten und Getöteten<br />
gehen auf ihr Konto. Auffällig viele Opfer sind dabei<br />
auf Ausserortsstrassen zu beklagen (57 %).<br />
Durch den hohen Anteil an Schleuder-/Selbstunfällen<br />
sind es meist die Insassen der Fahrzeuge<br />
selbst, die bei Unfällen mit <strong>Geschwindigkeit</strong>sein-<br />
fluss verletzt oder getötet werden. Bei allen Unfällen<br />
mit Beteiligung von Personenwagen und verursacht<br />
durch nicht angepasste oder überhöhte <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
sind drei Viertel der Opfer die Personenwageninsassen<br />
selbst. Jedes 6. Opfer ist Insasse<br />
eines weiteren beteiligten Personenwagens, jedes<br />
15. ein Fussgänger. Bei den durch <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
verursachten Motorradunfällen zeigt sich ein anderes<br />
Verhältnis. Hier sind 95 % der Opfer die Motorradfahrenden<br />
selbst.<br />
Demographisch gesehen sind Motorfahrzeuglenkende,<br />
die ihre Fahrweise nicht den Verhältnissen<br />
anpassen oder die Höchstgeschwindigkeit übertreten,<br />
eher männlich und zwischen 18–24 Jahre alt.<br />
Mit steigendem Alter n<strong>im</strong>mt nicht nur der Anteil an<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen insgesamt ab, sondern<br />
vor allem auch die Häufigkeit der Unterkategorie<br />
«Übertretung der Höchstgeschwindigkeit».<br />
1.5 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement<br />
Damit die Höchstgeschwindigkeiten seltener überschritten<br />
und die gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
den Verhältnissen – seien es Wetter-, Strassenoder<br />
Verkehrsverhältnisse – angepasst werden,<br />
sind Massnahmen notwendig (Tabelle 1, S. 17).<br />
In der Präventionsstrategie gilt es zwei Ansätze zu<br />
verfolgen: Einerseits sollen in der Spezialprävention<br />
Hochrisikogruppen angesprochen werden (z. B.<br />
Raser), andererseits in der Generalprävention die<br />
breite Masse. In der Spezialprävention geht es<br />
konkret darum, Motorfahrzeuglenkende, die mit<br />
massiv unangemessener <strong>Geschwindigkeit</strong> unterwegs<br />
sind, zu erfassen und zu sanktionieren (Strafen<br />
und Administrativmassnahmen wie beispielsweise<br />
Führerausweisentzüge) sowie vor einem<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 13
Rückfall zu bewahren. Zum spezialpräventiven<br />
Ansatz sind auch edukative oder gar therapeutische<br />
Massnahmen zu zählen, die in Kombination<br />
mit Führerausweisentzug angewandt werden. Dieser<br />
Ansatz hat seine Berechtigung, darf aber in<br />
seiner Wirkung nicht überschätzt werden. Aufgrund<br />
der wissenschaftlichen Erfahrung mit verschiedenen<br />
Massnahmen ist die Generalprävention<br />
mindestens genauso wichtig. Dabei muss das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
breiter Schichten der Bevölkerung<br />
angesprochen werden, die sich keinesfalls<br />
als Raser und allenfalls nicht einmal als<br />
Schnellfahrer sehen. Aber angesichts der grossen<br />
Zahl von 2,5 Mio. <strong>Geschwindigkeit</strong>ssündern pro<br />
Jahr ist offensichtlich, dass es sich nicht nur um ein<br />
Problem einer kleinen Minderheit handelt. Es muss<br />
das Gefühl verstärkt werden, dass das Überschreiten<br />
der Höchstgeschwindigkeit – auch in geringem<br />
Mass – bereits schwerwiegende Konsequenzen<br />
haben kann. Neue wissenschaftliche Arbeiten beschreiben<br />
unter dem Stichwort Power-Model einen<br />
weit folgenreicheren Zusammenhang zwischen<br />
Durchschnittsgeschwindigkeit und Unfallgeschehen<br />
als bisher angenommen. So erhöhen z. B. 5 km/h<br />
zu viel <strong>im</strong> Innerortsbereich das Gefährdungspotenzial<br />
um ein Vielfaches gegenüber 5 km/h zu viel auf<br />
Autobahnen. Solche Überlegungen sind <strong>im</strong><br />
Schweizerischen Sanktionensystem für <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikte<br />
enthalten (auf Autobahnen darf die<br />
signalisierte Höchstgeschwindigkeit mehr überschritten<br />
werden als innerorts, bis ein Vergehen<br />
z. B. als schwerwiegend eingestuft wird). Aufgrund<br />
der neuen Erkenntnisse – und wenn gleiche Risikogefährdung<br />
mit gleicher Sanktion einher gehen soll<br />
– wäre ein Überdenken der bisherigen Grenzziehung<br />
jedoch angebracht. So wird heute auf Autobahnen<br />
ein Überschreiten der <strong>Geschwindigkeit</strong> von<br />
mindestens 35 km/h als schwere Widerhandlung<br />
eingestuft (was bei Ersttätern zwingend zu einem<br />
dre<strong>im</strong>onatigen Führerausweisentzug führt), innerorts<br />
um 25 km/h. Möchte man innerorts dieselbe<br />
Risikogefährdung (bzgl. Getöteten) als schwere<br />
Widerhandlung sanktionieren wie auf Autobahnen,<br />
müsste die Grenze innerorts bereits bei einer Überschreitung<br />
von 15 km/h liegen (was heute lediglich<br />
in den Bereich der Ordnungsbussen fällt).<br />
Zentral für das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten der Motorfahrzeuglenkenden<br />
<strong>im</strong> Sinn der Generalprävention<br />
wird jedoch nicht die Strafe sein, sondern die<br />
subjektive Kontrollerwartung bezüglich der polizeilichen<br />
Überwachung. Hier ist in den vergangenen<br />
Jahren Erhebliches geleistet worden. Mittlerweile<br />
wird in der Schweiz bei über 500 Mio. Fahrzeugen<br />
pro Jahr die <strong>Geschwindigkeit</strong> gemessen; die allermeisten<br />
Kontrollen werden mit stationären, unbemannten<br />
Mess-Systemen (Starenkästen) durchgeführt.<br />
Letztere haben allerdings das Problem, dass<br />
ihr Standort bald bekannt ist und sie dann eine<br />
wesentlich geringere präventive Wirkung haben als<br />
die stationären, bemannten Kontrollen an regelmässig<br />
wechselnden Standorten. Sie sind aber auf<br />
jeden Fall dort sinnvoll, wo die Motorfahrzeuglenkenden<br />
aus Sicherheitsgründen langsamer fahren<br />
sollen (Unfallhäufungsstellen). Von den in der<br />
Schweiz auf <strong>Geschwindigkeit</strong> kontrollierten Fahrzeugen<br />
sind nur 3 % ausserorts unterwegs, obwohl<br />
mehr als die Hälfte der Verkehrstoten auf das<br />
Konto dieser Strassenkategorie geht. Hier besteht<br />
Handlungsbedarf.<br />
Aus generalpräventiver Sicht ist es wichtig, dass es<br />
nebst den stationären, unbemannten Mess-Systemen<br />
ausreichend stationäre, bemannte <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
gibt, die klar als solche erkennbar<br />
sind. Im besten Fall werden die Erhebungsorte<br />
und Kontrollzeiten zufällig ausgewählt, so dass die<br />
Motorfahrzeuglenkenden das Gefühl haben, die<br />
14 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Verkehrspolizei könne jederzeit und überall kontrollieren.<br />
Die Problematik dieses nachgewiesenermassen<br />
sehr wirkungsvollen Vorgehens ist, dass man<br />
auch manchmal an Orten und zu Zeiten kontrolliert,<br />
wo nur wenig gefahren wird und die <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
kaum überhöht sind. Dies gegenüber der<br />
Öffentlichkeit und den Behörden zu kommunizieren,<br />
ist wichtig («Hier passiert doch nie etwas ...»).<br />
Neben Sanktionen und Polizeikontrollen gibt es<br />
verschiedene andere Massnahmen, die helfen, das<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sproblem und seine Konsequenzen<br />
zu entschärfen. Einen besonders wichtigen Beitrag<br />
dazu kann die Verkehrstechnik leisten. Die Auswertung<br />
der amtlichen Unfallstatistik zeigt, dass das<br />
geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen insbesondere<br />
auf Strassen ausserorts und innerorts erheblich<br />
ist. Autobahnen spielen trotz höherem <strong>Geschwindigkeit</strong>sniveau<br />
in dieser Hinsicht eine untergeordnete<br />
Rolle. Infrastrukturelle Eingriffe baulicher<br />
und betrieblicher Art zur Beeinflussung der gefahrenen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en bedürfen einer sorgfältigen<br />
Überprüfung hinsichtlich der sicherheitstechnischen<br />
Auswirkungen. Das Beispiel von Radiusreduktionen<br />
in Kurven veranschaulicht das komplexe Zusammenspiel<br />
von <strong>Geschwindigkeit</strong> und Sicherheit. Geringere<br />
Radien erzwingen zwar grundsätzlich geringere<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en, führen aber bei mangelhafter<br />
Projektierung zu mehr Unfällen. Ziel einer adäquaten<br />
Infrastruktur sind pr<strong>im</strong>är eine einfache Hierarchisierung<br />
des Strassennetzes sowie die Realisierung<br />
von selbsterklärenden und fehlertoleranten Strassen.<br />
Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Verkehr<br />
mit angepasster <strong>Geschwindigkeit</strong> zirkuliert.<br />
Innerortsstrassen sind unter Berücksichtigung der<br />
Nutzungsansprüche aller Verkehrsteilnehmenden zu<br />
projektieren, zu bauen und zu betreiben. Das bfu-<br />
Modell Tempo 50/30 ist für das Erreichen dieses<br />
Ziels besonders geeignet. Es sieht vor, alle siedlungsorientierten<br />
Strassen mit Tempo-30-Zonen zu<br />
belegen und alle verkehrsorientierten Strassen innerorts<br />
derart zu gestalten, dass die Sicherheit der<br />
verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden besonders<br />
berücksichtigt wird. Ausserortsstrassen sind so zu<br />
projektieren, dass sie zu einem homogenen <strong>Geschwindigkeit</strong>sverlauf<br />
führen. Korrigierende Massnahmen<br />
(Leitpfeile, abweichende Höchstgeschwindigkeiten)<br />
dürfen nicht von vornherein ins Auge<br />
gefasst werden, um Projektierungsmängel auszubessern.<br />
Die Entfernung von festen Objekten am<br />
Strassenrand (z. B. Mauern, Zäune, Pfosten) und –<br />
unter gewissen Bedingungen – Mittelleitschranken<br />
können die Folgen von geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfällen reduzieren.<br />
Die konkrete Umsetzung dieser Interventionen in<br />
der Schweiz kann durch Massnahmen auf verschiedenen<br />
Ebenen aktiviert werden. Verkehrsingenieure<br />
und Planer sind bereits während des Studiums<br />
und/oder in systematischen Weiterbildungsgängen<br />
ganz speziell auf die erwähnten Punkte zu sensibilisieren.<br />
Flächendeckende Instrumente zur systematischen<br />
Überprüfung geplanter und bestehender<br />
Infrastruktur (Road Safety Audits, Road Safety Inspections,<br />
Black Spot Management) sind als Obligatorium<br />
schweizweit einzuführen.<br />
Die VSS-Normen stellen <strong>im</strong> Verkehrsingenieurwesen<br />
die Regeln der Baukunde dar. <strong>Der</strong>en Umsetzung in<br />
Projekten kann je nach Randbedingungen kostenintensiv<br />
sein. In der Praxis zeigt sich, dass in solchen<br />
Fällen Abstriche in Kauf genommen werden, was<br />
sich sicherheitstechnisch negativ auswirken kann.<br />
Bevölkerung, Politik und Verwaltung sind deshalb<br />
hinsichtlich der sicherheitstechnischen Bedeutung<br />
von Normen und adäquater Infrastruktur zu sensibilisieren.<br />
Dadurch soll die Umsetzung kostenintensi-<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 15
ver, jedoch sicherheitstechnisch relevanter Projekte<br />
gefördert werden.<br />
Schliesslich ist die Umsetzung des bfu-Modells Tempo<br />
50/30 gezielt zu fördern. Dies kann mittels Anpassung<br />
der entsprechenden Verordnungen oder<br />
aktiver Propagierung bei den zuständigen Behörden<br />
und der Bevölkerung erfolgen.<br />
Nun gilt es, nicht nur Unfälle zu verhindern, sondern<br />
– wenn sie trotzdem passieren – die Verletzungsfolgen<br />
zu min<strong>im</strong>ieren. Bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen ist<br />
nach wie vor die Benützung des Sicherheitsgurtes<br />
entscheidend. Hier hat die Schweiz in den letzten<br />
Jahren bedeutende Fortschritte gemacht. Das Rettungspotenzial<br />
ist aber nach wie vor gross. Weitere<br />
Anstrengungen sind nötig.<br />
Fast ebenso wichtig wie der Sicherheitsgurt ist die<br />
elektronische Stabilitätskontrolle, der Schleuderschutz.<br />
Dieser hat sich als sehr wirksam erwiesen<br />
und hilft, Unfälle zu vermeiden oder in ihrer Schwere<br />
zu vermindern, indem er den Motorfahrzeuglenkenden<br />
eine bessere Kontrolle über das Fahrzeug<br />
ermöglicht.<br />
Alkohol ist mit seiner enthemmenden Wirkung ein<br />
Risikofaktor für zu schnelles Fahren. Daher sollte <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit unangepasster <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
auch der Einfluss des Alkohols berücksichtigt werden.<br />
Dazu liegt bereits ein Sort<strong>im</strong>ent an begründeten<br />
und realisierbaren Massnahmen vor, darunter<br />
etwa das Alkoholverbot für Neulenkende.<br />
Junge Neulenkende sind aber nicht nur in alkoholisiertem<br />
Zustand besonders gefährdet und gefährlich.<br />
Mit der Zweiphasenausbildung soll ihr <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
positiv beeinflusst werden.<br />
Die Begleitevaluation dieser Massnahme wird <strong>im</strong><br />
Jahr 2011 aufzeigen, ob die Erwartungen erfüllt<br />
wurden oder ob diese wichtige und aufwändige<br />
Massnahme anzupassen ist.<br />
Eine recht neue und noch nicht breit <strong>im</strong>plementierte<br />
Massnahme ist die Intelligent Speed Adaptation<br />
(ISA). Es geht darum, die Motorfahrzeuglenkenden<br />
auf unterschiedliche Art und Weise über die aktuell<br />
geltenden Höchstgeschwindigkeiten zu informieren.<br />
In der einen oder anderen Form wird sich dieses<br />
System durchsetzen und wohl einen erheblichen<br />
Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten können.<br />
Massenmediale Kampagnen zum Thema Verkehrssicherheit<br />
<strong>im</strong> Allgemeinen und <strong>Geschwindigkeit</strong> <strong>im</strong><br />
Besonderen müssen verschiedene Kriterien erfüllen,<br />
um einen Beitrag zur Verkehrssicherheit leisten zu<br />
können. Insbesondere sollten deren Inhalte auf wissenschaftlichen<br />
Analysen basieren, theoriegeleitet<br />
sein und in der Umsetzung mit anderen Aktivitäten<br />
kombiniert werden. Ein zentraler Punkt der kommunizierten<br />
Inhalte müssen jeweils konkrete Handlungsanweisungen<br />
für die Zielgruppen sein.<br />
Insgesamt muss bezüglich verhaltensändernden<br />
Interventionen für das Fahren mit angepasster <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
(z. B. Kampagnen, Verkehrserziehung,<br />
Nachschulung) festgehalten werden, dass sie einen<br />
umfassenden gesellschaftlichen Ansatz verlangen,<br />
der die demographischen <strong>Faktor</strong>en, die physische<br />
und soziale Umwelt, Persönlichkeits- und Entwicklungsfaktoren,<br />
die Fahrkompetenz u. a. m. berücksichtigen.<br />
Eind<strong>im</strong>ensionale Ansätze, die z. B. die<br />
Motorfahrzeuglenkenden lediglich über Wissensvermittlung<br />
zu einer adäquaten <strong>Geschwindigkeit</strong>swahl<br />
zu motivieren versuchen, werden kaum zum<br />
Ziel führen.<br />
16 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Die Fülle des verfügbaren, in diesem Bericht verwerteten<br />
Wissens darf nicht darüber hinwegtäuschen,<br />
dass einige wichtige Fragen unbeantwortet sind. So<br />
ist beispielsweise der Einfluss des Leistungsgewichts<br />
des Fahrzeugs auf das Fahrverhalten der Motorfahrzeuglenkenden<br />
noch nicht geklärt. Auch der Einfluss<br />
der Passagiere – insbesondere auf das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
bei jungen Lenkenden – ist für die<br />
Schweiz noch nicht untersucht worden. <strong>Der</strong> Bedarf<br />
für weitere Forschungsprojekte ist gegeben.<br />
Tabelle 1<br />
Überblick über alle Massnahmen zur Förderung der Sicherheit <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> hinsichtlich <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
Massnahme<br />
Polizeikontrollen<br />
Empfehlung<br />
Stationäre, bemannte und klar erkennbare <strong>Geschwindigkeit</strong>s-Mess-Systeme Sehr empfehlenswert<br />
Stationäre und unbemannte <strong>Geschwindigkeit</strong>s-Mess-Systeme Sehr empfehlenswert<br />
Zufällige Auswahl der stationären und bemannten <strong>Geschwindigkeit</strong>s-Mess-Stellen nach Ort und Zeit Sehr empfehlenswert<br />
Angekündigte Polizeikontrollen mit begleitender Kampagne Sehr empfehlenswert<br />
Generell intensivierte Polizeikontrollen Sehr empfehlenswert<br />
Einführung von <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen über einen längeren Streckenabschnitt Empfehlenswert (Wirksamkeit sollte erst<br />
noch durch laufende Probephase aufgezeigt<br />
werden)<br />
Nicht zufällige Auswahl der stationären und bemannten <strong>Geschwindigkeit</strong>s-Mess-Stellen (beispielsweise Orte<br />
mit erhöhtem Unfallgeschehen oder mit häufiger Missachtung der Verkehrsvorschriften usw.)<br />
Empfehlenswert<br />
Vermehrte stationäre <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen auf Ausserortsstrassen (bemannt und unbemannt) Empfehlenswert<br />
Mobile <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen mit Zivilfahrzeugen Bedingt empfehlenswert (praktisch keine<br />
generalpräventive Wirkung)<br />
Neulenkende<br />
Prüfung, ob die Zweiphasen-Fahrausbildung <strong>im</strong> Hinblick auf die Wirksamkeit noch verbessert werden muss<br />
(nach Abschluss der Evaluation <strong>im</strong> Jahr 2011)<br />
Präventionsstrategie<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Konzentration der Aktivitäten auf alle <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelinquenten (nicht nur Raser) Sehr empfehlenswert<br />
Massnahmen für die Zielgruppe der besonders schnellen Fahrer (Raser) Empfehlenswert<br />
Fahrzeugtechnik<br />
Einführung von ISA (Intelligent Speed Adaptation) nur mit Anzeige der geltenden Höchstgeschwindigkeit Sehr empfehlenswert<br />
ISA mit Warnung bei Überschreitung der geltenden Höchstgeschwindigkeit Sehr empfehlenswert oder empfehlenswert<br />
(je nach Ausgestaltung)<br />
Bekanntheit und Anwendung elektronischer Stabilitätskontrolle mit Information und Kampagnen deutlich<br />
fördern<br />
Fortführung der bisherigen Aktivitäten zur Steigerung der Gurtentragquoten auf allen Strassenarten und<br />
Sitzplätzen<br />
Obligatorium für Systeme, die den Lenker mit Ton und Warnlicht daran erinnern, wenn jemand <strong>im</strong> Auto nicht<br />
angegurtet ist (auch auf den Rücksitzen)<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Sehr empfehlenswert<br />
ISA, die ausgeschaltet werden kann empfehlenswert<br />
Sehr empfehlenswert, aber abhängig von<br />
der Entwicklung in der EU<br />
ISA, die eingeschaltet werden muss Bedingt empfehlenswert (fraglich, wie oft<br />
und von wem ISA eingeschaltet würde)<br />
Strafen und Administrativmassnahmen<br />
Vermehrter Einsatz der Administrativmassnahme Führerausweisentzug (auch in Kombination mit verhaltensorientierten<br />
Nachschulungskursen) in Ergänzung zu den Strafen<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Evaluation des Kaskadensystems und evtl. Verbesserungsvorschläge Sehr empfehlenswert<br />
Überprüfen der Höhe der <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen innerorts und ausserorts, die zur Festlegung der<br />
Sanktionen (Strafen und Administrativmassnahmen) bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikten führen (unter Berücksichtigung<br />
der neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse, dem Power-Model)<br />
Empfehlenswert<br />
Beschleunigung der Sanktionierung (Strafe und Administrativmassnahme) Empfehlenswert<br />
«Incentive letters» (<strong>im</strong> Sinne eines Mahnbriefs) für <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelinquenten (<strong>im</strong> Rahmen des bestehenden<br />
Systems)<br />
Empfehlenswert (aber auf der Grundlage<br />
der Artikel 16 a, b und c SVG nicht<br />
einfach umsetzbar)<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 17
Fortsetzung Tabelle 1<br />
Überblick über alle Massnahmen zur Förderung der Sicherheit <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> hinsichtlich <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
Massnahme<br />
Verkehrssicherheitskampagnen<br />
Empfehlung<br />
Verkehrssicherheitskampagnen auf theoretischer Grundlage und unter Berücksichtigung des aktuellen wissen- Empfehlenswert (idealerweise kombiniert<br />
schaftlichen Kenntnisstandes zur Opt<strong>im</strong>ierung der Wirksamkeit<br />
mit anderen Massnahmen)<br />
Spezifische Verkehrssicherheitskampagnen zur Bekanntmachung von polizeilichen Kontrollen nach dem<br />
Zufallsprinzip (bzgl. Örtlichkeit und Zeit), so dass den Lenkenden bewusst wird, dass Kontrollen überall und<br />
jederzeit stattfinden<br />
Verhaltensänderung<br />
Anwendung integrativer Konzepte, die psychologische, geschlechtsspezifische und soziale <strong>Faktor</strong>en be<strong>im</strong><br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten berücksichtigen<br />
Erhöhung der subjektiven Risikowahrnehmung durch infrastrukturelle Massnahmen (Beispiel: Strassenbreiten<br />
mit Markierungen optisch einengen)<br />
Fahren unter Alkoholeinfluss<br />
Dem Thema Alkohol sollte weiterhin grosse Aufmerksamkeit <strong>im</strong> Sinne des Sicherheitsdossiers «Beeinträchtigte<br />
Fahrfähigkeit von Motorfahrzeuglenkenden» gewidmet werden<br />
Infrastruktur: Ausbildung der Ingenieure und Planer<br />
Empfehlenswert<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Empfehlenswert<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Erstausbildung: Sensibilisierung bzgl. Verkehrssicherheit sowie Vermittlung fachspezifischen Grundwissens Sehr empfehlenswert<br />
Weiter-/Fortbildung: Organisation und Koordination von fachspezifischen Tagungen sowie<br />
Weiterbildungsobligatorium<br />
Sowohl in der Erstausbildung als auch in der Weiter-/Fortbildung ist die Behandlung folgender Themen in<br />
Bezug auf die Projektierung von Verkehrsanlagen zu intensivieren:<br />
- Entwurf von verkehrsorientierten Innerortsstrassen<br />
- Projektierung von Ausserortsstrassen<br />
- Grundsätze zur Signalisation von Höchstgeschwindigkeiten<br />
Infrastruktur: Instrumente zur Sicherheitsüberprüfung<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Road Safety Audits als standardmässigen Projektteil einführen Sehr empfehlenswert<br />
Road Safety Inspections durchführen, mit Fokussierung auf Fehlertoleranz und Begreifbarkeit von Verkehrsanlagen<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Black Spot Management Empfehlenswert<br />
Infrastruktur: Normen<br />
Neudefinition des Begriffs der Ausbaugeschwindigkeit in den VSS-Normen Bedingt empfehlenswert (nicht dringend)<br />
Infrastruktur: Rechtliche Möglichkeiten<br />
Einforderung und Umsetzung adäquater Infrastruktur Sehr empfehlenswert<br />
Änderung von Artikel 4a der VRV sowie von Artikel 22 der SSV oder Loslösung der Regelungen zu Tempo-<br />
30-Zonen von Artikel 108.2 der SSV<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Haftung von Betreibern defizitärer Infrastruktur bei Unfällen Heute bedingt empfehlenswert<br />
(Hürden und finanzielle Risiken zu hoch),<br />
je nach Entwicklung auf Bundesebene<br />
unter Umständen in Zukunft relevant<br />
Aufwertung gewisser VSS-Normen hinsichtlich rechtlicher Bedeutung, indem sie zu Weisungen des UVEK<br />
erklärt werden<br />
Forschung<br />
Bedingt empfehlenswert (geringe Akzeptanz<br />
erwartet)<br />
Wissenschaftliche Studie zum Einfluss der Passagiere auf das Unfallgeschehen von jungen Lenkenden Sehr empfehlenswert<br />
Machbarkeitsstudie zur genauen Quantifizierung des geschwindigkeitsbedingten Unfallgeschehens, das auf<br />
defizitäre Infrastruktur zurückzuführen ist<br />
Empfehlenswert<br />
Verfahren zur Früherkennung sicherheitstechnischer Mängel in der horizontalen Linienführung Empfehlenswert<br />
Forschungsprojekt zur Wirkung des Leistungsgewichts auf das Fahrverhalten bzw. Unfallgeschehen Empfehlenswert<br />
Prüfung des Konzepts des Sensation Seeking auf seine Tauglichkeit für die Prüfung der charakterlichen<br />
Eignung<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Förderung der Akzeptanz des bfu-Modells Tempo 50/30 bei den zuständigen Behörden und in der Bevölkerung<br />
Bedingt empfehlenswert (rein spezialpräventive<br />
Massnahme für sehr wenige<br />
hochgradig auffällige Lenkende)<br />
Sehr empfehlenswert<br />
Sensibilisierung von Verwaltung und Politik für die Bedeutung der Infrastruktur für die Verkehrssicherheit Empfehlenswert<br />
18 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
2. Version abrégée<br />
2.1 Introduction<br />
Le Fonds de sécurité routière (FSR) poursuit une<br />
politique de subventionnement centrée sur les<br />
accidents prioritaires et des mesures efficaces.<br />
Pour cela, il faut savoir gérer les connaissances. La<br />
commission administrative du FSR a chargé le bpa<br />
– Bureau de prévention des accidents d'un mandat<br />
de prestation à long terme pour que ce dernier<br />
élabore les bases nécessaires. Les dossiers de sécurité<br />
comblent un <strong>im</strong>portant mandat partiel. Ils<br />
comprennent l'analyse axée sur la prévention des<br />
accidents prioritaires. Ces dossiers ont pour ambition<br />
de communiquer l'état actuel des connaissances<br />
afin de permettre des prises de décisions basées<br />
sur des données probantes.<br />
La publication s'adresse à des personnes et à des<br />
institutions responsables de projets et du financement<br />
de mesures préventives ou d'autres mesures<br />
<strong>im</strong>portantes pour la sécurité dans la circulation<br />
routière.<br />
La vitesse des véhicules à moteur a une <strong>im</strong>portance<br />
décisive sur la sécurité routière: d'une part, des<br />
vitesses élevées d<strong>im</strong>inuent le temps disponible pour<br />
pouvoir réagir aux conditions du trafic et augmentent<br />
de ce fait la probabilité d'un accident. D'autre<br />
part, la vitesse influence la gravité d'un éventuel<br />
accident. Et, pour les usagers de la route les plus<br />
faibles (piétons, cyclistes et motocyclistes), la probabilité<br />
de survie en cas d'accident dépend fortement<br />
de la vitesse de collision.<br />
2.2 Digression: les chauffards<br />
Dans le contexte des délits liés à la vitesse, un thème<br />
revient sans cesse: les chauffards. Cette discussion<br />
reflète un problème général en matière de<br />
prévention. Il existe bien des groupes à très haut<br />
risque (les chauffards, par ex.) mais, le plus souvent,<br />
ils sont très petits et, de ce fait, seulement<br />
responsables d'une petite partie du problème. Par<br />
contre, ceux qui roulent un peu trop vite sont<br />
beaucoup plus nombreux et, de ce fait, sont bien<br />
plus souvent partie du problème (= accidents avec<br />
excès de vitesse). Ce qui veut dire que les interventions<br />
efficaces doivent s'adresser aussi bien aux<br />
chauffards qu'au grand public.<br />
2.3 La vitesse de différents points de<br />
vue<br />
La vitesse est un thème complexe qui doit être<br />
analysé et traité à la lumière de différentes disciplines.<br />
La conception technique du système circulation<br />
routière et des véhicules a une influence <strong>im</strong>mense<br />
sur la vitesse et le niveau de danger. L'analyse<br />
de ces influences permet d'intervenir par le<br />
biais de l'ingéniérie du trafic et la télématique routière.<br />
Le système juridique donne le cadre d'action<br />
légale et peut répr<strong>im</strong>er les éventuelles infractions. Il<br />
faut examiner si l'effet de promotion de la sécurité<br />
des prescriptions et des menaces de sanctions existe<br />
et dans quelle mesure il peut être opt<strong>im</strong>isé.<br />
D'une part, le comportement individuel peut être<br />
influencé, d'autre part, des directives juridiques<br />
peuvent aussi s'adresser aux systèmes ou à ceux<br />
qui les conçoivent. Enfin, sur la base de différents<br />
modèles et théories, la psychologie montre comment<br />
le comportement des conducteurs de véhicules<br />
à moteur en matière de vitesse est influencé et<br />
comment il peut être modifié. A ce stade, il n'est<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 19
pas possible de dire quelle théorie psychologique<br />
est la «meilleure». Mais il est évident que les théories<br />
qui présentent des possibilités d'intervention<br />
sont plus appropriées que d'autres qui renferment<br />
une conception de l'homme ayant peu de potentiel<br />
de changement.<br />
2.4 Accidentalité<br />
D'après les accidents avec influence probable de la<br />
vitesse enregistrés par la police, le nombre de blessés<br />
légers a d<strong>im</strong>inué de 22%, celui des blessés<br />
graves de 47% et celui des tués de 59% entre<br />
1992 et 2008. Actuellement (moyenne 2004–<br />
2008) 1251 personnes sont, chaque année, grièvement<br />
blessées et 163 tuées dans des accidents<br />
avec influence probable de la vitesse.<br />
Plus de la moitié des vict<strong>im</strong>es sont des occupants<br />
de voitures de tourisme et presque 30% sont des<br />
motocyclistes. Mais avec respectivement 5% et<br />
6%, les piétons et les cyclistes sont également<br />
affectés. Les accidents liés à la vitesse sont souvent<br />
des pertes de maîtrise. C'est le cas pour 70% des<br />
blessés graves et des tués. De nombreuses vict<strong>im</strong>es<br />
sont à déplorer sur les routes hors localité (57%).<br />
Vu la part <strong>im</strong>portante des pertes de maîtrise, le<br />
plus souvent, ce sont les occupants mêmes du<br />
véhicule qui sont blessés ou tués lors d'accidents<br />
avec influence probable de la vitesse. Pour tous les<br />
accidents <strong>im</strong>pliquant des voitures de tourisme et<br />
causés par une vitesse inadaptée ou excessive, trois<br />
quarts des vict<strong>im</strong>es sont les occupants mêmes de<br />
ces voitures. Une vict<strong>im</strong>e sur six est occupante<br />
d'une voiture antagoniste, une sur quinze est un<br />
piéton. Il en est autrement des accidents de motocyclistes<br />
dus à la vitesse où 95% des vict<strong>im</strong>es sont<br />
les motocyclistes eux-mêmes.<br />
Du point de vue démographique, les conducteurs<br />
de véhicules à moteur qui n'adaptent pas leur manière<br />
de conduire aux conditions ou qui dépassent<br />
la vitesse max<strong>im</strong>ale autorisée sont plutôt de sexe<br />
masculin et âgés de 18 à 24 ans. Non seulement la<br />
part des accidents dus à la vitesse d<strong>im</strong>inue avec<br />
l'âge, mais aussi et surtout la fréquence de la souscatégorie<br />
«dépassement de la vitesse max<strong>im</strong>ale».<br />
2.5 Mesures de gestion de la vitesse<br />
Des mesures sont nécessaires pour que les vitesses<br />
max<strong>im</strong>ales soient moins souvent dépassées et que<br />
les vitesses effectives soient adaptées aux conditions<br />
de la route, du trafic ou météorologiques<br />
(tableau 1, p. 24).<br />
La stratégie préventive doit poursuivre deux approches:<br />
d'une part, une prévention particulière ciblée<br />
sur les groupes à haut risque (les chauffards, par<br />
ex.) et une prévention générale qui s'adresse au<br />
grand public. Dans la prévention particulière, il<br />
s'agit concrètement d'appréhender et de sanctionner<br />
(sanctions et mesures administratives comme le<br />
retrait du permis de conduire, par ex.) les conducteurs<br />
de véhicules à moteur qui roulent à une vitesse<br />
totalement inadaptée et d'empêcher qu'ils ne<br />
récidivent. L'approche de la prévention particulière<br />
comprend aussi des mesures éducatives voire thérapeutiques<br />
appliquées en combinaison avec le<br />
retrait du permis de conduire. Cette approche se<br />
justifie, mais son efficacité ne doit pas être surévaluée.<br />
Vu les expériences scientifiques faites avec<br />
différentes mesures, la prévention générale est au<br />
moins aussi <strong>im</strong>portante. Il faut aborder le comportement<br />
en matière de vitesse de larges couches de<br />
la population qui ne se considèrent nullement<br />
comme des chauffards et même pas comme roulant<br />
trop vite. Mais vu que quelque 2,5 millions de<br />
20 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
conducteurs se rendent coupables de dépassements<br />
de vitesse, il est clair qu'il ne s'agit pas d'un<br />
problème qui ne touche qu'une petite minorité. Il<br />
faut renforcer le sent<strong>im</strong>ent que dépasser la l<strong>im</strong>ite<br />
de vitesse max<strong>im</strong>ale – même de très peu – peut<br />
déjà avoir des conséquences graves. De nouveaux<br />
travaux scientifiques décrivent sous le terme de<br />
modèle «Power» une relation beaucoup plus lourde<br />
de conséquences qu'admise jusqu'ici entre vitesse<br />
moyenne et acccidentalité. Ainsi, par exemple,<br />
5 km/h de trop en localité augmente considérablement<br />
le danger potentiel par rapport à 5 km/h<br />
de trop sur autoroute. Ce genre de considération<br />
est inclus dans le système pénal suisse relatif aux<br />
délits liés à la vitesse (sur autoroute, pour qu'un<br />
délit soit classé comme grave, par ex., la vitesse<br />
max<strong>im</strong>ale signalée peut être davantage dépassée<br />
qu'en localité). En raison de ces nouvelles connaissances<br />
– et si une même prise de risque doit aller<br />
de pair avec une sanction identique – il faudrait<br />
reconsidérer les seuils actuels. De nos jours, sur<br />
autoroute, un dépassement de vitesse de 35 km/h<br />
au moins est considéré comme une infraction grave<br />
(ce qui, pour un pr<strong>im</strong>odélinquant, signifie obligatoirement<br />
un retrait de permis de 3 mois au<br />
min<strong>im</strong>um); en localité, pour la même infraction, le<br />
seuil est de 25 km/h. Si l'on voulait sanctionner la<br />
même mise en danger (relative aux tués) comme<br />
infraction grave en localité comme sur autoroute,<br />
en localité, la l<strong>im</strong>ite serait déjà atteinte avec un<br />
dépassement de 15 km/h (ce qui, actuellement,<br />
relève du domaine des amendes d'ordre).<br />
En ce qui concerne le comportement des conducteurs<br />
de véhicules à moteur en matière de vitesse,<br />
l'essentiel – dans le sens de la prévention générale<br />
– n'est pas la sanction mais la probabilité subjective<br />
d'être contrôlé par la police. Et, dans ce domaine,<br />
beaucoup a été fait au cours des dernières années.<br />
La vitesse de plus de 500 millions de véhicules est<br />
mesurée chaque année en Suisse. La plupart des<br />
contrôles sont effectués avec des systèmes de mesure<br />
fixes automatisés (radars) et ne sont pas annoncés.<br />
Mais l'emplacement de ces derniers est<br />
vite connu, et à partir de ce moment, leur effet<br />
préventif est nettement plus faible que les contrôles<br />
fixes manuels et dont l'emplacement change<br />
régulièrement. Ils sont toutefois très utiles aux<br />
endroits où il faudrait que, pour des raisons de<br />
sécurité, les conducteurs roulent plus lentement<br />
(points noirs). De tous les véhicules dont la vitesse a<br />
été contrôlée en Suisse, seuls 3% roulaient hors<br />
localité, alors que plus de la moitié des tués est à<br />
mettre sur le compte de ce type de route. Il y a<br />
donc nécessité d'agir.<br />
Du point de vue de la prévention générale, il est<br />
<strong>im</strong>portant qu'en plus des systèmes de mesure fixes<br />
et automatisés, il y ait suffisamment de contrôles<br />
de vitesse fixes manuels clairement identifiables<br />
comme tels. Dans le meilleur des cas, le type de<br />
relevé et les heures de contrôle sont choisis au<br />
hasard afin que les conducteurs de véhicules à<br />
moteur aient l'<strong>im</strong>pression que la police de la circulation<br />
peut les contrôler à tout moment et partout.<br />
La problématique de cette méthode dont la très<br />
grande efficacité a été prouvée est que des contrôles<br />
ont parfois lieu aussi à des endroits et à des<br />
heures où le trafic est faible et où les excès de vitesse<br />
sont très peu nombreux. Il est <strong>im</strong>portant de<br />
communiquer cela au public et aux autorités («Ici, il<br />
ne se passe jamais rien ...»).<br />
Outre les sanctions et les contrôles de police, différentes<br />
autres mesures peuvent aider à atténuer le<br />
problème de la vitesse et ses conséquences. La<br />
technique de la circulation peut y contribuer de<br />
manière <strong>im</strong>portante. L'analyse de la statistique<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 21
officielle des accidents montre que l'accidentalité<br />
due à la vitesse est particulièrement <strong>im</strong>portante sur<br />
les routes hors et en localité. Sur ce point, et malgré<br />
un niveau de vitesse plus élevé, les autoroutes ne<br />
jouent qu'un rôle mineur. Les interventions infrastructurelles<br />
d'aménagement et d'exploitation destinées<br />
à influencer les vitesses effectives nécessitent<br />
un contrôle minutieux quant aux effets techniques<br />
de sécurité. L'exemple des réductions de rayons<br />
dans les virages illustre l'interaction complexe entre<br />
la vitesse et la sécurité. Bien qu'avec des rayons plus<br />
petits, on obtient, en principe, des vitesses plus faibles,<br />
des projets mal ficelés augmentent le nombre<br />
d'accidents. Les buts principaux d'une infrastructure<br />
adéquate sont une hiérarchisation s<strong>im</strong>ple du réseau<br />
routier ainsi que la réalisation de routes lisibles qui<br />
tolèrent les erreurs. De cette manière, il est possible<br />
de garantir que le trafic se déroule à une vitesse<br />
adaptée.<br />
Les routes en localité doivent être prévues, construites<br />
et exploitées en tenant compte des exigences<br />
de tous les usagers de la route. Pour atteindre<br />
ce but, le modèle 50/30 km/h du bpa est particulièrement<br />
approprié. Il prévoit d'intégrer toutes les<br />
routes d'intérêt local dans des zones 30 et d'aménager<br />
les routes à orientation trafic à l'intérieur des<br />
localités de manière à tenir particulièrement compte<br />
de la sécurité des usagers de la route les plus<br />
faibles. Les routes hors localité doivent être<br />
conçues de manière à ce que les vitesses soient<br />
homogènes. Il ne faut pas, dès le départ, envisager<br />
des mesures correctrices (flèches de guidage, vitesses<br />
max<strong>im</strong>ales différentes) pour corriger les défauts<br />
du projet. Enlever les objets fixes qui se trouvent au<br />
bord de la chaussée (murs, clôtures, poteaux, par<br />
ex.) et – sous certaines conditions – les glissières de<br />
sécurité centrales peut réduire les conséquences<br />
d'accidents dus à la vitesse.<br />
La mise en oeuvre concrète de ces interventions en<br />
Suisse peut être activée par des mesures à différents<br />
niveaux. Les ingénieurs du trafic et les concepteurs<br />
doivent être particulièrement sensibilisés aux points<br />
susmentionnés déjà pendant leurs études et/ou leurs<br />
cours de formation continue. Des instruments généralisés<br />
d'évaluation systématique d'infrastructures<br />
prévues et existantes (safety audits routiers, inspections<br />
de sécurité routière, gestion des points noirs)<br />
doivent obligatoirement être introduits dans toute la<br />
Suisse.<br />
Pour les ingénieurs du trafic, les normes VSS représentent<br />
les règles de l'art de construire. Leur concrétisation<br />
peut, selon les contraintes, être coûteuse. La<br />
pratique montre que, dans de tels cas, des concessions<br />
pouvant se répercuter négativement sur la<br />
sécurité sont envisagées. Il faut donc sensibiliser la<br />
population, les politiciens et l'administration à<br />
l'<strong>im</strong>portance des normes pour la sécurité ainsi qu'à<br />
l'<strong>im</strong>portance d'infrastructures adéquates. Il sera ainsi<br />
possible de promouvoir la réalisation de projets plus<br />
onéreux mais aussi plus sûrs.<br />
Enfin, il s'agit de promouvoir de manière ciblée le<br />
modèle 50/30 km/h du bpa au moyen d'une adaptation<br />
des ordonnances correspondantes ou par sa<br />
mise en valeur active auprès des autorités compétentes<br />
et de la population.<br />
Il s'agit non seulement de prévenir les accidents mais<br />
– lorsqu'ils ont quand même lieu – d'atténuer les<br />
conséquences des blessures. En ce qui concerne les<br />
accidents dus à la vitesse, le port de la ceinture de<br />
sécurité reste décisif. Dans ce domaine, la Suisse a<br />
fait des progrès notables ces dernières années. Mais<br />
le potentiel de réduction du nombre de vict<strong>im</strong>es<br />
reste <strong>im</strong>portant, et des efforts supplémentaires sont<br />
nécessaires.<br />
22 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Le contrôle électronique de la stabilité, l'antipatinage<br />
est presqu'aussi <strong>im</strong>portant que la ceinture de<br />
sécurité. Il s'est avéré très efficace et aide à éviter les<br />
accidents ou d'en amoindrir la gravité en permettant<br />
au conducteur de mieux maîtriser son véhicule.<br />
Vu son effet désinhibant, l'alcool représente un<br />
facteur de risque d'une conduite trop rapide. Il faudrait<br />
donc aussi tenir compte de l'influence de l'alcool<br />
en relation avec une vitesse inadaptée. Tout un<br />
assort<strong>im</strong>ent de mesures fondées et réalisables existe<br />
déjà dont, par exemple, l'interdiction faite aux nouveaux<br />
conducteurs de consommer de l'alcool avant<br />
de prendre le volant.<br />
Mais les nouveaux jeunes conducteurs ne sont pas<br />
seulement particulièrement dangereux pour euxmêmes<br />
et pour les autres quand ils ont bu. La formation<br />
à la conduite en deux phases doit permettre<br />
d'influencer positivement leur comportement en<br />
matière de vitesse. En 2011, l'évaluation de cette<br />
mesure montrera si les attentes ont été satisfaites ou<br />
s'il faut adapter cette mesure <strong>im</strong>portante.<br />
Une mesure nouvelle et encore peu <strong>im</strong>plantée est<br />
l'Intelligent Speed Adaptation (ISA). Il s'agit d'informer,<br />
de différentes manières, les conducteurs de<br />
véhicules à moteur des vitesses max<strong>im</strong>ales en vigueur.<br />
Ce système va s'<strong>im</strong>poser d'une manière ou<br />
d'une autre et il contribuera certainement à augmenter<br />
la sécurité routière.<br />
Les campagnes médiatiques sur le thème de la<br />
sécurité routière en général et sur la vitesse en particulier<br />
doivent remplir plusieurs critères pour pouvoir<br />
contribuer à la sécurité routière. Leurs contenus<br />
devraient se baser sur des analyses scientifiques, une<br />
théorie et être réalisés en combinaison avec d'autres<br />
activités. Des instructions d'action concrètes pour les<br />
groupes cible doivent toujours être au centre des<br />
contenus communiqués.<br />
En ce qui concerne les interventions visant à changer<br />
le comportement pour une conduite à une vitesse<br />
conforme (par ex.: campagnes, éducation routière,<br />
perfectionnement), retenons qu'elles exigent une<br />
approche sociétale globale qui tienne compte, entre<br />
autres, des facteurs démographiques, de l'environnement<br />
physique et social, de facteurs personnels et<br />
de développement et des capacités nécessaires à la<br />
conduite. Les approches unid<strong>im</strong>ensionnelles qui,<br />
par ex., essaient de motiver les conducteurs de véhicules<br />
à moteur à adopter une vitesse adéquate par<br />
la transmission de connaisssances uniquement n'atteindront<br />
probablement pas leur but.<br />
Les nombreuses connaissances disponibles et utilisées<br />
dans ce rapport ne doivent pas masquer le fait<br />
que quelques questions <strong>im</strong>portantes restent encore<br />
sans réponse. Ainsi, par ex., l'influence de la puissance<br />
massique du véhicule sur le comportement<br />
des conducteurs de véhicules à moteur n'est pas<br />
encore clarifiée. L'influence des passagers – particulièrement<br />
sur le comportement relatif à la vitesse des<br />
jeunes conducteurs – n'a pas encore été étudiée<br />
pour la Suisse. Des recherches supplémentaires sont<br />
donc nécessaires.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 23
Tableau 1<br />
Vue d'ensemble de toutes les mesures de promotion de la sécurité dans la circulation routière relatives à la vitesse<br />
Mesure<br />
Contrôles de police<br />
Recommandation<br />
Systèmes de mesure de la vitesse fixes, manuels et bien reconnaissables Très recommandé<br />
Systèmes de mesure fixes et automatisés Très recommandé<br />
Choix aléatoire des lieux de mesure fixes et manuels selon l'endroit et le moment Très recommandé<br />
Contrôles de police annoncés flanqués d'une campagne Très recommandé<br />
Contrôles de police accrus Très recommandé<br />
Introduction de contrôles de vitesse sur un long tronçon Recommandé (l'efficacité devrait encore<br />
être démontrée au moyen de phases d'essai<br />
en cours)<br />
Choix non aléatoire des endroits de mesure de la vitesse fixes et manuels (par ex., points noirs, violations<br />
des règles de la circulation routière plus fréquentes)<br />
Recommandé<br />
Plus de contrôles de la vitesse fixes sur les routes hors localité (manuels et automatisés) Recommandé<br />
Contrôles de la vitesse mobiles avec des véhicules banalisés Recommandé sous condition (pratiquement<br />
pas d'effet préventif général)<br />
Nouveaux conducteurs<br />
Examiner si la formation à la conduite en deux phases doit encore être améliorée du point de vue de son<br />
efficacité (après la fin de l'évaluation en 2011)<br />
Stratégie préventive<br />
Très recommandé<br />
Concentrer les activités sur tous les délinquants de la vitesse (pas seulement sur les chauffards) Très recommandé<br />
Mesures destinées au groupe cible de ceux qui roulent particulièrement vite (chauffards) Recommandé<br />
Technique du véhicule<br />
Introduction d'ISA (Intelligent Speed Adaptation) seulement avec affichage de la vitesse max<strong>im</strong>ale autorisée Très recommandé<br />
ISA avec avertissement lorsque la vitesse max<strong>im</strong>ale autorisée est dépassée Très recommandé ou recommandé (dépend<br />
de la conception)<br />
Faire connaître et clairement encourager le contrôle électronique de la stabilité (information et campagnes) Très recommandé<br />
Poursuivre les activités pour augmenter le taux de port de la ceinture de sécurité sur tous les types de<br />
routes et sur tous les sièges<br />
Rendre obligatoire les sytèmes sonores et lumineux qui avertissent le conducteur si quelqu'un n'a pas<br />
bouclé sa ceinture (aussi sur les sièges arrière)<br />
Très recommandé<br />
ISA que l'on peut arrêter Recommandé<br />
Très recommandé, mais dépend de l'évolution<br />
dans l'UE<br />
ISA qu'il faut allumer Recommandé sous condition (qui et à<br />
quelle fréquence allumerait ISA?)<br />
Sanctions et mesures administratives<br />
Plus de retraits de permis comme mesure administrative (aussi en combinaison avec des cours visant à<br />
changer le comportement), en complément aux sanctions<br />
Très recommandé<br />
Evaluation du système en cascade et, évent., propositions d'amélioration Très recommandé<br />
Examiner quels excès de vitesses, en et hors localité, déterminent quelles sanctions (sanctions et mesures<br />
administratives) (en tenant compte des dernières connaissances scientifiques, modèle «Power»)<br />
Recommandé<br />
Accélerer le sanctionnement ( sanctions et mesures administratives) Recommandé<br />
Lettre d'avertissement aux délinquants de la vitesse («Incentive letter») (dans le cadre du système actuel) Recommandé (mais difficile à réaliser vu<br />
l'article 16 a, b et c LCR)<br />
24 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
74<br />
Tableau 1 (suite)<br />
Vue d'ensemble de toutes les mesures de promotion de la sécurité dans la circulation routière relatives à la vitesse<br />
Mesure Recommandation<br />
Campagnes de sécurité routière<br />
Campagnes de sécurité routière théoriquement fondées et tenant compte de l'état actuel des connaissances Recommandé (dans l'idéal, combiné à<br />
scientifiques d'opt<strong>im</strong>isation de l'efficacité<br />
d'autres mesures)<br />
Campagnes de sécurité routière spécifiques et aléatoires (en ce qui concerne le lieu et le moment) pour Recommandé<br />
annoncer les contrôles de police, afin que les conducteurs se rendent compte que les contrôles ont lieu<br />
partout et à tout moment<br />
Changer le comportement<br />
Appliquer des concepts intégrants qui, en ce qui concerne le comportement en matière de vitesse, tiennent Très recommandé<br />
compte des facteurs psychologiques, sociaux, liés aux spécificités de chaque sexe<br />
Augmenter la perception subjective du risque par des mesures infrastructurelles (exemple: réduire optique- Recommandé<br />
ment la largeur de la chaussée par un marquage)<br />
Conduite sous l'influence de l'alcool<br />
Le thème de l'alcool au volant doit continuer à faire l'objet de la plus grande attention (cf dossier de sécurité Très recommandé<br />
«Capacité de conduire réduite»<br />
Infrastructure: formation des ingénieurs et des concepteurs<br />
Formation: sensibilisation à la sécurité routière et transmission de connaissances de base spécialisées Très recommandé<br />
Perfectionnement: organisation/coordination de congrès spécialisés et formation continue obligatoire Très recommandé<br />
Pendant la formation tout comme lors de cours de perfectionnement, il faut intensifier le traitement des Très recommandé<br />
thèmes suivants relatifs à la conception d'infrastructures routières:<br />
- projet de routes à orientation trafic en localité<br />
- conception de routes hors localité<br />
- principes de signalisation des vitesses max<strong>im</strong>ales<br />
Infrastructure: instruments de contrôle de la sécurité<br />
Introduire les road safety audits comme partie intégrante du projet Très recommandé<br />
Faire des inspections de sécurité routière en se concentrant sur la tolérance aux erreurs et la compréhension Très recommandé<br />
d'infrastructures de trafic<br />
Gestion des points noirs Recommandé<br />
Infrastructure: normes<br />
Nouvelle définition de la notion de vitesse de base dans les normes VSS Recommandé sous condition (pas urgent)<br />
Infrastructure: possibilités juridiques<br />
Demande et réalisation d'infrastructures adéquates Très recommandé<br />
Modification des articles 4a OCR et 22 OSR ou retrancher la règlementation relative aux zones 30 de l'article Très recommandé<br />
108.2 OSR<br />
Responsabilité de l'exploitant d'infrastructures déficientes en cas d'accident Actuellement, recommandé sous condition<br />
(obstacles et risques financiers trop<br />
élevés), selon l'évolution au niveau<br />
fédéral, peut-être relevant dans le futur<br />
Réévaluation de certaines normes VSS en ce qui concerne leur <strong>im</strong>portance juridique en devenant des directi- Recommandé sous condition (faible<br />
ves du DETEC<br />
acceptation attendue)<br />
Recherche<br />
Etude scientifique sur l'influence des passagers sur l'accidentalité des jeunes conducteurs Très recommandé<br />
Etude de faisabilité sur la quantification exacte des accidents dus à la vitesse, <strong>im</strong>putables à des infrastructures Recommandé<br />
déficientes<br />
Méthode de reconnaissance précoce de défauts techniques de sécurité dans le tracé en plan Recommandé<br />
Projet de recherche sur l'effet de la puissance massique sur la conduite ou sur l'accidentalité Recommandé<br />
Vérifier la validité du concept «sensation seeking» pour examiner l'aptitude caractérielle Recommandé sous condition (mesure de<br />
prévention particulière pure pour très<br />
peu de conducteurs)<br />
Sensibilisation de l'opinion publique<br />
Promouvoir l'acceptation du modèle 50/30 km/h du bpa auprès des autorités compétentes et de la population Très recommandé<br />
Sensibiliser l'administration et le monde politique à l'<strong>im</strong>portance de l'infrastructure pour la sécurité routière Recommandé<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 25
3. Riassunto<br />
3.1 Introduzione<br />
Il Fondo di sicurezza stradale (FSS) persegue un'erogazione<br />
di fondi focalizzata sui punti ad alta<br />
incidentalità e sulle misure efficaci. Ciò è possibile<br />
mediante un'ampia gestione della conoscenza. La<br />
Commissione amministrativa dell'FSS ha commissionato<br />
un mandato di prestazione a lungo termine<br />
con cui chiede all'upi, Ufficio prevenzione infortuni,<br />
di elaborare le basi necessarie. In questo<br />
contesto, i Dossier sicurezza ricoprono un <strong>im</strong>portante<br />
mandato parziale. Questi, infatti, comprendono<br />
l'analisi orientata alla prevenzione dei temi<br />
prioritari nell'antinfortunistica. Questi dossier rivendicano<br />
di contenere lo stato delle conoscenze<br />
attuale per permettere delle decisioni basate<br />
sull'evidenza.<br />
La pubblicazione è destinata a persone e istituzioni<br />
che sono responsabili della pianificazione e del<br />
finanziamento di misure di prevenzione o altre misure<br />
rilevanti per la sicurezza stradale.<br />
La velocità di marcia dei veicoli a motore influenza<br />
in modo determinante la sicurezza stradale: 1) le<br />
velocità elevate accorciano il tempo per poter reagire<br />
a una situazione stradale e aumentano in questo<br />
modo la probabilità che si verifichi un incidente;<br />
2) la velocità influenza la gravità di un eventuale<br />
incidente. Specialmente tra gli utenti molto vulnerabili<br />
(pedoni, ciclisti, motociclisti) la probabilità di<br />
sopravvivenza dipende moltiss<strong>im</strong>o dalla velocità di<br />
collisione.<br />
3.2 Digressione: pirati della strada<br />
Un argomento che spunta continuamente in relazione<br />
ai delitti relativi alla velocità è quello dei cosiddetti<br />
pirati della strada. Questa discussione rispecchia<br />
un problema generale della prevenzione:<br />
esistono dei gruppi ad elevato rischio (per esempio<br />
i pirati della strada), ma a questa categoria spesso<br />
molto piccola e perciò <strong>im</strong>putabile solo una parte<br />
piuttosto esigua del problema. I gruppi invece che<br />
sono solo leggermente evidenti (= che portano<br />
velocità leggermente elevate) sono molto più grandi<br />
e pertanto anche molto più spesso una parte del<br />
problema (= incidenti con eccesso di velocità). Ciò<br />
significa che gli interventi efficaci devono mirare sia<br />
ai pirati della strada sia alla vasta massa.<br />
3.3 La velocità da diversi punti di vista<br />
Complessivamente la velocità di marcia è un tema<br />
complesso che va analizzato e affrontato mediante<br />
diverse discipline. L'arredo tecnico del sistema "circolazione<br />
stradale" e dei veicoli influenza <strong>im</strong>mensamente<br />
il livello di velocità e di pericolo. L'analisi<br />
di questi influssi permette di intervenire con la<br />
tecnica del traffico e la telematica stradale. Il sistema<br />
legislativo stabilisce il raggio d'azione giuridico<br />
e permette di perseguire le eventuali infrazioni. Va<br />
verificato se le norme o le sanzioni previste hanno<br />
l'effetto desiderato sulla promozione della sicurezza<br />
e in quale modo possono essere migliorate. Le<br />
misure giuridiche possono influenzare il comportamento<br />
del singolo, ma anche i sistemi rispettivamente<br />
i pianificatori. La psicologia, infine, illustra in<br />
base a diversi modelli e teorie come viene influenzato<br />
e può essere cambiato il comportamento relativo<br />
alla velocità dei conducenti di veicoli a motori.<br />
Non è possibile valutare in via definitiva quale sia la<br />
teoria psicologica «migliore». Ma è evidente che le<br />
26 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
teorie che illustrano delle possibilità di intervento<br />
sono più idonee di quelle che contengono un aspetto<br />
umano con un esiguo potenziale di cambiamento.<br />
3.4 Incidentalità<br />
Tra il 1992 e il 2008, negli incidenti probabilmente<br />
correlati alla velocità e rilevati dalla polizia il numero<br />
dei feriti leggeri è d<strong>im</strong>inuito del 22%, quello dei<br />
feriti gravi del 47% e quello dei morti del 59%.<br />
Attualmente (media 2004–2008) gli incidenti correlati<br />
alla velocità comportano ogni anno 1251 feriti<br />
gravi e 163 morti.<br />
In oltre la metà dei casi le vitt<strong>im</strong>e erano occupanti<br />
di un'automobile e quasi nel 30% dei casi si è<br />
trattato di motociclisti. Con appross<strong>im</strong>ativamente il<br />
5% e il 6% sono stati coinvolti anche rispettivamente<br />
dei pedoni e dei ciclisti. Gli incidenti correlati<br />
alla velocità rientrano spesso nella categoria degli<br />
sbandamenti/incidenti a veicolo isolato. Ben il 70%<br />
di tutti i feriti gravi e morti sono riconducibili a tale<br />
causa. Sono state contate particolarmente molte<br />
vitt<strong>im</strong>e sulle strade extraurbane (57%). L'elevata<br />
percentuale di sbandamenti/incidenti a veicolo<br />
isolato comporta prevalentemente il fer<strong>im</strong>ento o la<br />
morte degli occupanti stessi dei veicoli. In tutti gli<br />
incidenti che vedono coinvolti delle automobili e<br />
che sono causati dalla velocità non adeguata o<br />
eccessiva, tre quarti delle vitt<strong>im</strong>e sono gli occupanti<br />
stessi delle auto. 1 vitt<strong>im</strong>a su 6 viaggiava in un'altra<br />
automobile coinvolta nell'incidente, 1 su 15 era un<br />
pedone. Negli incidenti motociclistici correlati alla<br />
velocità è emerso un altro rapporto. In questo caso,<br />
il 95% delle vitt<strong>im</strong>e è il motociclista stesso.<br />
Dal punto di vista demografico, i conducenti di un<br />
veicolo a motore che non adeguano la loro guida<br />
alle condizioni meteo o del traffico oppure che<br />
superano il l<strong>im</strong>ite di velocità rientrano piuttosto<br />
nella categoria dei maschi tra i 18 e i 24 anni. Più<br />
aumenta l'età, più d<strong>im</strong>inuisce non solo complessivamente<br />
la percentuale degli incidenti correlati alla<br />
velocità, ma soprattutto anche la frequenza della<br />
sottocategoria «superamento del l<strong>im</strong>ite di velocità».<br />
3.5 Misure per la gestione della velocità<br />
Affinché i l<strong>im</strong>iti di velocità vengano superati più<br />
raramente e le velocità adeguate alle condizioni<br />
meteo, dello stato della strada o del traffico è necessario<br />
intervenire con delle misure idonee (tabella<br />
1, p. 31).<br />
Nella strategia di prevenzione vanno seguiti due<br />
proced<strong>im</strong>enti: 1) nella prevenzione speciale bisogna<br />
rivolgersi ai gruppi ad alto rischio (p. es. pirati della<br />
strada) e 2) nella prevenzione generale alla vasta<br />
massa. La prevenzione speciale mira a individuare e<br />
a sanzionare i conducenti di veicoli a motore che<br />
viaggiano a velocità inadeguata (pene e misure<br />
amministrative come per esempio il ritiro della<br />
patente) e a <strong>im</strong>pedire che diventano recidivi. La<br />
prevenzione speciale comprende anche misure<br />
educative o persino terapeutiche applicate in combinazione<br />
con la revoca della licenza di condurre.<br />
Questo proced<strong>im</strong>ento è fondato, ma non va sopravvalutato<br />
nei suoi effetti. In base all'esperienza<br />
scientifica con diverse misure, la prevenzione generale<br />
è almeno altrettanto <strong>im</strong>portante. Significa che<br />
c'è bisogno di occuparsi del comportamento relativo<br />
alla velocità di una vasta parte della popolazione<br />
che non si autodefinisce assolutamente come pirata<br />
della strada e che è convinta di non correre<br />
quando è al volante. Ma l'elevato numero di 2,5<br />
milioni di persone che ogni anno commettono un<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 27
infrazione la dice lunga sulla situazione: non si<br />
tratta solo di un problema di una piccola minorità.<br />
Va rafforzata l'<strong>im</strong>pressione che il superamento del<br />
l<strong>im</strong>ite di velocità – anche solo di poco – può già<br />
comportare conseguenze gravi. Nuovi lavori scientifici<br />
descrivono alla voce "power model" un nesso<br />
con conseguenze molto più ampie tra la velocità<br />
media e l'incidentalità di quanto supposto finora.<br />
Un superamento della velocità di p. es. 5 km/h<br />
nell'abitato incrementa il potenziale di pericolosità<br />
per un multiplo rispetto a 5 km/h in più sull'autostrada.<br />
Tali riflessioni sono contenute nel sistema<br />
delle sanzioni svizzero per i delitti relativi alla velocità<br />
(sulle autostrade il l<strong>im</strong>ite di velocità segnalato<br />
può essere superato di più rispetto alle strade urbane<br />
pr<strong>im</strong>a che un'infrazione venga considerata<br />
grave). In base ai dati scientifici nuovi – e se per il<br />
medes<strong>im</strong>o rischio di pericolo deve essere usata la<br />
stessa misura di sanzione – sarebbe però opportuno<br />
ripensare i l<strong>im</strong>iti fissati. Pertanto oggi sulle autostrade<br />
un superamento del l<strong>im</strong>ite di velocità di<br />
almeno 35 km/h è considerata un'infrazione grave<br />
(in caso di pr<strong>im</strong>a infrazione comporta obbligatoriamente<br />
il ritiro della patente per tre mesi), sulle<br />
strade urbane un superamento di 25 km/h. Se sulle<br />
strade urbane si vorrebbe sanzionare come infrazione<br />
grave il medes<strong>im</strong>o rischio di pericolo (relativo<br />
a morti) come sulle autostrade, sulle strade urbane<br />
il l<strong>im</strong>ite dovrebbe essere fissato già a un superamento<br />
di 15 km/h (che oggi viene sanzionato soltanto<br />
con una multa disciplinare).<br />
Nel senso della prevenzione generale, per il comportamento<br />
relativo alla velocità per i conducenti di<br />
un veicolo a motore non sarà centrale la sanzione<br />
bensì l'aspettativa soggettiva di essere controllati<br />
dalla polizia. In questo ambito negli ult<strong>im</strong>i anni è<br />
stato fatto moltiss<strong>im</strong>o. Nel frattempo, in Svizzera si<br />
rileva ogni anno la velocità di oltre 500 milioni di<br />
veicoli; la stragrande maggioranza dei controlli<br />
viene effettuata con radar fissi senza la presenza di<br />
agenti. Questi però hanno lo svantaggio che la loro<br />
ubicazione è presto nota e che pertanto hanno un<br />
effetto preventivo notevolmente minore rispetto ai<br />
radar mobili con la presenza di agenti di polizia<br />
ubicati regolarmente in diversi luoghi. Sono però in<br />
ogni caso utili là dove i conducenti di veicoli a motore<br />
devono moderare la velocità per motivi di<br />
sicurezza (punti nevralgici). In Svizzera solo il 3%<br />
dei veicoli che ha subito un controllo della velocità<br />
viaggiava su una strada extraurbana, benché oltre<br />
la metà dei morti sradali sia stata rilevata su questo<br />
tipo di strada. In questo caso urgono misure.<br />
Dal punto di vista della prevenzione generale è<br />
<strong>im</strong>portante che oltre ai radar fissi senza agenti sul<br />
posto ci sia anche un numero sufficiente di radar<br />
fissi con la presenza di agenti di polizia ben in vista.<br />
Nel migliore dei casi i punti e gli orari per i controlli<br />
sono scelti a caso, in modo che i conducenti dei<br />
veicoli a motore abbiano l'<strong>im</strong>pressione che la polizia<br />
stradale possa effettuare un controllo in qualsiasi<br />
momento e dappertutto. La problematica di<br />
questo proced<strong>im</strong>ento provatamente molto efficace<br />
è che a volte si effettuano controlli anche in luoghi<br />
e a orari con poco traffico e con l<strong>im</strong>iti di velocità<br />
raramente superati. È <strong>im</strong>portante che questo venga<br />
comunicato alla popolazione e alle autorità («Ma<br />
qui non succede mai niente ...»).<br />
Oltre alle sanzioni e ai controlli della polizia esiste<br />
tutta una gamma di altre misure per smorzare la<br />
problematica relativa alla velocità e le sue conseguenze.<br />
Un contributo molto <strong>im</strong>portante può venire<br />
dalla tecnica del traffico. Dall'analisi della statistica<br />
ufficiale degli incidenti emerge che l'incidentalità<br />
correlata alla velocità è elevata specialmente<br />
sulle strade urbane ed extraurbane. Nonostante il<br />
28 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
maggior livello di velocità, in questo caso le autostrade<br />
giocano un ruolo subordinato. Gli interventi<br />
infrastrutturali (architettura ed esercizio) volti ad<br />
influenzare le velocità devono essere vagliati attentamente<br />
in merito agli effetti sulla sicurezza. L'esempio<br />
della riduzione dei raggi nelle curve illustra i<br />
complessi nessi tra velocità e sicurezza. Raggi inferiori<br />
<strong>im</strong>pongono delle velocità minori, ma comportano<br />
più incidenti se progettati in modo lacunoso.<br />
Gli obiettivi di un'infrastruttura adeguata sono<br />
principalmente: 1) creare una gerarchia semplice<br />
della rete stradale e 2) realizzare strade del tipo self<br />
explaining che tollerano degli errori. In questo modo<br />
si vuole garantire che il traffico circoli a velocità<br />
adeguata.<br />
Le strade urbane vanno progettate, costruite e<br />
gestite in modo da tener conto delle esigenze di<br />
tutti gli utenti della strada. Il modello dell'upi 50/30<br />
all'ora si presta particolarmente bene per raggiungere<br />
questo obiettivo poiché integra tutte le strade<br />
a funzione di servizio in una zona con l<strong>im</strong>ite di<br />
velocità 30 km/h e prevede di arredare tutte le<br />
strade a funzione di traffico nell'abitato in modo<br />
da offrire la maggior sicurezza possibile agli utenti<br />
della strada più vulnerabili. Le strade extraurbane<br />
vanno progettate in modo che comportino delle<br />
velocità omogenee. Le misure correttive (frecce<br />
direttrici, l<strong>im</strong>iti di velocità divergenti) non vanno<br />
prese in considerazione dall'inizio per correggere le<br />
lacune di progettazione. La distanza degli oggetti<br />
fissi al bordo della strada (p. es. muri, staccionate,<br />
pali) e – a determinate condizioni – i guardrail centrali<br />
possono ridurre le conseguenze degli incidenti<br />
correlati alla velocità.<br />
La realizzazione concreta di questi interventi in<br />
Svizzera può essere attivata mediante delle misure<br />
a diversi livelli. Gli ingegneri del traffico e i pianifi-<br />
catori vanno sensibilizzati già durante lo studio e/o<br />
in sistematiche formazioni continue in modo particolare<br />
ai punti menzionati. Gli strumenti a tappeto<br />
per controllare sistematicamente l'infrastruttura<br />
progettata ed esistente (Road Safety Audit, Road<br />
Safety Inspection, Black Spot Management) vanno<br />
resi obbligatori per tutta la Svizzera.<br />
Le norme VSS rappresentano le regole dell'arte<br />
edilizia nella tecnica del traffico. La loro applicazione<br />
in un progetto può rivelarsi costosa a seconda<br />
delle condizioni quadro. Nella prassi emerge che in<br />
tali casi si tende a risparmiare, accettando dei possibili<br />
effetti negativi sulla sicurezza. Pertanto bisogna<br />
sensibilizzare la popolazione, la politica e<br />
l'amministrazione nei confronti del significato in<br />
materia di sicurezza delle norme e delle infrastrutture<br />
adeguate. In tal modo si intende promuovere<br />
la realizzazione di progetti costosi ma con un elevato<br />
livello di sicurezza.<br />
Infine va promosso in modo mirato la realizzazione<br />
del modello upi 50/30 all'ora. Questo può essere<br />
fatto con l'adeguamento delle relative ordinanze o<br />
con la propagazione attiva tra le autorità competenti<br />
o la popolazione.<br />
Tuttavia non bisogna solo prevenire gli incidenti,<br />
ma – se comunque dovessero verificarsi – min<strong>im</strong>izzare<br />
anche le conseguenze delle ferite. L'uso della<br />
cintura di sicurezza è tuttora fondamentale per gli<br />
incidenti correlati alla velocità. Negli ult<strong>im</strong>i anni, la<br />
Svizzera ha fatto dei progressi significativi in questo<br />
campo. Tuttavia il potenziale di riduzione del numero<br />
delle vitt<strong>im</strong>e è ancora elevato. Sono pertanto<br />
necessari ulteriori sforzi.<br />
Quasi altrettanto <strong>im</strong>portante quanto la cintura di<br />
sicurezza è il controllo elettronico della stabilità.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 29
Questo si è rivelato molto efficace e contribuisce a<br />
prevenire gli incidenti o a ridurne la gravità, intervenendo<br />
in modo che il conducente possa avere un<br />
miglior controllo sul veicolo.<br />
L'alcol disinibisce ed è pertanto un fattore di rischio<br />
per l'eccesso di velocità. Pertanto quando si parla<br />
di velocità inadeguata va tenuto conto anche degli<br />
effetti dell'alcol. A tale scopo è già a disposizione<br />
una vasta gamma di misure scientificamente fondate<br />
e realizzabili come per esempio il divieto di<br />
bere alcolici per i neopatentati.<br />
I neopatentati giovani però non costituiscono un<br />
pericolo e non sono loro stessi in pericolo solo se<br />
hanno bevuto troppo. Con la formazione in due<br />
fasi si intende influenzare positivamente il loro<br />
comportamento relativo alla velocità. Nel 2011,<br />
l'indagine che accompagna questa misura mostrerà<br />
se le aspettative sono state soddisfatte oppure se<br />
questa misura <strong>im</strong>portante e <strong>im</strong>pegnativa deve essere<br />
adeguata.<br />
Una misura relativamente nuova e non ancora<br />
<strong>im</strong>plementata su vasta scala è il sistema intelligente<br />
di adattamento della velocità (ISA). Si tratta di un<br />
sistema che informa i conducenti di veicoli a motore<br />
in diversi modi sui l<strong>im</strong>iti di velocità in vigore in<br />
un determinato punto. Questo sistema si <strong>im</strong>porrà<br />
nell'una o nell'altra forma, apportando certamente<br />
un notevole contributo alla sicurezza stradale.<br />
Le campagne massmediali relative alla sicurezza<br />
stradale in generale e alla velocità in particolare<br />
devono soddisfare diversi criteri per poter contribuire<br />
a una maggiore sicurezza stradale. I loro contenuti<br />
dovrebbero, in particolare, basarsi su analisi<br />
scientifiche, essere guidati dalla teoria e realizzati in<br />
combinazione con altre attività. Punto centrale dei<br />
contenuti comunicati devono sempre essere delle<br />
indicazioni comportamentali concrete per i destinatari.<br />
Complessivamente va sottolineato che gli interventi<br />
per promuovere una guida con velocità adeguata<br />
(p. es. campagne, educazione stradale, corsi di<br />
ripetizione) esigono un approccio globale che tiene<br />
conto dei seguenti aspetti nella società: fattori<br />
demografici, ambiente fisico e sociale, fattori relativi<br />
a personalità e sviluppo, competenza a condurre<br />
ecc. Gli approcci monod<strong>im</strong>ensionali che per esempio<br />
vogliono motivare i conducenti di veicoli a motore<br />
semplicemente mediante l'istruzione ad adeguare<br />
la velocità, saranno difficilmente coronati di<br />
successo.<br />
La quantità del sapere disponibile e integrato in<br />
questo rapporto non deve illudere sul fatto che<br />
alcuni dei quesiti <strong>im</strong>portanti sono ancora irrisolti.<br />
L'influsso del rapporto peso/potenza del veicolo sul<br />
comportamento alla guida dei conducenti, per<br />
esempio, non è ancora chiarito. Nemmeno l'influsso<br />
dei passeggeri – in particolare sul comportamento<br />
relativo alla velocità tra i conducenti giovani – è<br />
ancora stato studiato in Svizzera. È dunque ancora<br />
necessario effettuare ulteriori ricerche.<br />
30 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Tabella 1<br />
Panoramica su tutte le misure per promuovere la sicurezza stradale correlata alla velocità<br />
Misura<br />
Controlli della polizia<br />
Raccomandazione<br />
Radar fissi, con presenza di agenti e ben in vista Molto raccomandabile<br />
Radar fissi e senza presenza di agenti Molto raccomandabile<br />
Scelta casuale dell'ubicazione e degli orari dei radar fissi con presenza di agenti Molto raccomandabile<br />
Controlli annunciati e fiancheggiati da campagna Molto raccomandabile<br />
Controlli generalmente intensificati Molto raccomandabile<br />
Introdurre controlli della velocità su una tratta stradale più lunga Raccomandabile (efficacia dovrebbe<br />
ancora essere mostrata mediante fase di<br />
prova in corso)<br />
Scelta non casuale dei radar fissi con presenza di agenti (per esempio luoghi ad alta incidentalità oppure con<br />
frequenti infrazioni ecc.)<br />
Raccomandabile<br />
Maggiori controlli della velocità fissi sulle strade extraurbane (con e senza agenti) Raccomandabile<br />
Controlli della velocità mobili con auto civetta Parzialmente raccomandabile (praticamente<br />
nessun effetto di prevenzione<br />
generale)<br />
Neopatentati<br />
Verificare se la formazione in due fasi va migliorata per ottenere una maggiore efficacia (dopo conclusione<br />
della valutazione nel 2011)<br />
Strategia di prevenzione<br />
Molto raccomandabile<br />
Concentrare le attività su tutti i conducenti che superano il l<strong>im</strong>ite di velocità (non solo pirati della strada) Molto raccomandabile<br />
Misure per la categoria dei conducenti che superano di molto il l<strong>im</strong>ite di velocità (pirati della strada) Raccomandabile<br />
Tecnica dei veicoli<br />
Introdurre il sistema di adattamento della velocità ISA (Speed Adaptation) solo con l'indicazione del l<strong>im</strong>ite di<br />
velocità in vigore<br />
Molto raccomandabile<br />
ISA con avvert<strong>im</strong>ento se si supera il l<strong>im</strong>ite di velocità in vigore Molto raccomandabile o raccomandabile<br />
(dipende da come è realizzato)<br />
Promuovere notevolmente la notorietà e l'uso del controllo elettronico della stabilità mediante informazione e<br />
campagne<br />
Continuare le attuali attività per incrementare il tasso d'uso delle cinture su tutte le strade e su tutti i posti a<br />
sedere<br />
Rendere obbligatori i sistemi acustici e luminosi che informano il conducente che una persona a bordo non è<br />
allacciata (anche sui sedili posteriori)<br />
Molto raccomandabile<br />
Molto raccomandabile<br />
ISA che può essere disattivato Raccomandabile<br />
Molto raccomandabile, ma dipendente<br />
dallo sviluppo nell'Ue<br />
ISA che deve essere attivato Parzialmente raccomandabile (da chi e<br />
con quale frequenza verrebbe attivato<br />
ISA?)<br />
Pene e misure amministrative<br />
Applicare maggiormente la misura amministrativa che prevede il ritiro della patente (anche in combinazione<br />
con corsi di rieducazione) per integrare le sanzioni<br />
Molto raccomandabile<br />
Valutazione del sistema a cascata ed eventuali proposte di miglioria Molto raccomandabile<br />
Verificare di quanto è stato superato il l<strong>im</strong>ite di velocità sulle strade urbane ed extraurbane nelle infrazioni<br />
che hanno servito come base per stabilire le pene e le misure amministrative (tenendo conto dei recenti dati<br />
scientifici, del Power-Model)<br />
Raccomandabile<br />
Accelerare i sanzionamenti (pena e misura amministrativa) Raccomandabile<br />
«Incentive letters» (nel senso di un sollecito) per chi ha superato il l<strong>im</strong>ite di velocità (nel quadro del sistema<br />
esistente)<br />
Raccomandabile (ma in base articoli 16<br />
a, b e c LCStr non facile da realizzare)<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto 31
Continuazione Tabella 1<br />
Panoramica su tutte le misure per promuovere la sicurezza stradale correlata alla velocità<br />
Misura<br />
Campagne di sicurezza stradale<br />
Raccomandazione<br />
Campagne di sicurezza stradale basate su teoria e che tengono conto degli attuali dati scientifici per migliora- Raccomandabile (ideale se combinato<br />
re l'efficacia<br />
con altre misure)<br />
Campagne di sicurezza stradale specifiche per annunciare i controlli della polizia effettuati in luoghi e orari<br />
scelti a caso, in modo che il conducente si renda conto che i controlli possono essere effettuati in qualsiasi<br />
luogo e orario<br />
Cambiamento del comportamento<br />
Usare concetti integrativi che tengono conto di fattori psicologici, sociali e relativi al sesso nell'ambito del<br />
comportamento relativo alla velocità<br />
Aumentare la percezione soggettiva del rischio mediante misure infrastrutturali (esempio: restringere otticamente<br />
la larghezza della strada mediante segnali orizzontali)<br />
Guidare sotto l'effetto di alcol<br />
All'alcol va ancora dedicato molta attenzione nel senso del dossier sicurezza «Capacità di guida l<strong>im</strong>itata dei<br />
conducenti di veicoli a motore» (riassunto in italiano)<br />
Infrastruttura: formazione di ingegneri e pianificatori<br />
Pr<strong>im</strong>a formazione: sensibilizzare nei confronti della sicurezza stradale e istruzione di nozioni base tecnicospecifiche<br />
Formazione continua: organizzare e coordinare convegni tecnico-specifici e rendere obbligatoria la formazione<br />
continua<br />
Sia nella pr<strong>im</strong>a formazione sia nella formazione continua va intensificato l'approfond<strong>im</strong>ento dei seguenti<br />
argomenti in materia di progettazione di <strong>im</strong>pianti stradali:<br />
- progettazione di strade urbane a funzione di traffico<br />
- progettazione di strade extraurbane<br />
- principi per segnalare i l<strong>im</strong>iti mass<strong>im</strong>i di velocità<br />
Infrastruttura: strumenti per verificare la sicurezza<br />
Raccomandabile<br />
Molto raccomandabile<br />
Raccomandabile<br />
Molto raccomandabile<br />
Molto raccomandabile<br />
Molto raccomandabile<br />
Molto raccomandabile<br />
Introdurre i Road Safety Audit come fase di progetto standard Molto raccomandabile<br />
Organizzare Road Safety Inspection focalizzati sulla tolleranza di errori e la leggibilità intuitiva degli <strong>im</strong>pianti<br />
stradali<br />
Molto raccomandabile<br />
Black Spot Management Raccomandabile<br />
Infrastruttura: norme<br />
Ridefinire il termine "velocità di progetto" nelle norme VSS Parzialmente raccomandabile (non<br />
urgente)<br />
Infrastruttura: possibilità giuridiche<br />
Esigere e realizzare un'infrastruttura adeguata Molto raccomandabile<br />
Modificare l'articolo 4a della ONC nonché l'articolo 22 della OSStr oppure scorporare le regolamentazioni<br />
relative alle zone 30 km/h dall'articolo 108.2 della OSStr<br />
Molto raccomandabile<br />
Responsabilità dei gestori di infrastrutture lacunose in caso di incidenti Oggi parzialmente raccomandabile<br />
(ostacoli e rischi economici troppo alti), a<br />
seconda dello sviluppo a livello federale<br />
eventualmente rilevante in futuro<br />
Rivalutare determinate norme VSS rispetto al loro significato giuridico, dichiarandole direttive del DATEC Parzialmente raccomandabile (probabilmente<br />
poco accettato)<br />
Ricerca<br />
Studio scientifico sull'influenza dei passeggeri sull'incidentalità dei conducenti giovani Molto raccomandabile<br />
Studio sulla fattibilità per quantificare in modo preciso l'incidentalità correlata alla velocità che è dovuta a<br />
un'infrastruttura lacunosa<br />
Raccomandabile<br />
Proced<strong>im</strong>ento per riconoscere presto le carenze di sicurezza del tracciato orizzontale Raccomandabile<br />
Progetto di ricerca sugli effetti del rapporto peso/potenza sul comportamento alla guida ovvero sull'incidentalità<br />
Verificare se il concetto del sensation seeking (ricerca di sensazioni) possa essere usato per verificare l'idoneità<br />
caratteriale<br />
Relazioni pubbliche<br />
Raccomandabile<br />
Parzialmente raccomandabile (pura<br />
misura di prevenzione speciale per<br />
pochiss<strong>im</strong>i conducenti altamente toccati<br />
dal problema)<br />
Promuovere l'approvazione del modello upi 50/30 all'ora tra le autorità competenti e nella popolazione Molto raccomandabile<br />
Sensibilizzare l'amministrazione e la politica nei confronti del significato dell'infrastruttura per la sicurezza<br />
stradale<br />
Raccomandabile<br />
32 Kurzfassung / Version abrégée / Riassunto bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
III. Einleitung<br />
<strong>Der</strong> Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) verfolgt<br />
eine Geldvergabepolitik, die auf Schwerpunkte <strong>im</strong><br />
Unfallgeschehen und wirksame Massnahmen ausgerichtet<br />
ist. Voraussetzung dafür ist ein umfassendes<br />
Wissensmanagement. Die Verwaltungskommission<br />
des FVS hat der bfu – Beratungsstelle<br />
für Unfallverhütung einen langfristig angelegten<br />
Leistungsauftrag für die Erarbeitung der notwendigen<br />
Grundlagen erteilt. Die Sicherheitsdossiers<br />
decken dabei einen wichtigen Teilauftrag ab. Sie<br />
umfassen die präventionsorientierte Analyse von<br />
Schwerpunkten <strong>im</strong> Unfallgeschehen. Diese Dossiers<br />
haben den Anspruch, den aktuellen Wissensstand<br />
wiederzugeben, um evidenzbasierte Entscheidungen<br />
zu ermöglichen.<br />
Die Publikation richtet sich an Personen und Institutionen,<br />
die für die Planung und Finanzierung<br />
von Präventions- oder anderen sicherheitsrelevanten<br />
Massnahmen <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> verantwortlich<br />
sind.<br />
Das Thema <strong>Geschwindigkeit</strong> polarisiert aus verschiedener<br />
Sicht: <strong>Geschwindigkeit</strong>, sei es in Form<br />
von Höchstgeschwindigkeiten oder auch in Form<br />
des <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhaltens der Auto- und<br />
Motorradfahrenden ist ein Politikum. Die Raser-<br />
Debatte wird seit Jahren intensiv geführt. Es ist<br />
Aufgabe der Experten die teilweise plakativen<br />
Analysen und Lösungsvorschläge zu bewerten und<br />
den wirksamen Lösungen zum Durchbruch zu<br />
verhelfen.<br />
Die Höchstgeschwindigkeiten sind <strong>im</strong>mer wieder<br />
ein Diskussionsgegenstand. Die Schweiz hat – wie<br />
viele andere Länder auch – in den vergangenen<br />
Jahrzehnten die allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten<br />
gesenkt. Nebst anderen <strong>Faktor</strong>en dürfte dies<br />
einer der Gründe sein, warum die Schweiz <strong>im</strong> internationalen<br />
Vergleich der Unfallstatistik gut abschneidet.<br />
Zusammen mit Schweden und Holland<br />
gehört die Schweiz diesbezüglich zur Spitze in<br />
Europa. Pro 1 Mio. Einwohner gab es <strong>im</strong> Jahr 2006<br />
in der Schweiz 50 Getötete, in Schweden 49 und<br />
in Holland 45.<br />
Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – gibt<br />
es <strong>im</strong>mer wieder Bestrebungen, die allgemeinen<br />
Höchstgeschwindigkeiten, insbesondere auf Autobahnen,<br />
zu lockern bzw. zu erhöhen.<br />
Die Fahrgeschwindigkeit hat einen entscheidenden<br />
Einfluss auf die Verkehrssicherheit: Einerseits verkürzen<br />
hohe <strong>Geschwindigkeit</strong>en die Zeit, um auf<br />
Verkehrssituationen reagieren zu können, und<br />
erhöhen dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass es<br />
zu einem Unfall kommt. Andererseits beeinflusst<br />
die <strong>Geschwindigkeit</strong> die Schwere eines allfälligen<br />
Unfalls. Gerade bei den sehr verletzlichen Verkehrsteilnehmenden<br />
(Fussgänger, Rad- und Motorradfahrende)<br />
hängt die Überlebenswahrscheinlichkeit<br />
bei Unfällen sehr stark von der Kollisionsgeschwindigkeit<br />
ab.<br />
Die gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en haben einen<br />
doppelten Einfluss auf die Umwelt. Einerseits steigt<br />
der Benzinverbrauch mit höherer <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
überproportional. So war beispielsweise die<br />
Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h, die in der<br />
Schweiz aus Anlass der ersten Ölkrise <strong>im</strong> Jahr 1973<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Einleitung 33
vorübergehend eingeführt worden war, mit dem<br />
verringerten Energieverbrauch begründet worden.<br />
Davis [1] konnte aufzeigen, dass das Verhältnis<br />
zwischen Kraftstoffverbrauch und gefahrener <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
eine umgekehrte U-Funktion ist. Die<br />
Anzahl gefahrener Meilen pro verbrauchte Gallone<br />
Benzin (= ca. 4 Liter) ist am höchsten <strong>im</strong> Bereich<br />
von 40 bis 55 mph (Meilen pro Stunde), d. h. zwischen<br />
65 und 90 km/h. <strong>Der</strong> Mehrverbrauch führt<br />
zu mehr Abgasen, wobei sich die heutige Diskussion<br />
vor allem auf das kl<strong>im</strong>aschädigende CO2 und<br />
den Feinstaub, der durch Dieselfahrzeuge und<br />
Autoreifen produziert wird, konzentriert.<br />
<strong>Der</strong> andere wichtige Umwelteffekt der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
ist der Lärm. In der Schweiz sind laut Bundesamt<br />
für Umwelt (BAFU) etwa 1,2 Mio. Menschen<br />
oder 16 % der Schweizer Wohnbevölkerung<br />
tagsüber schädlichem oder lästigem Verkehrslärm<br />
ausgesetzt [2]. Nachts sind es <strong>im</strong>mer noch 10 %.<br />
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Verkehrslärm<br />
zu verringern, beispielsweise mit Flüsterasphalt<br />
und geräuscharmen PW-Reifen. Eine weitere<br />
Möglichkeit ist die gefahrene <strong>Geschwindigkeit</strong>. Sie<br />
wirkt sich insbesondere auf die Wind- und Rollgeräusche<br />
aus. Schliesslich soll eine Verringerung der<br />
gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong> um 20 km/h den<br />
Lärm in etwa halbieren.<br />
Entsprechende Abklärungen haben gezeigt, dass<br />
viele Sicherheitsmassnahmen auch positive Auswirkungen<br />
auf die Umweltbelastung haben. In diesem<br />
Sinn dürfte das Sicherheitsdossier <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
auch über Verkehrssicherheitskreise hinaus von<br />
Interesse sein.<br />
Neben den negativen Effekten der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
darf man nicht vergessen, dass ein erheblicher Teil<br />
der Bevölkerung Freude am schnellen Fahren hat:<br />
Hunderttausende erhalten jedes Jahr Bussen wegen<br />
überhöhter <strong>Geschwindigkeit</strong>. Autorennen<br />
haben viele Fans, Fahrzeuge werden getunt usw.<br />
Weitere oft genannte Gründe für schnelles Fahren<br />
sind Eile, die Tatsache, dass man von anderen, die<br />
dicht auffahren, dazu gezwungen wird oder auch<br />
die Einschätzung, dass moderne Autos schneller<br />
fahren können. Deshalb wird ein Bericht, der die<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> aus Verkehrssicherheitssicht thematisiert,<br />
wohl auch Anstoss erregen.<br />
34 Einleitung bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
IV. Exkurs: Raser<br />
Ein Thema, das <strong>im</strong> Zusammenhang mit den <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikten<br />
<strong>im</strong>mer wieder auftaucht<br />
sind die sogenannten Raser. Dabei stellt sich zunächst<br />
einmal die Frage was überhaupt ein Raser<br />
ist. Offensichtlich ist es jemand, der zu schnell<br />
fährt, und zwar deutlich zu schnell. Wiprächtiger<br />
stellt verschiedene mögliche Definitionen vor [3].<br />
Im Zusammenhang mit der Initiative «Kampf gegen<br />
Raser» wurden 80 km/h in Tempo-30-Zonen,<br />
100 km/h innerorts, 160 km/h ausserorts oder<br />
200 km/h auf Autobahnen genannt. Jürg Boll von<br />
der Zürcher Staatsanwaltschaft versteht darunter<br />
Motorfahrzeuglenkende, die durch eine besonders<br />
drastische Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit<br />
oder eine andere hochriskante Fahrweise wie<br />
Durchführung von Autorennen auf öffentlichen<br />
Strassen auffallen. Wiprächtiger selber neigt einer<br />
eher psychologischen Definition zu, die die Motivation<br />
für die Übertretung der Höchstgeschwindigkeit<br />
berücksichtigt. Diese Differenzierung scheint<br />
allerdings aus Sicht der Verkehrssicherheit, bei der<br />
es ja um die kinetischen Energien bei einem Unfall<br />
geht, weniger sinnvoll (Die Frage der Motivation ist<br />
dann allerdings bei therapeutischen/rehabilitativen<br />
Interventionen bedeutsam). Auch die bfu hat eine<br />
Definition von Rasern. Sie beinhaltet einerseits eine<br />
Überschreitung der Höchstgeschwindigkeiten in<br />
der Grössenordnung der schweren Widerhandlungen<br />
(um mindestens 25 bis 35 km/h, je nach Strassenart)<br />
und andererseits eine Gefährdung anderer<br />
Verkehrsteilnehmer bzw. Nichtanpassung an die<br />
Witterungsverhältnisse. Einig scheint man sich<br />
jedoch zu sein, dass es eine erhebliche Überschreitung<br />
der erlaubten Höchstgeschwindigkeit gegeben<br />
haben muss.<br />
Es gibt pro Jahr rund 140 000 Anzeigen wegen<br />
überhöhter <strong>Geschwindigkeit</strong>. 21 500 Personen<br />
wurden von den Gerichten wegen grober Verkehrsregelverletzungen<br />
verurteilt. Die Verurteilten<br />
sind zum allergrössten Teil Männer, je die Hälfte<br />
unter und über 35 Jahre alt und knapp die Hälfte<br />
Ausländer.<br />
Ein Vergleich der Verurteilungen nach dem <strong>Strassenverkehr</strong>sgesetz<br />
mit der Unfallstatistik, insbesondere<br />
was die Anzahl ausländischer Motorfahrzeuglenkender<br />
angeht, ist nicht möglich, da nicht alle<br />
Kantone Nationalität und Wohnort der Ausländer<br />
korrekt kodieren. Man muss jedoch konstatieren,<br />
dass Unfälle mit einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit<br />
nur einen Teil der <strong>Geschwindigkeit</strong>sproblematik<br />
ausmachen (das Überschreiten<br />
der Höchstgeschwindigkeit n<strong>im</strong>mt Platz 3 der verschiedenen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>smängel ein) und dass<br />
die <strong>Geschwindigkeit</strong>smängel generell «nur» bei<br />
jedem 4. schweren Unfall von der Polizei als Ursache<br />
gesehen werden.<br />
Somit würde eine Beschränkung der <strong>Geschwindigkeit</strong>sproblematik<br />
auf eine Raserdebatte allein dem<br />
Thema nicht gerecht. Die Hochrisikogruppe mit<br />
äusserst bedenklichen Einstellungen zur <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
und einem dementsprechenden Verhalten<br />
ist gezielt anzugehen. Aber selbst wenn diese vollständig<br />
aus dem <strong>Strassenverkehr</strong> el<strong>im</strong>iniert würde,<br />
so gäbe es dennoch <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle und<br />
Unfälle wegen überhöhter <strong>Geschwindigkeit</strong>.<br />
Diese Frage erinnert stark an die Unfalldebatte der<br />
frühen Verkehrssicherheitsarbeit aus dem Beginn<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Exkurs: Raser 35
des 20. Jahrhunderts. Dort war überlegt worden,<br />
die unfallträchtigsten Motorfahrzeuglenkenden zu<br />
el<strong>im</strong>inieren. Es hatte sich zwar herausgestellt, dass<br />
es Personen mit höherem Unfallrisiko gibt, dass<br />
aber deren Ausschluss vom <strong>Strassenverkehr</strong> nur<br />
marginale Verbesserungen der Verkehrssicherheit<br />
bringen würde, da der weitaus grösste Teil der<br />
Unfälle durch an sich unauffällige Personen verursacht<br />
wird.<br />
Diese Diskussion widerspiegelt ein generelles Problem<br />
der Prävention, dass es zwar Hochrisikogruppen<br />
gibt (beispielsweise Raser), diese aber zumeist<br />
sehr klein sind und deshalb auch nur für einen eher<br />
geringen Teil des Problems verantwortlich sind.<br />
Gruppen hingegen, die nur leicht auffällig sind<br />
(= etwas zu schnell fahren) sind sehr viel grösser<br />
und demzufolge auch sehr viel öfter ein Teil des<br />
Problems (= Unfälle mit überhöhter <strong>Geschwindigkeit</strong>).<br />
Für eine wirksame Prävention bedeutet dies,<br />
dass zweigleisig gefahren werden muss: Einerseits<br />
sollen die präventiven Anstrengungen pr<strong>im</strong>är darauf<br />
abzielen, die Motorfahrzeuglenkenden dazu zu<br />
bringen etwas langsamer und situationsangepasster<br />
zu fahren. Ergänzend ist eine Hochrisikogruppenstrategie<br />
notwendig. Für beide Strategien bedarf<br />
es je adäquater Massnahmen technischer,<br />
pädagogischer und / oder rechtlicher Natur.<br />
36 Exkurs: Raser bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
V. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht<br />
1. Einleitung<br />
In diesem Kapitel werden verschiedene Ansätze/<br />
Perspektiven zur <strong>Geschwindigkeit</strong>sthematik und<br />
der Problemanalyse dargestellt. Diese zeigen auf,<br />
dass das Problem verschiedene Ursachen hat – und<br />
dass Lösungen auf verschiedensten Ebenen gefunden<br />
werden müssen.<br />
2. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus Sicht der Unfallverhütung<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> hat, wie erwähnt, einen zweifachen<br />
Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Einerseits<br />
steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem<br />
Unfall kommt, mit steigender <strong>Geschwindigkeit</strong>.<br />
Daneben hat die <strong>Geschwindigkeit</strong> aber auch einen<br />
Einfluss darauf, wie schwer ein Unfall ist.<br />
2.1 <strong>Geschwindigkeit</strong> als Risikofaktor für<br />
die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls<br />
Die Gründe dafür, dass sich bei höheren <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
mehr Unfälle ereignen sind vielfältig.<br />
Es besteht eine erhöhte Gefahr, dass man die<br />
Kontrolle über das Fahrzeug verliert, man hat weniger<br />
lange Zeit auf Hindernisse jeglicher Art zu<br />
reagieren, auch andere Verkehrsteilnehmende<br />
verschätzen sich möglicherweise hinsichtlich tatsächlichen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en des schnelleren<br />
Fahrzeugs und können somit weniger gut und<br />
nicht ausreichend schnell reagieren.<br />
Es gibt etliche Studien, die sich mit dem Zusammenhang<br />
von gefahrener <strong>Geschwindigkeit</strong> und<br />
Unfallwahrscheinlichkeit beschäftigt haben. <strong>Der</strong><br />
Zusammenhang ist eindeutig. Je schneller gefahren<br />
wird, umso grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass<br />
es zu einem Unfall kommt. In den verschiedenen<br />
Studien variiert dieses Ausmass. Wenn man sich<br />
nur auf die Unfälle mit Verletzten konzentriert, so<br />
besteht nach Elvik et al. in etwa eine quadratische<br />
Beziehung zwischen prozentualem Anstieg der<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> und prozentualem Anstieg der<br />
Unfälle mit Verletzten [4]. Eine 10%ige Erhöhung<br />
der gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en würde somit zu<br />
einem Anstieg der verletzten Personen um 21 %<br />
führen. Wenn man sich hingegen nur auf die Unfälle<br />
mit Sachschaden konzentriert, dann ist es<br />
hingegen ein direkter linearer Zusammenhang<br />
(Abbildung 3, S. 40).<br />
Eine Meta-Analyse von Elvik und Vaa basierend auf<br />
36 Studien ergab, dass pro Stundenkilometer <strong>Geschwindigkeit</strong>sreduktion<br />
die Anzahl der Unfälle um<br />
2 % abnahm [5].<br />
2.1.1 Reaktionszeit<br />
In diesem Zusammenhang soll auch kurz die Frage<br />
der Reaktionszeiten angeschnitten werden. Reaktionszeiten<br />
werden oft pauschal mit einer Sekunde<br />
abgerechnet. Die empirischen Befunde, die es zu<br />
diesem Thema gibt, legen nahe, dass es zwar möglich<br />
ist, innerhalb von einer Sekunde zu reagieren,<br />
dass aber unter normalen Alltagsbedingungen<br />
diese Zeiten erheblich grösser sein dürften. Durchschnittlich<br />
muss wohl eher mit 1,25 bis 1,5 Sekunden<br />
gerechnet werden. Wenn die allermeisten<br />
Bremsmanöver abgedeckt werden sollen, dann<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 37
muss wohl mit Reaktionszeiten (genauer «perception-reaction<br />
t<strong>im</strong>e») von 2 Sekunden oder noch<br />
mehr gerechnet werden. Dies ist in verschiedener<br />
Hinsicht wichtig. Neulenkende müssen die richtigen<br />
Zeiten lernen, damit sie sich für rechtzeitiges<br />
Anhalten dementsprechend verhalten, Verkehrstechniker<br />
müssen dies in ihrer Arbeit berücksichtigen<br />
um beispielweise für ausreichende Sichtweiten<br />
zu sorgen. Und selbst in den Bereich der Unfallbegutachtung<br />
und der Rechtsprechung spielt dies<br />
hinein. Die bfu arbeitet zurzeit daran, diese Problematik<br />
mit den betroffenen Gruppen zu diskutieren.<br />
2.1.2 Abweichung von der Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
als Risikofaktor für einen<br />
Unfall<br />
Eines der frühen Resultate zum Thema <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
war, dass sich die Unfallrate pro gefahrenen<br />
Kilometer mit der Abweichung von der durchschnittlich<br />
gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong> erhöht (Uförmige<br />
Funktion, Abbildung 1 [6]). Die geringste<br />
Unfallrate wurde für Fahrzeuge gefunden, die geringfügig<br />
schneller fahren als die Durchschnittsgeschwindigkeit.<br />
Wenn jedoch deutlich schneller oder<br />
deutlich langsamer als die Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
gefahren wurde, stieg die Unfallwahrscheinlichkeit<br />
an. Dieses Resultat wurde von verschiedenen<br />
Autoren gefunden [7,8]. Allerdings gibt<br />
es methodische Einwände. Die Resultate scheinen<br />
methodische Artefakte gewesen zu sein, die dadurch<br />
zustande kamen, dass die langsam fahrenden<br />
Fahrzeuge andere Fahrmanöver wie beispielsweise<br />
Linksabbiegen durchgeführt haben, die mit<br />
höherem Unfallrisiko verbunden sind.<br />
Fildes et al. [9] konnten mit einer genaueren Untersuchung<br />
die U-Funktion nicht mehr nachweisen<br />
und fanden eine lineare Beziehung zwischen <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
und Unfallrisiko.<br />
Auch Kloeden et al. [10] kamen mit einer Fall-<br />
Kontroll-Studie zu ähnlichen Resultaten, wobei bei<br />
ihnen allerdings die Beziehung nicht linear war wie<br />
bei Fildes und Lee, sondern bei höherer <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
einen Knick nach oben aufwies.<br />
Insgesamt muss man also konstatieren, dass nicht<br />
die Abweichung von den durchschnittlichen gefahrenen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en das Unfallrisiko erhöht.<br />
Vielmehr ist es nach aktuellem Wissensstand so,<br />
dass das Unfallrisiko mit zunehmender <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
<strong>im</strong>mer mehr ansteigt.<br />
Abbildung 1<br />
Verschiedene Resultate betreffend Zusammenhang der Abweichung<br />
von der durchschnittlichen gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
und der Unfallwahrscheinlichkeit<br />
Quelle: TRB [6]<br />
38 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
2.2 <strong>Geschwindigkeit</strong> als Risikofaktor für<br />
die Schwere von Verletzungen<br />
Insbesondere für die Fussgängersicherheit und die<br />
Sicherheit anderer «vulnerable road user» ist die<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> ein entscheidendes Element, denn<br />
deren Überleben hängt in sehr starkem Masse von<br />
den Kollisionsgeschwindigkeiten ab. Exemplarisch<br />
sollen hier Ergebnisse von Pasanen ([11] zitiert nach<br />
[12]) präsentiert werden, die aufzeigen, wie dramatisch<br />
die Sterbewahrscheinlichkeit der Fussgänger<br />
mit zunehmender Kollisionsgeschwindigkeit ansteigt.<br />
Bei einer Kollision mit 30 km/h sterben weniger<br />
als 6 % der Fussgänger, bei 50 km/h sind es<br />
jedoch bereits 40 % (Abbildung 2). In Wahrheit ist<br />
diese Kurve noch weitaus dramatischer, weil ein<br />
grosser Teil der getöteten Fussgänger höheren<br />
Alters ist und deren Sterbewahrscheinlichkeit noch<br />
grösser ist als diejenige der durchschnittlichen Erwachsenen.<br />
Diese Kurve entspricht derjenigen, die<br />
die bfu in ihren Publikationen meistens verwendet<br />
und die das Problem wohl realistischer darstellt als<br />
diejenige von Pasanen.<br />
Abbildung 2<br />
Sterbewahrscheinlichkeit der Fussgänger in Abhängigkeit von<br />
der <strong>Geschwindigkeit</strong> des Fahrzeugs mit dem kollidiert wird, in<br />
Prozent<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
km/h<br />
Sterbewahrscheinlichkeit<br />
Quelle: Peden et al. [12]<br />
Das Power-Model von Nilsson [13] zeigt auf, wie<br />
die Wahrscheinlichkeit des Unfallgeschehens in<br />
Abhängigkeit von Änderungen der Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
variiert. Es handelt sich dabei um<br />
eine exponentielle Funktion. Bei einer Erhöhung<br />
der <strong>Geschwindigkeit</strong> um x % (=1+x/100) steigt die<br />
Anzahl beispielsweise der Unfälle mit Getöteten<br />
auf (1+x/100) 4 . Bei Nilsson betrug der Exponent für<br />
Unfälle mit Getöteten 4, für Unfälle mit Schwerverletzten<br />
und Getöteten 3 und für alle Unfälle mit<br />
Verletzten 2. Das ursprüngliche Power-Model wurde<br />
von Elvik et al. einer empirischen Überprüfung<br />
unterzogen. Dabei zeigte sich, dass die Zahlen von<br />
Nilsson zwar gut aber nicht ganz korrekt waren.<br />
Elvik et al. kamen zu folgenden Exponenten [4]:<br />
• Getötete: 4,5 (Konfidenzintervall: 4,1–4,9)<br />
• Schwerverletzte: 3,0 (2,2–3,8)<br />
• Leichtverletzte: 1,5 (1,0–2,0)<br />
• Alle Verletzten: 2,7 (0,9–4,5)<br />
• Unfälle mit Getöteten: 3,6 (2,4–4,8)<br />
• Unfälle mit Schwerverletzten: 2,4 (1,1–3,7)<br />
• Unfälle mit Leichtverletzten: 1,2 (0,1–2,3)<br />
• Alle Unfälle mit Verletzten: 2,0 (1,3–2,7)<br />
• Unfälle mit Sachschaden: 1,0 (0,2–1,8)<br />
Wenn man diese Zusammenhänge in grafischer<br />
Form darstellt, dann erkennt man, dass Veränderungen<br />
der <strong>Geschwindigkeit</strong>en (egal ob nach oben<br />
oder nach unten) sich besonders stark auf die<br />
schwersten Unfälle bzw. Verletzungen auswirken.<br />
So ergibt ein Anstieg der durchschnittlichen <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
um 10 % (also beispielsweise von 50<br />
auf 55 km/h) einen Anstieg der Getöteten um<br />
54 %. Die Anzahl der Leichtverletzten hingegen<br />
steigt nur um 15 %. Umgekehrt ist es auch so,<br />
dass Reduktionen der <strong>Geschwindigkeit</strong>en sich besonders<br />
positiv bei der Anzahl der Getöteten sowie<br />
der Schwerverletzten auswirken: Hier würde eine<br />
Reduktion der <strong>Geschwindigkeit</strong> um 10 % die<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 39
Todesfälle um 38 %, die Zahl der Schwerverletzten<br />
um 27 % senken (Abbildung 3).<br />
Das Power-Model zeigt auf, warum es für die Verkehrssicherheit<br />
so wichtig ist, dass die Höchstgeschwindigkeiten<br />
nicht überschritten werden und<br />
warum es sinnvoll ist, dass alle Autofahrer – und<br />
nicht nur die viel zu schnell Fahrenden – ermutigt<br />
werden sollten, langsamer zu fahren. Jeder kann<br />
durch eine verlangsamte Fahrweise einen Beitrag<br />
zur Verbesserung der Verkehrssicherheit leisten.<br />
Abbildung 3<br />
Prozentuale Entwicklung der Zahlen der Unfallbeteiligten bzw.<br />
Unfälle nach prozentualer <strong>Geschwindigkeit</strong>sänderung [4]<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
-50<br />
-100<br />
-30<br />
-27<br />
-24<br />
-21<br />
-18<br />
-15<br />
-12<br />
-9<br />
-6<br />
-3<br />
0<br />
3<br />
6<br />
9<br />
12<br />
15<br />
18<br />
21<br />
24<br />
27<br />
30<br />
Quelle: Elvik et al. [4]<br />
Getötete Schwerverletzte<br />
Leichtverletzte Unfälle mit Sachschaden<br />
3. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus verkehrstechnischer<br />
Sicht<br />
Die <strong>Geschwindigkeit</strong> ist in der Verkehrstechnik eine<br />
wichtige Grösse für die Bemessung, den Betrieb und<br />
die Beurteilung von Verkehrsanlagen.<br />
Als Grundlage für die Projektierung einer Strasse<br />
dienen die Ausbaugeschwindigkeit und die Projektierungsgeschwindigkeit<br />
(Kap. VII.5.1.3, S. 79). Die<br />
Ausbaugeschwindigkeit einer Strecke legt den Ausbaugrad<br />
einer Strasse fest. Sie best<strong>im</strong>mt die min<strong>im</strong>ale<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>, mit der die entsprechende Strecke<br />
befahren werden kann. Darauf aufbauend können<br />
Min<strong>im</strong>alwerte für die einzelnen Projektierungselemente<br />
(Kurvenradien) festgelegt werden. Bei<br />
diesem Arbeitsschritt ist die sogenannte Projektierungsgeschwindigkeit<br />
von zentraler Bedeutung. Sie<br />
ist die max<strong>im</strong>ale <strong>Geschwindigkeit</strong>, mit der eine best<strong>im</strong>mte<br />
Stelle einer Strasse, insbesondere eine Kurve,<br />
mit genügender Sicherheit befahren werden<br />
kann. Basierend auf physikalischen Grundlagen und<br />
Annahmen wird in der SN 640 080b [14] den Kurven<br />
die Projektierungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit<br />
des Radius zugeordnet.<br />
Die juristische Massnahme der <strong>Geschwindigkeit</strong>sbeschränkungen<br />
ist aus verkehrstechnischer Sicht in<br />
2-facher Hinsicht relevant. Die allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten<br />
plafonieren die Projektierungsgeschwindigkeit.<br />
Von der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit<br />
abweichende tiefere Höchstgeschwindigkeiten<br />
werden dann eingesetzt, wenn<br />
Gefahrenstellen für Motorfahrzeuglenkende nicht<br />
oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und anders<br />
nicht zu beheben sind (Art. 108.2 SSV1 ).<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
1 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979,<br />
SR 741.21<br />
40 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Schliesslich sei die sogenannte V85 erwähnt. An<br />
einem best<strong>im</strong>mten Messort ist sie diejenige <strong>Geschwindigkeit</strong>,<br />
die von 85 % der Fahrzeuge nicht<br />
überschritten wird. Dieser Wert wird in der Verkehrstechnik<br />
als Mass für den Einhaltegrad einer<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sl<strong>im</strong>ite verwendet.<br />
4. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus juristischer<br />
Sicht<br />
4.1 Einleitung<br />
Das Thema Fahrgeschwindigkeit ist auch aus juristischer<br />
Sicht äusserst komplex und kann <strong>im</strong> Rahmen<br />
des vorliegenden Kapitels nicht umfassend abgehandelt<br />
werden. Im Folgenden wird kurz die Entwicklung<br />
der <strong>Geschwindigkeit</strong>sreg<strong>im</strong>es in der<br />
Schweiz dargestellt und die heute geltende gesetzliche<br />
Regelung erläutert.<br />
4.2 Entwicklung der <strong>Geschwindigkeit</strong>sbeschränkungen<br />
Die Regelung der Fahrgeschwindigkeit erfuhr <strong>im</strong><br />
Laufe der Zeit verschiedene Änderungen. Das Bundesgesetz<br />
über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr<br />
vom 15. März 1932 (MFG) sah – anders als<br />
davor geltende kantonale Regelungen des Fahrzeugverkehrs<br />
– keine starre Begrenzung der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
vor. <strong>Der</strong> Bundesrat wurde zwar verpflichtet,<br />
Höchstgeschwindigkeiten für schwere<br />
Fahrzeuge festzulegen, doch stand es ihm frei, dies<br />
auch für andere Fahrzeugkategorien zu tun. In der<br />
Folge machte er von seiner Kompetenz keinen<br />
Gebrauch. <strong>Der</strong> Gesetzgeber des MFG sah davon ab<br />
vorzuschreiben, wie schnell max<strong>im</strong>al gefahren<br />
werden durfte. Er zog es vor, eine allgemeine Regel<br />
über die <strong>Geschwindigkeit</strong> zu erlassen. Diese forderte<br />
von den Fahrzeuglenkenden, das Fahrzeug zu<br />
beherrschen und die <strong>Geschwindigkeit</strong> an die konkreten<br />
Strassen- und Sichtverhältnisse anzupassen.<br />
<strong>Der</strong> Grundsatz der situationsangepassten <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
wurde in erweiterter Form ins <strong>Strassenverkehr</strong>sgesetz<br />
(SVG) übernommen und ist als<br />
Art. 32 Abs. 1 SVG 2 bis heute unverändert. Die<br />
Pflicht zur Beherrschung des Fahrzeugs wurde<br />
separat in Art. 31 Abs. 1 SVG verankert. Mit dem<br />
SVG, das etappenweise in Kraft gesetzt wurde und<br />
gleichzeitig das MFG aufhob, führte der Gesetzgeber<br />
aus Sicherheitsgründen erstmals eine zahlenmässige<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sbeschränkung ein: Vorbehältlich<br />
abweichender Anordnungen durfte in<br />
Ortschaften max<strong>im</strong>al 60 km/h gefahren werden<br />
(Art. 32 Abs. 2a SVG 3 ).<br />
Die Kompetenz zum Erlass sogenannter funktioneller<br />
Verkehrsanordnungen, inklusive der Regelung<br />
der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, wurde an<br />
die Kantone delegiert (Art. 3 Abs. 4 SVG). Diese<br />
resp. die Gemeinden durften lokale <strong>Geschwindigkeit</strong>sbeschränkungen<br />
anordnen, wenn dies durch<br />
einen verkehrspolizeilichen Grund wie die Sicherheit,<br />
Erleichterung oder Regelung des Verkehrs<br />
gerechtfertigt war 4 . Zusätzlich wurden die zuständigen<br />
kantonalen Behörden ermächtigt, die<br />
Höchstgeschwindigkeit ausserorts zu beschränken<br />
und innerorts abweichende Höchstgeschwindigkeiten<br />
festzulegen (Art. 32 Abs. 3 aSVG 5 ).<br />
<strong>Der</strong> Bundesrat erhielt ebenfalls eine Teilkompetenz<br />
zum Erlass von <strong>Geschwindigkeit</strong>svorschriften<br />
(Art. 32 Abs. 5 aSVG 6 ). Gestützt darauf beschränkte<br />
er die Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen<br />
lediglich für einige Fahrzeugarten. Es lag folglich <strong>im</strong><br />
Ermessen des zuständigen Organs (Bundesrat,<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
2 <strong>Strassenverkehr</strong>sgesetz vom 19. Dezember 1958, SR 741.01<br />
3 AS 1959, 690<br />
4 Botschaft des Bundesrats vom 24. Juni 1955, BBl 1955 II 11.<br />
5 AS 1959, 690<br />
6 AS 1959, 690<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 41
kantonale bzw. kommunale Behörden), <strong>Geschwindigkeit</strong>sbeschränkungen<br />
für best<strong>im</strong>mte Strassen<br />
festzulegen.<br />
In Anbetracht des kontinuierlich zunehmenden<br />
Individualverkehrs und der damit einhergehenden<br />
steigenden Unfallzahlen wuchs das Bedürfnis nach<br />
einer umfassenden Regelung der <strong>Geschwindigkeit</strong>.<br />
Anlässlich der 1975 erfolgten Revision des SVG<br />
wurde auf die zahlenmässige Höchstgeschwindigkeiten<br />
<strong>im</strong> Gesetz selbst verzichtet und dem Bundesrat<br />
mit dem neu gefassten Art. 32 Abs. 2 SVG<br />
(in Kraft seit 1. Januar 1977) sowohl die Kompetenz<br />
als auch die Verpflichtung übertragen, die<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> der Motorfahrzeuge auf allen<br />
Strassen zu beschränken. Dies minderte den kantonalen<br />
Handlungsspielraum bezüglich <strong>Geschwindigkeit</strong>sbeschränkungen<br />
erheblich (revidierte<br />
Art. 32 Abs. 3 und 4 SVG 7 ).<br />
<strong>Der</strong> Bundesrat kam dem vom Gesetzgeber erteilten<br />
Auftrag nach und setzte mit Art. 4a VRV 8 die allgemeinen<br />
Höchstgeschwindigkeiten fest. Im Lauf<br />
der Jahre wurden diese bis auf die heute geltenden<br />
Werte herabgesetzt. Zusätzlich erliess der Bundesrat<br />
die Signalisationsverordnung9 ,in der u. a. auch<br />
die Voraussetzungen geregelt werden, unter denen<br />
von den allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten<br />
abgewichen werden kann.<br />
In Tabelle 2 ist ersichtlich wie sich die allgemeinen<br />
Höchstgeschwindigkeiten 10 entwickelt haben [17].<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
7 AS 1975, 1260<br />
8 Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962,<br />
SR 741.11<br />
9 Signalisationsverordnung vom 5. September 1979,<br />
SR 741.21<br />
10 Man vergleiche die ausführliche Darstellung zur Geschichte<br />
und rechtspolitischen Ausgangslage der <strong>Geschwindigkeit</strong>sbegrenzung<br />
<strong>im</strong> Kommentar SVG von Giger [15, S. 177-<br />
179], <strong>im</strong> Urteil des Bundesgerichts 2A.38/2006, E. 2 vom<br />
13. Juli 2006 sowie <strong>im</strong> SINUS-Report 2008 [16].<br />
Gemäss einer Meinungsumfrage aus dem Jahr<br />
2008 werden die aktuellen <strong>Geschwindigkeit</strong>sbegrenzungen<br />
von der Bevölkerung generell gut akzeptiert.<br />
Je nach Strassentyp bestehen jedoch Unterschiede:<br />
Während 85 % der Befragten Tempo<br />
80 ausserorts eher befürworten, st<strong>im</strong>men nur<br />
69 % Tempo 120 auf Autobahnen zu. Hingegen<br />
wird die Sicherheitsmassnahme «Tempo 50/30<br />
innerorts», die die <strong>Geschwindigkeit</strong> auf den Hauptverkehrsachsen<br />
innerorts auf 50 km/h und überall<br />
sonst auf 30 km/h begrenzt, nur von 40 % der<br />
Bevölkerung unterstützt [16].<br />
Tabelle 2<br />
Entwicklung der <strong>Geschwindigkeit</strong>sreg<strong>im</strong>es<br />
Jahr Innerorts<br />
Vor 1959 Keine Beschränkung<br />
1959 60 km/h definitiv (Art. 32 Abs. 2 aSVG)<br />
1980 50 km/h provisorisch<br />
1984 50 km/h definitiv<br />
2002 Begegnungszonen (20 km/h) neu und Tempo-30-Zonen<br />
vereinfacht (SSV)<br />
Jahr Ausserorts<br />
Vor 1973 keine Beschränkung<br />
1973 100 km/h provisorisch<br />
1977 100 km/h definitiv<br />
1985 80 km/h versuchsweise<br />
1989 80 km/h definitiv (Volksabst<strong>im</strong>mung vom 26.11.1989)<br />
Jahr Autobahn<br />
Vor 1973 keine Beschränkung<br />
1973 100 km/h vorübergehend (Ölkrise)<br />
1974 130 km/h provisorisch<br />
1977 130 km/h definitiv<br />
1985 120 km/h versuchsweise<br />
1989 120 km/h definitv (Volksabst<strong>im</strong>mung vom 26.11.1989<br />
Quellen: ASTRA, Kloeden et al.[10, S. 33–34]<br />
42 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Die heute in Art. 82 Abs. 1 BV 11 verankerte Kompetenz<br />
des Bundes auf dem Gebiet des <strong>Strassenverkehr</strong>s<br />
vermittelt dem Bund eine umfassende<br />
Rechtsetzungszuständigkeit. Ohne dass dies besonders<br />
erwähnt zu werden braucht, verbleibt den<br />
Kantonen <strong>im</strong> Übrigen die Strassenhoheit, insbesondere<br />
das Recht, den Fahrverkehr <strong>im</strong> Einzelfall zu<br />
beschränken oder zu verbieten (Art. 37bis Abs. 2a<br />
BV 12 ).<br />
4.3 Gesetzliche Vorschriften betreffend<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong><br />
4.3.1 Absolute Höchstgeschwindigkeiten<br />
<strong>Der</strong> Bundesrat hat gestützt auf Art. 32 Abs. 2 SVG<br />
für alle Strassen allgemein gültige Höchstgeschwindigkeiten<br />
(Art. 4a VRV) sowie für best<strong>im</strong>mte<br />
Fahrzeugkategorien und Vorgänge besondere<br />
Höchstgeschwindigkeiten (Art. 5 VRV) festgesetzt.<br />
Diese gelten nur für Führende von Motorfahrzeugen<br />
und dürfen selbst dann nicht überschritten<br />
werden, wenn aufgrund sämtlicher Umstände eine<br />
höhere <strong>Geschwindigkeit</strong> angemessen erschiene.<br />
Sind Radfahrende zu schnell unterwegs, verstossen<br />
sie gegen Art. 32 Abs. 1 SVG, auf den anschliessend<br />
noch eingegangen wird [15, S. 185-187,18,<br />
S. 289-291].<br />
Allgemeine Höchstgeschwindigkeiten für<br />
Motorfahrzeuge<br />
Gemäss Art. 4a Abs. 1 VRV gelten heute für (Motor-)Fahrzeuge<br />
folgende allgemeine Höchstgeschwindigkeiten:<br />
• 50 km/h innerorts<br />
• 80 km/h ausserorts<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
11 Bundesverfassung vom 18. Dezember 1999, SR 101<br />
12 Botschaft über eine neue Bundesverfassung vom<br />
20. November 1996, 259 f.<br />
• 100 km/h auf Autostrassen<br />
• 120 km/h auf Autobahnen<br />
Es handelt sich dabei um absolute Höchstgeschwindigkeiten,<br />
die nicht etwa wenn <strong>im</strong>mer möglich<br />
zu erreichen sind, sondern nur unter günstigen<br />
Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen gefahren<br />
werden dürfen. Abweichende signalisierte<br />
Höchstgeschwindigkeiten gehen den allgemeinen<br />
Höchstgeschwindigkeiten ebenso vor wie diejenigen<br />
für gewisse Fahrzeugarten oder Vorgänge, für<br />
die besondere Höchstgeschwindigkeiten gelten<br />
(Art. 4a Abs. 5 VRV). Unter Vorbehalt der situationsangemessenen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> gilt somit folgende<br />
«Rangordnung» in Bezug auf die einzuhaltenden<br />
Höchstgeschwindigkeiten:<br />
1. Höchstgeschwindigkeiten für einzelne Fahrzeugarten<br />
(und Vorgänge)<br />
2. Signalisierte bzw. lokale Höchstgeschwindigkeiten<br />
3. Allgemeine Höchstgeschwindigkeiten<br />
In Tempo-30-Zonen darf max<strong>im</strong>al 30 km/h gefahren<br />
werden (Art. 22a SSV), in Begegnungszonen<br />
20 km/h (Art. 22b SSV) und in Fussgängerzonen,<br />
sofern beschränkter Fahrzeugverkehr zugelassen<br />
ist, nur <strong>im</strong> Schritttempo (Art. 22c SSV).<br />
<strong>Der</strong> Geltungsbereich der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten,<br />
d. h. innerorts, ausserorts, auf<br />
Autobahnen 13 und –strassen, sowie der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
in Begegnungs- und Fussgängerzonen, wird<br />
durch Signale geregelt. Innerorts gilt die allgemeine<br />
Höchstgeschwindigkeit <strong>im</strong> ganzen dicht bebauten<br />
Gebiet. Sie ist vorschriftsgemäss zu signalisieren,<br />
denn aus dem Vorhandensein einer Ortstafel muss<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
13 Zum Geltungsbereich signalisierter Höchstgeschwindigkeiten<br />
bei der Verzweigung von Autobahnen vgl. BGE 128 IV<br />
30, wonach die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von der<br />
Stelle an beginnt, wo das Signal steht, bis zum Ende-Signal.<br />
Sie endet nicht schon mit der Gabelung der Fahrbahnen.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 43
gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht<br />
auf die allgemeine Höchstgeschwindigkeit von<br />
50 km/h geschlossen werden 14 . Zu beachten ist<br />
jedoch, dass Fahrzeuglenkende, die auf unbedeutenden<br />
Nebenstrassen in eine Ortschaft einfahren,<br />
sich auch ohne Signalisation an die allgemeine<br />
Höchstgeschwindigkeit innerorts halten müssen,<br />
sobald der Innerortscharakter erkennbar ist<br />
(Art. 4a Abs. 2 VRV). Bei der Beurteilung, ob sich<br />
eine Strasse <strong>im</strong> dicht bebauten Gebiet einer Ortschaft<br />
befindet, stellt das Bundesgericht nicht nur<br />
auf ein kurzes Teilstück ab, sondern auf das ganze<br />
umliegende Gebiet 15 .<br />
Wer die signalisierte Höchstgeschwindigkeit überschreitet,<br />
verstösst pr<strong>im</strong>är gegen Art. 27 Abs. 1SVG,<br />
der sämtliche Verkehrsteilnehmende dazu verpflichtet,<br />
Signale und Markierungen sowie die Weisungen<br />
der Polizei zu befolgen.<br />
Höchstgeschwindigkeiten für einzelne Motorfahrzeugarten<br />
und Vorgänge<br />
Art. 5 Abs. 1 VRV best<strong>im</strong>mt die Höchstgeschwindigkeiten<br />
für einzelne Motorfahrzeugarten 16 und<br />
Vorgänge. Diese betragen:<br />
• 80 km/h für schwere Motorwagen (ausser Personenwagen),<br />
Anhängerzüge, Sattelmotorfahrzeuge<br />
und Fahrzeuge mit Spikesreifen<br />
• 60 km/h für gewerbliche Traktoren<br />
• 40 km/h be<strong>im</strong> Abschleppen von Fahrzeugen<br />
und Nachziehen eines leeren Abschlepprollis<br />
(sofern die zuständige Behörde nichts anderes<br />
gestattet)<br />
• 30 km/h be<strong>im</strong> Mitführen von nicht <strong>im</strong>matrikulierten<br />
und <strong>im</strong>matrikulierten landwirtschaftlichen<br />
Anhängern (vorbehältlich anderer Anga-<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
14 BGE 127 IV 229, 234.<br />
15 BGE 127 IV 229, 235.<br />
16 Zur Klassifizierung der Fahrzeuge vgl. Art. 11 f. VTS.<br />
ben <strong>im</strong> Fahrzeugausweis) sowie für Fahrzeuge<br />
mit Metall- oder Vollgummireifen.<br />
Gesellschaftswagen, sofern es sich nicht um Gelenkbusse<br />
handelt, und schwere Motorwohnwagen<br />
dürfen auf Autobahnen und Autostrassen max<strong>im</strong>al<br />
100 km/h fahren (Art. 5 Abs. 2 VRV).<br />
Abweichungen von den allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten<br />
Die zuständige Behörde kann die vom Bundesrat<br />
festgelegte allgemeine Höchstgeschwindigkeit auf<br />
best<strong>im</strong>mten Strassenstrecken herauf- oder herabsetzen,<br />
jedoch nur aufgrund eines Gutachtens, das<br />
abklärt, ob die Massnahme tatsächlich nötig, zweckund<br />
verhältnismässig ist oder ob eine andere Massnahme<br />
besser geeignet wäre (Art. 32 Abs. 3 SVG in<br />
Verbindung mit Art. 108 Abs. 4 SSV). Die Voraussetzungen<br />
für eine lokale Abweichung der allgemeinen<br />
Höchstgeschwindigkeiten sind in Art. 108 SSV<br />
geregelt. Dessen Anwendung wird präzisiert durch<br />
die Weisung zur Festlegung abweichender Höchstgeschwindigkeiten<br />
17 , die das Eidgenössische Justizund<br />
Polizeidepartement (EJPD) am 13. März 1990<br />
erlassen hat.<br />
Ein Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten<br />
kann erforderlich sein<br />
(Art. 108 Abs. 2 SSV), wenn<br />
• eine Gefahr nur schwer oder nicht rechtzeitig<br />
erkennbar und anders nicht zu beheben ist<br />
(lit. a),<br />
• best<strong>im</strong>mte Verkehrsteilnehmende eines besonderen,<br />
nicht anders zu erreichenden Schutzes<br />
bedürfen (lit. b),<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
17 http://www.astra2.admin.ch/media/pdfpub/1990-03-<br />
13_2489_d.pdf, Zugriff am 14. Juli 2009.<br />
44 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
• auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der<br />
Verkehrsablauf verbessert werden kann (lit. c),<br />
• dadurch eine <strong>im</strong> Sinn der Umweltschutzgesetzgebung<br />
übermässige Umweltbelastung (Lärm,<br />
Schadstoffe) vermieden werden kann (lit. d).<br />
Die Einzelheiten betreffend Anordnung von Tempo-30-Zonen<br />
und Begegnungszonen sind explizit in<br />
der gleichnamigen Verordnung 18 geregelt. Seit<br />
deren Inkrafttreten am 1. Januar 2002 ist in der<br />
ganzen Schweiz eine grosse Zahl solcher Zonen<br />
realisiert worden, wobei insbesondere die Tempo-<br />
30-Zonen von den Kantonen und Gemeinden sehr<br />
unterschiedlich eingesetzt werden.<br />
Nur innerorts besteht die Möglichkeit, die allgemeine<br />
Höchstgeschwindigkeit hinaufzusetzen –<br />
jedoch nur auf gut ausgebauten Strassen mit Vortrittsrecht.<br />
Voraussetzung ist, dass durch die Heraufsetzung<br />
der Höchstgeschwindigkeit der Verkehrsablauf<br />
verbessert werden kann, ohne dass<br />
sich dies nachteilig auf Sicherheit und Umwelt<br />
auswirken würde (Art. 108 Abs. 3 SSV). Angesichts<br />
der Erkenntnisse <strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
und Unfallfolgen dürfte Letzteres<br />
praktisch nie gegeben sein.<br />
4.3.2 Anpassen der <strong>Geschwindigkeit</strong> an die<br />
Umstände (Art. 32 Abs. 1 SVG und<br />
Art. 4 VRV)<br />
<strong>Der</strong> Lenkende muss sein Fahrzeug ständig so beherrschen,<br />
dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen<br />
kann (Art. 31 Abs. 1 SVG). Einer der<br />
massgebenden <strong>Faktor</strong>en in diesem Zusammenhang<br />
ist die Fahrgeschwindigkeit. Oft gehen Fahrzeuglenkende<br />
irrtümlich davon aus, be<strong>im</strong> Einhalten der<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
18 Verordnung über die Tempo-30-Zonen und Begegnungszonen<br />
vom 28. September 2001, SR 741.213.3<br />
allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten nichts zu<br />
riskieren – weder eine Busse, eine Geld- oder Freiheitsstrafe<br />
noch einen Führerausweisentzug oder<br />
einen Unfall. Art. 32 Abs. 1 SVG schreibt jedoch<br />
Folgendes vor:<br />
«Die <strong>Geschwindigkeit</strong> ist stets den Umständen<br />
anzupassen, namentlich den Besonderheiten von<br />
Fahrzeug und Ladung, sowie den Strassen-, Verkehrs-<br />
und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug<br />
den Verkehr stören könnte, ist langsam zu fahren<br />
und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen<br />
Stellen, vor nicht frei überblickbaren<br />
Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen.»<br />
Diese Vorschrift richtet sich nicht nur an Lenker von<br />
Motorfahrzeugen, sondern an alle Fahrzeuglenkende,<br />
d. h. auch an Radfahrer. Zudem gilt sie<br />
sinngemäss für Strassenbahnführer (Art. 48 SVG),<br />
Reiter und Führer von Tierfuhrwerken<br />
(Art. 50 Abs. 4 SVG) sowie für die übrigen Strassenbenützer<br />
(Art. 1 Abs. 2 SVG).<br />
<strong>Der</strong> in Art. 32 Abs. 1 SVG enthaltene Umstände-<br />
Katalog ist nicht abschliessend. Die <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
ist somit nicht bloss an die Besonderheiten von<br />
Fahrzeug und Ladung sowie die Strassen-, Sichtund<br />
Verkehrsverhältnisse anzupassen, sondern<br />
generell an die Umstände. Umstand <strong>im</strong> Sinn dieser<br />
Vorschrift ist für den Fahrzeuglenker ausser der<br />
Fahrgeschwindigkeit alles, was für die Beachtung<br />
seiner Vorsichtspflichten relevant sein kann. Dazu<br />
gehören auch Besonderheiten in der Person des<br />
Fahrzeuglenkers selbst wie sein Zustand, seine<br />
Fahrpraxis19 oder das Wetter (insbesondere <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit den Strassen- und Sichtverhältnissen).<br />
<strong>Der</strong> Fahrzeuglenker hat somit ständig<br />
sämtliche relevanten Umstände auszumachen und<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
19 BGE 93 IV 29.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 45
seine Fahrgeschwindigkeit entsprechend seinen<br />
Erkenntnissen über die Gesamtheit der massgebenden<br />
Umstände so zu wählen, dass er seinen<br />
Vorsichtspflichten nachkommen kann [18, S. 263].<br />
Art. 32 Abs. 1 SVG wird konkretisiert durch<br />
Art. 4 VRV [15, S. 182-184,18]:<br />
• In Bezug auf die Anpassung der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
an die Sichtverhältnisse schreibt Abs. 1 dem<br />
Fahrzeuglenker vor, nur so schnell zu fahren,<br />
dass er innerhalb der überblickbaren Strecke<br />
halten kann; wo das Kreuzen schwierig ist,<br />
muss er auf halbe Sichtweite anhalten können.<br />
<strong>Der</strong> Grundsatz des Fahrens auf Sicht ist eine der<br />
zentralen Vorschriften über die Fahrgeschwindigkeit.<br />
Er gilt gemäss bestätigter Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichts auch auf Autobahnen,<br />
insbesondere nachts be<strong>im</strong> Fahren mit Abblendlichtern<br />
20 . Dass die gesetzlichen Forderungen<br />
nicht <strong>im</strong>mer ohne weiteres zu erfüllen<br />
sind, zeigte Cohen am Beispiel der aus wahrnehmungspsychologischer<br />
Perspektive möglichen<br />
Höchstgeschwindigkeiten auf, die eine<br />
Behinderung des gleichmässigen Verkehrsflusses<br />
darstellen könnten [19].<br />
• Hinsichtlich der Anpassung der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
an die Strassenverhältnisse führt Abs. 2 aus, es<br />
sei langsam zu fahren, wo die Strasse verschneit,<br />
vereist, mit nassem Laub oder Splitt<br />
bedeckt ist, besonders – also nicht nur – wenn<br />
Anhänger mitgeführt werden.<br />
• Abs. 3 verpflichtet den Fahrzeuglenker, die <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
zu mässigen und nötigenfalls anzuhalten,<br />
wenn Kinder <strong>im</strong> Strassenbereich nicht<br />
auf den Verkehr achten. Dies entspricht<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
20 BGE 126 IV 91; BGE 93 IV 115. Gemäss BGE 100 IV 279 ist<br />
die <strong>Geschwindigkeit</strong> eines mit Abblendlicht auf der Autobahn<br />
fahrenden Fahrzeugs nur dann angemessen, wenn<br />
der Lenker in der Lage ist, innerhalb der kürzesten beleuchteten<br />
Strecke anzuhalten, d. h. auf der linken Fahrbahnseite<br />
innert 50 m.<br />
Art. 26 Abs. 2 SVG, wonach gegenüber Kindern<br />
besondere Vorsicht angebracht ist. 21<br />
• Bei der Begegnung mit Tierfuhrwerken und<br />
Tieren hat der Fahrzeuglenker gemäss Abs. 4 so<br />
zu fahren, dass die Tiere nicht erschreckt werden.<br />
Dies bedeutet, dass allenfalls die <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
reduziert werden muss.<br />
• Das Anpassen der <strong>Geschwindigkeit</strong> an die Verkehrsverhältnisse<br />
verlangt vom Fahrzeuglenker,<br />
langsam zu fahren, wo es die Verkehrssicherheit<br />
erfordert, vor allem bei dichtem und<br />
schwer überblickbarem Verkehr. Gleichzeitig<br />
untersagt Abs. 5, ohne zwingende Gründe so<br />
langsam zu fahren, dass ein gleichmässiger<br />
Verkehrsfluss behindert wird.<br />
Ein Verstoss gegen die allgemeinen und abweichend<br />
signalisierten Höchstgeschwindigkeitsvorschriften<br />
wird grundsätzlich über Art. 27 SVG in<br />
Verbindung mit Art. 90 SVG geahndet, über<br />
Art. 32 SVG nur dann, wenn die Fahrgeschwindigkeit<br />
<strong>im</strong> Rahmen der signalisierten Höchstgeschwindigkeit<br />
nicht den Umständen angemessen war 22 .<br />
Welche <strong>Geschwindigkeit</strong> jeweils als angemessen zu<br />
gelten hat, ist eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht<br />
frei überprüft werden kann. Die Beantwortung<br />
dieser Frage hängt jedoch weitgehend von<br />
den örtlichen Verhältnissen ab. Deshalb gesteht<br />
das Bundesgericht den kantonalen Instanzen diesbezüglich<br />
einen grossen Ermessensspielraum zu<br />
und weicht von ihren Feststellungen nur dort ab,<br />
wo es sich aufdrängt 23 .<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
21 BGE 129 IV 282 betreffend Sorgfaltspflichten gegenüber<br />
Kindern <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong>.<br />
22 Oger BL 8.3.1988, JdT 1989 I 687<br />
23 BGE 99 IV 227<br />
46 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
5. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus Sicht der<br />
Psychologie<br />
Auch die Verkehrspsychologie hat sich mit dem<br />
Thema <strong>Geschwindigkeit</strong> befasst. Es gibt verschiedene<br />
Theorien und Modelle, die helfen können,<br />
das Problem überhöhter bzw. unangepasster <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
zumindest teilweise zu erklären und<br />
Lösungsansätze zu liefern.<br />
5.1 Lerntheorie<br />
Zu nennen wäre etwa die Lerntheorie, vor allem<br />
das Lernen am Modell durch das Beobachten des<br />
Fahrens mit unangepasster <strong>Geschwindigkeit</strong> bei<br />
anderen Motorfahrzeuglenkenden. Wenn man nun<br />
dafür sorgt, dass es kaum oder am besten gar keine<br />
«erfolgreichen» Beispiele für zu schnelles Fahren<br />
gibt, dann wird dies auch zunehmend seltener<br />
ausgeübt. So gibt es die klassische Untersuchung<br />
von Van Houten und Nau, bei der am Strassenrand<br />
angezeigt wurde, wie viel Prozent der Autofahrer<br />
die <strong>Geschwindigkeit</strong> einhalten [20]. Dabei wurde<br />
entweder ein strenges Kriterium (nicht einhalten<br />
der signalisierten <strong>Geschwindigkeit</strong>) oder ein weiches<br />
Kriterium (mit recht grosser Toleranz) verwendet.<br />
Be<strong>im</strong> strengen Kriterium ergaben sich demzufolge<br />
geringere Prozentsätze von Personen, die die<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> einhielten, be<strong>im</strong> weicheren Kriterium<br />
hingegen höhere Prozentsätze. Die höheren<br />
Prozentsätze führten zu einer positiveren Veränderung<br />
des <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhaltens. Das Resultat<br />
zeigt, dass der Mensch das Verhalten anderer<br />
nachahmt. Eine andere Interpretation könnte sein,<br />
dass die Prozentangaben eine Art soziale Norm<br />
darstellen (Kap. V.5.2, S. 48).<br />
Die klassische Lerntheorie zeigt auf, dass ein Verhalten,<br />
das positive Konsequenzen nach sich zieht,<br />
zunehmend häufiger ausgeübt wird. Schnell fahren<br />
macht Spass – also macht man es <strong>im</strong>mer öfter,<br />
solange es keine negativen Konsequenzen hat.<br />
Negative Konsequenzen sind etwa <strong>Geschwindigkeit</strong>sbussen,<br />
Unfälle oder auch soziale Konsequenzen<br />
in Form von gesellschaftlicher Ächtung. Diese<br />
Theorie erklärt auch, warum unangepasste <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
ein häufigeres Problem ist als das<br />
Überschreiten der Höchstgeschwindigkeiten. Für<br />
unangepasste <strong>Geschwindigkeit</strong> wird man nur selten<br />
durch die Polizei bestraft, da man die allgemeinen<br />
oder signalisierten Höchstgeschwindigkeiten<br />
eingehalten hat. Und solange man keinen Unfall<br />
erleidet, hat man kaum negative Konsequenzen –<br />
höchstens mal ein Reifenquietschen oder den temporären<br />
Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 47
5.2 Theorie des geplanten Verhaltens<br />
Die Theorie des geplanten Verhaltens ist etwas<br />
komplexer als die verhaltenstheoretischen Modelle.<br />
Hier wird davon ausgegangen, dass sich das Verhalten<br />
aus den verschiedenen Komponenten der<br />
Grafik in Abbildung 4 ergibt: verschiedene Vorstellungen<br />
(beliefs), Einstellungen, Normen und Wahrnehmungen.<br />
All diese beeinflussen die Verhaltensabsicht.<br />
Letztere best<strong>im</strong>mt dann, solange man<br />
nicht gehindert wird, das Verhalten.<br />
Die empirischen Resultate unterstreichen besonders<br />
die Bedeutung der persönlichen Norm, d. h. des<br />
Gefühls, ob das, was man tut, richtig oder falsch<br />
ist. Dies konnte für verschiedene Arten des Fehlverhaltens<br />
<strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> bestätigt werden<br />
[21]. Interessant ist in diesem Zusammenhang,<br />
dass bei der vom Bundesamt für Statistik (BFS)<br />
zusammen mit der bfu alle 2 Jahre durchgeführten<br />
Befragung der Motorfahrzeuglenkenden eine weitaus<br />
grössere Akzeptanz für <strong>Geschwindigkeit</strong>s- als<br />
für Alkoholdelikte besteht. So wird Fahren in ange-<br />
Abbildung 4<br />
Darstellung des Modells des geplanten Verhaltens<br />
Quelle: Parker et al. [21]<br />
trunkenem Zustand von 59 % der Befragten als<br />
kr<strong>im</strong>inell beurteilt. Aber nur 15 % vertreten diese<br />
Meinung bezüglich des Überschreitens der Höchstgeschwindigkeiten.<br />
Die soziale Norm bezüglich FiaZ<br />
(Fahren in angetrunkenem Zustand) ist also deutlich<br />
strenger als bezüglich zu schnellem Fahren.<br />
Dieses Modell bietet viele Ansatzpunkte für Intervention.<br />
Man kann praktisch an allen «Stellschrauben»<br />
drehen. So könnte man versuchen, die gesellschaftlichen<br />
Normen zu verändern (von «Zu<br />
schnell fahren ist ein Kavaliersdelikt» zu «Schnellfahrer<br />
sind doofe Proleten»), was einen Einfluss auf<br />
die subjektive Norm hat («Ich bin kein doofer Prolet,<br />
also fahre ich auch nicht zu schnell»), wodurch<br />
die Verhaltensabsicht («Ich will nicht zu schnell<br />
fahren») und das Verhalten («Ich fahre nicht zu<br />
schnell») geändert werden. Ähnliche Szenarien<br />
sind auch für die Vorstellungen von Verhalten und<br />
Kontrolle denkbar. Daher ist dieses Modell gut<br />
geeignet, theoretische Grundlagen beispielsweise<br />
für Präventionskampagnen zu liefern.<br />
48 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
5.3 Das Risk Speed Model von Taylor<br />
(1964)<br />
Das Risiko-<strong>Geschwindigkeit</strong>s-Modell von Taylor aus<br />
dem Jahr 1964 (zitiert nach [22]) geht davon aus,<br />
dass sich das Fahrverhalten aus dem Zusammenhang<br />
zwischen subjektivem Risiko und der Fahrgeschwindigkeit<br />
ergibt. Je stärker das wahrgenommene<br />
Risiko ist, umso mehr wird die Fahrgeschwindigkeit<br />
reduziert. Das Produkt aus subjektivem<br />
Risiko und Fahrgeschwindigkeit soll also konstant<br />
gehalten werden. Es kann auch Ausnahmen<br />
von dieser Regel geben, z. B. wenn man schneller<br />
fährt, um einer riskanten Situation zu entkommen.<br />
Es handelt sich bei Taylors Modell um einen Vorläufer<br />
des bekannten und umstrittenen Risikohomöostase-Modells<br />
von Wilde.<br />
5.4 Contagion Model of Speeding<br />
Connolly und Aberg argumentieren, dass das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
nur teilweise durch die<br />
Einstellung zur <strong>Geschwindigkeit</strong>, den Vorstellungen<br />
über die Konsequenzen des zu schnell Fahrens und<br />
den <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen der Polizei best<strong>im</strong>mt<br />
wird [23]. Sie gehen davon aus, dass die<br />
eigene <strong>Geschwindigkeit</strong> durch den Vergleich mit<br />
derjenigen anderer Fahrer best<strong>im</strong>mt wird. Sie nennen<br />
dies das Ansteckungsmodell des zu schnellen<br />
Fahrens. In Modellrechnungen führen sie vor, dass<br />
– falls das Modell st<strong>im</strong>mt – durch das positive Beeinflussen<br />
(Verlangsamung) einiger Fahrer, andere<br />
Fahrer durch Nachahmung ebenfalls ihr <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
verlangsamen. Auch legen die<br />
Autoren einige empirische Belege für ihr Ansteckungsmodell<br />
vor: Fahrzeuge, die zur selben Zeit<br />
am selben Ort sind, sind auffallend häufig mit derselben<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> unterwegs.<br />
5.5 Persönlichkeitstheorie<br />
Die Persönlichkeitstheorie befasst sich mit den<br />
stabilen psychischen Merkmalen des Menschen.<br />
Besonders hervorgetan hat sich dabei das Fünf-<br />
<strong>Faktor</strong>en Modell. Es geht davon aus, dass sich der<br />
Charakter des Menschen in fünf verschiedene <strong>Faktor</strong>en<br />
aufteilen lässt. Jeder Mensch hat dabei auf<br />
jedem dieser <strong>Faktor</strong>en eine best<strong>im</strong>mte Ausprägung.<br />
Die <strong>Faktor</strong>en sind:<br />
• Neurotizismus<br />
• Extraversion<br />
• Offenheit für Erfahrungen<br />
• Verträglichkeit<br />
• Gewissenhaftigkeit<br />
Neurotizismus (was auch Ängstlichkeit beinhaltet)<br />
erwies sich als ein <strong>Faktor</strong>, der positiv mit Verkehrssicherheit<br />
zusammenhängt. Offenheit für Erfahrung<br />
hingegen weist einen negativen Zusammenhang<br />
auf. Leider kann man daraus keine (Pr<strong>im</strong>är-)<br />
Präventionsstrategie entwickeln. Einerseits sind die<br />
Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Unfallgeschehen<br />
nicht stark genug, weil <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong><br />
vieles situativ bedingt ist. Darüber hinaus<br />
sind auch die Testverfahren nicht gut genug um<br />
beispielsweise Personen mit auffälligen Persönlichkeitsmerkmalen<br />
aus dem <strong>Strassenverkehr</strong> präventiv<br />
zu entfernen (Kap. IV, S. 35).<br />
Den umgekehrten Fall aber gibt es natürlich. Personen,<br />
die <strong>im</strong> Verkehr auffällig geworden sind,<br />
werden unter Umständen einer verkehrspsychologischen<br />
Begutachtung unterzogen, um festzustellen,<br />
ob die charakterliche Eignung zum Führen<br />
eines Fahrzeugs gegeben ist.<br />
In der Schweiz wurde für diesen Zweck beispielsweise<br />
der Test zur Erfassung verkehrsrelevanter<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 49
Persönlichkeitsmerkmale (TVP) von Spicher und<br />
Hänsgen entwickelt [24].<br />
Ein weiteres Modell, das in der Verkehrssicherheitsarbeit<br />
<strong>im</strong>mer wieder diskutiert wird, ist das<br />
Sensation Seeking. Die Theorie stammt von Zuckerman.<br />
Er geht davon aus, dass es genetisch<br />
bedingte Unterschiede bei den Menschen hinsichtlich<br />
ihres Bedürfnisses nach neuen und/oder intensiven<br />
Reizen gibt. Die von ihm entwickelte Sensation<br />
Seeking Scale lässt sich in vier D<strong>im</strong>ensionen<br />
aufteilen [25]:<br />
1. «Thrill and adventure seeking»: Körperlich riskante<br />
Aktivitäten (beispielsweise Klettern, Fallschirmsprung)<br />
2. «Experience seeking»: Abwechslung durch<br />
unkonventionellen Lebensstil (Reisen, Musik,<br />
Drogen)<br />
3. «Disinhibition (dt.: «Enthemmung») seeking»:<br />
Abwechslung durch soziale St<strong>im</strong>ulation (Party,<br />
Promiskuität, soziales Trinken)<br />
4. «Boredom susceptibility» (dt.: «Anfälligkeit für<br />
Langeweile»): Abneigung gegenüber Langeweile<br />
und Neigung zur Unruhe, wenn die Umwelt<br />
keine Abwechslung mehr bietet.<br />
Insbesondere die D<strong>im</strong>ensionen 1 und 4 sowie allenfalls<br />
auch noch 2 und 3 (wegen der psychoaktiven<br />
Substanzen) könnten negative Einflüsse auf das<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten haben. Erfreulich hingegen<br />
ist, dass, wie Tay et al. aufzeigten, ein negativer<br />
Zusammenhang zwischen Alter und Sensation<br />
Seeking besteht, d. h. dass mit zunehmendem<br />
Alter diese spezifische Form der Unangepasstheit<br />
nachlässt, genauso wie wir es auch für das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
finden [26].<br />
6. Fazit<br />
Insgesamt handelt es sich bei der Fahrgeschwindigkeit<br />
um ein komplexes Thema bei dem verschiedene<br />
Disziplinen involviert sind. Die Verkehrstechnik<br />
bietet wichtige Möglichkeiten zur Anpassung<br />
der Strassen an die gewünschten Fahrgeschwindigkeiten,<br />
das Rechtssystem gibt den gesetzlichen<br />
Handlungsrahmen vor und kann allfällige<br />
Verstösse ahnden (Kap. VII.4.2, S. 72). Die Psychologie<br />
schliesslich zeigt auf der Grundlage von<br />
verschiedenen Modellen und Theorien auf, wie das<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten der Motorfahrzeuglenkenden<br />
beeinflusst wird und verändert werden<br />
kann. Eine abschliessende Bewertung darüber,<br />
welche psychologische Theorie am «besten» ist, ist<br />
nicht möglich. Aber es ist offensichtlich, dass Theorien,<br />
die Interventionsmöglichkeiten aufzeigen für<br />
die Prävention geeigneter sind als andere, die ein<br />
Menschenbild mit wenig Veränderungspotenzial<br />
beinhalten.<br />
Für eine erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit <strong>im</strong><br />
Bereich <strong>Geschwindigkeit</strong> ist eine Verknüpfung der<br />
verschiedenen Interventionsmöglichkeiten nötig.<br />
50 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
VI. Unfallgeschehen<br />
1. Datenlage<br />
Die folgenden Auswertungen der <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle<br />
basieren auf Daten der polizeilich registrierten<br />
<strong>Strassenverkehr</strong>sunfälle des Bundesamts<br />
für Statistik (BFS) [27]. Für jedes an einem Unfall<br />
beteiligte Fahrzeug kann die Polizei bis zu<br />
3 mögliche Mängel/Einflüsse aus einem Kategoriensystem<br />
registrieren. In der internationalen Literatur<br />
werden zwei verschiedene Arten von <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen<br />
unterschieden: die<br />
«excess speed», also schneller als die erlaubte<br />
Höchstgeschwindigkeit und die «inappropriate<br />
speed», eine nicht den Verhältnissen angepasste<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>. Auch <strong>im</strong> schweizerischen Unfallaufnahmeprotokoll<br />
gibt es verschiedene Arten der<br />
Unfallursache <strong>Geschwindigkeit</strong>. Eine davon ist das<br />
Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit: «Überschreiten<br />
der gesetzlichen oder signalisierten<br />
Höchstgeschwindigkeit (Mangel 414)». Fünf weitere<br />
Arten beinhalten eine Art von geschwindigkeitsbezogenem<br />
Fehlverhalten ohne dass die gesetzliche<br />
Höchstgeschwindigkeit überschritten wurden:<br />
«Nichtanpassen an die Linienführung (410)»,<br />
«Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse (411)»,<br />
«Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse (412)»,<br />
«Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse (413)» und<br />
«Anderes Fehlverhalten <strong>im</strong> Zusammenhang mit der<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> (419)».<br />
Bei der Analyse des Unfallgeschehens auf der Basis<br />
der polizeilich registrierten Daten muss bedacht<br />
werden, dass eine erhebliche Dunkelziffer besteht.<br />
Schätzungen gehen von 3,5-mal mehr Unfällen<br />
aus, als registriert werden [28]. Ob ein Unfall von<br />
der Polizei registriert wird, ist von zwei zentralen<br />
<strong>Faktor</strong>en abhängig: dem Unfalltyp und den Unfallfolgen.<br />
Eher registriert werden Kollisionen, bei<br />
denen andere Verkehrsteilnehmende beteiligt waren.<br />
Selbstunfälle oder Alleinunfälle weisen eine<br />
deutlich höhere Dunkelziffer auf. <strong>Der</strong> zweite entscheidende<br />
<strong>Faktor</strong> ist die aus dem Unfall resultierende<br />
Verletzung. Je schwerwiegender diese ist,<br />
desto eher werden Unfälle erfasst. Bei Unfällen mit<br />
Todesfolge ist deshalb mit einer annähernd vollumfänglichen<br />
Registrierung zu rechnen. Unfälle aufgrund<br />
von überhöhter oder unangepasster Fahrgeschwindigkeit<br />
haben oft schwere oder sogar tödliche<br />
Verletzungen zur Folge. Daher ist zumindest<br />
bei diesen mit einer geringeren Dunkelziffer zu<br />
rechnen.<br />
Gleichzeitig muss aber auch berücksichtigt werden,<br />
dass die Polizei an der Unfallstelle ein <strong>Geschwindigkeit</strong>svergehen<br />
nicht <strong>im</strong>mer zweifelsfrei feststellen<br />
kann. Die Bedeutung von <strong>Geschwindigkeit</strong> als<br />
Unfallursache wird damit insgesamt unterschätzt.<br />
Nach einem Überblick über die Unfälle seit 1992<br />
werden die Unfälle der letzten 5 Jahre analysiert.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 51
2. Unfallgeschehen 1992–2008<br />
Seit dem Jahr 1992 wurden bei Unfällen mit möglichem<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss durchschnittlich<br />
4800 Personen leicht, 1500 Personen schwer und<br />
222 Personen tödlich verletzt (Tabelle 3). Die Entwicklung<br />
zeigt für alle Verletzungskategorien abnehmende<br />
Trends. Gegenüber 1992 hat die Anzahl<br />
der Leichtverletzten um 22 %, die der Schwerverletzten<br />
um 47 % und die der Getöteten bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
um 59 % abgenommen<br />
(Abbildung 5). Diese Abnahme spiegelt gleichzeitig<br />
den generellen Rückgang der Verkehrsopfer in den<br />
letzten 17 Jahren wieder. Die Anteile der durch<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> geforderten Opfer an allen Personenschäden<br />
bleiben damit über diesen Zeitraum<br />
relativ stabil. Bei den Schwerverletzten sind es<br />
durchschnittlich 25 %, bei den Getöteten etwa<br />
40 % aller <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> geforderten Opfer<br />
(Abbildung 6). <strong>Der</strong> Anteil der differenzierten <strong>Geschwindigkeit</strong>seinflüsse<br />
bleibt über die Zeit nicht in<br />
allen Fällen stabil: Während bei Unfällen mit<br />
Schwerverletzten das «Nichtanpassen an die Linienführung»<br />
mit rund 40 % und «Nichtanpassen<br />
Tabelle 3<br />
Personenschäden bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen, 1992–2008<br />
Unfalljahr Leichtverletzte Schwerverletzte Getötete<br />
1992 5 064 2 100 359<br />
1993 4 995 1 907 321<br />
1994 5 067 1 659 265<br />
1995 5 004 1 788 254<br />
1996 4 461 1 504 243<br />
1997 4 325 1 488 215<br />
1998 5 043 1 606 220<br />
1999 5 634 1 741 229<br />
2000 5 224 1 604 229<br />
2001 5 269 1 634 202<br />
2002 5 095 1 408 207<br />
2003 4 942 1 525 219<br />
2004 4 840 1 387 219<br />
2005 4 629 1 248 178<br />
2006 4 310 1 295 135<br />
2007 4 108 1 223 134<br />
2008 3 960 1 109 147<br />
Quelle: BFS<br />
an die Strassenverhältnisse» mit 33 % gleichbleibend<br />
die häufigsten <strong>Geschwindigkeit</strong>seinflüsse<br />
sind, zeigt sich bei der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit<br />
ein deutlicher Rückgang (Tabelle<br />
4). Nichtanpassen an die Verkehrs- oder Sichtverhältnisse<br />
und «anderes Fehlverhalten» machen<br />
zusammen weniger als ein Drittel der Unfälle mit<br />
schweren Personenschäden aus. Bei Unfällen mit<br />
Getöteten verläuft die Entwicklung entsprechend.<br />
Bei diesen ist aber das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit<br />
für einen höheren Anteil der Unfälle<br />
verantwortlich.<br />
Abbildung 5<br />
Entwicklung der Verletzten und Getöteten bei Unfällen mit<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss (indexiert), 1992–2008<br />
52 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
2005<br />
2006<br />
2007<br />
2008<br />
Leichtverletzte Schwerverletzte Getötete<br />
Abbildung 6<br />
Anteil durch <strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss Schwerverletzter und<br />
Getöteter an allen <strong>Strassenverkehr</strong>sopfern, 1992–2008<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Quelle: BFS<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
2005<br />
2006<br />
2007<br />
2008<br />
Anteil an Schwerverletzten Anteil an Getöteten
Tabelle 4<br />
Anteile einzelner <strong>Geschwindigkeit</strong>smängel bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008<br />
Unfälle mit Schwerverletzten<br />
Nichtanpassen an die<br />
Linienführung<br />
39% 43% 40% 38% 41% 44% 43% 44% 43% 42% 44% 47% 42% 40% 42% 47% 42%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Strassenverhältnisse<br />
35% 33% 32% 37% 33% 30% 34% 36% 32% 34% 30% 27% 35% 35% 31% 29% 33%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Verkehrsverhältnisse<br />
7% 8% 9% 7% 8% 8% 9% 6% 9% 8% 8% 8% 6% 8% 8% 7% 8%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Sichtverhältnisse<br />
9% 8% 8% 7% 7% 7% 7% 7% 8% 8% 6% 5% 6% 5% 6% 6% 7%<br />
Überschreiten der<br />
gesetzlichen oder<br />
signalisierten Höchstgeschwindigkeit<br />
23% 19% 21% 19% 17% 20% 16% 18% 17% 16% 19% 19% 18% 13% 11% 15% 14%<br />
Anderes Fehlverhalten<br />
<strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />
der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
4% 4% 4% 6% 4% 5% 5% 5% 6% 6% 8% 7% 8% 9% 13% 9% 9%<br />
Unfälle mit Getöteten<br />
Nichtanpassen an die<br />
Linienführung<br />
40% 45% 38% 37% 46% 48% 44% 44% 46% 43% 45% 53% 50% 51% 47% 47% 48%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Strassenverhältnisse<br />
29% 25% 26% 24% 28% 31% 31% 31% 23% 24% 30% 17% 21% 18% 24% 18% 23%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Verkehrsverhältnisse<br />
5% 6% 7% 3% 6% 2% 4% 3% 5% 4% 3% 4% 5% 5% 6% 6% 2%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Sichtverhältnisse<br />
14% 8% 12% 9% 9% 11% 7% 10% 9% 13% 11% 11% 10% 6% 7% 10% 9%<br />
Überschreiten der<br />
gesetzlichen oder<br />
signalisierten Höchstgeschwindigkeit<br />
29% 30% 33% 36% 25% 28% 29% 26% 29% 23% 23% 29% 33% 35% 27% 29% 25%<br />
Anderes Fehlverhalten<br />
<strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />
der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
4% 5% 5% 6% 8% 8% 7% 10% 9% 10% 7% 7% 8% 9% 13% 10% 7%<br />
Quelle: BFS<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 53
3. Das aktuelle Unfallgeschehen<br />
(2004–2008)<br />
In den letzten 5 Jahren ereigneten sich durchschnittlich<br />
1200 Unfälle mit schweren Personenschäden<br />
(Unfälle mit Schwerverletzten oder Getöteten)<br />
mit der Ursache <strong>Geschwindigkeit</strong> pro Jahr.<br />
Bei diesen waren rund 700 Personenwagen beteiligt.<br />
Damit waren in 60 % aller schweren<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle Personenwagen beteiligt<br />
(Tabelle 5). Die zweithäufigste Fahrzeugkategorie<br />
sind die Motorräder (31 %). Liefer-, Lastwagen und<br />
Sattelschlepper sind dagegen eher selten vertreten.<br />
Wird der Anteil mit <strong>Geschwindigkeit</strong>smangel versehener<br />
Fahrzeuge bei allen schweren Unfällen<br />
betrachtet, ändert sich das Bild: Bei allen in schwere<br />
Unfälle verwickelten Personenwagen wird in 16<br />
von Hundert Fällen der Mangel <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
vergeben. Bei den Motorrädern liegt dieser Anteil<br />
je nach Motorradkategorie zwischen 15 % bei den<br />
Kleinmotorrädern und 28 % bei den Motorrädern<br />
mit mehr als 125 cm3 .<br />
Im Zeitraum 2004–2008 wurden bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
pro Jahr durchschnittlich 1251 Personen<br />
schwer verletzt und 163 getötet. Wie bereits bei den<br />
Tabelle 5<br />
An schweren Unfällen beteiligte Fahrzeuge mit Mangel <strong>Geschwindigkeit</strong>, 2004–2008<br />
2004 2005 2006 2007 2008 Summe Durchschnitt<br />
2004–2008<br />
Quelle: Quelle: Quelle: BFS BFS BFS<br />
Quelle: BFS<br />
beteiligten Fahrzeugen gezeigt wurde, sind über die<br />
Hälfte der Opfer Personenwageninsassen und annähernd<br />
30 % Motorradfahrende. Mit rund 5 % und<br />
6 % sind auch Fussgänger und Radfahrende betroffen<br />
(Abbildung 7). Rund ein Viertel der Opfer sind<br />
Frauen, drei Viertel Männer. Die meisten Schwerverletzten<br />
und Getöteten sind <strong>im</strong> Alter von 18 bis 59<br />
Jahren (80 %), wobei jedes 5. Opfer ein Mann <strong>im</strong><br />
Alter von 18 bis 24 Jahren ist (Abbildung 8).<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle sind häufig Schleuder-/<br />
Selbstunfälle. Allein 70 % aller Schwerverletzten<br />
und Getöteten werden bei diesen gefordert<br />
(Abbildung 9). Auffällig viele Opfer sind dabei auf<br />
Ausserortsstrassen zu beklagen (57 %). Kollisionen<br />
fordern innerorts und ausserorts eine vergleichbare<br />
Anzahl an Personenschäden, wobei der Anteil Getöteter<br />
auf Ausserortsstrassen höher liegt. Bei den<br />
Kollisionen sind es vor allem Streif- und Frontalkollisionen,<br />
die einen hohen Opferanteil ausmachen.<br />
Bei den Schleuder-/Selbstunfällen sind 60 % der<br />
Schwerverletzten und Getöteten Personenwageninsassen,<br />
28 % Motorradfahrer und <strong>im</strong>merhin<br />
noch 5 % Fahrradfahrer. Aber auch Fussgänger<br />
werden Opfer von Schleuder-/Selbstunfällen von<br />
Fahrzeugen. Bei diesem Unfalltyp kommt es nicht<br />
Anteil an allen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
Anteil Fahrzeuge mit<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>smangel<br />
in allen schweren Unfällen<br />
Personenwagen 842 728 722 617 652 3 561 712 59% 16%<br />
Lieferwagen 34 26 35 29 19 143 29 2% 11%<br />
Lastwagen 13 6 12 8 18 57 11 1% 7%<br />
Sattelschlepper 5 5 6 6 8 30 6 0% 11%<br />
Motorfahrrad 18 16 16 23 7 80 16 1% 8%<br />
Kleinmotorrad 33 40 23 35 12 143 29 2% 15%<br />
Motorrad bis 125 cm 3 109 93 96 109 83 490 98 8% 17%<br />
Motorrad über 125 cm 3 235 240 260 248 247 1 230 246 20% 28%<br />
Fahrrad 70 76 76 75 72 369 74 6% 8%<br />
Andere 23 23 40 29 25 140 28 2% 10%<br />
Total Schwere <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle<br />
1 333 1 218 1 224 1 152 1 078 6 005 1 201 104%<br />
54 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
direkt zu einer Kollision zwischen Fahrzeug und<br />
Fussgänger. <strong>Der</strong> Fussgänger wird vielmehr Opfer<br />
eines bereits schleudernden Fahrzeugs. Im Durchschnitt<br />
werden dabei pro Jahr 7 Fussgänger schwer<br />
verletzt und 2 getötet. Bei direkten Kollisionsunfällen<br />
sind Fussgänger entsprechend häufiger unter<br />
den Opfern zu finden: Jährlich werden 56 schwer<br />
verletzt und 10 getötet (16 % aller schweren Personenschäden<br />
bei Kollisionen).<br />
Abbildung 7<br />
Schwerverletzte und Getötete bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
nach Verkehrsteilnahme, Ø 2004–2008<br />
Personenwagen<br />
Kleinmotorräder/<br />
Motorräder<br />
Motorfahrrad<br />
Abbildung 8<br />
Schwerverletzte und Getötete bei Unfällen mit <strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss<br />
nach Alter und Geschlecht, Ø 2004–2008<br />
80+<br />
70–79<br />
60–69<br />
50–59<br />
40–49<br />
30–39<br />
25–29<br />
20–24<br />
18–19<br />
15–17<br />
10–14<br />
5–9<br />
0–4<br />
Quelle: BFS<br />
Fahrrad<br />
Fussgänger<br />
Andere<br />
29<br />
21<br />
78<br />
58 10<br />
18 2<br />
5<br />
63 11<br />
355<br />
681<br />
41<br />
0 200 400 600 800<br />
Schwerverletzte Getötete<br />
18<br />
17<br />
14<br />
13<br />
158<br />
166<br />
137<br />
5<br />
8<br />
102<br />
101<br />
78<br />
59<br />
47<br />
3 8 6 1<br />
5 16 15 2<br />
1 19 9<br />
14 6 1<br />
2 1 4<br />
200 175 150 125 100 75 50 25 25 50 75<br />
Schwer verletzte Männer Getötete Männer<br />
Schwer verletzte Frauen Getötete Frauen<br />
19<br />
24<br />
27<br />
36<br />
31<br />
2<br />
57<br />
56<br />
55<br />
2<br />
3<br />
3<br />
2<br />
94<br />
3<br />
4<br />
3<br />
Durch den hohen Anteil an Schleuder-/Selbstunfällen<br />
sind es meist die Nutzer der Fahrzeuge mit<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>smangel selbst, die verletzt oder<br />
getötet werden. In allen Unfällen mit Beteiligung<br />
von Personenwagen mit dem Mangel <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
sind drei Viertel der Opfer die Personenwageninsassen<br />
selbst. Jedes 6. ist Insasse eines weiteren<br />
beteiligten Personenwagens, jedes 15. ein<br />
Fussgänger. Bei Unfällen mit Beteiligung von Motorrädern<br />
zeigt sich ein anderes Verhältnis: Hier<br />
sind 95 % der Opfer die Motorradfahrer selbst und<br />
2 % Fussgänger. Mit jeweils etwa 1 % sind andere<br />
Motorrad-, und Fahrradfahrende sowie Personenwageninsassen<br />
vertreten. Einer der Gründe für<br />
dieses Verhältnis zwischen Motorrad- und Personenwagenunfällen<br />
ist die höhere Vulnerabilität der<br />
Motorradfahrenden.<br />
Abbildung 9<br />
Schwerverletzte und Getötete bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
nach Unfalltyp und Ortslage, Ø 2004–2008<br />
Kollision mit<br />
anderem<br />
Verkehrsteilnehmer<br />
Ausserorts<br />
Ausserorts<br />
Autobahn<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 55<br />
Schleuder-<br />
/Selbstunfall<br />
Quelle: BFS<br />
Innerorts<br />
Innerorts<br />
167<br />
163<br />
Autobahn 35 5<br />
252<br />
89 12<br />
Andere (z. B. Tierunfall) 12 1<br />
13<br />
26<br />
26<br />
534<br />
0 100 200 300 400 500 600 700<br />
Schwerverletzte Getötete<br />
80
Von den einzelnen <strong>Geschwindigkeit</strong>seinflüssen<br />
fordern insbesondere Unfälle, bei denen «Nichtanpassen<br />
an die Linienführung» bemängelt wurde,<br />
schwere Personenschäden. Das Überschreiten der<br />
Höchstgeschwindigkeit liegt mit rund 204 Schwerverletzten<br />
und 51 Getöteten jährlich an dritter<br />
Stelle (Abbildung 10).<br />
Um die speziellen Bedingungen von <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
aufzuzeigen, werden diese <strong>im</strong> Folgenden<br />
mit allen anderen Unfällen verglichen. Es<br />
werden nur Unfälle mit schweren Personenschäden<br />
betrachtet. <strong>Der</strong> Unfall muss also zumindest eine<br />
schwer verletzte oder eine getötete Person gefordert<br />
haben. Neben der allgemeinen Ursache <strong>Geschwindigkeit</strong>,<br />
werden auch die Anteile der differenzierten<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>smängel angegeben.<br />
Die Bedeutung der Schleuder-/Selbstunfälle wurde<br />
bereits bei den schweren Personenschäden bei<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen deutlich. Von diesen<br />
schweren Unfällen wird annähernd der Hälfte die<br />
Abbildung 10<br />
Anzahl Schwerverletze und Getötete nach <strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss,<br />
Ø 2003–2008<br />
Nichtanpassen<br />
an die Linienführung<br />
Nichtanpassen<br />
an die Strassenverhältnisse<br />
Überschreiten der gesetzlichen<br />
oder signalisierten<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
Anderes Fehlverhalten<br />
<strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
Nichtanpassen<br />
an die Verkehrsverhältnisse<br />
Nichtanpassen<br />
an die Sichtverhältnisse<br />
74<br />
121<br />
92<br />
204<br />
7<br />
13<br />
16<br />
410<br />
51<br />
532<br />
0 100 200 300 400 500 600 700<br />
Schwerverletzte Getötete<br />
Quelle: BFS Quelle: BFS<br />
34<br />
77<br />
Ursache <strong>Geschwindigkeit</strong> zugeordnet (Tabelle 6).<br />
Bei den Kollisionen sind es lediglich 11 %. Vor<br />
allem das Nichtanpassen an die Linienführung oder<br />
die Strassenverhältnisse ist für diesen hohen Anteil<br />
verantwortlich. Ausserorts werden 39 %, auf Autobahnen<br />
36 % und Innerorts 14 % aller schweren<br />
Unfälle mit dem Mangel <strong>Geschwindigkeit</strong> versehen.<br />
Das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit<br />
spielt dabei innerorts und auf Autobahnen eine<br />
grössere Rolle als ausserorts (Tabelle 7).<br />
Tabelle 6<br />
Anteil Unfälle mit <strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss an allen Unfällen<br />
mit schweren Personenschäden nach Unfalltyp, Ø 2004–2008<br />
Schleuder-/<br />
Selbstunfall<br />
Kollision mit<br />
anderem<br />
Verkehrsteilnehmer<br />
Andere<br />
(z. B.<br />
Tierunfall)<br />
Alle <strong>Geschwindigkeit</strong>smängel 47% 11% 6%<br />
Anteil einzelner Mängel an allen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
Nichtanpassen an die<br />
Linienführung<br />
50% 27% 17%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Strassenverhältnisse<br />
36% 21% 23%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Verkehrsverhältnisse<br />
2% 19% 11%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Sichtverhältnisse<br />
3% 13% 14%<br />
Überschreiten der gesetzlichen<br />
oder signalisierten<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
15% 19% 15%<br />
Anderes Fehlverhalten <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit der<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong><br />
9% 10% 29%<br />
Tabelle 7<br />
Anteil Unfälle mit <strong>Geschwindigkeit</strong>einfluss an alle Unfällen mit<br />
schweren Personenschäden nach Ortslage, Ø 2004–2008<br />
Innerorts Ausserorts Autobahn<br />
Alle <strong>Geschwindigkeit</strong>smängel 14% 39% 36%<br />
Anteil einzelner Mängel an allen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
Nichtanpassen an die<br />
Linienführung<br />
35% 52% 22%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Strassenverhältnisse<br />
26% 34% 36%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Verkehrsverhältnisse<br />
11% 3% 15%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Sichtverhältnisse<br />
8% 5% 10%<br />
Überschreiten der gesetzlichen<br />
oder signalisierten<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
19% 14% 20%<br />
Anderes Fehlverhalten <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit der<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong><br />
11% 8% 16%<br />
56 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
<strong>Geschwindigkeit</strong> ist vor allem in Kurvenbereichen<br />
ein Problem. In der Hälfte aller Unfälle in Kurvenbereichen<br />
wird die <strong>Geschwindigkeit</strong>, vor allem das<br />
Nichtanpassen an die Linienführung bemängelt.<br />
Auf geraden Strecken stehen die Strassenverhältnisse<br />
an erster Stelle (Tabelle 8). Das Nichtanpassen<br />
an die Strassenverhältnisse wird bei Unfällen bei<br />
Schneefall in 9 von 10 <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen,<br />
bei Regen in 7 von 10 bemängelt (Tabelle 9). Absolut<br />
gesehen spielen Unfälle bei Schneefall aber eine<br />
untergeordnete Rolle.<br />
In der Nacht wird ein höherer Anteil an schweren<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen registriert. Auch hier sind<br />
das Nichtanpassen an die Linienführung und die<br />
Strassenverhältnisse stark vertreten. Auffallend ist<br />
gegenüber Unfällen bei Tag und in der Dämmerung<br />
der erhöhte Anteil an Unfällen mit <strong>Geschwindigkeit</strong>sübertretung<br />
(Tabelle 10).<br />
Tabelle 8<br />
Anteil Unfälle mit <strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss an alle Unfällen mit schweren Personenschäden nach Unfallstelle, Ø 2004–2008<br />
Gerade Kurve Einmündung Kreuzung Platz / Parkplatz / Andere<br />
Strecke<br />
Verkehrsfläche Nebenanlage<br />
Alle <strong>Geschwindigkeit</strong>smängel 17% 51% 10% 9% 6% 6% 9%<br />
Anteil einzelner Mängel an allen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
Nichtanpassen an die Linienführung 16% 59% 38% 36% 21% 17% 46%<br />
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse 34% 32% 22% 24% 29% 33% 18%<br />
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse 16% 2% 14% 15% 21% 8% 0%<br />
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse 12% 3% 7% 9% 14% 17% 9%<br />
Überschreiten der gesetzlichen oder<br />
signalisierten Höchstgeschwindigkeit<br />
Anderes Fehlverhalten <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
Quelle: BFS<br />
17% 15% 22% 16% 0% 13% 18%<br />
14% 7% 10% 10% 29% 25% 18%<br />
Tabelle 9<br />
Anteil Unfälle mit <strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss an alle Unfällen<br />
mit schweren Personenschäden nach Witterung, Ø 2004–2008<br />
Tabelle 10<br />
Keine<br />
Niederschläge<br />
Regen Schneefall Andere<br />
Anteil Unfälle mit <strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss an alle Unfällen<br />
mit schweren Personenschäden nach Tageszeit, Ø 2004–2008<br />
Alle<br />
22% 27% 68% 31%<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>smängel<br />
Anteil einzelner Mängel an allen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
Alle <strong>Geschwindigkeit</strong>smängel<br />
Tag<br />
20%<br />
Dämmerung<br />
25%<br />
Nacht<br />
33%<br />
Nichtanpassen an die<br />
48% 27% 12% 26% Anteil einzelner Mängel an allen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
Linienführung<br />
Nichtanpassen an die<br />
46% 34% 40%<br />
Nichtanpassen an die<br />
21% 68% 93% 84% Linienführung<br />
Strassenverhältnisse<br />
Nichtanpassen an die<br />
30% 42% 33%<br />
Nichtanpassen an die<br />
8% 5% 1% 5% Strassenverhältnisse<br />
Verkehrsverhältnisse<br />
Nichtanpassen an die<br />
9% 6% 4%<br />
Nichtanpassen an die<br />
6% 11% 5% 0% Verkehrsverhältnisse<br />
Sichtverhältnisse<br />
Nichtanpassen an die<br />
4% 5% 10%<br />
Überschreiten der<br />
18% 9% 2% 5% Sichtverhältnisse<br />
gesetzlichen oder signali-<br />
Überschreiten der gesetzlichen 13% 15% 21%<br />
siertenHöchstgeschwin- oder signalisierten Höchstgedigkeitschwindigkeit<br />
Anderes Fehlverhalten <strong>im</strong><br />
11% 5% 1% 5% Anderes Fehlverhalten <strong>im</strong><br />
10% 9% 8%<br />
Zusammenhang mit der<br />
Zusammenhang mit der<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong><br />
<strong>Geschwindigkeit</strong><br />
Quelle: BFS Quelle: BFS<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 57
Bei den an schweren Unfällen beteiligten Fahrzeugen<br />
wird insbesondere bei den Motorradlenkenden<br />
die <strong>Geschwindigkeit</strong> bemängelt. Be<strong>im</strong> differenzierten<br />
Mangel «Überschreiten der gesetzlichen oder<br />
signalisierten Höchstgeschwindigkeit» liegen diese<br />
aber noch hinter den Personenwagenlenkenden<br />
zurück (Tabelle 11).<br />
Demographisch gesehen sind Motorfahrzeuglenker,<br />
die ihre Fahrweise nicht den Verhältnissen anpassen<br />
oder die Höchstgeschwindigkeit übertreten<br />
eher Männer und Personen <strong>im</strong> Alter von 18 bis 24<br />
Jahre: Mit steigendem Alter n<strong>im</strong>mt nicht nur der<br />
Anteil an <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen insgesamt ab,<br />
sondern vor allem auch die Häufigkeit der Unterkategorie<br />
«Übertretung der Höchstgeschwindigkeit»<br />
(Tabelle 12). Werden die Motorfahrzeuglenkenden<br />
nach Geschlecht differenziert, zeigt sich, dass<br />
Männer allgemein einen höheren Anteil <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle<br />
haben und zudem häufiger die<br />
Höchstgeschwindigkeit übertreten. Bei Frauen als<br />
Lenkerinnen ist das Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse<br />
häufiger vertreten (Tabelle 13).<br />
Tabelle 11<br />
Anteil Fahzeuge mit <strong>Geschwindigkeit</strong>smangel an alle Fahrzeugen<br />
in schweren Unfällen nach Fahrzeugart, Ø 2004–2008<br />
Personenwagen <br />
Kleinmotorräder/<br />
Motorräder<br />
Lieferwagen <br />
Lastwagen/Sattelschlepper<br />
Alle <strong>Geschwindigkeit</strong>smängel<br />
16% 23% 11% 8%<br />
Anteil einzelner Mängel an allen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
Nichtanpassen an die<br />
Linienführung<br />
37% 54% 25% 32%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Strassenverhältnisse<br />
39% 20% 47% 33%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Verkehrsverhältnisse<br />
7% 8% 13% 10%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Sichtverhältnisse<br />
8% 4% 10% 17%<br />
Überschreiten der gesetzlichen<br />
oder signalisierten<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
19% 15% 8% 14%<br />
Anderes Fehlverhalten <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit der<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong><br />
7% 10% 11% 21%<br />
Quelle: BFS Quelle: BFS<br />
Tabelle 12<br />
Anteil bemängelter Fahrzeuglenker an allen in schweren Unfällen<br />
beteiligten Lenker nach Alter, Ø 2004–2008<br />
18–24 25–44 45–64 65–74 75+<br />
Alle <strong>Geschwindigkeit</strong>mängel 29% 16% 10% 8% 6%<br />
Anteil einzelner Mängel an allen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
Nichtanpassen an die<br />
Linienführung<br />
46% 39% 41% 37% 48%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Strassenverhältnisse<br />
31% 34% 34% 38% 31%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Verkehrsverhältnisse<br />
5% 8% 9% 10% 12%<br />
Nichtanpassen an die<br />
Sichtverhältnisse<br />
5% 8% 8% 8% 12%<br />
Überschreiten der gesetzlichen<br />
oder signalisierten<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
25% 16% 6% 4% 2%<br />
Anderes Fehlverhalten <strong>im</strong><br />
Zusammenhang mit der<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong><br />
6% 10% 12% 12% 6%<br />
Tabelle 13<br />
Anteil bemängelter Fahrzeuglenker an allen in schweren Unfällen<br />
beteiligten Lenker nach Geschlecht, Ø 2004–2008<br />
Männer Frauen<br />
Alle <strong>Geschwindigkeit</strong>smängel 17% 11%<br />
Anteil einzelner Mängel an allen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
Nichtanpassen an die Linienführung 44% 33%<br />
Nichtanpassen an die Strassenverhältnisse 29% 51%<br />
Nichtanpassen an die Verkehrsverhältnisse 7% 8%<br />
Nichtanpassen an die Sichtverhältnisse 7% 9%<br />
Überschreiten der gesetzlichen oder signalisierten<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
18% 7%<br />
Anderes Fehlverhalten <strong>im</strong> Zusammenhang mit der<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong><br />
10% 7%<br />
58 Unfallgeschehen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
4. Fazit<br />
Im Zeitraum von 1992–2008 hat die Anzahl von<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen mit Personenschäden<br />
entsprechend der allgemeinen Entwicklung des<br />
Unfallgeschehens abgenommen. Die grosse Bedeutung<br />
der <strong>Geschwindigkeit</strong> als Unfallursache bleibt<br />
trotzdem bestehen. Auch heute werden 25 % aller<br />
Schwerverletzten und 40 % aller Getöteten <strong>im</strong><br />
<strong>Strassenverkehr</strong> durch nicht angepasste oder überhöhte<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> gefordert. In absoluten<br />
Zahlen sind dies pro Jahr 1251 Schwerverletzte und<br />
163 Getötete.<br />
Mehr als zwei Drittel aller Opfer von <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen<br />
werden bei Schleuder-/Selbstunfällen<br />
gefordert. <strong>Geschwindigkeit</strong> ist vor allem bei Ausserortsunfällen<br />
und Unfällen in Kurvenbereichen<br />
häufige Ursache. Auch nachts zeigt sich ein erhöhter<br />
Anteil von <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfällen. Besonders<br />
häufig werden Motorradfahrer bemängelt, an<br />
zweiter Stelle stehen PW-Lenker. Unter den bemängelten<br />
Motorfahrzeuglenkenden sind überproportional<br />
Männer und Personen <strong>im</strong> Alter von 18 bis<br />
24 Jahre vertreten.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Unfallgeschehen 59
VII. Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement<br />
1. Einleitung<br />
<strong>Der</strong> Umgang mit dem Thema bzw. Problem <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
läuft oft unter dem Begriff <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement<br />
[6,29,30]. Dabei werden<br />
meist die folgenden Punkte angesprochen:<br />
Höchstgeschwindigkeiten, Polizeikontrollen und<br />
Rechtsprechung, Strasseninfrastruktur, Fahrzeugtechnik,<br />
Risikogruppen bzw. der Umgang mit diesen<br />
mittels Verkehrserziehung, Ausbildung und<br />
Information.<br />
Aus der Literatur sind viele <strong>Faktor</strong>en bekannt, die<br />
die <strong>Geschwindigkeit</strong>swahl beeinflussen. Eine Zusammenstellung<br />
des European Transport Safety<br />
Council [31] aus dem Jahr 1995 setzt sich aus<br />
strassen-, fahrzeug-, verkehrs-, umwelt- und lenkerbezogenen<br />
<strong>Faktor</strong>en zusammen:<br />
Strasse:<br />
• Breite<br />
• Längsneigung<br />
• Ausrichtung<br />
• Umgebung<br />
• Gestaltung<br />
• Markierung<br />
• Qualität des Belags<br />
Fahrzeug:<br />
• Fahrzeugtyp<br />
• Leistungsgewicht<br />
• Höchstgeschwindigkeit<br />
• Komfort<br />
Verkehr:<br />
• Dichte<br />
• Zusammensetzung<br />
• Vorherrschende <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
Umwelt:<br />
• Wetter<br />
• Strassenzustand<br />
• Lichtverhältnisse<br />
• Signale<br />
• Höchstgeschwindigkeit<br />
• Polizeikontrollen<br />
Motorfahrzeuglenkende:<br />
• Alter<br />
• Geschlecht<br />
• Reaktionszeit<br />
• Einstellungen<br />
• Suche nach Nervenkitzel («sensation seeking»)<br />
• Risikoakzeptanz<br />
• Risikowahrnehmung<br />
• Alkoholniveau<br />
• Motorfahrzeugbesitz<br />
• Umstände der Fahrt<br />
• Anzahl Passagiere<br />
Eine wohl wünschenswerte Gewichtung der Risikofaktoren<br />
nach ihrer relativen Bedeutung nehmen<br />
die Autoren nicht vor.<br />
2. Höchstgeschwindigkeit<br />
Die Höchstgeschwindigkeit ist die <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
mit der man rechtlich gesehen auf einer Strasse<br />
unter opt<strong>im</strong>alen Verkehrs-, Wetter- und Strassen-<br />
60 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
verhältnissen unterwegs sein darf. Aber auch bei<br />
Einhaltung der allgemeinen oder signalisierten<br />
Höchstgeschwindigkeit ist der Motorfahrzeuglenkende<br />
noch nicht aus der Pflicht. Er muss sein <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
an die jeweiligen Bedingungen<br />
wie Verkehrs-, Strassen- und Wetterverhältnisse<br />
anpassen. Letztlich gibt der Gesetzgeber<br />
nur vor, unterhalb welcher Höchstgrenze sich das<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten abzuspielen hat.<br />
Davon abzugrenzen ist die <strong>Geschwindigkeit</strong>, für die<br />
die Strasse gebaut worden ist. Hier handelt es sich<br />
um die sogenannten Ausbau- bzw. Projektierungsgeschwindigkeiten.<br />
Von der Theorie her sollten<br />
Ausbau- und Projektierungsgeschwindigkeit, allgemeine<br />
oder signalisierte Höchstgeschwindigkeit<br />
und tatsächlich gefahrene <strong>Geschwindigkeit</strong> möglichst<br />
nah beieinander sein. Allerdings gibt es empirische<br />
Resultate, die darauf hinweisen, dass das<br />
Unfallgeschehen verringert werden kann, wenn die<br />
erlaubte Höchstgeschwindigkeit geringer ist als die<br />
Ausbau- bzw. Projektierungsgeschwindigkeit, d. h.<br />
wenn die Strasse eine gewisse <strong>Geschwindigkeit</strong>stoleranz<br />
bietet. Dies dürfte auch der Grund dafür<br />
sein, dass die erlaubte Höchstgeschwindigkeit in<br />
den USA in den allermeisten Fällen sogar deutlich<br />
unter der V85 liegt, also der <strong>Geschwindigkeit</strong>, die<br />
von 85 % der Motorfahrzeuglenkenden nicht<br />
überschritten wird.<br />
3. Motorfahrzeuglenkende<br />
Merkmale der Motorfahrzeuglenkenden haben<br />
einen ganz erheblichen Einfluss darauf, ob mit<br />
angemessener <strong>Geschwindigkeit</strong> gefahren wird oder<br />
nicht. Einige der wichtigen <strong>Faktor</strong>en wurden bereits<br />
in Kap. V.5, S. 47 erwähnt.<br />
3.1 Alter<br />
Unangemessene <strong>Geschwindigkeit</strong> ist ein Problem<br />
der eher jüngeren Motorfahrzeuglenkenden, wobei<br />
dies relativ zu verstehen ist. Es handelt sich dabei<br />
nicht nur um die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen,<br />
sondern um Lenkende bis ca. Mitte 30. Es ist allerdings<br />
nicht ausgeschlossen, dass dem problematischen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten der ganz Jungen<br />
und der Erwachsenen unterschiedliche Ursachen<br />
zugrunde liegen. Im einen Fall dürfte es sehr viel<br />
mit dem entwicklungspsychologischen Stand der<br />
jungen Leute zu tun haben. Bei den anderen hingegen<br />
ist die Entwicklung eigentlich abgeschlossen,<br />
aber die Grenzerfahrung wird noch <strong>im</strong>mer<br />
gesucht.<br />
Das Risikoverhalten der Jugendlichen und jungen<br />
Erwachsenen wird auf eine Kombination von verschiedenen<br />
<strong>Faktor</strong>en zurückgeführt. Genannt werden<br />
beispielsweise das Pubertätsalter, hormonelle<br />
Fluktuationen und genetische <strong>Faktor</strong>en neben psychologischen<br />
<strong>Faktor</strong>en wie Selbstwahrnehmung,<br />
Beziehungen zu den Gleichaltrigen («peers»), Erziehungsstil<br />
der Eltern und andere psychosoziale<br />
<strong>Faktor</strong>en. Comsis Corporation und The Johns Hopkins<br />
University [32] weisen darauf hin, dass Theorien,<br />
die nur einen Aspekt der menschlichen Entwicklung<br />
berücksichtigen, der Komplexität des<br />
Phänomens nicht gerecht würden. Auch Shope<br />
[33] sieht diverse Einflussfaktoren für das riskante<br />
Fahrverhalten junger Motorfahrzeuglenkender. Sie<br />
nennt Persönlichkeitsmerkmale, demographische<br />
<strong>Faktor</strong>en, wahrgenommene Umgebung, soziale<br />
und physische Fahrerumgebung, Entwicklungsfaktoren<br />
und die Fahrkompetenz. In all diesen Aspekten<br />
sieht sie Interventionsmöglichkeiten. Versuche<br />
zur Änderung des Risikoverhaltens sollten auf je-<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 61
den Fall theoriegestützt sein und einen möglichst<br />
breiten Ansatz verfolgen.<br />
Die Interventionen sollten dabei auf die jeweiligen<br />
Zielgruppen zugeschnitten werden, da die Probleme<br />
je nach Alter unterschiedlich gelagert sein können<br />
(Kap. VII.3.10, S. 65).<br />
3.2 Geschlecht<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikte sind zum allergrössten Teil<br />
«Männersache». Sowohl bei den deskriptiven wie<br />
bei den analytischen Auswertungen waren Lenker<br />
gegenüber Lenkerinnen deutlich übervertreten.<br />
Dieser Geschlechtsunterschied besteht nach wie<br />
vor, obwohl man vermuten könnte, dass aufgrund<br />
der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung<br />
vermehrt auch <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikte durch<br />
Frauen begangen werden. Erfreulicherweise ist dies<br />
nicht der Fall.<br />
Für Interventionen bedeutet dies, dass man sich vor<br />
allem auf die Männer als Zielgruppe konzentrieren<br />
sollte.<br />
3.3 Reaktionszeit<br />
Die Reaktionszeit ist stark mit dem Alter korreliert.<br />
Je älter man wird, desto langsamer werden die<br />
Reaktionszeiten. Andere Punkte, die die Reaktionszeit<br />
beeinflussen sind beispielsweise Alkohol oder<br />
Ablenkung. Da allerdings die <strong>Geschwindigkeit</strong>sproblematik<br />
vor allem mit jüngerem Alter zu tun<br />
hat, scheint die Reaktionszeit hier – abgesehen von<br />
den in Kap. V.2.1.1, S. 37 genannten Punkten –<br />
nicht sehr relevant zu sein.<br />
3.4 Einstellungen<br />
Die Einstellungen spielen in verschiedenen psychologischen<br />
Theorien eine wichtige Rolle. Allerdings<br />
ist der Zusammenhang zwischen Einstellung und<br />
Verhalten bei weitem nicht so klar wie man meinen<br />
könnte. Die Kenntnis der Einstellung(en) allein<br />
reicht meistens für eine Verhaltensprognose nicht<br />
aus. Ohne weiter auf die komplexe Diskussion<br />
innerhalb der Psychologie einzusteigen muss konstatiert<br />
werden,<br />
• dass es nicht einfach ist, Einstellungen zu ändern<br />
• und dass dies allein nicht ausreicht, um ein<br />
komplexes Verhalten wie die <strong>Geschwindigkeit</strong>swahl<br />
be<strong>im</strong> Autofahren zu ändern.<br />
Interventionen, die sich lediglich auf die Einstellungen<br />
der Motofahrzeuglenkenden konzentrieren,<br />
scheinen wenig erfolgversprechend zu sein. Komplexe<br />
Modelle wie beispielsweise das von Shope<br />
[33] oder die Theorie des geplanten Verhaltens<br />
können hier eher helfen.<br />
Shope schlägt beispielsweise folgende Interventionen<br />
für Neulenkende generell (nicht nur bezogen<br />
auf die <strong>Geschwindigkeit</strong>) vor (Abbildung 11):<br />
• Schnelle und zuverlässige Polizeikontrollen unter<br />
Einbezug der technischen Möglichkeiten<br />
• Eine Fahrausbildung, die auf wissenschaftlichen<br />
Grundlagen basiert<br />
• Berücksichtigung der Erkenntnisse zum Erwachsenwerden.<br />
Insbesondere soll das Alter des Führerausweiserwerbs<br />
unter diesen Aspekten kritisch<br />
analysiert werden.<br />
• Die Eltern sollen bei der Entscheidung, wann<br />
ein junger Mensch alleine Autofahren darf, eine<br />
wichtige Rolle spielen.<br />
62 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
• Geschlechtsunterschiede be<strong>im</strong> Unfallrisiko sollten<br />
berücksichtigt werden (späteres Führerscheinalter<br />
für Männer als für Frauen?)<br />
• Die soziale Umwelt sollte korrektes Verhalten<br />
<strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> vorleben (Eltern, Peers). Auf<br />
Gemeindeebene könnte ein besserer öffentlicher<br />
Verkehr zu Verfügung gestellt werden.<br />
• Verbesserung der Sicherheit der Strasseninfrastruktur;<br />
elterliche Verbote zu best<strong>im</strong>mten Zeiten<br />
/ Wetterbedingungen Auto zu fahren.<br />
Man muss allerdings bei Shopes Vorschlägen berücksichtigen,<br />
dass das Führerscheinalter in den<br />
USA bei 16 oder sogar 15 Jahren liegt, wo der<br />
elterliche Einfluss noch um einiges grösser sein<br />
dürfte als bei den mindestens 18-Jährigen in der<br />
Schweiz.<br />
Abbildung 11<br />
Einflussfaktoren auf Fahrverhalten junger Lenker [32]<br />
Personality characteristics<br />
Risk taking propensity<br />
Hostility/aggressiveness<br />
Susceptibility to peer pressure<br />
Tolerance of deviance<br />
Demographic factors<br />
Age, sex<br />
Employment<br />
Education<br />
Living situation (parents)<br />
Perceived environment<br />
Parents' norms, behavior expectations<br />
Parental involvement, monitoring<br />
Peers' norms, behavior expectations<br />
Partner's norms, behavior expectations<br />
Community norms<br />
Cultural norms<br />
Media-advertising, entertainment<br />
Risk perception<br />
Quelle: Shope [33]<br />
3.5 Sensation Seeking<br />
Das Modell des Sensation Seeking wurde bereits an<br />
anderer Stelle vorgestellt (Kap. V.5.5, S. 49). Auch<br />
wenn dieses für die vorliegende Problematik recht<br />
plausibel erscheint, so ist doch fraglich, ob eine<br />
solche, eher eind<strong>im</strong>ensionale Betrachtungsweise,<br />
ausreichend ist. Darüber hinaus eröffnet dieses<br />
Modell, da es sich dabei um ein kaum änderbares<br />
Persönlichkeitsmerkmal handeln soll, nur wenig<br />
Interventionsmöglichkeiten.<br />
Eine mögliche Rolle könnte das Sensation Seeking<br />
bei der Begutachtung von charakterlich auffälligen<br />
Motorfahrzeuglenkenden spielen. Dazu müsste<br />
allerdings noch überprüft werden, wie sensitiv und<br />
spezifisch das Erhebungsinstrument ist. Von besonderer<br />
Bedeutung wäre auch der positive und<br />
negative Vorhersagewert, der von der Prävalenz in<br />
der zu untersuchenden Population abhängt [34].<br />
Developmental factors<br />
Physical<br />
Hormones, energy, brain, sleep<br />
Psychosocial<br />
Emotional, social (identity, sexual)<br />
Behavioral<br />
Substance use, school grades<br />
Driving ability<br />
Knowledge<br />
Skill<br />
Experience<br />
Driving behavior<br />
Speeding<br />
Unsafe passing<br />
Tailgating<br />
Failure to yield<br />
Impaired driving<br />
Lack of safety belt use<br />
Driving environment (physical and social)<br />
Night/dark<br />
Weather and road conditions<br />
Vehicle availability, play, interior<br />
Passengers (age, sex, substance use)<br />
Trip purpose<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 63
3.6 Risikoakzeptanz<br />
Mit Risikoakzeptanz ist das Unfallrisiko gemeint,<br />
das der Fahrer bereit ist, in Kauf zu nehmen: das<br />
akzeptierte persönliche Risiko. Dabei handelt es<br />
sich, nach verschiedenen Untersuchungen um ein<br />
relativ stabil bleibendes Niveau an Risikobereitschaft.<br />
Insbesondere in der Risikohomöostase-<br />
Hypothese von Wilde [35] spielt das subjektive<br />
Risikoniveau eine zentrale Rolle. Das subjektiv geschätzte<br />
Risiko und das akzeptierte persönliche<br />
Risiko werden miteinander verglichen (mit einem<br />
«Komparator») und das Verhalten bei Bedarf angepasst,<br />
beispielsweise langsamer gefahren. Aber<br />
auch der umgekehrte Fall ist denkbar: dass Verbesserung<br />
der Verkehrssicherheit beispielsweise durch<br />
sicherere Fahrzeuge mittels riskanteren Fahrverhaltens<br />
kompensiert wird. Die Hypothese von Wilde<br />
ist deshalb stark umstritten aber es kann wohl<br />
davon ausgegangen werden, dass es unterschiedliche<br />
individuelle Risikoakzeptanz gibt. Wilde selber<br />
geht davon aus, dass die Risikoakzeptanz beispielsweise<br />
von Erfahrung, Persönlichkeit, Geschlecht,<br />
Alter, Ausbildung aber auch von temporären<br />
<strong>Faktor</strong>en wie Alkohol, Ermüdung usw. abhängt.<br />
Er vertritt die Meinung, dass die Verkehrssicherheit<br />
letztlich nur dadurch verbessert werden<br />
kann, dass das «target level risk», also das akzeptierte<br />
persönliche Risiko, verändert wird.<br />
Trotz der Streitigkeit der Risikohomöostase-<br />
Hypothese kann man doch zwei Schlussfolgerungen<br />
für die Verkehrssicherheitsarbeit ableiten [22]:<br />
1. Intensivierte Polizeikontrollen führen zu einer<br />
erhöhten Risikowahrnehmung und demzufolge<br />
weniger <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen.<br />
2. Strassenmarkierungen, die zu einem subjektiv<br />
erhöhten Risiko führen, können Verhaltensänderungen<br />
herbeiführen. Beispiele dafür sind<br />
etwa optische Einengungen von Fahrbahnbreiten,<br />
die zu verringerten <strong>Geschwindigkeit</strong>en führen.<br />
Auch abgestufte Kurvenleitpfeile, die einen<br />
geringeren Kurvenradius vortäuschen als tatsächlich<br />
besteht, erhöhen das subjektiv wahrgenommene<br />
Risiko.<br />
3.7 Risikowahrnehmung<br />
Die Risikowahrnehmung spielt für unser Verhalten<br />
<strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> eine wichtige Rolle. Unsere<br />
alltägliche Erfahrung zeigt, dass es nur selten Verkehrsunfälle<br />
gibt. Eine Modellrechnung von Shinar<br />
[22] für die USA zeigt auf, dass der durchschnittliche<br />
Motorfahrzeuglenkende eine Wahrscheinlichkeit<br />
von 0,00016 hat, <strong>im</strong> kommenden Jahr ums<br />
Leben zu kommen. Aus dieser Perspektive ist beispielsweise<br />
eine Verringerung des Sterberisikos<br />
durch das Tragen eines Sicherheitsgurts auf<br />
0,00012 nicht besonders motivierend. Mit der<br />
Frage der Risikowahrnehmung haben sich u. a.<br />
auch Kahneman und Tversky beschäftigt, wobei<br />
Ersterer <strong>im</strong> Jahr 2002 dafür den Nobelpreis für<br />
Wirtschaftswissenschaften erhielt. Sie zeigten auf,<br />
dass die menschliche Risikowahrnehmung erheblichen<br />
Fehleinschätzungen unterliegt. Anwendungen<br />
dieser «Neuen Erwartungstheorie» auf das<br />
Verkehrsverhalten sind rar und sollten in Zukunft<br />
vermehrt geprüft werden.<br />
Rundmo und Iversen [36] konnten nachweisen,<br />
dass eine Verkehrssicherheitskampagne mit<br />
Schwerpunkt auf die Risikowahrnehmung sowohl<br />
diese verstärkte als auch das Unfallgeschehen positiv<br />
beeinflusste. Es scheint also möglich zu sein,<br />
mittels Kampagnen die Risikowahrnehmung zu<br />
intensivieren und so das Risikoverhalten zu reduzieren.<br />
64 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
3.8 Alkoholniveau<br />
Dass Alkohol verschiedenste negative Einflüsse auf<br />
das Fahrfähigkeit hat, ist bekannt. So ändern sich<br />
die Reaktionszeiten, die Wahrnehmung, Risikofreudigkeit<br />
und vieles mehr. Das Alkoholniveau<br />
erhöht auch die Wahrscheinlichkeit für zu schnelles<br />
Fahren. Junge Lenker sind besonders anfällig für<br />
die enthemmende Wirkung des Alkohols. Cavegn<br />
et al. [37] haben sich ausgiebig mit dem Thema<br />
Alkohol <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> auseinandergesetzt.<br />
Die ihrer Meinung nach sehr empfehlenswerten<br />
Interventionen sind:<br />
• Alkoholverbot für Neulenker in der Probephase<br />
und für Berufschauffeure<br />
• Ausdehnung der Beweiskraft von Atemalkoholproben<br />
• Intensivierung der polizeilichen Kontrolltätigkeit<br />
• Polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit über Kontrolltätigkeit<br />
• Zwingender Führerausweisentzug für Fahren in<br />
angetrunkenem Zustand zwischen 0.5 und 0.79<br />
Promille<br />
• Flächendeckende Einführung von Nachschulungsprogrammen<br />
für Erstdelinquenten<br />
• Anreizsteigerung für freiwillige Teilnahme an<br />
Nachschulungskursen<br />
3.9 Motorfahrzeugbesitz<br />
Ob man selber der Eigentümer eines Fahrzeugs ist<br />
oder nicht, hat einen Einfluss auf das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten.<br />
Eigentümer fahren mit ihrem<br />
Fahrzeug schneller als Personen, denen das Fahrzeug<br />
nicht gehört. Ein neueres Ergebnis in dieser<br />
Richtung fanden auch Ewert und Eberling [38], die<br />
ein geringeres Risiko schwerer Verletzungen für die<br />
Insassen von Fahrzeugen fanden, die nicht vom<br />
Eigentümer gefahren wurden.<br />
Interventionen lassen sich aus diesem Befund nur<br />
schwer ableiten. Eine theoretische Möglichkeit<br />
wäre, das Autofahren so weit zu verteuern, dass<br />
zumindest die ganz jungen Motorfahrzeuglenkenden<br />
sich ein eigenes Fahrzeug kaum leisten können.<br />
Dies würde dann zur vermehrten Nutzung von<br />
Mietfahrzeugen führen, deren Benutzung dann mit<br />
einem geringeren Risiko einherginge. Darüber hinaus<br />
dürften dadurch auch die Fahrleistungen gesenkt<br />
werden, wodurch die Unfallhäufigkeit noch<br />
mehr vermindert würde.<br />
3.10 Anzahl Passagiere<br />
<strong>Der</strong> Einfluss der Anzahl der Passagiere auf das Unfall-<br />
und <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten der Motorfahrzeuglenkenden<br />
wurde schon oft untersucht.<br />
Die Ergebnisse sind allerdings nicht einheitlich.<br />
Einige Studien kamen insbesondere für junge Lenker<br />
zum Schluss, dass das Unfallrisiko mit der Anzahl<br />
der Passagiere ansteigt. Die Ergebnisse sind so<br />
weit akzeptiert, dass beispielsweise in einigen Staaten<br />
der USA ein Passagierverbot für junge Motorfahrzeuglenkende<br />
besteht.<br />
Umgekehrt gibt es aber auch Studien, die zu einem<br />
positiven Fazit kommen, d. h. dass die Anwesenheit<br />
von Passagieren die Verkehrssicherheit verbessert<br />
[39].<br />
Insgesamt sieht es so aus, als ob bei jungen Lenkern<br />
insbesondere die Anwesenheit von Gleichaltrigen<br />
zu einer Risikoerhöhung führt. Die Anwesenheit<br />
von Kindern oder Erwachsenen hingegen hat<br />
eher positive Effekte. Jenseits des Alters von<br />
25 Jahren sind die Effekte von Passagieren auf das<br />
Fahrverhalten generell eher sicherheitsförderlich.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 65
Es wird empfohlen zu diesem Thema eine Schweizer<br />
Studie durchzuführen, um abzuschätzen, ob<br />
durch ein Passagierverbot für junge Lenker ein<br />
bedeutender Sicherheitsgewinn erreicht werden<br />
kann. Falls dem so wäre, könnte eine solche Massnahme<br />
Teil der Zweiphasenfahrausbildung werden.<br />
3.11 Graduated Driver Licensing<br />
Das bisher erfolgreichste Vorgehen gegen das erhöhte<br />
Unfallgeschehen von Neulenkenden ist das<br />
Graduated Driver Licensing (GDL), dessen theoretische<br />
Basis darin besteht, dass man bei Neulenkenden<br />
die Exposition für besonders riskante Situationen<br />
vermindert. So erklärt sich, dass in den USA<br />
das GDL vor allem die drei Komponenten des<br />
Nachtfahrverbots, Alkoholverbots und Passagierverbots<br />
beinhaltet. Alle drei Komponenten gehen<br />
mit deutlich erhöhten Unfallrisiken (und vermehrten<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikten) einher. Die in Europa<br />
üblichen Massnahmen für Neulenkende unter<br />
demselben Titel des GDL hingegen sind weniger<br />
eindeutig auf die Expositionsminderung von Risikosituationen<br />
ausgerichtet. Hier versteht man darunter<br />
verschiedene Komponenten wie vermehrte<br />
Ausbildung und höhere Strafandrohung. Ob sich<br />
die europäischen Varianten als ähnlich wirksam<br />
erweisen, wie die amerikanischen, die eine Reduktion<br />
von 20 bis 30 % bei den Unfällen aufweisen,<br />
muss noch geklärt werden.<br />
Elvik und Vaa [40] kommen aufgrund einer Meta-<br />
Analyse zum Schluss, dass mittels GDL 9 % der<br />
Unfälle mit Verletzten verhindert werden könnte.<br />
Nachtfahrverbote hingegen sollen einen Effekt von -<br />
36 % haben. Eine Cochrane Review [41] kommt<br />
jedoch zum Schluss, dass GDL zwar positive Effekte<br />
hat, das Ausmass aber aufgrund der schwachen<br />
Untersuchungsdesigns nicht best<strong>im</strong>mt werden kann.<br />
Insgesamt dürfte das Graduated Driver Licensing<br />
eine der erfolgversprechendsten Massnahmen für<br />
den Umgang mit jungen Motorfahrzeuglenkenden<br />
und deren Problemen <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> sein. Die<br />
genauen Inhalte und deren Wirksamkeit müssen<br />
aber noch besser überprüft werden. Für das<br />
schweizerische System (Zweiphasenfahrausbildung)<br />
sind Resultate etwa <strong>im</strong> Jahr 2011 zu erwarten.<br />
Abhängig von diesen Resultaten sind allenfalls<br />
noch Verbesserungen vorzunehmen.<br />
3.12 Behandlung von delinquenten<br />
Motorfahrzeuglenkenden<br />
Ein generelles Problem bei der Behandlung von<br />
delinquenten Motorfahrzeuglenkenden ist die<br />
mangelnde Reichweite der Spezialprävention. Nur<br />
ein kleiner Teil der Motorfahrzeuglenkenden, die<br />
zu schnell fahren, wird erwischt. Und nur ein geringer<br />
Teil derjenigen, die zu schnell fahren, tun<br />
dies in einem Ausmass, dass sie Sanktionen, Therapien<br />
oder Ähnliches erhalten. Und wiederum nur<br />
bei einem Teil derjenigen, die eine Intervention<br />
erhalten, wirkt sie dann auch.<br />
Lenkende, die <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> wegen <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikten<br />
auffällig geworden sind,<br />
werden in der Schweiz in zweifacher Hinsicht behandelt.<br />
Einerseits gibt es die strafrechtliche Sanktion<br />
in Form einer Busse, Geldstrafe, Freiheitsstrafe<br />
oder gemeinnütziger Arbeit (Kap. VII.4.1, S. 68).<br />
Dazu kommt allenfalls noch eine Administrativmassnahme<br />
<strong>im</strong> Verwaltungsverfahren, d. h. eine<br />
Verwarnung oder – von den Motorfahrzeuglenkenden<br />
oft als am schl<strong>im</strong>msten empfunden –der<br />
Führerausweisentzug.<br />
Elvik und Vaa [40] analysierten verschiedene Arten<br />
von Behandlungen von «problem drivers» und<br />
66 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
kamen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen,<br />
je nach Art der Intervention. Fahrkurse zu defensivem<br />
Fahren ergaben eine Verbesserung von etwa<br />
7 % be<strong>im</strong> Unfallgeschehen. Diskussionen oder<br />
Gespräche ergaben keinen Effekt. Auch ein erneuter<br />
Erwerb des Führerausweises führte zu keinen<br />
bedeutenden positiven Effekten. Dasselbe gilt für<br />
Warnbriefe oder Broschüren, die per Post zugeschickt<br />
wurden.<br />
Einen deutlich positiven Effekt (15 % Verringerung<br />
bei den Unfällen) hingegen hatten sogenannte<br />
«incentive letters», d. h. persönliche Briefe, in denen<br />
Inhalte kommuniziert werden, dass beispielsweise<br />
kein neuer Führerausweis erworben werden<br />
muss, wenn innerhalb einer best<strong>im</strong>mten Zeit keine<br />
weiteren Auffälligkeiten registriert werden.<br />
Denkbar wäre etwa für «incentive letters», welche<br />
sich auf die kaskadenartige Verschärfung der Administrativmassnahme<br />
beziehen, folgendes Szenario:<br />
Alle Lenker, die bei einem mittelschweren oder<br />
schweren (<strong>Geschwindigkeit</strong>s-)Delikt erwischt wurden,<br />
erhalten einen Brief, der darauf hinweist, dass<br />
bei einem weiteren mittelschweren oder schweren<br />
Delikt innerhalb einer gewissen Zeit mit einer verschärften<br />
Administrativmassnahme zu rechnen sei.<br />
Bei unauffälligem Verhalten innerhalb der nächsten<br />
Jahre käme es jedoch nicht zur Verschärfung der<br />
Administrativmassnahme.<br />
Ein solches System würde einerseits dem Motorfahrzeuglenkenden<br />
mehr Klarheit über die allenfalls<br />
bevorstehenden Sanktionen verschaffen. Andererseits<br />
wüsste er auch, was er tun oder lassen<br />
muss, um dies zu vermeiden. Für die <strong>Strassenverkehr</strong>sämter,<br />
welche solche Briefe verschicken müssten,<br />
gäbe es wohl ein erhebliches Ausmass an<br />
Mehrarbeit, da für jeden einzelnen Delinquenten<br />
überprüft werden müsste, auf welcher Stufe der<br />
kaskadenartigen Verschärfung der Administrativmassnahmen<br />
er sich aktuell befindet und welche<br />
Administrativmassnahmen ihm bei einem weiteren<br />
<strong>Strassenverkehr</strong>sdelikt einer best<strong>im</strong>mten Schwere<br />
drohen würden. Angesichts der Komplexität der<br />
Art. 16a, b und c SVG, die die Anzahl, die Schwere<br />
und den Zeitpunkt der bisherigen Delikte berücksichtigen,<br />
ist dies nicht ganz trivial.<br />
3.13 Verkehrssicherheitskampagnen<br />
Verkehrssicherheitskampagnen sind eine weit verbreitete<br />
Methode um zu versuchen, die Motorfahrzeuglenkenden<br />
zu Änderungen in Bezug auf Einstellungen<br />
und Verhalten zu bewegen. Verkehrssicherheitskampagnen<br />
können wirksam sein, müssen<br />
aber nicht. Bemerkenswert ist der geringe Anteil<br />
von Kampagnen, der gründlich evaluiert wurde. Es<br />
gibt jedoch drei Übersichtsarbeiten, die sich mit der<br />
Wirksamkeit von massenmedialen Verkehrssicherheitskampagnen<br />
befasst haben. Eine ältere von<br />
Elliott aus dem Jahr 1993 [42], eine etwas neuere<br />
von Delhomme et al. aus dem Jahr 1999 [43] und<br />
eine aktuelle aus dem Jahr 2009. Letztere hebt sich<br />
aufgrund der verwendeten Methoden markant von<br />
den beiden älteren Arbeiten ab und ist daher am<br />
aussagekräftigsten. Laut Vaa et al. [44] können<br />
massenmediale Kampagnen von Nutzen sein (sowohl<br />
bezüglich der Reduktion von Unfällen als<br />
auch bezüglich Verhaltensänderungen). Gemäss<br />
diesen Analysen unterscheiden sich die Einflussfaktoren<br />
auf die Wirkung einer Kampagne aber je<br />
nach Outcome-Kriterium (z. B. Unfälle, Gurttragquote<br />
usw.). Die Planung und Implementierung<br />
einer Kommunikationskampagne muss daher sehr<br />
sorgfältig ausgearbeitet werden. Von Kampagnen,<br />
die ausschliesslich auf massenmediale Kommunikation<br />
setzen, ist eher abzuraten.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 67
3.14 Fazit<br />
Es sind diverse Risikofaktoren für das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
bekannt. Die wichtigsten sind männliches<br />
Geschlecht und junges Alter. Gegen das erhöhte<br />
Unfallrisiko der jungen Lenker wurde das Konzept<br />
des «Graduated Driver Licensing» entwickelt, das<br />
darauf abzielt, risikoreiche Fahrsituationen zu min<strong>im</strong>ieren.<br />
Eine Evaluation der schweizerischen Zweiphasenfahrausbildung<br />
steht aber noch aus.<br />
Geschlechtsunterschiede bestehen be<strong>im</strong> <strong>Geschwindigkeit</strong>s-<br />
und Unfallverhalten nach wie vor, so dass<br />
der Fokus der Aktivitäten auf die Männer gelegt<br />
werden muss.<br />
Auch Alkohol hat einen erheblichen Einfluss auf<br />
das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten. Deswegen müssen<br />
die bereits mehrfach von der bfu vorgeschlagenen<br />
Massnahmen, wie z. B. ein Alkoholverbot für Neulenkende,<br />
das ja auch Bestandteil des Programms<br />
Via sicura ist, forciert werden. Weitere Massnahmen<br />
gegen Alkohol am Steuer können dem Sicherheitsdossier<br />
Nr. 4 entnommen werden [37].<br />
Junge Motorfahrzeuglenker weisen ein wesentlich<br />
höheres Bedürfnis nach «Sensation Seeking» – also<br />
neuen und aufregenden Erfahrungen – auf. Möglicherweise<br />
kann dieses Konzept in der verkehrspsychologischen<br />
Diagnostik eingesetzt werden.<br />
Andere psychologische Konzepte wie Risikoakzeptanz<br />
oder Risikowahrnehmung kann man in Verkehrssicherheitskampagnen<br />
einsetzen. Letztere<br />
sind nur sinnvoll, wenn sie sehr sorgfältig und literaturbasiert<br />
geplant und <strong>im</strong>plementiert werden.<br />
Bei der Behandlung von geschwindigkeitsauffälligen<br />
Lenkern muss man zwischen dem Sanktionsan-<br />
spruch des Staates und der verbesserten Rückfallprognose<br />
unterscheiden. Für Letzteres haben sich<br />
beispielsweise Führerausweisentzüge insbesondere<br />
in Kombination mit verhaltenstherapeutischen<br />
Massnahmen oder auch sogenannte incentive letters<br />
(persönliches Informationsschreiben <strong>im</strong> Sinn<br />
eines Mahnbriefes) erwiesen.<br />
Weitere Einflussfaktoren auf das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
mit Interventionsmöglichkeiten sind die<br />
Anzahl Passagiere, die wohl auf junge Motorfahrzeuglenkende<br />
einen risikosteigernden Effekt ausüben,<br />
sowie die Frage nach dem Fahrzeugeigentümer.<br />
Wenn man mit einem fremden Fahrzeug<br />
unterwegs ist, wird wohl vorsichtiger gefahren.<br />
4. Recht und seine Durchsetzung<br />
Das Kapitel Recht und seine Durchsetzung zum<br />
Thema <strong>Geschwindigkeit</strong> besteht aus zwei Teilen:<br />
1. Die Sanktionierung von <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen<br />
2. Die Kontrolltätigkeit der Polizei<br />
4.1 Sanktionen nach reinen <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen<br />
(ab 01. Januar 2005)<br />
4.1.1 Allgemein<br />
Ein Fehlverhalten <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong> hat nebst<br />
einem strafrechtlichen regelmässig auch ein verwaltungsrechtliches<br />
Nachspiel. Die Sanktionierung<br />
von Verkehrsregelverletzungen erfolgt somit nach<br />
einem dualistischen System: Einerseits wird <strong>im</strong><br />
Strafverfahren eine eigentliche Strafe ausgefällt.<br />
Andererseits können gegen fehlbare Fahrzeuglenkende<br />
zusätzlich zur Strafe <strong>im</strong> Verwaltungsverfahren<br />
Administrativmassnahmen, z. B. in Form einer<br />
68 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Verwarnung oder eines Führerausweisentzugs,<br />
verfügt werden. Diese doppelte Sanktionierung<br />
verstösst nicht gegen das Prinzip «ne bis in<br />
idem» 24 , weil die jeweiligen Sanktionsmittel unterschiedliche<br />
Zwecke verfolgen [3].<br />
Bei Widerhandlungen gegen die Verkehrsregeln<br />
sind, soweit das SVG nichts anderes best<strong>im</strong>mt, die<br />
allgemeinen Best<strong>im</strong>mungen des Schweizerischen<br />
Strafgesetzbuchs 25 anwendbar (Art. 102 Abs. 1<br />
SVG). Mit der Revision des Allgemeinen Teils des<br />
StGB, in Kraft seit dem 1. Januar 2007, erfolgte<br />
eine Neuordnung des Sanktionensystems. Anstelle<br />
der kurzen Freiheitsstrafe, die nur noch ausnahmsweise<br />
zur Anwendung gelangen soll, traten<br />
die Geldstrafe <strong>im</strong> Tagessatzsystem und – sofern der<br />
Täter zust<strong>im</strong>mt – die gemeinnützige Arbeit. Im<br />
Gegensatz zur Busse können die drei Sanktionsmöglichkeiten<br />
Geldstrafe [45,46], Freiheitsstrafe<br />
oder gemeinnützige Arbeit auch bedingt oder teilbedingt<br />
ausgesprochen werden (Art. 42 und<br />
43 StGB). Zudem kann eine bedingte Freiheitsstrafe<br />
auch mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit<br />
einer (unbedingten) Busse bis zu CHF 10 000.–<br />
verbunden werden (Art. 42 Abs. 4, Art. 106 StGB)<br />
[3]. In leichteren Fällen kann zudem von der Strafe<br />
abgesehen werden 26 . Bei der Festlegung des<br />
Strafmasses kommt den zuständigen kantonalen<br />
Strafbehörden ein erhebliches Ermessen zu 27 .<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
24 Gemäss diesem Grundsatz darf niemand wegen der gleichen<br />
Straftat zwe<strong>im</strong>al verfolgt werden.<br />
25 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937,<br />
SR 311.0<br />
26 Vgl. dazu die Darstellung der Grundzüge des neuen – nur 2<br />
Jahre nach seinem Inkrafttreten sowohl von politischen als<br />
auch rechtlichen Kreisen zum Teil heftig kritisierten – Sanktionensystems<br />
in BGE 134 IV 82, E. 3-5.<br />
27 Die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz<br />
(KSBS) hat Empfehlungen für die Strafzumessung abgegeben,<br />
u. a. für Überschreitungen allgemeiner, fahrzeugbedingter<br />
oder signalisierter Höchstgeschwindigkeiten:<br />
http://www.ksbs-caps.ch/pages_d/empfehlungen_d.htm,<br />
Zugriff am 13. Juli 2009<br />
Administrativmassnahmen haben erzieherische<br />
Funktionen oder bezwecken, Personen, die sich<br />
nicht zum Fahren eignen, vom Verkehr fernzuhalten.<br />
Rechtlich stellen sie zwar keine Strafe dar,<br />
werden von den Betroffenen jedoch oft als belastender<br />
empfunden. Ein Führerausweisentzug<br />
schmerzt in der Regel mehr als z. B. eine Busse<br />
oder eine bedingte Geldstrafe. Administrativmassnahmen<br />
werden nicht vom Gericht, sondern vom<br />
zuständigen kantonalen <strong>Strassenverkehr</strong>samt angeordnet.<br />
Die am 1. Januar 2005 in Kraft getretene<br />
Revision des SVG führte mit der Neuregelung des<br />
Warnungsentzugs das sogenannte Kaskadensystem<br />
ein (Art. 16a-c SVG). Damit wurde dem<br />
Wunsch des Parlaments und der Mehrheit der Kantone<br />
nach einer Vereinheitlichung der Führerausweisentzugspraxis<br />
und einem strengeren Vorgehen<br />
gegen Wiederholungstäter, die in schwerer oder<br />
mittelschwerer Weise gegen die Verkehrsregeln<br />
verstossen haben, entsprochen. <strong>Der</strong> Sicherungsentzug<br />
<strong>im</strong> Sinn des vorher geltenden Rechts ist nun als<br />
Führerausweisentzug wegen fehlender Fahreignung<br />
in Art. 16d SVG geregelt 28 .<br />
Überschreitungen der zulässigen Fahrgeschwindigkeit<br />
gehören zu den häufigsten Delikten <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong>.<br />
Sie können sowohl straf- als auch verwaltungsrechtlichen<br />
Sanktionen auslösen. Im Folgenden<br />
werden kurz die gängigen strafrechtlichen<br />
Sanktionen sowie Administrativmassnahmen erklärt,<br />
die nach reinen <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikten29 ausgesprochen werden können. Die bezifferten<br />
Überschreitungen allgemeiner oder signalisierter<br />
Höchstgeschwindigkeiten verstehen sich jeweils<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
28 Zur Revision des Administrativmassnahmerechts vgl. die<br />
Botschaft des Bundesrats vom 31. März 1999,<br />
BBl 1999 4462; Vgl. ferner die beiden Kapitel von He<strong>im</strong>gartner<br />
und Schönknecht sowie von Schaffhauser [47, S.<br />
226-228, 48,48].<br />
29 Fälle, bei denen «lediglich» gegen die <strong>Geschwindigkeit</strong>svorschriften<br />
verstossen wurde, ohne dass dies zu einem Unfall<br />
führte.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 69
nach Abzug der Sicherheitsmarge. Sanktionen<br />
nach massiven <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen30<br />
[3] bzw. infolge sogenannter Raserei werden<br />
hier nicht speziell thematisiert.<br />
4.1.2 Strafrechtliche Sanktionen<br />
Übertretungen der <strong>Strassenverkehr</strong>sregeln können<br />
in einem vereinfachten Verfahren, dem Ordnungsbussenverfahren,<br />
geahndet werden. Dieses kommt<br />
in der Regel bei besonders leichten Fällen, d. h.<br />
auch geringfügigen <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen<br />
(1–15 km/h innerorts; 1–20 km/h ausserorts<br />
und auf Autostrassen; 1–25 km/h auf Autobahnen),<br />
zur Anwendung. Massgebend sind das<br />
Ordnungsbussengesetz 31 und die Ordnungsbussenverordnung<br />
32 . Bezeichnend für dieses Verfahren<br />
ist, dass die Strafen in der ganzen Schweiz gemäss<br />
Bussenliste festgelegt sind (Anhang 1, Ziff. 303.1,<br />
2 und 3 OBV für <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen).<br />
Ein Verfahren nach OBG ist jedoch ausgeschlossen,<br />
wenn Personen verletzt oder gefährdet<br />
worden sind oder ein Sachschaden entstanden ist.<br />
Einfache Verkehrsregelverletzungen werden mit<br />
Bussen bestraft. Wird eine <strong>im</strong> einfachen Ordnungsbussenverfahren<br />
erhobene Busse nicht fristgerecht<br />
bezahlt oder übersteigen die <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen<br />
in Form einfacher Verkehrsregelverletzungen<br />
gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG den<br />
Anwendungsbereich des Ordnungsbussenverfahrens,<br />
kommt das ordentliche Strafverfahren zum<br />
Zug. Dies ist dann der Fall, wenn jemand die zulässige<br />
Höchstgeschwindigkeit innerorts um 16–<br />
24 km/h, ausserorts und auf Autostrassen um 21–<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
30 Wiprächtiger kommt zum Schluss, dass es für Raser weder<br />
höhere Strafen, schärfere Administrativmassnahmen noch<br />
Gesetzesänderungen braucht. Er wünscht sich eine Versachlichung<br />
der Diskussion betreffend Raserproblematik.<br />
31 OBG vom 24. Juni 1970, SR 741.03<br />
32 OBV vom 4. März 1996, SR 741.031<br />
29 km/h oder auf der Autobahn um 26–34 km/h<br />
überschreitet.<br />
Wenn noch schneller gefahren wird, liegt eine<br />
grobe Verkehrsregelverletzung <strong>im</strong> Sinn von<br />
Art. 90 Ziff. 2 SVG vor. Nach konstanter Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichts33 handelt es sich ungeachtet<br />
der konkreten Umstände um eine grobe<br />
Verkehrsregelverletzung, wenn die zulässige<br />
Höchstgeschwindigkeit innerorts um 25 km/h und<br />
mehr, ausserorts um 30 km/h und mehr und auf<br />
der Autobahn um 35 km/h und mehr überschritten<br />
wird. Eine grobe Verkehrsregelverletzung stellt ein<br />
Vergehen34 dar, das mit einer Geldstrafe oder einer<br />
Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren geahndet werden<br />
kann. Falls der Täter zust<strong>im</strong>mt, kann das Gericht<br />
statt einer Freiheits- oder Geldstrafe auch gemeinnützige<br />
Arbeit anordnen (Art. 37 Abs. 1 StGB).<br />
Eine grobe Verkehrsregelverletzung infolge <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitung<br />
wird vor allem bei<br />
Ersttätern kaum eine vollziehbare Freiheitsstrafe<br />
nach sich ziehen, sondern in der Regel mit einer –<br />
meist bedingt oder teilbedingt ausgesprochenen –<br />
Geldstrafe oder gemeinnütziger Arbeit sowie allenfalls<br />
zusätzlich mit einer Busse sanktioniert [3]. Die<br />
Freiheitsstrafe kommt hier praktisch nur noch zum<br />
Zug, wenn jemand schuldhaft die Geldstrafe nicht<br />
bezahlt und sich weigert, stattdessen gemeinnützige<br />
Arbeit zu leisten.<br />
Die Sanktionen bei Verkehrsdelikten sollen zwei<br />
Auswirkungen haben. Zum einen soll der Delinquent<br />
seine Strafe aus Gerechtigkeitsgründen erhalten.<br />
Andererseits soll die Strafe aber auch dazu<br />
führen, dass es möglichst nicht zu einer Wiederho-<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
33 Vgl. dazu die Auswahl von Bundesgerichtsurteilen betreffend<br />
grobe Verkehrsverletzung infolge <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitung<br />
auf der Website der bfu:<br />
http://www.bfu.ch/German/strassenverkehr/rechtliches/Doc<br />
uments/<strong>Geschwindigkeit</strong>.aspx<br />
34 Art. 10 Abs. 3 StGB<br />
70 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
lung des Delikts bzw. zu einem Rückfall kommt.<br />
Die Beweise für Letzteres sind allerdings aus methodischen<br />
Gründen nicht ganz einfach zu führen.<br />
So konnte eine Arbeit von Lawpoolsri und Li aus<br />
Maryland [49] zwar aufzeigen dass diejenigen, die<br />
<strong>im</strong> Mai 2002 eine Ordnungsbusse wegen überhöhter<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> erhalten hatten, eine mehr als<br />
doppelt so grosse Wahrscheinlichkeit hatten, <strong>im</strong><br />
darauf folgenden Jahr erneut deswegen gebüsst zu<br />
werden. Die Schlussfolgerung, dass die Busse keinen<br />
positiven Effekt auf das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
hat, lässt sich daraus kaum ableiten. Immerhin<br />
wäre es möglich, dass das Risiko vor Erhalt der<br />
ersten Busse noch höher gewesen ist. Als rückfallrisikosenkend<br />
erwies sich hingegen eine Bewährungsstrafe.<br />
Falls es innerhalb eines halben oder<br />
ganzen Jahres nicht zu einem weiteren Delikt kam,<br />
so gab es keinen Eintrag ins Verkehrsregister was<br />
sonst eine erhöhte Versicherungsprämie nach sich<br />
gezogen hätte.<br />
Eine zurzeit stark diskutierte Frage ist die Wiedereinführung<br />
der kurzen Freiheitsstrafen bis zu 6<br />
Monaten. Meta-Analysen, die sich mit den Auswirkungen<br />
von verschiedenen Strafen auf die Rückfallquote<br />
speziell von Verkehrsdelinquenten beschäftigen,<br />
sind den Autoren nicht bekannt. Zwei<br />
Arbeiten [50,51], die sich mit den Auswirkungen<br />
von verschiedenen strafrechtlichen Konsequenzen<br />
auf die Rückfallwahrscheinlichkeit allgemein beschäftigt<br />
haben, finden entweder keinen Unterschied<br />
für die verschiedenen Strafarten oder – bei<br />
längeren Gefängnisstrafen – einen Anstieg der<br />
Rückfallwahrscheinlichkeit.<br />
4.1.3 Administrativmassnahmen: insbeson<br />
dere Verwarnung oder Führerausweisentzug<br />
Gegen Fahrzeugführer, die die <strong>Geschwindigkeit</strong>svorschriften<br />
nicht nur in geringfügiger Weise missachten,<br />
können zusätzlich Administrativmassnahmen<br />
– insbesondere in Form einer Verwarnung<br />
oder eines Führerausweisentzugs – verfügt werden.<br />
Die Art der Massnahme hängt von der Schwere der<br />
begangenen Verkehrsregelverletzung ab. Das SVG<br />
unterscheidet – analog der bundesgerichtlichen<br />
Praxis 35 – zwischen leichten (Art. 16a SVG), mittelschweren<br />
(Art. 16b SVG) und schweren Widerhandlungen<br />
(Art. 16c SVG). 36 In besonders leichten<br />
Fällen kann auf eine Massnahme verzichtet werden<br />
(Art. 16a Abs 4 SVG) [47].<br />
Es gibt eindeutige Belege für die unfallverhütende<br />
Wirkung der Administrativmassnahme Führerausweisentzug.<br />
Immerhin wird für diesen Zeitraum das<br />
Ausmass des Autofahrens vermindert (obwohl viele<br />
Delinquenten trotz Ausweisentzug Autofahren).<br />
Siegrist [45] empfiehlt auf der Grundlage verschiedener<br />
Studien zusätzlich noch verhaltensorientierte<br />
Kurse. Auch bereits die Androhung eines Führerausweisentzuges<br />
führt bereits zu erheblich verringerten<br />
Rückfallraten, wie Corbett, Delmonte,<br />
Qu<strong>im</strong>by und Grayson [53] herausfanden. Die Drohung<br />
ist sogar wirksamer als die Erfahrung eines<br />
vorherigen Ausweisentzugs.<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
35 Vgl. dazu die Auswahl von Bundesgerichtsurteilen betreffend<br />
Führerausweisentzug auf der Website der bfu:<br />
http://www.bfu.ch/German/strassenverkehr/rechtliches/Seite<br />
n/Warnungsentzug_Fuehrerausweis_uebersicht.aspx<br />
http://www.bfu.ch/German/strassenverkehr/rechtliches/Docu<br />
ments/SicherungsentzugwegencharakterlicherMaengel.aspx<br />
Zum Recht vor 1995 vergleiche man die Studie von Dillier-<br />
Gamma [52].<br />
36 Vgl. zur Qualifizierung der Widerhandlungen u. a. die<br />
Websites der kantonalen <strong>Strassenverkehr</strong>sämter, z. B. Bern:<br />
http://www.pom.be.ch/site/index/pom_svsa_index/pom_svs<br />
a_administrativmassnahmen.htm, Zugriff am 14. Juli 2009<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 71
4.2 Staffelung der Sanktionen in Abhängigkeit<br />
von der Gefährlichkeit<br />
des <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikts<br />
Die Kategorisierung der verschiedenen Strafen für<br />
die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeiten<br />
ist zwar abgestuft nach der Höhe der Überschreitungen<br />
und Art der Strasse (Tabelle 14). Sie steht<br />
aber nur in einem lockeren Zusammenhang mit<br />
den physischen Konsequenzen eines allfälligen<br />
Unfalls. Neue wissenschaftliche Arbeiten [4] beschreiben<br />
unter dem Stichwort Power-Model einen<br />
weit folgenreicheren Zusammenhang zwischen<br />
Durchschnittsgeschwindigkeit und Unfallfolgen als<br />
bisher angenommen.<br />
Aufgrund der neuen Erkenntnisse – und wenn<br />
gleiche Risikogefährdung mit gleicher Sanktion einhergehen<br />
soll – wäre ein Überdenken der bisherigen<br />
Grenzziehung angebracht. So wird heute auf<br />
Autobahnen ein Überschreiten der <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
von mindestens 35 km/h als schwere Widerhandlung<br />
eingestuft (was bei Ersttätern zwingend<br />
zu einem 3-monatigen Führerausweisentzug führt),<br />
innerorts um 25 km/h. Möchte man innerorts die-<br />
Tabelle 14<br />
Sanktionen nach <strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen ab 01.01.2005<br />
Wiederholungstäter:<br />
Kaskadensystem (Führerausweisentzug<br />
von mind. 4 Monaten bis <strong>im</strong>mer)<br />
Ersttäter:<br />
mind. 3-monatiger Führerausweisentzug<br />
selbe Risikogefährdung (bzgl. Getöteten) als<br />
schwere Widerhandlung sanktionieren wie auf<br />
Autobahnen, müsste die Grenze innerorts bereits<br />
bei einer Überschreitung von 15 km/h liegen (was<br />
heute lediglich in den Bereich der Ordnungsbussen<br />
fällt).<br />
<strong>Der</strong> Schwerpunkt bei der Sanktionierung sollte<br />
allerdings nicht so sehr auf die strafrechtlichen<br />
Sanktionen gelegt werden, sondern auf die Administrativmassnahmen<br />
(insbesondere Führerausweisentzug),<br />
die die Delinquenten meist härter treffen<br />
als Strafen.<br />
4.3 Demerit points<br />
Punktesysteme für Verkehrssünder sind weit verbreitet.<br />
So haben 19 der 27 EU-Staaten solche<br />
Systeme eingeführt. Die Belege für deren Wirksamkeit<br />
sind jedoch eher schwach. Redelmeier,<br />
Tibshirani und Evans haben 2003 zu diesem Thema<br />
eine Arbeit mit einem Case-Crossover-Design gemacht<br />
[54]. Dabei fanden sie heraus, dass bei <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikten<br />
Strafpunktesysteme wirksamer<br />
waren als normale Bussen. Insgesamt hielt<br />
Sanktionen Ortslage Widerhandlung<br />
Massnahme Strafe Innerorts Ausserorts Autobahn<br />
Ordnungsbusse bis Fr. 250.– bis 15 km/h<br />
Ordnungsbusse bis Fr. 240.– bis 20 km/h<br />
Ordnungsbusse bis Fr. 260.– bis 25 km/h<br />
Verwarnung oder mind. 1-monatiger<br />
Führerausweisentzug<br />
Busse 16–20 km/h 21–25 km/h 26–30 km/h leicht<br />
Ersttäter:<br />
Strafe entweder wie nach leichter 21–24 km/h 26–29 km/h 31–34 km/h mittelschwer<br />
mind. 1-monatiger Führerausweisentzug oder wie nach schwerer Widerhandlung<br />
(abhängig von Umständen<br />
des Falls)<br />
Wiederholungstäter:<br />
Kaskadensystem (Führerausweisentzug<br />
von mind. 6 Monaten bis <strong>im</strong>mer)<br />
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren<br />
oder Geldstrafe<br />
mind. 25 km/h mind. 30 km/h mind. 35 km/h schwer<br />
72 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
jedoch die Wirkung nur rund 1 bis 2 Monate an.<br />
Danach war das Unfallsterberisiko derjenigen die<br />
Strafpunkte erhalten hatten wieder gleich hoch.<br />
Insgesamt besteht also wohl keine Notwendigkeit<br />
in der Schweiz ein Strafpunktesystem einzuführen.<br />
Eine Kombination des bestehenden Systems mit<br />
«incentive letters» (Kap. VII.3.12, S. 66), die darauf<br />
hinweisen, dass die kaskadenartige Verschärfung<br />
der Strafen durch zukünftiges Wohlverhalten vermieden<br />
werden kann, wäre aber eine Verbesserung<br />
mit potenziellem Nutzen für das Unfallgeschehen.<br />
4.4 Kontrolltätigkeit der Polizei<br />
Polizeikontrollen haben sich als wirksam erwiesen,<br />
um das Unfallgeschehen zu vermindern [55,56].<br />
Alle Motorfahrzeuglenkenden – sowohl die zu<br />
schnell fahrenden, als auch diejenigen, die die<br />
Höchstgeschwindigkeiten nicht überschritten hatten,<br />
senken ihre <strong>Geschwindigkeit</strong>, wenn es eine<br />
(erkennbare) <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrolle gibt. <strong>Der</strong><br />
geschwindigkeitsverringernde Effekt einer Kontrolle<br />
hält max<strong>im</strong>al 5 Kilometer an. Danach wird wieder<br />
mit der vorherigen <strong>Geschwindigkeit</strong> gefahren<br />
(räumlicher Halo-Effekt). Die verhaltensändernde<br />
Erinnerung an die <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrolle hält<br />
für etwa 10 bis 14 Tage an (zeitlicher Halo-Effekt).<br />
Die theoretische Grundlage der rechtlichen Massnahmen<br />
und ihrer Durchsetzung ist die «deterrence<br />
theory», also die Theorie der Abschreckung.<br />
Ohne auf die Details einzugehen, ist die wichtigste<br />
Konsequenz, dass eine ausreichende Intensität der<br />
Polizeikontrollen gesichert sein sollte.<br />
Weiterhin ist noch die Frage der Generalprävention<br />
und der Spezialprävention wichtig. Bei der Spezial-<br />
prävention geht es um den Umgang mit delinquenten<br />
Personen, insbesondere den Fragen, wie man<br />
sie überführt und wie man Rückfälle verhindern<br />
kann. Bei der Generalprävention hingegen geht es<br />
darum zu verhindern, dass es überhaupt zu delinquentem<br />
Verhalten kommt.<br />
An dieser Stelle soll noch darauf hingewiesen werden,<br />
dass beispielsweise die Verkehrspolizeien und<br />
das BFS unterschiedliche Begriffe für die verschiedenen<br />
Arten von <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen verwenden<br />
(Tabelle 15).<br />
Im vorliegenden Bericht wird vor allem die BFS-<br />
Terminologie verwendet.<br />
Die wichtigste Frage für die Wirksamkeit der Polizeikontrollen<br />
ist die Art der Durchführung. Dabei<br />
werden besonders diskutiert:<br />
1. Sollen die Kontrollen sichtbar oder nicht sichtbar<br />
sein?<br />
2. Sollen die Kontrollen mobil oder stationär stattfinden?<br />
3. Sollen Kontrollen automatisch oder manuell<br />
durchgeführt werden?<br />
4. Sollen <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen angekündigt<br />
und/oder mit Kampagnen unterstützt werden?<br />
5. Ist die Schnelligkeit der Bestrafung entscheidend?<br />
Tabelle 15<br />
Unterschiedliche Begriffe für verschiedene Arten von <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
Verkehrspolizei BFS<br />
Fixe <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen Stationäre Mess-Systeme –<br />
unbemannt<br />
Stationäre <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen Stationäre Mess-Systeme –<br />
bemannt<br />
Vollmobile <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen Mobile Mess-Systeme<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 73
4.4.1 Sichtbarkeit<br />
Die Sichtbarkeit von Polizeikontrollen erhöht deren<br />
Wirkung. Die subjektiv wahrgenommene Kontrollintensität<br />
steigt an, wenn die Autofahrer sehen,<br />
dass kontrolliert wird – sei es mit einem mobilen<br />
Fahrzeug oder an einem bemannten stationären<br />
Kontrollposten. Diese Art der <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
ist allerdings nicht sehr weit verbreitet.<br />
Nur 2,4 % der <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen werden<br />
bemannt durchgeführt, von denen die allermeisten<br />
sichtbar gewesen sein dürften.<br />
Das Überraschungsmoment fehlt allerdings bei den<br />
sichtbaren Kontrollen.<br />
4.4.2 Mobile oder stationäre Kontrollen<br />
Bei stationären Kontrollen können wesentlich mehr<br />
Motorfahrzeuglenkende kontrolliert werden als bei<br />
mobilen Kontrollen. Im Prinzip kann jedes vorbeifahrende<br />
Fahrzeug auf <strong>Geschwindigkeit</strong> kontrolliert<br />
werden. <strong>Der</strong> Nachteil ist, dass der Effekt der stationären<br />
Kontrolle nur einige Kilometer anhält. <strong>Der</strong><br />
Effekt von mobilen Kontrollen hingegen hält länger<br />
an, da dieses Fahrzeug am Verkehr teiln<strong>im</strong>mt und<br />
somit von den Verkehrsteilnehmenden längere Zeit<br />
wahrgenommen wird. Mobile Kontrollen werden<br />
aber nur von relativ wenigen Lenkern gesehen.<br />
4.4.3 Unbemannte versus bemannte<br />
Kontrollen<br />
Unbemannte Kontrollen mittels <strong>Geschwindigkeit</strong>skameras<br />
bieten die Möglichkeit, eine grosse Zahl<br />
von Fahrzeugen ohne allzu grossen Aufwand zu<br />
kontrollieren. <strong>Der</strong> Nachteil ist, dass der Standort<br />
dieser Kontrollen nach kurzer Zeit bekannt ist, und<br />
deshalb die «Erfolgsquote» – der Anteil überführ-<br />
ter <strong>Geschwindigkeit</strong>ssünder – gering wird. In der<br />
Schweiz liegt sie bei etwa 0,3 %. Auch zeigt sich<br />
hier ein starker räumlicher Halo-Effekt: es wird vor<br />
allem in der direkten Nähe der <strong>Geschwindigkeit</strong>skamera<br />
die Höchstgeschwindigkeit eingehalten.<br />
Aus diesem Grund sind <strong>Geschwindigkeit</strong>skameras<br />
entweder an Unfallhäufungsstellen zu positionieren<br />
(um lokal die Fahrgeschwindigkeiten zu vermindern)<br />
oder in grosser Dichte aufzustellen.<br />
Eine Studie der Cochrane Collaboration [57]<br />
kommt zum Schluss, dass mit automatischen <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
auf Innerorts- und Ausserortsstrassen<br />
Verletzte und Getötete <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong><br />
vermieden werden können. Aufgrund des<br />
schwachen Untersuchungsdesigns vieler Studien<br />
sehen sich die Autoren jedoch nicht in der Lage,<br />
eine Angabe über die genaue Wirksamkeit zu machen.<br />
Elvik und Vaa [40] kommen ebenfalls zu<br />
einem positiven Resultat. Sie gehen von einer Wirksamkeit<br />
von 28 % weniger Unfälle innerorts und<br />
4 % ausserorts aus.<br />
Manuelle Kontrollen bieten den Vorteil einer höheren<br />
Erfolgsquote (6,7 bis 6,8 %), fordern aber einen<br />
wesentlich höheren personellen Aufwand, da<br />
die Kontrollposten eingerichtet und mit ausreichend<br />
Personal bestückt werden müssen. Wenn<br />
man dazu auch noch die Bussen sofort erteilen<br />
möchte, dann steigt der Aufwand nochmals an: die<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> muss gemessen werden, ein weiterer<br />
Posten darüber informiert werden, dieser den<br />
fehlbaren Motorfahrzeuglenkenden herauswinken,<br />
Busse erteilen usw.<br />
Elliott und Broughton [55] berichten, dass der<br />
räumliche Halo-Effekt bei manuellen <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
etwa 5-mal so gross ist wie bei<br />
automatischen Kontrollen.<br />
74 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
4.4.4 Polizeikontrollen mit oder ohne<br />
Ankündigung/Kampagnen?<br />
Zu diesem Thema gibt es eindeutige Ergebnisse.<br />
Polizeikontrollen mit begleitender Medienarbeit sind<br />
wirkungsvoller. Dies erklärt sich durch die grössere<br />
subjektive Kontrollwahrscheinlichkeit. Falls die Kontrolltätigkeit<br />
allerdings nicht tatsächlich intensiviert<br />
wird, so geht der Medieneffekt jedoch nach einigen<br />
Wochen wieder verloren. Eine Intensivierung der<br />
Polizeikontrollen alleine wird oft nicht bemerkt.<br />
4.4.5 Schnelligkeit der Bestrafung<br />
Die Schnelligkeit der Bestrafung gilt allgemein als<br />
einer der Pfeiler der Spezialprävention (neben der<br />
Entdeckungs-, Verfolgungs- und Sanktionswahrscheinlichkeit).<br />
Es gibt allerdings kaum empirische<br />
Beweise für die Bedeutung der Schnelligkeit der<br />
Bestrafung. Möglicherweise ist der Mensch – <strong>im</strong><br />
Gegensatz zu den tierexper<strong>im</strong>entellen Untersuchungen<br />
– doch in der Lage den Zusammenhang zwischen<br />
einer länger zurückliegenden Handlung und<br />
der deutlich später erfolgenden Strafe herzustellen<br />
und mit angemessenen Verhaltensänderungen zu<br />
reagieren.<br />
4.4.6 Fakten zur <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelinquenz<br />
und zu den Polizeikontrollen in der<br />
Schweiz<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen sind (auch) in<br />
der Schweiz ein Massendelikt. Das BFS und die bfu<br />
erfassen gemeinsam mit den Polizeikorps regelmässig<br />
den Anteil überprüfter und sanktionierter Lenkender<br />
und führt alle zwei Jahre eine Befragung der<br />
Motorfahrzeuglenkenden durch [58]. Aus diesen<br />
Erhebungen stammen die folgenden Erkenntnisse<br />
zum Thema <strong>Geschwindigkeit</strong> und Polizeikontrollen.<br />
Rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung überschreitet<br />
nach eigenen Angaben mindestens einmal<br />
<strong>im</strong> Monat die Höchstgeschwindigkeiten, wobei der<br />
Anteil auf den schnellen Strassen grösser ist als auf<br />
den langsamen. Es zeigt sich, nicht ganz unerwartet,<br />
dass Männer (selbstberichtet) häufiger zu schnell<br />
fahren als Frauen, Junge häufiger als Ältere, Vielfahrer<br />
öfter als Personen mit geringen Fahrleistungen<br />
sowie die Tessiner seltener als die Deutschschweizer<br />
oder die Romands.<br />
In der Schweiz wurden in den letzten Jahren die<br />
Anzahl der <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen massiv erhöht.<br />
Im Jahr 2003 waren es noch 243 Mio., 2007<br />
über 515 Mio. Fahrzeuge, d. h. eine Steigerung um<br />
112 %. 97,6 % der <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
wurden durch unbemannte stationäre Mess-<br />
Systeme durchgeführt. Ihre Erfolgsquote beträgt<br />
0,3 %, an den bemannten Stationen waren es 6,7<br />
bis 6,8 %. Daraus resultiert, dass die <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelinquenten<br />
zu etwa zwei Dritteln mit unbemannten<br />
und zu einem Drittel mit bemannten<br />
Mess-Systemen erfasst wurden. Insgesamt hat es<br />
sich um etwa 2,5 Mio. <strong>Geschwindigkeit</strong>ssünder<br />
bzw. zu schnell fahrende Fahrzeuge gehandelt.<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>süberschreitungen, die verzeigt<br />
wurden, machten 5,6 % davon aus, also etwa<br />
140 000 Fälle. Verurteilungen wegen grober Verkehrsregelverletzungen<br />
(vor allem <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikte)<br />
gibt es allerdings nur etwa 21 500<br />
(Stand 2006). Betroffen davon sind zum allergrössten<br />
Teil Männer (87 %) und eher junge Lenker (die<br />
Hälfte unter 35 Jahren). Schweizer und Ausländer<br />
machen je rund die Hälfte der Verurteilten aus.<br />
Die Strafen waren meistens nur Bussen (87 %) oder<br />
bedingte Freiheitsstrafen (13 %). Unbedingte Freiheitsstrafen<br />
wurden in den letzten vier Jahren <strong>im</strong><br />
Durchschnitt nur bei 35 Personen jährlich ausge-<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 75
sprochen, wobei dies <strong>im</strong> Vergleich zu früheren Zeiten<br />
einen deutlichen Anstieg darstellt. Die durchschnittliche<br />
Dauer der bedingten Freiheitsstrafe beträgt<br />
16 Tage, diejenige der unbedingten etwa 92.<br />
Neben den möglichen strafrechtlichen Konsequenzen<br />
gibt es auch noch die Administrativmassnahmen,<br />
insbesondere den Führerausweisentzug<br />
(Kap. VII.4.1, S. 68). Gut 40 % der Führerausweisentzüge<br />
(2007: 31 700 = 42 %, 2008: 33 200 =<br />
43 %) sind auf <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikte zurückzuführen37<br />
. Es existieren diesbezüglich grosse Unterschiede<br />
zwischen den Kantonen und von Jahr zu<br />
Jahr.<br />
<strong>Der</strong> Anteil Personen, die sich mehr <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
wünschen, hat – gegenläufig zu<br />
den intensivierten Kontrollen – in den vergangenen<br />
Jahren abgenommen. 2004 waren es noch 38 %,<br />
die sich mehr <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen wünschen,<br />
2007 nur noch 26 %. <strong>Der</strong> Anteil derjenigen,<br />
die der Meinung sind, dass es zu viele Kontrollen<br />
gibt, ist <strong>im</strong> selben Zeitraum von 10 % auf 16 %<br />
angestiegen. Offensichtlich ist die Intensivierung<br />
der <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen bemerkt worden<br />
und für einen grösser werdenden Anteil der Bevölkerung<br />
genügt es jetzt. Dennoch ist der Anteil<br />
derjenigen, die mehr <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
wünschen, <strong>im</strong>mer noch um 10 Prozentpunkte höher<br />
als der Anteil derjenigen, die gerne weniger<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen hätten.<br />
Wenn man nach der subjektiven Erwartung von<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen fragt, so zeigt sich,<br />
dass rund 4 von 5 Autofahrern damit rechnen, dass<br />
sie mindestens einmal jährlich auf <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
37 Ein Führerausweisentzug kann die Folge mehrerer Delikte<br />
sein. Bezogen auf die Summe dieser Delikte (und nicht der<br />
Ausweisentzüge) machen <strong>Geschwindigkeit</strong>sdelikte rund ein<br />
Drittel aus.<br />
kontrolliert werden. Männer rechnen damit mehr<br />
als Frauen, junge Lenkende mehr als ältere und<br />
Vielfahrer mehr als Lenkende mit geringen Kilometerleistungen.<br />
Weiterhin wird <strong>im</strong> Tessin und in der<br />
Deutschschweiz eher mit <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
gerechnet als in der Romandie. Die verschiedenen<br />
Arten von <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen werden<br />
von [40] mit einer Reduktion von 5 bis 20 % beurteilt,<br />
wobei die stationären bemannten Polizeikontrollen<br />
mit -14 % am besten abschneiden. [55]<br />
weist allerdings darauf hin, dass der Zusammenhang<br />
zwischen Polizeikontrollen und Unfallgeschehen<br />
nicht linear ist. Bei geringer Kontrollintensität<br />
dürfte eine Intensivierung wirksamer sein als bei<br />
hoher. Irgendwann dürfte sogar ein Sättigungspunkt<br />
erreicht sein. In welchem Bereich sich die<br />
Schweiz diesbezüglich befindet, ist nicht bekannt.<br />
<strong>Der</strong> Sättigungspunkt dürfte aber kaum erreicht<br />
sein.<br />
Für die Schweiz hat das BFS festgestellt, dass<br />
knapp je die Hälfte der <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
auf Innerortsstrassen und auf Autobahnen stattfinden.<br />
Auf Landstrassen werden nur 3 % aller <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
durchgeführt. Dies ist<br />
angesichts der Schwere und Häufigkeit des Unfallgeschehens<br />
auf Landstrassen definitiv zu wenig.<br />
Insbesondere hier sollte eine Intensivierung stattfinden<br />
und – falls nicht möglich – so doch zumindest<br />
eine Verlagerung der <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
entsprechend dem tödlichen Unfallgeschehen:<br />
53 % Landstrassen, 36 % innerorts und 11 %<br />
Autobahn.<br />
4.4.7 Section Control<br />
Eine neuere Entwicklung ist die «section control»<br />
oder Abschnittskontrollsystem. Dabei wird die<br />
Durchschnittsgeschwindigkeit innerhalb eines be-<br />
76 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
st<strong>im</strong>mten Streckenabschnitts gemessen. Technisch<br />
bedingt dies, dass die Fahrzeuge am Anfang und<br />
am Ende des Abschnitts identifiziert werden (Kennzeichenerkennung),<br />
die Zeitdauer der Durchfahrung<br />
erfasst und mit der Streckenlänge zur Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
verrechnet wird. Bei angemessenen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en müssen die Informationen<br />
über die Kennzeichen aus Datenschutzgründen<br />
sofort wieder gelöscht werden. Die technischen<br />
Probleme sind weitgehend gelöst. Schwächen<br />
hat das System weil der Streckenabschnitt<br />
best<strong>im</strong>mte Charakteristika aufweisen muss (gleichbleibende<br />
Höchstgeschwindigkeit, wenig Kreuzungen<br />
oder Abzweigungen, wenig Kurven, die die<br />
Durchschnittsgeschwindigkeiten automatisch senken<br />
würden). All dies weist darauf hin, dass diese<br />
Art der <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrolle vor allem für<br />
Autobahnen und monotone Ausserortsstrecken<br />
geeignet sein dürfte.<br />
Ein Pilotversuch in Österreich [59] <strong>im</strong> Kaisermühlentunnel<br />
bei Wien ergab positive Ergebnisse. Die<br />
Anzahl der Unfälle mit verletzten Personen sowie<br />
die Anzahl der verletzten Personen sanken vor dem<br />
und <strong>im</strong> Tunnel <strong>im</strong> Vergleich zur Vorherperiode um<br />
rund 40 %. Nach dem Tunnel gab es keine grossen<br />
Veränderungen. Besonders markant sank die Unfallkostenrate<br />
(–80 %), was ein Hinweis darauf ist,<br />
dass neben der Anzahl der Unfälle auch deren<br />
Schwere abgenommen hat. Die Studie hat einige<br />
methodische Schwächen (mögliche Regression-zur-<br />
Mitte), so dass ein für 2010 geplanter Pilotversuch<br />
in der Schweiz noch weitere wichtige Informationen<br />
wird liefern können.<br />
4.4.8 Zufällige Auswahl der Kontrollstellen<br />
und -zeiten<br />
Eine wichtige Praxis für stationäre <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
ist, dass die Positionen zufällig (randomisiert)<br />
ausgesucht werden, damit die Motorfahrzeuglenkenden<br />
die Erfahrung machen, dass die<br />
Polizei auch an unerwarteten Stellen präsent sein<br />
kann [55].<br />
So berichten Newstead, Cameron und Leggett<br />
[60], dass die Einführung eines Systems der zufälligen<br />
Zuweisung der Kontrollen nach Ort und Zeit<br />
(sogenannte Random Road Watch – RRW) in der<br />
Region Queensland in Australien zu einem erheblichen<br />
Rückgang der Unfälle führte. RRW bedeutete,<br />
dass jeder von knapp 300 Polizeiposten <strong>im</strong> Durchschnitt<br />
etwa 40 mögliche Kontrollstellen angab.<br />
Die Kontrollzeiten wurden auf 2 Stunden zwischen<br />
6 Uhr morgens und Mitternacht begrenzt. Die<br />
Kontrollen wurden dann durch eine zufällige Kombination<br />
von Ort und Zeit best<strong>im</strong>mt. Die Anzahl<br />
tödlicher Unfälle sank insgesamt um 25 %; die<br />
Reduktion war allerdings geringer für weniger<br />
schwere Verletzungen. Die Wirksamkeit dieser<br />
Strategie war besser in ländlichen Regionen als<br />
innerorts. Sie schien <strong>im</strong> Laufe der Zeit wirksamer zu<br />
werden – möglicherweise weil die Lenker merkten,<br />
dass sie zu verschiedenen Uhrzeiten und an unterschiedlichen<br />
Orten mit Kontrollen rechnen mussten.<br />
<strong>Der</strong> letzte Punkt könnte ein Hinweis darauf sein,<br />
dass es eine gewisse Zeit braucht, bis die Motorfahrzeuglenkenden<br />
das System begreifen. Möglicherweise<br />
würden Informationskampagnen dazu<br />
beitragen, die Wirksamkeit dieses Systems zu beschleunigen.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 77
Das Nutzen-Kosten-Verhältnisse lag bei dem<br />
Queensland-Programm bei 55:1 und war somit<br />
deutlich besser als ein Programm zu <strong>Geschwindigkeit</strong>skameras<br />
(9,4:1) oder anlassfreien Alkoholkontrollen<br />
(25:1).<br />
4.4.9 Fazit<br />
Automatische <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen (unbemannt<br />
und stationär) müssen weiterhin das Rückgrat<br />
der Polizeiaktivität <strong>im</strong> <strong>Geschwindigkeit</strong>sbereich<br />
bilden. Diese sollten noch weiter intensiviert werden.<br />
Die Akzeptanz dafür ist – trotz der bereits<br />
deutlich gestiegenen Häufigkeit an <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
– <strong>im</strong>mer noch gegeben. Die Intensivierung<br />
der automatischen Kontrollen sollte sich<br />
besonders auf die Ausserortsstrassen – und dort<br />
auf besonders gefährliche Streckenabschnitte –<br />
konzentrieren, um eines der grössten Verkehrssicherheitsprobleme<br />
in der Schweiz entschärfen zu<br />
helfen.<br />
Die zufällige Auswahl der Kontrollorte und –zeiten<br />
bei stationären bemannten Kontrollen ist nach dem<br />
aktuellen Kenntnisstand eine sehr wirkungsvolle<br />
Massnahme. Durch eine geringe Vorhersehbarkeit<br />
für die Lenker steigt die subjektive Kontrollerwartung<br />
an. Dadurch können erhebliche Reduktionen<br />
bei den schwersten Unfällen erreicht werden, ohne<br />
dass die Kontrolltätigkeit der Polizei intensiviert<br />
werden muss.<br />
Fahrende <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen insbesondere<br />
mit zivilen Fahrzeugen sind hingegen zur Bekämpfung<br />
des Massendelikts «überhöhte <strong>Geschwindigkeit</strong>»<br />
nur wenig geeignet, da sie zwar zu Spezialprävention<br />
(Überführen der Delinquenten) aber<br />
kaum zur Generalprävention (allgemeine Abschreckung)<br />
beitragen. Die Begleitung der polizeilichen<br />
Aktivitäten mittels Information oder Kampagnen ist<br />
sehr sinnvoll, da Veränderungen der Polizeiaktivitäten<br />
erst bei erheblicher Intensivierung durch die<br />
Öffentlichkeit bemerkt wird. Die Massenmedien<br />
sind in der Lage, dies vorwegzunehmen.<br />
5. Verkehrstechnik<br />
5.1 Einleitung<br />
5.1.1 Abgrenzung<br />
Strassenart<br />
Das Unfallgeschehen (Kap. VI, S. 51) zeigt auf, dass<br />
sich Unfälle mit möglichem <strong>Geschwindigkeit</strong>seinfluss<br />
vor allem auf Innerorts- und Ausserortsstrassen<br />
ereignen. Autobahnen sind also weniger belastet.<br />
Rund die Hälfte aller Schwerverletzten und<br />
rund zwei Drittel der Getöteten sind auf Ausserortsstrassen<br />
zu verzeichnen. Ein Drittel der Schwerverletzten<br />
und ein Viertel der Getöteten finden sich<br />
auf Innerortsstrassen. Die Letalität von geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfällen ist auf Ausserortsstrassen<br />
mehr als doppelt so hoch wie auf Innerortsstrassen.<br />
Obwohl auf Autobahnen hohe <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
gefahren werden, ist dieser Strassentyp<br />
hinsichtlich geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfallgeschehens von untergeordneter Bedeutung.<br />
Deshalb werden <strong>im</strong> Folgenden nur verkehrstechnische<br />
Massnahmen auf Innerorts- und Ausserortsstrassen<br />
diskutiert.<br />
Wirkungsebene<br />
<strong>Der</strong> Effekt von verkehrstechnischen Massnahmen<br />
auf die gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en kann auf<br />
zwei Ebenen gemessen werden. Auf der Wirkungsebene<br />
zeigt sich eine Senkung der gefahrenen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en, auf der Ergebnis-Ebene<br />
78 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
die Reduktion des Unfallgeschehens. Es zeigt sich,<br />
dass bezüglich verkehrstechnischer Massnahmen<br />
eine Reduktion der gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
meist mit einer Reduktion des Unfallgeschehens<br />
und der Unfallschwere einhergeht. Im Folgenden<br />
wird pr<strong>im</strong>är auf verkehrstechnische Massnahmen<br />
eingegangen, die zur Einhaltung der allgemeinen<br />
oder signalisierten Höchstgeschwindigkeiten beitragen<br />
und/oder zu einer den (lokalen) Verhältnissen<br />
angepassten Fahrgeschwindigkeit führen.<br />
Dazu kommen einzelne Massnahmen, die in erster<br />
Linie auf eine Senkung der Unfallfolgen abzielen<br />
(unabhängig davon, ob dabei auch die gefahrenen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en reduziert werden).<br />
5.1.2 Problematik der <strong>Strassenverkehr</strong>sunfallstatistik<br />
hinsichtlich verkehrstechnischer<br />
Mängel<br />
Die amtliche <strong>Strassenverkehr</strong>sunfallstatistik enthält<br />
zwar Merkmale bezüglich Infrastruktur wie beispielsweise<br />
«Strassenart», «Unfallstelle», «mögliche<br />
Mängel/Einflüsse». Verkehrstechnische Mängel<br />
lassen sich daraus jedoch nicht ableiten. So ist etwa<br />
die auf der polizeilichen Unfallstatistik basierende<br />
Aussage, dass sich die meisten Unfälle an Kreuzungen<br />
ereignen verkehrstechnisch wenig aussagekräftig.<br />
Wichtig wären Informationen über die<br />
konkrete Ausgestaltung einer Kreuzung, namentlich<br />
die Sichtweiten, die Abbiegeradien, die Anzahl<br />
und Lage der Fahrspuren, die Verkehrsmengen und<br />
-zusammensetzung und Ähnlichem. Die Verbreitung<br />
und Relevanz der Mängel aus Sicht des Verkehrsingenieurwesens<br />
sowie die Priorität von baulichen,<br />
gestalterischen oder betrieblichen Massnahmen<br />
aus sicherheitstechnischer Sicht können somit<br />
auf der Basis der polizeilichen Unfallstatistik nicht<br />
quantifiziert werden. Die Praxis sowie Erfahrungen<br />
aus Road Safety Audits (Kap. VII.5.6.6, S. 97) zeigen<br />
aber <strong>im</strong>mer wieder, dass sicherheitstechnische<br />
Bedingungen oft nicht eingehalten werden [61].<br />
Aus diesen Gründen werden <strong>im</strong> Folgenden Infrastruktur,<br />
Gestaltung und Betrieb von Verkehrsanlagen<br />
systematisch dahingehend analysiert, ob und<br />
wie sie hinsichtlich <strong>Geschwindigkeit</strong>sreduktion und<br />
Sicherheitsgewinn opt<strong>im</strong>iert werden können.<br />
5.1.3 Begriffe<br />
Ausbaugeschwindigkeit<br />
Die Ausbaugeschwindigkeit ist eine Vorgabe zur<br />
Festlegung des Ausbaugrades einer Strasse. Sie legt<br />
die Grenzwerte der Projektierungselemente (Kurvenradius,<br />
Querschnitt, Längsneigung) fest [14,62].<br />
In diesem Sinn legt sie den Ausbaugrad einer Strasse<br />
fest. Diese Definition orientiert sich in erster<br />
Linie an der Funktion einer Strasse hinsichtlich motorisiertem<br />
Individualverkehr. Die OECD [29] empfiehlt<br />
eine Definition, mit einem starken Bezug zur<br />
Verkehrssicherheit. Danach ist die Ausbaugeschwindigkeit<br />
diejenige Höchstgeschwindigkeit, die<br />
eine sichere und angenehme Fahrweise bei leichtem<br />
Verkehrsaufkommen ermöglicht.<br />
Projektierungsgeschwindigkeit<br />
Die Projektierungsgeschwindigkeit ist die höchste<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>, mit der eine best<strong>im</strong>mte Stelle<br />
einer Strasse befahren werden kann. Ihre Grösse<br />
richtet sich in erster Linie nach den Kurvenradien.<br />
In Geraden wird die Projektierungsgeschwindigkeit<br />
der geltenden Höchstgeschwindigkeit gleichgesetzt.<br />
Dies gilt auch für Radien, die eine höhere<br />
Projektierungsgeschwindigkeit zuliessen.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 79
Infrastruktur<br />
Die Infrastruktur umfasst alle baulichen Elemente<br />
einer Strasse inkl. Signale und Markierungen.<br />
Betrieb<br />
<strong>Der</strong> Betrieb einer Strasse umschreibt die gesamte<br />
Abwicklung und Organisation des Verkehrs. Dazu<br />
gehören die mittels Signalisation festgelegte<br />
Höchstgeschwindigkeit, Fahrrichtung, Anzahl Fahrspuren,<br />
sowie Verkehrsstärken und –zusammensetzung.<br />
Gestaltung<br />
Eine gestaltete Strasse weist Interventionen zur<br />
Aufwertung des Erscheinungsbildes des Strassenraumes<br />
auf. Dadurch soll dem Motorfahrzeuglenkenden<br />
namentlich auf übergeordneten Strassen<br />
innerorts die Multifunktionalität eines Strassenraumes<br />
vergegenwärtigt werden. Dazu gehören insbesondere<br />
die Nutzungsansprüche der verletzlichen<br />
Verkehrsteilnehmenden.<br />
Linienführung<br />
Die horizontale Linienführung ist durch die Kurvenradien,<br />
die Geraden und den dazwischen liegenden<br />
Übergangsbereichen gegeben. Die vertikale Linienführung<br />
wird durch die Längsneigungen charakterisiert.<br />
Querschnitt<br />
<strong>Der</strong> Querschnitt einer Strasse wird hauptsächlich<br />
durch die Spurbreiten für den rollenden Verkehr, die<br />
Trottoirbreiten, die seitlichen Freiräume und die<br />
Anzahl der Spuren charakterisiert.<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sreg<strong>im</strong>es<br />
Darunter werden die je nach Ortslage geltenden<br />
allgemein gültigen Höchstgeschwindigkeiten verstanden.<br />
In der Schweiz sind dies gemäss Art. 4a der<br />
Verkehrsregelverordnung:<br />
50 km/h innerorts<br />
80 km/h ausserorts<br />
100km/h auf Autostrassen<br />
120 km/h auf Autobahnen<br />
Siedlungsorientierte Strasse<br />
Auf siedlungsorientierten Strassen dominiert die<br />
Erschliessungs- und Aufenthaltsfunktion. Da sie<br />
meist durch Wohnquartieren führen, sind sie möglichst<br />
frei von Durchgangsverkehr zu halten.<br />
Verkehrsorientierte Strasse<br />
Verkehrsorientierte Strassen haben zwei Funktionen:<br />
Einerseits sollen sie effiziente Verkehrsträger für den<br />
rollenden Verkehr sein, andererseits sind sie für<br />
einen Ort identitätsstiftend und sollen dem Langsamverkehr<br />
grosse Sicherheit und hohe Aufenthaltsqualität<br />
bieten.<br />
V85<br />
Dies ist die <strong>Geschwindigkeit</strong>, die von 85% aller an<br />
einem best<strong>im</strong>mten Strassenquerschnitt erfassten<br />
Fahrzeuge erreicht bzw. unterschritten wird.<br />
5.2 Übergeordnete Ziele<br />
Infrastruktur, Betrieb und Gestaltung der Strasse (bei<br />
neuen Projekte oder Sanierungen) sind so zu planen,<br />
zu projektieren und auszuführen, dass Motorfahrzeuglenkende<br />
intuitiv mit angemessener <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
fahren. Um dies sicherzustellen sind insbesondere<br />
folgende Grundsätze zu beachten [63,64]:<br />
• In der Basisplanung ist das Strassennetz zu hierarchisieren.<br />
Dadurch werden den einzelnen Strassen<br />
Funktionen zugeordnet. Darauf basierend können<br />
unter Berücksichtigung der Nutzungsansprüche<br />
aller Verkehrsteilnehmenden [65] die Strassen projektiert,<br />
betrieben und gestaltet werden.<br />
80 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
• Es ist davon auszugehen, dass die Wahl einer<br />
angemessenen <strong>Geschwindigkeit</strong> unter anderem<br />
davon abhängt, ob die Motorfahrzeuglenkenden<br />
eine Strasse richtig beurteilen. Das Erkennen<br />
von Funktion und Nutzungsansprüchen<br />
muss demnach für Motorfahrzeuglenkenden<br />
aufgrund des Erscheinungsbildes der Strasse<br />
möglich sein, d. h. eine Strasse muss selbsterklärend<br />
ausgeführt sein [64,66]. In der Norm<br />
SN 640 211 [65] des Schweizerischen Verbands<br />
der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) ist<br />
dieser Grundsatz unter dem Stichwort «Begreifbarkeit»<br />
subsummiert. Die Wirksamkeit<br />
dieses Grundsatzes auf das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
konnte in einem S<strong>im</strong>ulatorversuch gezeigt<br />
werden. Selbsterklärende Strassen weisen<br />
homogenere <strong>Geschwindigkeit</strong>en auf [67].<br />
• Homogenität <strong>im</strong> <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
•<br />
wird in der Literatur oft als bedeutsamer <strong>Faktor</strong><br />
hervorgehoben. Insbesondere in [68] und [5]<br />
werden diverse Studien zitiert, wonach homogene<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en einen positiven Effekt<br />
auf das Unfallgeschehen haben. So weisen<br />
Fahrzeuge, die bedeutend schneller als der<br />
Durchschnitt fahren, eine bedeutend erhöhte<br />
Unfallwahrscheinlichkeit auf. Von grosser Bedeutung<br />
für die Projektierung von Verkehrsanlagen<br />
sind die Aussagen in [68], wonach sich<br />
die Homogenität der gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en,<br />
auch über eine ganze Strecke betrachtet,<br />
positiv auf das Unfallgeschehen auswirkt.<br />
Zur Vollständigkeit sei noch der Grundsatz der<br />
fehlertoleranten Strasse erwähnt. Es ist nicht<br />
davon auszugehen, dass damit unmittelbar die<br />
Fahrgeschwindigkeiten beeinflusst werden<br />
können. Ziel einer fehlertoleranten Strasse ist es<br />
jedoch, die Folgen auch von geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfällen zu min<strong>im</strong>ieren.<br />
5.3 Planung<br />
Auf der Stufe der Planung werden die Strassen hierarchisch<br />
gegliedert. Ein wesentlicher Punkt der Hierarchisierung<br />
ist, dass die Zuteilung einer Strasse in<br />
die adäquate Hierarchiestufe nicht nur auf Planungsstufe<br />
erfolgt, sondern in der Realität umgesetzt und<br />
für die Motorfahrzeuglenkenden erkennbar wird. Die<br />
Erfahrung zeigt, dass dies in der Praxis wiederholt<br />
missachtet wird. Klassisches Beispiel sind siedlungsorientierte<br />
Strassen mit überbreiten Fahrbahnen und<br />
beidseitigem, baulich deutlich abgetrenntem Trottoir<br />
sowie Mittellinie (Abbildung 12). Ein solches Erscheinungsbild<br />
widerspricht der Funktion einer Quartierstrasse<br />
und kann u. a. zu unangepasstem <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
führen (Abbildung 13).<br />
Abbildung 12<br />
Diskrepanz zwischen Funktion und Erscheinungsbild einer Tempo-<br />
30-Strasse<br />
Abbildung 13<br />
Diskrepanz zwischen Funktion und Erscheinungsbild einer Ausserortsstrasse<br />
(Tempo 80)<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 81
5.4 Infrastruktur<br />
5.4.1 Autobahnen<br />
Die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen beträgt<br />
120 km/h. Je nach Topografie und Siedlungsstruktur<br />
beträgt demnach die Ausbaugeschwindigkeit<br />
max<strong>im</strong>al ebenfalls 120 km/h. Gemäss den<br />
Vorgaben in [62] und [14] ist die horizontale Linienführung<br />
danach zu projektieren.<br />
Da die Ausbaugeschwindigkeit sowie der Querschnitt<br />
von Autobahnen vorgegeben sind, besteht<br />
kein Spielraum für infrastrukturelle Massnahmen<br />
zur Reduktion der gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en.<br />
Zu diesem Schluss gelangen auch die Autoren von<br />
[69]. Sie halten fest, dass es auf Autobahnen keinen<br />
Zusammenhang zwischen Geometrie und der<br />
gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong> gibt. Engere Radien<br />
zwingen zwar die Lenkenden aus physikalischen<br />
Gründen zu niedrigeren <strong>Geschwindigkeit</strong>en. Übergeordnetes<br />
Ziel der horizontalen Linienführung<br />
sollte es jedoch sein, homogene <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
auf einem Streckenzug anzustreben und nicht<br />
das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten zu beeinflussen.<br />
Dies wird <strong>im</strong> folgenden Kap. VII.5.4.2 eingehend<br />
erläutert.<br />
Berücksichtigt man schliesslich, dass Autobahnen<br />
hinsichtlich geschwindigkeitsbedingtem Unfallgeschehen<br />
keinen Schwerpunkt darstellen<br />
(Kap. VII.5.1.1, S. 78), spielt die Tatsache, dass<br />
mittels Infrastruktur und Gestaltung die <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
nicht beeinflusst werden können, eine<br />
untergeordnete Rolle.<br />
5.4.2 Ausserortsstrassen<br />
Ausserortsstrassen wiesen in den vergangenen 8<br />
Jahren eine V85 von 79 km/h bis 85 km/h auf [28].<br />
<strong>Der</strong> Anteil Fahrzeuge, welche die Höchstgeschwindigkeit<br />
nicht einhielten, betrug in diesem Zeitraum<br />
16–35 %. Aus [68] ist bekannt, dass es vor allem<br />
die schnellen Fahrzeuge aus einer <strong>Geschwindigkeit</strong>sverteilung<br />
sind, welche eine hohe Unfallrate<br />
aufweisen. Zusammen mit den Erkenntnissen bezüglich<br />
geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen,<br />
ist auf Ausserortsstrassen Handlungsbedarf angezeigt.<br />
Wie kann das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
bzw. das Unfallgeschehen durch die Geometrie der<br />
Strasse beeinflusst werden?<br />
Auf Stufe Projektierung können folgende Features<br />
verändert werden:<br />
• Die horizontale Linienführung<br />
• die vertikale Linienführung<br />
• der Querschnitt<br />
Die horizontale Linienführung ist durch die Elemente<br />
«Gerade» und «Kurve» gegeben, wobei diese<br />
durch sogenannte «Übergangsbögen» verbunden<br />
werden (geometrisch: Klothoiden). Letztere sind<br />
insbesondere bei höheren <strong>Geschwindigkeit</strong>en notwendig,<br />
weil das Einschlagen des Lenkrades bis zur<br />
gewünschten Endposition eine gewisse Zeit (und<br />
somit Strecke) in Anspruch n<strong>im</strong>mt.<br />
Physikalisch beschränkt die Geometrie (Radius,<br />
Quergefälle) einer Kurve die an diesem Ort max<strong>im</strong>al<br />
mögliche Fahrgeschwindigkeit. Trotzdem fällt<br />
der triviale Ansatz, auf ganzen Streckenzügen mittels<br />
Aneinanderreihen von Kurven mit sehr kleinen<br />
Radien die <strong>Geschwindigkeit</strong>en und damit auch die<br />
Unfallschwere zu min<strong>im</strong>ieren, aus ökologischen<br />
und ökonomischen Überlegungen ausser Betracht.<br />
82 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Das Strecken von Linienführungen führt andererseits<br />
zu höheren <strong>Geschwindigkeit</strong>en.<br />
Diese Betrachtungsweise deckt einen ersten Zielkonflikt<br />
auf. Hierzu sind zudem zwei Studien bekannt<br />
[38], wonach das Unfallrisiko ausserorts<br />
ansteigt, wenn die Radien ein gewisses Mass unterschreiten<br />
(430 m resp. 1000 m). Grössere Radien<br />
führen also zu höherer Sicherheit, lassen aber<br />
höhere <strong>Geschwindigkeit</strong>en zu.<br />
Die Frage, wie <strong>Geschwindigkeit</strong> und Unfallgeschehen<br />
mittels Wahl der Kurvenradien beeinflusst<br />
werden können, ist gemäss diesen Ausführungen<br />
nicht zu beantworten.<br />
Ein möglicher Ausweg aus dieser Schwierigkeit ist<br />
in Kap. VII.5.2, S. 80 erläutert. Danach ist nicht nur<br />
der absolute Betrag der gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
für die Sicherheit einer Strecke massgebend,<br />
sondern auch eine streckenbezogen homogene<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>. Auf diesen Überlegungen beruhen<br />
die Empfehlungen in [62] und [14]. Basierend<br />
auf dem Prinzip, dass ein Streckenzug homogen<br />
projektiert werden soll [70]. Das darin empfohlene<br />
Verfahren ermöglicht es, Streckenzüge homogen<br />
zu projektieren. Insbesondere sind geometrische<br />
Bedingungen hinsichtlich Elementenfolge formuliert.<br />
So sind max<strong>im</strong>ale Differenzen der Projektierungsgeschwindigkeiten<br />
benachbarter Projektierungselemente,<br />
namentlich Kurven, festgelegt.<br />
Zudem werden geometrische Bedingungen für die<br />
Übergänge zwischen Kurven und Geraden formuliert.<br />
Es wird davon ausgegangen, dass eine Projektierung<br />
gemäss diesen Vorgaben zu einer homogenen<br />
Linienführung führt.<br />
Oft lassen es die Randbedingungen (z. B. Topografie,<br />
Eigentumsverhältnisse) nicht zu, die geschilder-<br />
ten Projektierungsvorgaben einzuhalten. Führt dies<br />
zu Sicherheitsproblemen, so kann versucht werden,<br />
Kurven mit optischen Führungshilfen zu entschärfen.<br />
Bevor auf die einzelnen Möglichkeiten eingegangen<br />
wird, sei eine Studie zu dieser Thematik<br />
erwähnt [71]. Darin wird ein Verfahren vorgeschlagen,<br />
unsichere Kurven zu diagnostizieren, ohne<br />
sich dabei auf das Unfallgeschehen abzustützen zu<br />
müssen. Auch dieser Ansatz beruht auf dem Prinzip<br />
der Homogenität. Im Wesentlichen werden<br />
dabei die relativen Differenzen zwischen Annäherungsgeschwindigkeit<br />
und Kurvengeschwindigkeit<br />
der einzelnen Fahrzeuge als Massstab für die Qualität<br />
der Kurve herangezogen. Demgemäss weist<br />
eine sicherheitstechnisch problematische Kurve<br />
eine grosse Streuung in den relativen Differenzen<br />
zwischen Annäherungsgeschwindigkeit und Kurvengeschwindigkeit<br />
auf.<br />
Als optische Führungshilfen zur Verdeutlichung des<br />
Kurvenverlaufes wird in der Praxis eine ganze Reihe<br />
von Massnahmen eingesetzt, insbesondere:<br />
• Randlinien (Abbildung 14)<br />
• Dichte Abfolge von Leitpfosten oder flexiblen<br />
Kunststoffpollern zur Verdeutlichung des Kurvenverlaufs<br />
• Leitpfeile<br />
Abbildung 14<br />
Randlinie<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 83
• abgestufte Leitpfeile (Abbildung 15)<br />
• Gefahrensignale (Rechtskurve, Linkskurve, Doppelkurve<br />
rechts beginnend, Doppelkurve links<br />
beginnend (Abbildung 16)<br />
• Verknüpfungen dieser Massnahmen. Zwahlen<br />
erarbeitete dazu ein Verfahren, um je nach geometrischen<br />
Bedingungen, die ideale Kombination<br />
festzulegen [72].<br />
Nicht für jede der aufgelisteten Interventionen<br />
konnten in der Literatur Befunde für einen sicherheitstechnischen<br />
Erfolg gefunden werden.<br />
Abbildung 15<br />
Abgestufte Leitpfeile (Kap. VII.3.6, S. 64)<br />
Abbildung 16<br />
Gefahrensignal «Rechtskurve»<br />
Quelle: SSV<br />
Untersuchungen hinsichtlich Erfolg von Randlinien<br />
und in dichter Folge platzierten Leitpfosten in Kurven<br />
fehlen. Fachleute sehen in dieser Massnahme<br />
zwar einen ersten, einfachen Schritt hin zur Verdeutlichung<br />
der Linienführung. Immerhin zeigen<br />
Meta-Analysen und Reviews, dass grundsätzlich<br />
Massnahmen zur Verdeutlichung des Kurvenverlaufes<br />
zu einer Reduktion von Unfällen mit Verletzten<br />
von 20 % bis 50 % führt [5]. Ähnliche Grössen<br />
finden sich auch in [73], wobei in dieser Studie<br />
zusätzlich eine positive Auswirkung auf die Wahrnehmung<br />
der Kurven nachgewiesen werden konnte.<br />
Abschliessend sei noch festgehalten, dass in der<br />
gesichteten Literatur für Gefahrensignale vor Kurven<br />
(z. B. Abbildung 16) kein signifikanter Effekt<br />
auf die Unfälle mit Verletzten sowie auf Unfälle mit<br />
Sachschaden gefunden werden konnte [5,74].<br />
Die Palette an Massnahmen zur Entschärfung von<br />
sicherheitstechnisch problematischen Kurven sowie<br />
der Nachweis der unfallreduzierenden Wirkung<br />
einiger dieser Massnahmen könnte vordergründig<br />
zum Schluss führen, den Aufwand für eine homogene<br />
Projektierung zu min<strong>im</strong>ieren und bei Bedarf<br />
mit Massnahmen zur Verdeutlichung des Kurvenverlaufes<br />
zu intervenieren. Dem ist entgegen zu<br />
halten, dass der Grundsatz der selbsterklärenden<br />
Strasse sowie der homogenen Linienführung besagen,<br />
dass mittels adäquater Projektierung ein angemessenes<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten anzustreben<br />
ist. Es wäre also ethisch fahrlässig, bei umständlichen<br />
Randbedingungen von einer homogenen<br />
Linienführung abzusehen, das Unfallgeschehen<br />
zu analysieren und bei negativer Entwicklung<br />
die Probleme mittels Leitpfeilen nachträglich zu<br />
korrigieren.<br />
Die vertikale Linienführung ist durch das Längsgefälle<br />
der Strasse charakterisiert.<br />
84 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
<strong>Der</strong> Spielraum für Eingriffe in die vertikale Linienführung<br />
ist auf Ausserortsstrassen beschränkt.<br />
Die grossräumige Betrachtungsweise zeigt, dass<br />
Steigungen die gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
kaum beeinflussen. Steigungen wirken sich erst ab<br />
8% auf die <strong>Geschwindigkeit</strong>en aus [62]. Dabei gilt<br />
es zu beachten, dass in Gegenrichtung eine Steigung<br />
zum Gefälle wird, was sich vermutlich negativ<br />
auf die gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en auswirkt.<br />
Daher sind Steigungen und Gefälle nicht als<br />
geschwindigeitswirksame Massnahmen zu betrachten.<br />
Sie ergeben sich schlicht als Folge der topografischen<br />
Gegebenheiten.<br />
Kleinräumige Eingriffe in die vertikale Linienführung<br />
führen zur Massnahme des vertikalen Versatzes<br />
(kurze Anhebungen der Fahrbahn). Diese sind<br />
auf verkehrsorientierten Ausserortsstrassen grundsätzlich<br />
ungeeignet, denn sie stellen insbesondere<br />
bei steilen Anrampungen eine Inhomogenität<br />
(Kap. VII.5.2, S. 80) dar. Indessen versuchen einige<br />
Baubehörden gezielt an sicherheitstechnisch kritischen<br />
Örtlichkeiten die <strong>Geschwindigkeit</strong>en mittels<br />
vertikalen Versätzen mit eher geringer Rampenneigung<br />
zu senken. In [75] werden kreissegmentförmige<br />
vertikale Versätze empfohlen, wobei Rampenneigungen<br />
von 3,8 % bis 4 % für <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
von 60 km/h bis 50 km/h empfohlen<br />
werden. Dass solche Eingriffe die <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
punktuell senken können, ist plausibel. Kritisch<br />
anzumerken ist hingegen, dass vertikale Versätze<br />
auf verkehrsorientierten Strassen dem Grundsatz<br />
der Erkennbarkeit von Strassentypen widersprechen<br />
(Kap. VII.5.2, S. 80). Diese Elemente sind<br />
insbesondere für siedlungsorientierte Innerortsstrassen<br />
vorzusehen (Kap. VII.5.4.4, S. 90 und Kap.<br />
VII.5.5.3, S. 92).<br />
Als kleinräumige Eingriffe auf die vertikale Linienführung<br />
können auch die sogenannten «Rumble<br />
Strips» angesehen werden. Es handelt sich dabei<br />
um rillenartige Vertiefungen, die entlang der seitlichen<br />
Fahrbahnabgrenzung oder in Fahrbahnmitte<br />
angebracht werden (Abbildung 17). Gemäss [76]<br />
können Rumble Strips die Anzahl Frontal- und<br />
Streifkollisionen mit Personenschäden um 25 %,<br />
die Unfälle mit Personenschaden insgesamt um<br />
<strong>im</strong>merhin 15 % reduzieren. Ob es sich hierbei um<br />
geschwindigkeitsbedingte Unfälle handelte, konnte<br />
nicht eruiert werden. Immerhin konnte [74] einen<br />
positiven Effekt von Rumble Strips auf die gefahrenen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en sowie auf die Schleuderunfälle<br />
nachweisen.<br />
<strong>Der</strong> Einfluss des Querschnitts einer Strasse auf die<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> und die Sicherheit ist vielschichtig.<br />
In der Literatur sind einige Auswertungen zum<br />
Zusammenhang zwischen Breite und <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
vorhanden. Daraus geht hervor, dass für Ausserortsstrassen<br />
ein schwacher, jedoch positiver<br />
Zusammenhang zwischen diesen Grössen besteht.<br />
Aus dieser Erkenntnis sollte jedoch nicht der direkte<br />
Schluss gezogen werden, prinzipiell mittels Verschmälerung<br />
von Strassen die Sicherheit zu verbessern.<br />
In der Tat zeigen die Auswertungen mehrerer<br />
Analysen, dass weitere Variablen ebenso die Si-<br />
Abbildung 17<br />
Rumble Strips in Fahrbahnmitte<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 85
cherheit beeinflussen. So wird beispielsweise in<br />
[73] gezeigt, dass sich die Verbreiterung von Spuren<br />
positiv auf Frontal- und Schleuderunfälle auswirkt.<br />
Unerwartete Ergebnisse ergeben sich aus [5].<br />
So nehmen die Unfälle mit Personenschaden ausserorts<br />
bei einer Zunahme der Anzahl Spuren von 2<br />
auf 3 oder von 2 auf 4 signifikant zu, bei einer<br />
Zunahme der Anzahl Spuren von 4 auf 6 hingegen<br />
signifikant ab. Desgleichen nehmen die Unfälle mit<br />
Personenschaden signifikant zu, wenn die Breiten<br />
von (gemäss Norm) zu schmalen Spuren erhöht<br />
werden. Demgegenüber nehmen die Unfälle mit<br />
Personenschaden bei Verbreiterung der gesamten<br />
Strasse ab. Diese sich teilweise widersprechenden<br />
Aussagen sind vermutlich darauf zurück zu führen,<br />
dass in Studien niemals alle erklärenden Variablen<br />
mitberücksichtigt werden können und gleichzeitig<br />
konfundierende Variablen den Outcome verfälschen.<br />
Beispielsweise spielt die Lage eines Querschnittes<br />
in der horizontalen Linienführung genau<br />
so ein Rolle wie die Verkehrszusammensetzung. So<br />
führen beispielsweise Verbreiterungen von Kurven<br />
gemäss [5] zu keiner signifikanten Veränderung<br />
des Unfallgeschehens. Ein weiteres Beispiel zum<br />
komplexen Zusammenspiel von Breite, Sicherheit<br />
und <strong>Geschwindigkeit</strong> zeigt eine Schweizerische<br />
Studie zur Verträglichkeit von leichtem Zweiradverkehr<br />
und motorisiertem Individualverkehr [77].<br />
Diese gelangt zum Schluss, dass auf Grund der<br />
Begegnungsfälle und Überholabstände Breiten von<br />
unter 6 m und über 7,50 m sicherheitstechnisch<br />
verträglich und Zwischenbreiten zu vermeiden sind.<br />
Aus diesen Ausführungen lässt sich der Schluss<br />
ziehen, dass keine allgemeingültige Aussage zu<br />
Gunsten einer Verbreiterung oder Verengung von<br />
Strassenbreiten möglich ist – weder hinsichtlich<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> noch hinsichtlich Sicherheit. Hierzu<br />
wäre ein rechnerisches Modell nötig, das alle<br />
relevanten Einflussvariablen (Verkehrszusammen-<br />
setzung, Anzahl Spuren, usw.) enthält. Dieser Problematik<br />
versuchen die VSS-Normen Rechnung zu<br />
tragen. Sie legen die zu wählenden Fahrbahnbreiten<br />
auf Grund der massgebenden Begegnungsfälle<br />
und den <strong>Geschwindigkeit</strong>en fest [78–80].<br />
Ebenso undeutlich ist die Sachlage betreffs Quergefälle.<br />
In [5] werden zwei sich widersprechende<br />
Studien zitiert, welche die sicherheitstechnischen<br />
Auswirkungen von Korrekturen des Quergefälles<br />
untersuchten.<br />
Zur Thematik des Querschnittes einer Strasse gehört<br />
auch die Fragestellung bezüglich baulicher<br />
Trennung von verletzlichen Verkehrsteilnehmern<br />
und motorisiertem Verkehr. Insbesondere auf Ausserortsstrassen<br />
herrschen beträchtliche <strong>Geschwindigkeit</strong>sunterschiede<br />
zwischen diesen beiden Verkehrskategorien.<br />
Wo die bestehenden Breiten Konfliktpotenzial<br />
beinhalten bzw. wo die gefahrenen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en nicht auf ein verträgliches Mass<br />
gesenkt werden können [30], muss diese Trennung<br />
angestrebt werden. Sie entspricht auch dem Prinzip<br />
der Homogenität von <strong>Geschwindigkeit</strong>en und Massen.<br />
Weitere Aspekte des Querschnittes betreffen<br />
Massnahmen, die nicht direkt das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
beeinflussen, sondern die Folgen von<br />
geschwindigkeitsbedingten Unfällen auf Ausserortsstrassen<br />
mindern. Dazu gehören das Entfernen<br />
von festen Objekten am Strassenrand (z. B. Mauern,<br />
Zäune, Pfosten) sowie die Verbreiterung von<br />
Banketten (Seitenstreifen der Strasse). Diese Interventionen<br />
sind gemäss [46] bedeutend und müssten<br />
bei einer Normenrevision mitberücksichtigt<br />
werden. Leitschrankensysteme nehmen in dieser<br />
Gruppe von Massnahmen eine spezielle Stellung<br />
ein, da sie in der Praxis sehr oft zur Diskussion<br />
86 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
stehen bzw. zur Anwendung gelangen, ihre sicherheitstechnische<br />
Wirkung jedoch nicht unumstritten<br />
ist. So besteht das hauptsächliche Ziel von<br />
Leitschranken an der Kurvenaussenseite darin, von<br />
der Fahrbahn abirrende Fahrzeuge zurück zu halten.<br />
Dies <strong>im</strong>pliziert jedoch das Risiko von Sekundärkollisionen,<br />
sodass in jedem Einzelfall die verschiedenen<br />
Auswirkungen abzuwägen sind. Diesen<br />
Grundsätzen trägt auch die Norm [81] Rechnung<br />
(Abbildung 18). Mittelleitschranken zielen dagegen<br />
darauf ab, Frontalkollisionen, die teilweise auch auf<br />
zu hohe <strong>Geschwindigkeit</strong>en zurück zu führen sind,<br />
zu vermeiden. Dabei muss der Betrieb in jeder Hinsicht<br />
gewährleistet sein (Zugang für Rettungsfahrzeuge,<br />
Abbiegemanöver bei Verzweigungen,<br />
Abbildung 18<br />
Leitschranke an der Kurvenaussenseite auf einer<br />
Ausserortsstrasse<br />
Abbildung 19<br />
Mittelleitschranke auf einer Ausserortsstrasse<br />
Kompatibilität mit dem leichten Zweiradverkehr).<br />
Deshalb sind Mittelleitschranken nur bei gewissen<br />
verkehrstechnischen Bedingungen (Örtlichkeit,<br />
Geometrie, Anteil des leichten Zweiradverkehrs)<br />
zielführend (Abbildung 19). Immerhin zeigen Reviews<br />
von zahlreichen Studien für beide Leitschrankensysteme<br />
positive Auswirkungen auf das Unfallgeschehen.<br />
So weist [5] sowohl für Leitschranken<br />
an der Kurvenaussenseite als auch für Mittelleitschranken<br />
einen signifikanten Rückgang von Unfällen<br />
mit Getöteten von über 40 %. Daraus darf aus<br />
den vorgängig dargelegten Gründen jedoch nicht<br />
der Schluss gezogen werden, dass jede Kurve und<br />
jede Ausserortsstrecke mit Leitschranken zu versehen<br />
sind. Jeder einzelne Fall muss sorgfältig geplant<br />
werden.<br />
5.4.3 Verkehrsorientierte Innerortsstrassen<br />
Das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten innerorts zeigt<br />
hinsichtlich Einhaltegrad der geltenden Höchstgeschwindigkeit<br />
ein erfreulicheres Bild auf als Ausserortsstrassen<br />
[28]. <strong>Der</strong> Anteil Fahrzeuge, die schneller<br />
als die max<strong>im</strong>al erlaubte 50 km/h fährt, ist aber<br />
trotzdem beträchtlich. Er bewegte sich in den vergangenen<br />
6 Jahren zwischen 12 % und 21 %.<br />
Dementsprechend betrug in diesem Zeitraum die<br />
V85 zwischen 47 km/h und 50 km/h. Ob <strong>im</strong> Einzelfall<br />
die gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en situationsangepasst<br />
waren, geht aus dieser Betrachtungsweise<br />
nicht hervor. Da aber innerorts sehr oft verletzliche<br />
Verkehrsteilnehmer unterwegs sind (Fussgänger,<br />
Zweiradfahrer, Behinderte, etc.), ist ein<br />
tiefes, homogenes <strong>Geschwindigkeit</strong>sniveau eine<br />
notwendige Voraussetzung für die Verkehrssicherheit.<br />
Zusätzlich sind Querungsstellen für den Fussverkehr<br />
und Abbiegestellen für den Fahrradverkehr<br />
mit geeigneten Massnahmen abzusichern.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 87
Diese Überlegungen, die Zahlen zum Unfallgeschehen<br />
sowie die Erkenntnisse hinsichtlich Unfallbeteiligung<br />
hauptsächlich der schnellen Fahrzeuge ([68])<br />
zeigen auf, dass auch innerorts Handlungsbedarf<br />
besteht. Die Systematik der baulich möglichen<br />
Eingriffe zur <strong>Geschwindigkeit</strong>sbeeinflussung ist<br />
innerorts grundsätzlich dieselbe wie ausserorts.<br />
Folgende Eigenschaften können verändert werden:<br />
• die horizontale und vertikale Linienführung<br />
• der Querschnitt<br />
Die Grundsätze der horizontalen Linienführung<br />
sind innerorts nur theoretisch mit denjenigen ausserorts<br />
zu vergleichen (Kurvenradien, Übergangsbögen,<br />
Geraden). Innerorts sind die Vorgaben für<br />
die horizontale Linienführung <strong>im</strong> Besonderen durch<br />
die Lage der Bauten (Siedlungsstruktur) und die<br />
Nutzungsansprüche verschiedenster Verkehrsteilnehmer<br />
gegeben. Eine homogene Abfolge von<br />
Projektierungselementen entwerfen zu wollen<br />
unter Berücksichtigung der Ausbaugeschwindigkeit<br />
um damit einen homogenen <strong>Geschwindigkeit</strong>sverlauf<br />
zu erreichen, führt innerorts nicht zum Ziel.<br />
Die horizontale Linienführung muss sich innerorts<br />
somit nach der Fahrzeuggeometrie des <strong>motorisierten</strong><br />
Individualverkehrs richten und nicht nach der<br />
Fahrdynamik.<br />
Die einzige Möglichkeit, innerorts in die horizontale<br />
Linienführung einzugreifen, um die <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
zu dämpfen, besteht <strong>im</strong> Vermeiden von langgezogenen<br />
Geraden. Denn es ist davon auszugehen,<br />
dass solche Verhältnisse zu erhöhten <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
führen. Lassen es die Platzverhältnisse<br />
zu, so kann mit Kurvenelementen eine gestreckte<br />
Linienführung unterbrochen werden. Dies<br />
jedoch nur unter Berücksichtigung der in<br />
Kap. VII.5.4.2, S. 82 erläuterten Projektierungsvorgaben.<br />
sodass keine punktuellen Inhomogenitäten<br />
entstehen und damit die Gefahren verlagert werden.<br />
Grossräumige Eingriffe auf die vertikale Linienführung<br />
ergeben sich in erster Linie aus der Topografie<br />
und sind als geschwindigkeitsreduzierende Massnahme<br />
ungeeignet. Änderungen des Längsgefälles<br />
können zudem zu sichtbehindernde Kuppen führen<br />
und daher kontraproduktiv wirken.<br />
Kleinräumige Eingriffe z. B. vertikale Versätze<br />
(Kap. VII.5.4.4, S. 90), Rumble Strips und leicht<br />
überhöhte Querbänder . können unfall- und geschwindigkeitsmindernd<br />
wirken. So wird beispielsweise<br />
in [5] nachgewiesen, dass vertikale Versätze<br />
die Unfälle um 48 % und leicht überhöhte Querbänder<br />
die Unfälle mit Personenschaden um 33 %<br />
reduzieren. Die positive Wirkung von Rumble Strips<br />
ist in Kap. VII.5.4.2, S. 82 beschrieben. Alle diese<br />
Massnahmen weisen jedoch anderweitige Nachteile<br />
auf, sodass sie nur bedingt auf verkehrsorientierten<br />
Innerortsstrassen empfohlen werden können.<br />
Vertikale Versätze verstossen gegen das Prinzip der<br />
selbsterklärenden Strasse und sind daher pr<strong>im</strong>är<br />
auf siedlungsorientierten Strassen vorzusehen. Auf<br />
verkehrsorientierten Innerortsstrassen sollten sie<br />
nur als Bestandteil eines umfassenden Gestaltungskonzeptes<br />
und ausnahmsweise eingesetzt<br />
werden. Rumble Strips und überhöhte Querbänder<br />
verursachen Lärmemissionen und stossen in der<br />
Praxis <strong>im</strong>mer wieder auf Widerstand der Anwohner.<br />
Überhöhte Querbänder sind aus Sicht der<br />
Verkehrssicherheit nur einzusetzen, wenn sie in der<br />
richtigen Ausdehnung ausgeführt werden [82].<br />
Ansonsten können sie vom Fussverkehr als vortrittsberechtigte<br />
Querungsstelle missinterpretiert<br />
werden.<br />
88 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
Die Befunde hinsichtlich Querschnitt sind analog zu<br />
denjenigen für Ausserortsstrassen. In [83] finden<br />
sich denn Hinweise, dass auch innerorts mit zunehmender<br />
Fahrbahnbreite die <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
ansteigen. Aber auch innerorts gilt, dass die Fahrbahnbreite<br />
nicht der einzige Parameter des Querschnittes<br />
ist. So wirkt sich beispielsweise analog zu<br />
ausserorts die Anzahl Spuren auf das Unfallgeschehen<br />
aus. Gemäss [5] bewirkt eine Erhöhung<br />
der Anzahl Spuren von1 auf 2 eine Zunahme der<br />
Unfälle mit Personenschaden um 75 %, Erhöhungen<br />
der Anzahl Spuren von 2 auf 3 sowie von 2<br />
auf 4 sind hingegen mit einer Abnahme von Unfällen<br />
mit Personenschaden verbunden. Solche Befunde<br />
zeigen, dass es der Sicherheit nicht zuträglich<br />
ist, leichthin Fahrbahnbreiten zu reduzieren,<br />
um damit <strong>Geschwindigkeit</strong>en zu senken. Andere<br />
wichtige Kenngrössen, wie beispielsweise die Verkehrszusammensetzung<br />
spielen eine ebenso wichtige<br />
Rolle. So erweisen sich gemäss [77] Breiten<br />
unter 6,00 m und über 7,00 m hinsichtlich Sicherheit<br />
des leichten Zweiradverkehrs als problematisch.<br />
Abschliessende Aussagen zu idealen Fahrbahnreiten<br />
können somit keine gemacht werden.<br />
Jeder Einzelfall ist hinsichtlich seiner eigenen Charakteristika<br />
zu planen und zu projektieren.<br />
Abbildung 20<br />
Kreisel<br />
Eine spezielle punktuelle Massnahme, die sowohl<br />
bezüglich horizontaler Linienführung als auch<br />
Querschnitt wirkt, sind Kreisverkehrsplätze bzw.<br />
Kreisel (Abbildung 20).<br />
Die Betriebsform des Kreisels, die alle Zufahrten mit<br />
«kein Vortritt» belegt, sowie die vergleichsweise<br />
engen Radien, wirken sich geschwindigkeitsmindernd<br />
aus. Dieser Zusammenhang wird in [73]<br />
erläutert, woraus hervorgeht, dass die <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
direkt proportional zur Wurzel des Radius<br />
des Kreisels ist. Dass Kreisel auch sicherheitswirksam<br />
sind wurde in unzähligen Studien nachgewiesen.<br />
Im Folgenden ist lediglich eine kleine Auswahl<br />
von zusammenfassenden Studien erwähnt. Ein<br />
Problem bei der Vergleichbarkeit dieser Untersuchungen<br />
ergibt sich aus den Designs. So spielt es<br />
eine wesentliche Rolle mit welcher Art von Kreuzungen<br />
die Kreisel verglichen werden (Lichtsignalanlage,<br />
Vortrittsregelung).<br />
Gemäss [84] können mittels Kreisel die Unfälle mit<br />
Personenschaden um 76 % und die Unfälle mit<br />
schweren Folgen um 90 % <strong>im</strong> Vergleich zu Lichtsignalanlagen<br />
gesenkt werden. Nicht ganz so grosse<br />
Reduktionen weist [73] nach. In dieser Quelle<br />
werden Studien zitiert, wonach <strong>im</strong> Vergleich zu<br />
ungeregelten Kreuzungen, an Kreiseln eine Reduktion<br />
der Unfälle mit Personenschaden um 50 % bis<br />
60 % zu erwarten ist, an Lichtsignalanlagen hingegen<br />
nur 40 %. In [73] wird auch die Problematik<br />
des Fussverkehrs und des leichten Zweiradverkehrs<br />
in Kreiseln angedeutet. Danach ist der leichte Zweiradverkehr<br />
an Kreiseln überproportional oft in Unfälle<br />
verwickelt. Dass der leichte Zweiradverkehr in<br />
Kreiseln sicherheitstechnisch problematisch sein<br />
kann, wurde bereits in [85] hingewiesen. Danach<br />
nahm die Zahl der Unfälle mit leichtem Zweiradverkehr<br />
bei Kreuzungen, die zu Kreiseln umgebaut<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 89
wurden zu. Eine weitere Möglichkeit, die sicherheitstechnischen<br />
Wirksamkeit von Kreiseln zu<br />
quantifizieren, ist in [5] beschrieben. Dabei wird die<br />
Änderung des Unfallgeschehens nach dem Umbau<br />
einer Kreuzung zu einem Kreisel hinsichtlich der<br />
ursprünglichen verkehrstechnischen Ausgestaltung<br />
der Kreuzung beurteilt (3-armig, 4-armig, Lichtsignalanlagenregelung,<br />
Regelung mit «kein Vortritt»).<br />
Es zeigt sich, dass ausser be<strong>im</strong> Fall von dreiarmigen,<br />
lichtsignalgeregelten Kreuzungen der Umbau<br />
zu Kreiseln <strong>im</strong>mer einen signifikant positiven Effekt<br />
auf die Unfallschwere ergibt (Reduktion um 17 %<br />
bis 41 %).<br />
Als geschwindigkeitsreduzierende, sicherheitsfördernde<br />
und zugleich gestalterische Massnahme<br />
eignet sich der Kreisel, unter Berücksichtigung der<br />
dargestellten Erkenntnisse insbesondere als Element<br />
zur Strassenraumgestaltung (Kap. VII.5.5.3,<br />
S. 92)<br />
5.4.4 Siedlungsorientierte Innerortsstrassen<br />
Auf siedlungsorientierten Innerortsstrassen sind nur<br />
kleinräumige Eingriffe in die horizontale und vertikale<br />
Linienführung sinnvoll. Die Siedlungsstruktur<br />
ist meistens gegeben und die <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
kann kaum mit Kurvenradien und schon gar nicht<br />
mit Eingriffen ins Längsgefälle beeinflusst werden.<br />
Kleinräumige Eingriffe in die vertikale Linienführung<br />
sind insbesondere mit sogenannten vertikalen<br />
Versätzen angezeigt. Dabei handelt es sich um<br />
trapez- oder kreissegmentförmige lokale Erhöhungen<br />
der Fahrbahn (Abbildung 21 und [86]). Die<br />
Reduktion von Unfällen mit Personenschaden wird<br />
in [5] mit rund 48 % ausgewiesen. Je nach Neigung<br />
der beidseitigen Rampen kann dadurch eine<br />
Reduktion der <strong>Geschwindigkeit</strong> erreicht werden<br />
[86]. <strong>Der</strong> Einsatz von vertikalen Versätzen ist insbesondere<br />
in Tempo-30-Zonen angezeigt, wenn die<br />
signalisierte Höchstgeschwindigkeit schlecht eingehalten<br />
wird (Kap. VII.5.5.3, S. 92). Wesentlich ist<br />
dabei auch, dass vertikale Versätze nicht derart<br />
angeordnet werden, dass sie für den Motorfahrzeuglenkenden<br />
als Hindernis wirken (Art. 4 SVG).<br />
Die Praxis zeigt, dass die Akzeptanz von vertikalen<br />
Versätzen beschränkt ist und diese zu aggressivem<br />
Verhalten ausserhalb derselben führen können.<br />
Deshalb sollten sie an Örtlichkeiten realisiert werden,<br />
die seitens der Lenkenden als sinnvoll eingestuft<br />
werden (z. B. Anhebung ganzer Kreuzungsbereiche).<br />
Horizontale Versätze (Abbildung 22) sind kleinräumige<br />
Unterbrüche der Geradlinigkeit der Fahr-<br />
Abbildung 21<br />
Vertikaler Versatz<br />
Abbildung 22<br />
Horizontaler Versatz<br />
90 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
ahn, die durch seitliche Verschiebung der Fahrbahnachse<br />
erzielt werden. Auch horizontale Versätze<br />
eignen sich besonders für Tempo-30-Zonen,<br />
wenn die signalisierte Höchstgeschwindigkeit<br />
schlecht eingehalten wird (Kap. VII.5.5.3, S. 92).<br />
Zur Sicherstellung einer hinreichenden Akzeptanz<br />
seitens der Motorfahrzeuglenkenden, sollten auch<br />
horizontale Versätze nicht den Eindruck einer<br />
künstlichen Schikane erwecken und möglichst<br />
natürlich in den Strassenraum integriert werden.<br />
Die geometrische Ausgestaltung von horizontalen<br />
Versätzen ist in [86] beschrieben.<br />
Auf siedlungsorientierten Innerortsstrassen ist der<br />
Spielraum hinsichtlich Fahrbahnbreite gering. Mittels<br />
min<strong>im</strong>er Variation der Fahrbahnbreiten die<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> und damit die Sicherheit beeinflussen<br />
zu wollen, erscheint <strong>im</strong> Licht der bisher<br />
zitierten Literaturquellen inadäquat. Viel nützlicher<br />
erweisen sich hingegen die Befunde, wonach die<br />
Erhöhung der Anzahl Spuren von 1 auf 2 auf Innerortsstrassen<br />
mit einer Zunahme der Unfälle mit<br />
Personenschaden um rund 75 % einhergeht. Es<br />
stellt sich daher die Grundsatzfrage, ob sich auf<br />
siedlungsorientierten Innerortsstrassen jederzeit<br />
und überall zwei Personenwagen kreuzen können<br />
müssen. In diesem Sinn erscheint es sehr wirksam,<br />
Lösungen wie Abbildung 23. zeigt in Betracht zu<br />
Abbildung 23<br />
Einspurige siedlungsorientierte Strasse innerorts<br />
ziehen. Diese Lösung weist mehrere Vorteile auf.<br />
<strong>Der</strong> Fussverkehr ist <strong>im</strong> Gegensatz zu einem einseitigen<br />
Trottoir auf beiden Strassenseiten geschützt.<br />
Be<strong>im</strong> Überqueren der Strasse muss überall nur eine<br />
Fahrbahn gequert werden. Die verkehrsberuhigende<br />
Wirkung ist kontinuierlich und wirkt nicht<br />
künstlich.<br />
5.5 Gestaltung und Betrieb<br />
5.5.1 Grundsätzliches<br />
Selbstredend gilt das physikalische Gesetz, wonach<br />
jegliche Senkung der Fahrgeschwindigkeiten eine<br />
Senkung der kinetischen Energie zur Folge hat, was<br />
sich mildernd auf die Unfallschwere auswirken<br />
kann. In diesem Sinn könnten die allgemeinen<br />
Höchstgeschwindigkeiten (Kap. VII.5.1.3, S. 79)<br />
beliebig gesenkt werden. Mit Ausnahme der siedlungsorientierten<br />
Innerortsstrassen werden die<br />
jetzigen Höchstgeschwindigkeiten als angemessen<br />
erachtet. Zentral dabei ist die Einsicht, dass die<br />
geltenden Höchstgeschwindigkeiten lediglich die in<br />
Art. 32 SVG gesetzlich geregelten <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
plafonieren. Pr<strong>im</strong>äres Ziel von betrieblichen und<br />
gestalterischen Massnahmen ist folglich, situationsgerechte<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en und die Einhaltung<br />
der Höchstgeschwindigkeit zu erwirken. Darauf<br />
zielen die in den folgenden Kapiteln beschriebenen<br />
Massnahmen ab.<br />
Die Reduktion von geschwindigkeitsbedingten Unfällen<br />
durch den Einsatz von betrieblichen Massnahmen<br />
kann unter best<strong>im</strong>mten Bedingungen<br />
durch die Signalisation von sogenannten abweichenden<br />
Höchstgeschwindigkeiten angestrebt werden<br />
(Art. 108 SSV). Diese Massnahme ermöglicht es,<br />
örtlich begrenzt (Stellen oder Strecken) die allgemein<br />
geltende Höchstgeschwindigkeit anzupassen. Da-<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 91
durch kann gezielt in das <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhalten<br />
eingegriffen werden.<br />
Fachleute erachten es als zentral, diese Intervention<br />
streng nach Gesetz anzuwenden. Demnach soll<br />
eine lokal abweichende Höchstgeschwindigkeit das<br />
letzte Mittel sein, wenn alle anderen Gestaltungsund<br />
Projektierungsmassnahmen kein Resultat zeigen.<br />
Diese Interpretation entspricht genau dem in<br />
Kap. VII.5.2, S. 80 formulierten Grundsatz der<br />
selbsterklärenden Strasse.<br />
5.5.2 Autobahnen und Ausserortsstrassen<br />
Das geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen auf<br />
Autobahnen spielt zwar eine untergeordnete Rolle.<br />
Trotzdem sei an dieser Stelle die Möglichkeit, mit<br />
betrieblichen Interventionen auf die Fahrgeschwindigkeiten<br />
oder auf das Unfallgeschehen einzugreifen,<br />
kurz erörtert. Dabei geht es um die Signalisation<br />
von sogenannten variablen Höchstgeschwindigkeiten.<br />
Diese Intervention wird insbesondere auf<br />
Autobahnen angewendet mit dem Ziel, bei speziellen,<br />
nicht vorhersehbaren Situationen (z. B. Stau,<br />
glitschige Fahrbahnoberfläche, spezielle Witterung)<br />
die Höchstgeschwindigkeiten entsprechend anzupassen.<br />
Pr<strong>im</strong>äres Ziel dieser Massnahme ist jedoch,<br />
bei sehr hohen Verkehrsbelastungen, eine opt<strong>im</strong>ale<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> des Fahrzeugstroms zu bewirken,<br />
um einen besseren Verkehrsfluss zu erzielen. Die<br />
Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit sind in<br />
der Literatur spärlich untersucht, meistens interessiert<br />
die Reduktion von Stauzeiten bzw. die Verbesserung<br />
der Kapazität von Hochleistungsstrassen.<br />
Immerhin sind Hinweise vorhanden, dass mit variablen<br />
Höchstgeschwindigkeiten die Verkehrssicherheit<br />
beeinflusst werden kann. Insbesondere<br />
konnte eine Reduktion der Unfälle mit Personenschaden<br />
be<strong>im</strong> Einsatz von LED-Anzeigen, die die<br />
Höchstgeschwindigkeit automatisch aufgrund der<br />
Verkehrssituation ermittelten, nachgewiesen werden<br />
[87]. Interessant ist in diesem Zusammenhang<br />
auch die Tatsache, dass der Effekt von LED-<br />
Anzeigen bedeutend besser ist als der Effekt von<br />
elektromechanischen Wechselanzeigen [88].<br />
Schliesslich sei noch auf eine Studie aus den USA<br />
hingewiesen. Basierend auf der Verkehrssituation<br />
berechnet ein Algorithmus eine Unfallwahrscheinlichkeit<br />
und die Höchstgeschwindigkeit wird entsprechend<br />
angepasst. Trotz einer gewissen örtlichen<br />
Verlagerung des Unfallgeschehens werden<br />
positive Rückschlüsse gezogen.<br />
Die langfristige Wirksamkeit von Signalen, die dem<br />
Motorfahrzeuglenkenden seine aktuelle Fahrgeschwindigkeit<br />
anzeigen, wird in der Literatur eher<br />
angezweifelt. Hingegen kann gemäss [89] durch<br />
Kombination von solchen <strong>Geschwindigkeit</strong>s-<br />
Feedback-Signalen mit polizeilicher Überwachung<br />
das Problem von überhöhter <strong>Geschwindigkeit</strong> vollständig<br />
behoben werden.<br />
5.5.3 Innerortsstrassen<br />
Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit innerorts<br />
beträgt für alle Strassen 50 km/h. Dieses Reg<strong>im</strong>e<br />
trägt den unterschiedlichen Nutzungsansprüchen<br />
von Innerortsstrassen nicht Rechnung. Daher sind<br />
davon abweichende Reg<strong>im</strong>es jeweils zu prüfen<br />
(z. B. Tempo-30-Zonen, Begegnungszonen). Die<br />
bfu favorisiert und propagiert aktiv das bfu-Modell<br />
Tempo 50/30 innerorts. Dieser Ansatz dient dazu,<br />
die in Kap. VII.5.2, S. 80 formulierten Ziele zu erreichen.<br />
Denn dieses Modell basiert auf einer Unterscheidung<br />
des innerörtlichen Strassennetzes in<br />
siedlungs- und verkehrsorientierte Strassen. Dadurch<br />
berücksichtigt das bfu-Modell Tempo 50/30<br />
den planerischen Grundsatz der Hierarchisierung<br />
92 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
des Strassennetzes. Es verfolgt zudem das Ziel, den<br />
Strassentyp auf verständliche Art und Weise dem<br />
Motorfahrzeuglenkenden zu vergegenwärtigen. Im<br />
Weiteren vereinigt es die sicherheitstechnischen<br />
Erkenntnisse hinsichtlich Tempo-30-Zonen [90] und<br />
Gestaltung sowie der selbsterklärenden Strasse zu<br />
einer gesamtheitlichen Lösung für Innerortsstrassen.<br />
Dieser Ansatz deckt sich schliesslich auch mit<br />
den in [91] enthaltenen Erkenntnissen, wonach die<br />
frei gewählten <strong>Geschwindigkeit</strong>en durch die signalisierte<br />
Höchstgeschwindigkeit und die Zonenart<br />
signifikant beeinflusst werden.<br />
Die oftmals einseitige Betrachtung, nur Wohngebiete<br />
in die Verkehrsberuhigung mit einzubeziehen,<br />
lässt die Tatsache ausser Acht, dass das Unfallgeschehen<br />
auf verkehrsorientierten Innerortsstrassen<br />
gravierender ist (Tabelle 16). Die amtliche Verkehrsunfallstatistik<br />
lässt keine Auswertung nach Funktion<br />
der Strasse zu. Da Nebenstrassen innerorts ebenfalls<br />
oft verkehrsorientiert sind, dürfte das Verhältnis in<br />
Wirklichkeit bedeutend stärker zu Ungunsten der<br />
verkehrsorientierten Strassen ausfallen. Deshalb<br />
sieht das bfu-Modell Tempo 50/30 vor, das innerörtliche<br />
Strassennetz zu hierarchisieren (siedlungs- und<br />
verkehrsorientierte Strassen). Zusätzlich zur Einführung<br />
von Tempo 30 in allen Wohngebieten sollen<br />
die verkehrsorientierten Strassen auf Basis der VSS-<br />
Norm SN 640 212 [92] umgestaltet werden. Mit den<br />
darin vorgestellten Gestaltungselementen wird beabsichtigt,<br />
den Strassenraum aufzuwerten und fussgänger-<br />
bzw. radfahrergerecht zu gestalten.<br />
Tabelle 16<br />
Getötete und Schwerverletzte innerorts nach Strassenart und<br />
Strassenkategorie (2004–2008)<br />
Kantonsstrasse Gemeindestrasse Total<br />
Hauptstrasse 5 374 801 6 175<br />
Nebenstrasse 1122 3 959 5 081<br />
Total 6 496 4 760<br />
Quelle: BFS<br />
Das bfu-Modell Tempo 50/30 sieht vor, dem Fahrzeuglenker<br />
die Funktion der Strasse mittels typischer<br />
verkehrstechnischer Elemente für siedlungs- bzw.<br />
verkehrsorientierte Strassen zu vergegenwärtigen.<br />
Auf siedlungsorientierten Strassen sollen als Erkennungsmassnahmen<br />
ein auffälliges Eingangstor<br />
(Abbildung 24), versetzte Parkfelder (Abbildung 25),<br />
Rechtsvortrittsmarkierungen (Abbildung 26) und<br />
Abbildung 24<br />
Torelement bei der Einfahrt in eine Tempo-30-Zone<br />
Abbildung 25<br />
Versetzte Parkfelder in einer Tempo-30-Zone<br />
Abbildung 26<br />
Verdeutlichung einer Kreuzung mit Rechtsvortritt in einer<br />
Tempo-30-Zone<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 93
Tempo-30-Signete (Abbildung 27) auf der Fahrbahn<br />
angewandt werden. Parkfelder sollten nicht<br />
dort angeordnet werden, wo Kinder häufig hinter<br />
geparkten Autos hervor auf die Strasse treten.<br />
Bauliche Massnahmen zur Verkehrsberuhigung<br />
(Vertikal-, Horizontalversatz, aufgepflasterte Kreuzungen<br />
gemäss [86]) sollen nur auf denjenigen<br />
Strassen zur Anwendung kommen, deren Erscheinungsbild<br />
einen niedrigen Einhaltegrad der <strong>Geschwindigkeit</strong>sbeschränkung<br />
vermuten lässt oder<br />
auf denen die gesetzlich vorgeschriebenen Nachhermessungen<br />
zu hohe <strong>Geschwindigkeit</strong>en ergaben<br />
(Abbildung 28).<br />
Die Massnahme, am Strassenrand elektronische<br />
Anzeigetafeln aufzustellen, die dem vorbeifahrenden<br />
Motorfahrzeuglenkenden seine Fahrgeschwin-<br />
Abbildung 27<br />
Tempo-30-Signet<br />
Abbildung 28<br />
Aufgepflasterter Kreuzungsbereich<br />
digkeit anzeigt, ist nicht nachhaltig. In [93] werden<br />
Studien zitiert, wonach eine leichte <strong>Geschwindigkeit</strong>ssenkung<br />
zu erwarten ist, die Wirkung jedoch<br />
zeitlich beschränkt ist, während welcher die Signale<br />
aufgestellt sind.<br />
Auf verkehrsorientierten Strassen sind Erkennungselemente<br />
wie Lichtsignalanlagen, Mittelmarkierungen,<br />
Mehrzweckstreifen, Fussgängerstreifen, Fussgängerschutzinseln<br />
und/oder das Vortrittsrecht<br />
gegenüber Querstrassen anzuwenden. Zur Gewährleistung<br />
eines hohen Verkehrssicherheitsniveaus,<br />
zur Verbesserung der Querbeziehungen und<br />
zur Min<strong>im</strong>ierung der Trennwirkung der Fahrbahn<br />
sind die übergeordneten Strassenraumgestaltungsprinzipien<br />
und -elemente gemäss [92] anzuwenden:<br />
• Torwirkung (optische Abgrenzung zwischen<br />
Strassenräumen unterschiedlicher Charakteristik,<br />
die eine Anpassung des Fahrverhaltens anstrebt,<br />
Abbildung 29)<br />
Abbildung 29<br />
Torwirkung bei einer Ortseinfahrt<br />
94 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
• Kammerung des Strassenraums (Längsunterteilung<br />
des Strassenraums in Raumkammern, um<br />
den Fokus der Wahrnehmung auf den Nahbereich<br />
zu richten und damit einen geschwindigkeitssenkenden<br />
Effekt zu erzielen) für den Verkehrsablauf<br />
zu erreichen, Abbildung 30)<br />
Abbildung 30<br />
Kammerung des Strassenraumes<br />
Abbildung 31<br />
Verzahnung der Seitenräume<br />
Abbildung 32<br />
Ensemble<br />
• Verzahnung der Seitenräume (durch Verwendung<br />
verschiedener Beläge wird die Bandwirkung der<br />
Fahrbahnränder gemildert, Abbildung 31)<br />
Zusätzlich zu den oben erwähnten Elementen wirkt<br />
ein Ensemble geschwindigkeitsmindernd [94]. Unter<br />
der Ensemble-Wirkung versteht man das Zusammenwirken<br />
der verschiedenen Gestaltungselemente<br />
insbesondere zwischen Hoch- und Tiefbau<br />
(farbliche Einheit zwischen Gebäudefassaden und<br />
den gewählten verkehrstechnischen Elementen,<br />
Abbildung 32).<br />
Bei der Umsetzung dieser Prinzipien sind nachfolgende<br />
Aspekte mit einzubeziehen:<br />
• Städtebauliche Vorgaben und Ziele<br />
• Struktur des Strassenraums<br />
• Funktion und Lage der Strasse<br />
Von zentraler Bedeutung ist, dass das übergeordnete<br />
Strassennetz innerorts sowohl eine hohe Leistungsfähigkeit<br />
als auch eine hohe Sicherheit für die<br />
verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden aufweist.<br />
Dadurch soll vermieden werden, dass sich Schleichverkehr<br />
auf die siedlungsorientierten Strassen verlagert<br />
und andererseits die Nutzungsansprüche der<br />
Anwohner erfüllt werden. Verkehrsorientierte Innerortsstrassen<br />
stellen also für Planer und Behörden<br />
hinsichtlich Projektierung, Gestaltung und<br />
Betrieb äusserst anspruchsvolle und komplexe Herausforderungen.<br />
Ein Approach, diese Aufgaben mit<br />
dem Aspekt der Verkehrssicherheit zu verbinden ist<br />
in [94] enthalten.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 95
5.6 Umsetzung in der Schweiz<br />
5.6.1 Best<strong>im</strong>mung der durch Infrastrukturmängel<br />
bedingten Unfälle<br />
Wie in Kap. VII.5.1.2, S. 79 bereits angedeutet,<br />
lässt die amtliche Verkehrsunfallstatistik keine präzise<br />
Aussage zur Häufigkeit von geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfällen, die durch defizitäre Infrastruktur<br />
verursacht wurde, zu. Die Tatsache, dass sich<br />
geschwindigkeitsbedingte Unfälle durch Verbesserung<br />
der Infrastruktur reduzieren lassen, ist bei<br />
Fachleuten unbestritten. Genaue Aussagen sind<br />
nur aufgrund einer entsprechenden Forschungsarbeit<br />
möglich. Da diese Thematik jedoch sehr komplex<br />
ist, müsste die Machbarkeit zumindest in einer<br />
Voruntersuchung abgeschätzt werden.<br />
5.6.2 Neudefinition der Ausbaugeschwindigkeit<br />
in den VSS-Normen<br />
Zur Sensibilisierung der projektierenden Ingenieure<br />
hinsichtlich Sicherheitsrelevanz bei der Festlegung<br />
der Ausbaugeschwindigkeit ist bei der nächsten<br />
Revision der VSS-Norm SN 640 080b [14] eine<br />
Anpassung des Begriffs in Erwägung zu ziehen.<br />
Dabei bietet sich eine Definition mit Bezug zur<br />
Verkehrssicherheit <strong>im</strong> Sinn der OECD<br />
(Kap. VII.5.1.3, S. 79) an.<br />
5.6.3 Aufwertung der VSS-Normen<br />
Die VSS-Normen stellen den aktuellen Wissensstand<br />
dar und entsprechen somit den Regeln der<br />
Baukunde. Sie sind nicht unmittelbar bindend,<br />
können jedoch in Schadensfällen, also <strong>im</strong> Nachhinein<br />
als Grundlage beigezogen werden.<br />
Einige wenige dieser Normen gelten als Weisung<br />
des Eidgenössischen Departements für Umwelt,<br />
Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) <strong>im</strong><br />
Sinn von Art. 115 Abs. 1 SSV und erhalten dadurch<br />
ein grösseres Gewicht38 . Die Praxis zeigt, dass diese<br />
<strong>im</strong> Planungs- und Projektierungsprozess einfacher<br />
durchzusetzen sind.<br />
Naheliegender ist die Forderung, VSS-Normen vermehrt<br />
in den Stand einer Weisung zu erheben.<br />
Dem muss entgegengehalten werden, dass die<br />
Akzeptanz hierfür gering sein dürfte und den aktuellen<br />
Wissensstand zum Teil nur verzögert widerspiegelt.<br />
Ausserdem können mit einer Verweisung<br />
verschiedene Nachteile verbunden sein. So wird<br />
beispielsweise eine Norm nicht nach den für die<br />
Schaffung von Rechtssätzen geltenden Vorschriften<br />
erzeugt. Probleme kann es z. B. auch geben, wenn<br />
der private Regelsetzer, der durch die Verweisung<br />
nicht gebunden ist, die Norm ändert oder aufhebt<br />
[95].<br />
Eine Lösung könnte darin bestehen, auf Bundesebene<br />
sicherzustellen, dass alle kantonalen und<br />
kommunalen Baugesetze die Forderung enthalten,<br />
die Infrastruktur müsse dem aktuellen Stand der<br />
Technik entsprechen mit dem Ziel, Unfälle möglichst<br />
auszuschliessen bzw. höchstens geringe Folgen<br />
für Leib und Leben der Unfallbeteiligten zu<br />
bewirken.<br />
5.6.4 Ausbildung der Ingenieure und Planer<br />
In der Praxis finden sich <strong>im</strong>mer wieder infrastrukturelle<br />
Defizite, die zu geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfällen führen können. Gründe dafür können<br />
Unkenntnis der Normen und Forschungsergebnisse<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
38 Verordnung des UVEK vom 12. Juni 2007 über die auf die<br />
Signalisation von Strassen, Fuss- und Wanderwegen anwendbaren<br />
Normen, SR 741.211.5<br />
96 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
oder deren bewusste Nichtbeachtung sein. Massnahmen<br />
dagegen sind auf zwei Stufen denkbar:<br />
Erstausbildung: Während der Erstausbildung an<br />
Hoch- und Fachhochschulen ist eine verstärkte<br />
Sensibilisierung für das Thema der Verkehrssicherheit<br />
gesamtschweizerisch zu gewährleisten.<br />
Insbesondere ist sicherzustellen, dass den Studierenden<br />
nebst dem Grundwissen spezifisch zu diesem<br />
Thema die entsprechenden Normen, Gesetze<br />
und Forschungsergebnisse und insbesondere deren<br />
Sicherheitsrelevanz vermittelt werden. Ein Schwerpunkt<br />
muss dabei der Entwurf von Innerortsstrassen<br />
(Konflikte mit verletzlichen Verkehrsteilnehmern)<br />
sowie die Projektierung von Ausserortsstrassen<br />
(Linienführung, Querschnitt) sein.<br />
Fort-/Weiterbildung: Viele Berufsstände sehen eine<br />
obligatorische Weiterbildung vor. In Analogie zu<br />
anderen Berufsständen (Piloten, Fachpsychologen,<br />
Lehrkräfte usw.) ist eine obligatorische Weiterbildung<br />
für Verkehrsingenieure und -planer wünschenswert.<br />
Kongresse und Tagungen zu Verkehrssicherheitsthemen<br />
werden in der Schweiz schon<br />
heute regelmässig organisiert. Als kurzfristige<br />
Massnahme kann die Unterstützung der Organisation<br />
solcher Tagungen/Kongresse empfohlen werden.<br />
Mittelfristig ist zu überprüfen, wie das gesamte<br />
Angebot an Tagungen/Kongressen koordiniert<br />
und mit einer allfälligen obligatorischen Weiter-/<br />
Fortbildung abgest<strong>im</strong>mt werden kann. Ein erster<br />
Ansatz in dieser Hinsicht stellt die von der bfu angebotene<br />
Nachschulung für Verkehrsingenieure<br />
zum Thema «Strassenraumgestaltung» dar, der <strong>im</strong><br />
Herbst 2009 beginnt.<br />
5.6.5 Sensibilisierung von Verwaltungen und<br />
Politik für die Bedeutung der Infrastruktur<br />
Nebst der in Kap. VII.5.6.4, S. 96 erwähnten Gründe<br />
können topografische, aber auch finanzielle<br />
sowie politische Randbedingungen zur Missachtung<br />
von Normen, und damit u. a. zu geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfällen führen. Deshalb gilt es,<br />
die Behörden für die Bedeutung der Infrastruktur<br />
bezüglich Verkehrssicherheit zu sensibilisieren. Mit<br />
den zuständigen Behörden ist eine enge Zusammenarbeit<br />
und regelmässiger Kontakt seitens der<br />
Fachstellen zu pflegen.<br />
Im Vordergrund stehen dabei vorerst folgende Aktivitäten:<br />
• Fachtechnische Beratungen zu sicherheitsrelevanten<br />
Themen<br />
• Fachtechnische Unterstützung von Projekten<br />
• Regelmässige Veranstaltung von Kolloquien/<br />
Weiterbildungskursen/Foren<br />
• Publikationen in Fachzeitschriften<br />
Welche dieser Massnahmen am effizientesten ist,<br />
kann erst nach einer Quantifizierung der Gründe<br />
für die Nichtumsetzung von sicherheitsrelevanten<br />
Normen erfolgen. Hierzu ist jedoch Forschung<br />
notwendig.<br />
5.6.6 Instrumente zur systematischen<br />
flächendeckenden Sicherheitsüberprüfung<br />
geplanter und bestehender Infrastruktur<br />
Road Safety Audit (RSA)<br />
Ein Road Safety Audit ist ein standardisiertes Verfahren<br />
zur Prüfung von Projekten (Neubau, Um-<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 97
au, Sanierung) in den verschiedenen Planungsphasen.<br />
Durch eine unabhängige Sicherheitsverträglichkeitsprüfung<br />
können potenzielle Verkehrssicherheitsprobleme<br />
bereits während der Planungsphase<br />
vermieden werden. In einigen Ländern<br />
gehört dieses Verfahren heute schon zum üblichen<br />
Ablauf bei Neuprojekten.<br />
Nach den zur Verfügung stehenden Unterlagen<br />
sind Anwendungen aus Australien, Grossbritannien,<br />
Dänemark, Deutschland, Schweden, Norwegen<br />
und der Tschechischen Republik bekannt. Untersuchungen<br />
zur Wirksamkeit liegen u. a. für Dänemark<br />
vor und belegen einen Kosten-Nutzen-<br />
<strong>Faktor</strong> von 1,5.<br />
In Analogie zur Umweltverträglichkeitsprüfung von<br />
Projekten, sind Safety Audits auch in der Schweiz<br />
als fester Bestandteil von Projekten zwingend flächendeckend<br />
einzuführen. Seit 2008 wird ein Kurs<br />
für Ingenieure zu RSA angeboten. Dieser ist aber<br />
nicht obligatorisch. Zudem existiert seit 2008 eine<br />
entsprechende VSS-Norm SN 641 712 [96].<br />
Road Safety Inspection (RSI)<br />
Die Road Safety Inspection ist ein standardisiertes<br />
Verfahren zur Überprüfung von bestehenden Anlagen<br />
<strong>im</strong> Sinn einer Betriebssicherheitsprüfung. Im<br />
Gegensatz zum Road Safety Audit, bei dem Neuund<br />
Umbauprojekte begutachtet werden, überprüfen<br />
bei der Road Safety Inspection die zuständigen<br />
Behörden periodisch die bestehende Infrastruktur<br />
auf sicherheitstechnische Mängel.<br />
In einigen Ländern gehört dieses Verfahren bereits<br />
heute zum Standard bei bestehenden Anlagen,<br />
insbesondere in Deutschland. In der Schweiz ist<br />
eine Standardisierung und Institutionalisierung<br />
(Erhaltungsmanagement) über alle Tiefbauämter<br />
und Signalisationsbehörden erforderlich. Dabei<br />
muss die Überprüfung der Infrastruktur hinsichtlich<br />
des Potenzials für geschwindigkeitsbedingte Unfälle<br />
eine zentrale Stellung einnehmen. Validierte<br />
diagnostische Instrumente erhalten dabei eine<br />
wesentliche Bedeutung, erlauben sie doch eine<br />
Sanierung bevor sich Unfälle ereignen<br />
(Kap. VII.5.6.7, S. 99). Es ist anzumerken, dass<br />
Ende 2009 ein Forschungsgesuch für RSI durch das<br />
Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme<br />
(IVT) und die bfu be<strong>im</strong> VSS eingegeben wurde.<br />
Black Spot Management (BSM)<br />
Black Spot Management bezweckt die systematische<br />
Unfallanalyse der Verkehrsnetze. Ergeben sich<br />
daraus Örtlichkeiten mit auffallend vielen Unfällen<br />
(Unfallhäufungsstellen), so sind diese prioritär –<br />
unter Anwendung von adäquaten Verfahren – zu<br />
sanieren. Aufgrund der amtlichen Unfallstatistik39 können Unfallhäufungen abgelesen werden. Expositionsmasse<br />
sind jedoch in dieser Datenbank nicht<br />
berücksichtigt. Genauso wenig ist anhand der Unfallauswertung<br />
festzustellen, ob defizitäre Infrastruktur<br />
zu einem Unfall führte (Kap. VII.5.1.2,<br />
S. 79). Daher ist sicherzustellen, dass alle zuständigen<br />
Tiefbauämter solche Stellen systematisch <strong>im</strong><br />
Strassennetz ausfindig machen, die entsprechenden<br />
Stellen verkehrstechnisch analysieren und, falls<br />
diese defizitär sind, eine qualifizierte Sanierung<br />
planen (wie dies in manchen Kantonen auch bereits<br />
praktiziert wird).<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
39 Die Koordinaten der Unfallstellen sind nicht bei allen Unfällen<br />
und nicht in allen Kantonen vorhanden, sodass eine systematische<br />
Lokalisierung nicht möglich ist.<br />
98 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
5.6.7 Erarbeiten diagnostischer Verfahren zur<br />
sicherheitstechnischen Analyse der horizontalen<br />
Linienführung<br />
Die in Kap. VII.5.6.6, S. 97 beschriebenen Prozeduren<br />
zur Inspektion bestehender Verkehrsanlagen,<br />
RSI und BSM, weisen nebst vielen Vorzügen auch<br />
Schwachstellen auf. So wird be<strong>im</strong> RSI der Handlungsbedarf<br />
anhand der Abweichungen des<br />
Istzustands der Verkehrsanlagen vom Sollzustand<br />
festgelegt. Bekanntlich ist aber nicht jede Normabweichung<br />
der Infrastruktur à priori sicherheitsrelevant.<br />
Es besteht also die Gefahr, dass Ressourcen<br />
für die Sanierung von Örtlichkeiten verwendet<br />
werden, die nie zu Unfällen führen oder die kein<br />
Fehlverhalten hervorrufen würden. Aber auch BSM<br />
weist Probleme auf. So ist die Best<strong>im</strong>mung von<br />
Unfallschwerpunkten aufgrund der Unfallzahlen<br />
statistisch kompliziert, denn wegen des Phänomens<br />
der Regression zur Mitte sollte nicht einfach auf die<br />
absolute Anzahl Unfälle abgestützt werden. Zudem<br />
sollte BSM aus Sicht der Prävention langfristig zur<br />
Ausnahme werden, ist es doch befremdlich, Unfälle<br />
abzuwarten, bevor saniert wird.<br />
In diesem Sinn bietet sich an, diagnostische Verfahren<br />
zu erarbeiten. Das in [71] erläuterte Verfahren<br />
zur Diagnose von Kurven müsste mittelfristig überprüft<br />
und <strong>im</strong>plementiert werden, um geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfällen in Kurven vorzubeugen.<br />
5.6.8 Förderung der Umsetzung des bfu-<br />
Modells Tempo 50/30.<br />
Es hat sich gezeigt, dass hinsichtlich Verbreitung<br />
des bfu-Modells Tempo 50/30 ein riesiges Potenzial<br />
besteht. Auf rund 75 % der überbauten Bauzonen<br />
gilt derzeit noch die Höchstgeschwindigkeit<br />
50 km/h. Dazu kommen schätzungsweise 98 %<br />
verkehrsorientierte Innerortsstrassen, die nicht nach<br />
[92] umgestaltet sind [90]. Um eine breitere Umsetzung<br />
des bfu-Modells Tempo 50/30 zu verwirklichen,<br />
sind Massnahmen auf verschiedenen Ebenen<br />
angezeigt:<br />
• Die aktuelle Rechtslage stellt ein grosses Hindernis<br />
dar. Solange Tempo-30-Zonen als abweichende<br />
L<strong>im</strong>ite zur geltenden allgemeinen<br />
•<br />
Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts<br />
gelten und somit gemäss Art. 108 SSV begründet<br />
werden müssen, ist eine zügige Verbreitung<br />
des bfu-Modells Tempo 50/30 kaum möglich.<br />
Art. 4a VRV sowie Art. 22 SSV müssten dahingehend<br />
angepasst werden, dass innerorts zwei<br />
Höchstgeschwindigkeitsreg<strong>im</strong>es festgelegt werden:<br />
50 km/h auf dem übergeordneten Strassennetz<br />
und 30 km/h auf dem siedlungsorientierten<br />
Strassennetz. Außerdem müssten Regelungen<br />
zu Tempo-30-Zonen von Art. 108 SSV<br />
losgekoppelt werden.<br />
In der Zwischenzeit müssen die zuständigen<br />
Behörden weiter für die sicherheitstechnischen<br />
Vorteile des bfu-Modells Tempo 50/30 sensibilisiert<br />
werden. Zwar haben alle Signalisationsbehörden<br />
2006 und 2009 von der bfu eine Klarstellung<br />
erhalten [97], dass die entsprechenden<br />
Bundesgerichtsentscheide (BGE) aus dem Jahr<br />
2006 und 2008 kein Hindernis für die Umsetzung<br />
von Tempo-30-Zonen darstellen und dass<br />
eine gemeindeweite Einführung von Tempo-30-<br />
Zonen auf dem siedlungsorientierten Strassennetz<br />
keine Umgehung der Volksinitiative aus<br />
dem Jahr 2001 (Strassen für alle) darstellt. Dennoch<br />
scheint weiterer Klärungsbedarf (auch bei<br />
den Gemeinden) zu bestehen.<br />
• Entsprechend gilt es, bei den Baubehörden die<br />
sicherheitstechnischen Vorteile umgestalteter<br />
verkehrsorientierter Strassen weiterhin zu propagieren.<br />
Bekanntlich werden bauliche Eingriffe<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 99
pr<strong>im</strong>är dann geplant, wenn bei Strassen Unterhaltsarbeiten<br />
anstehen. Deshalb ist es wichtig,<br />
den Baubehörden nahe zu legen, bei diesen<br />
Gelegenheiten die Planung von Umgestaltungen<br />
nach [92] zu berücksichtigen.<br />
• <strong>Der</strong> Befund, dass besonders kleinere, finanzschwächere<br />
Gemeinden seltener Tempo-30-<br />
Zonen und umgestaltete verkehrsorientierte<br />
Strassen aufweisen, zeigt ein Informationsdefizit<br />
auf. Inhalt des bfu-Modells Tempo 50/30 ist<br />
u. a., Tempo-30-Zonen mit einem akzeptablen<br />
Aufwand realisieren zu können. Andererseits<br />
betrifft die Umgestaltung von verkehrsorientierten<br />
Strassen pr<strong>im</strong>är Kantonsstrassen, sodass auf<br />
diesen Strassen die Kosten nicht voll zu Lasten<br />
der Gemeinden gehen. Aus diesem Grund ist es<br />
wichtig, gerade solche Gemeinden beispielsweise<br />
über die Sicherheitsdelegierten anzugehen<br />
und sie vertiefter über die sicherheitstechnischen<br />
Vorteile zu informieren.<br />
• Die Umsetzung der erwähnten Punkte bedarf<br />
einer zielgerechten Kommunikationsstrategie.<br />
Die Resultate zeigen, dass besonders der direkte<br />
Kontakt erfolgreich ist. Dazu gehören das gezielte<br />
Beliefern der zuständigen kantonalen<br />
oder kommunalen Behörden mit Fachbroschüren<br />
sowie die jährlichen Zusammenkünfte der<br />
kantonalen Signalisationsbehörden. In diesem<br />
Sinn wäre auch eine jährliche Zusammenkunft<br />
der zuständigen kantonalen Baubehörden vielversprechend.<br />
Als Alternative bietet sich an, dafür<br />
zu sorgen, dass der bfu bei der bereits bestehenden<br />
jährlichen Zusammenkunft der Kantonsingenieure<br />
ein festes Fenster zugesprochen<br />
wird. Dies ermöglicht, entsprechende Anliegen<br />
direkt bei den Amtsvorstehern anzubringen.<br />
5.7 Fazit<br />
Die Auswertung der amtlichen Unfallstatistik zeigt<br />
auf, dass das geschwindigkeitsbedingte Unfallgeschehen<br />
insbesondere auf Ausserorts- und Innerortsstrassen<br />
relevant ist. Autobahnen spielen erstaunlicherweise<br />
in dieser Hinsicht eine untergeordnete<br />
Rolle. Infrastrukturelle Eingriffe baulicher<br />
und betrieblicher Art zum Zweck der <strong>Geschwindigkeit</strong>sreduktion<br />
bedürfen einer sorgfältigen Überprüfung<br />
hinsichtlich sicherheitstechnischer Auswirkungen.<br />
Das Beispiel von Radiusreduktionen in<br />
Kurven veranschaulicht das komplexe Zusammenspiel<br />
von <strong>Geschwindigkeit</strong> und Sicherheit. Geringere<br />
Radien erzwingen zwar grundsätzlich geringere<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en, führen aber bei mangelhafter<br />
Projektierung zu mehr Unfällen. Ziel einer adäquaten<br />
Infrastruktur sind pr<strong>im</strong>är eine einfache Hierarchisierung<br />
des Strassennetzes sowie die Realisierung<br />
von selbsterklärenden und fehlertoleranten<br />
Strassen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass<br />
der Verkehr mit angepasster <strong>Geschwindigkeit</strong> zirkuliert.<br />
Die vorrangigen Interventionen sind <strong>im</strong><br />
Folgenden aufgelistet. Innerortsstrassen sind unter<br />
Berücksichtigung der Nutzungsansprüche aller<br />
Verkehrsteilnehmenden zu projektieren, zu bauen<br />
und zu betreiben. Das bfu-Modell Tempo 50/30 ist<br />
für das Erreichen dieses Ziels besonders geeignet.<br />
Es sieht vor, alle siedlungsorientierten Strassen mit<br />
Tempo-30-Zonen zu belegen und alle verkehrsorientierten<br />
Innerortsstrassen derart zu gestalten, dass<br />
die Sicherheit der verletzlichsten Verkehrsteilnehmenden<br />
besonders berücksichtigt wird.<br />
Ausserortsstrassen sind derart zu projektieren, dass<br />
sie zu einem homogenen <strong>Geschwindigkeit</strong>sverlauf<br />
führen. Korrigierende Massnahmen à posteriori<br />
(Leitpfeile, abweichende Höchstgeschwindigkeiten)<br />
100 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
dürfen nicht von Vorneherein verwendet werden,<br />
um Projektierungsmängel auszubessern.<br />
Die Entfernung von festen Objekten am Strassenrand<br />
(z. B. Mauern, Zäune, Pfosten) und – unter<br />
gewissen Bedingungen – Mittelleitschranken können<br />
die Folgen von geschwindigkeitsbedingten<br />
Unfällen reduzieren.<br />
Die konkrete Umsetzung in der Schweiz kann dabei<br />
durch Massnahmen auf verschiedenen Ebenen<br />
aktiviert werden. Verkehrsingenieure und Planer<br />
sind bereits während des Studiums und/oder in<br />
systematischen Weiterbildungsgängen ganz speziell<br />
auf die erwähnten Punkte zu sensibilisieren.<br />
Flächendeckende Instrumente zur systematischen<br />
Überprüfung geplanter und bestehender Infrastruktur<br />
(Road Safety Audit, Road Safety Inspection,<br />
Black Spot Management) sind als Obligatorium<br />
schweizweit einzuführen (wie dies auch <strong>im</strong> Handlungsprogramm<br />
ViaSicura vorgesehen ist).<br />
Die VSS-Normen stellen <strong>im</strong> Verkehrsingenieurwesen<br />
die Regeln der Baukunde dar. <strong>Der</strong>en Umsetzung<br />
in Projekten kann je nach Randbedingungen<br />
kostenintensiv sein. In der Praxis zeigt sich, dass in<br />
solchen Fällen Abstriche in Kauf genommen werden,<br />
was sich sicherheitstechnisch negativ auswirken<br />
kann. Bevölkerung, Politik und die Verwaltung<br />
sind deshalb hinsichtlich der sicherheitstechnischen<br />
Bedeutung von Normen und adäquater Infrastruktur<br />
zu sensibilisieren. Dadurch soll die Umsetzung<br />
kostenintensiver, jedoch sicherheitstechnisch relevanter<br />
Projekte gefördert werden.<br />
Schliesslich ist die Umsetzung des bfu-Modells<br />
Tempo 50/30 gezielt zu fördern. Dies kann mittels<br />
Anpassung der entsprechenden Verordnungen<br />
oder aktiver Propagierung bei den zuständigen<br />
Behörden und der Bevölkerung erfolgen.<br />
6. Fahrzeugtechnische Massnahmen<br />
6.1 Deformationszone/Knautschzone<br />
Die Sicherheit von Fahrzeugen wird mittels Crash-<br />
Tests überprüft. Dabei spielen die Knautschzonen<br />
eine besondere Rolle. Sie nehmen einen Teil der<br />
kinetischen Energie auf, d. h. sie sind eher<br />
«weich». Erst wenn der eigentliche Passagierraum<br />
erreicht ist, dann muss die Karosserie hart sein, um<br />
zu verhindern, dass die Kollisionsobjekte bis zu den<br />
Fahrzeuginsassen vordringen können.<br />
Weiterhin wurde in den letzten Jahren vermehrt<br />
der Fussgängersicherheit Aufmerksamkeit geschenkt.<br />
In diesem Gebiet hat es bedeutende Verbesserungen<br />
gegeben. So gibt es beispielsweise<br />
spezielle Mechanismen, die dafür sorgen, dass bei<br />
einem Unfall die Motorhaube angehoben wird,<br />
sodass der Fussgänger nicht auf den harten Motorblock<br />
prallt, sondern auf die eher nachgiebige<br />
Motorhaube. Auch in die Bewertung bei Euro<br />
NCAP (European New Car Assessment Programme)<br />
fliesst die Fussgängersicherheit mit ein.<br />
Obwohl seit vielen Jahrzehnten Crash-Tests durchgeführt<br />
werden, ist die Frage der Validität der Verfahren<br />
<strong>im</strong>mer noch nicht ganz geklärt. So gibt es<br />
Arbeiten, die aufzeigen, dass die Crash-Tests zwar<br />
bei Frontalkollisionen mittlerweile recht aussagekräftig<br />
sind [98]. Für Heckaufprallkollisionen<br />
scheint dies aber noch nicht <strong>im</strong> selben Masse gegeben<br />
zu sein. Insofern dürfte es auch in Zukunft<br />
noch weitere Verbesserungen bei der passiven<br />
Sicherheit der Fahrzeuge geben.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 101
6.2 Sicherheitsgurt<br />
<strong>Der</strong> Sicherheitsgurt ist nach wie vor eine der wichtigsten,<br />
wahrscheinlich sogar die wichtigste Präventionsmassnahme<br />
<strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong>. Seine Wirksamkeit<br />
hängt von <strong>Geschwindigkeit</strong> des Unfalls<br />
und Merkmalen des Kollisionsobjektes ab.<br />
<strong>Der</strong> Anteil Personen, der die Sicherheitsgurte trägt,<br />
ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Waren<br />
es <strong>im</strong> Jahr 2000 noch 77 % so sind es nun<br />
87 %. Bei einer Tragquote von 100 % könnten<br />
schätzungsweise 40 Verkehrstote und 150 Scherverletzte<br />
vermieden werden.<br />
Die Schweiz steht <strong>im</strong> internationalen Vergleich der<br />
Tragquoten nicht besonders gut da. Unterschiede<br />
gibt es nach Strassenart (je schneller auf einer<br />
Strasse gefahren werden darf, umso höher ist die<br />
Tragquote; innerorts nur 82 %), nach Sprachregion<br />
(<strong>im</strong> Tessin 82 %, in der Romandie 82 % und in der<br />
Deutschschweiz 89 %). Ewert und Fitz zeigten auf,<br />
dass die Wahrscheinlichkeit nicht angegurtet zu<br />
verunfallen von diversen <strong>Faktor</strong>en abhängig ist<br />
[99]:<br />
• Junge Verkehrsteilnehmer benützen den Gurt<br />
weniger als Ältere<br />
• Rücksitzpassagiere weniger als Frontpassagiere<br />
• Männer weniger als Frauen<br />
• Personen unter Alkoholeinfluss weniger als<br />
Nüchterne<br />
• Bei Nacht weniger als am Tage<br />
• Am Wochenende weniger als unter der Woche<br />
• Auf trockenen Strassen weniger als auf nassen<br />
oder verschneiten<br />
Insgesamt scheint es also so, als ob gerade diejenigen<br />
Personen, die den Gurt besonders nötig haben,<br />
ihn weniger häufig benutzen.<br />
<strong>Der</strong> Sicherheitsgurt ist sehr wichtig, um die Überlebenschancen<br />
bei einem Unfall zu verbessern. Allerdings<br />
kann auch der Gurt nicht <strong>im</strong>mer schützen.<br />
Bei Unfällen mit hoher <strong>Geschwindigkeit</strong> und bei<br />
einem nicht oder kaum nachgebenden Hindernis,<br />
gibt es auch mit Gurt praktisch keine Überlebenschance.<br />
Ab ca. 110 km/h Kollisionsgeschwindigkeit<br />
frontal auf ein massives Hindernis kann der Gurt<br />
nicht mehr helfen. Erfreulicherweise sind diese Art<br />
Unfälle nicht sehr häufig. Solche <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
werden üblicherweise nur auf Autobahnen<br />
erreicht. Kollisionen finden dann eher mit anderen<br />
Fahrzeugen statt, welche in dieselbe Richtung fahren,<br />
wodurch dann die <strong>Geschwindigkeit</strong>sdifferenz<br />
(Delta-V) geringer wird. Auch ist die Wahrscheinlichkeit<br />
einer Frontalkollision eher gering. Meistens<br />
wird in eher spitzen Winkel – beispielsweise auf die<br />
Leitplanken aufgefahren.<br />
Angesichts der Tatsache, dass rund die Hälfte aller<br />
unangegurteten Getöteten hätte gerettet werden<br />
können, sind weitergehende Anstrengungen zur<br />
Erhöhung der Tragquoten sinnvoll und notwendig.<br />
Hierbei ist der Fokus insbesondere auf die Ausserortsstrassen<br />
zu richten. Dort findet sich eine recht<br />
niedrige Tragquote (Tessin 82 %, Westschweiz<br />
84 % und Deutschschweiz 90 %) verbunden mit<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en, bei denen der Sicherheitsgurt<br />
noch einen guten Beitrag zur Überlebenswahrscheinlichkeit<br />
leisten kann. Bei Tempo 80 beträgt<br />
das Risiko ohne Gurt ums Leben zu kommen etwa<br />
45 %; mit Gurt hingegen beträgt es «nur» 20 %.<br />
Hier sollten die Anstrengungen in Bezug auf Polizeikontrollen<br />
mit begleitenden Kampagnen weiter<br />
fortgeführt werden.<br />
Auch in Bezug auf das Anschnallen auf Rücksitzen<br />
hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung<br />
ergeben. Dennoch sind über alle Stras-<br />
102 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
senarten und Landesteile hinweg 32 % der Rücksitzpassagiere<br />
nicht angegurtet. Die in modernen<br />
Fahrzeugen bereits üblichen Systeme zur Erinnerung<br />
des Motorfahrzeuglenkenden an den Sicherheitsgurt<br />
für sich und die Frontpassagiere (seat-belt<br />
reminder), die sich bereits als wirksam erwiesen<br />
haben [100] sollten auch auf die Rücksitzpassagiere<br />
ausgeweitet werden.<br />
6.3 Airbags<br />
<strong>Der</strong> Airbag ist ein Sack, der bei Bedarf, d. h. bei<br />
einem Unfall, mittels einer Explosion mit Gas gefüllt<br />
wird. Zunächst in den USA vor allem als Ersatz<br />
für den Sicherheitsgurt geplant (weil die Tragquoten<br />
sehr tief waren und anfänglich kaum verbessert<br />
werden konnten), hat er sich mittlerweile eher als<br />
Sicherung zusätzlich zum Gurt durchgesetzt (zumindest<br />
in Europa).<br />
Insgesamt muss man jedoch sagen, dass der Airbag<br />
die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht ganz erfüllen<br />
konnte. Die Berechnungen über die Wirksamkeit<br />
von Sicherheitsgurt und Airbag zeigen auf, der<br />
Sicherheitsgurt das Sterberisiko bei einem Unfall<br />
um etwa 50 % reduzieren kann, der Airbag allein<br />
aber nur um 14 %. Sicherheitsgurt und Airbag<br />
zusammen bringen es auf etwa 60 % Reduktion<br />
(NHTSA, 2001[101]). Am wichtigsten ist es also<br />
nach wie vor, dass man den Sicherheitsgurt benützt.<br />
Aufgrund der enormen Kräfte, die be<strong>im</strong> Auslösen<br />
des Airbags wirken, kann er auch negative Folgen<br />
haben. Ein Thema war das sogenannte «out-ofposition».<br />
Es bedeutet, dass jemand (vor allem die<br />
Beifahrer) mit dem Airbag in Kontakt kommt, während<br />
dieser noch gefüllt wird. Da er sich währenddessen<br />
mit etwa 300 km/h auf die Person zube-<br />
wegt, kann es (und ist es) zu schweren oder tödlichen<br />
Verletzungen (ge)kommen – insbesondere bei<br />
Kindern und kleinen Frauen. Mittlerweile ist dieses<br />
Thema aber durch technische Verbesserungen<br />
weitgehend erledigt.<br />
<strong>Der</strong> Airbag hat aber noch weitere Anwendungsgebiete.<br />
So werden beispielsweise die Rücksitzpassagiere<br />
bis heute kaum frontal mit Airbags geschützt,<br />
obwohl er auch hier gute Dienste leisten könnte.<br />
6.4 Elektronisches Stabilitätskontrolle<br />
Die elektronische Stabilitätskontrolle (ESC, Fachbegriff),<br />
das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP<br />
– Markenname des Bosch-Systems) oder auch die<br />
Systeme anderer Hersteller sind eine der besten<br />
Verkehrssicherheitsmassnahmen der vergangenen<br />
Jahrzehnte. Das System vergleicht hinsichtlich der<br />
Fahrtrichtung die Absicht des Lenkers (Lenkradeinschlag)<br />
mit der physikalischen Bewegung des Fahrzeugs.<br />
Falls diese beiden <strong>Faktor</strong>en nicht übereinst<strong>im</strong>men<br />
(Schleudern), wird eingegriffen indem<br />
einzelne Räder abgebremst und allenfalls sogar die<br />
Motorleistung gedrosselt wird. Dadurch kann <strong>im</strong><br />
Grenzbereich das Schleudern verhindert werden.<br />
Das System greift also nur ein, wenn der Lenkende<br />
bereits die Herrschaft über das Fahrzeug verloren<br />
hat. Es ermöglicht ein richtungsgetreues Fahren<br />
solange es physikalisch überhaupt nur möglich ist.<br />
ESC war ursprünglich eine Weiterentwicklung des<br />
Antiblockiersystems ABS, welches das Lenken während<br />
scharfer Bremsmanöver ermöglichen und das<br />
Blockieren der Räder verhindern sollte. ESC wurde<br />
viel evaluiert und die Ergebnisse sind extrem positiv.<br />
Ferguson [102] kommt bei der Analyse von 15<br />
verschiedenen Studien aus Japan, Schweden, den<br />
USA, Deutschland, Frankreich und Grossbritannien<br />
zu dem Schluss, dass tödliche Selbstunfälle durch<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 103
ESC um 30 bis 50 % reduziert werden. Auch bei<br />
schweren Unfällen mit mehreren Fahrzeugen beträgt<br />
die Reduktion zwischen 17 und 38 %. Bei<br />
den beliebten SUVs (Geländewagen) sollen die<br />
Effekte sogar noch stärker sein, da diese aufgrund<br />
des hohen Schwerpunktes stärker vom Überschlag<br />
bedroht sind.<br />
ESC hat sich als so wirksam erwiesen, dass es stark<br />
gefördert wird. Viele Neuwagen in der Schweiz<br />
haben es als Standardausstattung (laut TCS 80 %<br />
aller angebotenen Modelle). Andere haben es optional<br />
(11 % aller Modelle). Leider sind vor allem<br />
kleinere Fahrzeuge aus dem Niedrigpreissegment<br />
teilweise gar nicht mit ESP zu erhalten (9 % aller<br />
Modelle). Eine Erhebung von Bosch ergab Anteile<br />
von Neuwagen mit ESC von 96 % in Schweden,<br />
79 % in Deutschland bis zu lediglich 46 % in<br />
Frankreich und 42 % in Italien. Zahlen für die<br />
Schweiz gibt es nicht; es darf aber vermutet werden,<br />
dass sie eher <strong>im</strong> oberen Bereich liegen.<br />
Auch die Politik hat sich bereits engagiert. In der<br />
EU müssen ab November 2011 alle neu zugelassenen<br />
Pkw und Lkw serienmäßig mit ESC ausgestattet<br />
werden. Ab 01.11.2014 müssen diese auch bei<br />
der 1. Inverkehrsetzung mit einem solchen System<br />
ausgerüstet sein40 . Insofern besteht also kein Handlungsbedarf<br />
für die Schweiz.<br />
Eine noch offene Frage ist die Ausschaltbarkeit von<br />
ESC. Best<strong>im</strong>mte – aber nicht alle – Hersteller ermöglichen<br />
eine Ausschaltung von ESC. Angeblich<br />
gibt es Situationen in denen ESC hinderlich ist (Anfahren<br />
auf verschneiten oder vereisten Strassen),<br />
wo das System die Situation möglicherweise falsch<br />
einschätzt.<br />
⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯⎯<br />
40 EG-Verordnung Nr. 661/2009, publiziert <strong>im</strong> EU-ABl, am<br />
31.07.2009<br />
Die meisten Hersteller haben jetzt Systeme, wo sich<br />
ESC bei jedem Motorstart neu einschaltet. Dies<br />
stösst allerdings nicht bei allen Besitzern auf Freude.<br />
Zu vermuten ist, dass gerade diejenigen Personen,<br />
die ESC abschalten einen riskanten Fahrstil<br />
pflegen. Von daher ist zu hoffen, dass die Hersteller<br />
ihre Systeme so weiterentwickeln, dass es die<br />
Ausschaltfunktion nicht mehr braucht und diese<br />
abgeschafft werden kann.<br />
Ein anderes Problem ist, dass es noch erhebliche<br />
Zeit dauern wird, bis sich ESC in allen Neufahrzeugen<br />
findet und alle Altfahrzeuge ohne ESC vom<br />
Markt verschwunden sind. Hier gäbe es zwar theoretisch<br />
Interventionsmöglichkeiten (beispielsweise<br />
eine Verschrottungsprämie für Altautos ohne ESC).<br />
Die politische Akzeptanz für eine solche Massnahme<br />
dürfte jedoch in der Schweiz gering sein.<br />
Ein grosses Einflusspotenzial hätten die Versicherungswirtschaft<br />
und auch die Kantone. Sie könnten<br />
beispielsweise die Versicherungsprämien oder die<br />
Motorfahrzeugsteuer für Fahrzeuge mit ESC reduzieren.<br />
Für umweltfreundliche Autos gibt es solche<br />
Bonus-Malus-Systeme auf der Ebene der Motorfahrzeugsteuer.<br />
Ob es für eine solche eindeutig<br />
sicherheitsförderliche Massnahme die notwendigen<br />
Mehrheiten gäbe, ist zu prüfen.<br />
In Bezug auf die Versicherungen muss man wohl<br />
etwas pess<strong>im</strong>istischer sein. Zwar gibt es einzelne<br />
Versicherer, die technische Massnahmen unterstützen<br />
(beispielsweise die AXA-Winterthur mit dem<br />
Unfalldatenschreiber), aber ESC hat es – überraschenderweise<br />
– noch nicht so weit gebracht.<br />
Möglicherweise haben die Versicherer die potenziellen<br />
Präventions- und Einsparmöglichkeiten noch<br />
nicht so recht wahrgenommen.<br />
104 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
6.5 ISA<br />
ISA ist die Abkürzung für Intelligent Speed Adaptation.<br />
Es handelt sich dabei um ein elektronisches<br />
System, das einerseits aus einer Datenbank bzw.<br />
Kartenmaterial besteht in der alle Höchstgeschwindigkeiten<br />
gespeichert sind und andererseits einem<br />
System, das den aktuellen Standpunkt erkennt<br />
(GPS). Aus der Kombination von diesen beiden<br />
Informationen kann dann abgeleitet werden, welche<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>sl<strong>im</strong>ite <strong>im</strong> Moment gilt. Mit<br />
dieser Information kann auf drei Arten Verfahren<br />
werden:<br />
1. Die Information wird an den Fahrer weitergegeben,<br />
beispielsweise in Form einer Einblendung<br />
der L<strong>im</strong>ite ins Armaturenbrett oder ins<br />
Head-Up Display auf der Windschutzscheibe.<br />
2. Unterstützung des Fahrers indem das System<br />
meldet, wenn die Höchstgeschwindigkeit überschritten<br />
wird<br />
3. Ein intervenierendes System, welches <strong>im</strong>mer<br />
eingreift, wenn man zu schnell fährt, wobei allerdings<br />
der Motorfahrzeuglenkende das System<br />
übergehen kann.<br />
Welches dieser Systeme sich durchsetzen wird ist<br />
bis anhin noch nicht klar.<br />
Erste Untersuchungen zur Wirksamkeit von ISA<br />
haben zu vielversprechenden Ergebnissen geführt.<br />
Eine australische Studie [103] kam zu dem Schluss,<br />
dass mit ISA die tödlichen Unfälle um 8 %, diejenigen<br />
mit Schwerverletzten um 6 % gesenkt werden<br />
könnten. Grundlage dieser Resultate waren Beobachtungen,<br />
dass sowohl die mittleren und die<br />
max<strong>im</strong>alen <strong>Geschwindigkeit</strong>en sowie die V85 gesenkt<br />
wurden. Eine englische Studie [104] kam zu<br />
wesentlich stärkeren Effekten. Je nach Art des ISA<br />
und Art der <strong>Geschwindigkeit</strong>sl<strong>im</strong>ite wird mit einer<br />
Reduktion der Getötetenzahlen um bis zu 59 %<br />
gerechnet. Die letzte Zahl erscheint allerdings etwas<br />
hoch. Dennoch kann man festhalten, dass mit<br />
ISA ein erhebliches Potenzial zur Verringerung der<br />
Anzahl von Verletzten und Getöteten <strong>im</strong> <strong>Strassenverkehr</strong><br />
besteht. Darüber hinaus führt ISA auch zu<br />
weniger Emissionen inklusive Lärm. ISA hat sich mit<br />
einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 7:1 auch als<br />
finanziell lohnend erwiesen. Die Technologie ist<br />
vorhanden und kann sehr schnell umgesetzt werden,<br />
da es sich um ein fahrzeuggebundenes System<br />
handelt.<br />
Das andere Thema und möglicherweise das Hauptproblem<br />
ist die Akzeptanz von ISA. Je strenger der<br />
Eingriff umso geringer ist die Akzeptanz. Und umgekehrt<br />
ist es natürlich so, dass ISA umso wirkungsvoller<br />
ist, je stärker und ungestörter der Eingriff<br />
des Systems ist. In der SARTRE-Umfrage von<br />
2004 [105] hatte sich gezeigt, dass die Schweizer<br />
<strong>im</strong> Vergleich zu den übrigen Befragten aus über 20<br />
Ländern fahrzeugtechnischen Interventionen <strong>im</strong><br />
Allgemeinen und geschwindigkeitsbezogenen Systemen<br />
<strong>im</strong> Besonderen kritisch gegenüber stehen.<br />
Das European Transport Safety Council befasste<br />
sich <strong>im</strong> Jahr 2006 [106] mit 10 Mythen zum Thema<br />
ISA und bewertete sie allesamt als falsch. Die Mythen<br />
sind:<br />
1. ISA ist noch keine reife Technologie<br />
2. Das genaue Best<strong>im</strong>men der <strong>Geschwindigkeit</strong>en<br />
auf Landkarten ist zu kompliziert<br />
3. Nicht alle Länder können ISA anwenden<br />
4. ISA ist für die Gesellschaft zu teuer<br />
5. ISA ist Big Brother <strong>im</strong> Fahrersitz<br />
6. ISA hat unüberwindbare haftungsrechtliche<br />
Probleme<br />
7. ISA hat keine öffentliche Akzeptanz<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 105
8. ISA wäre erfolgreicher wenn es nicht per Gesetz<br />
sondern über den freien Markt eingeführt würde<br />
9. <strong>Geschwindigkeit</strong> ist nur ein kleines Element der<br />
Verkehrssicherheit<br />
10. Andere Fahrzeug- und Infrastrukturmassnahmen<br />
machen ISA überflüssig.<br />
6.6 Leistungsgewicht<br />
Das Thema Leistungsgewicht als möglicher Risikofaktor<br />
für zu schnelles Fahren bzw. <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle<br />
insbesondere bei jungen Lenkern wird<br />
<strong>im</strong>mer wieder erwähnt. Die Beweise dafür sind<br />
jedoch eher schwach. Palamara und Gavin [107]<br />
führten eine Fall-Kontroll-Studie durch bei der sie<br />
verunfallte und nicht verunfallte junge Motorfahrzeuglenkende<br />
bzw. das Leistungsgewicht deren<br />
Fahrzeuge miteinander verglichen. Sie fanden keinen<br />
signifikanten Unterschied. Sie zitieren in ihrer<br />
Arbeit zwei weitere Studien, die eher schwache<br />
Zusammenhänge nachwiesen. Drummond und<br />
Healy [108] fanden einen Zusammenhang – allerdings<br />
für alle Altersgruppen, nicht nur für die jungen<br />
Lenker. Fontaine [109] fand eine erhöhte<br />
Wahrscheinlichkeit ums Leben zu kommen, wenn<br />
Leistungsgewicht höher als 75 kW pro Tonne Fahrzeuggewicht<br />
war. Dieser Effekt soll vor allem auf<br />
die höheren gefahrenen <strong>Geschwindigkeit</strong>en zurückzuführen<br />
sein. Das Risiko bestand aber nur für<br />
männliche Lenker unter 30 Jahren ausserhalb von<br />
Ortschaften.<br />
Insgesamt sind die Belege für einen Einfluss des<br />
Leistungsgewichts auf das Unfallgeschehen nicht<br />
eindeutig – weder in die positive noch in die negative<br />
Richtung. Eine genauere Prüfung bzw. Untersuchung<br />
wäre wohl notwendig bevor man eine<br />
diesbezügliche Massnahme aufgrund nachgewie-<br />
sener Wirksamkeit einführt. Dennoch gibt es Vorbilder:<br />
In Victoria, Australien dürfen junge Motorfahrzeuglenkende<br />
in der Zeit des Führerausweises<br />
auf Probe kein Fahrzeug über 125 kW pro Tonne<br />
Fahrzeuggewicht fahren. Und auch der Motor darf<br />
pro Tonne nicht mehr als 3,5 Liter Hubraum haben.<br />
6.7 Fazit<br />
Die Fahrzeugtechnik hat extrem wichtige Beiträge<br />
zur Verkehrssicherheit geleistet und wird wohl<br />
auch in Zukunft noch viel beitragen können. An<br />
erster Stelle ist hier der Sicherheitsgurt zu nennen,<br />
der, rund der Hälfte der unangegurteten Verkehrstoten<br />
das Leben hätte retten können. In der<br />
Schweiz macht dies etwa 40 Getötete pro Jahr<br />
weniger aus. Das grösste Problem ist die nach wie<br />
vor nicht befriedigende Tragquote insbesondere<br />
bei jungen männlichen Lenkern, innerorts, ausserorts<br />
sowie bei Nacht und unter Alkoholeinfluss.<br />
Hier sind weitere Anstrengungen nötig.<br />
An zweiter Stelle ist die elektronische Stabilitätskontrolle<br />
(ESC) zu nennen, da sie eine überragende<br />
Wirksamkeit bei der Verhinderung von Schleuderunfällen<br />
hat. Die obligatorische gesetzliche Einführung<br />
von ESC in der Europäischen Union und die<br />
Verbreitung des Wissens über den Nutzen der<br />
Fahrassistenz-Systeme sind wichtige Schritte. Bedauerlich<br />
ist, dass es noch einige Zeit dauern wird<br />
bis die Elektronische Stabilitätskontrolle in der gesamten<br />
Fahrzeugflotte vorhanden sein wird. Eine<br />
Ermutigung vor allem der jungen Lenkende auf<br />
Fahrzeuge mit ESC umzusteigen, könnte helfen,<br />
diese Übergangszeit zu verkürzen.<br />
Eine weitere innovative Technik, die allerdings den<br />
Durchbruch noch nicht geschafft hat, ist ISA – die<br />
Intelligent Speed Adaptation. Dabei wird aus der<br />
106 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
aktuellen Position (best<strong>im</strong>mt mittels GPS) und<br />
elektronischen Landkarten mit den gültigen<br />
Höchstgeschwindigkeiten best<strong>im</strong>mt, wie schnell<br />
man aktuell fahren darf. Das Sicherheitspotenzial<br />
für ISA kann, je nach Art der konkreten Ausgestaltung,<br />
beträchtlich sein.<br />
Airbag und Deformationszone/Knautschzone sind<br />
wichtig um die Schwere von Unfällen zu vermindern.<br />
Bei beiden wird man in Zukunft noch weitere<br />
Verbesserungen sehen.<br />
Nicht ganz geklärt ist die Frage nach der Bedeutung<br />
des Leistungsgewichts. Diesbezüglich besteht<br />
noch Forschungsbedarf.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Massnahmen zum <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement 107
VIII. Schlussfolgerungen<br />
Aufgrund eines Fehlverhaltens bezüglich <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
werden pro Jahr durchschnittlich<br />
1251 Personen schwer verletzt, 163 sterben. Die<br />
Hälfte der Getöteten erleidet ihr Schicksal bei einem<br />
Selbstunfall auf Ausserortsstrassen, ein Viertel<br />
bei Unfällen innerorts. Autobahnen stellen keinen<br />
Schwerpunkt dar.<br />
Die <strong>Geschwindigkeit</strong>swahl ist aus zweierlei Hinsicht<br />
für die Verkehrssicherheit entscheidend: Je schneller<br />
gefahren wird, desto weniger Zeit bleibt einerseits<br />
für angemessene Reaktionen, um Unfälle zu<br />
verhindern, und desto gravierender sind andererseits<br />
die Verletzungsfolgen. Ein paar Stundenkilometer<br />
mehr oder weniger können aufgrund des<br />
exponentiellen Zusammenhangs über Tod oder<br />
Leben entscheiden, insbesondere bei relativ tiefen<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong>en.<br />
Die Unfallfahrer sind hauptsächlich männlich und<br />
eher jung. Alkohol und das soziale Umfeld begünstigen<br />
schnelles Fahren. Die Wirksamkeit der Zweiphasenfahrausbildung<br />
muss diesbezüglich noch<br />
evaluiert werden. Sinnvoll wäre ein Alkoholverbot<br />
für Neulenkende.<br />
Für ein wirksames <strong>Geschwindigkeit</strong>smanagement<br />
haben sich Polizeikontrollen als wichtiges Element<br />
erwiesen. Pro Jahr werden rund 2,5 Mio. Fahrer<br />
wegen überhöhter <strong>Geschwindigkeit</strong> gebüsst. Die<br />
allermeisten Kontrollen werden automatisch<br />
durchgeführt. <strong>Der</strong>en Intensivierung vor allem auf<br />
Landstrassen ist notwendig. Zudem sind gut sichtbare<br />
sowie räumlich und zeitlich möglichst zufällig<br />
verteilte bemannte <strong>Geschwindigkeit</strong>skontrollen<br />
sinnvoll. Nur so kann die für eine Verhaltensänderung<br />
sehr wichtige Kontrollerwartung gesteigert<br />
werden. Führerausweisentzüge in Kombination mit<br />
verhaltenstherapeutischen Interventionen haben<br />
sich ebenfalls als wirksam erwiesen.<br />
Zur Entschärfung des <strong>Geschwindigkeit</strong>sproblems<br />
trägt auch die Opt<strong>im</strong>ierung einer adäquaten Infrastruktur<br />
bei, mit der das Strassennetz hierarchisiert<br />
sowie selbsterklärende und fehlertolerante<br />
Strassen realisiert werden sollen. Innerorts sind in<br />
erster Linie die Nutzungsansprüche aller Verkehrsteilnehmer<br />
zu berücksichtigen. Ausserortsstrassen<br />
sind prioritär so zu projektieren, dass sie<br />
zu einem homogenen <strong>Geschwindigkeit</strong>sverlauf<br />
führen. Die Beseitigung von festen Objekten am<br />
Strassenrand und – unter gewissen Bedingungen –<br />
die Montage von Mittelleitschranken können die<br />
Folgen von geschwindigkeitsbedingten Unfällen<br />
reduzieren. Zur Umsetzung dieser Interventionen<br />
sind Fachleute laufend zu sensibilisieren sowie<br />
Road Safety Audits, Road Safety Inspections und<br />
Black Spot Management für obligatorisch zu erklären.<br />
Bezüglich Fahrzeugsicherheit ist der Sicherheitsgurt<br />
nach wie vor die wichtigste Massnahme. Ebenfalls<br />
sehr wirkungsvoll ist die elektronische Stabilitätskontrolle,<br />
die das Schleudern verhindern kann.<br />
Auch künftige Fahrzeugtechnik wie ISA (Intelligent<br />
Speed Adaptation) wird einen Beitrag gegen <strong>Geschwindigkeit</strong>sunfälle<br />
leisten können. Einen Überblick<br />
über Massnahmen mit unterschiedlichem<br />
Nutzen liefert Tabelle 1, S. 17.<br />
108 Schlussfolgerungen bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06
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bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 Quellenverzeichnis 113
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