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Luftwaffenmotive in der Frühphase der Freiwilligenwerbung<br />

der Bundeswehr<br />

Text: Dr. Thorsten Loch<br />

Öffentlich verbreitete Soldatenbilder seien es – so der<br />

langjährige Leiter der Abteilung Forschung am Militärgeschichtlichen<br />

Forschungsamt, Professor Dr. Manfred<br />

Messerschmidt –, die Aufschluss über die „politischen und<br />

gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen“ 1 eines Staatswesens<br />

böten. Die gedankliche Weiterentwicklung dieser<br />

Auffassung geht in die Erkenntnis über, dass es sich bei<br />

den öffentlich verbreiteten Soldatenbildern regelmäßig um<br />

Identität stiftende Konstrukte handelt, die bewusst oder<br />

unbewusst Leitbilder schufen und nicht selten zu Mythen<br />

geronnen. 2 Daher können diese Bilder als am Schnittpunkt<br />

von Militär, Staat und <strong>Gesellschaft</strong> liegend verstanden werden<br />

und es zudem ermöglichen, das Wesen dieser Trinität<br />

so zu erfassen, wie es durch die Analyse von programmatischen<br />

Reden oder Schriften kaum möglich wäre. 3<br />

Die erste deutsche Armee, die ein derartiges Bild – in manipulativer<br />

Absicht – schuf, war die Wehrmacht. Im Zuge<br />

eines politisch initialisierten und durch Reichswehr und<br />

Wehrmacht mitgetragenen Prozesses der Bellifizierung<br />

und Wehrhaftmachung 4 von <strong>Gesellschaft</strong> als auch des Militärs<br />

selbst, entwickelte sich ein äußeres Bild des Soldaten,<br />

das visuell über die Grenzen des Soldatentums hinaus zu<br />

einem entgrenzten Kämpfertum pervertierte. Sein Zweck<br />

war eindeutig politisch motiviert: die <strong>Gesellschaft</strong> und<br />

ihre Soldaten auf die kommenden (totalen) Kriege und<br />

auch auf die rassisch motivierten Grenzüberschreitungen<br />

des Holocaustes vorzubereiten. Die öffentlich verbreiteten<br />

„äußeren“ Soldatenbilder erzeugten „innere“ Bilder eines<br />

Heroen und (rassischen) Kämpfers jenseits des klassisch<br />

Soldatischen, um die Bevölkerung auf die geplanten totalen<br />

Waffengänge geistig einzustimmen.<br />

Dieses Bild des Kämpfers der Wehrmacht, wie ihn Erich<br />

Hoffmann 1941 in einer zinkenen Büste darstellte [Bild<br />

1, Hoffmann, Der Kämpfer], war der Archetypus des nationalsozialistischen<br />

Kämpfers, 5 der sich in Rubriken wie<br />

Führermythos, Volksgemeinschaft, Kampf und rassischer<br />

Thorsten Loch<br />

Kämpfer fassen lässt und das nationalsozialistische Ideal<br />

des Mannes darstellte: einen männlichen Herrscherwillen,<br />

das Heldische und die Leistung des Einzelnen. 6 Es<br />

erlaubte in seiner visualisierten Sinnhaftigkeit Anschluss<br />

an die NS-Ideologie des darwinistischen und rassisch legitimierten<br />

„Kampfes um das Dasein“. Es band sich zwar<br />

durchaus zurück an tradierte militärisch-soldatische Argumente<br />

wie Entschlossenheit, Mut und Vertrauen, übertrat<br />

aber die Grenzen eben jenes Soldatischen, indem es an<br />

den rassischen Kämpfer appellierte und somit den politisch-ideologischen<br />

Wesenskern der NS-Idee visualisierte.<br />

Damit wurde ein Bild des Soldaten in <strong>Gesellschaft</strong> und<br />

Streitkräfte hinein transportiert, das einen zum äußersten<br />

entschlossenen Mann zeigte, der bereit sein musste,<br />

die tradierten Grenzen des soldatischen Tötens zum rassischen<br />

Morden im „Daseinskampf der Völker“ zu überschreiten.<br />

Diese Idee schuf sich das Bild des heroischen<br />

Individuums einer hochmodernen, effektiv und professionellen<br />

Wehrmacht, visuell getragen von begeisterten<br />

jungen Gewaltspezialisten wie Panzerkommandanten,<br />

Stoßtruppführern und Fliegern, 7 die ein „Image von Gewaltbereitschaft“<br />

8 vermittelten.<br />

1. Manfred Messerschmidt, Die Wehrmacht im NS-Staat. Zeit der Indoktrination, Hamburg 1969 (=Truppe und Verwaltung 16), S. 200.<br />

2. Thorsten Loch, Frontkämpfer – rassischer Kämpfer – Nichtkämpfer. Überlegungen zum Bild des deutschen Soldaten im 20. Jahrhundert, in: Militär in Frankreich und Deutschland 1870-2010. Vergleich, Verflechtung und Wahrnehmung<br />

zwischen Konflikt und Kooperation. Im Auftrag des Deutschen Historischen Instituts Paris und des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Potsdam, hrsg. von Jörg Echternkamp und Stefan Martens, Paderborn 2012, S. 91-108, hier S. 95.<br />

3. Diese Einschätzung bei Gerhard Paul, Aufstand der Bilder. Die NS-Propaganda vor 1933, 2. Auflage Bonn 1992, S. 11 f.<br />

4. Vgl. Frank Reichherzer, „Alles ist Front!“ Wehrwissenschaften in Deutschland und die Bellifizierung der <strong>Gesellschaft</strong> vom Ersten Weltkrieg bis in den Kalten Krieg, Paderborn 2011 (=Krieg in der Geschichte, 68). Siehe nun Rüdiger Bergien,<br />

Die bellizistische Republik. Wehrkonsens und „Wehrhaftmachung“ in Deutschland 1918-1933, hrsg. mit Unterstützung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Potsdam, München 2012 (=Ordnungssysteme, 35), der die These vertritt,<br />

es handele sich bei der personellen Geheimrüstung um das Ergebnis einer umfassenden Kooperation zwischen zivilen und militärischen Behörden.<br />

5. Vgl. Erich Hoffmann, Der Kämpfer, verzeichnet in: Große Deutsche Kunstausstellung 1941 im Haus der Deutschen Kunst zu München, München 1941, S. 42. Zum Soldatenbild der NS-Zeit siehe Krieg und Militär im Film des 20. Jahrhunderts.<br />

Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Bernhard Chiari, Matthias Rogg und Wolfgang Schmidt, München 2003 (=Beiträge zur Militärgeschichte, 59) und Gerhard Paul, Bilder des Krieges. Krieg der Bilder.<br />

Die Visualisierung des modernen Krieges, Paderborn, München 2004.<br />

6. Diese zeitgenössische Einschätzung bei Arthur Laumann, Flieger und Nationalsozialismus, in: Deutsche Luftwacht. Zeitschrift für alle Gebiete der Luftfahrt. Ausgabe Luftwelt 1934, Bd. 1, Nr. 20, S. 378.<br />

7. Vgl. Jens Jäger, Photographie. Bilder der Neuzeit. Einführung in die Historische Bildforschung, Tübingen 2000 (=Historische Einführungen, 7), S. 121 sowie Gerhard Paul, Bilder des Krieges. Krieg der Bilder. Die Visualisierung des<br />

modernen Krieges, Paderborn, München 2004, S. 236-241.<br />

8. Howard, Die Erfindung des Friedens. Über den Krieg und die Ordnung in der Welt, Lüneburg 2001, S. 73.<br />

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