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Scientia Halensis 2 (2007) - Martin-Luther-Universität Halle ...

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Schaubild zu den »Anfangsgründen der Aërometrie«,<br />

in: Christian Wolff, Gesammelte Werke, I. Abteilung<br />

− Deutsche Schriften, Band 13: Anfangsgründe aller<br />

mathematischen Wissenschaften, zwischen den Seiten<br />

906 und 907, Georg Olms Verlag Hildesheim New<br />

York 1999<br />

»Mit einem Worte, der größte Teil der irdischen<br />

Glückseligkeit ist auf der Mathematik<br />

erbauet.«<br />

Methodische Grundlage ist die »geometrische<br />

Methode«, von der Wolff in seiner<br />

ersten Vorlesung ausführlich handelte. Der<br />

»Kurtze Unterricht, von der Mathematischen<br />

Methode, oder Lehrart« der »Anfangsgründe«<br />

orientiert über die verschiedenen Arten<br />

von Definitionen und Begriffen und klärt die<br />

Bedeutung und die Funktion von Axiomen,<br />

Postulaten und Beweisen. Die »Arithmetik«<br />

führt sodann in die Grundrechenarten ein und<br />

gelangt über die Lehre von arithmetischen<br />

und geometrischen Proportionen bis zum<br />

Rechnen mit Quadrat- und Kubikwurzeln.<br />

»LUST ZUR GEOMETRIE«<br />

»Ich wünsche allen, die dies lesen werden«,<br />

so schreibt Wolff in seiner Einführung in die<br />

Geometrie, »Lust zur Geometrie«. Die Lust<br />

zur Geometrie resultiert aus der Eleganz der<br />

Beweise und dem Reichtum ihrer Anwen-<br />

Zur weiteren Lektüre empfohlen:<br />

• Christian Wolff: Anfangsgründe aller mathematischen<br />

Wissenschaften, <strong>Halle</strong> 1710. Nachdruck der 7. Auflage<br />

1770–1757, Hildesheim 1999<br />

• Christan Wolff: Biographie, Hildesheim 1980<br />

dung. Davon hat Wolff in seinen frühen Vorlesungen<br />

und den »Anfangsgründen« zahlreiche<br />

Beispiele gegeben. Seine Einführung<br />

in die Geometrie umfasst die klassischen<br />

Theorien der ebenen Flächen sowie der regelmäßigen<br />

und unregelmäßigen geometrischen<br />

Körper.<br />

An sie schließt die »Trigonometrie« an.<br />

Der Ruhm, der dieser Wissenschaft für den<br />

Siegeszug der neuzeitlichen Naturwissenschaften,<br />

insbesondere der Astronomie und<br />

Geographie, zukommt, ist in der Sicht Wolffs<br />

nicht hoch genug zu schätzen: »Wir wüßten<br />

nichts von der Größe der Sterne, ihrer Entfernung<br />

von der Erde, ihrer Bewegung, denen<br />

Sonn- und Mondfinsternissen, der Größe<br />

der Erdkugel und andern unzehligen Dinger<br />

mehr, wenn wir nicht diese Wissenschaft<br />

hätten.« Hier entwickelt Wolff die Lehre der<br />

Winkelfunktionen von Sinus, Cosinus, Tangens<br />

und Cotangens und gibt einige Proben<br />

von ihrer Anwendung bei der Bestimmung<br />

der Lage, Höhe oder Entfernung von geometrischen<br />

Orten bzw. Körpern im Raum. Im<br />

Anschluss an die Lehre von der arithmetischen<br />

und geometrischen Proportion führt er<br />

in das Rechnen mit Logarithmen ein. Wolffs<br />

Verdienst für die mathematische Bildung seiner<br />

Zeit ist es, Begriffe wie Winkel, Oberfläche,<br />

Zylinder und Gleichung eingeführt und<br />

dauerhaft etabliert zu haben. Erst mit Wolffs<br />

Lehrbüchern konnte in den Schulen und<br />

<strong>Universität</strong>en ein systematisch aufgebauter<br />

Mathematikunterricht Fuß fassen.<br />

Die profane wie sakrale Baukunst – utraque<br />

Architectura – waren das Thema von Wolffs<br />

Vorlesung im Wintersemester 1709/10. Er<br />

breitete vor seinen Hörern ein reichhaltiges<br />

Material aus, das – more geometrico demonstrata<br />

– die theoretischen und praktischen<br />

Prinzipien der Baukunst entwickelt und von<br />

der Anleitung zur Herstellung von Baumaterialien<br />

über die Konstruktion der Teile eines<br />

Gebäudes bis zum Bau von Wendeltreppen<br />

und der nützlichen Ausstattung von Zimmern<br />

reicht – nicht zuletzt, wie Wolff betont, um<br />

»viele Fehler«, die »an wichtigen Gebäuden<br />

begangen worden, und noch begangen werden«,<br />

zu vermeiden.<br />

Die Lehrsätze der Geometrie und Trigonomtrie<br />

fanden in derselben Vorlesung in der<br />

»Fortifikation«, der »Kriegs-Bau-Kunst«,<br />

bei der Konstruktion von Festungsanlagen<br />

Anwendung, die freilich die Artillerie, die<br />

»Wissenschaft des Geschützes, welches man<br />

in Belagerung der Festungen zu gebrauchen<br />

pflegt«, voraussetzt.<br />

Nicht ohne Stolz verwies Wolff in seinen<br />

»Anfangsgründen« darauf, dass er der Erfinder<br />

einer neuen mathematischen Disziplin,<br />

der »Aërometrie«, der »Wissenschaft, die<br />

Luft zu messen«, sei. Darüber las Wolff zum<br />

ersten Mal im Wintersemester 1707/08. Diese<br />

neue Wissenschaft hat Wolff in seinen »Aërometriae<br />

elementa« von 1709 systematisch<br />

ausgearbeitet. Damit verbindet sich ein wei-<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/07<br />

teres Novum. Wolff war einer der ersten, der<br />

in seinen Vorlesungen physikalische Experimente<br />

durchführte. In der Aërometrie-Vorlesung<br />

waren es vor allem Experimente mit der<br />

Luftpumpe, zu der die »Anfangsgründe«sogar<br />

eine Bauanleitung geben. Darüber hinaus hat<br />

Wolff das Mikroskop in seinen Vorlesungen<br />

als erster und für lange Zeit als einziger in<br />

Deutschland verwendet.<br />

Es war Zar Peter I., der Christian Wolff vor<br />

allem wegen seiner hervorragenden naturwissenschaftlichen<br />

Kenntnisse an den Hof<br />

zu St. Petersburg holen wollte, »damit er<br />

jemanden um sich hätte, den er in mathematicis<br />

und physicis gleich fragen könnte, wenn<br />

ihm etwas vorkäme ...« (Biographie, Seiten<br />

149/150). Wolff, der sich als Philosoph verstand,<br />

lehnte »geziemend« ab.<br />

■<br />

»Christian Freyherr von Wolff« (1679−1754),<br />

unbekannter Maler, 1. Drittel des 18. Jahrhunderts,<br />

Öl auf Leinwand, 25 x 18 cm<br />

Das kleinformatige Gemälde mit originalem Goldrahmen<br />

ist in der Forschung unbekannt.<br />

(Zentrale Kustodie, Inv.-Nr.: MLU-M 321)<br />

Prof. Dr. Jürgen Stolzenberg,<br />

Jahrgang 1948, studierte 1967–1979<br />

Germanistik und Philosophie an den<br />

<strong>Universität</strong>en Köln und Heidelberg, war<br />

1974–1978 Stipendiat der Studienstiftung<br />

des deutschen Volkes, 1978–1990<br />

wiss. Assistent an der PH Münster,<br />

Abteilung Westfalen-Lippe (Promotion<br />

1982) und an der <strong>Universität</strong> Göttingen,<br />

nach Habilitation 1993 und Lehrtätigkeit<br />

in Prag und Tübingen ist er seit 1998<br />

Philosophieprofessor an der MLU, seit 2000 Direktoriumsmitglied des<br />

IZEA, seit 2003 Präsident der Internationalen Johann Gottlieb Fichte-<br />

Gesellschaft e. V., seit 2004 Mitglied des Vorstandes der Kant-Gesellschaft<br />

e.V. sowie Gutachter für die DFG, den DAAD und die Alexander<br />

von Humboldt-Stiftung.<br />

Telefon: 0345 55-24390, E-Mail: juergen.stolzenberg@phil.uni-halle.de<br />

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