Scientia Halensis 2 (2007) - Martin-Luther-Universität Halle ...
Scientia Halensis 2 (2007) - Martin-Luther-Universität Halle ...
Scientia Halensis 2 (2007) - Martin-Luther-Universität Halle ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
28<br />
» S T URM-KULTUR«<br />
SCIENTIA HALENSIS 2/07<br />
Die neue (alte) »sTurmkultur«<br />
Zurück zu den Wurzeln der Studentenklubs<br />
P AOLO SCHUBERT<br />
Jahrzehntelang galt der hallesche »Turm« (der Moritzburg) als Mittelpunkt studentischen Lebens.<br />
Bis 1989 sorgte ein reichhaltiges Veranstaltungsangebot für die Befriedigung kultureller<br />
Bedürfnisse – eine Entwicklung, die sich nicht fortsetzte. Zwischen Insolvenzen und Betreiberwechseln<br />
traten im traditionsreichsten Studentenclub der Stadt zunehmend kommerzielle Ziele<br />
in den Vordergrund. Mainstream hieß plötzlich das Zauberwort: Flyer und Imagekampagnen<br />
proklamierten harte Beats statt geistigen Anspruch. Und so manch einer fragte sich: Ist studentische<br />
Kultur noch zeitgemäß? Dass nicht alle Studierenden damit einverstanden sind, zeigt das<br />
Engagement der studentischen Turmkultur. Ihre Mitglieder bemühen sich seit nun einem Jahr,<br />
mit Förderprogrammen und innovativen Ideen an alte Traditionen anzuknüpfen – mit Erfolg!<br />
Singeklub in den 80er Jahren; Foto unten: Barpersonal zur Eröffnung des »Turms« (Fotos [3]: Turm <strong>Halle</strong>)<br />
Den Initiatoren des sTurmkultur-Vereins ist<br />
vor allem eines wichtig: Studierende sollen<br />
wieder an der Programmgestaltung des Turms<br />
mitwirken können. »Der einst beliebte Studentenklub<br />
ist zu einer normalen Partylocation<br />
verkommen. Deshalb möchten wir abseits<br />
von Studentenpartys kulturell anspruchsvolle<br />
Angebote neu aufl eben lassen. Von einem<br />
facettenreichen Programm profi tieren dann<br />
nicht nur die Besucher, sondern auch die Betreiber.<br />
Es würde vor allem neues Publikum<br />
anlocken; potenzielle Stammgäste, die den<br />
Turm als Hort der halleschen Studentenszene<br />
wieder schätzen lernen«, erklärt Jan Wioland,<br />
einer der Gründer des Projekts.<br />
Die letzten Jahre scheinen Wioland Recht zu<br />
geben. Seit 2000 wurden fast ausschließlich<br />
kommerzielle Club-Veranstaltungen aus dem<br />
Dance- und Black Music-Spektrum angeboten.<br />
Die Betreiber orientierten sich zunehmend<br />
an den Bedürfnissen des typischen Partyvolks<br />
– die Turm-Tradition, die bis in die siebziger<br />
Jahre reicht, blieb auf der Strecke; die Besucherzahlen<br />
gingen stetig zurück.<br />
F ACETTENREICHES STUDENTENENGAGEMENT<br />
Anfang 2006 pachtete die Turm Event GmbH<br />
den Gebäudekomplex; mit Ulf Böttcher fand<br />
sie einen Geschäftsführer, der als Klubleiter<br />
auf eine lange »Turm-Karriere« zurückblicken<br />
kann. Die Gruppe um Wioland, die sich im<br />
letzten Jahr zur gleichen Zeit gründete, wollte<br />
den neuen Eigentümer erst einmal Fuß fassen<br />
lassen. »Wir hatten bis zu diesem Zeitpunkt<br />
ständig neue Ansprechpartner und mussten<br />
uns bei jeder Anfrage auf neue Ansichten<br />
und Vorhaben einstellen. Wir haben auf Zeit<br />
gespielt. Denn natürlich geht es auch immer<br />
um Wirtschaftlichkeit – das Geschäft muss<br />
ja erst einmal anlaufen, bevor man mit neuen<br />
Programmen experimentieren kann«, erinnert<br />
sich Wioland.<br />
Umso erstaunter sei man gewesen, als sich<br />
Böttcher und einige andere von Turm Event<br />
bereits nach wenigen Monaten bei Studierendenvertretern<br />
der MLU vorstellten und ihr<br />
Konzept zum Aufbau einer neuen Plattform<br />
für studentisches Leben präsentierten. »Die<br />
Beteiligten merkten schnell, dass sie gemeinsame<br />
Ziele verfolgen, und die Gespräche<br />
Zum 25-jährigen Jubiläum erschien die Publikation<br />
»25 Jahre Studentenklub ›Turm‹ <strong>Halle</strong>/Saale<br />
1973–1989«. Darin gibt Kurt Fricke einen Überblick<br />
über Geschehnisse des Studentenklubs von der<br />
Gründungszeit bis hin zu den Wendejahren. Das<br />
Heft kann in der ULB unter der Signatur 96 B 1324,<br />
Kapsel (33) eingesehen werden.<br />
mündeten letztendlich in eine gemeinsame<br />
Vereinbarung.« Konkret: Günstige Mietvereinbarungen,<br />
außerfi nanzielle Unterstützung<br />
bei der Organisation von Partys und anderen<br />
Veranstaltungen, Werbung, Berücksichtigungen<br />
von Terminen bei der Programmplanung<br />
des Turms und im Programmheft.<br />
Die Vereinsmitglieder nutzten die Chance und<br />
initiierten binnen weniger Monate, auch in<br />
Kooperation mit anderen studentischen Gruppen<br />
und Veranstaltern, die ersten Projekte.<br />
Dass es nicht immer Großveranstaltungen sein<br />
müssen, zeigt das Beispiel des Sommerfestes<br />
der Germanisten im Juli 2006. »Die Studierenden<br />
wollten im Rahmen ihres Studiums<br />
ein Sprechtheater organisieren. Da ihr Institut<br />
über keine geeigneten Räumlichkeiten verfügte,<br />
haben wir das Vorhaben zusammen mit<br />
dem noch ausstehenden Sommerfest des Instituts<br />
in den Turm verlegt.« sTurmkultur habe<br />
sich um einen günstigen Mietpreis bemüht<br />
und auch bei Materialen ausgeholfen.