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Scientia Halensis 2 (2007) - Martin-Luther-Universität Halle ...

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Wappen der Freimaurerloge »Zu den drei goldenen Schlüsseln«, <strong>Halle</strong> 1743–1749<br />

an größeren und kleineren Orten ging eine<br />

stetig wachsende Zahl von Mitgliedern einher<br />

– im Laufe des 18. Jahrhunderts waren einige<br />

tausend Männer Mitglied einer oder mehrerer<br />

solcher diskreter Gesellschaften.<br />

L OGENLEBEN AN DER SAALE<br />

Die erste in <strong>Halle</strong> gegründete Loge mit dem<br />

Namen »Zu den drei goldenen Schlüsseln«<br />

entstand Ende 1743 als Zusammenschluss<br />

von Studenten, hauptsächlich der Rechte, die<br />

bereits vorher in anderen Logen, also nicht<br />

in <strong>Halle</strong>, in die Gesellschaft aufgenommen<br />

worden waren. Zunächst wurde die obligatorische<br />

Genehmigung der Logengründung bei<br />

der Großloge »Zu den drei Weltkugeln« in<br />

Berlin eingeholt, und da die Berliner Loge ein<br />

vergleichbares Patent der Londoner Großloge<br />

besaß, reihte sich die hallesche Loge in diese<br />

Tradition ein. Bis 1749 versammelten sich<br />

in <strong>Halle</strong> Studenten und Professoren, darunter<br />

der angesehene Jurist Daniel Nettelbladt, in<br />

der Loge »Zu den drei goldenen Schlüsseln«<br />

und ›arbeiteten‹ in den drei ersten Graden der<br />

Freimaurerei. Von besonderen Anlässen sind<br />

Logenreden erhalten, die – ohne Nennung des<br />

Autors – gedruckt in den Buchhandel kamen.<br />

Sie berühren Gegenstände, die einer breiten<br />

Leserschaft zugänglich gemacht werden konnten,<br />

etwa Apologien auf den staatstragenden<br />

Charakter der Freimaurerei, ohne jedoch etwas<br />

über die Inhalte der Logenarbeit oder die<br />

Namen der Mitglieder preiszugeben.<br />

Im Jahre 1756 wurde unter dem Namen<br />

»Philadelphia«eine neue Loge gegründet,<br />

deren Mitglieder keine Verbindung zur ersten<br />

Loge hatten. Auch diesmal waren es vor allem<br />

Studenten, die wieder eine Erlaubnis der<br />

Berliner Großloge einholten, aber wie zuvor<br />

wurden im Laufe der Jahre auch Professoren<br />

Logenmitglieder. Von 1759 bis etwa 1764 war<br />

der in der Freimaurergeschichte notorische<br />

Anhalt-Köthensche Superintendent Philipp<br />

Samuel Rosa Vorsitzender der Loge Philadelphia.<br />

Er gründete eine besondere Loge, ein<br />

»Clermontsches Kapitel«, die erste Hochgradloge<br />

in <strong>Halle</strong>, in der ausgewählte ›Brüder‹ die<br />

Geheimnisse der paracelsistischen Prinzipien<br />

Sal, Sulphur und Mercurius ergründeten. Rosa<br />

wurde aus der halleschen Loge schließlich<br />

wegen seiner enormen Spesenrechnungen<br />

ausgeschlossen, die Loge schloss sich einem<br />

anderen System an und wurde daraufhin von<br />

der Berliner Großloge für aufgehoben erklärt.<br />

P ROFESSORALE LOGENBRÜDER<br />

Eine Neugründung unter dem Namen »Zu den<br />

drei Degen« war zunächst wenig erfolgreich:<br />

Ihre Versammlungen ruhten über ein Jahrzehnt,<br />

und erst 1778 nahm sie ihre Tätigkeit<br />

wieder auf. Diese Loge war dann bis weit<br />

ins 19. Jahrhundert hinein aktiv und zählte<br />

SCIENTIA HALENSIS 2/07<br />

eine Vielzahl von Studenten und Professoren<br />

zu ihren Mitgliedern; unter den Professoren<br />

waren die Mediziner Johann Friedrich Goldhagen<br />

und Johann Christian Reil, die Juristen<br />

Johann Christian Woltär und noch einmal<br />

Daniel Nettelbladt sowie der Weltreisende und<br />

Naturforscher Johann Reinhold Forster. Der<br />

in den 1780er Jahren in <strong>Halle</strong> lesende Theologe<br />

Carl Friedrich Bahrdt, der wegen seiner<br />

›radikalen‹ Anschauungen vielfach mit der<br />

<strong>Universität</strong> und dem Landesherrn in Konfl ikt<br />

geriet, war kein Logenmitglied, trat aber durch<br />

die Gründung einer eigenen Gesellschaft, der<br />

»Deutschen Union«, mit der Freimaurerloge in<br />

Konkurrenz – ein Beispiel, wie sich universitäre<br />

und freimaurerische Interessen überlagern<br />

konnten, ohne dass die eine Ebene inhaltlich<br />

mit der anderen in Zusammenhang stehen<br />

musste.<br />

D IE LOGE ALS FORUM<br />

Wenngleich es an der <strong>Universität</strong> <strong>Halle</strong> im<br />

18. Jahrhundert wohl keine unmittelbar den<br />

Freimaurerlogen zuzurechnenden wissenschaftlichen<br />

oder politischen Entwicklungen<br />

gab, waren sie doch in hohem Maße Versammlungen<br />

gebildeter Eliten: Rund zwei<br />

Drittel ihrer Mitglieder waren Studenten oder<br />

Professoren, nur ein Drittel gingen nichtakademischen<br />

Berufen nach. In absoluten Zahlen<br />

waren es in der Loge »Zu den drei goldenen<br />

Schlüsseln« mehr als 60, in der Loge »Philadelphia«<br />

über 90 und in der Loge »Zu den drei<br />

Degen«gar etwa 150 Mitglieder, die in der<br />

einen oder anderen Weise mit der <strong>Universität</strong><br />

verbunden waren. Die Studenten bildeten<br />

dabei stets die größte Gruppe der Logenmitglieder,<br />

und sie hatten hier ein Forum, in<br />

dem sie ihren Kommilitonen und Lehrern als<br />

›Brüder‹ begegnen und sich mit ihnen abseits<br />

obrigkeitlicher Aufsicht austauschen konnten<br />

– neben dem offi ziellen Vorlesungsbetrieb<br />

spielte sich ein Teil des akademischen und studentischen<br />

Lebens in <strong>Halle</strong> im 18. Jahrhundert<br />

im diskreten Raum der Freimaurerlogen ab.<br />

■<br />

Dr. Renko Geffarth,<br />

Jahrgang 1974, studierte Geschichte und<br />

Chemie in Marburg, Leipzig und <strong>Halle</strong> und<br />

wurde 2004 in <strong>Halle</strong> promoviert mit einer<br />

religions- und sozialhistorischen Arbeit<br />

über den Geheimorden der Gold- und<br />

Rosenkreuzer. Er arbeitet derzeit am Interdisziplinären<br />

Zentrum für die Erforschung<br />

der Europäischen Aufklärung im Rahmen<br />

der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

geförderten Forschergruppe 529 zu<br />

»<strong>Halle</strong> als religionsgeschichtlichem Ort 1740–1800«.<br />

Telefon 0345 55-21785, E-Mail: renko.geffarth@izea.uni-halle.de<br />

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U NIVERSITÄTSGESCHICHTE

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