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Die Rezeption der „Winterreise“ von Franz Schubert in der Moderne ...

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MAGISTERARBEIT –ZENDERS WINTERREISE– JANINE CHRISTGEN<br />

- JANINE CHRISTGEN<br />

„Immer ist <strong>der</strong> größere Anteil e<strong>in</strong>er jeden Überlieferung durch den ungeschriebenen Kontext <strong>der</strong><br />

Gewohnheiten <strong>der</strong> Entstehungszeit gegeben, und die Zeichen e<strong>in</strong>es Textes verän<strong>der</strong>n sich mit diesen.<br />

<strong>Die</strong> musikalische Syntax, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Rahmen Zeichen gebraucht werden, wandelt sich. So ist es<br />

unvermeidlich, dass auch <strong>der</strong>en graphische Symbole e<strong>in</strong>em Bedeutungswandel unterliegen.“ 97<br />

Daher ist „<strong>Rezeption</strong> <strong>von</strong> Texten immer Deutung aus e<strong>in</strong>er bestimmten geschichtlichen<br />

Situation heraus.“ 98 Aus diesen Überlegungen schließt Zen<strong>der</strong>, dass musikalische Notation<br />

Aktionsanweisung für den Interpreten und Quelle für das Verstehen <strong>von</strong> Musik sei. 99 Das<br />

Zeichen bedarf folglich <strong>der</strong> Auslegung, <strong>der</strong> „lecture“, da das „Beste <strong>der</strong> Musik,“ 100 um noch<br />

e<strong>in</strong>mal Mahlers Begrifflichkeit aufzugreifen, eben nicht im Notentext steht. <strong>Die</strong>ser Vorgang<br />

ist notwendig, da im „Moment des Erkl<strong>in</strong>gens [...] die gefrorene Form <strong>der</strong> Schrift wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

den lebendigen Fluss <strong>der</strong> Zeit versetzt wird.“ 101 Zen<strong>der</strong> verlangt vom Interpreten die Lösung<br />

jener Knoten, die <strong>der</strong> Komponist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Komposition h<strong>in</strong>terlassen hat. Hierzu ist es jedoch<br />

unumgänglich, auch die „musikalische Topik“ 102 zu beachten, die zeitliche Bed<strong>in</strong>gtheit des<br />

Werks. Daraus folgt, dass <strong>der</strong> Versuch, Musik <strong>in</strong> <strong>der</strong> schriftlichen Fixierung gänzlich zu<br />

determ<strong>in</strong>ieren, scheitern muss. Zum e<strong>in</strong>en, da ke<strong>in</strong>e Chiffrierung e<strong>in</strong>deutig zu dechiffrieren<br />

wäre, zum an<strong>der</strong>en, da Musik verständlich bleiben muss. Ihr Charakter muss den Menschen<br />

und ihren Hörgewohnheiten angepasst werden, die divergenten Welten <strong>von</strong> Entstehung und<br />

<strong>Rezeption</strong> zum Ausgleich gebracht werden. Carl Dahlhaus spricht <strong>in</strong> dieser Beziehung <strong>von</strong><br />

„objektivierbarem Datum und zu rekonstruierendem historischen Faktum“ 103 . Danuser<br />

schließt aus dieser Aufsplittung <strong>von</strong> Dahlhaus, „dass es e<strong>in</strong>e Musikgeschichtsschreibung ohne<br />

>Interpretation< seitens des Historiographen nicht geben kann, so ist auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />

Aufführungspraxis die Hoffnung auf Objektivität verflogen und hat <strong>der</strong> E<strong>in</strong>sicht Platz<br />

gemacht, dass auch – ja gerade – die praktische Rekonstruktionsversuche Alter Musik ohne<br />

Hypothesen, Deutungen, also Interpretation undenkbar s<strong>in</strong>d.“ 104<br />

C Interpretation <strong>von</strong> Zeichensystemen<br />

Interpretation ersche<strong>in</strong>t also als e<strong>in</strong>zig gangbarer Weg zur adäquaten Werkrekonstruktion.<br />

Daher ist es entscheidend zu klären, was im Allgeme<strong>in</strong>en und im Beson<strong>der</strong>en <strong>von</strong> Zen<strong>der</strong><br />

unter Interpretation verstanden wird und was das Vorgehen bei <strong>der</strong> Interpretation bed<strong>in</strong>gt.<br />

97 Zen<strong>der</strong>, Hans: Interpretation – Schrift – Komposition, S. 212.<br />

98 Zen<strong>der</strong>, Hans: Interpretation – Schrift – Komposition, S. 212.<br />

99 Zen<strong>der</strong>, Hans: Interpretation – Schrift – Komposition, S. 212.<br />

100 Zitiert nach: Mauser, Siegfried: Theorien zur Interpretation Neuer Musik, S. 21.<br />

101 Zen<strong>der</strong>, Hans: Interpretation – Schrift – Komposition, S. 212.<br />

102 Zen<strong>der</strong>, Hans: Interpretation – Schrift – Komposition, S. 212.<br />

103 Zitiert nach: Danuser, Hermann: Interpretation, Sp. 1053.<br />

104 Danuser, Hermann: Interpretation, Sp. 1053.<br />

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