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Die Rezeption der „Winterreise“ von Franz Schubert in der Moderne ...

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MAGISTERARBEIT –ZENDERS WINTERREISE– JANINE CHRISTGEN<br />

E<strong>in</strong>e weitere Variante <strong>der</strong> Darstellung des Dur-Moll-Kontrastes lässt sich exemplarisch an<br />

- JANINE CHRISTGEN<br />

Lied 21 (Das Wirtshaus) aufzeigen. Hier leitet Zen<strong>der</strong> die Desillusionierung des M<strong>in</strong>oreteils<br />

durch e<strong>in</strong>en Trommelwirbel e<strong>in</strong> (T. 22). Er nutzt also die Signalwirkung <strong>der</strong> Trommeln um<br />

den E<strong>in</strong>bruch <strong>der</strong> Realität zu verdeutlichen.<br />

Es kann festgehalten werden, dass Zen<strong>der</strong>s Umsetzung des <strong>Schubert</strong>schen Spezifikums <strong>der</strong><br />

Dur-Moll-Konfrontationen auf e<strong>in</strong>em genauen Studium <strong>der</strong> Vorlage beruht und er durch die<br />

Verwendung diverser Interpretationstechniken versucht, diese für das Publikum unmittelbar<br />

erfahrbar werden zu lassen.<br />

C Onomatopoesie und Stimuli – Textausdeutung durch Malerei<br />

Wie bereits ausgeführt, prägen e<strong>in</strong>e Reihe <strong>von</strong> Antagonismen das Bild <strong>der</strong> W<strong>in</strong>terreise. Zu<br />

diesen zählt auch <strong>der</strong> Antagonismus <strong>von</strong> Ich und Natur. Jedoch stehen sich beide nicht nur<br />

divergent gegenüber, denn gleichzeitig ersche<strong>in</strong>t die Natur als visuelles Abbild <strong>der</strong><br />

Gefühlswelt des Ichs. In Müllers Gedichten treten daher viele Naturelemente auf, die<br />

konstitutiv für den Topos des Locus Desertus s<strong>in</strong>d. In <strong>Schubert</strong>s Vertonung werden sie häufig<br />

onomatopoetisch dargestellt, so dass ihre Aussagekraft dem Hörer unmittelbar entgegentreten<br />

kann. Zu diesen „Naturbil<strong>der</strong>n“ zählen zum e<strong>in</strong>en jene, die e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> darstellende Funktion<br />

erfüllen und auf die Gefühlswelt des Ichs verweisen (W<strong>in</strong>d, Eis, Schnee, Tränen, Irrlichter,<br />

etc.) zum an<strong>der</strong>en jene, welche Ludwig Stoffels 213 als Stimuli bezeichnet (Hundegebell,<br />

Posthornsignal, Krähen <strong>der</strong> Hähne, Krächzen <strong>der</strong> Raben, etc.). <strong>Die</strong> Stimuli führen zu e<strong>in</strong>er<br />

Verschmelzung <strong>von</strong> „objektiver Anschauung und subjektiver Reflexion. [...] (Sie)<br />

überspr<strong>in</strong>gen gleichsam das Stadium bloßer Gegenständlichkeit und treffen unmittelbar das<br />

Ich-Zentrum als bedrohliches und verlockendes Signal.“ 214<br />

Gleichzeitig ist <strong>der</strong> Gehalt dieser Naturbil<strong>der</strong> nicht festschreibbar. In ihrem allegorischen<br />

Charakter 215 liegt ihr Potenzial zur überzeitlichen Offenheit. Elmar Budde sieht <strong>Schubert</strong>s<br />

Naturzeichnungen im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Landschaftsgestaltung Caspar David<br />

Friedrichs. Naturphänomene können hier wie dort zwar visuell bzw. akustisch<br />

wahrgenommen werden, jedoch kann diese Wahrnehmung nicht zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>deutigen<br />

Interpretation führen. <strong>Die</strong> verwendeten Chiffren s<strong>in</strong>d „offen für Assoziationen und<br />

213 Vgl. Stoffels, Ludwig: <strong>Die</strong> W<strong>in</strong>terreise, S. 206f.<br />

214 Stoffels, Ludwig: <strong>Die</strong> W<strong>in</strong>terreise, S. 206.<br />

215 Vgl. Budde, Elmar: Modulationsmanie und Perspektivenwechsel, S. 124-125.<br />

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