MAGISTERARBEIT –ZENDERS WINTERREISE– JANINE CHRISTGEN - JANINE CHRISTGEN e<strong>in</strong>es zeitgenössischen Hörens nach Gutdünken anzupassen.“ 109 Ziel ist es, die Autor<strong>in</strong>tention „auch unter verän<strong>der</strong>ten Umständen e<strong>in</strong>zulösen und die Werke e<strong>in</strong>er neuen Gegenwart zuzuführen.“ 110 In <strong>der</strong> neuesten Zeit zeichnet sich diese Interpretationsform durch die ihr zugrundeliegende Idee, „problemgeschichtliche Beziehungen zwischen musikalischen Denkformen <strong>der</strong> Gegenwart und Pr<strong>in</strong>zipien älterer Musik aufzuspüren aus.“ 111 Ziel ist es, Werke so darzustellen, dass „Züge, die ihnen ursprünglich allenfalls verborgen <strong>in</strong>newohnten, zu lebendiger ästhetischer Gegenwart erhoben werden.“ 112 b Musikalische Interpretations- und Übersetzungsarbeit Aus dem zuletzt Zitierten lässt sich schließen, „dass jede Interpretation nur e<strong>in</strong>e <strong>von</strong> mehreren Möglichkeiten darstellt.“ 113 An dieser Stelle ist es möglich, Zen<strong>der</strong>s Auffassung <strong>von</strong> Interpretation anzub<strong>in</strong>den und se<strong>in</strong> Verständnis <strong>von</strong> musikalischer Übersetzungsarbeit zu <strong>in</strong>tegrieren. Zen<strong>der</strong> def<strong>in</strong>iert Interpretation wie folgt: „Es ist Neudeutung, Neugeburt aus <strong>der</strong> eigenen Individualität, Umschaffung alter Gestalt durch die Versetzung <strong>in</strong> neuen Kontext.“ 114 Zwischen Werk und Interpretation sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> dialektisches Verhältnis zu existieren. Das Werk ist nur verklanglicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er gänzlichen Wahrheit erfahrbar. Zur akustischen Umsetzung aber ist e<strong>in</strong>e Interpretation <strong>der</strong> musikalischen Zeichen notwendig, welche es vermag, die Zeitlichkeit des Werks „<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e aktuelle, ästhetisch erfahrbare Zeitlichkeit zu übersetzen.“ 115 Es muss also e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung zwischen Vergangenheit und Gegenwart gezogen werden. „Je<strong>der</strong> künstlerische Prozess, <strong>der</strong> des Interpretierens wie <strong>der</strong> <strong>der</strong> Neuschöpfung, ist immer auch die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung e<strong>in</strong>es aktuellen Bewusstse<strong>in</strong>s mit e<strong>in</strong>em vorgegebenen, <strong>von</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit empfangenen Material. [...] <strong>Die</strong> Geschichte spielt immer mit.“ 116 Sche<strong>in</strong>bar veraltete Kulturformen bedürfen <strong>der</strong> Neudeutung, um wie<strong>der</strong> zugänglich zu werden. Zen<strong>der</strong> begreift gerade die Kraft des „Sich-Er<strong>in</strong>nerns“, des Zurückwendens als „Wie<strong>der</strong>-holen“ <strong>von</strong> Vergangenem als e<strong>in</strong>e Möglichkeit <strong>der</strong> Gegenwarts- und Zukunftsbewältigung. Höl<strong>der</strong>l<strong>in</strong> schreibt <strong>in</strong> dem im Jahr 2000 <strong>von</strong> Zen<strong>der</strong> vertonten 109 Danuser, Hermann: Interpretation, Sp. 1059. 110 Danuser, Hermann: Interpretation, Sp. 1059. 111 Danuser, Hermann: Interpretation, Sp. 1059. 112 Danuser, Hermann: Interpretation, Sp. 1059. 113 Danuser, Hermann: Interpretation, Sp. 1055. 114 Zen<strong>der</strong>, Hans: Interpretation- Schrift- Komposition, S. 216. 115 Danuser, Hermann: Interpretation, Sp. 1065. 116 Zen<strong>der</strong>, Hans: E<strong>in</strong> Vierteljahrhun<strong>der</strong>t später, S. 6. 30
MAGISTERARBEIT –ZENDERS WINTERREISE– JANINE CHRISTGEN - JANINE CHRISTGEN Gedicht Mnemosyne: „Zeichen s<strong>in</strong>d wir, deutungslos,/Schmerzlos s<strong>in</strong>d wir und haben fast/ <strong>Die</strong> Sprache <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fremde verloren.“ 117 Mnemosyne, die Mutter <strong>der</strong> Musen, „ist im gleichen Moment <strong>in</strong> die Zukunft eilen<strong>der</strong> utopischer Entwurf und Er<strong>in</strong>nerung an das Uralte.“ 118 Gadamer spricht <strong>in</strong> diesem Zusammenhang <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er >HorizontverschmelzungHorizontverschmelzung