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Die Rezeption der „Winterreise“ von Franz Schubert in der Moderne ...

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MAGISTERARBEIT –ZENDERS WINTERREISE– JANINE CHRISTGEN<br />

- JANINE CHRISTGEN<br />

Zen<strong>der</strong>sche Bearbeitungstechnik (Vgl. Liszt „Der L<strong>in</strong>denbaum“ T. 25f. dolente marcato; T.<br />

37f. dolciss. armonioso; T. 46f. molto agitato; T.61f. dolce – Anhang X).<br />

E<strong>in</strong>samkeit<br />

Begleitet durch den fe<strong>in</strong>en Klang des bie<strong>der</strong>meierlichen Streichqu<strong>in</strong>tett könnte dieses Lied<br />

dem resignativen Text e<strong>in</strong> Pendant bieten, doch wird diese Wirkung durch den E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong><br />

Holzbalkenschläge verkehrt. Sie s<strong>in</strong>d „S<strong>in</strong>nbild roher physischer Gewalt“ 248 , entfalten den<br />

Bruch <strong>von</strong> Subjekt und Welt <strong>in</strong> ganzer Härte. H<strong>in</strong>zu kommt die rhythmische Verschiebung<br />

<strong>der</strong> Nonole <strong>der</strong> Holzbalken gegen die „geraden“ Achtel <strong>der</strong> Streicher, so dass die Schläge den<br />

Streichern vorauszueilen sche<strong>in</strong>en. Schließlich übernehmen die Holzbalken das Tempo <strong>der</strong><br />

Streicher, doch zur gleichen Zeit for<strong>der</strong>t Zen<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Verlangsamung des Gesamttempos, so<br />

dass erneut e<strong>in</strong>e rhythmische Verschiebung entsteht, die den Zuhörer e<strong>in</strong>e gewisse Zähheit,<br />

e<strong>in</strong> Verschleppen im Streichersatz erfahren lässt. Der Proportionalitätsfaktor zwischen den<br />

drängenden Holzbalken und den schleppenden Streichern liegt zwischen 1,125 und 1,096<br />

(Vgl. Anhang XI). 249 Auf diese Weise verlangsamt sich das bereits ger<strong>in</strong>ge Ausgangstempo<br />

so weit, dass die Zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Zwischenaktmusik“ fast stillzustehen sche<strong>in</strong>t. Ähnlich wie<br />

<strong>Schubert</strong>s „himmlische Länge“ sche<strong>in</strong>t Zen<strong>der</strong> hier erneut den Versuch zu unternehmen, die<br />

Zeit zum Stillstand br<strong>in</strong>gen zu wollen, gleichzeitig aber auch jede Sicherheit, jede gewohnte<br />

Struktur durch den E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Holzbalken regelrecht zu „zerschlagen“. Dem <strong>in</strong>neren<br />

Aufbruchswillen des Subjekts wird die äußere Begrenzung entgegengesetzt. „Als noch die<br />

Stürme tobten“ war <strong>der</strong> Wan<strong>der</strong>er so elend nicht, doch die Auflehnung des Subjekts ist<br />

nie<strong>der</strong>geschlagen. Der Mensch <strong>der</strong> Restaurationszeit unterliegt dem Metternischen Regime,<br />

<strong>der</strong> Mensch <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne den Zwängen und Wirren e<strong>in</strong>er sich ihm entziehenden Welt.<br />

Das chromatische Abs<strong>in</strong>ken <strong>von</strong> d-Moll (<strong>Schubert</strong>s autographer Tonart) zu h-Moll (jener <strong>von</strong><br />

<strong>Schubert</strong> revidierten Tonart) unterstützt den „Fall“ des Subjekts <strong>in</strong>s Halt- und Bodenlose.<br />

<strong>Die</strong>ses Vorgehen wurde jedoch bereits <strong>in</strong> Kapitel IV.3.A (Zyklusbildung und<br />

Tonartendisposition) dargestellt und soll daher hier nicht näher ausgeführt werden.<br />

<strong>Die</strong> Post<br />

Neben <strong>der</strong> onomatopoetischen Schil<strong>der</strong>ung des Herannahens <strong>der</strong> Post mittels <strong>der</strong><br />

Raumklangwirkung und <strong>der</strong> <strong>in</strong>strumentalen Verdeutlichung <strong>der</strong> Dur-Moll-Konfrontationen<br />

248 Stahmer, Klaus H<strong>in</strong>rich: Bearbeitung als Interpretation, S. 52.<br />

249 Stahmer, Klaus H<strong>in</strong>rich: Bearbeitung als Interpretation, S. 52.<br />

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