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Mitteilung mit Anlage(n) (PDF 705 KB ) - Berliner ...

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4.3.1<br />

Max-Planck-Gutachten: die Evaluierung der akustischen Wohnraumüberwachung<br />

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen<br />

Wohnraumüberwachung legte das Max-Planck-Institut für ausländisches<br />

und internationales Strafrecht sein Gutachten zur Evaluierung der akustischen<br />

Wohnraumüberwachung vor. Das Gutachten „Rechtswirklichkeit<br />

und Effizienz der akustischen Wohnraumüberwachung“ („Großer Lauschangriff“)<br />

nach § 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO basiert auf der Untersuchung aller<br />

im Zeitraum 1998 bis 2001 bundesweit durchgeführten akustischen Wohnraumüberwachungen.<br />

Es handelt sich dabei um 119 Verfahren, wovon sechs<br />

Verfahren nach § 100 e StPO auf das Land Berlin entfallen.<br />

Nach der Erhebung des Max-Planck-Instituts wurden 13 % der von den<br />

Staatsanwaltschaften beantragten Anordnungen einer akustischen Wohnraumüberwachung<br />

abgelehnt. Bei weiteren 19 % wurde die Maßnahme trotz<br />

eines gerichtlichen Anordnungsbeschlusses nicht umgesetzt, weil es bei der<br />

Umsetzung zu technischen Schwierigkeiten gekommen war. Bei immerhin<br />

40 % der Maßnahmen gab es technische Schwierigkeiten <strong>mit</strong> der Sprachund<br />

Aufzeichnungsqualität. Diese Erkenntnisse haben dann auch das Max-<br />

Planck-Institut dazu veranlasst, an einer Stelle des Gutachtens von „Grundrechtsschutz<br />

durch technische Unzulänglichkeit“ zu sprechen. Da die Installation<br />

der Wanzen nicht immer un<strong>mit</strong>telbar im Anschluss an den Anordnungsbeschluss<br />

des Gerichtes erfolgte, gab es Probleme im Hinblick auf den<br />

Fristbeginn der Maßnahme, da die Beschlüsse offensichtlich von einer<br />

unverzüglichen Aufnahme der Wohnraumüberwachung ausgehen. Allerdings<br />

wurde auch festgestellt, dass die Vier-Wochen-Frist nur in 59 % der<br />

Fälle tatsächlich voll ausgeschöpft wurde.<br />

Eine Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch das Gutachten. Den<br />

durchgeführten akustischen Wohnraumüberwachungen liegen zum großen<br />

Teil die Delikte Mord/Totschlag/Völkermord zugrunde, dicht gefolgt von<br />

der Gruppe der Betäubungs<strong>mit</strong>teldelikte. Die beiden Deliktsgruppen unterscheiden<br />

sich stark in ihrer Struktur. Wo die Tötungsfälle zumeist typische<br />

Er<strong>mit</strong>tlungen im sozialen Nahraum <strong>mit</strong> sich bringen, meist nicht dem<br />

Bereich der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind und in 88 % der<br />

Fälle zum Abhören der Wohnung geführt haben, sind die Betäubungs<strong>mit</strong>telfälle<br />

eher der organisierten Kriminalität zuzurechnen und bringen ein hoch<br />

konspiratives Verhalten der Beteiligten <strong>mit</strong> sich, oft auch einen Auslandsbezug,<br />

so dass dann entsprechend nur in 55 % der Fälle die Wohnung abgehört<br />

worden ist, in 32 % andere Räumlichkeiten als beispielsweise auch der<br />

Geschäftsraum der Betroffenen. Insofern wird immer wieder von tief greifenden<br />

strukturellen Unterschieden im Max-Planck-Gutachten gesprochen,<br />

die sich in den Evaluierungsergebnissen wiederfinden.<br />

Bei den Tötungsdeliktsfällen lag die Erfolgsquote der akustischen Wohnraumüberwachung<br />

weit unter dem Gesamtergebnis, nach dem 30 % aller<br />

Maßnahmen erfolgreich oder bedingt erfolgreich waren. Bei den Tötungs-<br />

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Jahresbericht BlnBDI 2004<br />

delikten waren dagegen ca. 50 % der Überwachungen ergebnislos und ein<br />

großer weiterer Teil nur indiziell belastend. Die Erfolgsquote in den Betäubungs<strong>mit</strong>telverfahren<br />

lag dagegen deutlich höher. In der Gesamtschau aller<br />

Verfahren waren immerhin 29 % der durchgeführten Maßnahmen inhaltlich<br />

ergebnislos, 12 % wegen technischer Probleme unverwertbar und 11% durch<br />

die Betroffenen entdeckt worden.<br />

Das Max-Planck-Institut weist zu der Frage der Intensität des Grundrechtseingriffs<br />

darauf hin, dass gerade die Verfahren wegen Tötungsdelikte<br />

den sozialen Nahbereich betreffen und da<strong>mit</strong> eine ganz andere Kernbereichsrelevanz<br />

für die Grundrechte der Betroffenen haben. Dagegen kommt<br />

es in Verfahren wegen Betäubungs<strong>mit</strong>teldelikte nicht zu einer dem Kernbereich<br />

zuzuordnenden Kommunikation. Hier besteht nach Auffassung des<br />

Max-Planck-Instituts eher die Gefahr, dass der Schutzraum zur Organisation<br />

und Begehung von Straftaten missbraucht wird.<br />

Mängel hat die Evaluation insbesondere bei der Benachrichtigung der<br />

Betroffenen und auch der Dokumentation festgestellt sowie der Verwertungsproblematik<br />

in weiteren Verfahren. Verbesserungsbedarf besteht auch<br />

hinsichtlich des Beginns der Vier-Wochen-Frist, die nicht berücksichtigt,<br />

dass der technische Verlauf in der Regel mehr Zeit benötigt.<br />

Datenschutzrechtliche Prüfung der akustischen Wohnraumüberwachung<br />

in Berlin<br />

Auch wir haben die in Berlin im Zeitraum von 1998 bis 2001 durchgeführten<br />

akustischen Wohnraumüberwachungen überprüft.<br />

Die vom Max-Planck-Institut festgestellten Strukturen und Besonderheiten<br />

decken sich <strong>mit</strong> den von uns gewonnenen Erkenntnissen. Insbesondere<br />

die strukturellen Unterschiede zwischen akustischen Wohnraumüberwachungen<br />

in Verfahren wegen Tötungsdelikte und in Betäubungs<strong>mit</strong>telverfahren<br />

auf der anderen Seite sind besonders hervorzuheben. Bei Tötungsdelikten<br />

spielt das soziale Umfeld in der Regel eine herausragende Bedeutung bei<br />

den Er<strong>mit</strong>tlungen, so dass der Kernbereich der Grundrechte besonders intensiv<br />

betroffen ist. Darüber hinaus ist in der Regel der Kreis der von der Maßnahme<br />

betroffenen Dritten zu einem großen Teil bestimmbar und meistens<br />

relativ festgelegt.<br />

Die vom Max-Planck-Institut dargelegten Verbesserungspunkte gelten<br />

auch für die <strong>Berliner</strong> Wohnraumüberwachungen. Ungeachtet dessen darf<br />

man davon ausgehen, dass die Zahl der beantragten akustischen Wohnraumüberwachungen<br />

sinken wird, da die praktischen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts<br />

an die Umsetzung der akustischen Wohnraumüberwachung<br />

nur <strong>mit</strong> großem finanziellem und personellem Aufwand realisierbar<br />

sind. Vielleicht wird es dann „Grundrechtsschutz durch Geldaufwand“<br />

heißen.<br />

Jahresbericht BlnBDI 2004<br />

4.3.1<br />

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