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Chaos & Ordnung - IAAC

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gefunden, sondern spontan und ständig entstehende <strong>Ordnung</strong>smuster, sich ablösend, mit jeweils tausenden<br />

von aktivierten Gehirnzellen.<br />

Wenn ich an die schöne Stadt Gmunden denke, ist dieses innere Bild komplexer als eine Erklärung dieses<br />

Gedankens aus Operationen tausender Ganglien?<br />

Aus der Weltsicht der <strong>Chaos</strong>theorie hat jede Ebene ihre eigenen Gesetze und Modelle, mit denen sie am<br />

besten beschrieben wird.<br />

Antichaos<br />

Ein deteriministisches <strong>Chaos</strong> kann in Unordnung stürzen, aber im eben erwähnten Beispiel erzeugt es <strong>Ordnung</strong>!<br />

Wenn <strong>Chaos</strong> ein "Urstoff" sein soll, wie ihn sich die Antike dachte, dann ist er jedenfalls nicht so gestaltlos<br />

und leer wie damals angenommen. Insbesondere in der Biologie fand man, dass die <strong>Chaos</strong>theorie<br />

mit gleichem Recht "<strong>Ordnung</strong>stheorie" heißen könnte. Wesentlich interessanter als die möglichen Übergänge<br />

in die Unordnung zeigten sich die <strong>Ordnung</strong>szustände, die (oft spontan) aus dem deterministischen <strong>Chaos</strong><br />

entstehen können.<br />

Dabei entsteht aus Komplexität wieder Einfachheit, das vibrierende <strong>Chaos</strong> erzeugt Strukturen - solche Übergänge<br />

werden als "Antichaos" bezeichnet. Das Leben selbst entstand durch unzählige solcher Schritte zu<br />

höherer <strong>Ordnung</strong>, aus der chaotischen "Ursuppe" bildeten sich immer komplexere Lebewesen, die dann<br />

aber als "einfache" (geordnete) Ganzheiten operieren. Obwohl ich aus Milliarden von Zellen bestehe, arbeiten<br />

diese konzentriert zusammen, um den geordneten Griff zum Bierglas zu ermöglichen.<br />

Solche Übergänge von <strong>Chaos</strong> zu <strong>Ordnung</strong> gibt es aber auch in ganz einfachen, "toten" Systemen. Frühmorgendlich<br />

kann jeder - ob Chaot oder nicht - beobachten, wie sich in einer Kaffeetasse Antichaos ereignet: In<br />

heißen Kaffe gießt man etwas Milch. Plötzlich bilden sich (sechseckige) Wirbelkanäle, die längere Zeit stabil<br />

bleiben können. Besser gelingt dieses Experiment jedoch mit Flüssigkeiten, die von unten her erwärmt werden.<br />

Ein weiteres Beispiel stellen die Heckwellen eines fahrenden Bootes dar: Abhängig von der Geschwindigkeit<br />

entstehen stabile Wirbelmuster. Diese Art von geordneten Strukturen bei ständigem Durchfluß von<br />

Materie und Energie nennt man "dissipative Strukturen", die Entstehung von <strong>Ordnung</strong>smustern "Selbstorganisation".<br />

Man könnte Antichaos auch so definieren: Das Entstehen von <strong>Ordnung</strong>, Muster, Struktur in Systemen mit<br />

vielen einzelnen Einheiten (Teilchen, Zellen, Menschen, ...), wenn diese <strong>Ordnung</strong> etwas ganz Neues darstellt<br />

und nicht auf die einzelnen Teile zurückgeführt werden kann. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner<br />

Teile.<br />

Entropie<br />

Dies scheint nun dem berühmten 2. Hauptsatz der Thermodynamik vollkommen zu widersprechen. Danach<br />

laufen Vorgänge in der Natur von selbst nur von Zuständen niedriger zu solchen höherer Wahrscheinlichkeit<br />

ab. Ohne Zutun nimmt die <strong>Ordnung</strong> ab. Die Physik prägte sogar eine physikalische Größe, die Entropie,<br />

die man als Maß für die Unordnung verstehen kann.<br />

Bremst etwa ein Auto, so wird geordnete Bewegung (alle Teilchen des Gefährts bewegen sich in eine Richtung)<br />

in ungeordnete Wärmebewegung der Bremsen, Reifen und letztlich der Umgebung umgewandelt. Nie<br />

aber wurde beobachtet, dass sich die Luft ein wenig abkühlt und ein Auto plötzlich zu fahren beginnt. In abgeschlossenen<br />

Systemen bleibt die Entropie gleich, bei der Kombination mehrerer solcher nimmt sie zu.<br />

Lebewesen sind jedoch Beispiele extremer Entropieverminderung - bereits einzelne Zellen kann man als<br />

chemische Fabriken beschreiben, in denen hunderte Prozesse parallel ablaufen. Der Widerspruch ist aber<br />

nur ein scheinbarer und läßt sich auf mehrere Arten entkräften.<br />

1. Gerade Lebewesen sind Paradebeispiele für offene Systeme - sie existieren nur mit einem ständigen<br />

Durchfluß von Materie und Energie. Thermodynamisch gesehen vermindern sie zwar ihre innere Entropie,<br />

erzeugen aber nach außen hin trotzdem Unordnung - nur im dynamischen Fluß von wenig zu mehr <strong>Chaos</strong><br />

können wir <strong>Ordnung</strong> erzeugen! So entsteht aus Nahrungsmitteln einerseits komplexes Körpermaterial und<br />

andererseits Abfall: Exkremente, Abwärme. Auch einfache dissipative Systeme wie die oben erwähnten<br />

zeigen dieses Verhalten - sie brauchen einen ständigen Energiefluß, um sich ausbilden zu können. In der<br />

Kaffeetasse mag zwar <strong>Ordnung</strong> entstehen, insgesamt nimmt die Entropie trotzdem zu - der Kaffee kühlt sich<br />

ab, die Umgebung wird etwas wärmer. Letztlich wird er gar getrunken und darf nochmals <strong>Ordnung</strong> erzeugen<br />

im müden Frühaufsteher.<br />

2. Die Entropie ist eine physikalische Größe, die zur Beschreibung einfacher Systeme bis hin zu Wärmekraftmaschinen<br />

erdacht wurde. Dort hat sie mit Wärmeprozessen zu tun und hängt mit der Wahrscheinlichkeit<br />

von Zuständen zusammen. Sie mit Unordnung zu verbinden ist höchstens in solchen physikalisch einfachen<br />

Systemen sinnvoll und zulässig, die kühnen Übertragungen auf komplexe Systeme wie Lebewesen,<br />

Schreibtische oder gar das ganze Universum sind (obwohl oft gemacht) sinnlos, dort hat die Entropie nichts<br />

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