LUFTWAFFEN - Netteverlag
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GESCHICHTE<br />
wurde verschärft, und das Essen wurde<br />
von Jahr zu Jahr immer etwas weniger.<br />
Dafür stieg der Kohldampf bei uns Jungen<br />
immer mehr an. Besonders hilfreich<br />
waren dabei die monatlichen Pakete von<br />
zu Hause mit nahrhaften Inhalten, die<br />
innerhalb der Stube geteilt wurden. Auch<br />
suchten wir uns in der Stadt Mädchen<br />
mit nahrhaftem Hintergrund und waren<br />
neben den weiblichen Zuneigungen<br />
gegenüber Leckereien oder handfesten<br />
Mahlzeiten niemals abgeneigt.<br />
Die Fertigungsdurchläufe im Werk wurden<br />
verschärft. Es kamen immer mehr<br />
Zwangsarbeiter und Arbeiterinnen<br />
zum Einsatz, wobei mich ein Erlebnis<br />
sehr nachhaltig beschäftigte. Unter den<br />
Zwangsarbeitern aus den besetzten Gebieten,<br />
vermehrt aus dem Osten, waren<br />
auch Jugendliche. Als wir eines Tages<br />
vom Mittagessen zur Werkstatt marschierten,<br />
sah ich, wie ein Jugendlicher<br />
so in meinem Alter von der Bewachungsmannschaft<br />
zusammengeschlagen wurde,<br />
weil er in den Küchenabfällen nach<br />
Essbarem gesucht hatte. Dieses Bild hat<br />
mich jahrelang verfolgt und an der Richtigkeit<br />
mancher Parolen und Dogmen<br />
unserer Erziehung zweifeln lassen. Von<br />
den Grausamkeiten in den besetzten Gebieten<br />
und in den Konzentrationslagern,<br />
von deren Existenz wir erst nach Kriegsende<br />
erfuhren, war uns absolut nichts<br />
bekannt.<br />
Nach dem zweiten Lehrjahr kamen wir<br />
ins Werk in die Fertigung, wo zu diesem<br />
Zeitpunkt der Bomber He 111 (auslaufend)<br />
und die Ju 88 gebaut wurden.<br />
Später wurde die Fertigung auf den<br />
Fernbomber He 177 umgerüstet. Wir<br />
durchliefen alle Fertigungsabteilungen,<br />
wodurch uns eine Vielzahl von Produktionserfahrungen<br />
und Details der Flugzeuge<br />
vermittelt wurde. Im Arado Werk<br />
Brandenburg wurden die Zellen, d.h. das<br />
komplette Flugzeug, gebaut ohne Motoren.<br />
Die Motoren wurden angeliefert und<br />
in der Endmontage der Zelle hinzugefügt.<br />
Die interessanteste Abteilung war<br />
der Flugbetrieb, wo die neuen Flugzeuge<br />
einer gründlichen Endkontrolle unterzogen<br />
wurden, um sie für die Einfliegerei<br />
vorzubereiten. Die Einflieger waren alle<br />
erfahrene Piloten, meistens jedoch keine<br />
Soldaten, die die gefährliche Aufgabe<br />
hatten, die Vögel einzufliegen und flugreif<br />
zu testen. Erst wenn alles hieb- und<br />
stichfest, d.h. voll flugfähig war, kamen<br />
Wehrmachtsbesatzungen zur Übernahme<br />
für die Luftwaffe.<br />
Ab dem dritten Lehrjahr begann auch<br />
24<br />
für uns die Ausbildung im Segelflug, worauf<br />
wir uns besonders freuten. Doch zuerst<br />
galt es, unseren Segelflughang zu roden<br />
und alle Stubben zu entfernen, was<br />
uns viel Schweiß kostete. Als es endlich<br />
soweit war, ging die geliebte Plackerei<br />
für wenige Starts am Tage weiter. Unsere<br />
ersten Rutscher wurden mit Gummiseil<br />
gestartet, was folgendermaßen ablief:<br />
Erst mal das Flugzeug auf einem Kullerchen,<br />
das war ein zweirädriges Gestell,<br />
worauf die Kufe des Flugzeuges gesetzt<br />
wurde, mit vereinten Kräften den Hang<br />
hinauf schieben. Oben postierte sich die<br />
Haltemannschaft am Heck und hielt die<br />
Kiste an einem Strick fest. Ein zweiteiliges<br />
Gummiseil wurde vorne eingeklinkt und<br />
mindestens vier Mann an jeder Seilseite<br />
zogen das Seil straff. Ein Mann, meistens<br />
der Fluglehrer, hielt die Kiste an der linken<br />
Tragfläche waagerecht. Dann kamen<br />
die Startkommandos: Haltemannschaft?<br />
- Fertig! --- Startmannschaft? - Fertig!---<br />
Ausziehen - Laufen - Los! Die Halte-<br />
mannschaft ließ den Vogel frei, und das<br />
Gummiseil gab den Vortrieb. Die ersten<br />
Rutscher dauerten bis ca. 30 Sekunden,<br />
wobei auf genauen Geradeauskurs und<br />
sanfte Landung Wert gelegt wurde. Die<br />
Startpunkte wurden immer höher am<br />
Hang angesiedelt, bis Flüge gut über 30<br />
Sekunden möglich wurden. Dann auch<br />
mit leichten S-Kurven und der Abschluss<br />
der A-Prüfungsflug.<br />
Als Entschädigung der Kameraden für die<br />
Plackerei erhielt man als Prüfling nach<br />
bestandener Prüfung von allen Beteiligten<br />
einen Schlag auf den Hintern, was<br />
man gern in Kauf nahm. Durfte man<br />
doch auf der Uniform ein Abzeichen mit<br />
einer Schwinge tragen.<br />
Die anspruchsvolleren B- (zwei Schwingen)<br />
und C- (drei Schwingen) Schulungen<br />
und Prüfungen fanden auf unserem<br />
Flugplatz in Brandenburg statt, dann<br />
jedoch mit der Seilwinde bis auf ca. 300<br />
Meter Höhe nach dem Ausklinken. Als<br />
Flugzeuge für die B und C dienten immer