LUFTWAFFEN - Netteverlag
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sich mit ihren fünf Kindern im Schloss<br />
und musste mit ansehen, wie der Hof in<br />
Flammen aufging.<br />
Morgens um vier Uhr am 19. Feb. kam<br />
die Nachricht, die deutschen Truppen<br />
würden das Schloss in einer Stunde verlassen.<br />
Kaum waren die Deutschen weg,<br />
wurde am Eckturm Richtung Kleve die<br />
weiße Fahne (Bettlaken) gehisst. Die<br />
Hoffnung, dass nun der Beschuss aufhörte,<br />
wurde jedoch enttäuscht. Nach Sonnenaufgang<br />
wurde der Aribeschuss noch<br />
heftiger. Die Spitze des Turms Richtung<br />
Till brannte lichterloh. Das Feuer breitete<br />
sich jedoch nicht weiter aus. Gegen 10<br />
Uhr wurde das Schloss mit leichten Bomben<br />
angegriffen. Auch deutsche Artillerie<br />
zielte auf das Schloss. Eine Bombe schlug<br />
in den Südflügel ein und verursachte Zerstörungen<br />
am Dach. Auf der gegenüberliegenden<br />
Seite brannte der Dachstuhl,<br />
das Feuer konnte gelöscht werden. In<br />
der folgenden Nacht gab es weiter Aribeschuss.<br />
Am nächsten Tag konnte vom Schloss<br />
aus beobachtet werden, dass eine Gruppe<br />
alliierter Soldaten über die Landstraße<br />
auf die Wirtschaft Eberhard zuging und<br />
das Schloss beobachtete. Die Soldaten<br />
näherten sich dann von der Nordseite<br />
dem Schloss und drangen wenig später<br />
in den Schlosshof ein. Die Schlossbewohner<br />
wurden auf Waffen durchsucht und<br />
durften mehrere Tage das Schloss nicht<br />
verlassen.<br />
Das Schloss wurde nun Hauptquartier<br />
verschiedener alliierter Einheiten. Die<br />
meisten Räume waren weiterhin bewohnbar.<br />
Unter den Bewohnern befanden sich<br />
die Schwiegereltern vom Schlossherrn<br />
Steengracht, Baronin und Baron von<br />
Hahn. Die Familie Steengracht befand<br />
sich nicht mehr im Land. Die Bewohner<br />
wurden am 2. März mit drei Lastwagen<br />
ins Lager Bedburg gebracht. Am 25. März<br />
besuchte Churchill das Schloss.“<br />
Nach den historischen Informationen<br />
zu den Kriegsereignissen genoss unsere<br />
Gruppe eine ausserordentliche Führung<br />
in der Kunstsammlung Joseph Beuys,<br />
die Frau Dr.Barbara Strieder als Kuratorin<br />
persönlich vornahm. Der Künstler<br />
Joseph Beuys war Flieger im 2.Weltkrieg<br />
und überlebte einen Absturz in der Ukraine.<br />
Moritz-Grab<br />
Mitten in Bedburg-Hau liegt die Höhe<br />
Berg und Tal. Unser Zeitzeuge Josef de<br />
Ryck, der bei Kriegsende 10 Jahre alt war,<br />
zeigte uns die Absturzstelle Spitzberg, wo<br />
am 25.10.1944 eine Halifax von der Flak<br />
abgeschossen wurde. Der Pilot kam ums<br />
Leben und wurde später auf dem Reichswald-Friedhof<br />
bestattet. Sechs weitere<br />
Mann der Besatzung konnten sich mit<br />
dem Fallschirm retten.<br />
150 Meter neben der Absturzstelle liegt<br />
das Moritz-Grab. In Bedburg-Hau starb<br />
1679 Johann Moritz Fürst von Nassau-<br />
Siegen. Er war ab 1636 Gouverneur in<br />
der niederländischen Kolonie Brasilien,<br />
entsandte Schiffe mit 800 Soldaten an die<br />
afrikanische Küste und ließ dort die Kolonien<br />
Guinea u.a. Stützpunkte gründen.<br />
Seine Schiffe waren an der Beinahe-Vernichtung<br />
der spanischen und portugiesischen<br />
Flotte 1640 beteiligt. Die in Brasilien<br />
gegründete Moritz-Stadt ist heute als<br />
Großstadt Recife bekannt. Ab 1646 leitete<br />
er weitreichende Umbau- und Landbaumaßnahmen<br />
in Potsdam und Berlin. Unter<br />
seiner Leitung wurde die Straße Unter<br />
den Linden angelegt. Ab 1652 wurde er<br />
vom Brandenburgischen Kurfürsten als<br />
Statthalter in Wesel und Kleve eingesetzt.<br />
Die Grabanlage mit Tumba und einem<br />
Halbrund mit römischen Tafeln und<br />
Abbildungen sollte nach seinem Willen<br />
seine letzte Ruhestätte werden. Er starb<br />
am 20.Dezember 1679 im Alter von 75<br />
Jahren. Am 24.11.1680 wurde er nach<br />
Siegen umgebettet. Die Bevölkerung in<br />
Kleve, Bedburg und Umgebung empfand<br />
dies als Diebstahl ihres Fürsten.<br />
Absturzstelle 1976<br />
Am 24.März 2012 war in der Rheinischen<br />
Post zu lesen:<br />
“Gottfried Evers kam am Dienstag, dem 14.<br />
Dezember 1976, um 15.46 Uhr, von einem<br />
Termin und fuhr durch Bedburg-Hau, als<br />
er aus dem Auto heraus einen Düsenjäger<br />
beobachtete, der sich im Flug unentwegt<br />
um die eigene Achse drehte. Er dachte sich<br />
nichts dabei, denn Kampfflugzeuge gehörten<br />
damals zum Himmel des Kleverlands.<br />
Sekunden später sah der RP-Fotograf einen<br />
Feuerball am Horizont. Der Düsenjäger,<br />
Typ Jaguar, war auf einem Acker an der Alten<br />
Bahn in Bedburg-Hau explodiert. Einige<br />
hundert Meter vom Landeskrankenhaus und<br />
einer Wohnsiedlung entfernt.<br />
Als Evers an der Unglücksstelle ankam, gelang<br />
ihm die einzigartige Aufnahme: Der<br />
Pilot, der 41-jährige Leutnant Bill Lang-<br />
MIL-EX 2013<br />
worthy, hatte sich mit dem Schleudersitz retten<br />
können. Er wirkt benommen und desorientiert.<br />
Seine Fußspuren auf dem feuchten<br />
Acker deuten darauf hin. Der dunkle Teil des<br />
Ackers ist von den Bruchstücken der zerborstenen<br />
Maschine übersät und umgepflügt. Es<br />
ist ein Trümmerfeld. Bill Langworthy verhinderte<br />
soeben eine Katastrophe.<br />
Er wird später als Held gefeiert. Doch wie ein<br />
Held wirkt er auf dem Bild nicht. Der Pilot<br />
hatte seine brennende Maschine noch über<br />
die Wohnblöcke gezogen, bevor er sich mit<br />
dem Schleudersitz aus dem Cockpit katapultierte<br />
und dem Tod entging. „Ich sah die<br />
vielen Häuser, da musste ich drüber hinweg.<br />
Als ich merkte, die Maschine landet auf einem<br />
Acker, habe ich mich rausgeschossen“,<br />
sagte Bill Langworthy damals der RP.<br />
Die Wrackteile fliegen über den Acker,<br />
durchschlagen Laborräume des angrenzenden<br />
Landeskrankenhauses, säbeln Bäume<br />
im Park um. Ein Rad knallt in das Auto eines<br />
Pflegers. Fensterscheiben halten dem Druck<br />
nicht Stand.<br />
Der Jaguar befand sich auf einem routinemäßigen<br />
Übungsflug. In Laarbruch gestartet,<br />
explodierte der Jagdbomber kurze Zeit später<br />
auf dem Feld in Bedburg-Hau. Wie sich<br />
nach Untersuchungen herausstellte, hatte<br />
die Lenkung versagt. 1977 waren Engländer<br />
und der deutsche Kampfmittelbeseitigungsdienst<br />
gemeinsam auf dem Feld unterwegs.<br />
Sie suchten nach einem Bolzen. Der fehlte<br />
ihnen im Kampfjet-Puzzle. Dieser Bolzen soll<br />
ein Grund für den Absturz gewesen sein.<br />
An einem Dienstag war die Maschine vom<br />
Himmel gefallen. Drei Tage wurde Bill Langworthy<br />
im Militärhospital durchgecheckt.<br />
Dann arbeitete er wieder. Sonderurlaub<br />
nach der Bruchlandung gab‘s nicht. „Bill<br />
fliegt wieder“, ließ die Royal Air Force (RAF)<br />
einige Tage später verlauten.<br />
Bill Langworthy war sechs Monate in Laarbruch<br />
stationiert, bevor er den Jagdbomber<br />
zerlegte. Es war bereits sein zweiter – aber<br />
nicht letzter Absturz. Ein Jahr später saß er<br />
erneut nicht in seinem Flugzeug, als dies<br />
wieder auf der Erde ankam. Seit seinem 17.<br />
Lebensjahr gehörte Bill Langworthy der Armee<br />
an. Er war der erfahrenste Pilot der RAF,<br />
was das Fliegen mit dem Jagdbomber Jaguar<br />
betrifft. Als erster knackte er die Marke von<br />
1000 sowie 2000 Flugstunden in dieser Maschine.<br />
Langworthy kehrte nach seinem dritten<br />
Absturz 1977 nach England zurück und<br />
begann ein Leben, das für einen Piloten bedeutend<br />
weniger Höhepunkte bereithielt. Er<br />
wurde Ausbilder zunächst bei den Soldaten<br />
ihrer königlichen Majestät, später im Mittleren<br />
Osten – unter anderem in Abu Dhabi.<br />
Als er dann wieder nach Yorkshire zurückkehrte,<br />
lehrte er bis zu seiner Pensionierung<br />
an einem Flugsimulator.<br />
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