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GATWU - Forum, Nr. 1/<strong>2000</strong> Seite 35<br />

Die Notwendigkeit einer Arbeitslehre wäre allein aus dem Ernährungsverhalten<br />

vieler Jugendlicher zu begründen.<br />

Der Handel dient dem Verbraucher eine Vielzahl angeblich wunderbarer Lebenshilfen an: Fast<br />

Food, Convenience Food, Tiefkühlgerichte, industriell vorgefertigte Lebensmittel aller Art. Alle<br />

Formen dienen dem einzigen Zweck: Arbeit einzusparen. Und zwar jene Arbeit, die notwendig<br />

ist, um gut zu essen. Der Versuch kann als misslungen bezeichnet werden. Gutes Essen ist<br />

sehr arbeitsaufwendig, daran führt kein Weg vorbei.<br />

In einem Gourmet-Restaurant arbeitet im Hintergrund eine Küchenkraft für zwei Gäste. Da<br />

viele Gourmet-Restaurants um vierzig Plätze bieten, arbeitet eine zwanzigköpfige Brigade in<br />

der Küche. Das Verhältnis in Hochschulmensen und Betriebskantinen ist 1:100 oder noch<br />

„günstiger“. Dazwischen ist alles möglich, nur das wirklich gute Essen findet man allein an dem<br />

arbeitsintensiven Pol.<br />

Man kann sich extrem unvernünftig ernähren; indem man z.B. bei stundenlangem Fernsehen<br />

Kartoffelchips und Schokoriegel knabbert. Der Beweis sind viele übergewichtige und/oder gesundheitlich<br />

beeinträchtigte Schulkinder. Man kann sich recht und schlecht bei mäßigem Arbeitsaufwand<br />

ernähren – gottlob gibt es das auch noch. Aber kulinarisch anspruchsvoll und<br />

gleichzeitig gesund sich zu ernähren, ist mit viel Arbeit verbunden.<br />

Die Frage, die uns beschäftigt, ist die nach der Arbeitsvermeidungs-Haltung vieler Menschen<br />

angesichts der Essenszubereitung. Glaubt man dem Geschwätz der Auguren in unserer Gesellschaft,<br />

dann geht dieser die Arbeit aus. Was für die Erwerbsarbeit schon unbewiesen ist, trifft<br />

auf die Hausarbeit ganz und gar nicht zu. Immerhin haben aber viele Menschen mehr Freizeit<br />

als frühere Generationen, und die blanke Zeitnot kann arbeitsaufwendiges Kochen nicht verhindern.<br />

Fairerweise muss gesagt werden, dass ein alleinerziehender berufstätiger Elternteil in<br />

der Tat Zeitnot hat. Dieser Personenkreis kann aber unmöglich die Supermarktregale leerkaufen.<br />

In einer bürgerlichen oberen Mittelschicht ist ambitioniertes Kochen seit geraumer Zeit „in“.<br />

Und zwar auch in solchen Familien, wo Doppelerwerbstätigkeit die Regel ist. Eine andere<br />

Gruppe in unserer Bevölkerung sind die Migrantenfamilien, die meistens arbeitsaufwendig kochen.<br />

Die große Masse aber vermeidet die Kocharbeit so gut es geht. Was sind die Gründe<br />

hierfür?<br />

Viele Menschen können im professionellen Sinne nicht kochen. Die Erfahrung, die sie bei der<br />

Arbeit machen, besteht aus einer Kette von Miss- und Teilerfolgen. Der Zeitaufwand ist unverhältnismäßig<br />

hoch, Verdruss ist unvermeidlich, das Lob etwaiger Mit-Esser bleibt aus. Weil die<br />

Grundwerkzeuge (z.B. Messer, Töpfe) von minderer Qualität und unbrauchbar sind, wird irgendwann<br />

auf ebenfalls billige Küchenmaschinen zurückgegriffen. Diese funktionieren stets<br />

eindrucksvoll beim Propagandisten im Kaufhaus, zuhause werden sie nach kurzer Zeit wegen<br />

Arbeitsaufwand für Reinigung usw. stillgelegt. Wer dilettierende Köche bei der Hitzezufuhr,<br />

der Hitzereduktion, beim Schütteln des Pfanneninhalts beobachtet hat, weiß, warum diese früher<br />

oder später eine Fluchthaltung einnehmen. Wenn das korrekte Zerkleinern von Gemüse<br />

(abhängig von der Gartechnik) bei einem Profi drei Minuten dauert und die gleiche Arbeit mit<br />

mäßigem Erfolg bei einem Autodidakten eine Viertelstunde, erklärt das den verbreiteten Verdruss.<br />

Der relativ große Arbeitsaufwand für gutes Essen ist nicht hintergehbar. Die Zeit, in der

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