22 | Ablaufstörungen in Bauprojekten - Einflussfaktoren für die ...

3 Definition und Systematik von Bauablaufstörungen 33
3.2.3 Bauablaufabweichungen
Zwischen zwei Zuständen im Bauprojektablauf können Differenzen verschiedener Ausprägung
auftreten, die allgemein als Bauablaufabweichung bezeichnet werden sollen. Abweichungen
treten dabei nicht nur zwischen Soll- und Ist-, sondern auch zwischen verschiedenen
Soll-Zuständen auf. Letztlich kommt es also immer auf die Abweichung eines beobachteten
Zustandes von einem referenzierten Zustand an. Explizit geregelt ist das primäre Vertrags-
Soll, aus dem das sekundäre Vertrags-Soll abgeleitet wird. Das bauablaufbezogene Bau-Soll
kann vom Vertrags-Soll durch Anordnung oder störungsbedingte Fortschreibung abweichen.
Das Bau-Ist bezieht sich auf die tatsächliche Erbringung der im Vertrags- oder fortgeschriebenen
Bau-Soll definierten Vorgänge und Ereignisse, kann also in Abhängigkeit von Detailschärfe
und Inhalt des Soll-Ablaufplans auch Leistungen des Auftraggebers umfassen, dessen
Planlieferungen zum Beispiel als Ereignisse im Bauablaufplan definiert worden sind.
Das Erkennen und verursachungsgerechte Zuordnen von Abweichungen ist immer wieder
mit Problemen verbunden, da Abweichungen eher die Regel als die Ausnahme darstellen und
für eine Vielzahl von Vorgängen und Ereignissen voneinander unabhängige Ursachen für abweichende
Soll- und Ist-Zustände verantwortlich sein können. Zudem führen nicht alle Abweichungen
zu Auswirkungen auf die monetären und terminlichen Projektziele. Der Fall der
einfachen Kausalität liegt dann vor, wenn die Bauablaufstörung ausschließlich auf eine Ursache
zurückzuführen ist. Die kumulative Kausalität ist der Standardfall komplexerer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge.
Hier bedingen sich mehrere Ursachen, wirken gemeinsam
und kumulierend. Die Auswirkungen können aber nicht allein einer einzelnen Ursache zugeschrieben
werden. 208 Ein und dieselbe Abweichung kann sowohl vom Auftraggeber als auch
vom Auftragnehmer verursacht und verschuldet sein. 209 Da in Fällen des Mitverschuldens
§ 254 BGB greift, wonach sich der Geschädigte bei der Durchsetzung etwaiger Schadensersatzansprüche
gegen den Schädiger eigenes Verschulden anrechnen lassen muss 210 , sind die
Abweichungen getrennt nach Verursachung zu erfassen und hinsichtlich der Auswirkungen
gegebenenfalls nach § 254 BGB in Verbindung mit § 287 ZPO zu quotieren. 211 Doppelkausalität
tritt dann auf, wenn zwei Ursachen selbständig und unabhängig voneinander zum selben
Ergebnis führen, also nicht eindeutig geklärt werden kann, welche Einzelstörung für die negativen
Auswirkungen auf den Bauablauf verantwortlich war. KAPELLMANN/SCHIFFERS 212
schlagen vor, in diesen Fällen die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge getrennt zu verfolgen,
208 Vgl. Kapellmann/Schiffers, 2000a, Rdn. 1357.
209 Vgl. Kapellmann/Schiffers, 2000a, Rdn. 1354.
210 Vgl. Werner/Pastor/Müller, 1995, S. 465; Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, 2002, B § 6 Rdn. 33.
211 BGH: Urteil vom 14.01.1993 - VII ZR 185/91. Vgl. Thomas/Putzo, 2001, § 287 ZPO, Rdn. 5.
212 Vgl. Kapellmann/Schiffers, 2000a, Rdn. 1358.
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