Ueber die letzten Dinge (1904), von Otto Weininger - Natural Thinker
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Vorrede.<br />
Motto: Jedes wahre, ewige Problem ist eine<br />
ebenso wahre, ewige Schuld: jede<br />
Antwort eine Sühnung, jede Erkenntnis<br />
eine Besserung.<br />
<strong>Weininger</strong>.<br />
--------<br />
Das Kreuz in Golgotha kann dich nicht<br />
vom dem Bösen,<br />
Wo es nicht auch in dir wird aufgericht’,<br />
erlösen.<br />
Angelus Silesius.<br />
<strong>Otto</strong> <strong>Weininger</strong> wurde am 3. April 1880 als das zweite Kind eines<br />
Kunsthandwerkers in Wien geboren. Er war ein fröhlich angelegter Knabe und<br />
beteiligte sich gern und häufig an den Jugendspielen; ziemlich früh machte sich ein<br />
heftiger Wissensdrang bei ihm bemerkbar. Im Gymnasium eilte er durch <strong>die</strong> eifrige<br />
Lektüre historischer, literarischer und philosophischer Schriften seinem Alter weit<br />
voraus. Zu <strong>die</strong>ser Zeit interessierte er sich am meisten für Philologie zu werden. (Im<br />
ganzen lernte er fünf moderne Sprachen: Französisch, englisch und italienisch<br />
beherrschte er vollkommen, war auch sehr belesen in den Literaturen <strong>die</strong>ser Völker;<br />
spanisch und norwegisch verstand er recht gut.) Der Sinn für Naturwissenschaft und<br />
für Mathematik erwachte erst später, als er <strong>die</strong> Universität besuchte. Daselbst<br />
beschäftigte er sich am eingehendsten mit Biologie und Physiologie; 1 Physik<br />
interessierte ihn sehr, doch konnte er dem praktischen Arbeiten im Laboratorium<br />
keinen Geschmack abgewinnen. Er trieb auch viel Mathematik<br />
(Differentialgleichungen, Zahlentheorie), kam aber in der <strong>letzten</strong> Zeit sehr da<strong>von</strong> ab.<br />
Eine lebhafte Abneigung gegen alles „Formale“ trat bei ihm ein; er verlangte immer<br />
mehr nach „Erfülltheit“. 2 – Er hörte übrigens Vorlesungen aller Fächer auf der<br />
philosophischen Fakultät; seine Arbeitskraft war eine kolossale, so wie es nur eine<br />
besonders starke Konstitution ermöglichte.<br />
Von sehr großer, hagerer Statur, ohne besondere Muskelkraft, besaß er doch eine<br />
äußerst zähe Gesundheit. Seine Nerven überwanden alle Anstrengungen, wenn er<br />
auch viel Nervöses in seinem Wesen hatte, wenn er auch ein tiefes Verständnis für <strong>die</strong><br />
Neurasthenie besaß. Neurasthenisch war er nicht, auch zum Irrsinn war keine<br />
ausgesprochene Disposition vorhanden. Nur unter schweren Herzkrämpfen und unter<br />
epileptischen Anfällen hatte er öfters zu leiden; <strong>die</strong> ersteren stellten sich immer nach<br />
großen psychischen Aufregungen ein.<br />
1 Er hat auch einmal ein Gehirn seziert.<br />
2 Was er z.B. in der Musik Richard Wagners fand, den er darum den unmathematischesten Musiker nannte.