Ueber die letzten Dinge (1904), von Otto Weininger - Natural Thinker
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Ausgelebt – das heißt, das Deine!<br />
All Dein Du, inbrünstiglich,<br />
Willenlos mir hingegeben,<br />
Sei erfüllt <strong>von</strong> meinem Ich.“<br />
Aber alles Verhältnis des Mannes zur Frau ist Enteignung, Entrechtung, soweit es<br />
erotisch ist. Das ist Ibsen später klar geworden; der erste Schritt hierzu ist im<br />
„Puppenheim“ gemacht. Man hat <strong>die</strong> Nora für das Wahlrecht der Frauen nutzbar<br />
gemacht und Ibsen, den Mann, der Zeit seines Lebens weniger als alle anderen<br />
Künstler vor und seit ihm sich selbst über das Weib zu belegen versucht hat, zum<br />
typischen Vertreter der psychologischen Gleichheitslehre gestempelt, den Schöpfer<br />
der Hedda Gabler das lebende Weib (seinen tatsächlichen Qualitäten nach) ebenso<br />
hoch einschätzen lassen, wie den Mann. Darin liegt aber gerade <strong>die</strong> ganze sittliche<br />
Größe Ibsens und sein reiner Heroismus, daß er vom Manne verlangt, das Weib als<br />
selbständiges menschliches Wesen zu schätzen, <strong>die</strong> Idee der Menschheit auch in der<br />
Person des Weibes zu ehren, es nicht, wie in jeder Erotik, bloß als Mittel zum Zweck<br />
zu gebrauchen, obwohl <strong>die</strong> Realität gerade dem <strong>von</strong> der erotischen Dunstwolke<br />
ungetrübten Blicke <strong>die</strong> Achtung vor dem Weibe – <strong>die</strong> das Weib der Wirklichkeit vom<br />
Manne freilich gar nie verlangt – so sehr erschwert.<br />
So ist auch seine Nora nichts Wirkliches und <strong>die</strong> berühmte Umwandlung <strong>von</strong> der<br />
kindischen, verlogenen und genäschigen Schwätzerin zum Menschen mit freiem<br />
Entschluß kein ableitbarer Charakterzug irgend einer wirklichen Frau, sondern eben<br />
das Mysterium der Umwandlung, welche Ibsen für das Weib aus allgemein<br />
moralischem Grunde notwendig scheint. In der Nora begrüßt Ibsen <strong>die</strong> erste<br />
weibliche Individualität, er zeigt, wie <strong>die</strong> Frau handeln sollte, nicht wie sie wirklich<br />
handelt. Die Veränderung in Nora ist eben das Wunder, aus dem früheren durchaus<br />
unbegreiflich; und niemand mißversteht <strong>die</strong>ses Schauspiel so gründlich, als gerade<br />
der, welcher den Umschlag zu vermitteln und aus der Nora der ersten Akte zu<br />
motivieren sucht. In der „Frau vom Meer“, welche endlich in Freiheit wählen darf<br />
und kann, hierdurch vom äußeren sinnlichen Zwange sich befreit, aber zugleich <strong>die</strong><br />
Verantwortung und somit <strong>die</strong> Pflicht auf sich nimmt, kehrt das Nora-Problem wieder.<br />
„Rosmersholm“ bezeichnet nach dem „Peer Gynt“ den zweiten Gipfel der<br />
Entwicklung, <strong>die</strong> Ibsens Gedanken über seine Probleme genommen haben. Zum<br />
zweiten Mal kehrt er zum Problem der Erlösung in seinem Verhältnis zum Problem<br />
der Geschlechtsliebe zurück. Hier liegt aber <strong>die</strong> Sache schon sehr viel anders als im<br />
„Peer Gynt“. Die Wiedergeburt erfährt vor allem das Weib unter dem Einfluß des<br />
Mannes. Rosmersholm, das ist symbolisch <strong>die</strong> Burg der reinen Sittenstrenge, <strong>die</strong><br />
Stätte der moralischen Güter, habe sie gebrochen, ihre wilden Triebe bezwungen, sagt<br />
<strong>die</strong> ehemals gänzlich amoralische Rebekka. Aber auch sie hat auf Rosmer im ganzen<br />
doch einen läuternden, reinigenden Einfluß zur Befreiung seines reinen Selbst geübt.<br />
und ihr junges Schuldbewußtsein ist fast heftiger als <strong>die</strong> Reue Rosmers über seine<br />
unbewußte Begünstigung ihres Vorgehens gegen Beate. So schließt <strong>die</strong> Dichtung mit<br />
der Frage: „Das eine sag mir noch, gehst Du mit mir, oder gehe ich mit Dir?“ und <strong>die</strong><br />
Antwort, <strong>die</strong> Ibsen darauf gibt, lautet: „Der Frage werden wir wohl in Ewigkeit nicht<br />
auf den Grund kommen.“<br />
Aber auch hier auf <strong>die</strong>ser zweiten Stufe ist Ibsen nicht stehen geblieben. In „Klein<br />
Eyolf“ wird das Schuldproblem an Rosmersholm neu aufgenommen. Hier handelt es<br />
sich aber nicht um eine Beate, nicht um <strong>die</strong> frühere Frau, wie in Rosmersholm,<br />
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