Ueber die letzten Dinge (1904), von Otto Weininger - Natural Thinker
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Dichtung, einem weiteren Kreise <strong>von</strong> Menschen näher zu bringen; 52 und dem keine<br />
höhere Ehrung widerfahren könnte, als eine Kritik zu heißen, <strong>die</strong> des Kunstwerkes<br />
selbst nicht unwürdig ist.<br />
52 Ibsen hat im Laufe seines Lebens leider aufgehört, gleich Großes zu wollen, wie zu der Zeit, da er den „Peer<br />
Gynt“ schrieb. „Kaiser und Galiläer“ bezeichnet <strong>die</strong>se Strecke seines Lebens, wo eines der gewaltigsten Probleme<br />
angefaßt wird, mit nur schwachen Resten des Willens, es auch zu lösen. Wäre Ibsen der Ibsen des „Peer Gynt“<br />
geblieben, er wäre größer als Goethe geworden; denn der Mensch kann alles, was er will. Das hervorragendste<br />
Stück der späteren Zeit, „Rosmersholm“ ist schwach, gegen „Peer Gynt“; und Ibsens Wille sinkt nach<br />
Rosmersholm weiter.<br />
Über <strong>die</strong> Idee der menschlichen Vaterschaft gegenüber der vorwiegenden Berücksichtigung der<br />
Verbindung des Kindes mit der Mutter sagt J. J. Bachofen, Das Mutterrecht, Stuttgart 1901, S. XXVII: „Ruht <strong>die</strong><br />
Verbindung der Mutter mit dem Kinde auf einem stofflichen Zusammenhange, ist sie der Sinnenwahrnehmung<br />
erkennbar und stets Naturwahrheit, so trägt dagegen das zeugende Vatertum in allen Stücken einen durchaus<br />
entgegengesetzten Charakter. Mit dem Kinde in keinem sichtbaren Zusammenbange, vermag es auch in ehelichen<br />
Verhältnissen <strong>die</strong> Natur einer bloßen Fiktion niemals abzulegen. Der Geburt nur durch Vermittlung der Mutter<br />
angehörend, erscheint es stets als <strong>die</strong> ferner liegende Potenz. Zugleich trägt es in seinem Wesen als erweckende<br />
Ursächlichkeit einen urstofflichen Charakter, dem gegenüber <strong>die</strong> hegende und nährende Mutter als ΰλη als χώρα<br />
und δεξαµένη γενέσεως, sich darstellt. Alle <strong>die</strong>se Eigenschaften des Vatertums führen zu dem Schlusse: In der<br />
Ilervorhebung der Paternität liegt <strong>die</strong> Losmachung des Geistes <strong>von</strong> den Erscheinungen der Natur, in ihrer<br />
siegreichen Durchführung eine Erhebung des menschlichen Daseins über <strong>die</strong> Gesetze des stofflichen Lebens. Ist<br />
das Prinzip des Muttertums allen Sphären der tellurischen Schöpfung gemeinsam, so tritt der Mensch durch das<br />
Übergewicht, das er der zeugenden Potenz einräumt, aus jener Verbindung heraus und wird sich seines höheren<br />
Berufes bewußt. Über das körperliche Dasein erhebt sich das geistige, und der Zusammenhang mit den tieferen<br />
Kreisen der Schöpfung wird nun auf jenes beschränkt. Das Muttertum gehört der leiblichen Seite des Menschen<br />
an, und nur für <strong>die</strong>se wird fortan sein Zusammenhang mit den übrigen Wesen festgehalten; das väterlich-geistige<br />
Prinzip eignet ihm allein . . . . Das siegreiche Vatertum wird ebenso entschieden an das himmlische Licht<br />
angeknüpft, als das gebärende Muttertum an <strong>die</strong> allgebärende Erde.“<br />
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