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Lexikon und Glossar - Springer

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<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

HERMAN HANS WALDVOGEL<br />

Vorbemerkungen<br />

»Es gibt keine patriotische Kunst <strong>und</strong><br />

keine patriotische Wissenschaft. Beide<br />

gehören, wie alles hohe Gute, der ganzen<br />

Welt an <strong>und</strong> können nur durch allgemeine<br />

freie Wechselwirkung aller zugleich<br />

Lebenden, in stetiger Rücksicht auf das,<br />

was vom Vergangeneo übrig <strong>und</strong> bekannt<br />

ist, gefördert werden.« (GOBTHB)<br />

Die moderne 1846 in Boston über perloperative<br />

Schmerzausschaltung geborene Narkoselehre- die spätere<br />

»Anästhesiologie« <strong>und</strong> heutige perloperative Medizin<br />

- ist das vielfähigste klinische Fach überhaupt, verbindet<br />

es doch angewandte Physiologie mit klinischer<br />

Pharmakologie, den Makrokosmos klinischer anatomischer,<br />

chirurgischer, medizinischer Bereiche mit dem<br />

rezeptoralen Mikrokosmos der Zelle <strong>und</strong> dringt über<br />

Gentranskriptionen in deren Zukunft ein. Die klinische<br />

Anästhesie hat damit nicht nur unbewusst den perloperativen<br />

Antinozizeptionsschutz vorbereitet <strong>und</strong> damit<br />

eine breite Basis für die Schmerztherapie, sondern auch<br />

für das gr<strong>und</strong>sätzlich neue Fachgebiet »perioperative<br />

Medizin« geschaffen. Dem Anästhesisten <strong>und</strong> Schmerztherapeuten<br />

werden adäquate Kenntnisse in innerer<br />

Medizin, Chirurgie, Neurologie, Psychologie <strong>und</strong> Psychiatrie<br />

abverlangt. Verständnisse in Chemie, Physik,<br />

Informatik <strong>und</strong> nicht zuletzt technische <strong>und</strong> manuelle<br />

Begabung sind zur Berufsausübung notwendig.<br />

A.A.S. Abk. für allgemeines Adaptationssyndrom ( ~<br />

Selye).<br />

a.c. Lat. Abk. Rezepturk<strong>und</strong>e, ante cenam, vor Mahlzeiten,<br />

präprandial.<br />

aa. Lat. Abk. Rezepturk<strong>und</strong>e, ana partes aequales, zu<br />

gleichen Teilen.<br />

AA. Abk. für Adjuvansarthritis, adjuvansinduzierte<br />

Polyarthritis (AIP): Durch intradermale/intraartikuläre<br />

Injektion einer Substanz (z. B. abgetötete Bakterien etc.)<br />

kann im Tierversuch eine experimentelle Entzündung<br />

im Sinne einer AA provoziert werden.<br />

AAA. Eng!. Abk. für postoperative Trias »analgesia,<br />

ambulation, alimentation «.<br />

Aaron-Zeichen. Nach dem am. Internisten C.D. 'Aaron<br />

(Detroit 1866-1951) benannter Schmerz, der am sog.<br />

McBurney-Punkt bei Appendicitis acuta . auftreten<br />

kann.<br />

A.A.S. Abk. für allgemeines Adaptationssyndrom ( ~<br />

Selye).<br />

Abadie-Zeichen (Abadie-Rocher-Zeichen). Nach dem<br />

frz. Ophthalmologen C. Ahadie (1842-1932) sowie dem<br />

frz. Neurologen A. Rocher (1873-1934): Druckanalgesie<br />

(Druckunempfindlichkeit) am Unterschenkel bei<br />

Tabes. Der beim M. Basedow auftretende Krampf des<br />

M. Ievator palpebrae superior wird ebenfalls Abadie­<br />

Zeichen genannt. :<br />

ABC-Maßnahmen. Nach Peter ~ Safar - zuerst im<br />

»Feuerwehrmanual« von Baltimore »Manual on resuscitation<br />

of the unconscious victim« 1957, dann 1961 im<br />

JAMA publiziert - bezeichnete Reanimationstrias:<br />

»airway« (Luftwege sichern!), »breathing« (Atmung<br />

sichern!), »circulation« (Kreislauf sichern!); auch durch<br />

W.B. Kouwenhoven (1886-1975; mit James R. Jude <strong>und</strong><br />

G. Guy Knickerbocker Begründer der geschlossenen,<br />

äusseren Herzmassage 1960) <strong>und</strong> Gordon (Pionierfilm,<br />

über Anästhesieausbildung: »Pulse of Life «, 1960 )<br />

gelehrt.<br />

ABC-Syndrom. Engl. Abk. für »angry backfiring c-nociceptor<br />

syndrome«: Schmerzsyndrom mit brennenden<br />

Schmerzen bei diversen Nervenschädigungen (z. B.:


776 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

diabetische Neuropathien); seine Entstehung wird<br />

durch Reizung ~ polymodaler Nozizeptoren erklärt<br />

(s. Buch A).<br />

Abdominalkrisen (Moore-Syndrom). Um den Nabel<br />

lokalisierte, paroxysmale Schmerzen ohne Bewusstseinsverlustbei<br />

Erregungsstörungen kortikaler Zentren.<br />

Abiosis. Nachlassen der Lebenskraft (Palliativmedizin:<br />

hohes Alter, terminale Erkrankungen, Depressionen).<br />

Abstinenzsyndrom. Entziehungssyndrom ( ~ Sucht,<br />

s. Buch B).<br />

Abusus. Lat., der Missbrauch von Wirkstoffen zu nichttherapeutischen<br />

Zwecken (z. B. Schmerzmittel <strong>und</strong><br />

Euphorie,~ Sucht).<br />

Acetylcholin. Abk. ACh; Mr: 163,2; ehern. ein leicht<br />

hydrolisierbarer Essigsäureester des biogenen instabilen<br />

Amins Cholin; durch Henry A. Dale 1914 isoliert;<br />

Arbeiten von ~ Otto Löwi (»Vagusstoff«, 1921); 1932<br />

durch Wilhelm Feldberg (1900-1993), später durch Fessard<br />

(Ehemann von Denise ~ Albe-Fessard) <strong>und</strong> Nachrnansahn<br />

als Neurotransmitter beschrieben. Funktion:<br />

Hormon, Neurotransmitter. Biosynthese: via Cholin­<br />

Acetyltransferase. Elimination: durch echte Acetylcholinesterase<br />

zu Cholin <strong>und</strong> Essigsäure gespalten,<br />

wobei Cholin zurResynthesevom Nerven wiederaufgenommen<br />

wird (»reuptake«). Die im Plasma, nicht aber<br />

im synaptischen Raum vorhandenen unechten (Plasma-)<br />

Acetylcholinesterasen hydrolysieren Exoliganden<br />

wie ~ Remifentanil (Buch C). Zielrezeptoren: es wird<br />

unterschieden zwischen cholinergen Nikotin- <strong>und</strong> cholinergen<br />

Muskarinrezeptoren. Bei beiden Rezeptortypen<br />

sind multiple Subtypen identifizierbar. Die am häufigsten<br />

diskutierten Wirkungen von ACh sind: nikotinartig<br />

über N, (autonome Ganglien/N2(Muskelendplatte)-Rezeptoren<br />

(Parasympathikus-, Sympathikus- <strong>und</strong> Endplatten-Ziel~<br />

organe) <strong>und</strong> muskarinartige Wirkung über M, (autonome<br />

Ganglien, zNs/M2 (Herz, speicheldrüsenr Rezeptoren (Parasympathikus-Zielorgane).<br />

Zentral applizierte M-Agonisten<br />

wirken antinozizeptiv (s. Buch F). ~ M-Subrezeptoren,<br />

~ N-Subrezeptoren.<br />

Acetylierung. Die Substitution eines H-Atoms durch<br />

eine Acetylgruppe, ~ acetylierte Salicylate.<br />

Achenbach-Syndrom. Engl. »paroxysmal finger hematoma«,<br />

nach dem Kölner Internisten W.A. Achenbach<br />

bezeichnetes Syndrom unklarer Ätiologie mit heftigen<br />

brennenden Schmerzen <strong>und</strong> Hämatomen in den Fingern,<br />

v. a. bei Frauen, nach mechanischer Belastung,<br />

aber auch spontan auftretend. Als »Achenbach's Child<br />

Behavior Checklist« wird auch ein in der Kinderpsychologie<br />

eingesetzter, durch die Familie auszufüllender<br />

Questionnaire bezeichnet.<br />

Achillodynie. Umschriebene Schmerzen im Achillessehnenbereich.<br />

Achsenzylinder. Axon, Achsenfortsatz, Neuraxon;<br />

besteht aus Axoplasma (Neuroplasma), Neurofibrillen,<br />

Protofibrillen, Axolemm <strong>und</strong> Mitochondrien.<br />

ACTH. Abk. für adrenocorticotropes Hormon; engl.<br />

Corticotropine, ein das Wachstum der Nebennierenrinde<br />

sowie deren Aktivität (Freisetzung von Nebennierenkortikosteroiden)<br />

regulierendes hypophysäres Hormon.<br />

ad m.m. Lat. Abk., Rezepturk<strong>und</strong>e, ad manum medici,<br />

zu Händen des behandelnden Arztes.<br />

Ad usum proprium. Lat., Rezepturk<strong>und</strong>e; »ad us<br />

propr.«, zum eigenen Gebrauch.<br />

Adaptationssyndrom. Von ~ Selye eingeführte Bezeichnung<br />

für Anpassungsphasen des Organismus an<br />

Stresssituationen mit Alarmreaktion, Resistenzphase<br />

<strong>und</strong> Erschöpfungsphase.<br />

adde. Lat., Rezepturk<strong>und</strong>e, »Füge hinzu!«<br />

additive Wirkung. Einfache algebraische Summation<br />

(Verstärkung) der Wirkungen zwei er Wirkstoffe. V gl. ~<br />

synergistische Wirkung. Es wird auch vom additiven<br />

Synergismus gesprochen (Wirkungsintensivierung<br />

durch einfach additive Summation). Beispiele: Wirkstoff-Potenz<br />

2 +Wirkstoff-Potenz 3 =Potenz 5 ( = additiv).<br />

Potenz 2 + Potenz 3 = Potenz 10 ( = supraadditive<br />

oder~ synergistische Wirkung). Der Ausdruck~ Synergismus<br />

wird verwirrenderweise sowohl für die einfache<br />

additive Wirkungsverstärkung als auch für die<br />

supra-additive Potenzierung verwendet.<br />

Adenosin (Adenin-ribofuranosid). Aus Adenin <strong>und</strong> D­<br />

Ribose bestehendes Ribonukleosid. Baustein vieler biologisch<br />

wichtiger Stoffe: Energiespeicher (Phosphorsäureester<br />

ADP, AMP, ATP), Nukleinsäuren (DNS, RNS)<br />

sowie peripherer <strong>und</strong> zentraler Neurotransmitter ( u. a.<br />

Nozizeption): 2 Subrezeptoren: A, (antinozizeptiv), A2<br />

(pronozizeptiv). I.v.- Adenosin produziert Schmerzen<br />

(A 2 -R vermittelt). Adenosinagonisten haben eine antinozizeptive<br />

Wirkung (prä- <strong>und</strong> postsynaptische Hemmung<br />

via A,-R; ~Coffein). Adenosinantagonist: Theophyllin.<br />

Adenosin wird als antiarrhythmischer Wirkstoff<br />

in der Kardiologie diskutiert:~ Purine (s. Buch A<br />

<strong>und</strong> F).<br />

Adenylatcyclase. Engl. »adenylyl cyclase«, ein Zellmembranenzym<br />

der Klasse »Lyase«, das die Überführung<br />

von ATP zu zykl. AMP katalysiert. Die Adenylatcyclase,<br />

von der bislang 9 Isoformen bekannt sind, gehört zu<br />

einem sog. Effektorsystem, das durch aktivierte ~ G­<br />

Proteine in Gang gesetzt wird.<br />

Adiposalgie. Nach Faber ~ Dercum-Krankheit (Adipositas<br />

dolorosa): spontan oder auf Druck schmerzhafte<br />

subkutane Fettanhäufungen ..


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 777<br />

Adler, Alfred (Wien 1870-1937). Augenarzt, Psychiater<br />

<strong>und</strong> Psychologe. Mit ---7 S. Freud, mit der er später<br />

brach, Begründer von psychoanalytischen Arbeitsgruppen.<br />

Emigration in die USA 1932.<br />

ADME. Engl. Abk. für »absorption, distribution, metabolism,<br />

excretion«, Abkürzung für die 4 Hauptuntersu­<br />

·chungen der sog. ---7 Pharmakakinetik<br />

ADP. Abk. für Adenosindiphosphat, biologischer Energieüberträger.<br />

Nimmt aus AMP reversibel Phosphor auf<br />

<strong>und</strong> wird zu ATP umgesetzt.<br />

Adrenalin. Chem.: L-1-(3',4'-Dihydroxy-phenyl)-2-methylaminoethan-1-ol.<br />

C 9 H, 3 N0 3 • M,: 183,2. 1901 von J.<br />

Takamine (1854-1922) isoliert <strong>und</strong> von F. Stolz<br />

(1860-1936) dargestellt. Biosynthese: aus Tyrosin; Elimination:<br />

via Catechol-0-Methyltransferase (COMT)<br />

<strong>und</strong> Monooxidase (MAO). Hormon- <strong>und</strong> Neurotransmitterfunktion.<br />

Zielrezeptoren: a,-I


778 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

AK gegen an der Erythrozytenoberfläche befindliche<br />

Antigene (vgl. Checkliste UAW in BuchE).<br />

AINOS. Abk. für Antagonisten-induzierter, narkosegestützter<br />

Opioidschnellentzug (s. Buch B).<br />

AlP Abk. für adjuvansinduzierte Polyarthritis.<br />

Akathisie. Extrapyramidalmotorisches hyperkinetisches<br />

Symptom bei M. Parkinsan oder iatrogenem Parkinsonoid<br />

(z.B. ~ D 2 -Antagonisten); manifestiert sich<br />

durch eine äußere <strong>und</strong> innere, quälende Unruhe zu<br />

ruhigem Sitzenbleiben <strong>und</strong> Zwang, die Beine zu bewegen.<br />

Akinesia algera Möbius. Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen<br />

(Symptom bei Erwartungsneurosen, Hysterie).<br />

Akinesie. Bewegungsarmut, hervorgerufen durch ~<br />

Dopaminsynthesestörung in den striären Bereichen;<br />

medikamentöse extrapyramidale Störungen bei Neuroleptikamedikation.<br />

~ Dopaminrezeptoren.<br />

akinetisch-rigides Syndrom.~ Parkinsonismus.<br />

Akroanästhesie. Sensibilitätsstörung in den Extremitäten.<br />

Akrodynie. Akrenschmerz mit Erythembildung <strong>und</strong><br />

Abschuppung (1828/29 von Chardon als »erytheme epidemique«<br />

beschrieben).<br />

Akromelalgie. ~ Mitchell-Syndrom.<br />

Akroparästhesie. Oft im Klimakterium auftretende<br />

Sensibilitätsstörungen in den Extremitäten in Form von<br />

Parästhesien, Schmerzen, Bewegungshemmungen<br />

sowie Blässe <strong>und</strong> Zyanose ( ~ M. Raynaud).<br />

AktionspotentiaL An Zellmembranen messbares elektrisches<br />

Potential während Zellaktivität; bei Depolarisation<br />

folgt nach dem »Alles-oder-Nichts«-Gesetz ein<br />

fortgeleitetes AktionspotentiaL<br />

Akureyri-Krankheit. Epidemische Neuromyoasthenie.<br />

Albe-Fessard Denise (Paris *1916). Bedeutende zeitgenössische<br />

frz. Schmerzforscherio (Neurophysiologie);<br />

Studium der Naturwissenschaften (insbes. Chemie<br />

<strong>und</strong> Physik) an der Ecole Sup. de Physique et Chimie<br />

Industrielle de Paris mit Promotion 1950 an der Universität<br />

Paris; 1957-1984 Professur für Psychophysiologie<br />

<strong>und</strong> Neurophysiologie an der Sorbonne sowie an der<br />

Universität Pierre <strong>und</strong> Marie Curie; Gastprofessuren in<br />

Toronto, Bologna, Chieti, Irvine; multiple Ehrungen (so<br />

Ehrenlegion, Dr. h.c. Universität Prag, freie Universität<br />

Bruxelles, Ehrenmitgliedschaftell u. a. dt. Gesellschaft<br />

für EEG). Forschungen über elektrische Entladungen<br />

beim Fisch (Doktorat), elektrophysiologische Erforschung<br />

des ZNS insbes. der thalamisehen Strukturen,<br />

der neo-spino-thalamischen Bahnen, Automutilation<br />

des Tieres <strong>und</strong> Schmerzphänomene etc. 1. Präsident( in)<br />

der ~ IASP. Publizierte 1996: »La douleur. Mecanismes<br />

et bases de ses traitements«. Masson (Paris).<br />

alerting system. Engl. Bezeichnung für ~ Formatio<br />

reticularis (Buch A).<br />

Alexander von Tralles (ca. 525-605). Sein Bruder war<br />

Architekt der Hagia Sophia - ordnete der genauen Differentialdiagnostik<br />

bei Schmerzzuständen eine grosse<br />

Bedeutung zu. Es soll auch UAW bei Langzeitgaben als<br />

solche erkannt haben <strong>und</strong> den Patient entsprechend<br />

aufgeklärt haben.<br />

Algesie. Schmerzhaftigkeit, Schmerzempfindlichkeit<br />

(s. auch: Analgesie, Hypalgesie, Hyperalgesie).<br />

Algesiologie. Wissenschaft bzw. Fach der Bekämpfung<br />

von Schmerzen.<br />

Algodystrophie. Historische Sammelbezeichnung;<br />

heute: SMP bzw. sympathetically maintained pain syndrom;<br />

s. Buch A.<br />

Algolagnie. Pathologische »Schmerzgeilheit«.<br />

algology. Engl.: die Wissenschaft der Schmerzbekämpfung<br />

(Algologie= Wissenschaft der Algen,~ Algesiologie).<br />

algophobe Akinesie. Schmerzreflektorische Ruhigstellung<br />

einer erkrankten Extremität.<br />

Algophobie. Schmerzangst<br />

Algorithmus. Spielregel, z. B. Plan von Behandlungsabläufen<br />

(nach al Chwrarismi bzw. seinem Algebrabuch<br />

[um 8oo n. Chr.], das später ins lateinische übersetzt<br />

worden war: »Dixit Algorizmi«).<br />

Algos. Griech. Stammwort für ~ Algesie (Algesia); den<br />

Wortteil -algia, -algie findet man in zusammengesetzten<br />

Begriffen (z. B. Neuralgie,~ Algesimeter, ~ Hypalgesie,<br />

~ Hyperalgesie, Myalgie bzw. Muskelschmerz<br />

etc.).<br />

Alkaloid. Stickstoffenthaltende »alkaliähnliche«, an<br />

pflanzliche Säuren geb<strong>und</strong>ene Pflanzenstoffe.<br />

Allachästhesie. An einer anderen Körperstelle empf<strong>und</strong>ener<br />

Reiz.<br />

Allästhesie. Dysästhesie, verfälschte, falsch lokalisierte<br />

Wahrnehmung von Berührungsreizen (griech. allachai<br />

= anderswo; aisthesia = Perzeption) auf der gleichen<br />

Extremität (nach Stewart 1884).<br />

Allo-. Griech. Bestimmungswort in zusammengesetzten<br />

Fremdwörtern mit der Bedeutung »anders«,<br />

»fremd« (Beispiel ~ Allocheirie, Allodynie).<br />

Allocheirie. 1882, nach dem Wiener Neurologen, Hirnforscher<br />

<strong>und</strong> Psychiater sowie Gründer des Neurologischen<br />

Instituts der Universität Wien Heinrich Oberstei-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 779<br />

ner (Wien 1847-1922 Wien), bei organischen Erkrankungen<br />

des ZNS (Tabes etc.): fehlerhafte Lokalisation<br />

des Schmerzreizes (allos = anders; chiria = Hand) auf<br />

der anderen entsprechenden Körper hälfte. V gl. auch ~<br />

Allästhesie.<br />

Allodynie. Qualitativ (»unangenehm«) <strong>und</strong> quantitativ<br />

(erhöht) verändertes Schmerzgefühl, auslösbar durch a<br />

priori nicht schmerzhafte Stimuli (Beispiel: Hemdtragen<br />

nach Sonnenbrand). Vgl. ~Alloknesis.<br />

Alloknesis. Unangenehmes ltching (Pruritus): wahrscheinlich<br />

zentral ausgelöst ( ~ UAW Opioide: zentraler<br />

Pruritus). Vgl. ~ Allodynie.<br />

Alloparalgie. Das Auftreten konsensueller Schmerzen<br />

in der ges<strong>und</strong>en Extremität (s. Klinik~ Kausalgie).<br />

Alpha-Fasern (a-Fasern) 16-20 Jlill dicke, hochmyelinisierte<br />

Fasern mit hoher Leitungsgeschwindigkeit von<br />

80-120 m/s. Funktion: Afferenzen aus Muskelspindeln,<br />

Sehnenorganen sowie motorische extrafusale Efferenzen.<br />

Alpha-Phase (a-Phase oder


780 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Paresen, Muskelatrophien, Sensibilitätsstörungen unbekannter<br />

Ursache.<br />

Ana. (Rezeptur, abgekürzt aa): zu gleichen Teilen.<br />

ANA. Antinukleäre Antikörper (z. B. bei systemischen<br />

Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes,<br />

chronischer Polyarthritis usw. werden Antikörper<br />

gegen Zellkern-DNS gebildet).<br />

Anaesthesia. ~ Anästhesie.<br />

Anaesthesia dolorosa. Schmerzempfinden in »tauben«<br />

Gegenden (z. B. Phänomen bei Trigeminusneuralgie:<br />

brennende Schmerzen im Nervenbereich mit Wegfall<br />

der entsprechenden Oberflächensensibilität).<br />

Anaesthesie et Analgesie. Frz. Fachzeitschrift, gegründet<br />

1935.<br />

Analeptika. Das ZNS unspezifisch stimulierende Wirkstoffe.<br />

Analgesia dolorosa. Kombination von brennenden<br />

Neuralgieschmerzen (Trigeminusneuralgie) in Kombination<br />

mit gestörter peripherer Schmerzempfindlichkeit<br />

(s. auch~ Anaesthesia dolorosa).<br />

Analgesie (Analgie). Schmerzlosigkeit.<br />

Analgetika. Schmerzstillende Mittel.<br />

Analgetika-Niere.~ Phenacetin-Niere.<br />

Analgetikasucht. Arzneimittelmissbrauch ( ~ Opioide,<br />

~ Amphetamin, ~ Phenacetin ~ Buch B!<br />

Analgia congenita. ~ Fanconi-Ferrazini: Angeborenes<br />

(rezessiv vererblich?) Fehlen der ~ protopathischen<br />

Schmerzempfindung bei normaler epikritischer Empfindung;<br />

auf schädigende Reize keine adäquate Schmerzreaktion<br />

(Schutzlosigkeit). Der betroffene Patient hat eine<br />

narbenübersähte Haut, verstümmelte Extremitäten <strong>und</strong><br />

wegen unbemerkter Caries vorzeitigen ZahnausfalL Mit<br />

fortschreitendem Alter können bei diesen Patienten<br />

offenbar Sinnesorgane (Augen etc.) sowie der Verstand<br />

die protektive Rolle des Schmerzes übernehmen.<br />

Analgia. Analgesie (Schmerzlosigkeit).<br />

Analgothymie. Zentrale Indolenz (Beispiel nach Leukotomie).<br />

Analogskala. Darstellung der subjektiven Schmerzempfindung<br />

durch eine Skala (s. Buch A: ~ Schmerzdokumentation).<br />

Anamnese. Vorgeschichte des Patienten (z. B. die<br />

Schmerzanamnese, die im Schmerzprotokoll dokumentiert<br />

wird).<br />

Anandamid. Aus Arachidonat <strong>und</strong> Äthanolamin<br />

zusammengesetzter cannabinomimetischer Endoligand<br />

des ZNS.<br />

Anaphylaxie. !gE-vermittelte antigenspezifische Immunreaktion<br />

mit sofortiger lebensbedrohender Akutreaktion<br />

(Hypotension, Vasodilatation, Bronchokonstriktion,<br />

Herzstillstand etc.). Kreuzallergie möglich.<br />

Anästhesie. Zustand der Unempfindlichkeit des Nervensystems<br />

im weitesten Sinne. Das Wort Anästhesie ist<br />

im englischen Sprachbereich seit mindestens seit 1721<br />

(»Shorter Oxford English Dictionary« bzw. »Bailey's Dictionarium<br />

Britannicum«, London 1730) in Gebrauch.<br />

1819 in Parr's London Medical Dictionary als »Unempfindlichkeit<br />

gegenüber Gefühl« <strong>und</strong> Sinn beschrieben.<br />

1843 im Buch von John Elliotson (»Numerous cases of<br />

surgical operations without pain in the mesmeric state«,<br />

London 1843) in Zusammenhang mit perioperativer<br />

Medizin (Anästhesie bzw. Allgemeinnarkose) gebracht.<br />

Seit dem Brief von Oliver Wendeli Holmes vom 21.<br />

November 1846 »The state (Morton's Äthernarkose,<br />

Anm. Hrsg.) should ... be called anaesthesia« allgemein<br />

einer durch sog. »anti-aesthetic agents« induzierten allgemeinen<br />

Unempfindlichkeit bzw. Allgemeinnarkose<br />

zugeordnet. Als taktile Anästhesie wird die Störung der<br />

Oberflächensensibilität mit völligem Verlust der Berührungswahrnehmung<br />

bezeichnet. Unter dem Begriff<br />

»partielle Anästhesie« wurde 1845 in Boston durch<br />

McPheeters der Zustand der Unempfindlichkeit der<br />

Unterschenkel ohne motorischen Ausfall beschrieben<br />

(z. B. tabesbedingt).<br />

Anaxagoras. Griech. Philosoph (500-428), Lehrer von<br />

Sokrates: Schmerztheorie ähnlich wie bei Buddha: jeder<br />

Sinnesreiz ist mit Schmerz verb<strong>und</strong>en. Schmerz wird<br />

im Hirn perzeptiert (!).<br />

Anilinderivate. Anilin (Aminobenzol) wurde 1826 vom<br />

Niederlausitzer Otto Unverdorben bei der Destillation<br />

von Indigo (portugiesisch anil: blau) entdeckt. Bekannte<br />

Anilinderivate sind Acetanilid, ~ Phenacetin <strong>und</strong> ~<br />

Paracetamol.<br />

Ankylose. Gelenksteife.<br />

Anosmie. Verminderung oder Fehlen der Geruchswahrnehmung<br />

(periphere Anosmie, zentrale Anosmie).<br />

Anrep von, Wassili (Bei St. Petersburg 1852-1927 Paris)<br />

Aus westfälischer Familie, die sich in Estland angesiedelt<br />

hatte, stammend. Nach abgeschlossenem Medizinstudium<br />

in St. Petersburg Kriegsarzt während des russisch-türkischen<br />

Krieges (1877-1878). In Würzburg Mitarbeit<br />

beim Pharmakologen Michael Rossbach<br />

(1842-1894). Mit~ Koller <strong>und</strong> ~ Halsted Pionier der<br />

Lokal- <strong>und</strong> Regionalanästhesie; u. a. »Über die physiologische<br />

Wirkung des Cocain« (1880). Mitglied der<br />

Duma. 1917 von den Bolschewiken inhaftiert. Tod in der<br />

Emigration.<br />

Antagonismus. Gegensatz zu Synergismus.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 781<br />

Antagonist. Ein Ligand, der dank Affinität kompetitiv<br />

<strong>und</strong> reversibel einen Rezeptor besetzt, aber dabei keine<br />

intrinsische Wirkung auslöst.<br />

Anthranilsäure. Chem. Ortho-Aminobenzoesäure; Ausgangsstofffür<br />

Synthese der sog. --7 Anthranilsäurederivate<br />

(Etofenamat, Meclofenamat, Mefenaminsäure etc.:<br />

s. BuchE).<br />

Antidot. Unspezifisches »Gegenmittel« (historische<br />

Pharmakatherapie ).<br />

Antidotarium. Von der arabischen Medizin übernommene<br />

Sitte, Rezepte <strong>und</strong> Vorschriften in Arzneibüchern<br />

zu sammeln. Vorläufer der heutigen Pharmakopöen.<br />

antidrom. Entgegen der natürlichen Ausbreitung leitend<br />

(z. B. --7 neurogene Entzündung).<br />

antiinflammatorische Substanzen ( antientzündliche<br />

Wirkstoffe). --7 NSAR (nichsteroidale Antirheumatika,<br />

engl. --7 NSAID) bzw. --7 saure antipyretische Analgetika<br />

(sAA; s. Buch D <strong>und</strong> E).<br />

Antineuralgika. (Historisch): »Schmerzmittel gegen<br />

Neuralgien«.<br />

antineuritisches Vitamin. (Historisch): Vitamin B, ( --7<br />

Buch F).<br />

Antinozizeption. Bisher ohne offiziellen Definition:<br />

Gesamtheit der physiologischen Abwehrmechanismen<br />

gegen Noxen umschreiben. Die Antinozizeption umfasst<br />

die Unterdrückung von Nozitransduktion, Nazitransmission<br />

<strong>und</strong> Nozitransformation. Sog. --7 Schmerztests,<br />

bei Tieren werden anband objektiver Beobachtungen<br />

durchgeführt <strong>und</strong> sind deshalb keine Schmerztests,<br />

sondern »Antinozizeptionstests«. Die Idee der klinischen<br />

»Antinozizeption« wurde von Crile 1913 eingeführt:<br />

» The kinetic theory of shock and its prevention<br />

through anoci-association (shockless operation)«.<br />

Antinozizeptiva. (Nichtoffizielle Bezeichnung): Exoliganden,<br />

die allein keinen wesentlichen analgetischen<br />

Schutz induzieren, aber in Komedikation mit Analgetika<br />

den Antinozizeptionsschutz additiv bis superadditiv<br />

verbessern. Die Bezeichnung Antinozizeptivum wird<br />

auch von Pharmakologie im Kontext von Schmerzforschung<br />

beim Tier verwendet (s. Buch F).<br />

Anti-Opioide. Nichtoffizielle Bezeichnung für endogene<br />

Peptide mit anti-opioidmodulierenden Eigenschaften<br />

( --7 Cholecystokinin CCK, --7 Neuropeptid FF [NPFF],<br />

Melanozyten-inhibiting-Faktor [MIF]: --7 Buch B).<br />

antisense Oligonukleotide. Kurzkettige, einzelsträngige,<br />

synthetische Nukleotidfragmente bzw. Nukleinsäure<br />

mit einer definierten Sequenz bzw. Abfolge von Basen,<br />

die »komplementär (= »Antisens«) gegenüber einer<br />

Abfolge der Ribonukleinsäure des Zielproteins ist.<br />

Diese Sequenz bindet über komplementäre Paarung an<br />

die entsprechende Sense-Sequenz (einer Ziel-RNS oder<br />

DRNS) <strong>und</strong> sabotiert so die Bildung des Zielproteins.<br />

Dieser gentechnische Trick wird in der Forschung angewandt,<br />

um verschiedenste Proteinstrukturen (z. B.<br />

Rezeptoren) zu erforschen.<br />

Anxietas. Angst.<br />

Anxiolytika. Angstlösende Wirkstoffe.<br />

APAIS. (Schmerzklinik) Abk. für Amsterdam Preoperative<br />

Anxiety and Information Scale (s. Buch A).<br />

Apgar, Virginia (1909-1974). Erste Professorin für<br />

Anästhesiologie an der Columbia Universität (1949).<br />

Führte 1953 standardisierte Scores zur Vitalitätserfassung<br />

von Neugeborenen ein (vereinfachtes Klinikerakronym<br />

für APGAR: A [appearance], P [pulse], G [grimace],<br />

A [activity], R [respiration]). Im Vorwort zur<br />

Publikation schrieb sie Bemerkungen, die heutzutage<br />

beispielsweise für die Einführung entsprechender<br />

Schmerzskalen Gültigkeit hätten (s. Zitat).<br />

»Seldom have there been such imaginative<br />

ideas, such enthusiasms, and dislikes, and<br />

such unscientific observations and study<br />

about one clinical picture.«<br />

Apoptosis. Physiologischer, präprogrammierter Zelltodmechanismus,<br />

der durch spezifische Veränderungen<br />

von Zellorganellen charakterisiert ist (Nukleus, Zytoplasma,<br />

Cleavage von DNA-Fraktionen etc.); die<br />

Apoptosis wird als physiologischer Antagonist zur Mitose<br />

interpretiert.<br />

Apperzeption. Die bewusste Verarbeitung von Eindrücken.<br />

Applikation. Verabreichung von Wirkstoffen.<br />

APS. American Pain Society, 1978 gegründetes nationales<br />

Mitglied der --7 IASP.<br />

Aptamerbindung. Die sequenzspezifische Bindung<br />

eines Oligonukleotids an ein Protein.<br />

APUD. Amine and precursor uptake and decarboxylation.<br />

Die aus der Neuralleiste stammenden spezialisierten<br />

sog. APUD-Zellen haben die Fähigkeit, Amine oder<br />

deren Vorstufen aufzunehmen <strong>und</strong> daraus u. a. Peptidintestinalhormone<br />

zu synthetisieren.<br />

Aquadynie. Durch Wasser(bad) auslösbare intensive,<br />

brennende Schmerzen.<br />

aquagener Pruritus. Durch Wasser(bad) auslösbarer<br />

Pruritus.<br />

Aquaporine. 1993 erstmals beschriebene Membranproteinfamilie:<br />

selektive Wasserkanäle, die Wasser entge-


782 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

geneinem Konzentrationsgefälle aktiv durch Zellmembrane<br />

etc. transportieren können.<br />

arabische Ärzte/arabische Medizin. Zum Beispiel: Avicenna<br />

(Abu Ali Hussain ihn Abdullah ibn Sina<br />

980-1037 ), Al Razi, Al Bagdady, El Bitar <strong>und</strong> Ibn El Kuff<br />

waren während des Mittelalters (9.-14. Jahrh<strong>und</strong>ert)<br />

führend in wissenschaftlicher <strong>und</strong> praktischer Medizin,<br />

wobei dem Schmerz große Beachtung geschenkt wurde.<br />

Einführung von analgetisch wirksamen Phytotherapeutika<br />

wie Opium, Papaveris, Hyoscin, Mandragora<br />

etc. systemisch <strong>und</strong> lokal (! z.B.lokale Instillation von<br />

Opiumsaft, -paste, -patches als Zahnfüllungen, Opiumohrentropfen,<br />

mit Phytotherapeutika getränkte Verbände<br />

etc.). Verwendung von Wärme <strong>und</strong> Kälte (!) zur<br />

Schmerzstillung, präoperative Vorbereitung mit<br />

Schmerzmitteln. Die präzise, analytische Arbeitsweise<br />

dieser arabischen Medizinschule hatte großen Einfluss<br />

auf die späteren europäischen Antidotarien bzw. Pharmakopöen;<br />

z.B. das arabisch Wort »al-goul« (»Alkohol«,<br />

durch El-Kindi zum 1. Mal destilliert) bezeichnet<br />

etwas, was den Kopf »sturm« macht. Die arabische Wissenschaft<br />

(Zentrum Bibliotheksstadt Alexandrien)<br />

rettete durch Übersetzungen unzählige alteuropäische<br />

(griechische, römische) Texte vor der Vernichtung <strong>und</strong><br />

dem Vergessen.<br />

Arachidonsäure. Essentielle, vierfach ungesättigte<br />

Fettsäure <strong>und</strong> Bestandteil von Phosphatidbiomembranen.<br />

In vivo bei Biomembranschädigung freigesetzt<br />

<strong>und</strong> hauptsächlich über Cyclooxygenasen ( ---7 COX -1/2,<br />

Buch DIE) <strong>und</strong> Lipoxygenasen (Buch DIE) zu bioaktiven<br />

Substanzen (»Arachidonsäurekaskade«) abgebaut.<br />

Arachnitis. (Synonym: Arachnoiditis) Entzündung der<br />

Arachnoidea; als sog. sterile Arachnitis nach instrumenteller<br />

(z. B. Langzeitkatheter) oder medikamentöser<br />

Reizung bei Spinal- oder Epiduralanästhesien möglich<br />

(grob vergleichbar mit » Verwachsungsbäuchen nach<br />

abdominalen Eingriffen«!).<br />

ARAS. Abk. für aufsteigendes retikuläres aktivierendes<br />

System.<br />

Area postrema. Nach ---7 Borison u. Wang (1953)<br />

beschriebenes ---7 zirkumventrikuläres Organ, das als<br />

chemorezeptorischer ZNS-Sensor für potentielle Bluttoxine<br />

funktioniert <strong>und</strong> bei Aktivation tiefergelegene<br />

sog. »Brechfunktionszentren« stimuliert bzw. den<br />

Brechreflex auslöst.<br />

Area <strong>und</strong>er the curve, AUC. Siehe Buch K, die Fläche<br />

unter der Konzentration-Zeit-Kurve: auf der Ordinate<br />

wird die Plasmakonzentration, auf der Abszisse die Zeit<br />

aufgetragen. Die nach der sog. Trapezoidregel ausgemessene<br />

Fläche unterhalb der Kurve ist proportional<br />

der Menge des Wirkstoffes, die den systemischen Kreislauf<br />

erreicht hat.<br />

ARS. Engl. Abk. für »autonomic reflex screen«: Testassortiment<br />

für das autonomes Nervensystem (z. B. Valsalva-Manöver,<br />

---7 QSART etc.).<br />

Arendt-Nielsen, Lars (*1958). Prof. Dr. sei; nach Studien<br />

an der Aalborg Universität, Weiterbildung am National<br />

Hospital for Nervous Diseases London; Kontakte mit ---7<br />

Wall u. Fitzgerald. Zurück in Dänemark Erforschung u.<br />

a. auch mit Annelise Rosenfalck der Beziehungen zwischen<br />

elektrischen <strong>und</strong> mechanischen Parameter von<br />

Motorneuronen bzw. deren Motorfasern; Beginn der<br />

Schmerzforschung u. a. mit Henrik Kehlet etc. Gründung<br />

1992 des Labaratory for Human Experimental<br />

Research, das heute mit schon 45 permanenten Mitarbeitern<br />

Weltgeltung hat <strong>und</strong> ab 2001 jährlich 35<br />

Schmerzspezialisten (dreijährige Ausbildung; Ph.D.)<br />

ausbilden soll. Multiple akademische internationale<br />

Auszeichnungen.<br />

Aristoteles (Stagira 384-322 Chalkis). Sohn des Leibarztes<br />

des Makedonenkönigs Amyntas li, mit Sokrates <strong>und</strong><br />

Platon Begründer der abendländischen Philosophie: die<br />

Seele ist unabhängig vom Körper <strong>und</strong> unzerstörbar. Die<br />

Doktrin der 5 Sinne wird Aristoteles zugeschrieben.<br />

arousal reaction. Engl. Bezeichnung nach Moruzzi u.<br />

Magoun 1949: Weckreaktion.<br />

ARS. Engl. Abk. für »arousal reaction system« (retikuläres<br />

Weckreaktionssystem): s. auch ---7 Bispectral EEG.<br />

Arsonvalisation. Durch den frz. Physiologen 1892 d' Arsonval<br />

eingeführte Hochfrequenzstromtherapie, die<br />

u. a. wegen ihrer Wärmeentwicklung schmerzlindernd,<br />

u. a. von ---7 von der Porten eingesetzt.<br />

Arteriitis temporalis Horton. Akut einsetzender Schläfenkopfschmerz<br />

(z. B. auch als UAW: s. Wirkstoffprofil<br />

Etodolac Buch E: Fallbeschreibung von Horton-Symptomatik<br />

bei wirkstoffinduzierter allergischtoxischer<br />

Vaskulitis der A. temporalis).<br />

Arzneibuch. Pharmakopöe. Amtliches, meist nationales<br />

Vorschriftenbuch für die Zubereitung, Beschaffenheit,<br />

Aufbewahrung, Bevorratung, Prüfung <strong>und</strong> Ausgabe von<br />

Arzneien sowie ihren Gr<strong>und</strong>stoffen. Die WHO hat 1951<br />

ein internationales Arzneibuch, Pharmacopoe Internationalis,<br />

erarbeitet. Die im Mittelalter von Stadtvätern<br />

herausgegebenen Arzneibücher wurden auch als<br />

»Dispensatorium« bezeichnet. Das alte Wort Offizin (lat.:<br />

die Werkstatt) für Apotheke wird noch als »offizinell« für<br />

im amtlichen Arzneibuch aufgenommene Heilmittel verwendet.<br />

Arzneimittel. Nach dem Arzneimittelgesetz(§ 1 Abs. 1)<br />

sind Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes Stoffe <strong>und</strong><br />

Zubereitungen von Stoffen, die vom Hersteller oder<br />

demjenigen, der sie sonst in den Verkehr bringt, dazu<br />

bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen<br />

oder tierischen Körper: 1. die Beschaffenheit, den


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 783<br />

Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelischer<br />

Zustände erkennen zu lassen oder zu beeinflussen,<br />

2. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte<br />

Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen oder<br />

3· Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe<br />

zu beseitigen oder unschädlich zu machen. Arzneimittel<br />

können (§ 2 Arzneimittelgesetz) Wirkstoffe sein<br />

wie: 1. chemische Elemente <strong>und</strong> chemische Verbindungen<br />

sowie deren natürlich vorkommende Gemische<br />

<strong>und</strong> Lösungen, 2. Pflanzen, Pflanzenteile <strong>und</strong> Pflanzenbestandteile<br />

in bearbeitetem oder unbearbeitetem<br />

Zustand. 3· Tierkörper, auch lebender Tiere, sowie Körperteile,<br />

-bestandteile <strong>und</strong> Stoffwechselprodukte von<br />

Mensch <strong>und</strong> Tier in bearbeitetem Zustand, 4· Mikroorganismen,<br />

Viren sowie deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte.<br />

Arzneimittelabhängigkeit Von der WHO 1964 vorgeschlagener<br />

Oberbegriff für alle mit chronischem Medi- .<br />

kamentenmissbrauch entstehenden Probleme (Toleranz,<br />

Entziehungssymptomatik etc.). Früher: Arzneimittelsucht.<br />

Arzneimittel-Kompendium der Schweiz. Von der ---7<br />

IKS einziges anerkanntes, umfassendes, firmenübergreifendes<br />

Nachschlagewerk mit Fachinformation,<br />

Register <strong>und</strong> Patienteninformation über die in der<br />

Schweiz erhältlichen Wirkstoffe. Pendant zur Roten<br />

Liste (Deutschland), Vidal (Frankreich).<br />

Arzneimittelsucht ---7 Arzneimittelabhängigkeit<br />

Arzneispezialität Definition § 4 Arzneimittelgesetz:<br />

Arzneimittelspezialitäten im Sinne des Gesetzes sind<br />

Arzneimittel, die in gleichbleibender Zusammensetzung<br />

hergestellt <strong>und</strong> in abgabefertigen Packungen<br />

unter einer besonderen Bezeichnung in den Verkehr<br />

gebracht werden.<br />

Arzneistoff (Pharmakon). Wirkstoff, der im Organismus<br />

zur Verhütung, Linderung, Heilung oder Erkennung<br />

von Krankheiten dient.<br />

Ärztathropologie der Romantik. Romantische Sonderform<br />

der anthropologischen philosophisch-wissenschaftlichen<br />

Betrachtung des Menschen, v. a. durch<br />

folgende Ärzte geprägt: Ignaz Paul Vitalis ---7 Troxler,<br />

Christian Friedrich Nasse (Bielefeld 1778-1851 Marburg,<br />

Pionier der »Diagnostik am Krankenbett«), Johann<br />

Michael Leupoldt (Weißenstadt 1794-1874 Erlangen),<br />

Dietrich Georg von Kieser (Hamburg 1779-1862 Jena;<br />

u.a. 1814-1817 Feldarzt in Frankreich bei den Weimarischen<br />

Truppen), Johann Christian August Heinroth<br />

(Leipzig 1773-1843 Leipzig), Joseph Ennemoser<br />

(Schönau/Tirol1787-1854 Egern; Anhänger des ---7 Mesmerismus),<br />

Ignaz Döllinger (Bamberg 1770-1841 München),<br />

---7 K.G. Carus, Karl Friedrich Burdach (Leipzig<br />

1776-1797 Leipzig, Anatomieprofessor in Königsberg:<br />

nach ihm benannt Fasciculus cuneatus bzw. Burdach-<br />

Strang; unvollendetes Opus über »Die Physiologie als<br />

Erfahrungswissenschaft), Joachim Dietrich Brandis<br />

(Hildesheim 1762-1846 Kopenhagen; Leibarzt des dänischen<br />

Königs, publizierte über Erfahrungen der<br />

Anwendung von Kälte), Pranz Benedict von Baader<br />

(München 1765-1841 München), Johann Heinrich Perdirrand<br />

von Autenrieth (Stuttgart 1772-1835 Tübingen).<br />

Aspirin. Warenzeichenname, gebildet aus A (für Acetyl)<br />

<strong>und</strong> Spir (aus der Spiraea ulmaria wurde erstmals die<br />

Salicylsäure oder Spirsäure isoliert), patentiert am 1.<br />

Februar 1899 beim kaiserlichen Patentamt; im Kontext<br />

des Versailler Vertrages Verlust des Patents an sog. Siegermächte<br />

(s. Wirkstoffprofil Acetylsalicylsäure<br />

Buch E). Siehe auch Felix ---7 Hoffmann <strong>und</strong> Artbur ---7<br />

Eichengrün.<br />

Ästhesie. Gefühl, Wahrnehmung.<br />

Ästhesiometer. Empfindungsmeter zur Prüfung der<br />

Hautempfindlichkeit<br />

Ataranalgesie. Griech. ataraktos = ruhig, Die Kombination<br />

von Analgetikum <strong>und</strong> Psychopharmakon zu Analgesie-<br />

<strong>und</strong> Sedationszwecken (nach Hayward u. Butt).<br />

Ataraxia. Griech. »Seelenruhe«.<br />

AUC. Engl. Abk. für »area <strong>und</strong>er the curve« (Fläche<br />

unter der Konzentration-Zeit-Kurve). Die sog. AUC<br />

wird durch die Fläche unter der Blutkonzentration­<br />

Zeitkurve nach definierter Applikation dargestellt.<br />

Erfolgt beispielsweise nach p.o.-Gabe eine rasche, völlständige<br />

enterale Resorption, ist die Plasmakonzentration<br />

entsprechend hoch, wobei sich die Gesamtfläche<br />

unter der Plasmakonzentration-Zeitkurve zur Größe<br />

der resorbierten Arzneimittelmenge proportional verhält.<br />

Aufbereitungsmonographie. Durch Expertenkommissionen<br />

beim B<strong>und</strong>esinstitut für Arzneimittel <strong>und</strong> Medizinprodukte<br />

(BfArM; ehemaliges B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsamt<br />

BGA) erstellte wissenschaftlichen Monographien<br />

für die bis dahin »fiktiv zugelassenen« Arzneimittel.<br />

aufsteigendes retikuläres aktivierendes System Magoun.<br />

Nach ---7 H.W. Magoun 1949 durch sensorische<br />

Afferenzen angeregte ---7 Formatio reticularis; aktiviert<br />

höhere kortikale Zentren (s. auch: Bispectral-EEG).<br />

Aura. Kurzdauernde eigenartige Wahrnehmungen, die<br />

bei Migräne-Patienten der Kopfschmerzphase vorausgeht.<br />

Ausscheidung. Kinetik, Elimination.<br />

Autotomie. »Selbstverstümmelung«; wird bei Tierexperimenten<br />

als Zeichen für Schmerz interpretiert. Hinweise<br />

sind jedoch vorhanden, dass Sensibilitätsstörungen<br />

oder Parästhesien ebenfalls ausreichende Gründe für<br />

eine Autotomie sein könnten.


784 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

autonomes Nervensystem. Syn.: vegetatives NS, verantwortlieh<br />

für autonome Funktionen zur Aufrechterhaltung<br />

des »milieu interne«, unterteilbar in ---1 zentrales<br />

autonomes NS (Synonym zentrales autonomes Netzwerk,<br />

»central autonomic network« CAN) <strong>und</strong> ---1 peripheres<br />

autonomes NS (s. Buch A).<br />

autonome Nervenblockaden. Klinisch gebräuchlicher,<br />

aber ungenauer Begriff: die temporäre (LA oder Neurolysis)<br />

Blockade zu therapeutischen Zwecken (Analgesie,<br />

periphere Perfusionssteigerung) von autonomen Ganglien<br />

(z. B. Ganglion coeliacum etc.) beinhaltet 1. die<br />

Blockierung von autonomen Efferenzen <strong>und</strong> 2. die<br />

Blockierung von viszeralen (nichtautonomen!) Primärafferenzen.<br />

aversiv. »gegenteilig«; eine }}aversive Wirkung« ist eine<br />

}}gegenteilige Wirkung«; z. B.: Opioide vom Typ partielle<br />

K-Agonisten bzw. ---1 Antagonist-Agonist können eine<br />

aversive Dysphorie über nichtopioiderge a-Rezeptoren<br />

induzieren (s. Buch B).<br />

Avogadro, Amadeo (1776-1856). In Turin wirkender<br />

Physiker. Stellte u. a. das nach ihm benannte Gesetz auf,<br />

wonach die Zahl der in 1 ml enthaltenen Moleküle<br />

(unter Normalbedingungen) 2,69 · 1o'9 beträgt. Diese<br />

Konzentration wird in hohen ---1 Hahnemann-Verdünnungsreihen<br />

}mnterboten«.<br />

Ayurveda. Indisches, kosmisch-spirituelles Heilk<strong>und</strong>esystem<br />

(}}Die Lehre vom Leben«): Hauptkomponenten<br />

Vata (Sanskrit: Luft), Pitta (Feuer), Kapha (Wasser).<br />

Schmerz soll keine Erkrankung, sondern ein Ungleichgewicht<br />

dieser 3 verantwortlichen Konzepte sein.<br />

Babinski,Joseph (1857-1932). Frz. Neurologe polnischer<br />

Abstammung, Schüler von ---1 Charcot. publizierte u. a.<br />

1896: »Le reflexe cutane plantaire dans certaines affections<br />

organique du systeme nerveux«. Nach Babinski<br />

wird der B.-Reflex (Großzehenreflex bei Pyramidenbahnschäden,<br />

1896), das B.-Ohr-Phänomen, das B.­<br />

Nageotte-Syndrom, das B.-Vaquez-Syndrom, das<br />

Anton-B.-Syndrom, sowie das B.-Fröhlich-Syndrom<br />

bezeichnet. Babinsky studierte Allgemeinmedizin,<br />

publizierte Arbeiten über Typhus (1882), wurde einer<br />

der Pioniere der frz. Neurologieschule (Charcot, Brissaud,<br />

Pierrie Marie, Dejerine), initiierte die frz. Neurochirurgie<br />

( ---1 de Martel, ---1 Vincent) <strong>und</strong> befasste sich in<br />

seinen letzten Arbeiten mit Psychologie (1930: Arbeiten<br />

über Hysterie).<br />

Bahnung. Neurophysiologischer Begriff der Vorbereitung<br />

der Nervenzelle durch unterschwellige Reize.<br />

Damit wird die Schwelle für neueintreffende Impulse<br />

laufend erniedrigt. Die Summation dieser Impulse<br />

führt zur Impulsausbreitung. Gegenteil: Hemmung.<br />

BAI. Abk. für Beck anxiety inventory (nach Beck et al.<br />

1988).<br />

Baillarger, Fran~ois (1809-1890 ). Bedeutender frz. Neurologe;<br />

beschrieb kortikale Schichten <strong>und</strong> wies nach,<br />

dass das menschliche Hirn im Verhältnis zu seinem<br />

Gesamtvolumen kleiner ist als bei niedrigen Tieren.<br />

balanced analgesia. Analgesietechnik mit Ziel, die zentrale<br />

(spinale, supraspinale) Schmerzmodulation spezifisch<br />

mittels }}zentraler Analgetika« vom Typ Opioid,<br />

die periphere Schmerzmodulation gleichzeitig mittels<br />

}}peripherer Schmerzmittel« vom Typ Entzündungsbemmer<br />

(bzw. COX-Inhibitoren) zu beeinflussen. Waldvogel<br />

u. Fasano (1983) führten erfolgreich Hemikolektomien<br />

unter spinaler Lofentanilgabe in Kombination mit<br />

}}peripheren Analgetika« durch. }}The aim wastoblock<br />

nociceptive transmission at medullary receptor site<br />

Ievel and to act as weil on the peripheral genesis of pain,<br />

a procedure we could define as a kind of balanced analgesia<br />

technique comparable to balanced anaesthesia<br />

techniques« (Der Anästhesist 1983, S.32, A 17.6); die<br />

Namengebung wurde durch ---1 J.S. L<strong>und</strong>ys Konzept der<br />

}}balanced anaesthesia« (1926) geprägt.<br />

Bamm, Peter (Pseudonym für Curt Emmrich; Hochneukirch<br />

bei Grevenbroich 1897-i975 Zollikon). Freiwilliger<br />

des 1. Weltkriegs; Studium der Medizin, als<br />

Chirurg bzw. Schiffarzt Weltreisen <strong>und</strong> Kriegschirurg<br />

1940-1945: }}Die unsichtbare Flagge«.<br />

Barästhesie. Drucksinn.<br />

Barästhesiometer. Ein Instrument zur Messung des<br />

Drucksinns.<br />

Barker, A.E. (1850-1916). Führte hyperbare Techniken<br />

bei der Spinalanästhesie ein. ,<br />

Barre-Lieou-Syndrom (auch: Neri-Barre-Lieou-Syndrom).<br />

Nach dem Strassburger Neurologen J.A.B. Barre<br />

(1880-1967) benanntes mit Kopfschmerzen einhergehendes<br />

Krankheitsbild (Neuralgiesyndrom mit Mitbeteiligung<br />

des autonomen Nervensystems bei Schädigung<br />

der Halswirbelsäule).<br />

Bärtschi-Rochaix Syndrom. Nach W. Bärtschi-Rochaix<br />

benannte halbseitige, anfallsmässig (migräneartig) mit<br />

Schwindel, Seh- <strong>und</strong> Hörstörungen auftretende Kopfschmerzen<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage von posttraumatischen<br />

Veränderungen der Halswirbelsäue (v. a.: A. vertebralis,<br />

Spinalnerven).<br />

Bartter-Syndrom (»Prostaglandismus«). Nach dem<br />

Endokrinologen F.C.B. Bartter am Bethesda-Spital!<br />

Maryland 1962 beschriebene autosomal-hereditäre<br />

primäre PGE 2 -Überproduktion (Nierenmark), Renin­<br />

Angiotensin-Bildung i = Hyperaldosteronismus (renaler<br />

Kaliumverlust), ADH-Hemmung (erhöhte renale<br />

Wasserverluste), Stimulation des Kallikreinsystems mit<br />

erhöhter Kininfreisetzung (Vasodilatation), Muskelschwäche,<br />

Ödeme, Hypotension, Kreislaufschwächen.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 785<br />

Symptomatische Therapie: PG-Synthesehemmer (z. B.<br />

---1 Indometacin).<br />

Basbaum, Allan I. (Montreal *1947). Nach Studien in<br />

Psychologie (McGill University Montreal), Anatomie<br />

<strong>und</strong> Neurophysiologie (University College, London)<br />

sowie Neuroanatomie Professor <strong>und</strong> Vorsitzender des<br />

Lehrstuhls für Anatomie des W.M. Keck Center for Integrative<br />

Neuroscience, UC San Francisco. Vormals Präsident<br />

der IASP. Vielfache internationale Auszeichnungen<br />

für Verdienste in der Schmerzforschung.<br />

Basler Chemische Industrie. ---1 Geigy, ---1 CIBA, ---1 Sandoz<br />

(1996 zu Novartis fusioniert), Durand <strong>und</strong> Huguenin,<br />

---1 Hoffmann-La Roche, Müller-Pack etc. Erste<br />

Anfänge gehen auf den Frühkapitalismus im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

zurück (einfache Produktionsherstellung wie<br />

Seidenbandindustrie, Färbereien, Engros-Handel mit<br />

Rohwaren wie Drogen, Gewürzen, daneben Kleinhandel);<br />

gefördert durch die günstige Verkehrslage sowie<br />

sog. Refugianten (in der Regel hochbegabte, kultivierte<br />

<strong>und</strong> reiche Religionsverfolgte) aus Frankreich, Holland<br />

etc. Später u. a. durch den bedeutenden Nationalökonomen<br />

Christoph Bernoulli geprägt. Ausbau der Verkehrsmittel<br />

(erste schweizer Bahn ins Elsaß! Erster Tunnelbau<br />

zwischen Basel <strong>und</strong> Olten: Hauenbergtunnel 1858;<br />

ab 1881 Telefonnetz, ab 1895 Ausbau des Oberrheins bzw.<br />

des Basler Rheinhafens). Erste Anfänge eines eigentlichen<br />

übernationalen Regionalismus (Regio Basiliensis<br />

mit Elsass <strong>und</strong> Baden). Der v. a. durch die Familie Geigy<br />

geförderte Bahnbau wurde v. a. von den katholischen<br />

Konservativen (Basel-Stadt war traditionsmässig protestantisch)<br />

als schlimme »Negoziation« gegenüber den<br />

»falschen Welschen« interpretiert <strong>und</strong> ein Herr Professor<br />

Reber schrieb über das »Trojanische Pferd Bahn«:<br />

Du Geist des alten Priamos.<br />

Erschein im großen Rate!<br />

Erzähl ihm von dem hölzernen Roß.<br />

Das deinem Troja nahte. Sag ihm:<br />

Zerbrechet nicht Euren Wall.<br />

'<strong>und</strong> werdet dieses Rosses Stall.<br />

Sag ihm: es sei ganz einerlei.<br />

Ob's Ross von Holz, von Eisen,<br />

Und ob der, der im Bauche sei,<br />

'Franzos oder Grieche mög' heißen!<br />

Bayer, Friedrich (Barmen 1825-1880). Farbstoffkaufmann,<br />

gründete 1863 die Firma Bayer & Co.<br />

Bayes, Thomas, Mathematiker, anglikanischer Geistlicher<br />

(Reverend) (1702-1761). Untersuchte erstmals, wie<br />

aus empirisch gewonnenen Daten auf eine zugr<strong>und</strong>eliegende<br />

Wahrscheinlichkeit von Ursachen zurückgeschlossen<br />

werden kann. Stellte eine komplizierte For-<br />

mel (»Bayes-Regel«) auf, die - 1763 nach seinem Tode<br />

publiziert <strong>und</strong> zunächst unverstanden - später vom<br />

französischen Mathematiker Pierre Sirnon Marquis de<br />

Laplace (1749-1827) in seiner Darstellung der Wahrscheinlichkeitsrechnung<br />

(1812-1814) aufgegriffen<br />

wurde. Der Lehrsatz nach Bayes ist heute Ausgangspunkt<br />

für komplizierte logisch-statistische Wahrscheinlichkeitsüberlegungen.<br />

1992 wurde die International<br />

Society for Bayesian Analysis (ISBA) mit der Aufgabe<br />

gegründet, Bayesianische statistische Theorien<br />

<strong>und</strong> Methoden für theoretische <strong>und</strong> praktische Anwendungen<br />

in Industrie, Wissenschaft (Medizin: ---1<br />

Cochrane-Bewegung) <strong>und</strong> Politologie zu fördern.<br />

BDNF. Engl. Abk. für »brain derived neurotrophic factor«,<br />

zur Superfamilie der sog. Trophikfaktoren bzw.<br />

»nerve growth factors« gehörend, die Trophik <strong>und</strong> Differenzierung<br />

zentraler <strong>und</strong> peripherer Nerven beeinflussen.<br />

Becher, Johannes Robert (München 1891-1958 Berlin).<br />

Studium der Medizin <strong>und</strong> Philosophie. 1914 »Verfall<br />

<strong>und</strong> Triumpf«; 1934 »zwangsausgebürgert«; nach Emigration<br />

in Moskau ab 1954 Kulturminister der DDR.<br />

Bechtherevvon, Vladimir Maikhailowitsch (1857-1927).<br />

Bedeutender russischer Neurologe, Schüler des bedeutenden<br />

dt. Psychiaters <strong>und</strong> Neurologen Paul Flechsig<br />

(Zwickau 1847-1929 Leipzig); nach ihm werden zentrale<br />

Kerne (Nucleus vestibularis rostralis), Erkrankungen<br />

(Sponylarthritis ankylopoetica der Wirbelsäule), Reflexe<br />

(Augenreflex, paradoxer Pupillenreflex, Hackenreflex,<br />

Pronationsreflex, Karpometakarpalreflex, Bechterew-Mendel-Plantarreflex)<br />

sowie das B.-Syndrom (bei<br />

Druck auf Wadenbein bzw. N. fibularis kein Druckschmerz<br />

bei Tabes dorsalis) <strong>und</strong> das B.-Ischiasphänomen<br />

(Ischiassyndrom) benannt.<br />

Beecham, Sir Thomas (1879-1961). Weltberühmter Dirigent;<br />

ab 1919 künstlerischer Leiter des Covent Garden<br />

Opera House. Zusammen mit seinem Vater Sir Joseph<br />

als Inhaber der Beecham Pharmaceutical Company<br />

Aufkauf des Covent Garden Estate (u. a. mit Royal<br />

Opera House, Theatre Royal, Drury Lane etc.) 1914.<br />

Finanzierte aus dem Verkauf u. a. von Aspirin, das sein<br />

Großvater Thomas als Pharmazeut in Lancashire herstellte,<br />

u. a. seine von ihm geleitete Beecham Opera<br />

Company (1915 bis zum finanziellen Debakel 1920)<br />

sowie die British National Opera Company. Autobiographie<br />

1944: »A mingled chime«.<br />

Beecher, Henry K. ([ursprünglich dänischer Namen<br />

Unangst], Wichita/Kansas 1904-1976). Studium der<br />

Chemie (Universität Kansas); danach 4 Jahre Vorsteher<br />

des dortigen Chemieinstitutes; weitere Studien an der<br />

Harvard-Universität bis 1932; 1 Jahr Physiologie beim<br />

Nobelpreisträger August ---1 Krogh in Dänemark,


786 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

danach Chirurgieassistent Als der für Anästhesie am<br />

Mass. Gen. Hospital verantwortliche Chirurg Bradshaw<br />

nach 4 Jahren die Tätigkeit 1936 quittierte, wurde Beecher<br />

als Protege seines v. a. für Lungenchirurgie berühmten<br />

Chefs Churchill 1936(-1969) Nachfolger des<br />

Anästhesiedienstes, obwohl Beecher keine formelle<br />

Ausbildung in Anästhesiologie hatte. Publizierte 1938<br />

» The Physialagy af Anaesthesia«, wurde 1939 Anästhesie-«


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 787<br />

sehe Katastrophe nach 1933 treiben den als melancholisch<br />

beschriebenen Arzt <strong>und</strong> Forscher zum Selbstmord<br />

durch Erhängen. Die Erfindung des EEG ermöglichte<br />

die neurophysiologisch begründete Epileptiologie sowie<br />

(dank Datenverarbeitungstechnik wie Fourier-Technik)<br />

das perioperative ZNS-Monitoring (Sedationstiefe,Antinozizeptionsschutz:<br />

z. B. ~ Bispectral Index).<br />

Berliner Ges<strong>und</strong>heitshaus. Im Tiergartendistrikt von<br />

Ernst Joel (1893-1929; bedeutendem dt. Pazifist mit<br />

Gründung des Journals »Der Aufbruch«; 1915 Petition<br />

u. a. von Martin Bub er, Kurt Eisner, Eugen Diederichs, S.<br />

Fischer, Magnus Hirschfeld, Heinrich Mann, Thomas<br />

Mann,Alfred Mombert, Frank Wedekind, Walter Benjamin,<br />

Alfred Kerr, Gustaf Landauer, Fritz Mauthner,<br />

Ferndirrand Tönnies, Gustaf Wyneken etc. an die Preussischen<br />

Abgeordneten, die Streichung von Joel aus der<br />

Studentenliste der Universität Berlin aufzuheben ... ,<br />

<strong>und</strong> Fritz Fränkel (Lebensdaten unbekannt) gegründete<br />

Klinik für Drogenabhängige. Joel <strong>und</strong> Fränkel - in<br />

enger Zusammenarbeit mit Walter Benjamin - waren<br />

Pioniere von Drogen <strong>und</strong> Rausch (die dt. Bezeichnung<br />

»Rausch« wurde als »telquel« im Engl. übernommen)<br />

<strong>und</strong> publizierten über die Pathologie der Gewöhnung,<br />

»Morphiumsucht«, »Cocainomanie«, »Haschisch­<br />

Rausch« u.a. auch 1926: »Ist in Deutschland der Anbau<br />

von Indischem Hanf notwendig?« (s. auch Buch B).<br />

Bernard, Claude (1813-1878). Hervorragender frz. Physiologe<br />

( u. a. Nachweis der Curarewirkung an der motorischen<br />

Endplatte 1857, Le


788 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Betäubungsmitteln sind gesetzmäßig gleichgestellt Halluzinogene,<br />

zentrale Stimulanzien vom Typ Amphetamin<br />

sowie weitere Stoffe <strong>und</strong> Präparate, die eine ähnlich<br />

Wirkung wie diese erstgenannten Stoffe vermitteln. Das<br />

Eidgenössische Ges<strong>und</strong>heitsamt erstellt das Verzeichn~s<br />

dieser Stoffe gestützt auf die Artikel 69, 69bis <strong>und</strong> 64b1s<br />

der B<strong>und</strong>esverfassung (SR 101), <strong>und</strong> nach Einsicht in<br />

eine Botschaft des B<strong>und</strong>esrates vom 9· April 1951<br />

beschloß die B<strong>und</strong>esversammlung der Schweizerischen<br />

Eidgenossenschaft das B<strong>und</strong>esgesetz über die Betäubungsmittel<br />

vom 3. Oktober 1951. Es wird ergänzt durch<br />

Verordnungen (1952, 1984). Im 1. Kapitel »Allgemeine<br />

Bestimmungen« werden die unter das Betäubungsmittelgesetz<br />

fallenden Stoffe bestimmt. In Bezug auf die<br />

Schmerztherapie fallen darunter das Rohmaterial<br />

Opium sowie die Wirkstoffe Phenanthren-Alkaloide<br />

<strong>und</strong> deren Derivate/Salze, die zur Abhängigkeit führen.<br />

Die entsprechenden Vermerke findet der Leser in den<br />

entsprechenden Wirkstoffprofilen (Rezeptpflichtigkeit).<br />

Gewisse Stoffe werden im II. Kapitel (Herstellung,<br />

Abgabe, Bezug <strong>und</strong> Verwendung) verboten: es sind dies<br />

in Bezug auf die Schmerztherapie: Rauchopium <strong>und</strong><br />

Derivate; Diacetylmorphin <strong>und</strong> Salze (Heroin). In der<br />

Schweiz darf der Apotheker Betäubungsmittel abgeben<br />

aufgr<strong>und</strong> einer schriftlichen Bestellung (Rezept) eines<br />

zur Berufsausübung berechtigten Arztes (812.121.1 Artikel38).<br />

Die gesetzlichen Vorschriften für den praktizierenden<br />

Arzt in Bezug auf Aufbewahrung <strong>und</strong> Kontrolle<br />

sind ebenfalls praxisbezogen. Die Verordnung von 1984<br />

(812.121.2) listet die für die Schmerzpraxis gebrauchten<br />

Stoffe: sie werden im Wirkstoffprofil unter Rezeptpflichtigkeit<br />

angegeben. In der Schweiz (in Bezug auf<br />

die Schmerzpraxis) verbotene Stoffe sind Heroin <strong>und</strong><br />

Rauchopium. In Deutschland regelt das Betäubungsmittelgesetz<br />

(BtMG) von 28.7.1981 sowie die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung<br />

1981 die<br />

Schmerzmittelpraxis des Arztes (durch die 2. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung<br />

von 1986<br />

sowie einer Betäubungsmittel-Verschreibeverordnung<br />

von 1986/1988/1993 angepasst).<br />

Bettelheim, Bruno (1903-1990 ). Österr. Psychologe<br />

1938; im KZ Dachau <strong>und</strong> Buchenwald inhaftiert, 1939<br />

freigelassen. Emigration in die USA. Publizierte u. a.<br />

über Stress von Einzelpersonen <strong>und</strong> Massen in extremen<br />

Situationen (Konzentrationslager etc.), Kinderpsychologie<br />

(Autismus). Auf dt. 1966 »Aufstand gegen die<br />

Massen«, 1970 erschien »Liebe allein genügt nicht«. Universität<br />

Tübingen: Leopold-Lucas-Preis 1990.<br />

Bewusstlosigkeit. Koma.<br />

Bewusstsein. Nach dem Universalgenie Gottfried Wilhelm<br />

Leibnitz (Leipzig 1646-1716 Hannover) postulierter<br />

Gesamtinhalt der »Ich-Erfahrung« (später: C.G.<br />

Jung etc.).<br />

BfArM. B<strong>und</strong>esinstitut für Arzneimittel <strong>und</strong> Medizinprodukte;<br />

(früher BGA: B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsamt).<br />

B-Fasern. Histologisch dünne Fasern (1-3 pm) mit einer<br />

Leitungsgeschwindigkeit von wm/s: präganglionäre<br />

Fasern des autonomen Nervensystems (s. Buch A).<br />

Bias. Engl.: Schräglage, Schieflage; moderne Statistik;<br />

ein innerhalb wissenschaftlicher Studien möglicher<br />

bzw. auftretender systematischer Denkfehler oder<br />

unkontrollierter Einfluss oder verdeckte Voreingenommenheit.<br />

Bielschowsky, Max (1869-1940). Bedeutender dt. Neurologe<br />

<strong>und</strong> Vater der modernen Neuropathologie. Arbeiten<br />

in Frankfurt am Senckenberg Pathologischen Institut.<br />

Bier, August Karl Gustav (Helsen 1861-1949). Nach Studien<br />

in Berlin, Leipzig <strong>und</strong> Kiel (Promotion 1986) Allgemeinpraktiker,<br />

wo er dem berühmten Chirurgen Friedrich<br />

von Esmarch (1823-1908) durch seine klinische<br />

Begabung auffiel. Innerhalb von 2 Jahren Privatdozent.<br />

Durch Iräneus Quincke (1842-1922), ebenfalls an der<br />

Kieler Chirurgie, erlebte er die Technik der Lumbalpunktion<br />

(was dem eifersüchtigen Quincke zu schaffen<br />

machte). Bier erlaubte 1898 seinem Assistenten Hildebrandt,<br />

an ihm selbst die erste intrathekale Kokainanästhesie<br />

durchzuführen. Publikationen u. a.: » Versuche<br />

über Cocainisierung des Rückenmarks«(1899 ), » Weitere<br />

Mitteilungen über Rückenmarksanästhesie«(1901).<br />

Später nach Greifswald, Bonn <strong>und</strong> 1907 als Nachfolger<br />

von Bergmanns nach Berlin. Verlor 2 illustre Patienten<br />

in der Folge von Appendektomien: den Industriellen<br />

Hugo Stinnes (1924; Stefan Zweigs »Kriegsgewinnler«)<br />

sowie den Reichspräsidenten Friedrich Ebert (1925).<br />

Zog sich 1934 nach Sauen in der Mark (DDR) zurück.<br />

Der nachmalige sowjetische Militärchefarzt war zufälligerweise<br />

ein ehemaliger Student von Bier, so dass Bier<br />

fortan unbehelligt seinen Lebensabend in Sauen verbringen<br />

konnte, wo er mit seiner Ehefrau in einem<br />

unscheinbaren Grab in seinem geliebten Wald begraben<br />

wurde.<br />

bildgebende Verfahren. CT bzw. Röntgen-computed­<br />

Tomographie; PET bzw. Positron-emission-computed­<br />

Tomographie; SPECT bzw. Single-photon-emissioncomputed-Tomographie;<br />

MR bzw. magnetische Resonanzverfahren<br />

erlauben die Analyse, Aufzeichnung von<br />

Perfusions- bzw. Aktivitätsänderungen (z. B. auf standardisierte<br />

Schmerzreize, Gabe von Wirkstoffen etc.)<br />

im ZNS etc. (s. Buch A).<br />

biliäre Exkretion. Die Elimination durch hepatische<br />

Exkretion (betrifft MS <strong>und</strong> Metaboliten): über einen<br />

sog. enterohepatischen Kreislauf können solche Stoffe<br />

wieder in den systemischen Kreislauf gelangen (s.<br />

Buch K).


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 789<br />

Billroth, Theodor (Rügen 1829-1894). Ausbildung in<br />

Göttingen <strong>und</strong> Berlin (Schönlein, von Langenbeck). Als<br />

32jähriger nach Zürich berufen. 1867 - einige Monate<br />

nach der Schlacht bei Königgrätz - durch Kaiser Franz<br />

Joseph nach Wien berufen. Billroth war neben seiner<br />

weltberühmten chirurgischen Tätigkeit (1881 erste<br />

Magenresektion) u. a. Musikjournalist (Allgemeine<br />

musikalische Zeitung, Leipzig; NZZ) <strong>und</strong> Musikkomponist<br />

In einem Brief an Mulicz 1883: »In Zürich habe ich<br />

ziemlich viel componirt: 3 Trios, ein Clavierquintett,<br />

<strong>und</strong> ein Streichquartett ... Meine sämtlichen Compositionen<br />

habe ich vor einigen Jahren den Flammen übergeben,<br />

es war schreckliches Zeug! Und stank grässlich<br />

beim Verbrennen.« Liederkompositionen: davon nur<br />

freigegeben »Todessehnsucht« (nach einem Gedicht<br />

von Georg Herwegh). Grosser Briefwechsel mit Johannes<br />

Brahms, mit dem ihn eine tiefe Fre<strong>und</strong>schaft verband.<br />

Ebenfallsgrosses Engagement für Pflegepersonal:<br />

»Die Krankenpflege im Hause <strong>und</strong> im Hospitale.« 1894<br />

als Schwerkranker (Pneumonie, Depressionen) im Kuraufenthalt<br />

in Istrien ( Opatia) schrieb er wenige Tage vor<br />

seinem Tode:<br />

Nacht ist's; schon lange lautlose Stille um<br />

mich, nun wird's auch in mir still.<br />

Mein Geist beginnt zu wandern, ein ätherblauer<br />

Himmel wölbt sich über mir. Ich<br />

schwebe körperlos empor. Es klingen die<br />

schönsten Harmonien von unsichtbaren<br />

Chören, in sanftem Wechsel gleich dem<br />

Atmen der· Ewigkeit! Auch Stimmen nehm<br />

ich wahr, die Worte sind ein leises Rauschen,<br />

Klingen: »Komm müder Mann, wir<br />

machen glücklich Dich. In dieser Sphären<br />

Zauber befreien wir Dich vom Denken,<br />

der höchsten Wonne <strong>und</strong> dem tiefsten<br />

Schmerz der Menschen. Du fühltest Dich<br />

als Theil des Alls, sei nun im ganzen All<br />

vertheilt, das Ganze zu empfinden mächtig.«<br />

Binding, Rudolf Georg (Basel 1867-1938 Starnberg).<br />

Jura- <strong>und</strong> Medizinstudium, dann Schriftsteller: sein<br />

Vater Karl Ludwig Lorenz (1841-1920) schuf die staatsrechtlich-politischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen zur späteren nationalsozialistischen<br />

---7 »Euthanasie« (s. auch: Hoche).<br />

Kavallerie-Offizier während des 1. Weltkriegs.<br />

Bing, Robert (1878-1956). Neurologe; beschrieb das<br />

Bingsche Kopfschmerzensyndrom (Syn.: Horton-Syndrom).<br />

Bioinversion. Der in vivo bei Razemat-Molekülen, aber<br />

auch bei Enantiomeren mit asymmetrischem C-Atom<br />

vorkommende spontane Wechsel bzw. Umkehr von<br />

einer Enantiomerform (z.B. S, R-Form) zur anderen<br />

(z. B. 2-Arylpropionsäureabkömmlinge, Ibuprofen: s.<br />

BuchE).<br />

Biomembran. In der klinischen Pharmakologie wichtige<br />

Trennschichten zwischen Blutorgan <strong>und</strong> ZNS (»Blut­<br />

Hirn-Barriere«), mütterlichem <strong>und</strong> fetalem Kreislauf<br />

(»diaplazentäre Passage«) oder Milch <strong>und</strong> Säugling<br />

(»translaktale Passage«). Ziel der Forschung sind die<br />

multiplen passiven <strong>und</strong> aktiven Transportsysteme dieser<br />

früher fälschlicherweise als rein passiv angenommenen<br />

Trennschichten.<br />

Biosensor. Spezifische Strukturen, die imstande sind,<br />

die Anwesenheit <strong>und</strong> Konzentration von Molekülen<br />

<strong>und</strong> Strukturen in quantifizierbare physikalische Signale<br />

umzuwandeln (z. B. ---7 zirkumventrikuläre Signale).<br />

Biotransformation. Syn.: Metabolismus, Verstoffwechselung:<br />

Die durch Enzyme katalysierte Umwandlung<br />

eines Xenoliganden in eine andere Molekülart; bei der<br />

hepatischen (wichtigsten) Biotransformation wird eine<br />

Phase I (Oxidation, Reduktion, Hydrolyse) sowie eine<br />

Phase II (Konjugation z. B. mit Glukuronsäure) unterschieden.<br />

Daneben biotransformieren andere Organe<br />

wie Lungengewebe, Plazenta, ZNS etc. (s. Buch K sowie<br />

Wirkstoffprofile).<br />

Bioverfügbarkeit. Syn.: »bioavailability«, systemische<br />

oder biologische Verfügbarkeit; auch Bioäquivalenz:<br />

Anteil eines extravaskulär verabreichten Wirkstoffes,<br />

der im Blut erscheint <strong>und</strong> für die Zielorgane verfügbar<br />

ist. Der Unterschied bei gleicher Dosierung zur i.v.­<br />

Gabe, bestimmt anhand der Fläche unter der Konzentration-Zeit-Kurve<br />

(---7 AUC), ergibt den Unterschied.<br />

Die relative Bioverfügbarkeil ist die Bestimmung einer<br />

Standard- mit einer Testdosis bei einem Wirkstoff, der<br />

nicht i.v. gegeben werden kann. Bei nichtinvasiver<br />

Anwendung wird die Bioverfügbarkeil durch die ---7<br />

Resorptionsphase (Biomembrangängigkeit, aktive <strong>und</strong><br />

passive Resorption etc.) entscheidend beeinflusst; bei<br />

nichtinvasiver <strong>und</strong> invasiver Gabe wird die Bioverfügbarkeil<br />

durch die ---7 hepatische (<strong>und</strong> pulmonale etc.)<br />

Extraktionsrate beeinflusst (s. Buch K).<br />

Bi-spectral-EEG. Für die pharmakodynamische Messung<br />

einer iatrogenen Depression des ZNS eingesetzte<br />

EEG-Technik, wobei die einzelnen EEG-Komponenten<br />

dank Fourier-Transformation in entsprechende Sinuswellen<br />

umgewandelt werden <strong>und</strong> dann die individuellen<br />

Phasenverschiebungen zwischen den Wellen analysiert<br />

werden, wobei ein einzelner Parameter, gekennzeichnet<br />

durch einen numerischen Index o-10, entsteht<br />

( = bi-spektraler Index), der in Beziehung zur Sedation<br />

bzw. Anästhesietiefe steht.<br />

BJA (auch Br J Anaesth). Abk. für das 1923 durch den<br />

amerikanischen Anästhesisten H.M. Cohen (New York


790 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

1875-1929 Manchester) <strong>und</strong> Engländer~ H.E.H. Boyle<br />

gegründete British Journal of Anaesthesia.<br />

Blindversuch. Wirkungsprüfung. Einfacher Blindversuch:<br />

Versuchsperson geblindet. Doppelter Blindversuch:<br />

Versuchsperson <strong>und</strong> Versuchshelfer geblindet.<br />

Blinkreflex. Augenschutzreflex der Augenlider; kann in<br />

der Schmerzforschung auch als »schmerzbedingter<br />

Blinkreflex« (»pain evoked blink reflex«) durch noxische<br />

Laserstimuli (z. B. supraorbitale Nervenstimulation<br />

mit Laserpuls; Arbeiten von Ellrich, Bromm etc.,<br />

s. Buch A) erzeugt werden.<br />

Blut-Hirn-Schranke. Biologische Trennmembran mit<br />

multiplen aktiven Transportmechanismen zwischen<br />

Hirn <strong>und</strong> Blutkreislauf (s. Biomembrangängigkeit von<br />

Wirkstoffen: Buch allgemeine Kinetik). Von der Blut­<br />

Hirn-Schranke partiell ausgenommen sind dank fenestrierten<br />

Kapillarbetten die sog. ~ zirkumventrikuläre<br />

Organe (z.B. Chemotriggerzone).<br />

Boas, Walter (Berlin 1904-1984). Vater Artbur Boas<br />

hatte in Berlin eine Allgemeinpraxis <strong>und</strong> starb früh an<br />

einer Herzattacke. Klassisches Gymnasium (lat.,<br />

griech., frz.) mit Abitur 1922. Technische Hochschule<br />

sowie Arbeiten bei Siemens <strong>und</strong> Halske mit Abschluss<br />

inangewandter Physik (Dipl.-Ing., 1928). Forschung am<br />

Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallk<strong>und</strong>e, u. a. auch Kri­<br />

Stallplastizität (Verhalten von Kadmium etc.). 1932 nach<br />

Fribourg im Uechtland: die hier mit Schmid 1935 publizierten<br />

Arbeiten wurden in englischer Übersetzung<br />

noch 1968 herausgegeben! 1935 zu Scherrer nach Zürich<br />

(ETH); als protestantischer Jude in der Schweiz nicht<br />

sicher, Emigration nach London an das kgl. Faraday­<br />

Institut ... wo er als erstes begann, Englisch zu lernen<br />

... <strong>und</strong> englische Küche zu goutieren (Interview 1973).<br />

Emigration 1938 nach Australien (Universität Melbourne).<br />

Nach dem Krieg Treffen mit (dem Anti-Nazi)<br />

Becker (Göttingen) <strong>und</strong> Wassermann (Clausthal).<br />

Gründete u. a. mit dem befre<strong>und</strong>eten Linus ~ Pauling<br />

die australische Pugwash-Gruppe. Nach ihm benannt<br />

die Walter-Boas-Medaille sowie der Walter-Boas­<br />

Gedächtnis-Preis.<br />

Boehringer. Würtembergische Unternehmerfamilie aus<br />

Kirchheim unter Teck. Johann Friedrich Boehringer<br />

(1791-1867) gründete 1817 zusammen mit Christian<br />

Gotthold Engelmann die Drogenhandlung (Chinin,<br />

Morphin, Chemikalien wie Weinsäure, Äther, Chloroform<br />

etc.) Engelmann & Boehringer in Stuttgart. 1872,<br />

nach Ausscheiden Engelmanns, als Firma C.F. Boehringer<br />

Söhne aus verkehrstechnischen Gründen nach<br />

Mannheim verlegt. Albert Boehringer (1861-1939)<br />

erwarb seinerseits 1885 eine zum Verkauf stehende kleine<br />

Weinsteinfabrik 1885, aus der die spätere Boehringer<br />

Ingelheim entstand. Die Mannheimer Boehringer ging<br />

nach dem Tode des älteren Bruders des Firmengründers<br />

1892 in den Besitz der Familie Engelhorn über. Das<br />

im Firmenzeichen der Firma Boehringer Ingelheim stilisierte<br />

Bildzeichen repräsentiert den Mittelbau der<br />

Ingelheimer Kaiserpfalz Karls des Grossen.<br />

Boerhaave, Hermann (1668-1738). Holländischer Arzt;<br />

Begründer der klinischen Visite bzw. der medizinischen<br />

Ausbildung am Krankenbett.<br />

Bonhöffer, Dietrich (Breslau 1906-1945 KZ Flossenburg).<br />

Sohn des Geheimrats <strong>und</strong> Psychiatriechefarztes<br />

Karl Bonhöffer, Theologiestudium mit Promotion 1927<br />

»Sanctorum communio«, nach Studienaufenthalten in<br />

Rom <strong>und</strong> New York, Antrittsvorlesung in Berlin »Die<br />

Frage nach dem Menschen in der gegenwärtigen<br />

Philosophie <strong>und</strong> Theologie« 1930; Eröffnung der Charlotter<br />

Jugendstube 1932 (1933 zwangsgeschlossen),<br />

Fre<strong>und</strong>schaft mit Hans von Dohnanyi, Mitglied der<br />

deutschen Resistance <strong>und</strong> der Bekenntniskirche; 1943<br />

verhaftet <strong>und</strong> im Wehrmachtsgefängnis Tegel inhaftiert,<br />

danach Gestapogefängnis an der Prinz-Albrecht­<br />

Strasse, im Konzentrationslager Flossenburg (bayerische<br />

Oberpfalz; Hinrichtungsort von Admiral Canaris)<br />

am 09.04.1945 - nur wenige Tage vor der Evakuation<br />

des Lagers am 20.04. (Beginn der »Todesmärsche«)<br />

<strong>und</strong> Selbstmord des »purpurnen Sinnbilds des<br />

Deutschtum« (Ina ~ Seidel) am 30.04.1945 - hingerichtet.<br />

Bonica, John J. (ital. Mittelmeerinsel Filicudi 1917-<br />

1994). Emigration nach New York. Früh Halbwaise; Zeitungsverkäufer,<br />

Medizinstudium mit Abschluss 1942<br />

Marquette University School of Medicine; Armeeanästhesist;<br />

Anfänge der Schmerztherapie an Kriegsverletzten<br />

sowie geburtshilfliehe Anästhesie. Publikation<br />

1953: »The Management of Pain.« 1960-1978 Vorsteher<br />

der Anästhesiologieabteilung der Universitätsklinik<br />

Seattle. Revolutionierte die moderne Schmerzpraxis:<br />

Gründung eines multidisziplinären Schmerzforschungsinstituts.<br />

Erster Herausgeber der Publikation<br />

»Pain«. Herausgeber des Referenzbuches: »The Management<br />

of Pain« (1990 ). Mitgründer der ~ IASP (International<br />

Association for the Study of Pain).<br />

Bonnet, Charles (1720-1793). Genfer Naturforscher <strong>und</strong><br />

Philosoph, nach dem das sog. Charles-Bonnet -Syndrom<br />

benannt ist: v. a. bei älteren, psychisch ges<strong>und</strong>en Mensehen<br />

auftretende nicht erklärbare, offenbar unschädliche,<br />

oft isolierte visuelle Halluzinationen, die in der Klinik<br />

oft vom Patienten dem behandelnden Arzt aus<br />

Angst nicht mitgeteilt werden. Publizierte 1760 »Essai<br />

analytique sur les facultes de l'ame«.<br />

Boot, Jesse (1850-1931). Gründer der Boots Company.<br />

Litt an chronischer Polyarthritis. Bei der Fa. Boots<br />

wurde 1965 das »Analgetikum-Antirheumatikum« ~<br />

Ibuprofen durch Stewart Adams <strong>und</strong> John Nieholsen<br />

synthetisiert.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 791<br />

Borison, Herbert Leon (1922-1990). Pharmakologe an<br />

der Dartmouth Medical School im amerikanischen<br />

Hanover; entdeckte zusammen mit~ Wang die Funktionen<br />

der nach ihnen benannten Chemotrigger-Zone<br />

sowie des sog. Brechzentrums (1949). Beim damaligen<br />

»Brechzentrum« wurde offenbar technisch unsauber<br />

stimuliert; mit modernsten feinsten Mikroelektroden<br />

lassen sich die älteren Arbeiten in Bezug auf das Brechzentrum<br />

nicht reproduzieren; heute nimmt man »funktionelle<br />

Brechfunktionszentren« an, Formatio reticularis,<br />

Vagalkerne, Ne. tractus solitarii etc.<br />

Botulismus. Lat. botulus: Wurst; Lebensmittelvergiftung,<br />

die erstmals nach Genuss verdorbener Würste<br />

durch Dr. Justinus Christian Kerner (1786-1862, Amtsarzt<br />

in Baden-Würtemberg <strong>und</strong> Dichter) beschrieben<br />

wurde, deshalb auch: Kernersehe Erkrankung. Kerner<br />

wies auch auf die Möglichkeit hin, das Toxin als Arznei<br />

zur Behandlung von Verkrampfungen <strong>und</strong> zur Verringerung<br />

übermässigen Speichel-, Tränen- <strong>und</strong> Schweißflusses<br />

einzusetzen (s. Buch G!).<br />

Botulinustoxine. Unter anaeroben Bedingungen durch<br />

das grampositive, stäbchenförmige <strong>und</strong> begeißehe Bakterium<br />

Clostridium botulinum mit thermoresistenten<br />

Sporen (rasches Keimen in luftabgeschlossenen Nahrungsmitteln)<br />

produzierte hochpotente Toxin mit<br />

neuro-, entero- <strong>und</strong> hämetoxischen sowie immunogenen<br />

Eigenschaften. Das Botulinustoxin A (M, um<br />

150000) wird in der Schmerzklinik als~ Adjuvans bei<br />

neurologischen Dysfunktionen (muskuläre spastische<br />

Dystoniesyndrome; Wirkung: blockiert irreversibel<br />

ACh-Freisetzung an cholinergischen Synapsen; ~<br />

Wirkstoffprofil s Buch G) <strong>und</strong> in der Kopfschmerztherapie<br />

eingesetzt.<br />

Boyle, H.E.G. (1875-1941). Anästhesist, entwickelte die<br />

nach ihm benannten Narkosegeräte.<br />

Boyle, R. (1627-1691). Soll zusammen mit Sir Christopher<br />

Wren erste i.v.-Opiuminjektionen (andere Quellen:<br />

Bier <strong>und</strong> Wein) mittels Tierblase <strong>und</strong> geschärfter<br />

Feder durchgeführt haben; andere Quellen geben ~<br />

Elsholtz an (s. auch Buch K).<br />

Brachialgia paraesthetica nocturna. Schmerzhafte Dys<strong>und</strong><br />

Parästhesie in den Armen, nachts beim Liegen auftretend.<br />

Brachialneuralgie. Plexus brachialis betreffende Neuralgie.<br />

Brachialplexopathie. Syn.: Brachialneuralgie-Syndrom;<br />

bei Schädigung des Plexus C 8 - T,, Infiltration entsprechender<br />

Neurone durch Tumoren wie Pancoast-Tumor,<br />

Mammakarzinom, Lymphom etc., auftretendes Syndrom.<br />

Erste Manifestationen vor neurologischen Ausfällen<br />

sind Schmerzen im Sinne der (unspezifischen) Brachialneuralgie.<br />

Fakultativ auch: ~ Horner-Syndrom.<br />

Bradykinesie. Verlangsamte Bewegungen (beispielsweise<br />

bei~ Parkinsonismus).<br />

Bradykinin. Abk. Bk; bei Gewebeentzündungen/-verletzungen<br />

freigesetztes endogenes Nona-Peptid (9 Aminosäuren:<br />

Arg-Pro-Gly-Phe-Ser-Pro-Phe-Arg) mit<br />

vasoaktiven, proinflammatorischen <strong>und</strong> pronozizeptiven<br />

Eigenschaften ( ~ Kininsystem). Über Kallikrein<br />

aus Plasmaglobulinen (inaktives Bradykininogen) freigesetzt,<br />

s. Buch A.<br />

Bradykinin-Rezeptoren. Bk,, 2 , 3- R, G-Protein -gekuppelte<br />

Zellmembran-Rezeptoren der 7 Transmembransuperfamilie<br />

mit Subttypen. Funktion: Bk 2 -R ubiquitär, konstitutiv<br />

(Funktion: akute Entzündungsprozesse, akute<br />

Aktivierung Nozizeptoren); Bk,-R induktiv im entzündeten<br />

Gewebe, in chronischen Schmerzprozessen inkl.<br />

Hyperalgesie involviert; putativ: Bk 3 - Rezeptor.<br />

Bragard-Zeichen. Nach dem Münchner Orthopäden<br />

K.B. Bragard (1890-1973) benannter Ischiasschmerz,<br />

der bei Wirbelsäulenerkrankung durch Dorsalflexion<br />

des Fußgelenkes bei gleichzeitiger Hüftbeugung des<br />

sonst gestreckten Beines auslösbar ist. Ebenfalls<br />

Schmerzhaftigkeit bei Aussenrotation des Kniegelenks<br />

bei Meniskusverletzungen.<br />

brain-derived neurotrophic factor. Abk. BNF; zur<br />

Superfamilie der Nervenwachstumsfaktoren bzw. trophischen<br />

Faktoren gehörend; im peripheren <strong>und</strong> zentralen<br />

NS nachweisbar.<br />

Braun, Heinrich Friedrich Wilhelm (Rawitch/Polen<br />

1862-1934). Statt Musikstudium ein Medizinstudium in<br />

Dresden mit Abschluss in Chirurgie beim Chirurgen<br />

<strong>und</strong> Transplantationspionier Carl Thiersch (1822 München-1895<br />

Leipzig) in Leipzig. Chirurg in Zwickau.<br />

Beeinflusst durch den Halleschen Chirurgen Oberst<br />

sowie Schleichs Monographie über »schmerzfreie Eingriffe«<br />

(1894), fühlte sich Braun sehr zu neuen Entwicklungen<br />

im Anästhesiesektor hingezogen. Erkannte die<br />

potentielle Toxizität von lokalinjiziertem Kokain <strong>und</strong><br />

schlug deshalb 1897 Adrenalin als Zusatz zu Lokaianästhesielösungen<br />

vor; führte 1905 Procain in die klinische<br />

Praxis ein. Adrenalinzusatzdosisfindungsstudien<br />

probierte er an sich selber aus. 1903 schlug er auch vor,<br />

Adrenalin bei Herzstillstand zusammen mit äusserer<br />

(von Gottlieb im Tierexperiment erfolgreich durchgeführten)<br />

Herzmassage einzusetzen. Die Infiltrationsanästhesie<br />

mit Procain <strong>und</strong> Adrenalin wird auch als<br />

»Braunsche Anästhesie«, die Umspritzung des Operationsgebiets<br />

als »Braun-Hackenbruchsehe Anästhesie«<br />

bezeichnet. Schlug u. a. die Splanchnikusanästhesie<br />

(Parasakralanästhesie) sowie verschiedene nach ihm<br />

benannte chirurgische Hilfsmittel (Fixationsschiene,<br />

Extension, Transfusionsapparat) vor. Veröffentlichte<br />

1905 »Handbuch zur Lokalanästhesie«.


792 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Brecht, Bertolt (Augsburg 1898-1956 Berlin). Studium<br />

der Naturwissenschaften <strong>und</strong> Medizin ... dann Dramaturgie<br />

<strong>und</strong> Schriftsteller: Kleistpreis 1922. Emigration<br />

1933·<br />

Break-tbrough-Sehrnerzen (»incident pain«). Sogenannter<br />

Durchbruchschmerz (»Schmerzspitzen«,<br />

»Schmerzdurchbrüche«); v. a. im Verlauf von Terminalerkrankungen<br />

bei sonst optimal in Bezug auf Analgesie<br />

eingestellten Patienten durch Tumorinvasion, Entzündung,<br />

aber auch Bewegung (Mobilisation, Husten,<br />

Würgen <strong>und</strong> Erbrechen etc.) auslösbare akute Schmerzzustände.<br />

Briefing. Kurzinstruktion, Kurzanweisung, Einsatzbesprechung<br />

zur optimalen Arbeitsvorbereitung mit spez.<br />

Berücksichtigung von Notfallsituationen. Als sog.<br />

Debriefing wird die entsprechende Befragung nach<br />

Einsatz bezeichnet, die zur Auswertung dient (vgl. Qualitätskontrolle<br />

Schmerzdienst, s. Buch H).<br />

Brissaud, Eduard (1852-1909). Bedeutender frz. Neurologe<br />

(Arbeiten u. a. über Parkinsonismus, Tics, Tortikollis);<br />

Schüler von~ Charcot <strong>und</strong>~ Lasegue.<br />

Broca, Paul Pierre (Sainte-Foy-la-Grande 1824-1880<br />

Paris, Todesursache Hirnaneurysma). Frz. Chirurg.<br />

Schon als Kind extrem gebildet in Literatur, Mathematik<br />

<strong>und</strong> Physik. Medizinstudium mit 20 Jahren in Paris<br />

beendet, wo er Professor für chirurgische Pathologie<br />

wurde. Brillante Arbeiten über Knorpel, Knochen, limbisches<br />

System <strong>und</strong> Rhinenzephalon, Karzinomerkrankung,<br />

Therapie des Aneurysmas, Kindersterblichkeit<br />

etc. Arbeiten über Hirnwindungen <strong>und</strong> Hirnfunktionen:<br />

Entdecker des nach ihm benannten Sprachzentrums.<br />

Stellte 1861 einen Patienten mit Aphasie namens<br />

»Tan« vor, der in der 3. frontalen Hirnwindung - der<br />

späteren Area Broca - eine syphilitische Läsion hatte.<br />

Gründete 1848 eine Gesellschaft der Freidenker, unterstützte<br />

die Thesen von Darwin <strong>und</strong> gründete 1859 die<br />

anthropologische Gesellschaft in Paris; entwickelte<br />

Methoden der Schädelmessung (Kraniometrie) etc.<br />

Schrieb mehrere h<strong>und</strong>ert Bücher, so 53 über Hirnstudien.<br />

Setzte sich für Arme bzw. deren soziale Anliegen bei<br />

Krankheiten usw. ein.<br />

Brodmann, Korbinian (1868-1918). Bedeutender dt.<br />

Neurologe (Berlin), in Zusammenarbeit mit ~ Alois<br />

Alzheimer Begründer der modernen Neuroanatomie;<br />

vergleichende Zytoarchitektonik des ZNS. Führte die<br />

nach ihm benannte Hirnrindenkarte ein.<br />

»Brompton-Cocktail«. Syn.: Mixtura pro morib<strong>und</strong>o,<br />

Mixtura pro euthanasia euphoriens. Seit Jahrzehnten in<br />

Großbritannien gebrauchter, je nach Bedarf <strong>und</strong> Klinik<br />

abgeänderter »Cocktail« für terminale Schmerzzustände.<br />

Enthält ursprünglich Kokain, Äthylalkohol, Chloroformwasser<br />

<strong>und</strong> Diamorphin (Heroin).<br />

Brooke, Rupert (1887-1915). Bedeutender britischer<br />

Literat (u.a. patriotische Kriegsgedichte).<br />

Brown-Sequard, Charles Edouard (1817-1894). Auf der<br />

Insel Mauritius geborener frz. Arzt <strong>und</strong> Physiologe;<br />

Arbeiten in England, Frankreich, USA (Harvard Universität<br />

1866), Mauritius; veröffentlichte 1849: »De Ia<br />

transmission croisee des impressions sensitives par Ia<br />

moelle epiniere« (1849) sowie u. a. » Recherehes sur Ia<br />

transmission des impressions de tact, de chatouillemnet,<br />

de douleur, de temperature et de contraction (sens musculaire)<br />

dans la moelle epiniere« (1863).<br />

Brown-Sequard-Syndrom. Nach B.-S. benanntes Syndrom<br />

mit Schwäche, einseitiger Spastizität <strong>und</strong> kontralateraler<br />

Schmerz- <strong>und</strong> Temperaturempfindungseinschränkung.<br />

Kommt beispielsweise nach therapeutischer<br />

Rückenmarkbestrahlung vor; ~ Myelopathie.<br />

Bruera, Eduardo (*1955). Prof. Dr. Universität Alberta,<br />

Direktor des Palliative Care Program Edmonton General<br />

Hospital nach Ausbildung in Rosario <strong>und</strong> Buenos<br />

Aires (Onkologie, Schmerztherapie bei Krebskranken);<br />

vielfältige internationale Auszeichnungen.<br />

Brune, Kay (Freital/Deutschland *1941). Prof. Dr. med.<br />

Dr. med. h.c. (1994 Universität Timisoara). Nach abgeschlossenem<br />

Medizinstudium an den Universitäten<br />

in Harnburg <strong>und</strong> München (1966) ab 1968-1981 Ausbildung,<br />

danach sukzessive Forschungs- <strong>und</strong> Lehrtätigkeit<br />

in Pharmakologie an der Universität Basel (Karl<br />

Buch er) sowie als Gast an der University of North Carolina<br />

sowie Wayne State University (1975). Ab 1981 Vorsitzender<br />

der Klinik für experimentelle <strong>und</strong> klinische<br />

Pharmakologie <strong>und</strong> Toxikologie der Universität Erlangen-Nürnberg.<br />

1992 Präsident der European Inflammation<br />

Society »EIS«, 1995 International Association of<br />

Inflammation Research Societies >>lAIS


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 793<br />

gründete 1834 die »Gesellschaft für Menschenrechte«<br />

<strong>und</strong> klagte in »Der hessischen Landbote« die Ungerechtigkeiteil<br />

zwischen Adel, Junkertum, Arbeitern <strong>und</strong><br />

Bauern an: »Dieses Blatt soll dem hessischen Lande die<br />

Wahrheit melden, aber wer die Wahrheit sagt, wird<br />

gehenkt, ja sogar der, welcher die Wahrheit liest, wird<br />

durch meineidige Richter vielleicht gestraft. Darum<br />

haben die, welchen dies Blatt zukommt, folgendes zu<br />

beobachten:<br />

1. Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb ihres Hauses<br />

vor der Polizei verwahren;<br />

2. sie dürfen es nur an treue Fre<strong>und</strong>e mitteilen;<br />

3· denen, welche sie nicht trauen, wie sich selbst, dürfen<br />

sie es nur heimlich hinterlegen;<br />

4· würde das Blatt dennoch bei Einem gef<strong>und</strong>en, der es<br />

gelesen hat, so muss er gestehen, dass er es eben dem<br />

Kreisrat habe bringen wollen;<br />

5· wer das Blatt nicht gelesen hat, wenn man es bei ihm<br />

findet, der ist natürlich ohne Schuld.<br />

Friede den Hütten! Krieg den Palästen!<br />

Mit Wilhelmine Jaegle verheiratet (die leider einen<br />

grossen Teil der Briefe verbrannte); mit » Woyzek«<br />

(Fragment im Darmstädter Dialekt) <strong>und</strong> »Danton's<br />

Tod« (1835) Begründer einer dokumentarisch unterstützten<br />

Dramatik, daneben bedeutender Poet (»Lenz«,<br />

»Leonce <strong>und</strong> Lena« etc), die er in Zürich in der Spiegelgasse<br />

W 12 schrieb (in der W 14 weilte später Lenin).<br />

Der leider nur fragmentierte Rest des Büchnerschen<br />

Briefwechsels spiegelt die damalige Repression (Festungshaft,<br />

Hinrichtungen etc.) in deutschen Landen<br />

wieder. Sein Bruder Ludwig (1824-1899) gründete den<br />

»Deutschen Freidenkerb<strong>und</strong>«, förderte die Lehren Darwins,<br />

des Materialismus sowie die Herausgebe der<br />

Werke seines Bruders Georg.<br />

Burdach, E. Friedrich (1776-1847). Bedeutender dt.<br />

Neuroanatom (Königsberg), nach ihm benannt u. a.<br />

Burdachs Strang (Fasciculus cuneatus).<br />

Buytendijk, Frederik Jacobus Johannes (Breda/Holland<br />

1887-1974). Bedeutender Verhaltensforscher (v. a. Psychologie<br />

der Tiere): » Traite de psychologie animale«<br />

(1952).<br />

Cachets. Pharmaz.: Kapseln, Capsulae.<br />

CACI. Engl. Abk. für »computer-assisted continuous<br />

infusion«.<br />

Caerulein. Ein spezifisches Dekapeptid, das aus der<br />

Haut des australischen Amphibiums Hila caerulea<br />

gewonnen wird <strong>und</strong> ähnliche Eigenschaften hat wie ~<br />

Cholezystokinin (Stimulation der gastrischen, biliären,<br />

pankreatischen Sekretion; Stimulation gewisser glatter<br />

Muskeln; therapeutisch bei paralytischem Ileus sowie<br />

als Diagnostikum bei exokriner Pankreasinsuffizienz<br />

eingesetzt).<br />

Cahours, Auguste (1813-1891). Isolierte Salicylsäuremethylester<br />

aus der nach dem kanadischen Arzt <strong>und</strong> Botaniker<br />

J.F. Gaultier (1708-1756) genannten Gaultheria<br />

procumbens, einem Heidekraut aus dem östlichen<br />

Nordamerika, aus dessen Blätter das früher als Antirheumamittel<br />

benutzte Wintergrünöl oder Gaultheriaöl<br />

gewonnen wurde. Die roten Früchte der immergrünen,<br />

winterharten Pflanze sind Kapseln mit zahlreichen<br />

Samen, die - zerrieben - stark aromatisch riechen <strong>und</strong><br />

auch in der Parfümindustrie eingesetzt werden.<br />

Calcineurin. Eine von ~ Calmodulin sowie Ca2+ abhängige<br />

Proteinphosphatase, aus je einer katalytischen <strong>und</strong><br />

regulatorischen Untereinheit (CnA bzw. CnB) bestehend;<br />

reguliert multiple synaptische <strong>und</strong> zelluläre Funktionen<br />

wie Iigand- <strong>und</strong> valtageabhängige Ionenkanäle,<br />

Transmitterfreisetzung, Gentransskription etc. Putativer<br />

physiologische Calcineurin-Antagonist ist Cain.<br />

Calcitonin-gene-related-Peptid. Calcitonin, Salcatonin,<br />

Thyreocalcitonin: bioaktives (Neurotransmitter, Vasodilatator),<br />

im ZNS, Darm <strong>und</strong> in perivaskulären Nerven<br />

nachweisbares 37-Aminosäuren-Peptid, aus der mRNA<br />

des Calcitonin-Gens entstehend. Calcitonin ist ein in<br />

Schilddrüse <strong>und</strong> Nebenschilddrüse gebildetes Polypeptidharrnon<br />

<strong>und</strong> Gegenspieler des Parathormons. ~<br />

Wirkstoffprofil Calcitonin.<br />

Calciumantagonisten. Ca-Antagonisten, Ca-Blocker:<br />

Wirkstoffe, die den Einstrom von Kalziumionen in Zellen<br />

hemmen.<br />

Calmodulin. Ein im ZNS <strong>und</strong> Herz nachgewiesenes<br />

Aktivatorprotein: in Verbindung mit Ca>+-Ionen zu<br />

cAMP, cGMP geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> diese somit aktivierend.<br />

cAMP. Ein zyklisches Nukleotid; es wird aus ATP gebildet<br />

( ~ Adenylatzyklase) aufgr<strong>und</strong> einer Stimulation<br />

durch sog. »erste Boten« des ersten Rezeptorsystems;<br />

durch Phosphodiesterase zu azyklischem AMP (5'­<br />

AMP) abgebaut. Wirkt als »zweiter Bote« (»second messenger«)<br />

auf das zweite Rezeptorsystem.<br />

Campbell, Walter (1868-1937). Bedeutender australischer<br />

Neurologe; Arbeiten in Edinburgh, mit Krafft­<br />

Ebing in Wien sowie Prag, publizierte u. a. » Histological<br />

studies on the localization of cerebral function«.<br />

Camu, Frederic (Belgien *1942). Ausbildung in<br />

Anästhesiologie 1968-1970 (Universite Libre de Bruxelles),<br />

danach Stanford University <strong>und</strong> Veterans Administration<br />

Hospital, Palo Alto, 1971; ab 1987 Professur für<br />

Anästhesiologie <strong>und</strong> »Critical Care«, Flemish Free University<br />

of Brussels. Forschungstätigkeit in klinischer<br />

Pharmakologie sowie Schmerztherapie (z. B. neuraxiale<br />

Anwendung von liposomenverkapselten Opioiden).


794 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Cannon, W.B. (1871-1945). Am. Physiologe, Pionier der<br />

Untersuchung emotioneller, vegetativer <strong>und</strong> hormonaler<br />

Aspekte des Organismus in Extremsituationen. 1914:<br />

» The emergency function of the adrenal medulla in pain<br />

and the major emotions«. 1926: »Studies on the conditions<br />

of activity in endocrine glands. The influence of<br />

motion and emotion on medullaadrenal secretion«.<br />

1929: »Organization for physiological homeostasis«.<br />

Wies nach, dass man durch Reizung des Dienzephalon<br />

ein ~ Stressulkus erzeugen konnte. Nach ihm wird die<br />

sog. Cannon-Notfallreaktion benannt: sie ist die sog.<br />

Alarmreaktion des ~ Adaptationssyndroms des Organismus<br />

mit adrenerger »Sofortreaktion« auf schwerste<br />

psychische <strong>und</strong> physische Belastungen: »Bodily changes<br />

in pain, hunger, fear and rage. An account of recent researches<br />

into the function of emotional excitement« (New<br />

York, Appleton 1929 ). » The wisdom of the human body«<br />

(New York, Norton, 1939, 1947). Siehe auch Arbeiten von<br />

~ Selye. Ebenfalls nach Cannon sind die Bezeichnungen<br />

» Vagustod«, »Stresstod«, »Voodoo-Tod«, »vegetativer<br />

Tod«, »psychogener Tod« gebräuchlich. Cannon<br />

beschreibt 1932 den Begriff »Homöostase«.<br />

Capsaicin. Vanillylamid aus Fructus capsici. U.a. zur<br />

entzündlichen Reizung von Nervenendigungen in der<br />

Experimentalphysiologie gebraucht. Ebenfalls Einsatz<br />

als kutanes Therapeutikum bei neuralgischen Schmerzen<br />

(<strong>und</strong> anderen Schmerzzuständen; s. Buch A sowie<br />

F/G).<br />

Capsulae. Kapseln. Meist aus Stärke (Capsulae amylaceae)<br />

oder Gelatine (C. gelatinosae) hergestellte Kapseln,<br />

die Wirkstoffe im GI-Trakt, Rektum etc. freigeben.<br />

Carossa, Hans (Bad Tölz 1878-1956 Passau). Aus oberitalienischer<br />

Arztfamilie stammend; Medizinstudium;<br />

im I. Weltkrieg als Bataillonsarzt verw<strong>und</strong>et (u. a.<br />

»Rumänisches Tagebuch«, 1924), u. a. Goethepreis 1938;<br />

1948 Ehrenbürger der Stadt Passau; Carossa lehnte 1933<br />

die Wahl in die Preußische Dichterakademie ab; liess<br />

sich aber 1942 zum Präsidenten des »B<strong>und</strong>es europäischer<br />

Schriftsteller« wählen (was ihm heute zu einseitig<br />

vorgeworfen wird).<br />

Carus, Carl Gustav (Leipzig 1789-1869 Dresden). Im<br />

Goetheschen Sinne »Allro<strong>und</strong>-Mediziner«, Naturwissenschafter,<br />

Maler, Philosoph: führte den Begriff des<br />

Unbewussten in die Medizin ein. Führte das Fach »vergleichende<br />

Anatomie« in Deutschland ein. Fre<strong>und</strong>schaften<br />

mit Alexander vom Humboldt, C.D. Friedrich,<br />

Tieck <strong>und</strong> Goethe (Briefkorrespondenzen).<br />

CAS. Engl. Abk. für »chemical abstracts services registry<br />

number« (Register-Nummer).<br />

CATIA. Engl. Abk. für »computer-assisted total intravenous<br />

anaesthesia«: ~ TCI, ~ TIVA.<br />

CCK. Abk. für ~ Cholecystokinin.<br />

CDS. Engl. Abkürzung duster disturbed sleep: BEG­<br />

Phänomen der temporären, reversiblen Aktivitätsreduktion<br />

der kortikalen Oberfläche mit einer Geschwindigkeit<br />

von 2-5 mm/min (Migränepatienten).<br />

Ceiling-Effekt. Klin. Pharm: Plafonnierung der Wirkung<br />

(Ceiling, engl. =Decke).<br />

Celan, Paul (1901-1988). Czernowitz in der legendären<br />

Bukowina - wie der »kleine, grosse Tenor« Joseph<br />

Schmidt - wie Rose Ausländer. »Einer Gegend, in der<br />

Menschen <strong>und</strong> Bücher lebten«, im Nelly-Sachs-Haus in<br />

Düsseldorf verstorben, Pseudonym für Paul Antschel.<br />

Studium der Philosophie <strong>und</strong> Medizin (Paris 1938).<br />

Seine Eltern wurden in Konzentrationslagern umgebracht.<br />

Celan wurde während des Krieges in ein<br />

Arbeitslager deportiert (1943-1944). Danach Arbeit in<br />

Hukarest unter den Namen Paul Aurel, Paul Ancel. Von<br />

der Poesie Georg Trakls <strong>und</strong> Rain er Maria Rilkes hingezogen,<br />

ging er über Wien (1947) nach Paris, wo er<br />

Deutschlehrer an einer Ecole Normale Superieure<br />

wurde. Verheiratet seit 1952 mit der Graphistin Giseie<br />

Lestrange. Publizierte u. a. »Mohn <strong>und</strong> Gedächtnis«;<br />

1960 Georg-Büchner-Preis. Daneben übersetzer von<br />

Cocteau, Mandelstam, Rimbaud etc. Die Witwe von<br />

Yvan Goll (1891-1950 ), bedeutender in den damalig<br />

deutschen Vogesen als lsaac Lang geborener zweisprachiger<br />

literarischer Pazifist/pazifistischer Literat im<br />

Kreis von Romain Rolland, Pierre Jean Jouve, Stefan<br />

Zweig, James Joyce, dessen Ulysses er ins Deutsche<br />

übersetzte!); die Surrealistin Claire Goll-Studer<br />

(1891-1977) warf ihm Plagiate vor; Celan warf sich 1970<br />

in die Seine.<br />

»Umsonst trank ich das bittre Haschisch.«<br />

Kein Rauschgift heilt Schlaflosigkeit der<br />

Seele.<br />

CEOPS. Abk. für Children's Hospital of Eastern Ontario<br />

Pain Scale.<br />

Cephalea. ~ Kopfschmerz (verschiedenste Formen).<br />

Cerletti, Aurelio (Ilanz 1918-1988). Nach Medizinstudium<br />

in Bern (Promotion 1943) Habilitation in Pharmakologie<br />

1969 (Basel); Forscher bei Sandoz (u. a. Serotonin).<br />

C-Fasern. Histologisch dünne, marklose Fasern (1 J.lm<br />

Dicke) mit langsamer Leitungsgeschwindigkeit von<br />

1 m/s: postganglionäre Fasern des autonomen Nervensystems.<br />

Afferenzen von Mechano-, Kälte-, Wärme- sowie<br />

Nozizeptionsrezeptoren (sog. »langsame Schmerzfasern«).<br />

Arbeiten von~ Iggo <strong>und</strong>~ Zotterman.<br />

c-fos. Abk. für cellular fos: ein Kernprotein der grossen<br />

Familie der lEG, von denen über 100 bekannt sind <strong>und</strong>


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 795<br />

die Zellproliferation, Zellausdifferenzierung bis Zelltod<br />

regulieren. Mittels immunhistochemischer Nachweisverfahren<br />

können damit indirekt, durch irgendwelche<br />

Stimulationen aktivierte Neurone nachgewiesen<br />

werden (z. B. Stimulation von Nazisensoren A 6 <strong>und</strong><br />

C = c-fos-Expression in den LaminaeI-li sowie V-VI).<br />

Da eine c-fos-Expression auch nach nichtnoziven Stimulationeil<br />

induzierbar ist, genügt sie per se nicht für<br />

eine Quantifizierung nozizeptiver spinaler Prozessierung.<br />

Cervero, Fernando (*1949). Nach Studien in Madrid<br />

Lehre <strong>und</strong> Forschung in Physiologie, insbesondere über<br />

somatasensorische <strong>und</strong> viszerale Schmerzmechanismen<br />

in Edinburgh, Bristol <strong>und</strong> Alacala de Henares.<br />

Buch (mit C. Belmonte): »Neurobiology of nociception«<br />

(Oxford Press ISBN o 19 852334 3).<br />

CGMP. Abk. für cyclisches Guanosin-Mono-Phosphat:<br />

u. a. wichtig für die Relaxation der glatten Muskulatur.<br />

CGRP. Abk. für Calcitonin-gene-related-peptide, im<br />

afferenten C-System verfügbares exzitatorisches Neuropeptid<br />

(langsame Depolarisation spinaler Neurone,<br />

potenziert Substanz P-induzierte Depolarisation). Von<br />

der Aminosäurensequenz her zu 20-50% Übereinstimmung<br />

mit anderen aus menschlichen Insulinomen<br />

sowie Phäochromozytomen isolierten Biopeptiden<br />

(Isletamyloid bzw. Amylin, Adrenomedullin).<br />

CGRP-Peptide. Verschiedene Biofunktionen (Vasodilatation,<br />

Nozizeption, Glukoseaufnahme, muskuläre Glukolyse),<br />

daher potentielle Therapeutika bei Migräne,<br />

Diabetes mellitus, Schmerzen etc.<br />

CGRP-Rezeptoren. G-Protein-gekuppelte Rezeptoren<br />

mit Rezeptor-Subtypen 1, 2 <strong>und</strong> möglicherweise 3 ( ~ N.<br />

accumbens ); die Rezeptoraffinität scheint durch<br />

Nukleotide wie GTP moduliert zu sein.<br />

Charcot, Jean Martin (1825-1893). Pariser Neurologe,<br />

neben ~ Jackson Mitbegründer der modernen Neurologie.<br />

Nach ihm werden benannt: Charcot-Gelenk, M.<br />

Charcot, Charcot-Syndrom, Charcot-Erb-Syndrom,<br />

Charcot-J offroy- Syndrom, Charcot-Marie-Tooth-Hoffmann-Syndrom,<br />

Charcot-Weiss-Syndrom, sowie folgende<br />

klinische Zeichen: Charcot-Trias, Charcot-Zeichen.<br />

Charcot machte das Pariser Neurologiezentrum<br />

»Hospice de la Salpetriere« weltberühmt. Zu seinen<br />

Schülern zählen u. a. Gilles de la ~ Tourette, ~ Babinski,<br />

~ Bechterew <strong>und</strong> ~ Freud.<br />

Charlin, Carlos (1886-??). Chilenischer Augenarzt. Nach<br />

ihm benannt wird das Charlin-Syndrom oder »Nasoziliarisneuralgie«<br />

bei Neuritis des N. nasociliaris <strong>und</strong><br />

Ganglion ciliare bei entzündlichen Prozessen im<br />

Nasen-Siebbein-Bereich (einseitige Rhinitis, in die<br />

Stirn, Nasenrücken etc. ausstrahlende Neuralgie sowie<br />

Augensymptomen wie Keratitis etc.).<br />

Chassaignac-Syndrom. Nach dem Pariser Chirurgen<br />

C.M.E. Chassaignac (1805-1879) benannte bei Kleinkindern<br />

nach perianulärer Subluxation des Radiusköpfchens<br />

(z. B. Armzerrung nach Hochreißen) auftretende<br />

Parese <strong>und</strong> Schmerzhaftigkeit (sog. »schmerzhafte<br />

Armlähmung« ).<br />

Chauffard-Schmerzpunkt. Nach dem Pariser Internisten<br />

A.E. Chauffard (1855-1932) benannter, unter dem<br />

rechten Schlüsselbein befindlicher Druckschmerzpunkt<br />

bei Erkrankungen der abführender Gallengänge.<br />

Als Chauffard-Rivet-Zeichen wird eine Druckschmerzhaftigkeit<br />

im rechten Oberbauch bei Pankreaserkrankungen<br />

bezeichnet.<br />

Chavany-Brunhes Syndrom. Chronische frontale Kopfschmerzen<br />

bei Erkrankungen im Bereich der Falx cerebri.<br />

Chavany-Chaignot Syndrom. Während einer Goldtherapie<br />

auftretende diffuse Schmerzen <strong>und</strong> Hyperästhesie<br />

in den Extremitäten, Schweißausbrüche, Angstzustände<br />

etc.<br />

Che Guevara, Ernesto (Rosario/Argentinien 1928-1967<br />

Bolivien). Nach Studium der Medizin (Buenos Aires)<br />

Ausbildung in Allergologie in der Clinica Pisani. Che<br />

Guevara litt seit seiner frühesten Kindheit an schwerem<br />

Asthma bronchiale <strong>und</strong> stand unter einer - sofern verfügbaren<br />

- Dauermedikation mit Cortison, Adrenalin,<br />

»Asthmazigaretten mit Folium belladonnae, stramonii<br />

et salviae« <strong>und</strong> Theophyllin. Danach Reisen (»notas de<br />

viaje«), Studiumabschluss (1953) <strong>und</strong> Vortragsreisen<br />

(Allergieforschung) in Mexico. 1955 Zusammentreffen<br />

mit Fidel <strong>und</strong> Raul Castro; als Rebell in den Bergen<br />

Kubas. Nach dem Fall des kubanischen Diktators Batista<br />

1959 Beginn einer intensiven Reisetätigkeit (Ägypten,<br />

Indonesien, Gaza, Pakistan, Japan etc.), wo er seinen<br />

Traum einer weltumspannenden Solidarität sozialistischer<br />

Länder zum Zusammenbruch des Kapitalismus<br />

verkündete.1965 Führer einer >>Volksbefreiungsarmee«<br />

in Zentralafrika unter dem Namen Rameit. Unter<br />

schwersten Bedingungen im Urwald <strong>und</strong> Gebirge<br />

wurde der physisch <strong>und</strong> psychisch ausgebrannte Che<br />

mitsamt seiner Kampfgenossen in eine Falle der bolivianischen<br />

Polizei gelockt <strong>und</strong> 1967 erschossen.<br />

Cheiralgia paraesthetica. Schmerzhafte Parästhesien<br />

im Handgebiet<br />

Chemokine. Eine Gruppe von chemotaktischen Ptöteinen<br />

(8-10-kd-Proteine; Aminosäurensequenz zwischen<br />

20-70% homolog) der Superfamilie ~ Zytokine. Es gibt<br />

zzt. keine standardisierte Einteilung der mindestens 4<br />

Chemokingruppen: die gängige Einteilung erfolgt in<br />

Bezug auf die Position der Zysteirrgruppe (cx-, ß- Chemokine;<br />

Lymphotaktin <strong>und</strong> Fraktalkin, IL-8 etc.). Chemokin-Rezeptoren<br />

sind G-Protein-gekuppelte, mit<br />

Phospholipasen funktion_ierende Rezeptoren, die von


796 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Eosinophilen, Basophilen, Monozyten, aktivierten <strong>und</strong><br />

Ruhe-T-Zellen, N eutrophilen, Natural-Killer-Zellen,<br />

aber auch nichthämatopoetischen Zellen (Neurone,<br />

Astrozyten, Epithelial- <strong>und</strong> Endothelzellen usw.) exprimiert<br />

werden: z.Z. sind mehr als 1 Dutzend Chemokin­<br />

Rezeptoren identifiziert worden; man unterscheidet<br />

konstitutive <strong>und</strong> induzierbare Rezeptorsysteme. Chemokine<br />

induzieren Zellmigration <strong>und</strong> Zellaktivation<br />

der entsprechenden Zielzellen (v. a. Leukozyten). Wichtige<br />

Chemokinstimulatoren sind: frühinflammatorische<br />

Zytokine (IL-1, TNF-a), Lipopolysaccharide bzw.<br />

bakterielle Stoffe, Virusinfektion, Interferon-y, Lymphozytenprodukte<br />

etc.<br />

Chemokinese. Migrationsaktivation von Zellen.<br />

chemotaktische Faktoren. Biochemische Stoffe, die bei<br />

Gewebeverletzungen, Infektionen etc. Zellen oder<br />

Organismen anziehen oder zurückweisen <strong>und</strong> Leukozyten,<br />

Makrophagen etc. zur Abwehrfront führen.<br />

Chemotaxis. Die durch einen chemischen Reiz (Beispiel<br />

Gicht: Uratkristalle) auslösbare (positive oder negative)<br />

Bewegungsreaktion von Blutzellen. So kann innerhalb<br />

von 24 h auf chemotaktische Stimuli ein aktiv-rheumatisches<br />

Gelenk durch mehr als 1 Milliarde Neutrophile<br />

infiltriert werden (Zwaifler 1971).<br />

Chinin. Alkaloid aus der Chinarinde. Reines Chinin<br />

hemmt die Nukleinsäuresynthese durch Komplexbildung<br />

mit DNA usw. <strong>und</strong> ist ein Zellgift Historisch erstes<br />

Malariamittel ( ~ Hahnemanns Erstversuch), als unspezifisches,<br />

obsoletes Grippemittel <strong>und</strong> in obsoleten<br />

»antipyretisch-analgetischwirksamen Schmerzmittelkombinationen«<br />

immer noch im Handel. Die durch<br />

Napoleon verhängte Kontinentalblockade gegenüber<br />

Großbritannien verhinderte den weiteren Import von<br />

Chinin aus Großbritannien. Als »Chinin-Ersatz« wurde<br />

dabei u. a. die Extrakte von Salix alba vulgaris (Weidenbaum)<br />

u. a. durch Buchner, Pharmakologe in München,<br />

intensiver untersucht: es gelang ihm 1828, eine gelbliche<br />

tanninfreie Substanz ( ~ Salicin) aus der Weidenrinde<br />

zu extrahieren.<br />

Cholezystokinin. Abk. CCK (s. Buch A); ein 33-Aminosäuren-Endopeptid.<br />

Neurobiologisch in der Peripherie<br />

(Hormon-Synthese: pankreatische Apudzellen, GI­<br />

Zellen; Funktion: Sekretion/Motilität GI-Trakt) sowie<br />

im ZNS (Neurotransmitter, Neuromodulator in Kolokalisation<br />

mit anderen Neurotransmittern) vertreten. Chemisch<br />

mit dem Sekretirr verwandt (deshalb auch historische<br />

Bezeichnung: Cholezystokinin-Pankreozymin).<br />

Diskutiert werden: Nozizeption (Anti-Opioidwirkung;<br />

möglicherweise involviert in neuropathischer Hyperalgesie);<br />

Interaktionen mit Dopaminsystem; physiologische<br />

Interaktionen mit Hunger/Nahrungsaufnahme<br />

sowie Verhalten (Angst, Panik etc.). CCK-Subrezeptoren:<br />

CCKA (Opiodwirkung?), CCKB (Anti-Opioidwirkung?).<br />

Chrysotherapie. Goldtherapie (s. Antirheumatika Buch<br />

F<strong>und</strong> G).<br />

Churg-Strauss-Syndrom. Allergische granulomatöse<br />

Angiitis, systemisch nekrotisierende Vaskulitis mit<br />

respiratorischer Symptomatik, Bluteosinophilie, Lungeninfiltraten,<br />

Mono- bis Polyneuritis, Nasenpolypen,<br />

Perikarditis <strong>und</strong> blutigen Durchfällen. Durch ~<br />

Mesasalazin (s. Buch E) auslösbar; Triggerung durch<br />

Aminosalizylatverbindungen.<br />

CIBA. Die Vorgeschichte der Fa. CIBA reicht in die Jahre<br />

1864-1884, wo über den aus Lyon stammenden Alexander<br />

Clavel die Oswaldsche Seidenfärberei in der Rehgasse<br />

auf das Gebiet der Teerfarbenfabrikation ausgedehnt<br />

wurde. Sein Arsenikverfahren zur Herstellung<br />

von Fuchsin führte zu Vergiftungserscheinungen des<br />

Gr<strong>und</strong>wassers, das Schmelzen von Arsensäure zu<br />

»pestilenzialischen Gerüchen im minderen Basel«.<br />

Umzug in die Nähe des Rheins in die damals kaum<br />

besiedelte Klybekstrasse 1864, heute Sitz von Novartis<br />

(Ciba, Geigy, Sandoz). Schon 1864 durch Anwohner initiierter<br />

Expertenbericht über »unreine Luft« (u.a.<br />

Escher von der Linth!): Ausgang für baslerische baupolizeiliche<br />

<strong>und</strong> sanitäre Industrievorschriften. Verkauf<br />

1873 an die Herren Bindschedler & Busch <strong>und</strong> Farbenfabrikation<br />

(Alizarin, Malachitgrün, Eosin, später<br />

künstliches Indigo etc.). Umwandlung am 01.07.1884 in<br />

Chemische Industrie AG Basel mit späteren Fusionen<br />

wie A. Gerber (1898); 1933 Aufnahme der Kunststoffproduktion,<br />

1945 Gründung der CIBA AG, 1954 Aufnahme<br />

der Schädlingsbekämpfungsproduktion <strong>und</strong> 1958 der<br />

Farben-Photochemie. 1996 mit ~ Geigy, ~ Sandoz zu<br />

Novartis fusioniert.<br />

Cinchona. Tropische Baumarten (>40), aus deren Rinde<br />

verschiedenste Alkaloide gewonnen werden (Chinin,<br />

Chinidin, Cinchonin, Cinchonidin usw.). Cinchonismus:<br />

chronische Vergiftung mit Alkaloiden vom Chinintyp<br />

(früher als Malariamittel <strong>und</strong> bei Neuralgien<br />

eingesetzt) mit neurotoxischen Erscheinungen (Seh<strong>und</strong><br />

Hörstörungen, reversible, aber monatelang dauernde<br />

Blindheit, Photophobie, Schwindel, Kopfschmerzen,<br />

Delirien), gastrointestinalen Störungen (Emesis,<br />

Gastritis, Diarrhö) <strong>und</strong> allergisch-toxischen Symptome<br />

wie Urtikaria <strong>und</strong> Thrombozytopenie.<br />

CIPA. Engl. Abk. für »congenital insensitivity to pain<br />

with anhidrosis« (CIPA bzw. hereditary sensory and<br />

autonomic neuropathy type IV); s. auch Neurotrophine,<br />

NGF (s. Buch A).<br />

Clearance. Abk.: Cl; pharmakakinetische Bezeichnung<br />

für die irreversible Gesamtausscheidung (totale Clearance:<br />

Clt). Clearance ist das Volumen Plasmaflüssigkeit,<br />

das pro Zeiteinheit vom enthaltenen Wirkstoff<br />

»geklärt« wird. Die dazu notwendige Eliminationsprozesse<br />

sind u. a. die hepatische Verstoffwechselung <strong>und</strong>


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 797<br />

die renale Elimination: hier kann auch von hepatischer<br />

(Clhep) <strong>und</strong> renaler Clearance (Clren) gesprochen werden.<br />

Da Eliminationsvorgänge in der Leber <strong>und</strong> Niere<br />

abhängig sind von der jeweiligen Plasmakonzentration,<br />

ist es leicht verständlich, dass ein Medikament mit<br />

großem Verteilungsvolumen bzw. Sequestrierung in<br />

periphere, wenig perf<strong>und</strong>ierte Gewebeapriori eine längere<br />

Eliminationszeit hat bzw. verminderte renale,<br />

hepatische oder totale Clearancewerte aufweist. Bei<br />

repetierter Wirkstoffgabe im Fliessgleichgewicht<br />

bestimmt die Clearance die notwendige Dosierung<br />

gernäss der Formel: Dosis (mg/Zeiteinheit) = Plasmakonzentration<br />

( C steady state) in mg/l * Clearance (l pro<br />

Zeiteinheit).<br />

Clemens August, Graf von Galen (»Der Löwe von Münster«<br />

1878 Dinklage-1946 Münster). Studium der Theologie<br />

in Innsbruck, 1933 Beförderung zum Bischof, ab<br />

1945 gegenüber der britischen Besatzungsmacht in<br />

Sachen Denazifierung resistent <strong>und</strong> mit deren Erlaubnis<br />

in Rom durch den Papst Pius XII 1946 zum Kardinal<br />

in Münster gekürt. Anfänglich Antibolschewik, konservativer,<br />

nobler »Kritischer« <strong>und</strong> in Opposition zum<br />

nobel-zurückhaltenenden Kardinalskollegen Bertram<br />

von Breslau weniger zurückhaltend gegenüber dem 111.<br />

Reich, ab 1941 immerhin eine der wenigen herausragenden<br />

Köpfe der nichtemigrierten etwas hervorstilisierten<br />

Resistance, anfänglich sehr befangen <strong>und</strong> gegenüber<br />

dem bekannten Holocaust eigenartigerweise »unmotitiviert«,<br />

möglicherweise durch die Tatsache, dass ein<br />

anderer »Landsmann«, der Westfale von Papen, voll in<br />

den Funktionen des 111. Reichs integriert war. »Philosophischer<br />

Antagonist« des offiziellen NSDAP-Philosophen<br />

Alfred Rosenberg (»Mythos des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts«).<br />

Der Löwe von Münster: Euthanasie ....<br />

eine furchtbare Lehre, die die Ermordung<br />

Unschuldiger rechtfertigen will, die die<br />

gewaltsame Tötung der nicht mehr<br />

arbeitsOOügen Invaliden, Krüppel, unheilbar<br />

Kranken, Altersschwachen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

freigibt. Wenn einmal zugegeben<br />

wird, dass Menschen das Recht haben<br />

»unproduktive Mitmenschen« zu töten -<br />

<strong>und</strong> wenn es jetzt zunächst auch nur arme<br />

wehrlose Geisteskranke trifft, dann ist<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich der Mord an allen unproduktiven<br />

Menschen, also an unheilbar<br />

kranken Invaliden der Arbeit <strong>und</strong> des<br />

Krieges, dann ist der Mord an uns allen,<br />

wenn wir alt <strong>und</strong> alterschwach <strong>und</strong> damit<br />

unproduktiv werden, freigegeben.<br />

03.08.1941 aus einer Predigt an der Lambertikirche<br />

in Münster.<br />

Clusterkopfschmerz. Syn.: Horton-Syndrom, Bing-Syndrom,<br />

ältere Bezeichung: »migrainous neuralgia«:<br />

migräneartige einseitige, seitenkonstante unerträgliche<br />

vaskuläre Kopfwehanfälle mit Flushing, Schwitzen, Rhinorrhö<br />

<strong>und</strong> erhöhtem Tränenfluss begleitet.<br />

CND. Engl. Abk. für »Commission on Narcotic Drugs«<br />

der UN (Suchtstoffkommission des Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialrates der UN).<br />

CNTF. Engl. Abk. für »ciliary neurotrophic factor«: neurotropher<br />

Faktor mit Wirkung auf verschiedene Neurone<br />

<strong>und</strong> Gliazellen; verwandt mit »leukemia inhibitory<br />

factor« <strong>und</strong> »oncostatin factor« (möglicherweise gleiche<br />

Andockstellen).<br />

CNV. Abk. für die Untersuchungsmethode »Contingente<br />

negative Variation«: bei gewissen Schmerzkranken<br />

(z. B. Kopfschmerzen vom sog. Spannungstyp) zeigt<br />

sich gegenüber Ges<strong>und</strong>en eine Verstärkung höherer<br />

kortikaler Negativierung (abgeleitetes EMG, das indirekt<br />

das Ausmaß erhöhter Muskelspannungen in der<br />

perikranialen Muskulatur angibt) auch während<br />

schmerzfreien Phasen (nach Böcker et aL 1990 ).<br />

CO. Kohlenstoffmonoxid, Biogas, gasförmiger (deshalb<br />

dreidimensionaler [»retrograder«]) putativer Neurotransmitter:<br />

CO wird peripher <strong>und</strong> auch im ZNS enzymatisch<br />

durch das ~ Hämoxygenasesystem-2 (H0-2)<br />

syntethisiert. CO, ein Aktivator der löslichen Guanylatcyclase,<br />

wird als putativer Transmitter des peripheren <strong>und</strong><br />

zentralen NS, so bei hypothalamischer Freisetzung von<br />

ACTH (Corticotropin-releasing-factor), Gonadotrophinreleasing-Hormon<br />

(GnRH), diskutiert(~ Buch A).<br />

Coccygodynie. Schmerzhafte Sensationen in der<br />

Coccyxgegend, v. a. beim Sitzen; Ätiologie unklar, teilweise<br />

auf primäre Gründe zurückzuführen (Traumata,<br />

Tumoren im Coccyxbereich, ausstrahlende Schmerzen<br />

bei Wirbelsäulenerkrankungen etc.). Nicht zu verwechseln<br />

mit dem --j Piriformis-Syndrom.<br />

Cochrane, Archie (1909-1988). Schottischer Epidemiologe,<br />

erforschte bei den Kohlenmineuren von South<br />

Wales die Ursachen <strong>und</strong> Behandlungsmöglichkeiten<br />

von Lungenkrankheiten, die bei dieser Berufsgruppe<br />

auftreten. Er kam zum Schluss, dass nur eine medizinische<br />

Versorgung bzw. Ges<strong>und</strong>heitsservices (Health Service)<br />

sinnvoll wären, wenn die entsprechenden eingesetzten<br />

therapeutischen Mittel auf ihre Effizienz (»helpful,<br />

useless or harmful«) geprüft wären.<br />

Cochrane-Bewegung. Sy n.: Cochrane Collaboration,<br />

Durch die epidemiologische Pionierleistung des schottischen<br />

Epidemiologen Archie ~ Cochrane inspirierte,<br />

jetzt globale Bewegung, die sich einsetzt für eine laufende<br />

Verbesserung der medizinischen Versorgung<br />

( Qualitätskontrolle Klinik <strong>und</strong> Forschung: Cochrane<br />

Arbeitsgruppe der IASP; Cochrane Pain, Palliative and<br />

Supportive Care Group, Oxford).


798 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Cocktaillytique. Nach Laborit u. Huguenard 1948, enthält<br />

ursprünglich Chlorpromazin, Hydergin sowie Pethidin;<br />

früher eingesetzt zu Narkosetechniken, Hypothermie,<br />

Sedation bei akuten psychotischen Erregungen.<br />

Codein. Kodein; kodeia griech. Mohnkopf, 1883 durch<br />

Robiquet isoliertes <strong>und</strong> 1881 durch Grimaux synthetisiertes<br />

Referenzopioid (s. Buch B). Albert ---7 Knoll entwickelte<br />

ein industrielles Grassverfahren zur Gewinnung<br />

des damals teuren Codein aus dem billigeren<br />

Morphin (1886).<br />

Codeinismus. Siehe Kodeinismus.<br />

Coderre, Terence James (Ottawa *1958). Ausbildung in<br />

Natural Seiences <strong>und</strong> Engineering Research, Psychologie<br />

mit Abschluss 1977-1985 (Ph.D. im Fach physiologische<br />

Psychologie, McGill University). Weiterbildung in<br />

Anatomie <strong>und</strong> Neuroscience University College London,<br />

UC San Francisco, 1985-1989.Ab 1990 Director des<br />

Pain Mechanisms Laboratory, Clinical Research Institute<br />

of Montreal <strong>und</strong> Centre de recherches en sciences<br />

neurologiques Faculte de Medecine, Universite de Montreal<br />

(Kanada). Vielfältige Ehrenstipendien sowie<br />

Auszeichnungen: u. a. 1996 Patrick D Wall Young Investigator<br />

Award.<br />

Coffein. Ein Xanthinderivat, welches Hirnrinde, Atemzentrum<br />

<strong>und</strong> Herztätigkeit anregt. Als Adjuvans in<br />

Kombination mit antipyretischen Analgetika verstärkt<br />

es deren analgetische Wirkung um mindestens 40%<br />

(s. ---7 Buch F).<br />

Cold-plate-Test. Siehe unter »Hot -plate-Test«.<br />

Collemplastra. Heftpflaster, Gewebe oder Folien, die<br />

mit einer auf der Haut klebenden Masse bestrichen<br />

sind.<br />

Collyria. Augentropfen, Augenwässer; Lösungen <strong>und</strong><br />

Suspensionen für tropfenweise Anwendung im Bindehautsack<br />

(siehe ---7 sAA) oder auf der Hornhaut bzw.<br />

Lösungen zum Waschen <strong>und</strong> Baden des Auges.<br />

Colony-stimulating-Faktor. Abk. CSF, Glykoproteinfamilie,<br />

die das Wachstum <strong>und</strong> die Ausdifferenzierung<br />

von Knochenmark- bzw. Blutzellen (Granulozyten,<br />

Makrophagen) koreguliert <strong>und</strong> somit bei Entzündungen<br />

etc. eine wichtige Rolle spielen. Zur CSF-Familie<br />

werden gezählt: IL-3, G-CSF (Granulozyten-CSF), M­<br />

CSF (Makrophagen-colony-stimulating-Faktor), GM­<br />

CSF (Granulozyten-Makrophagen -CSF).<br />

Commission d'AMM. Commission d'autorisation de<br />

mise sur Je marche. Französische Behörde: »Pendant«<br />

zu ---7 FDA (USA), IKS.<br />

Compliance. Lungenphysiologie, Dehnbarkeit des<br />

Thorax-Lungen-Systems. In der klinischen Pharmakologie<br />

<strong>und</strong> Schmerzklinik Bereitschaft des Patienten zur<br />

Kooperation.<br />

Compressi. Tabletten, maschinell durch Pressen<br />

trocken aus Pulver, Kristallen <strong>und</strong>/oder Granulaten einzeldosierbar<br />

entstandene feste Arzneimittel.<br />

COMT. Abk. für Catechol-0-methyltransferase.<br />

Confusion Assessment Method. Abk. CAM, durch<br />

Inouye et al. 1990 beschriebene einfache Skalisierungsmethode<br />

für Nichtpsychiater (bzw. Palliativmediziner),<br />

Bewusstseinsstörungen einfach zu erfassen.<br />

Context-sensitive-half-time. Abk. CSHT, nach M.A.<br />

Hughes et al. 1992 vorgestelltes, kinetisches Konzept für<br />

die i.v.-Applikation: die Zeitdauer, die notwendig ist,<br />

um die Plasmakonzentration eines i.v.-Wirkstoffes nach<br />

einer definierten Infusionsdauer (=»Kontext«) bei konstantem<br />

Plasmaspiegel auf die Hälfte fallen zu lassen;<br />

---7 Halbwertszeit.<br />

Corning, J. Leonard (1855-1923). New Yorker Neurologe,<br />

beobachtete ---7 Halsteds Arbeiten <strong>und</strong> publizierte eigene<br />

Arbeiten über Spinalanästhesie am H<strong>und</strong>: »Spinal<br />

anesthesia and local medication of the cord« (1885) <strong>und</strong><br />

»A further contribution on local medication of the cord«<br />

(1888).<br />

Corticotropin-releasing-Hormon. Abk. CRS, ein hypophysäres<br />

Neuropeptid, das u. a. die Freisetzung von<br />

ACTH koreguliert. Zielrezeptoren sind CRS-Rezeptor 1<br />

<strong>und</strong>2.<br />

Costen-Syndrom. Syn.: myofasziales Syndrom, otodentales<br />

Syndrom; benannt nach dem am. Otologen James<br />

B. Costen (St. Louis 1895-??); Erstbeschreibung 1930.<br />

Cotugno, D. (1736-1822). Nach Cotugno benannt ist der<br />

Sammelbegriff von Neuralgien im Bereich des N.<br />

ischiadicus ( Cotugno-Syndrom): »De ischiade nervosa<br />

Commentarius«, Venedig 1764.<br />

Cousins, Michael. Zeitg. Schmerzforscher <strong>und</strong><br />

Schmerztherapeut (Dept of Anaesthesia and Pain<br />

Management, Univ. Sidney), Promotion <strong>und</strong> danach<br />

Ausbildung in Anästhesiologie, Universität Sydney<br />

(Royal North Shore Hospital); 1970-1974 Assistenzprofessur<br />

an der Stanford Universität; zurück in Sidney<br />

Gründer <strong>und</strong> Vorsteher 1975-1990 des Departements<br />

für Anästhesie <strong>und</strong> Intensivpflege, später Direktor des<br />

dortigen Schmerzdienstes (Schmerzforschung,<br />

Schmerzklinik). Zusammenarbeit u. a. mit P. Bromage<br />

an der McGill-Universität, Montreal (postoperative<br />

Schmerztherapie). Über 200 Publikationen; vielfache<br />

Auszeichnungen (T.Cecil-Gray-Prize, The-Mushin­<br />

Medal, The-Bonica-Medal, The-Gaston-La bat-Medal,<br />

The-Ralph-Waters-'{vledal etc.). Publizierte u.a. »Neural<br />

blockade in clinical anesth~Ja and management of<br />

pain


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 799<br />

COX-1, COX-2. Abk. für Cyclooxygenase 1 (»konstitutive«<br />

COX) <strong>und</strong> Cyclooxygenase 2 (»induktive« COX).<br />

Die Enzyme bestehen aus ähnlichen Aminosäurensequenzen.<br />

Funktion beider COX-Systeme: enzymatischer<br />

Abbau von aus Phospholipiden entstandener ~<br />

Arachidonsäure zu Prostaglandine PG2 unter Sauerstoffaufnahme<br />

(2 0 2: »Endoperoxidbildung«). Die PG2<br />

wird dann über die Hydroperoxydase zu PGH2 (unter<br />

Elektronaufnahme 2 e-) abgebaut, Vorstufe für die<br />

Prostazyklinfamilie (PGD-Synthase ~ PGD2; PGE­<br />

Synthase ~ PGE2, PGF2"-Synthase ~ PGF2", Thromboxan-Synthase<br />

~ TXA2, Prostacyclin-Synthase ~ PGI2.<br />

Die Bezeichnung »konstitutiv« ( = COX-1) ist griffig,<br />

aber teilweise irreführend, weil die »induktive« COX-2<br />

im ZNS <strong>und</strong> Nierensystem offenbar »konstitutiv« funktioniert.<br />

Das COX-2-Gen ist kürzer als das COX-1-Gen<br />

(8,3 kb vs. 22 kb). Neuere Arbeiten (Takahashi et al.<br />

1998) weisen darauf hin, dass die COX-2 ebenfalls eine<br />

physiologische Funktion in der Heilung von gastrischen<br />

Ulzera hat (s. Wirkstoffprofil Celocoxib: UAW<br />

Gastropathie). Siehe Buch D <strong>und</strong> E.<br />

COX-1. Protein, MG 72000; 6oo-6o2 Aminosäuren,<br />

mRNA: 2,8 kB; Position auf Chromosom 9; Funktion:<br />

konstitutives organeigenes Enzym in allen Geweben,<br />

v. a. Thrombozyten, Nieren, Magen.<br />

COX-2. Protein MG 72000; 603-604 Aminosäuren;<br />

mRNA 4,5 kB; Position auf Chromosom 1; Funktion:<br />

durch entzündliche Stimuli <strong>und</strong> Zytokine induzierbares<br />

Enzymsystem v. a. in Makrophagen, Monozyten, Synoviozyten,<br />

Chondrozyten, Fibroblasten, Endothelzellen.<br />

Auch durch Hormone induzierbar (Ovarien, Fetalmembrane).<br />

ZNS <strong>und</strong> Nieren: konstitutives (!) Enzymsystem.<br />

COX-2-Hemmer. Abkürzung für »Cyclooxygenase2-Hemmer«<br />

(sog. »induzierbare« Gewebe-COX).<br />

Theoretisch sollten spezifische COX-2-Hemmer die<br />

Gewebe-PG-Homöostase (COX-1) nicht stören <strong>und</strong><br />

somit weniger gastrointestinale, bronchiale <strong>und</strong> renale<br />

Nebenwirkungen induzieren.<br />

CP. Chronische Polyarthritis. Ebenfalls üblich jcP: für\<br />

juvenile chronische Polyarthritis.<br />

Cpw Abk. für minimale Plasmakonzentration im Fliessgleichgewicht<br />

(»steady state«), die für i.v.- applizierte<br />

Analgetika bei der Hälfte der Probanden/Patienten ausreicht,<br />

eine somatische Antwort nach standardisiertem<br />

Nozizeptionsreiz (Beispiel Hautinzision) zu unterdrücken.<br />

Gilt als Pendant zu Egers ~ MAC-Begriff.<br />

Wenn zusätzliche autonome Antworten auf die nozizeptive<br />

Stimulation gemessen werden (Plasmakatecholamine<br />

etc.), wird der Begriff Cp 50 BAR (»barish autonomic<br />

response«) verwendet (s. Buch B).<br />

Arzneimittel, Arzneimittelüberwachung) vergleichbar<br />

der amerikanischer ~ FDA.<br />

CPT. Engl. Abk. für »cold pressor test«. Ursprünglich die<br />

Immersion der Hand in Eiswasser (Wolf u. Hardy 1941);<br />

s. auch Turks Arbeiten (Buch A).<br />

CRPS. Engl. Abk. für »complex regional pain syndrome«,<br />

komplexes regionales Schmerzsyndrom (früher:<br />

sympathische Reflexdystrophie, s. Buch A).<br />

CRPS-Tests. Bei CRPS durchgeführte Tests, um autonome<br />

Nervenfunktionen zu testen (z. B. QSART, RSO;<br />

daneben einfache Vasomotorentests wie Valsalva­<br />

Manöver etc.).<br />

Crushsyndrom. Bei Unfällen, Erdbeben etc. durch<br />

stumpfe, ausgedehnte, massive Quetschung <strong>und</strong> Zersplitterung<br />

von Muskel- <strong>und</strong>. Knochengewebe etc.<br />

auftretendes Syndrom mit Zellmembranschädigung<br />

(Freisetzung von Kalium, Enzymen, Myoglobin etc.),<br />

sek<strong>und</strong>ärer Nierendysfunktion (akute tubuläre Nekrose,<br />

Urämie), in der Regel mit starken neurogenen (relativ<br />

»therapierefraktären«) tage- bis wochenlangen<br />

Schmerzzuständen begleitet (I: kontinuierliche Epiduralanalgesie).<br />

es. Engl. Abk. für »conditioned Stimulus«; kann eine<br />

sog. CR bzw. »conditioned response« auslösen.<br />

CSAID. Engl. Abk. für »cytokine-suppressive antiinflammory<br />

drugs« ( ~ Zytokine; ebenso Buch F).<br />

CSF. Engl. Abk. für »colony stimulatingfactors«. Gruppe<br />

immunomodulatorischer Glykoproteine (IL-3, G-CSF,<br />

M-CSF, Granulocyte-macrophage-colony-stimulating­<br />

Faktor, GM-CSF) von Knochenmarkzellen mit multiplen<br />

Aufgaben (Granulozyten-/Makrophagenkoloniestimulation).<br />

CSHT. Engl. Abk.für ~ »context sensitive halflife time.<br />

Curbelo, M.M. Führte 1949 die kontinuierliche Epiduralkathetertechnik<br />

ein.<br />

Cushing, Harvey (1869-1939). Schüler von~ Halsted u.<br />

Theodor Kocher (Bern; erster Nobelpreisträger in<br />

Medizin; 1841-1917). Vater der modernen Neurochirurgie<br />

(Harvard, Yale). Nach ihm ist das Cushing-Syndrom<br />

benannt. Führte u. a. die Führung von präzisen<br />

Anästhesieprotokollen ein. Publizierte eine Biographie<br />

über Sir William Osler. Stimulierte als erster Forscher<br />

1909 den menschlichen sensorischen Kortex.<br />

Cyclooxygenase. Abk. COX; Syn. Prostaglandin-Endoperoxid-Synthase,<br />

Enzymsystem von dem bislang 2<br />

Isoenzyme identifiziert sind ( ~ COX-1, ~ COX-2, in<br />

Diskussion: COX-3).<br />

CPMP. Engl. Abk. für Committee on Proprietary Medicinal<br />

Products: EWG-Behörde (Registrierung neuer<br />

Cytochrom P450• Hämoprotein-Enzymsystem, das im<br />

Falle der Lebermikrosomen am oxidativen Abbau von


Boo<br />

<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Wirkstoffen bzw. Redoxsystem mit Elektronenaustausch<br />

über reduziertes Flavoprotein, oxidiertes Flavoprotein<br />

<strong>und</strong> NADP beteiligt ist: unter 0 2 -Aufnahme<br />

wird aus dem Reaktionskreis ein oxidierter Wirkstoff<br />

zur Verstoffwechselung weitergeleitet wird <strong>und</strong> zur<br />

erneuten Reaktion die Redoxkreise Flavoprotein/<br />

NADPH dem nummehr oxidierten Enzym P450 (Fe3+) 1<br />

Elektron zur Verfügung gestellt, damit die Reaktion wieder<br />

von vorn beginnen kann. Es gibt multiple Cytochromsysteme.<br />

Sog. langsame Verstoffwechsler ( ca. 10%<br />

der kaukasischen Bevölkerung!) verfügen über dysfunktioneHe<br />

Cytochromsysteme <strong>und</strong> können entsprechend<br />

Exoliganden schlecht abbauen. Relevant für Schmerzpraxis:<br />

~ Kodein (Prodrug Morphin),~ Alfentanil.<br />

DAB Abk. für Deutsches Arzneibuch.<br />

DAC Abk. für Deutscher Arzneimittelcodex.<br />

Dagnini-Aschner-Reflex Syn.: Bulbusdruckversuch,<br />

nach dem Bologneser Internisten G.D.Dagnini<br />

(1866-1928) sowie dem emigrierten Wiener Gynäkologen<br />

B.A. Aschner (1883-1960, New York) benannter<br />

vagovagaler Reflex, auslösbar über den ersten Trigeminusast<br />

(Druck auf Augenbulbus) mit vagalem Erfolg<br />

(Bradykardie, Herzstillstand, Nausea <strong>und</strong> Emesis):<br />

anwendbar bei paroxysmaler Tachykardie.<br />

Dallenbach, Karl M. (Champaign/Illinois 1887-1971<br />

Austin/Texas). Psychologe, Schmerzforscher.<br />

DAMGO. In der Schmerzforschung verwendetes p­<br />

Opioid-Peptid (Agonist) mit der Aminosäurensequenz<br />

Tyr-D-Ala-Gly-(me)Phe-Gly-ol.<br />

Dämmerschlaf. Geburtshilfliehe Analgesietechnik, von<br />

Gauß 1906 mittels Morphin <strong>und</strong> Scopolamin eingeführt:<br />

»Die Anwendung des Scopolamin-Morphium­<br />

Dämmerschlafes in der Geburtshilfe((.<br />

Dandy, Walter (1886-1946). Führte die Ventrikulographie<br />

durch Insufflieren von Luft in die Hirnventrikel<br />

<strong>und</strong> anschließende Radiographie (historisch erste Indikation:<br />

faziale Neuralgien!) ein.<br />

DAPI. Abk. für Deutsches Arzneimittelprüfungsinstitut<br />

(München).<br />

DASS. Abk. für Depression-Anxiety-Stress-Scales.<br />

Davy, Humphry (Cornwall 1778-1829). Leiter des<br />

»pneumatischen Laboratoriums in Bristol((, beschrieb<br />

im Jahre 18oo - 40 Jahre vor Horace Wells <strong>und</strong> Colton -<br />

die analgetische Wirkung von N 2 0 <strong>und</strong> nannte es<br />

»Lachgas((. Einer seiner Schüler war Michael Faraday<br />

(1791-1867), genialer Autodidakt (die Bezeichnungen<br />

Elektrolysis, Elektrolyt, Anion, Kation, Anode <strong>und</strong><br />

Kathode gehen auf ihn zurück) <strong>und</strong> Erforscher der<br />

Elektrizitätslehre; beschrieb später auch die Wirkung<br />

von Ätherdämpfen.<br />

DCI. Abk. für Denominatio communis internationalis<br />

(Denominations communes internationales; entspricht:<br />

~ INN).<br />

DE. Lat. Abk. für dosis effectiva.<br />

DEw Lat. Abkürzung für dosis effectiva sive efficax in<br />

mg/kgKG, bei der in so% der Versuchstiere/Probanden<br />

eine entsprechende Wirkung erzielt werden kann. Das<br />

Verhältnis zwischen DE 50 <strong>und</strong> DL 50 (Dosis letalis bzw.<br />

tödliche Dosis, bei welcher die Hälfte der Versuchstiere<br />

stirbt) ergibt die sog. therapeutische Breite oder den<br />

therapeutischen Index.<br />

De Castro G. Anästhesist, er beschrieb zusammen mit P.<br />

M<strong>und</strong>eler 1959 die Neuroleptanalgesie.<br />

DEA. Engl. Abk. für Drug Enforcement Administration<br />

(USA-Rauschgift-Administration).<br />

Decussation. Kreuzung: z. B. ~ Decussation in der<br />

Commisura alba (s. Buch A).<br />

Dejerine-Roussy-Syndrom. Nach J. J. Dejerine (1849-<br />

1917; Ehemann der am. Neurologin Augusta Marie<br />

Dejerine-Klumpke [1859-1927; Arbeiten über Plexusbrachialis-Läsionen])<br />

<strong>und</strong> G.R. Roussy (1874-1948)<br />

benanntes Thalamussyndrom mit Hemianopsie,<br />

Hyperreflexie, Hyposensibilität der Haut, Hemialgie,<br />

Hemihyperpathie.<br />

Deka. Abk. da, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />

10 1 = 10.<br />

Dekontamination. »Entgiftung bei Intoxikationen((.<br />

Man unterscheidet die primäre Dekontamination<br />

(Verhinderung oder Reduktion der Resorption eingenommener<br />

Gifte: induzierte Emesis, Magenspülung,<br />

Aktivkohle) <strong>und</strong> die sek<strong>und</strong>äre Dekontamination (Maßnahmen<br />

nach erfolgter Resorption in den Blutkreislauf:<br />

forsierte Dialyse mit Alkalinisierung; extrakorporale<br />

Elimination mittels Hämodialyse, Hämoperfusion).<br />

Delta-Fasern, 6-Fasern. Langsamste A-Fasern mit Leitungsgeschwindigkeit<br />

von 2om/s; zur Gruppe der<br />

1-4 pm dicken, myelinisierten A-Fasern gehörend.<br />

Funktion: u. a. Nozizeptorenfunktion (sog. »schnelle<br />

Schmerzfasern(().<br />

Delta-Rezeptoren, 6-Rezeptoren. DOR, OR-1; Subtyp<br />

der ~ Opioidrezeptoren (s. Buch B). Affinität Endorphine<br />

+ Enkephaline > Dynorphine.<br />

Delta-Wellen, 6-Wellen. Langsame Hirnwellen im EEG<br />

(Wellenform; f: bis 3 Zyklen/s; Amplitude 5-250 pV).<br />

Kortexwellen unter Narkose-, Schlaf- oder pathologischen<br />

Bedingungen.<br />

De Martel, Thierry (1875-1940). Mit~ Vincent zusammen<br />

Begründer der frz. Neurochirurgie. Hochdekorierter<br />

Offizier während des 1. Weltkriegs. Selbstmord bei<br />

Einmarsch der dt. Truppen in Paris.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 801<br />

Denervierung. Syn.: Deafferenzierung, traumatische<br />

Ausschaltung von Afferenzen aus einem Organgebiet<br />

Als Folge einer Denervierung können autonome Massenreflexe<br />

im Sinne einer autonomen Hyperreflexie<br />

(extreme Bradykardie, Hypertension, extreme Vasokonstriktion<br />

etc.) auftreten (beispielsweise nach traumatischer<br />

Paraplegie <strong>und</strong> nozizeptiver Reizung entsprechender<br />

Jenervierter Organgebiete), möglicherweise<br />

aufgr<strong>und</strong>einer »Up-regulation« (Aufgr<strong>und</strong> des Ausfallens<br />

synaptischer Freisetzung von Acetylcholin <strong>und</strong><br />

Noradrenalin) postsynaptischer Nervenmembrane, die<br />

dann auf zirkulierende Katechotamin überschiessend<br />

reagieren.<br />

>>Der Anästhesist«. 1952 durch Rudolf Frey, Werner ---1<br />

Hügin (Basel) <strong>und</strong> Mayrhofer (Wien) gegründetes<br />

FachjournaL<br />

>>Der Schmerz«. 1928 erschienen <strong>und</strong> herausgegeben<br />

durch den Würzburger Gynäkologen C.J. Gauss, den<br />

Heidelberger Pharmakologen H. Wieland <strong>und</strong> B. Bebrens<br />

sowie ---1 E. v. der Porten. Nach der großen Wirtschaftskrise<br />

von 1929 mit ---1 »Narkose <strong>und</strong> Anästhesie«<br />

fusioniert. Seit 1987 Organ der Deutschen Gesellschaft<br />

zum Studiem des Schmerzes, der Österreichischen<br />

Schmerzgesellschaft <strong>und</strong> der Deutschen Interdisziplinären<br />

Vereinigung für Schmerztherapie.<br />

Dercum-Krankheit. Nach F.X. Dercum (1856-1931)<br />

benannt: Neurolipomatosis dolorosa, auch: Adiposalgie.<br />

Desensibilisierung. Engl. »desensitization«, der nach<br />

längerdauernden Gabe von Agonisten mögliche Funktionsverlust<br />

Der Gr<strong>und</strong> kann auf jeder funktionellen<br />

Ebene auftreten, so auf Rezeptorebene, Effektorsystemebene<br />

<strong>und</strong> Messengerebene; z. B. opioidinduzierte<br />

Abkopplung vom Effektor Adenylatcyclase oder von<br />

membranständigen Ionen (K+- )Kanälen.<br />

Descartes, Rene (Renatus Cartesius; La Haye-Descartes<br />

1596-1650 Stockholm). Philosoph, Mathematiker (Algebra;<br />

Descartessche Zeichenregel), Physiker (Erhaltungsgesetz;<br />

Optik: Brechungsgesetze). Begründer der<br />

Spezifitätstheorie. Beschrieb die spezifischen äußeren<br />

Reize, die letzten Endes zum Schmerzerlebnis führen,<br />

im Jahre 1664: »Wenn das (äußere) Feuer sich nahe dem<br />

Fuß befindet, haben die kleinen Teilchen des Feuers die<br />

Kraft, die Haut des Fußes, wo sie ihn am dichtesten<br />

erreichen, zu bewegen. Dadurch ziehen sie gleichsam<br />

an den Verbindungen <strong>und</strong> öffnen gleichzeitig die Poren<br />

(Rezeptoren), an denen sie enden, ähnlich einem<br />

Glockenstrang (Nervenstrang), der, wenn an einem<br />

Ende gezogen, am anderen Ende die Glocke (Hirn)<br />

ertönen lässt« (kursiv: vom Hrsg. eingefügte Übersetzungen).<br />

Der Körper (res extensa) steht mit der Seele<br />

(res cogitans) in der Glandula pinealis in Beziehung, die<br />

vom Körper Informationen bekommt <strong>und</strong> ihm Befehle<br />

erteilt. Die Descartes-Hirntheorie war damals so revo-<br />

lutionär, dass selbst Voltaire über die »konfusen Ideen«<br />

Descartes entsetzt war. Rene Descartes: »Les passions de<br />

l'ame.« Paris, Henry le Gras, MDCXLIX (Avec privilege<br />

du roy ... ).Siehe auch Buch H-J!.<br />

Designerdrogen. Chemische Abwandlungen von Opiaten<br />

<strong>und</strong> Opioiden zum Rauschgiftmissbrauch.<br />

Devor, Marshall (Toronto *1949). Kanadisch-israelischer<br />

Forscher, Ausbildungen in: Princeton University,<br />

M.I.T. (Cambridge/Mass.), London, Hebrew University,<br />

seit 1988 Professor am Life Seiences Institute (Hebrew<br />

University of Jerusalem), Education/Taxonomy Panels<br />

IASP, Editor/Editorial Panel Pain, Pain Medicine, J Peripheral<br />

Nervous System etc. Forschung u. a. neuropathische<br />

Schmerzen, synaptische Plastizität etc.<br />

Dezi. Abk. d, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />

10- 1 = 0,1.<br />

DHS. Abk. Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren.<br />

Dieffenbach, Johann Friedrich (?-?). Dt Anästhesiepionier:<br />

>>Der Aether gegen den Schmerz« (1847). A. Hirschwald<br />

Verlag, Berlin.<br />

dies. Lat Tag: pro die (tgl.).<br />

diffuse noxious inhibitory controls. Abk. DNIC; franz.<br />

Schmerzforschung um ---1 Willer<strong>und</strong> ---1 LeBars (s. auch<br />

Buch A): Hemmung multirezeptiver Neurone des<br />

Rückenmarkhinterhorns durch nozive Stimuli in einem<br />

Bereich ausserhalb der betroffenen rezeptiven Felder.<br />

Erfordert offenbar intakte Hirnstammfunktionen <strong>und</strong><br />

intaktes endogenes Opioidsystem. Beispiel am Fall<br />

eines alten Bauerntricks bzw. »Erfahrungsmedizin«:<br />

früher wurden Jungstiere ohne Narkoseverfahren<br />

kastriert, indem der Bauer gleichzeitig eine äußerst<br />

schmerzhafte Reizung (Nasenklemme) anbrachte mit<br />

dem Resultat, dass der äußerst schmerzhafte Kurzeingriff<br />

überhaupt durchzuführen war. In der Regel wird' in<br />

der heutigen Forschung folgende Versuchsanordnung<br />

gewählt: nozive Stimulation eines ipsilateralen peripheren<br />

Nerven, Aufzeichnung des entsprechenden spinalen<br />

Nozifensorreflexes (z. B. Kniereflex), heterotopische<br />

Reizung (Beispiel: Hand in Eiswasser).<br />

Dioskorides, Pedanios (30-90 nach Christus). Griech.<br />

Arzt <strong>und</strong> Pharmakologe (fünfbüchrige >>De Materia<br />

medica«). Gebrauchte die Bezeichnung Anaisthesia (an<br />

+ aisthesia =keine Schmerzperzeption) in Zusammenhang<br />

mit dem »betäubenden« Effekt von Mandragora,<br />

einer Alraunepflanze, deren Extrakte damals zur perioperativen<br />

»An-aisthesia« eingesetzt wurden.<br />

Diskrimination. Das Vermögen sensible Reize zu unterscheiden.<br />

Dispensatorium. Mittelalterliche Bezeichnung für Arzneibuch,<br />

Pharmakopöe.


802 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Dispensieren. Amtlich bewilligte Abgabe von Arzneimitteln<br />

durch Apotheker oder Arzt.<br />

Dissoziationsanästhesie. Ein durch gewisse Wirkstoffe,<br />

wie Ketamin, erzeugter ZNS-Zustand mit Analgesie,<br />

Katalepsie, offenen Augen, intakten Licht- <strong>und</strong> Kornealreflexen,<br />

unabhängig von chirurgischen Stimuli auftretende<br />

Spontanbewegungen sowie eine Art chemischer<br />

Hypnose (Corssen u. Domino 1966).<br />

DL. Lat. Abk. Dosis letalis.<br />

DL 50 • Lat. Abk. für letale Dosis, bei welchem so% der<br />

exponierten Versuchstiere sterben. Dabei wird die<br />

artspezifische (!) Todesursache (Beispiel: Atemstillstand)<br />

nicht bewertet, sodass dieser in der Toxikologie<br />

übliche Parameter für die Praxis nur bedingt aussagekräftig<br />

ist.<br />

DMARD. Engl. Abk. für »disease modifying antirheumatic<br />

drugs«, in der Rheumatologie eingesetzte<br />

Basistherapeutika: s Buch F <strong>und</strong> G.<br />

DMKG. Abk. für Deutsche Migräne- <strong>und</strong> Kopfschmerzgesellschaft.<br />

DNIC. Siehe unter »diffuse noxions inhibitory controls«.<br />

Döblin, Alfred (Stettin 1878-1957 Emmendingen/<br />

Baden). Arzt in Berlin; 1930 »Berlin Alexanderplatz«,<br />

1933-1945 Emigration (1940 Flucht über die grüne<br />

Grenze der Pyrenäen - zu gleicher Zeit flüchtete der 70-<br />

jährige Heinrich Mann über diese Grenze!). 1948: »Verratenes<br />

Volk«. Mitgründer der Akademie der Wissenschaften<br />

<strong>und</strong> Künste in Mainz 1949.<br />

Dogliotti, A.M.D. (1897-1966). Bedeutender ital. Herzchirurg<br />

v. a. in Turin (Piemont). Exponent der Extraduralanästhesie<br />

(s. auch~ Pages Mirave Fidel). Gründer<br />

der ital. Anästhesiegesellschaft »Eine neue Methode der<br />

regionalen Anästhesie: die peridurale segmentäre<br />

Anästhesie« (1931). Führte die chemische intrathekale<br />

Neurolyse durch Alkohol bei unerträglichen Schmerzzuständen<br />

vor: »Nouvelle methode therapeutique pour<br />

les algies peripheriques. Injection d'alcool dans l'espace<br />

sous-arachnoidien« (1931).<br />

Dolor. Lat. Schmerz; Dolores =Wehen (Dolores praeparantes,<br />

Dolores ad partum, Dolores post partum, Dolores<br />

sec<strong>und</strong>inae).<br />

Dolorimeter. Syn.: Algesimeter, Apparat zur Schmerzmessung<br />

(s. Buch A).<br />

Dolorrezeptor. Von Paul Langerhans 1868 »Ober die<br />

Nerven der menschlichen Haut


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 803<br />

Richtung) <strong>und</strong> als Asymptote zu einem maximalen<br />

Wert hin verläuft.<br />

Dott, Norman (1892-1973). Bedeutenden schottischer<br />

Neurochirurg (Pioniereingriffe: Hirnaneurysmen).<br />

Arbeiten über Gesichtsschmerzen.<br />

DPhG. Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft; 1890<br />

gegr., »Archiv der Pharmazie«.<br />

Dragees. Syn.: Compressi obducti, Tabulettae obductae;<br />

Arzneiform, bei der der Wirkstoff durch Hüllsubstanzen<br />

(bsp. durch Zuckerdragierung) überzogen ist.<br />

Dreifaches Kältesyndrom. »triple-cold-syndrome«,<br />

Kältehyperalgesie (»cold hyperalgesia«), Kältehypästhesie<br />

(»cold hypoaesthesia«), kalte Haut (»cold<br />

skin«).<br />

Dreser, Heinrich (Darmstadt 1860-1924). Pharmakologe,<br />

nach 1896 in Göttingen tätig, publizierte über klinische<br />

Erfahrungen mit Acetylsalicylsäure 1899: »Pharmakologisches<br />

über Aspirin«. Siehe auch ~ Felix Hoffmann<br />

<strong>und</strong> ~ Arthur Eichengrün.<br />

Droge. Als Droge wird eine Arznei pflanzlichen oder<br />

tierischen Ursprungs oder deren Teile bezeichnet. Im<br />

Englischen heißt »drug« Arzneistoff. Wahrscheinlich<br />

eingedeutscht, bedeutet drug bzw. Droge im Laienjargon<br />

heute »Rauschmittel«.<br />

Druckalgometer. Gerät, das den Auflagedruck bei Erreichen<br />

der Schmerzschwelle (z. B. Triggerpunkte) anzeigt.<br />

Druckanalgesie. Fehlen einer Schmerzhaftigkeit auf<br />

starken Druckreiz.<br />

Druckpunkte. Auf der Haut befindliche Punkte für<br />

Drucksinn (Meissner-Tastkörperchen). Auch Punkte an<br />

speziellen Stellen (~ Valleix-Druckpunkte, Akupunktur,<br />

Neuraltherapie).<br />

Drucksinn. Barästhesie.<br />

Drug-Holiday. Das Absetzen einer Langzeitmedikation<br />

über eine bestimmte Zeit, um die sog. Toleranzentwicklung<br />

zu hemmen.<br />

DSF. Abk. für »Douleurs sans frontieres«, eine übernationale<br />

wohltätige Ärzteorganisation (vgl. mit »Medecins<br />

sans Frontieres«), die v. a. für die durch Krieg<br />

(Minen!) geschädigte Landbevölkerung (Schwerpunktprogramme<br />

Kinder <strong>und</strong> Schmerz, Amputierte, aber<br />

auch Aids sowie Selbsthilfe durch Ausbildung!) tätig ist.<br />

DSM. Abk. für Diagnostic and Statistical Manual.<br />

Du Bois Reymond, Emil (Berlin 1818-1896). Pionier der<br />

Elektrophysiologie.<br />

Duhner, Donald (New York *1934). Zeitgenössischer<br />

Schmerzforscher (Neurobiologie), Studium am Columbia<br />

College mit Abschluss 1955, Columbia Universitäts-<br />

schule für Zahnmedizin, Promotion 1964 in Physiologie.<br />

Schmerzforschung Universität Maryland (Baltimore<br />

Dental School). Gründungsmitglied IASP <strong>und</strong> APS.<br />

Dubois, Paul (1848-1918). Bedeutender Schweizer Psychiater.<br />

Pionierarbeiten über Patienten-«Compliance«,<br />

indem er die Patienten mittels Aufklärung etc. in die<br />

Therapie einband.<br />

Duchenne, Guillaume Benjamin Amand (1806-1875).<br />

Bedeutender frz. Neurologe (»Lehrvater« von~ Charcot).<br />

Dufy, Raoul (Le Havre 1888-1953 Forcalquier ). Berühmter<br />

frz. Maler, litt an chronischer Polyarthritis (Analgetikum:<br />

Aspirin), band sich im fortgeschrittenen Stadium<br />

den Pinsel an die von der Krankheit deformierten<br />

Finger, um malen zu können: »monokolore Phase?!«<br />

Ließ sich 1950 in den USA (s. auch: Hench) wegen seiner<br />

Polyarthritis mit Kortikosteroiden behandeln, die eine<br />

Remission erbrachten. Bild: »La Cortisone«. 1953 Tod<br />

wegen einer gastrischen Hämorrhaghie (Kortikosteroide<br />

<strong>und</strong> Aspirin?!).<br />

Duhamel, Georges (Paris 1884-1966). Frontarzt im 1.<br />

Weltkrieg; Philanthrop.<br />

»La sympathie est notre meilleure chance<br />

de nous mder de l'~oisme.«<br />

Dumas,Jean Baptist (Ales 1800-1884 Cannes). Eminenter<br />

frz. Chemiker. » Traite de chimie applique aux arts«<br />

( 1828- 1846).<br />

Dunant Jean-Henri (Geneve 1828-1910 Heiden/Appenzellerland).<br />

Anthroposoph, 1855 Mitwirkung bei der<br />

Gründung des Weltb<strong>und</strong>s der Christlichen Vereine Junger<br />

Männer in Paris. Erlebte 1859 auf einer Geschäftsreise<br />

unmittelbar Tod <strong>und</strong> Leiden <strong>und</strong> die völlige<br />

Absenz von Hilfeleistungen etc. im Gefolge der Schlacht<br />

bei Solferino: er motivierte u. a. die Frauen der Umgebung,<br />

den Verletzten zu helfen. Schrieb 1862 »Erinnerung<br />

an Solferino«. Gründung 1863 des späteren »Internationalen<br />

Komitees vom Roten Kreuz IKRK«, u. a. mit<br />

Advokat Gustave Moynier, dem Schweizer General<br />

Dufour (nach ihm wird die Dufourspitze in den Alpen<br />

benannt), dem Kriegschirurgen Louis Appia sowie dem<br />

Arzt T. Maunoir. Wirtschaftlicher Zusammenbruch <strong>und</strong><br />

1868 Verurteilung durch Genfer Zivilgericht wegen<br />

Bankrottes. Projekt einer Universalbibliothek. 1871<br />

Gründer des Weltb<strong>und</strong>s für Ordnung <strong>und</strong> Bildung<br />

(politischer <strong>und</strong> sozialer Frieden, internationale<br />

Schiedsgerichte, Besserstellung der Kriegsgefangenen).<br />

Übersiedlung nach London, später nach Stuttgart, ab<br />

1887 nach Heiden <strong>und</strong> Trogen im Appenzellerland. 1896<br />

Briefwechsel mit Bertha von Suttner. 1901 Nobelpreis<br />

für Frieden (zusammen mit Frederic Passy, im gleichen


804 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Jahr Wilhelm Konrad Röntgen für Physik, Emil Adolf<br />

von Bebring für Physiologie-Medizin): das Preisgeld<br />

stellt er (selber verarmt <strong>und</strong> krank) humanitären<br />

Zwecken zur Verfügung. 1903 medizinisches Ehrendoktorat<br />

Henri Dunant ist im Friedhof Sihlfeld in Zürich<br />

bestattet.<br />

Dura mater. Pachymeninx, anatomische Trennlinie für<br />

die englische Anästhesieschule zur Unterscheidung von<br />

intraduralen (Syn. intrathekalen, spinalen) <strong>und</strong> extraduralen<br />

(Syn. epiduralen) Anästhesietechniken.<br />

Dusser de Barenne, Johannes Gregorious (1885-1940).<br />

Bedeutender holländischer Physiologe (Arbeiten über<br />

kortikal-subkortikale Funktionsmechanismen).<br />

Dynamik. In der Pharmakadynamik die Wirkungsweise<br />

von Wirkstoffen.<br />

Dynorphin. Eine Klasse von endogenen Peptiden mit<br />

Opioidcharakter (Dynorphin A, Dynorphin B sowie<br />

Dynorphinfragmente) mit v.a. inhibitorischer Neuretransmitterwirkung<br />

auf zentralen K-Rezeptoren,<br />

s. Buch B.<br />

Dys- Präfix, griech., für gestört, fehlerhaft; z. B. Dysfunktion<br />

= fehlerhafte Funktion.<br />

Dysphorie. Gegensatz zu Euphorie; Mißstimmung.<br />

EAA. Engl. Abk. für »excitatory amino acids« ( ~ exzitatorische<br />

Neurotransmitter:~ Glutamat, Aspartat): Zielrezeptoren<br />

sind ionotrope Glutamatrezeptoren (iGlu-R<br />

sind AMPA-, KAINAT-, NMDA-Rezeptoren) oder metabotrope<br />

Glutamatrezeptoren (mGlu-R 1-8). Ionotrope<br />

Rezeptoren sind ultraschnelle Ionenkanalsysteme,<br />

wogegen metabotrope Rezeptoren langsamere, intrazelluläre<br />

Systeme beeinflussen (zyklische Nukleotide etc.).<br />

Eagle-Syndrom. Kopfschmerzsyndrom (Syn. Processus-styloideus-Syndrom)<br />

für längeranhaltende, einseitige<br />

Schmerzen im Schl<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Rachenbereich mit<br />

Dysästhesien im Rachen sowie Schluck- <strong>und</strong> Geschmacksstörungen<br />

etc.<br />

Eccles, Sir John C. (Melbourne 1903-1997 Locarno).<br />

Australischer Physiologe, Nobelpreis 1963 für Medizin<br />

<strong>und</strong> Physiologie für die Entdeckung ionischer Mechanismen<br />

der neuralen Signalübertragung (zusammen<br />

mit A.L.Hodgkin <strong>und</strong> A.F. Huxley). Doktorand beim<br />

Nobelpreisträger ~ Sir Charles Sherrington. Schrieb<br />

mit W. C. Gibson 1979 das Buch: »Sherrington - his life<br />

and thought«. Arbeiten über synaptischen Informationsaustausch.<br />

Befre<strong>und</strong>et mit Karl Popper, mit dem er<br />

über das Leib-Seele-Verhältnis philosophierte <strong>und</strong> in<br />

verschiedenen Büchern darstellte, so u. a.: » The self and<br />

its brain - an argument for interactionism (1977; dt.<br />

Piperausgabe: »Das Ich <strong>und</strong> sein Hirn«). Schüler von<br />

Eccles ist u. a. der bedeutende zeitgenössische dt. Physiologe<br />

~ Robert F. Schmidt (Würzburg).<br />

Economo von San Serff, Konstantin (1876-1931). Bedeutender<br />

Triester Physiologe griech. Abstammung; Arbeiten<br />

u. a. über Evolutionsprinzipien des ZNS.<br />

Ecstasy. Syn.: Adam, MDMA (Abk. für Methylen-dioxymethamphetamin),<br />

1914 von der Fa. Merck patentierter<br />

Wirkstoff (ursprünglich Appetitzügler). Wegen psychotropen<br />

UAW u. a. als sog. Wahrheitsdroge (1953 USA­<br />

Armee) experimentell, später 1965 durch den Biochemiker<br />

A. Sulgin als psychotroper Stoff (Slang: Adam) versuchsweise<br />

u. a. in der Psychotherapie eingesetzt; 1985<br />

als schädliche <strong>und</strong> suchterzeugende Substanz ohne<br />

medizinische Anwendung (USA) klassiert.<br />

ED. Dt. Abk. für Einzeldosis.<br />

ED. Engl. Abk. für »effective dosis«.<br />

Edinger, Ludwig (1855-1918). Bedeutender dt. Neurologe,<br />

Begründer der modernen Neuroanatomie. Beschrieb<br />

den nach ihm benannten Edinger-Westphal­<br />

Kern (1885) sowie die Edinger-Bahn.<br />

Edinger-Bahn. Tractus spino-thalamicus.<br />

Edinger-Westphal-Kern. Nach Ludwig ~ Edinger <strong>und</strong><br />

Alexander Westphal benannter paariger autonomer<br />

Lateralkern des N. oculomotorius (III); mit dem Ganglion<br />

ciliare verb<strong>und</strong>en, dessen postganglionäre parasympathischen<br />

Fasern die inneren Augenmuskeln<br />

innervieren (Mm. ciliaris, sphincter pupillae).<br />

Edmonton-Symptom-Assessment-System. Abk. ESAS,<br />

von Bruera et al. 1991 vorgestellte einfache Erhebungsmethode<br />

in der Palliativmedizin, ermittelt durch die<br />

Summe von 8 Messungen mittels VAS (Patienten-,<br />

Familienmitglied- oder Pflegerpersonalerhebung) von<br />

Schmerz, Aktivität, Übelkeit, Depression, Angst, Benommenheitszustand,<br />

Appetit, Wohlbefinden.<br />

EEG. Abk. von Elektroenzephalographie; Aufzeichnung<br />

von unter Spontanbedingungen oder provozierten<br />

(äußere Reize: s. evozierte Potentiale Buch A), elektrischen<br />

durch Hirnaktivität bedingten mittels Kopfhautelektroden<br />

(oder direkt auf Hirnoberfläche in der<br />

Experimentalneurologie) aufgenommenen Potenzialveränderungen.<br />

~ Berger, Hans. Die elektrische Aktivität<br />

eines Hirns wurde zum ersten Mal am Kaninchen<br />

durch den Liverpooler Physiologen R. Caton 1875 nachgewiesen.<br />

Die moderne Datentechnik erlaubt eine<br />

Quantifizierung einzelner Ableitungskurven sowie<br />

deren Verarbeitung (z. B. Beziehungen zwischen den<br />

einzelnen Kurvenverläufe). Heutzutage kann das EEG<br />

praxisgerechter als klinisches perioperatives Monitoriung<br />

eingesetzt werden. EEG-Korrelate können als sog.<br />

Closed-loop-control-Parameter in die Technik der TCI<br />

eingebaut werden.<br />

Efferenzen. Zentrifugale (vom Zentrum weggehende,<br />

»ausführende«) Nerven.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 805<br />

EGF. Epidermal growth factor.<br />

Ehrlich, Paul (1854-1915). Begründer der Chemotherapie<br />

<strong>und</strong> Immunologe, mit Elie Metchnikoff (1845-1916)<br />

Nobelpreis 1908 für Medizin <strong>und</strong> Physiologie (Immunologie).<br />

»Mein therapeutisches Programm besteht<br />

darin, von Substanzen mit gewisser Wirksamkeit<br />

Homologe <strong>und</strong> Derivate der verschiedensten<br />

Art darzustellen, jede auf ihre<br />

Wll'kung zu prßfen <strong>und</strong>, auf den so erhalte·<br />

nen Resultaten fussend, zu versuchen, zu<br />

immer optimaleren Heilkörpern zu gelangen.<br />

Du heißt, also zielen lernen, <strong>und</strong> zielen<br />

lernen durch chemische Variation.«<br />

Eichengrün, Artbur (Aachen 1867-1949). Studium der<br />

Chemie in Aachen <strong>und</strong> Berlin; danach Mitarbeiter von<br />

Böhringer <strong>und</strong> Sohn (Ingelheim), Baizer <strong>und</strong> Marquardt.<br />

Durch Carl Duisberg zum Aufbau <strong>und</strong> zur Leitung<br />

der Bayer-Werke nach Elberfeld gerufen (1896).<br />

1900 Abteilungsvorstand des pharmazeutisch-wissenschaftlichen<br />

Labors in Elberfeld (Hoffmann war 1899<br />

als Abteilungsvorstand der pharmazeutisch-kaufmännischen<br />

Abteilung eingesetzt worden). Verließ Bayer<br />

1908; als Jude ins KZ Theresienstadt deportiert, wo er u.<br />

a. auch biographische Aufzeichnungen schrieb: in diesen<br />

bezeichnet sich Arthur Eichengrün als Initiator<br />

einer Acetylierungstechnik von Aspirin ( unbefriedigende<br />

ASS-Synthesen [teilweise unstabile, teilweise unreine<br />

Syntheseprodukte] wurden schon 1853 durch Charles<br />

Fn!deric Gerhart <strong>und</strong> 1869 durch Johann Kraut für die<br />

von Heyden-Werke durchgeführt) <strong>und</strong> beschrieb, wie er<br />

entgegen der Meinung des Bayer-Prüfers Prof. Heinrich<br />

~ Dreser (Darmstadt 1860-1924), der ASS anfänglich<br />

für wertlos hielt (später aber im in der chemischen<br />

Abteilung des Deutschen Museums München als Miterfinder<br />

genannt wurde <strong>und</strong> 1899 eine Lizenz von Bayer<br />

für Aspirin erhielt), den Wirkstoff zu klinischen Prüfungen<br />

- entgegen der Meinung Dresers - u. a. auch an<br />

Dr. Felix Goldmann in Berlin weitergab. Nach Eichengrün<br />

soll Goldmann das Präparat auch einem an Rheumatismus<br />

leidenden Zahnarzt gegeben haben, der es<br />

eines Tages an einem an heftigen Zahnschmerzen leidenden<br />

Patienten mit schlagendem Erfolg ausprobierte:<br />

»Durch diesen Zufall wurde die wichtigste Eigenschaft<br />

des Aspirins, das Schmerzstillvermögen, entdeckt« (Die<br />

Pharmazie 1949; Heft 1, S. 582).<br />

Eikosanoide. Griech. eikosa = 20, Derivate aus essentiellen<br />

Fettsäuren mit 20 C-Atomen <strong>und</strong> mehreren Doppelbindungen.<br />

Beim Menschen steht die ~ Arachidonsäure<br />

als wichtigste Vorstufe der Eikosanoide im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Sie ist in Pflanzennahrung aber auch in Fleisch<br />

vorhanden. Die Arachidonsäure wird vom Organismus<br />

verestert <strong>und</strong> in (phospholipidhaltigen) Biomembra-<br />

nen eingelagert. Bei physikalischer, chemischer oder<br />

hormonaler Stimulation wird enzymatisch Arachidonsäure<br />

freigesetzt, die ihrerseits in der Folge die im<br />

Buch A beschriebenen diversen kaskadenartigen Reaktionen<br />

enzymatisch mit Bildung von biologisch aktiven<br />

Prostanoiden aktiviert. Der Abbauweg über die Arachidonsäure<br />

erfolgt über 3 prinzipielle Wege: 1. Cyclooxygenase<br />

(~ COX-1 <strong>und</strong> COX-2, auch Prostaglandin­<br />

Synthase, PGHS) mit Bildung von Endoperoxiden<br />

(PGG/H), die dann zu~ Prostaglandinen (PG) <strong>und</strong>~<br />

Thromboxanen (TX) abgebaut werden; 2. Lipoxygenase-Abbauweg<br />

(LOX) mit Bildung von Hydroperoxyeicosatetraensäuren<br />

(HpETE), welche dann zu ~ Leukotrienen<br />

(LT), Hepoxilinen (HX), Trioxilinen <strong>und</strong><br />

Lipoxinen transformiert werden <strong>und</strong> J. ein nichtenzymatischer<br />

Weg über das Cytochrom-P 450-System, katalysiert<br />

mit Bildung verschiedenster Fettsäuren sowie<br />

Leukotoxinen. Hirnzellen sind imstande, ~ Arachidonsäure<br />

in Arachidonylethanolamid (Anandamid) zu<br />

konvertieren (s. auch: ~ Endocannabinoide, Cannaboidrezeptoren).<br />

Einthoven, Wilhelm (1860-1927). Holl. Entdecker des<br />

EKG. Nobelpreis 1924.<br />

Eiweißbindung. Siehe Buch K sowie Wirkstoffprofile:<br />

die Bindung von Wirkstoffen an Plasmaproteine. In<br />

der Regel binden saure Moleküle an Albumine,<br />

basische an (saure) a'-Glykoproteine oder Lipoproteine.<br />

Bei gleichzeitiger Gabe von Wirkstoffen mit hoher<br />

Eiweißbindung kommt es zu einer Kompetition mit<br />

der Folge, dass eines der Wirkstoffe aus der Bindung<br />

kompetitiv verdrängt wird (Resultat: höhere freie<br />

Fraktion = verstärkte Wirkung oder Elimination; s.<br />

Interaktionen).<br />

EKP. Abk. für ereigniskorrelierte Hirnpotentiale. EKP<br />

sind elektrokortikale Potentiale bzw. ZNS-Antworten<br />

auf sensorische, motorische <strong>und</strong> psychische Ereignisse;<br />

da sie gegenüber dem Spontan-EEG von kleinerer<br />

Amplitude sind, müssen sie mit sog. Mittelungstechniken<br />

sichtbar gemacht werden (s. auch EP; s. Buch A).<br />

Elsholtz, J.S. (1623-1688). Narkotisierte einen H<strong>und</strong> 1665<br />

mit i.v.-Gabe von Opium (wahrscheinlich unter dem<br />

Eindruck entsprechender Experimente durch Sir Christopher<br />

Wren <strong>und</strong> William Harvey).<br />

EMLA. Engl. Abk. für »eutectic mixture of Zocal anaesthetics«.<br />

Prilocain- oder lidocainenthaltende topische<br />

Emulsion (pharmazeutisch: Eutektikum); für Hautpunktionen<br />

insbesondere bei Kindern geeignet. Nachteil:<br />

braucht okklusiven Verband sowie Zeitaufwand (><br />

6o min). S auch:~ iontophoretische Anwendung (Buch<br />

Kinetik).<br />

EMO. Abk. für~ Epstein-Macintosh-Oxford-Vaporizer<br />

(einem heute noch in der 3· Welt- z.B: »flying doctors«


8o6<br />

<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

etc. - eingesetzten, robusten, handlichen Narkosegerät<br />

( Ätherverdampfer).<br />

EMO. Abk. für »esterase-metabolized-opioids« (s.<br />

Remifentanil).<br />

Emulsiones. Syn.: Emulsionen: disperses System aus 2<br />

nicht mischbaren Vehikeln.<br />

Enantiomer. Syn.: Stereoisomer. Wird ein Molekül mit<br />

einem asymmetrischen C-Atom auf eine Papierebene<br />

projiziert (sog. Fischer-Projektion), kennzeichnen die<br />

waagrechten Bindestriche die vor der Papierebene, die<br />

senkrechten Bindestriche die hinter der Papierebene<br />

sich befindlichen Atome bzw. Liganden. Bild <strong>und</strong> Spiegelbild<br />

sind nicht deckungsgleich. Das Drehen des polarisierten<br />

Lichtes nach rechts im Uhrzeigersinn wird mit<br />

dem Präfix ( + ), nach links mit (-) gekennzeichnet. Die<br />

bei der Fischersehen Projektionseinteilung benutzten<br />

Präfixe D (für dexter, lat. rechts) <strong>und</strong> L (laevus, lat.<br />

links) haben mit der Drehrichtung des polarisierten<br />

Lichtes nichts zu tun. Wegen dieser Zweideutigkeit wird<br />

heute für Enantiomere die sog. RS-Nomenklatur (Cahn,<br />

Ingold, Prelog 1951) vorgezogen. Hier wird das asymmetrische<br />

Bezugsatom so gedreht, bis sein niedrigster<br />

Ligand nach hinten zu liegen kommt. Danach werden<br />

die zusätzlichen Liganden des asymmetrischen C­<br />

Atoms, nach gewissen Prioritätsgesetzen, im Uhrzeigersinn<br />

numeriert. Bei gleichen Molekülen werden anband<br />

der Konfiguration (Position in Bezug auf asymmetrisches<br />

Bezugsatom C) mit der Zusatzbezeichnung R, S,<br />

Cis oder Trans die Enantiomere bezeichnet.<br />

Endoanästhesie. Durch Zipf 1953 vorgeschlagene<br />

Bezeichnung der Technik, durch systemische Lokalanästhesie<br />

Analgesie hervorzurufen ( s. Antinozizeptiva,<br />

Buch F).<br />

Endocannabinoide. Endogene Cannabinoide (Neurotransmitter,<br />

ZNS, Nozizeption, s. Buch A, putativ: hormonale<br />

Wirkungen im kardiavaskulären System). Prototyp<br />

ist Anandamid (ein Abkömmling der Arachidonsäure),<br />

das offenbar durch Endothelzellen synthetisiert<br />

wird.<br />

endogene EKP. Abk. für Ereignis-kontrollierte Potentiale,<br />

die nach einer gewissen Zeitspanne (> 6o ms)<br />

nach sensorieller Reizung im EEG abgreifbaren ereigniskorrelierten<br />

Hirn potentiale, die nicht mehr überwiegend<br />

nach erfolgter Reizung als EP (sog. exogene Komponenten),<br />

sondern nach weiterer zentraler Reizverarbeitung<br />

auftretenden BEG-Potentialänderungen (also<br />

exogene <strong>und</strong> endogene Komponenten integrierend).<br />

endogene Opioide. Bislang sind 3 Gruppen von endogenen<br />

Peptiden mit Affinität zu Opioidrezeptoren identifiziert<br />

worden: 1. ~ Enkephaline ( ~ Hughes <strong>und</strong> ~<br />

Kosterlitz), 2. ~ Endorphine, Proopiomelanocortin­<br />

(POMC-)Familie (Smythe <strong>und</strong> Li) <strong>und</strong> 3· Dynorphinfamilie<br />

( ~ Goldstein). Gemeinsam haben sie die Aminosäurensequenz<br />

Tyr-Gly-Gly-Phe eigen. Die Vorläufer<br />

dieser Opioidpeptide sind entsprechend 1. Proenkephalin,<br />

2. Proopiomelanocortin (POMC, Vorläufer für 1.<br />

Endorphine, 2. melanozytenstimulierendes Hormon<br />

(MSN) <strong>und</strong> 3· ACTH) sowie 3· Prodynorphin (s. Buch B).<br />

Die endogenen Opioide sind im ZNS v. a. im Bereich<br />

PAG (Enkephalin, Dynorphin), rostraventrale Medulla<br />

sowie Rückenmark (HH) konzentriert.<br />

Endorphine. Endogene Opioidpeptidfamilie (a-Endorphin:<br />

16 Aminosäuren [AS]; ß-Endorphin: 31 AS; y­<br />

Endorphin 17 AS; o-Endorphin 27 AS).<br />

endogene Oszillatoren. Neuronale zentrale sog. innere<br />

Uhren: s. auch zirkadianer Rhythmus (Buch B).<br />

Endotheline. 1988 entdeckte, u. a. vom Gefäßendothel<br />

synthetisierte <strong>und</strong> freigesetzte, Peptidfamilie (Endothelin<br />

1, 2, 3; 21 Aminosäuren), die als potente Vasokonstriktoren<br />

u. a. die Gewebeperfusion beeinflussen, aber<br />

auch als pronozizeptive Substanzen in der Schmerzforschung<br />

geprüft werden.<br />

enterohepatischer Zyklus. Engl. »enterohepatic recirculation«.<br />

Wirkstoffe oder deren aktive Metaboliten, die<br />

biliär nach hepatischer Verstoffwechselung ausgeschieden<br />

werden, können in den abführenden Gallenwegen<br />

<strong>und</strong> im Intestinum erneut resorbiert bzw. damit »bioverfügbar«<br />

werden (in der Regel durch Dekonjugation:<br />

s. Biotransformation Phase II).<br />

Entwöhnung. Syn.: Entziehung. Unter Entwöhnung versteht<br />

man eine planmäßige, meist klinisch geführte<br />

langsame Dosisreduzierung unter Vermeidung einer ~<br />

Entzugssymptomatik<br />

Entzugssymptomatik Die bei abruptem Absetzen nach<br />

repetierter oder chronischer Gabe von Wirkstoffen<br />

(Beispiel Opioide) oder partielle oder komplette Antagonisierung<br />

von repetiert oder chronisch verabreichten<br />

Wirkstoffen auftretende psychische <strong>und</strong> somatische<br />

Symptomatik, die sich als lebensgefährliche Entzugskrisen<br />

(auch unter Narkose: s. Turboentzug, Buch B!) mit<br />

komplettem Auseinanderfallen von vitalen autonomen<br />

Regulationen (Herzkreislauf etc.) manifestieren kann.<br />

E-Nummer. Symbol im Nahrungsmittelzutatenverzeichnis<br />

der EWG; s. auch Hilfsstoffe von Arzneimitteln.<br />

Enzyme. Griech. en zyme: in der Hefe. Metabotropische<br />

Körpereiweiße, die als Biokatalysatoren ( Oxidoreduktasen,<br />

Transferasen, Hydrolasen, Lyasen, Isomerasen,<br />

Ligasen) v. a. Stoffwechselvorgänge steuern. Erste Forschungen<br />

betreffen Hefegärungsvorgänge; sie gehen auf<br />

Justus von Liebig (1803-1873), Theodor ~ Schwann<br />

(1810-1882) <strong>und</strong> Charles Cagniard-Latour (1777-1859)<br />

zurück. Moritz Traube (1826-1894) erkannte die Bedeutung<br />

von Enzymen als universelle Stoffwechselkatalysatoren.<br />

Der Begriff Katalysator wurde 1836 durch J.J. Ber-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 807<br />

zelius (1779-1848) eingeführt. Die Gruppe der Hydrolasen,<br />

zu denen die Esterasen, Glykosidasen sowie Proteasen<br />

gezählt werden, werden u. a. von Wolf u. Benitez seit<br />

1960 als unspezifische Immunmodulatoren (Rheumatologie,<br />

Traumatologie etc.) eingesetzt. Erste Anwendung<br />

als Schmerzmitteladjuvans bei Operationen durch<br />

Hoernecke u. Doenicke 1993 (s. Buch F).<br />

EORTC. Engl. Abk. für European Organization for Research<br />

and Treatment of Cancer.<br />

EP. Abk. für evozierte Potentiale: auslösbare, ereigniskorrelierte<br />

Potentiale auf sensorische Reizung (Nerven,<br />

Bahnen oder Kerngebiete) in den entsprechenden zentralen<br />

Projektionsarealen (somatisch evozierte Potentiale<br />

[SEP] in den somatasensorischen Rindenarealen).<br />

Diese SEP können in primär <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>är evozierte<br />

Potentiale eingeteilt werden; die primär evozierten<br />

Potentiale sind nur im umschriebenen entsprechenden<br />

Kortexbereich abzuleiten, die sek<strong>und</strong>är evozierten<br />

Potentiale im ausgedehnten Kortexbereich. Akustisch<br />

bzw. optisch auslösbare EP werden akustisch evozierte<br />

Potentiale (AEP) bzw. visuell evozierte Potentiale (VEP)<br />

gennant. Die Messung evozierter Potentiale zur Quantifizierung<br />

von physiologischen Schmerzkorrelaten spielt<br />

in der Schmerzforschung eine große Rolle (s. Buch A).<br />

Die ersten experimentell evozierten Potentiale wurden<br />

1933 durch Ralph Waldo Gerard beschrieben.<br />

Ephapse. Die pathologische Verbindung zwischen zwei<br />

erregungsleitenden Fasern, wahrscheinlich nach Markscheidenschädigung<br />

gehäuft auftretend (Arvanitaki).<br />

Epibatidin. Ein von einer südamerikanischen Froschart<br />

isolierter Stoff mit extrem starker antinozizeptiver Wirkung<br />

- über zentrale Nikotinrezeptoren vermittelt; in<br />

vorklinischer Prüfung werden synthetische Epibatidinderivate<br />

getestet (z. B. ABT-594).<br />

Epiduralanästhesie. Syn.: Extraduralanästhesie, Applikation<br />

von Lokalanästhetika in den nicht (!) virtuellen<br />

Raum des Epiduralraums (s. auch Buch Kinetik).<br />

Epiduroskopie. Die minimalinvasive Explorierung des<br />

Epiduralraumes mittels Fiberskop zu diagnostischen,<br />

aber auch therapeutischen (Beispiel: Adhäsiolyse bei<br />

Befall von Spinalnerven) Zwecken.<br />

epikritisch. Griech. Präfix für »auf«, »über«, »oberhalb«,<br />

epikritische Schmerzen: exakt erkennbare<br />

Schmerzen (vgl. protopathische Schmerzen: s. Buch A).<br />

EPSP. Engl. Abk. für »excitatory-post-synaptic-potentials«,<br />

erste Arbeiten über EPSP gehen auf ~ Eccles zurück.<br />

Siehe Buch A: Depolarisation (Glutamat etc.);<br />

Gegenteil: IPSP »inhibitory-postsynaptic-potentials«<br />

(s. Hyperpolarisation, GABA-System, Buch A). Die exzitatorischen<br />

postsynaptischen Potentiale können<br />

beschrieben werden als lokaler postsynaptischer Potentialunterschied<br />

(Zweitafferenz) durch exzitatorische<br />

synaptische Impulse. Summieren sich diese Potentiale<br />

zu einem gewissen Grenzwert, kann im Zweitneuron<br />

ein Aktionspotential ausgelöst werden.<br />

Epstein, H.G. ( Lebensdaten konnten nicht aufgef<strong>und</strong>en<br />

werden!). Berliner Flüchtling vor Naziterror, wesentlich<br />

mitbeteiligt an der Entwicklung des »Epstein-Macintosh<br />

-Oxford-Vaporizers«, der später zur leicht transportablen<br />

(für die Feldanästhesie, u. a. »flying doctors«<br />

in Ostafrika; 1976 Eritreakrieg etc.!) universell verwendbaren<br />

Narkosemaschine EMO weiterentwickelt<br />

wurde; Epstein u. Macintosh 1941).<br />

Erlanger, Joseph (San Francisco 1874-1965). Chemie­<br />

(UC) <strong>und</strong> Medizinstudium (Johns Hopkins, 1899). Professor<br />

für Physiologie Washington-Universität, St.<br />

Louis.1922 zusammen mit~ Gasser elektrophysiologische<br />

Studien (Kathodenstrahloszillograph, Spygmomanometrie<br />

etc.) über Nervenpotentiale. 1944 mit Gasser<br />

Nobelpreis. Vielfältige akademische Würden <strong>und</strong><br />

Ehrungen.<br />

Erythromelalgie (nach Silas Weir ~ Mitchell 1878).<br />

Kommt als primäre Form beim Kind, als sek<strong>und</strong>äre<br />

Form beim Erwachsenen (im Zusammenhang mit<br />

systemischen Erkrankungen des Knochenmarks wie<br />

essentieller Thrombozytose <strong>und</strong> Polycythaemia vera)<br />

vor, charakterisiert durch ein plantares-palmares<br />

Erythem mit stechend-brennenden lokalisierten<br />

Schmerzen sowie Temperaturerhöhung.<br />

Erythroprosopalgie. Alte Bezeichnung für Clusterkopfschmerz<br />

(~ Bing- bzw. Horton-Syndrom); s. auch<br />

Raeder-Syndrom.<br />

Erythrothermie. Syn.: Mitchell-Syndrom.<br />

ESES. Abk. für epidurale spinale Elektrostimulation.<br />

ESRA. Engl. Abk. für European Society of Regional Anaesthesia<br />

(1982, Edinburgh).<br />

Etorphin. Immobilon, von ~ P.A.J. Janssen für die<br />

Grosswild-Analgesie <strong>und</strong> -Anästhesie konzipiertes<br />

superpotentes Opioid, durch Diprenorphin spezifisch<br />

antagonisierbar.<br />

Euler-Chelpin, Ulf Svante von ( Stockholm *1905). Sohn<br />

von H.K.A.S. ~ Euler-Chelpin. 1970 (zusammen mit<br />

Bernard ~ Katz <strong>und</strong> Julius ~ Axelrod) Nobelpreis für<br />

Medizin in Zusammenhang mit seiner Entdeckung der<br />

Transmitterfunktion des Noradrenalins. Von Euler hat<br />

in den Dreißiger Jahren am Stockholmer Karolinska<br />

Institutet aus der Samenflüssigkeit (<strong>und</strong> nicht Prostataflüssigkeit,<br />

wie es die historische Namengebung vermuten<br />

ließe) aktive Substanzen isoliert, die als Fettsäuren<br />

glatte Muskelzellen kontraktieren <strong>und</strong> relaxieren<br />

vermochten. Später konnten ~ Prostaglandine unterschieden<br />

werden (PGE <strong>und</strong> PGF, E steht für Äther<br />

(Ether, engl.)-Phase, F für Phosphat (Fosfat, schwed.) =


BoB<br />

<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

historische Lösungseigenschaften, die mit der Klinik<br />

nichts zu tun haben. Die heutigen Zusatzbezeichnungen<br />

a sowie Zahlenbezeichnung bezieht sich auf die<br />

Stereokonfiguration sowie die Anzahl der Doppelbindungen.<br />

Euler-Chelpin, Hans Karl August Sirnon (Augsburg<br />

1873-1964 Stockholm). Anfänglich Akademie der<br />

Künste <strong>und</strong> Malerei bei Lenbach! Fasziniert durch Farben,<br />

Farbenspektrum usw. Eingang in die Welt der Wissenschaft;<br />

Treffen mit Warburg, Nernst, Planck, Fischer<br />

etc. Nobelpreis für Chemie (Zuckerfermentierung, Fermentenzyme).<br />

Euphorie. Zustand des unkritischen Wohlbehagens;<br />

u. a. typische Nebenwirkung von Morphin.<br />

Euthanasie. Griech. »schöner Tod«, Syn. Sterbehilfe;<br />

therapeutische Auseinandersetzung mit Leiden <strong>und</strong><br />

Tod. Francis Bacon postulierte die Begleitung Sterbender<br />

als noble Aufgabe des Arztes (1605). Hufeland<br />

beschrieb eine ähnliche Haltung mit seiner Opiumtherapie.<br />

Die klassische (<strong>und</strong> naive) Idee des »schönen(?)<br />

Todes« wurde später deformiert - unter dem Einfluss<br />

der Ideen von T.R. Maltbus (1766-1834) bzw. Malthusismus,<br />

Darwin (1809-1882) bzw. Darwinismus, Morel<br />

(1809-1873), Häckels Sozialdarwinismus (1834-1919},<br />

Kräpelin (1856-1926) etc.- etwa durch die Schrift von<br />

Binding (1841-1920) <strong>und</strong> ~ Hoche über die Freigabe<br />

der Vernichtung »lebensunwerten Lebens« (1920), neuerdings<br />

aktualisiert durch Peter Singer (1994) <strong>und</strong> viele<br />

andere. Die nationalsozialistische Revolution (ab 1933)<br />

führte eine entartete Form der Euthanasie in sog.<br />

Tötungsprogrammen durch. Ab 1939 wurde das Fach<br />

»Rassenk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Rassenhygiene« an allen deutschen<br />

Medizinfakultäten eingeführt. Als aktive Euthanasie<br />

wird die aktive Herbeiführung des Todes, als passive<br />

Euthanasie das Abbrechen intensivtherapeutischer<br />

Massnahmen bezeichnet. Eine andere Einteilung unterscheidet<br />

eine Euthanasie ohne Lebensverkürzung oder<br />

echte Sterbehilfe von einer Euthanasie mit Lebensverkürzung<br />

oder Sterbenachhilfe, die ihrerseits unterteilt<br />

wird in Sterbenachhilfe mit Verzicht auf künstliche<br />

Lebensverlängerung, indirekte Euthanasie mit eventueller<br />

durch Verzicht auf künstliche Lebensverlängerung<br />

herbeigeführten Lebensverkürzung sowie direkte Euthanasie<br />

mit bewusster Verkürzung des Lebens. Die .<br />

moderne Euthanasiedefinition meint, dass sie die Vernichtung<br />

von »lebensunwertem Leben« (Nazijargon) a<br />

priori ausschliessen kann. Nach Meinung des Herausgebers<br />

soll der historisch deformierte Begriff »Euthanasie«<br />

endgültig nur für alle Arten »aktiver« Sterbehilfe<br />

gebraucht werden. Der oben zitierte Begriff der sogenannten<br />

»passiven« Euthanasie kann durch den historisch<br />

<strong>und</strong> politisch unbelasteten Begriff »palliative Therapie«<br />

ersetzt werden. Wird bei einen Patienten mit<br />

inkurabler invasiver Krebserkrankung des Kopfes palliativ<br />

Schmerzen, Nausea <strong>und</strong> Emesis <strong>und</strong> Angst adäquat<br />

behandelt, kommt dies immer einem Verzicht auf<br />

künstliche Lebensverlängerung bzw. Lebensverkürzung<br />

(»Sterbehilfe«) gleich.<br />

EVKA. Abk. für Europäische Vereinigung der Krankenhausapotheker.<br />

Gibt u. a. Richtlinien für Erstellung von<br />

Standardinformationen über Arzneimittel heraus.<br />

evozierte Hirnpotentiale. In Schmerzforschung, Klinik,<br />

perioperatives Monitoring, durch Stimuli auslösbare<br />

Nervenpotentiale; sie können durch somatosensorische,<br />

auditive oder visuelle Nervenreize ausgelöst werden<br />

<strong>und</strong> dann im zu untersuchenden Transmissionsbereich<br />

(Kortex: EEG) des Nervensystems abgegriffen <strong>und</strong><br />

analysiert werden. Die durch den Reiz ausgelöste elektrophysiologische<br />

Antwort kann innerhalb einer gewissen<br />

Latenzzeit (ms) als wellenförmige Potentialveränderung<br />

aufgezeichnet werden (<strong>und</strong> z.B. als Monitoring<br />

in Anästhesiologie <strong>und</strong> Neurochirurgie dienen).<br />

Exkretion. Die Ausscheidung eines Wirkstoffes <strong>und</strong> seiner<br />

(aktiven, nichtaktiven) Metaboliten über Exkretionswege<br />

(Niere, Galle, Muttermilch, Atemwege,<br />

Schweiß, Speichel etc.).<br />

Extracta. Syn.: Extrakte, konzentrierte, auf einen<br />

bestimmten Wirkungswert eingestellte Zubereitungen<br />

aus frischen oder getrockneten Arzneipflanzen: Extraetafluida<br />

(Fluidextrakte}, Extraeta sicca (Trockenextrakte),<br />

Extraeta spissa (flüssigdicke Extrakte).<br />

Extraeta fluida. Fluidextrakte.<br />

Extraktionsmittel. Pharm. Menstruum, Lösungsmittel.<br />

extrapyramidales System. Vorwiegend myostatisches<br />

System für unbewusste Motorik. Vereinfacht 3 Systeme:<br />

phylogenetisch junge motorische Rindenfelder <strong>und</strong><br />

subkortikale Kerne sowie phylogenetisch älterer Koordinationsapparat<br />

der Formatio reticularis.<br />

exzentrische Projektion. Durch Reizung sensibler Nervenfasern<br />

oder Zentralorgane Projektion von beispielsweise<br />

Schmerzen an das periphere Ende der gereizten<br />

Nerven. Versuch, Phantomschmerzen zu deuten.<br />

Exzitationsstadium. Nach ~ Guedel definiertes Erregungsstadium<br />

2 bei Narkoseinduktion per inhalationem.<br />

Exzitotoxizität. Durch Überstimulation von Rezeptoren<br />

exzitatorischer Neurotransmitter ( ~ Glutamat) induzierbare<br />

»Vergiftung« von Nervenzellen; sie wird<br />

erklärt durch die massenhafte Stimulation von ionotropischen<br />

Kanalrezeptoren, die zu einem toxischen Influx<br />

von Ionen ( ~ Kalziumtoxizität} führt. Gründe für eine<br />

durch exzitatorische Transmitter induzierte Nervenzelltoxizität<br />

können sein: Versagen des »Glutamat-reup-take«<br />

durch Astrozyten (vorgeschädigt z.B. durch


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 809<br />

Hypoxie), durch pathologische Ionenverhältnisse in der<br />

extrazellulären Flüssigkeit, erhöhte präsynaptische<br />

Glutamatfreisetzung etc.<br />

f. Abk. für fiat oder fiant (lat. »es werde« [--? »fiat Iux«];<br />

Rezepturk<strong>und</strong>e: »es ist anzufertigen«. Auch: »f.l.a.«<br />

(»fiat lege artis«). Rezepturanfertigung: es möge kunstgerecht<br />

anzufertigen sein.<br />

FABQ. Abk. für Fear-avoidance-beliefs-questionnaire<br />

(s. Buch A).<br />

Fades dolorosa. Schmerzen ausdrückendes Gesicht<br />

(s. Arbeiten von Leriche).<br />

Fanconi, Guido (1892-1979). Hervorragender Zürcher<br />

Pädiater. Zusammen mit A. Wallgren Hrsg. des Lehrbuchs<br />

der Pädiatrie.--? Analgia Fanconi-Ferrazini: Fanconi<br />

beschrieb (mit seinem Tessiner Assistenten Ferrazini)<br />

1957 die kongenitale (möglicherweise autosomalrezessive)<br />

generalisierte Schmerzindifferenz (3 eigene<br />

Fälle sowie 32 Fälle aus der Weltliteratur; der erste Fall<br />

dieses Krankheitsbildes wurde 1932 von G. Van Ness<br />

veröffentlicht). Die betroffenen Patienten überleben oft<br />

trotzfehlendem Schmerz-Alarm-System, weil offenbar<br />

andere- auch intellektuelle- Funktionen z. T. kompensierend<br />

wirken <strong>und</strong> die Analgie offenbar teilweise in<br />

eine Art Hypalgie übergeht. ·<br />

Fasciculus. Bündel von Nervenfasern.<br />

FBN. Engl. Abk. für Federal Bureau of Narcotics (gegr.<br />

1930; USA).<br />

FDA. Abk. für Food and Drug Administration, am.<br />

Behörde (Teil des Department of Health and Human<br />

Services). 1862 beauftragte Präsident Lincoln den Chemiker<br />

Charles M. Wetherill mit einer Abteilung »Chemie«<br />

(einem FDA-Vorläufer) im Rahmen des Landwirt­<br />

.schaftsministeriums. 1906 nahm der Kongress die erste<br />

Food and Drug Act an.<br />

Febris. Synonym: Pyrexie, Fieber.<br />

Fechner, G.T. (Gross-Sächen/Preussen 1801-1887). Mit<br />

16 Jahren Medizin/ Anatomiestudium unter Weber an<br />

der Universität Leipzig, danach Studium der Physik <strong>und</strong><br />

ab 1834 Professur für Physik. Nach dem in den Jahren<br />

1851-1860 erarbeiteten, psychophysischen Fechnerschen<br />

Gesetz wächst die Empfindung auf Reiz nicht<br />

linear, sondern logarithmisch. S (Intensität der Stimulation)<br />

= K (Konstante) log I (Intensitätsstimulus) !Io<br />

(Schwellenintensität). Nach schmerzhafter Augenverletzung<br />

<strong>und</strong> Nervenkollaps metaphysisches Zurückziehen<br />

<strong>und</strong> ab 1848 Professur für Philosophie sowie Werk:<br />

1851: »Zend-Avesta«.<br />

11Nanna, oder Ober das Seelenleben der<br />

Pflanzen«<br />

Feuchtwanger, Lion (München 1884-1958 Los Angeles).<br />

Als Deutscher bei Ausbruch des 1. Weltkriegs 1914 in<br />

Tunesien interniert; danach Flucht nach Deutschland<br />

<strong>und</strong> Kriegsdienst, 1933 Emigration nach Sanary-sur­<br />

Mer, danach Flucht 1940 über die Pyrenäen, auf der<br />

>>Excalibur« unter falschem Pass »Wetcheek« nach den<br />

USA, beschreibt in seinem autobiographischem Buch<br />

»Le diable en France« die Zusammenarbeit des Petain­<br />

Regimes mit den Nazis »Les loups ne se mangent pas<br />

entre eux ... Ce qui gouverne Ia France, ce qui l'a toujours<br />

gouvernee c'est l'esprit du ministre de l'interieur<br />

Fouche« (Anm.: 1759-1820 alias »Königsmörder«).<br />

FGF. Engl. Abk. für »jibroblast growth factor« ( s. Wachstumsfaktoren,<br />

»growth factors«).<br />

FH. Formularium Helveticum (vom schweiz. Apothekerverein<br />

herausgegebene Magistratformeln bzw.<br />

erprobte ärztliche Vorschriften, Rezepte).<br />

Fibromyalgia. Syn.: Fibrositis, myofasziales Schmerzsyndrom,<br />

ein in der Regel im Alter von 20-30 Jahren oft<br />

zyklisches, familiär auftretendes Syndrom von unbekannter<br />

Genese mit lanzettartigen Schmerzen (bevorzugt<br />

im Nacken, Kopf, Schulterblätter, Arme, Kiefergelenk,<br />

aber auch untere Extremitäten), oft in Kombination<br />

mit Fatigue, Schlafstörungen, Restless-leg-Syndrom,<br />

Irritable-bowel-Syndrom, Depression, Morgensteife,<br />

Kälteintoleranz <strong>und</strong> Schwindelanfällen, bei systemischen<br />

<strong>und</strong> chronischen Erkrankungen (RA, systemischer<br />

Lupus erythematodes, chronische Rückenschmerzen,<br />

Whiplash-Trauma etc).<br />

Fibrositis. Syn.: Fibromyalgia, schmerzhafte Zustände<br />

bei pathologischen Erkrankungen der >Weichteile«<br />

(Muskeln, Bindegewebe etc.) im Rahmen des Sammelbegriffs<br />

>> Weichteilrheumatismus«. Siehe Fibromyalgia.<br />

Fick, Adolf (Kassel 1829-1901). Arzt, Erfinder, Mathematiker,<br />

Physiologe. Studium an der Universität Marburg<br />

(wo einer seiner Brüder Professor für Anatomie,<br />

ein anderer Dozent für Jurisprudenz war) <strong>und</strong> Begegnung<br />

mit Carl F. W. Ludwig (1816-1895, Entdecker der<br />

Stromuhr, Erforscher der parasympathischen Ganglien<br />

etc.), einem zukünftigen Mentor <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>. 1849 temporär<br />

zu Studien in Berlin (Bernard Langenbeck, Mauritz<br />

von Romberg, Johann Schönlein, Hermann von<br />

Helmholtz, Johannes Müller, Emil Heinrich --? Du Bois<br />

Reymond etc. [!]),zurück in Marburg Promotion 1851<br />

(Dissertation über Tractus opticus). Folgte Ludwig an<br />

die Universität Zürich 1852-1868, danach als Nachfolger<br />

von Bezold nach Würzburg. Erfinder zahlreicher Messgeräte<br />

(Anaeroidmanometer, Myotonograph, Galvanometer).<br />

Arbeiten über Diffusion (1855: Graham-Fick<br />

Gesetz; 1870: Picks Messungsmethode des Blutquantitums<br />

in den Herzventrikeln). Die von seinen Söhnen<br />

1929 in Zürich begründete »Adolf Fick Stiftung« ehrt<br />

bedeutende Physiologen mit einem Preis.


810 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Fiebermittel. Antipyretisch wirksame Wirkstoffe (Gegensatz:<br />

Pyretika, Pyrogene).<br />

Fields, Howard L. (Chicago *1939). Schmerzforscher,<br />

insbesondere Neurophysiologe, mehrfache internationale<br />

Auszeichnungen (so 1997 F.W.L. Kerr Award, American<br />

Pain Society), zzt. UCSF Medical School.<br />

First-pass-Effekt. Wirkstoffverlust durch Extraktion<br />

<strong>und</strong> Biotransformation während einer ersten Organpassage<br />

(betrifft v. a. Leber-, aber auch Lungenpassage<br />

etc.): der Weg eines i.v. (parenteral) applizierten zentralen<br />

Schmerzmittels beinhaltet die (punktierte, periphere)<br />

Vene, den kleinen Kreislauf <strong>und</strong> dann die Ejektion<br />

vom linken Ventrikel über die Aorta zum Zielorgan<br />

ZNS. In der Regel ist bei dieser Applikationsart die Bioverfügbarkeit<br />

vollständig (Ausnahme: gewisse Opioide,<br />

die pulmonal extrahiert werden!). Bei p.o.-Applikation<br />

erreicht der Wirkstoff über den Magen-Darm-Trakt<br />

(Extraktion <strong>und</strong> Elimination durch Intestinalwand<br />

möglich) über die Venen zur Leber (Extraktion <strong>und</strong> Elimination<br />

durch Leber: erste Leberpassage bzw. Firstpass-Effekt)<br />

über den kleinen Kreislauf (pulmonale<br />

Extraktion <strong>und</strong> Bioelimination möglich) den linken<br />

Ventrikel, von wo er ins Zielorgan ZNS transportiert<br />

wird. Entsprechend diesen potentiellen Extraktions<strong>und</strong><br />

Eliminationsverlusten ist in der Regel die Bioverfügbarkeit<br />

bei p.o.-Gabe reduziert <strong>und</strong> es müssen deshalb<br />

peroral höhere Dosen gewählt werden, um eine<br />

gleiche, zentrale Plasmakonzentration wie bei i.v.-Gabe<br />

zu errreichen.<br />

Flagg, Paluel (1886-1970 ). Am. Anästhesist: » The art of<br />

anesthesia« (Lippincott, Philadelphia 1939) <strong>und</strong> » The<br />

art of resuscitation«. Nicht zu verwechseln mit dem am.<br />

Anästhesiepionier Josiah F. Flagg (1851: Publikation<br />

über Äther <strong>und</strong> Chloroform in der täglichen Anästhesiepraxis).<br />

Paluel Flagg gründete 1933 die »Society for<br />

the prevention of asphyxial deaths« (eine spitalinterne<br />

Einsatztruppe für Wiederbelebung) in einer Zeit, wo bei<br />

einem Herzstillstand im Operationssaal in der Regel<br />

noch die lokale Feuerwehr <strong>und</strong> Polizei in den Operationssaal<br />

gerufen wurde.<br />

Flechsig, Paul (Zwickau 1847-1929 Leipzig). Btd. Psychiater,<br />

Neurologe <strong>und</strong> Hirnforsch er. »Plan des menschlichen<br />

Gehirns« (1883) <strong>und</strong> »Die Lokalisation der geistigen<br />

Vorgänge« (1896).<br />

FMH. Abk. für Foederatio Medicorum Helveticorum.<br />

( Privatrechtliche) Fachärztegesellschaft der Schweiz.<br />

fMRI. Abk. für »funktionelle Magnetresonanztomographie«,<br />

hier wird über rasche Änderungen starker äußerer<br />

Magnetfelder die Änderung von Elektronenspins<br />

nachweisbar. Bei fMRI-Untersuchungen des ZNS ist<br />

dabei auch die Gewebeperfusion mit Sauerstoff untersuchbar,<br />

da sauerstoffarmes Blut anders reagiert als<br />

sauerstoffreiches (sog. BOLD-Effekt, »blood-oxygenation<br />

-level-dependent -effect «).<br />

Förster, Otfried (Breslau 1873-1941). Bedeutender dt.<br />

Neurologe, Neurochirurg <strong>und</strong> Psychiater; Konsiliarius<br />

bei der Behandlung Lenins (1922-1924). Fre<strong>und</strong>schaftlicher<br />

Gedankenaustausch mit Oscar ~ Vogt. Postulierte<br />

zentrale Schmerzkontrollmechanismen ( ~ Gate-control!)<br />

<strong>und</strong> als erster~ absteigende Schmerzhemmbahnen<br />

in: »Die Leitungsbahnen des Schmerzgefühls <strong>und</strong><br />

die chirurgische Behandlung der Schmerzzustände«<br />

(1927); »Die Physiologie <strong>und</strong> Pathologie der Koordination«<br />

(1902). Arbeiten über spezielle Anatomie <strong>und</strong> Physiologie<br />

der peripheren Nerven sowie Zytoarchitektur<br />

des Kortex (1936).<br />

Fol. Abk. für (lat.) Folia, Blätter.<br />

Foramen-lacerum-Syndrom. Syn.: Jefferson-Syndrom,<br />

einseitige Kopfschmerzen mit peripheren neurologischen<br />

Ausfällen bei Carotis-interna-Aneurysma.<br />

Foramen-magnum-Syndrom. Kopfschmerzen, zentrales<br />

Erbrechen, periphere neurologische Dysfunktionen<br />

bei neoplastischen Verdrängungen im Foramenmagnum-Bereich.<br />

Fordyce, Wilbert (Washington *1923). Am. Schmerzforscher,<br />

Mitarbeiter der multidisziplinären Schmerzklinik<br />

in Seattle ( ~ John Bonica), Mitgründer der~ IASP.<br />

Foregger, Richard von (Wien 1872-1960 N.Y.). Korpsstudent<br />

in München, Stuttgart <strong>und</strong> Bern (Dr. ehern.<br />

1896); 1889 in die USA zu General Electric (u. a.<br />

Zusammenarbeit mit Karl Steinmetz, später mit Rössler<br />

bei Hasslacher Chemical & Co in NewYork).1914 Gründung<br />

der eigenen Firma »The Foregger Company« mit<br />

Erfindung/Herstellung von Sauerstoffgeneratoren<br />

(1906), zusammen mit Ralph Waters des To-and-fro­<br />

Systems mit C0 2 -Absorption (1923), Flowmeters (Rotameter<br />

wurden in Deutschland durch Dräger schon 1910<br />

in Verkehr gebracht), Kreissystems (Helmuth Schmidt<br />

[1895-1979] <strong>und</strong> Hans Killian [1892-1982] machten ihn<br />

während ihres USA-Besuchs 1928 auf die deutschen<br />

Dräger-Kreissysteme aufmerksam) sowie Tuben (in<br />

Zusammenarbeit mit Waters, John Adriani [1907-1988]<br />

<strong>und</strong> Emery A. Rovenstine [1895-1960]) sowie ein Foregger-Folding-Laryngoskops<br />

mit geradem Spatel (1941).<br />

Später, als die Foregger-Apparate in der US-Army eingeführt,<br />

wegen technischer Mängel kritisiert wurden,<br />

machte die Firma pleite <strong>und</strong> wurde aufgelöst.<br />

Formalintest. Die s.c. Injektion von verdünntem Formalin<br />

in eine Pfote. Die Reaktion ist zweiphasisch:<br />

Phase 1 = Sofortreaktion (Dauer bis 10 min; Pfotenschütteln,<br />

Lecken), Phase 2 = Spätreaktion (nach einer<br />

Ruhephase; ebenfalls Pfotenschütteln, Lecken; Dauer<br />

bis 6o min). Die 1. Phase reflektiert eine Sensibilisierung<br />

der peripheren Nazisensoren mit hohem spinalem


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 811<br />

nozizeptivem Input bzw. Glutamatfreisetzung; die 2.<br />

Phase reflektiert eine spinale Hypersensibilisierung<br />

durch die während der 1. Phase induzierten akuten, spinalen<br />

Glutamatfreisetzung mit konsekutiver Barrage<br />

bzw.längeranhaltender spinaler Aktivität (wind-up ).<br />

Formatio reticularis. Phylogenetisch alte, wichtige<br />

Koordinationsstelle vitaler Funktionen zwischen Hirnstamm<br />

einerseits <strong>und</strong> kortikalen, subkortikalen, limbisehen<br />

Stellen andererseits. U.a. Weckreaktionszentrum:<br />

1949 führten die Physiologen Moruzzi u. Magoun EEG­<br />

Untersuchungen am Versuchstier mit hoher mesenzephaler<br />

Hirndurchtrennung (Mesenzephalon vom Kortex<br />

getrennt; »cerveau isoh~« nach Bremer) durch: eine<br />

elektrische Stimulation der Formatio reticularis (FR)<br />

blieb ohne Wirkung auf das EEG. Beim Versuchstier mit<br />

intakter Verbindung zum Kortex (»encephale isole«)<br />

liess sich hingegen eine EEG-Folge darstellen, die dem<br />

Kurvenbild einer »Weckreaktion« glich. Durch Reizung<br />

der FR wurden die langsamen hohen Schlafwellen des<br />

Versuchtstiers (Katze) in niedrige Wellen umgewandelt.<br />

Magoun nannte dieses Phänomen »activating system«<br />

(Moruzzi u. Magoun 1949; s. auch Buch A).<br />

Fothergill-Syndrom. Syn.: für Trigeminusneuralgie,<br />

nach S. Fothergill (1804).<br />

Fox, Charles (1882-1927). Bedeutender frz. Neurologe<br />

(Arbeiten über Substantia nigra <strong>und</strong> Parkinsonismus,<br />

Myoklonusmechanismen etc.) <strong>und</strong> Poet.<br />

FPY. Abk. für Fear of Pain Questionnaire (s. Buch A).<br />

Frazier, Charles Harrison (1870-1936). Bedeutender<br />

am. neurochirurgischer Pionier ( Schmerzzustände bzw.<br />

Trigeminusneuralgie; Chordotomie).<br />

freie Radikale. Atome oder Moleküle, die dank freier<br />

Elektronen sehr reaktiv sind <strong>und</strong> Gewebestrukturen<br />

oxidativ schädigen.<br />

Freinamen. Siehe INN. Der Gebrauch von Freinamen ist<br />

in der täglichen Praxis unterschiedlich. Auf Schul- <strong>und</strong><br />

Lehrebene werden in der Regel ausschließlich Freinamen<br />

verwendet; der Gebrauch von ~ Marken- bzw.<br />

Handelsnamen in Publikationen ist verpönt (Vancouver-Protokoll<br />

des Komitees internationaler Herausgeber<br />

von Medizinalfachzeitschriften). An kleineren<br />

Spitälern <strong>und</strong> in der Praxis wird hingegen der Freinamen<br />

oft nicht einmal verstanden. »Pethidin hat diesem<br />

Patienten nichts genützt; versuchen Sie' s doch einmal<br />

mit Dolantin.«<br />

Fremdreflex. Polysynaptischer Reflex.<br />

Freud, Sigm<strong>und</strong> (Freiberg/Mähren 1856-1939). Bedeutender<br />

Österreich. Arzt <strong>und</strong> Forscher, durch Goethes<br />

»Die Natur« zur Medizin gekommen. Mit Bruck in Wien<br />

histologische Arbeiten über das Nervensystem. Später<br />

Neuropathologe am Allgemeinen Krankenhaus in<br />

Wien. Begründer der Psychoanalyse, über J, Breuer<br />

(Studien über Hysterie) auf »kathartische« Verfahren<br />

(z.B. Hypnose = Erweiterung des Bewusstseins) aufmerksam<br />

geworden. Fre<strong>und</strong> von Carl ~ Koller, explorierte<br />

an sich selbst Kokain in der Hoffnung, ein Mittel<br />

gegen Nervenkrankheiten zu finden (»Ueber Coca«<br />

1884).<br />

Fre<strong>und</strong>-Adjuvans. Durch Hitze abgetötetes Mycobacterium<br />

butyricum in Mineralöl. Durch Injektion des<br />

Fre<strong>und</strong>-Adjuvans (benannt nach dem Bakteriologen<br />

Fre<strong>und</strong>, Lebensdaten nicht bekannt) wird im Tierversuch<br />

eine arthritische Gewebereaktion ausgelöst, die als<br />

Testmodell für antiphlogistische Wirkstoffe dient.<br />

Frey,Max[imilian] von (Salzburg 1852-1932 Würzburg).<br />

Bedeutender Organpathologe <strong>und</strong> Sinnesphysiologe<br />

(Leipzig, Zürich, Würzburg). Übertrug Descartes-Konzept,<br />

des später von Johannes ~ Müller als spezifische<br />

Sinnesenergietheorie formulierten Gesetzes, auf einzelne<br />

afferente Nervenfasern <strong>und</strong> Rezeptoren (Meissner­<br />

Korpuskel, Krause, Ruffini etc.). Nach ihm benannt:~<br />

von Frey-Haare 1896.<br />

Friedreich, Nikolaus (1825-1882). Bedeutender dt. Neuropathologe<br />

(progressive Muskelatrophie, spinale Ataxie<br />

etc.).<br />

Frontotomie. Syn.: für Leukotomie.<br />

Fruct. Abk. Lat. für Fructus, Frucht.<br />

Fugu-Fisch. Siehe Tetrodotoxin, Sushi -Spezialität, zubereitet<br />

aus einem der zahlreichen - überfischten <strong>und</strong><br />

deshalb artengefährdeten - Fugu-Fischen des japanischen<br />

Meeres. Fugu-Fische (Kugel-Mondfische) »blasen«<br />

sich ballonartig bei Feindkontakt auf (Aushängeschild<br />

von Fugu-Speiserestaurants). In Japan dürfen<br />

nur spezialisierte Köche die Fische zubereiten (Toxizität<br />

je nach Gattung, Plankton-Nahrung <strong>und</strong> Organ [Ovarien,<br />

Leber]). Trotzdem starb noch vor wenigen Jahren<br />

ein berühmter Kabuki-Schauspieler nach einer Mahlzeit<br />

in einem renommierten Fugu-Restaurant. Die<br />

Fugu-Intoxikation ist eine ~ Tetrodotoxin-Intoxikation<br />

(vergleichbar einer irreversiblen Curareintoxikation,<br />

im Anfangsstadium oft eine physiologisch unerklärbare<br />

Hypertensionsphase ).<br />

Fugu-Plan. Japanischer, teilweise realisierter Plan, den<br />

aus Europa flüchtenden Juden ein Ghetto in der japanisch<br />

okkupierten Mandschurei anzubieten.<br />

Fueloep-Miller, R. Anästhesist publizierte 1938 ein Buch<br />

über die Geschichte der Anästhesiologie: »Triumph over<br />

pain« (Literary Guild of America, New York).<br />

Fumigator. Ein im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert in englischen Wiederbelebungssetsvorhandenes<br />

Instrument, Tabakrauch<br />

zur Stimulation der Atmung rektal einzublasen.<br />

Funk, Casimir (Warschau 1884-1967 New York). Polnischer<br />

Biochemiker, gr<strong>und</strong>legende Arbeiten über Vita-


812 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

minmangelerkrankungen, wie u. a. Beriberi, führte 1911<br />

den Namen »Vitamine« ein.<br />

GABA. Engl. Abk. für »gamma-amino-butyric-acid« ( y­<br />

Aminobuttersäure; H 2 N-CH 2 -CH 2 -CH 2 -COOH; M,:<br />

103,12); nichtproteinogene Aminosäure, aus L-Glutaminsäure<br />

biosynthetisiert (Decarboxylierung). 1950<br />

durch Eugene Roberts im ZNS nachgewiesen. GABA­<br />

Rezeptoren: Subtypen GABA-A, GABA-B. Das GABA­<br />

System ist das wichtigste Hemmsystem des ZNS.<br />

GAD. Abk. für Glutamat-Decarboxylase: das~ GABAsynthetisierende<br />

Enzym.<br />

Galaktorrhö. Pathologischer Milchfluss, s. ~ UAW D,, 2 -<br />

Antagonisten.<br />

Galanin. Neuropeptid des C-Fasersystems, die Galaninsynthese<br />

wird bei Schädigung peripherer Nerven »upreguliert«,<br />

die Funktion von Galanin auf spinaler Ebene<br />

ist wahrscheinlich die Hemmung der Nozitransmission,<br />

z.Z. werden 3 Galaninsubrezeptoren ( GAL-,) beschrieben.<br />

Galen, von Pergamum (Bergama/Kleinasien [Standort<br />

des Schreines des Heilgottes Aeskulapius <strong>und</strong> Medizinschule]<br />

~130-~2oo n.Chr.). Nach ~ Hippakrates<br />

berühmtester Arzt des Altertums. Ausbildung u. a. in<br />

Smyrna; Besuch der Medizinfakultät von Alexandrien.<br />

157 Chefarzt der Gladiatoren, 161 Reise nach Rom. Ab<br />

168 Arzt des Kaisersohnes Commodus. Publizierte H<strong>und</strong>erte<br />

von Schriften über Medizin, Philosophie <strong>und</strong><br />

Drama. Tieranatomiestudien. Wiesanhand von Tierexperimenten<br />

die Wichtigkeit des Rückenmarks für die<br />

Extremitätenmotorik nach. Puls als diagnostisches Mittel.<br />

Im Mittelalter wurde sein Text dank Übersetzung<br />

durch die ~ arabische Medizinschule vor dem Vergessen<br />

gerettet. Nach Galen benannt ist der in Frankreich<br />

verliehene Preis »Prix Galien de la recherche pharmaceutique«<br />

(»Galenpreis«).<br />

Galenik. Nach dem griech.-römischen Leibarzt des Kaisers<br />

Mare Aurel ~ Galen (130-199 n. Chr.) benannte<br />

Lehre von der Formgebung der Arzneimittel.<br />

Gall, Franz Joseph (Tiefenbrunn/Baden 1759-1828<br />

Paris). Abschluss des Medizinstudiums 1785 in Wien;<br />

von 1807 bis zu seinem Tod in Paris. Lehrte die Wissenschaft<br />

der »Phrenologie« (phrenos = der Geist), eine<br />

prinzipiell neue Wissenschaftsrichtung, die postulierte,<br />

dass geistige Vorgänge sich vorwiegend in speziellen<br />

Hirnabschnitten abspielten (prinzipiell korrekt) <strong>und</strong><br />

sich indirekt somit »kraniometrisch« oder »anthropometrisch«<br />

nachmessen Iiessen (methodologischer Fehler!).<br />

Bei entsprechenden geistigen Fähigkeiten wären<br />

die entsprechenden Hirnabschnitte somit übergross<br />

entwickelt <strong>und</strong> dies wiederum würde sich am Schädel<br />

durch entsprechende Schädelformen nachweisen (Kraniometrie).<br />

Darüber schrieb Gall ein sechvolumiges<br />

Opus: »Sur les fonctions du cerveau«. Gall hatte als einer<br />

der ersten richtigerweise postuliert, dass das Hirn bzw.<br />

gewisse Hirnabschnitte einziger Sitz intellektuell-geistiger<br />

Funktionen ist. In diesem Sinne ist Gall ein Pionier<br />

der modernen ZNS-Forschung. In der Folge entwickelte<br />

sich aber die Phrenologie auf methodologisch von<br />

der Schulmedizin nicht anerkannten Pfaden - <strong>und</strong><br />

artete später in verpolitisierten Verirrungen aus,: z. B.<br />

im viktorianischen England ( orthognathischer Herrenmensch<br />

vs. prognathischer Untermensch in den<br />

Kolonien), im 3. Reich (die Schädel von ermordeten KZ­<br />

Insassen wurden u. a. im Anatomieinstitut der Universität<br />

Strassburg auf »typische jüdisch-kommunistische<br />

Merkmale« vermessen) <strong>und</strong> beispielsweise in Italien,<br />

wo durch Cesare Lombroso (Verona 1835-1909 Turin)<br />

die »Stigmata« des »Uomo delinquente« (z.B. Diebe<br />

haben »lange Finger«) in der »Anthropologie der Kriminalistik«<br />

eingesetzt wurden. Im Volksm<strong>und</strong> immer<br />

noch nachwirkend: »er hat eine Denkerstirn« »sein<br />

Kinn weist auf Durchstehvermögen hin«. Vermessung<br />

des Fotos von Rasputin etc. Noch 1934 wurde an der<br />

Century of Progress Exposition in Chicago eine<br />

Maschine namens »Psychograph« dem begeisterten<br />

Publikum vorgestellt. Es sind neuerdings Bestrebungen<br />

im Gange, die sektiererische »Pseudowissenschaft<br />

Phrenologie« entsprechend zu entrümpeln <strong>und</strong> methodologisch<br />

zu rehabilitieren.<br />

Gamma-Fasern, y-Fasern. 6-8 pm dicke, hochmyelinisierte<br />

Fasern mit hoher Leitungsgeschwindigkeit<br />

(40 m/s). Funktion: intrafusale motorische Efferenzen.<br />

Ganglion. Spinalganglion, das Nervenganglion der dorsalen<br />

Wurzel der Spinalnerven, bestehend aus unipolarem<br />

Nervenzellkörper der Primärafferenzen (früher<br />

auch: Ganglion sensorius). Ganglion geniculatum, das<br />

Ganglion des Fazialnerven, situiert am Geniculum<br />

nervi fascialis. Ganglion nodosum: kaudales Vagusganglion,<br />

ein unipolares Neuron mit zentraler Projektion<br />

in die Medulla sowie peripher in verschiedenen<br />

Vagusästen. Ganglion spirale, das Ganglion des Kochlearnerven<br />

mit Projektion vom Kochlearhaarapparat<br />

zum Kochlearkern im Hirnstamm. Ganglion trigeminale<br />

Gasseri semilunare, das Ganglion der sensorischen<br />

Fasern (Radix sensoria) des N. vagus (in der Dura<br />

mater im trigeminalen Sulkus des vorderen Felsenbeins<br />

des Schläfenknochen gelegen). Siehe Buch A.<br />

Gasser, Herbert Spencer (Platteville/Wisconsin 1888-<br />

1963). Nach Medizinstudium (Johns Hopkins Medical<br />

School, 1915), Forschung in Pharmakologie <strong>und</strong> Physiologie<br />

mit~ Erlanger, 1921. Buropaaufenthalte 1923-1925<br />

( ~ Sir Henry Dale, Lapicque, Straub, Nobelpreisträger<br />

Sir A.V. Hill, 1886-1977). 1935-1953 Direktor des RockefeHer<br />

Institute for Medical Research. Vielfache akademische<br />

Ehren. Publizierte zusammen mit Joseph Erlanger<br />

1927: » The role played by the sizes of the constituent fib-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 813<br />

res of a nerve trunk in determining the form of its action<br />

potential wave«. Beide erhielten 1944 den Nobelpreis<br />

für ihre Nervenforschung.<br />

Gate-Control-Theorie. Engl. gate: Tor, Theorie nach ---1<br />

Melzack <strong>und</strong> ---1 Wall (1965), nach der die Übertragung<br />

afferenter Signale im Hinterhorn durch spezielle Bahnungs-<br />

<strong>und</strong> Hemmungsmechanismen kontrolliert wird.<br />

Rasch leitende mechanozeptive (»Berührungssinn«)<br />

Ap-Fasern können auf spinaler Höhe (Substantia gelatinosa)<br />

eintreffende nozizeptive »Inputs« hinuntermodulieren<br />

bzw. hemmen, so dass Zentripedale oder reflektorische<br />

Impulse an die entsprechenden Zielzellen (»target<br />

cells«) moduliert werden können. Diese Art »Gegenirritation«<br />

wird durch elektrische Stimulationsverfahren<br />

ausgenützt (TENS etc., s. Buch A).<br />

Gates M. <strong>und</strong> Tschudi G. Führten die umständliche,<br />

über mehrere Schritte ablaufende, erste Vollsynthese<br />

von Morphin aus (1952).<br />

GCP. Abk. Good Clinical Practice ---1 Gute Klinische<br />

Praxis.<br />

Gehirn + antipyretische Analgetika. Siehe zentrale<br />

Schmerzmodulation, Temperaturregulation, Schlafregulation,<br />

zentrale induktive COX-2; Buch D <strong>und</strong> BuchE.<br />

Gelpke, Rudolf (1928-1972). Nach Studium des Islams<br />

(v. a. iranische Kultur) mit Doktorat an der Universität<br />

Basel (1957) Arbeiten an den Universitäten in Teheran,<br />

Bern <strong>und</strong> Los Angeles. Beschrieb u. a. die Beziehungen<br />

zwischen Kulturen <strong>und</strong> Genussmittel <strong>und</strong> Drogen<br />

(»Vom Rausch im Orient <strong>und</strong> Okzidenz«), so »von Fahrten<br />

in den Weltraum der Seele: Berichte über Selbstversuche<br />

mit Delysid (LSD) <strong>und</strong> Psilocybin« (1962), die er<br />

u. a. in der Wohnung von ---1 Werner Hügin unternahm<br />

<strong>und</strong> danach akribisch beschrieb (s. auch Hofmann).<br />

Gelpke starb 43-jährig an einem Schlaganfall bei Hirnaneurysma.<br />

Genablesung. Wird eine Nervenzelle repetitiv mit nozizeptiven<br />

Reizen stimuliert, wird eine intrazelluläre<br />

Reaktionskaskade mit Hilfe von »second messengers«<br />

usw. bis zum Kern induziert, wo gewisse Gene (die sog.<br />

»immediate-early-genes«, lEG) aktiviert werden, die<br />

ihrerseits die Synthese wichtiger Bestandteile für die<br />

neuronale Funktion ankurbeln (Beispiel: Produktion<br />

von Neurotransmittern, s. Buch A).<br />

Generika. Aus dem Patent entlassene Fertigarzneimittel,<br />

die unter dem entsprechenden Freinamen ( ---1 INN)<br />

erhältlich sind. Definitionsgemäß muss ein Generikum<br />

dem Originalpräparat identisch sein.<br />

Genregulation. Steuerung der Informationsabgabe<br />

eines Gens zur Steuerung der Synthese des zugehörigen<br />

Genprodukts. Mutationen der Genregulation führen zu<br />

einem regulativen Fehlverhalten der Zelle. Die Genre-<br />

gulation steuert die Genaktivierung bzw. das spezifische<br />

Wirksamwerden von Genen in Abhängigkeit von<br />

biochemischen <strong>und</strong> biophysikalischen Zuständen des<br />

Zytoplasmatischen Substrats.<br />

Gerbershagen, Hans Ulrich (Siegen *1937). Prof. Dr.<br />

med. Studium in Wien <strong>und</strong> Marburg (Promotion 1964).<br />

Ausbildung in Anästhesiologie sowie Lungen- <strong>und</strong> Nierenphysiologie<br />

(Salt Lake City, Universität Washington/Seattle).<br />

Nach der Facharztausbildung 1970 Weiterbildung<br />

in Schmerzmedizin bei ---1 Bonica (Seattle) <strong>und</strong><br />

Lungenphysiologie (Habilitation, 1972); Gründungsmitglied<br />

der ---1 IASP sowie der ---1 DGSS; Leiter der ersten<br />

dt. multidisziplinären Schmerzklinik an der Universität<br />

Mainz; seit 1982 ärztlicher Direktor <strong>und</strong> leitender Arzt<br />

am DRK-Schmerz-Zentrum in Mainz; zahlreiche Publikationen<br />

( u. a. über die Chronifizierung als dynamischer<br />

Krankheitszustand etc.); vielfache Auszeichnungen<br />

<strong>und</strong> Ehrungen, u.a. Henri-Leriche- <strong>und</strong> Carl-Ludwig-Schleich-Preis<br />

<strong>und</strong> Preis der New York. Society of<br />

Anesthesiologists, B<strong>und</strong>esverdienstkreuz etc.<br />

Gerhardt, Carl (1816-1856). Chemiker in Strassburg,<br />

bereitete den Boden für die moderne Valenztheorie mit<br />

seiner sog. »Typenlehre« (1853) vor. Er synthetisiert<br />

zum erstenmal Acetylsalicylsäure, allerdings in einer<br />

unstabilen <strong>und</strong> somit die Fachwelt nicht interessierenden<br />

Form. Die moderne Synthese von Acetylsalicylsäure<br />

wurde durch ---1 Felix Hoffmann 1897 durchgeführt.<br />

Gesichtssympathalgie. Syn.: Gesichtsschmerz, Prosopalgie.<br />

Geigy. Die Vorgeschichte der Fa. Geigy geht auf die Drogenwarenhandlung<br />

des Johann Rudolf Geigy (ursprünglich<br />

ostschweizerisch »Gügy«), aus einer Barbier-<br />

<strong>und</strong> Chirurgenfamilie stammend, an der Fre'ien<br />

Strasse Basel im Jahre 1758 zurück. 1859 wurde die Anilinfarbenproduktion<br />

am Riebenteich aufgenommen.<br />

Fruchtbare familiäre Verknüpfungen (Familien Bernoulli,<br />

Sarasin, Heusler, Koechlin, Merian, Schlumberger,<br />

Hagenbach, Iselin etc.). Der Schweizer Paul Müller<br />

(1899-1965), Chemiker bei Geigy, erhielt 1948 den<br />

Nobelpreis für das unterdessen weltweit verbote.n.e<br />

Insektizid DDT.<br />

Giga. Abk. G, dezimales Vielfaches in der Ordnung 1o9.<br />

Gillman, Alfred G. (New Haven/Conneticut *1941). Eminenter<br />

am. Pharmakologe; er hat 1994 zusammen mit<br />

dem Amerikaner Martin Rodbell (Leiter der Abteilung_<br />

»Signalübertragung« im Research Triangle Park, North<br />

Carolina) den Nobelpreis für Arbeiten über Zellkommunikation<br />

<strong>und</strong> im Speziellen der Entdeckung der ---1<br />

G-Proteine erhalten.<br />

Glässner, Martin Fritz (Aussig 1906-1989 Australien).<br />

Nach dem Anschluss Österreichs in Wien verhaftet


814 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

<strong>und</strong> u. a. zum Fensterputzen in Armee- <strong>und</strong> anderen<br />

Baracken verurteilt, dann durch glückliche Umstände<br />

freigelassen. Er emigrierte. Weltberühmter Mikropäläontologe<br />

<strong>und</strong> Geologe; u. a. » The dawn of animallife«.<br />

GLOA. Abk. für ganglionäre lokale Opioidanalgesie<br />

(s. Buch Kinetik).<br />

Globuli. Vaginalkugeln (Ovula).<br />

Glossodynie. Schmerzhafte Parästhesie im Zungenbereich.<br />

Verschiedene Ursachen: u. a. Glossopharyngeusneuralgie.<br />

GLPR. Engl. Abk. für Good Labaratory Practice Regulations.<br />

Definiert zugelassene In-vitro- <strong>und</strong> In-vivo-Tests<br />

(Tierversuche) im Laboratorium, bevor ein neuer Wirkstoff<br />

in die klinische Prüfung kommt.<br />

Glutamat. Salz der Glutaminsäure; wichtigster exzitatorischer<br />

Neurotransmitter des ZNS; bewirkt Hypo- oder<br />

Depolarisation von Nervenzellen über erhöhte Permeabilität<br />

von Kationen (K+, Na+, Ca2+). Postuliert werden<br />

z.Z. 3 Subtypen der ionotropischen (Na+, CaH) Glutamatrezeptoren.<br />

Die extrazelluläre Glutamatkonzentration<br />

im ZNS beträgt o,6 Jlmol/1, die intrazelluläre Konzentration<br />

jedoch ca. 10 mmol!l. Erhöht sich die extrazelluläre<br />

Glutamatkonzentration > 2 Jlmol/1, besteht die<br />

Möglichkeit einer zentralneuronalen ~ Exzitotoxizität<br />

mit intrazellulärer Ionenakkumulation aufgr<strong>und</strong> der<br />

Aktivierung zuvieler ionotropischer Glutamatrezeptoren.<br />

Daneben werden verschiedene intrazelluläre Reaktionskaskaden<br />

(Phospholipase-A 2 - <strong>und</strong> Prostaglandin­<br />

Kaskade, NO-Synthase, Proteinkinase C etc.) aktiviert.<br />

Eine Glutamat-induzierte Exzitototoxizität wird in vielen<br />

akuten (Muschelvergiftung durch Mytilotoxine,<br />

akutes posttraumatisches Hirnödem etc.) <strong>und</strong> chronisch-degenerativen<br />

Erkrankungen (M. Huntington,<br />

kognitivmotorische Dysfunktion bei Aids etc.) des ZNS<br />

partiell diesem physiopathologischem Mechanismut><br />

zugeschrieben, teilweise durch Glutamatfreisetzung aus<br />

geschädigten Nervenzellen <strong>und</strong> Astrozyten (s. Buch A).<br />

Glutamat wird auch als Geschmacksverstärker in der<br />

»industriellen Gastronomie« verwendet.<br />

Glutathion. Glutathionsulfhydryl, GSH; biomembranschützendes<br />

Tripeptid (Beispiel: Erythrozyten). Die<br />

Rolle von Glutathion im ZNS ist unklar (mögliche Neurotransmitterfunktionen).<br />

Glycin. Glykokoll; nichtessentielle Aminosäure, Abk.<br />

Gly, H 2 N-CH 2 -COOH; Mr 75,1. In Gelatine <strong>und</strong> Seidenfibroin<br />

vorgef<strong>und</strong>en. Zentraler Neurotransmitter mit.<br />

hemmender Wirkung (Zielrezeptoren: ~ NMDA­<br />

Rezeptoren <strong>und</strong> Chloridionenkanäle: s. Buch A).<br />

GMCSF. Engl. Abk. für Granulozyten-Makrophagen­<br />

Kolonie-stimulierende Faktoren (s. Buch D: Agranulozytose).<br />

GMP. Engl. Abk. für Good Manufacturing Practice<br />

(1963, WHO). Richtlinien zur Sicherung der Qualität<br />

von Arzneimitteln in Bezug auf die Herstellung (quality-control<br />

of drugs ): Draft requirements for good<br />

manufacturing practice in the manufacture and quality<br />

control of drugs and pharmaceutical specialities. Für<br />

die korrekte Lagerung sowie den Transport von Arzneimitteln<br />

wurden Empfehlungen der FIP unter dem<br />

Namen »Good storage practice« verfasst.<br />

gnostische Sensibilität. Syn.: für epikritische Sensibilität,<br />

umfasst feinere Temperatur-<strong>und</strong> Berührungsempfindungen,<br />

also Bewegungssinn, Stellungssinn, Kraftsinn,<br />

Formsinn.<br />

Godtfredsen-Syndrom. Einseitige Trigeminusneuralgie;<br />

differentialdiagnostisch zu unterscheiden von einseitiger<br />

Trigeminusneuralgie kombiniert mit dem Horner-Syndrombei<br />

z.B. Malignomen des Nasen-Rachen­<br />

Raumes.<br />

Goldscheider, A. (1858-1935). Hervorragender Lehrer<br />

<strong>und</strong> Forscher der Inneren Medizin (Ataxie, Epidermiolysis<br />

bullosa heredetaria, Perkussion <strong>und</strong> Auskultation,<br />

Sportmedizin, Schmerzmedizin u.a.) sowie Sinnesphysiologie.<br />

Er bestätigte Müllers Lehre (1826) von den spezifischen<br />

Energien der Sinnesorgane, unabhängig von<br />

G. Blix, 1884, mit dem Postulat von spezifischen Kälte-,<br />

Wärme- <strong>und</strong> Drucksensoren. Publizierte 1920: »Das<br />

Schmerz-Problem« (<strong>Springer</strong>, Berlin).<br />

»Der Schmerz ist ein hartes, aber nützliches<br />

Gesetz der Natur. Allein wie jedes<br />

Naturgesetz ist er in seiner Konsequenz<br />

unbeugsam, in seiner Rücksichtslosigkeit<br />

blind <strong>und</strong> daher brutal <strong>und</strong> grausam. Er<br />

erscheint nicht bloss als wohltätiger Warner,<br />

sondern auch als nutzloser Quller.«<br />

Goldstein,A. (New York *1919). Eminenter Pharmakologe<br />

<strong>und</strong> Neurobiologe (Harvard <strong>und</strong> Stanford Universität;<br />

nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls dt.-stämmigen<br />

bedeutenden Neurologen Kurt Goldstein,<br />

1878-1965). U.a. 1968: »Principles of drug action«. Siehe<br />

auch Dynorphinfamilie.<br />

» Why would God have made opiate receptors<br />

unless he bad also made an endogenaus<br />

morphine-like substance?«<br />

Golgi, Camillo (Cortena 1843-1926). Anatom <strong>und</strong><br />

Pathologe in Pavia, Nobelpreis mit ~ Cajal, 1906, für<br />

Neuronentheorie. Die Golgi-Mazzoni-Körperchen (Syn.<br />

corpuscula bulboidea) sind in verschiedenen Geweben<br />

vorkommende druckempfindliche Lamellenkörper-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 815<br />

chen, die wahrscheinlich auch als Kälterezeptoren funktionieren.<br />

Gordh, T. {*1907). Schwed. Anästhesist, führte Lidocain<br />

<strong>und</strong> die nach ihm benannte Gorcisehe Verweilkanüle in<br />

die Klinik ein. Sein Sohn T.H. Gordh jr. ist ebenfalls<br />

Anästhesist <strong>und</strong> Schmerztherapeut<br />

G-Proteine. Familie von Proteinen (Namengebung:<br />

Guanin Nukleotid Proteine), die von aktivierten Zellmembranrezeptoren<br />

erkannt werden (spezifische,<br />

intrazelluläre Domain- bzw. Rezeptorabschnitte) <strong>und</strong><br />

in die transmembranöse Signaltransduktion involviert<br />

sind. Es werden stimulierende oder hemmende G­<br />

Zellmembranproteine (Gi = inhibitorisch, Gs = stimulierend;<br />

Nobelpreis A.F. ~ Gilman <strong>und</strong> M. Rodbell,<br />

1994) sowie 3 Untereinheiten (a-, ß- <strong>und</strong> y- Teil) unterschieden.<br />

Entsprechend dem aktivierten Subrezeptortyp,<br />

der aktivierten G-Proteinsubeinheit, werden verschiedenste,<br />

intrazelluläre Systeme wie GTP (Guanosintriphosphat),<br />

Adenylatcyclase (konvertiert ATP in<br />

cAMP) aktiviert oder gehemmt. Membranrezeptoren<br />

können sich vom G-Proteinsystem auch abkoppeln<br />

(s. Buch B). Die Signaltransduktion läuft in verschiedenen<br />

Phasen ab: 1. reversible Ligand-Rezeptor-Bindung<br />

führt zu einer Konformationsänderung. 2. Die<br />

Konformationsänderung erlaubt eine reversible Bindung<br />

Rezeptor-G-Protein. 3· a-Protein konvertiert<br />

GDP zu GTP <strong>und</strong> Adenylatcyklase. 4· Die Hydrolyse<br />

von GTP zu GDP induziert eine Dissoziation der<br />

Adenylatcyclasestruktur: der G-Proteinkomplex ist<br />

wieder regeniert.<br />

Gr (1-n). In Deutschland eingeführte n-stufige Graviditätsklasse<br />

bzw. ~ Schwangerschaftskategorie.<br />

Gradenigo-Syndrom. Nach dem Otologen G.C. Gradenigo<br />

(1859-1926) benannte Abduzensparese mit neuralgischen<br />

Gesichtsschmerzen.<br />

Gralla, Richard J. Zeitgenössischer Arzt, Leiter der klinischen<br />

Pharmakologie am Memorial-Sloan-Kettering­<br />

Institut, New York, führte u. a. die höchstdosierte ~<br />

Metoclopramidgabe zur antiemetischen Prophylaxe<br />

<strong>und</strong> Therapie von~ Cisplatin-induzierterNausea <strong>und</strong><br />

Emesis ein (1981). Dies führte zur Entdeckung der 5-<br />

HT3-Rezeptoren.<br />

Granulata. Granulate: körnige Aggregate von Wirkstoffpulvern.<br />

Grimaux, L.- Edouard (1835-?). Stellte 1881 Codein aus<br />

Morphin her <strong>und</strong> eröffnete damit eine groBindustrielle<br />

Herstellung von Codein (Nebenbemerkung: der klinische<br />

Stellenwert von Codein als billigem Hustenmittel<br />

war bei der damals hohen Inzidenz von Lungenerkrankungen<br />

weitaus wichtiger als heute!) <strong>und</strong> entdeckte<br />

1882 ~ Dionin.<br />

Grinker, Julius (1867-1928). Aus Preussen stammender,<br />

in die USA emigrierter bedeutender Neurologe (führte<br />

u. a. Phenobarbital in den USA ein, 1913).<br />

Gross, Dieter (Kattowitz 1914-1985). Ausbildung als<br />

Internist <strong>und</strong> Nervenarzt (historische Bezeichnung für<br />

das klassische »Vollfach« Neurologie <strong>und</strong> Psychiatrie!)<br />

in Berlin <strong>und</strong> München. Während des 2. Weltkriegs<br />

Lazaretttätigkeit an der Ostfront (einziger Überlebender<br />

seiner Kompagnie). Nach Ende des Krieges in Bad<br />

Ischl <strong>und</strong> später in Frankfurt am Main, durch die Fronterfahrung<br />

sowie die Arbeiten der Kriegschirurgen ~<br />

Mitchell <strong>und</strong> ~ Leriche beeinflusst postulierte er die<br />

interdisziplinäre Schmerztherapie, u. a. auch den Einsatz<br />

von diagnostischer <strong>und</strong> therapeutischer Lokalanästhesie<br />

(als Gegenakzent zur damaligen »Neuraltherapie«<br />

der Gehrüder ~ Huneke). Zusammen mit<br />

M. ~ Zimmermann dt. Repräsentant beim Gründungssymposium<br />

der IASP (1973) in Seattle. Mitbegründer<br />

der »Gesellschaft zum Studium des Schmerzes in<br />

Deutschland, Österreich <strong>und</strong> die Schweiz« in Florenz<br />

(1975) <strong>und</strong> deren erster Präsident (1976-1978). Publizierte<br />

u. a.: »Therapeutische Lokalanästhesie« (mehrere<br />

Auflagen, neu herausgegeben von seinem Sohn Matthias<br />

Gross, ebenfalls ärztlicher Schmerztherapeut,<br />

Frankfurt am Main).<br />

Guedel,Arthur E. (Cambridge City/Indiana 1883-1956).<br />

Ausbildung an der Indiana School of Medicine. Hobby­<br />

Pianist, obwohl er drei Finger verlor. Kriegsanästhesist<br />

in Frankreich (1917-1919). Mit R.M. ~ Waters Begründer<br />

der modernen amerikanischen Anästhesiologie.<br />

Nach ihm werden die sog. Guedel-Narkosestadien<br />

sowie der oropharyngeale Tubus benannt.<br />

Gulag. Abk. Glavnoe Upravlenije Lagerej, Hauptverwaltung<br />

des Straflagersystems der UdSSR (1930-1955),<br />

durch Alexander Solschenizyn in seinem Werk »Archipel<br />

Gulag« (1973) beschrieben.<br />

Gumpert, Martin (1897-1955 New York). Nach Medizinstudium<br />

Arzt in Berlin. Emigration 1936. Neben revolutionärer<br />

Lyrik u. a. 1921: »Hahnemann, die abenteuerlichen<br />

Schicksale eines ärztlichen Rebellen <strong>und</strong> seiner<br />

Lehre, der Homöopathie« <strong>und</strong> 1938 »Dunant«.<br />

Günther, Johann Christian (Striegau 1695-1723 Jena).<br />

Medizinstudium in Wittenberg <strong>und</strong> Leipzig. Gilt als<br />

genialer Lyriker, verlor wegen »zügellosen Lebens«<br />

seine Anstellung als »Hofdichter« in Dresden.<br />

Gürtelschmerz. Bei Tabes auftretender starker Schmerz<br />

(»Gürtel- oder Panzerschmerz«).<br />

Gute klinische Praxis. Dt. Pendant zu ~ GCP: »Good<br />

Clinical Practice«. Von der Europäischen Gemeinschaft<br />

definierte Richtlinien zur Durchführung klinischer<br />

Prüfungen. Sie beinhalten die »Helsinki-Deklaration«<br />

der World Medical Association. Ziel ist u. a. der Schutz


816 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

der an der klinischen Prüfung teilnehmenden Personen<br />

<strong>und</strong> die Beratung durch die Ethikkommission. Sie<br />

beschreibt die Verantwortlichkeit des Sponsors, des<br />

Monitors <strong>und</strong> des Prüfers. Sie bestimmt die Qualität der<br />

anzuwendenden Datenverarbeitungssysteme <strong>und</strong> Biometriemetheden<br />

sowie die Qualitätssicherung.<br />

Guttae. Tropfflüssigkeiten. Das lat. Wort »gutta« findet<br />

sich im engl. »gout« (Gicht) wieder.<br />

Gybel, Jan (Aarschot/Belgien *1928). Humanistisches<br />

Gymnasium 1946; Studien der Naturwissenschaften<br />

(Namur) sowie Medizinstudium, Abschluss 1953<br />

(Katholieke Universiteit [K.U.] Leuven). Danach Spezialausbildung<br />

in Chirurgie (1957), Neurochirurgie (1963)<br />

<strong>und</strong> Neurologie (1966) an der K.U. Leuven, an der Mc<br />

Gill University, Montreal (W.Penfield) sowie am National<br />

Hospital, London (Dr. Carmichael), sowie Studien u.<br />

a. in L<strong>und</strong> ( ~ L. Leksell) <strong>und</strong> Paris (Dr. Guiot: Thalamus<br />

<strong>und</strong> Parkinson). Gybel verband in der Folge in einmaliger<br />

Weise Klinik, Lehre <strong>und</strong> Forschung sowie modernste<br />

Techniken (Analyse der Primärafferenzen, supraspinale<br />

Stimulation <strong>und</strong> zentrale Analgesie, chronischer<br />

Schmerz <strong>und</strong> Rückenmarkverletzung, Mikroneurographie,<br />

dreidimensionales Brain Imaging, computerassistierte<br />

Techniken sowie stereotaktische Neurochirurgie<br />

etc.), ca. 250 Publikationen in Neurophysiologie,<br />

Schmerzphysiologie, Stereotaxie, Stimulationsanalgesie.<br />

Mehrfache Ehrungen <strong>und</strong> Auszeichnungen. Mit<br />

William Sweet: »Neurosurgical treatment of persistent<br />

pain«. 1994 als Prof. Emeritus durch ein »Liber amicorum«<br />

von Ron Kupers geehrt, in dem Hermann ~<br />

Handwerker handschriftlich zum »Unruhestand<br />

Gybels« beifügte:<br />

Das Leben wird vorwärts gelebt, aber<br />

rückwärts verstanden (HERMANN HAND­<br />

WERKER).<br />

Gyrus cinguli. Teil des limbisehen Systems. Die Cingulotomie<br />

führt zu einer stark verminderten Schmerzreaktion.<br />

Gyrus postcentralis. Windung des Lobus parietalis.<br />

Durch den Sulcus centralis Rolandi vom Gyrus praecentralis<br />

getrennt. Primär sensibles Rindenfeld.<br />

Haber, Fritz (Breslau 1868-1934 Basel). Nach Professur<br />

1906-1911 an der TH Karlsruhe Direktor des neu<br />

gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische<br />

Chemie <strong>und</strong> Elektrochemie in Berlin-Dahlem von<br />

1911-1933 (wo er emigrieren musste, weil er sich weigerte,<br />

»nichtarischen« Mitarbeitern zu kündigen). Die Darstellung<br />

von Ammoniak unter hohem Druck aus Stickstoff<br />

<strong>und</strong> Wasserstoff (Haber-Bosch-Verfahren) brachte<br />

ihm 1918 den Nobelpreis für Chemie. Im gleichen Jahr<br />

galt er für die Siegermächte aber auch als Kriegsverbreeher,<br />

als »Vater des deutschen Gaskrieges«. Haber entwickelte<br />

Giftgase <strong>und</strong> verfolgte persönlich den ersten<br />

deutschen Gasangriff 1915 bei Ypern. Seine Frau Clara,<br />

selbst Chemikerin, erschoss sich - den seelischen<br />

Druck nicht aushaltend - mit der Dienstwaffe ihres<br />

Mannes. Nach dem Weltkrieg Weiterentwicklung eines<br />

»Schädlingsbekämpfungsmittel«, dem Zyklon B. 1933<br />

Emigration nach England. Tod 1934 in Basel auf dem<br />

Weg nach Palästina (bzw. zum Daniel-Sieff-Research­<br />

Institute). Familienangehörige des deutschnationalen,<br />

zum Protestantismus konvertierten Habers wurden im<br />

Rahmen des späteren Wannseeprojekts mit Zyklon B<br />

vergast.<br />

Hackenbruch-Anästhesie. Nach dem Chirurgen Peter<br />

Hackenbruch (1865-1924 Wiesbaden) benannte subkutane<br />

Umspritzung des Operationsfeldes. Die in Vergessenheit<br />

geratene Methode wird heute wieder zwecks<br />

Minimalisierung des postoperativen nozizeptiven<br />

»Inputs« zur Optimierung der postoperativen Analgesie<br />

(v. a. bei Kindern) diskutiert.<br />

HAD. Palliativ- <strong>und</strong> Schmerzmedizin, Abk. für »Hospital<br />

anxiety and depression scale« (s. Buch A).<br />

Hahnemann, Samuel (Meissen 1755-1843 Paris [Friedhof<br />

Pere Lachaise ]). Gründer der Homöopathiebewegung<br />

(homoios: ähnlich; pathos: Leiden), nahm 1790<br />

Chinarindenextrakte zu sich, die bei ihm malariaähnliche<br />

Symptome induzierten <strong>und</strong> postulierte daraufhin<br />

1796 das neue therapeutische Prinzip der Ähnlichkeit:<br />

»Ähnliches heilt Ähnliches« (lat. similia similibus<br />

curentur) <strong>und</strong> schrieb in seinem Organon der Heilkunst<br />

(1810): »Bei dieser Aufsuchung eines homöopathisch<br />

spezifischen Heilmittels, das ist, bei dieser<br />

Gegeneinanderhaltung des Zeichen, Inbegriff der<br />

natürlichen Krankheit gegen die Symptomenreihen der<br />

vorhandenen Arzneien um unter diesen eine, dem zu<br />

heilenden Übel in Ähnlichkeit entsprechende Kunstkrankheit-Potenz<br />

zu finden, sind die auffallenden, sonderlichen,<br />

ungewöhnlichen <strong>und</strong> eigenheitliehen ( charakteristischen)<br />

Zeichen <strong>und</strong> Symptome des Krankheitsfallesbesonders<br />

<strong>und</strong> fast einzigfest ins Auge zu fassen;<br />

denn vorzüglich diesen müssen sehr ähnliche, in<br />

der Symptomenreihe der gesuchten Arznei entsprechen,<br />

wenn sie die passendste zur Heilung sein soll. Die<br />

allgemeinem <strong>und</strong> unbestimmtem: Eßlust-Mangel,<br />

Kopfweh, Mattigkeit, unruhiger Schlaf, Unbehaglichkeit<br />

u.s.w., verdienen in dieser Allgemeinheit <strong>und</strong> wenn sie<br />

nicht näher bezeichnet sind, wenig Aufmerksamkeit, da<br />

man so etwas Allgemeines fast bei jeder Krankheit <strong>und</strong><br />

jeder Arznei sieht. Nach Hahnemann soll die verabreichte<br />

Menge der Simile-Mittel möglichst klein sein.<br />

Dies wird erreicht durch eine Verdünnungsreihe mit D­<br />

Potenzen: 1:10, C-Potenzen: 1:100 oder LM- oder Q­<br />

Potenzen: 1:soooo. Hochverdünnte Similie wirken nach<br />

ihm nur, wenn sie »potenziert« (handgeschüttelt, gerie-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 817<br />

ben) werden (s. auch ~ Avogadro). Am Anfang der<br />

Behandlung auftretende Verschlimmerungen (»Erstverschlimmerung«)<br />

wird als »homöopathischer Heilungsvorgang«<br />

bezeichnet. In der Regel werden offene<br />

»Arzneimittelprüfungen« an ges<strong>und</strong>en Probanden<br />

durchgeführt <strong>und</strong> als »wissenschaftliche Prüfung«<br />

gewertet bzw. gesammelt in »Materia Medica Homöopathica«<br />

(Tierversuche werden als »tierquälerisch <strong>und</strong><br />

unnütz« abgelehnt).<br />

Halbwertszeit. Derjenige Zeitraum, in dem die Plasmakonzentration<br />

eines gegebenen Wirkstoffes auf die<br />

Hälfte sinkt. Nach i.v.-Anwendung sinkt die Plasmakonzentration<br />

wegen der Verteilung in bestperf<strong>und</strong>ierte<br />

Organsysteme bis zu einem Punkt X (sog. ~ a­<br />

Phase) dramatisch, danach konstant entsprechend einsetzender<br />

Eliminationsmechanismen (sog.~ ß-Phase).<br />

Daneben wird gelegentlich eine sog. terminale Halbwertszeit<br />

y aufgeführt. Konventionelle kinetische Parameter<br />

wie Eliminationshalbwertszeit werden nach ED­<br />

Gabe bestimmt. Für die kontinuierliche i.v.-Gabe wird<br />

die sog. »kontextbezogene HWZ« herangezogen ==<br />

HWZ der Serumkonzentration abhängig vom klinischen<br />

Kontext (Zeit- <strong>und</strong> Wirkstofffaktoren bzw.<br />

Gesamtdosis repetiert oder kontinuierlich).~ Contextsensitive-half-time,<br />

s. Buch allgemeine Kinetik).<br />

Halsted, William Stewart (New York 1852-1922 Baltimore).<br />

Hervorragender Chirurg in Baltimore, entwickelte<br />

u. a. eine nach ihm benannte Intrakutannaht<br />

<strong>und</strong> führte das Tragen von Gummihandschuhen im OP<br />

ein. Entwickelte Nervenblockaden (setzte als erster<br />

Kokain ein). Publizierte u. a. »Practical comments on the<br />

abuse of cocaine« (1885). Posthum 1924: »Surgical<br />

papers«.<br />

Hämoxygenase. Ein im Abbau von Hämoglobin eingeschaltetes<br />

metallabhängiges Enzym (Cobalt), das den<br />

Abbau von Häm zu Eisen,~ CO <strong>und</strong> Biliverdin im Beisein<br />

von Sauerstoff <strong>und</strong> reduzierter NADPH katalysiert.<br />

Das Hämoxygenase-CO-System ist in der Relaxation<br />

glatter Muskeln (vgl. ~NO-System) involviert.<br />

Hamilton-D-Skala. In der Psychiatrie, aber auch in der<br />

Schmerztherapie gebräuchliche Skala zur Erfassung<br />

von depressiven Zuständen bzw. 21 Items von depressiven<br />

Symptomen (Hamilton 1986).<br />

Hammerschmidt, Karl E. (Wien 1801-1874 Istanbul).<br />

Studium der Rechtswissenschaft <strong>und</strong> medizinisch-chirurgische<br />

Studien. Aufnahme in die Kaiserlich-Leopoldinische-Akademie<br />

der Naturforscher in Bonn. In Wien<br />

(1847-1848) zusammen mit dem Zahnarzt Weiger<br />

Durchführung von Äthernarkosen. Darüber hinaus<br />

zahlreiche Arbeiten über Anästhesiestadien, Anästhesieprotokolle<br />

etc. Im Laufe der Oktoberrevolution<br />

Flucht über Ungarn nach Istanbul, wo er - nach Übertritt<br />

zum islamischen Glauben - als Abdullah Bey Professor<br />

der Medizinischen Fakultät, Oberst der Türki-<br />

sehen Armee sowie zum Begründer des Roten Halbmonds<br />

wurde. Eine türkische Postmarke von 1968 erinnert<br />

an ihn.<br />

Handwerker, Hermann (Villan/Österreich *1940). Prof.<br />

Dr. sei. Dr. med. Dr. h.c. (Universität Uppsala), Direktor<br />

des Instituts für Physiologie <strong>und</strong> experimentelle Pathophysiologie<br />

der Universität Erlangen-Nürnberg. Nach<br />

Medizinstudium in Würzburg <strong>und</strong> Zürich Arbeiten<br />

am Hirnforschungsinstitut der Universität Zürich<br />

(1969-1971), danach am Physiologischen Institut der<br />

Universität Heidelberg, Edinburgh, Leuven <strong>und</strong> Uppsala.<br />

Setzt sich auf nationaler <strong>und</strong> internationaler Ebene<br />

(IASP) für die Schmerzforschung ein.<br />

Hanging-drop-Technique. Ein an der Epiduralpunktionsnadel<br />

hängender Tropf, der beim Erreichen des Epiduralraumes<br />

wegen des dort herrschenden negativen<br />

Drucks hineingezogen wird. Die Hanging-drop-Technique<br />

eignet sich v. a. für Punktionen im zervikalen <strong>und</strong><br />

thorakalen Epiduralbereich. Im Lumbosakralbereich ist<br />

in der Regel der sog. Resistenztest eindrücklicher.<br />

Harvey, William (1578-1657). Schüler von Galilei<br />

(1564-1642), beschrieb 1627 den Blutkreislauf: »Exercitatio<br />

anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus«<br />

(s. auch:~ i.v.- Anwendung).<br />

Hawthorne-Effekt. Betriebspsychologisch das Phänomen,<br />

dass beobachtete Arbeitsgruppen (Beispiel: klinische<br />

Forschergruppe) bzw. Versuchspersonen über<br />

mehr Aufmerksamkeit bessere Leistungen (Beispiel:<br />

aufmerksamere Patientenbeobachtung <strong>und</strong> Patientenbetreuung<br />

~ optimalere Schmerzpharmakotherapie)<br />

auch bei Verschlechterung der äußeren Bedingungen<br />

vollbringen ( ~ Buch Optimierung der Schmerzpharmakotherapie,<br />

Qualitätskontrolle). Durch den an der<br />

Harvard-Universität arbeitenden austral.-amerik.<br />

Soziologen Elton Mayo (1880-1949), Begründer der am.<br />

Industrie- <strong>und</strong> Betriebsoziologie, in der sog. Hawthorne-Untersuchung<br />

(1927-1932) mitbeschrieben. Die<br />

Hawthorne-Werke in der Nähe von Chicago waren eine<br />

Filiale der Western Electric Co, deshalb wird der<br />

Hawthorne-Effekt gelegentlich auch Western-Electric­<br />

Effekt genannt. Die Hawthorne-Untersuchung wurde<br />

Ausgangspunkt für die Human-relations-Bewegung.<br />

Head, Henry (1861-1940). Neurologe <strong>und</strong> Schmerzforscher,<br />

beschrieb u. a. die Funktion des Thalamus in der<br />

Bewusstseinwerdung, thalamisehe Schmerzsyndrome<br />

in »Sensory disturbances from cerebral lesions« (Brain,<br />

1911). Seine Doktorarbeit in Cambridge beschreibt den<br />

epikritischen <strong>und</strong> protopathischen Schmerz »On<br />

disturbances of sensation with especial reference to the<br />

pain of visceral disease« (Brain, 1893). Führte eine Automutilation<br />

durch, indem er am 25.04.1903 den kutanen<br />

Ast des Radialnerven in der Ellenbeuge durchschnitt,<br />

durch eine Nervennaht die Nervenkontinuität widerherstellte<br />

<strong>und</strong> protokollarisch die Wiederherstellung


818 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

beobachtete: » The afferent nervaus system from a new<br />

aspect« (Brain, 1905). Beschrieb 1911 mit G. Holmes<br />

(1876-1966, btd. engl. Pionier der Zerebellumforschung)<br />

das~ Head-Holmes-Syndrom.<br />

Headache-Classification. Engl. Klassifikationssystem<br />

der Kopfschmerzen (Kephalgien) <strong>und</strong> verwandten<br />

Krankheitsbildern durch die »International Headache<br />

Society (IHS)« 1988.<br />

Head-Holmes-Syndrom. Von ~ Head u. Holmes 1911<br />

beschriebenes affektiv-dysästhetisches Halbseitensyndrom<br />

mit Störungen der Geruchs-, Geschmacksfunktion<br />

sowie Hyperkinese. Ursache: Thalamuserkrankungen.<br />

Head-Schmerzen. Bei Erkrankung innerer Organe gelegentlich<br />

auftretende Schmerzen in bestimmten Hautbezirken.<br />

Schmerzafferenzen werden im Rückenmark auf<br />

die Vorderwurzel umgeschalten (viszerokutaner Reflex)<br />

<strong>und</strong> auf eine entsprechende Hautzone (sog. Head-Dermatome)<br />

projiziert.<br />

Hefesuspensionen. Im Tierversuch dienen Hefesuspensionen<br />

zur Auslösung einer Fieberreaktion, an der die<br />

antipyretische Wirkung der zu kontrollierenden Wirkstoffen<br />

gemessen wird.<br />

Heilanalgesie. Nach~ Schaumann ist optimale Analgesie<br />

Voraussetzung für optimale Heilvorgänge - »Analgesie<br />

heilt«. Brücke zu späteren Ansichten wie diejenige<br />

von ~ Liebeskind »Schmerz tötet«.<br />

Hekto. Abk. h, dezimales Vielfaches in der Ordnung 10 2<br />

=100.<br />

Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdinand von (Potsdam<br />

1821-1894). Nach Potsdamer Gymnasium Medizinstudium<br />

am Friedrich-Wilhelm-Institut in Berlin. 1842, mit<br />

21 Jahren Abschluss <strong>und</strong> Armeeservice als Arzt.<br />

1848-1855 Professur für Physiologie in Königsberg,<br />

danach in Bonn <strong>und</strong> Heidelberg. »Handbuch der physiologischen<br />

Optik« (1867); »Die Lehre von den Tonempfindungen«.<br />

Helmholtz, über die Fortleitungsgeschwindigkeit<br />

von Nerven arbeitend, führte auch das Verhältnis<br />

bzw. den neuen Begriff der »Reaktionszeit« in die<br />

Physiologie ein.<br />

Hemialgie. Siehe Hemikranie.<br />

Hemicrania cervicalis. Zervikale Migräne.<br />

Hemihypästhesie. Halbseitige Verminderung der<br />

Berührungsempfindung bei Schädigung im Bereich der<br />

hinteren Zentralwindung.<br />

Hemihyperästhesie. Halbseitige Verstärkung der Berührungsempfindung.<br />

Bei Thalamusaffektionen wie ~<br />

Head-Holmes-Syndrom, Fegeler-Syndrom, Trigeminusneuralgie<br />

auftretend.<br />

Hemikranie. Halbseitig auftretender Kopfschmerz,<br />

s. Migräne.<br />

Hench, P.S. (Pittsburgh 1896-1965). Rheumatologe an<br />

der Mayo-Klinik, Rochester, sowie Universität Minnesota.<br />

Entdeckte die antiphlogistische Wirksamkeit von<br />

Kendalls »Substanz E« (Cortison) bei akuter Gelenkarthritis.<br />

Publizierte 1949: » The effect of a hormone of the<br />

adrenal cortex«. Nobelpreis 1950 für Medizin (zusammen<br />

mit dem am. Forscher E.C. Kendall sowie dem<br />

schweiz. Forscher T. Reichstein). Um die antiphlogistische<br />

Wirkung saurer antipyretischer Analgetika von<br />

der Wirkung von Kortikosteroiden abzugrenzen, wurde<br />

im angelsächsischen <strong>und</strong> später internationalen<br />

Sprachgebrauch das Anhängsel »nichtsteroid« vor die<br />

Bezeichnung saure antipyretisch-antiphlogistisch wirksame<br />

Analgetika gesetzt ( ~ AINS, Buch D, s. auch Biographie<br />

des Malers ~ Dufy).<br />

hepatische Extraktionsphase. Sie wird durch die arteriovenösen<br />

Plasmakonzentrationsunterschiede vor <strong>und</strong><br />

nach Leberpassage quantifiziert. Die Extraktionsrate<br />

hängt u. a. von der hepatischen Perfusion ab <strong>und</strong> kann<br />

bei bei Hypotension, Herz-Kreislauf-Insuffizienz,<br />

Shunts bei Leberzirrhose drastisch reduziert sein.<br />

Wirkstoffe mit hoher Extraktionsrate werden durch<br />

diese hämodynamischen Parameter in ihrer Eliminationskinetik<br />

betroffen (erhöhte <strong>und</strong> verlängerte Wirkung).<br />

Die Eliminationskinetik von Wirkstoffen mit<br />

niedriger Extraktionsrate hingegen werden eher durch<br />

die Aktivität der hepatischen Enzymtätigkeit in ihrer<br />

Eliminationskinetik beeinflusst, ~ hepatische Induktion.<br />

hepatische Induktion. Die über die Transkription von<br />

Leberenzymgenen induzierte Modifizierung der hepatischen<br />

Enzymsysteme. Dies betrifft u. a. das hepatische<br />

Redoxsystem der ~ Cytochrqme (Cytochrom P450),<br />

die durch Exposition mit vorgängigen Medikamenten<br />

oder Noxen (Kohlenwasserstoffe, Tabak) aktiviert<br />

(»induziert«) werden. Daraus resultiert eine veränderte<br />

Eliminationskinetik der augewandten Wirkstoffe (s.<br />

Interaktionen); z. B. wird die hepatische Elimination<br />

von ~ Methadon durch »Enzyminduktoren« wie<br />

Rifampicin verkürzt. Wenn die Eliminationskinetik<br />

gehemmt bzw. verlängert wird, spricht man auch von<br />

hepatischer enzymatischer Eliminationshemmung. Der<br />

Wirkstoff Omeprazol z. B. hemmt über das Cytochrom­<br />

P45o-System die hepatische Elimination von Benzodiazepinen,<br />

ein anderer potenter Hemm er der hepatischen<br />

Enzymsysteme ist das Antibiotikum Erythromycin.<br />

Gewisse Patientenpopulationen haben genetisch<br />

bedingte Enzymsystemfehler, die z. B. das Cytochromsystem<br />

P450 (Isoenzymsystem CYP2C oder Mephentoin,<br />

CYP2D, oder Debrisoquin-Spartein, in Mitteleurapa<br />

ca. 10% der Bevölkerung) oder das N-Acetyltransferase-<br />

odere das Cholinesterasesystem betreffen. Aus<br />

diesen Gründen werden sie auch als »langsame Verstoffwechsler«<br />

bezeichnet. Siehe v. a. ~ Codein, ~<br />

Alfentanil.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 819<br />

Hepburn <strong>und</strong> Knapp. Begründeten 1884 die Infiltrationslokalanästhesie<br />

durch Injektion von Kokain in das<br />

Operationsfeld (s. auch ~ Koller, ~ Halstedt, von ~<br />

Anrep).<br />

Herholdt, E.J. <strong>und</strong> Rafn, C.G. Veröffentlichten 1796 Reanimationsmaßnahmen<br />

für Ertrunkene im Rahmen der<br />

Empfehlungen der 1767 gegründeten Amsterdamer<br />

Gesellschaft für die Wiederbelegung Ertrunkener.<br />

Hering-Gesetz. Nach Konstantin Hering (18oo-188o) in<br />

der klassischen Homöopathie oft zitiertes Gesetz: »Die<br />

Heilung erfolgt von oben nach unten, von innen nach<br />

aussen <strong>und</strong> in umgekehrter Reihenfolge des Entstehens«.<br />

Herophilus (Chaldekon/Istanbul ca.335 v. Chr.) In Alexandrien<br />

tätiger griech. Arzt <strong>und</strong> Forscher (Anatomie an<br />

Leichen; Entdecker der Nerven), er unterschied 4 Vitalfunktionen:<br />

Ernährung (Leber), Erwärmung (Herz),<br />

Wahrnehmung (Nerven), Denken (Gehirn). Maß die<br />

Pulsfrequenz mittels einer Wasseruhr.<br />

Herrick-Syndrom (nach James B. Herrick, 1861-1954).<br />

,.The true physician must possess a dual<br />

personality, the scientific toward disease,<br />

the human and humane toward the patient.«<br />

Bei der Sichelzellanämie vorkommende äusserst<br />

schmerzhafte Krisen, verursacht durch Kapillarverstopfungen,<br />

Infarkte, Gewebeanoxie, die als akute abdominale,<br />

nephritisehe oder neurologische (Konvulsionen,<br />

Hemiplegie) Manifestationen auftreten.<br />

Herz, Albert (Sonthofen *1921). Zeitgenössischer dt.<br />

Neuropharmakologe (»Schmerz, Opioide, Abhängigkeit«)<br />

<strong>und</strong> Schmerzforscher (u.a. Max-Planck-Institut<br />

für Psychiatrie, München). Nathan B. Eddy Memorial<br />

Preisträger.<br />

Hess, Walter Rudolf (Frauenfeld 1881-1973 Muralto).<br />

Bedeutender schweiz. Physiologe. Mit ~ Moniz Egas<br />

1949 Nobelpreis für Hirnforschung insbesondere Hypothalamus,<br />

»Die zentrale Regulation der Tätigkeit innerer<br />

Organe«, Dienzephalon <strong>und</strong> extrapyramidale Funktionen<br />

etc., s. Buch A: autonomer Homunculus!).<br />

Hewitt, Sir F. Brit. Anästhesist, konstruierte 1885 den 1.<br />

praktischen N 1 0/0 1 - Anästhesieapparat; publizierte<br />

1893 das 1. moderne Anästhesielehrbuch: »Anaesthetics<br />

and their administration«.<br />

Hildegard von Bingen (Burg Böckelheim 1098-1179<br />

Bingen). Einer der grossen Persönlichkeiten des Mittelalters,<br />

schrieb u. a. »Causae et Curae« (pharmazeutischmedizinische<br />

Beobachtungen bzw. Wissen).<br />

Hili, Sir Austin Bradford (1897-1991). Vater der randomisierten<br />

plazebokontrollierten Doppelblindstudie;<br />

veröffentlichte 1937 in seinem Buch »Principles of medical<br />

statistics« (Verlag Lancet) folgende heute noch gültige<br />

Einführung:<br />

»In clinical medicine today there is a growing<br />

demand for an adequate proof of the<br />

efficacy of this or that form of treatment.<br />

Often proof can come only by means of a<br />

collection of records of clinical trials devised<br />

on such a scale and in such a form that<br />

statistically reliable conclusions can be<br />

drawn from them«.<br />

Himmelsbach-Skala. Nach C. Himmelsbach bei Opioidentzug<br />

einsetzbare Skala für die Beurteilung der Entzugssymptomatik<br />

Hinterhornsyndrom. Bei lädierten Hinterhörnern auftretende<br />

Reflexausfälle <strong>und</strong> Sensibilitätsstörungen.<br />

Hippocampus. Seepferdchenähnliche Struktur (»Ammonshorn«)<br />

als grauer Längswulst am Boden des Seitenventrikels,<br />

unterteilt in Pes, Alveus <strong>und</strong> Fimbria hippocampi.<br />

Mit Gyrus dentatus zusammen die »Hippocampusformation«<br />

bildend, zentrale Funktionen des<br />

limbisehen Systems, Sitz des Riechzentrums (entorhinaler<br />

Kortex): s. Buch A. ~ hippocampale opioiderge<br />

Signalverarbeitung von Lern- <strong>und</strong> Gedächtnisleistungen.<br />

Hippokrates (Kos -460-370 Larissa). Medizin ist eine<br />

Erfahrungswissenschaft. Anfänge der Neuropsychologie:<br />

Gehirn als Sitz des Intellekts; 3· Hirnventrikel als<br />

Sitz der Sinneserkenntnis; Hirnläsionen <strong>und</strong> kontralaterale<br />

Effekte. Mit ~ Galen zusammen bedeutendster<br />

Arzt des Altertums.<br />

Hippus circulatorius. Pupillenunruhe (s. Buch B: Miosis/Mydriasis).<br />

Histamin. Biogenes vasoaktives Amin, ß-Imidazol-<br />

4(s)ethylamin, M, 114, präformierter Mediator (in Granula<br />

von Mastzellen <strong>und</strong> basophilen Granulozyten).<br />

Zielrezeptoren: H,- R - aktiviert intrazelluläres cGMP,<br />

Freisetzung von Prostacyclin, negative Bathmotropie<br />

am AV-Knoten, Vasokonstriktion der Herzkranzgefäße,<br />

Bronchokonstriktion, partielle Erhöhung der kapillären<br />

Permeabilität <strong>und</strong> Vasodilatation, H 2 -R - aktiviert<br />

intrazelluläres cAMP, stimuliert das ZNS, positive Bathmo-,<br />

Ino- <strong>und</strong> Chronotropie, Dilatation der Herzkranzgefäße,<br />

Bronchodilatation, Erhöhung gastrischer H+­<br />

Ionenproduktion, partielle Erhöhung der kapillären<br />

Permeabilität <strong>und</strong> Vasodilatation, H 3 -R - Synthese <strong>und</strong><br />

Freisetzung von Histamin. Histamin wirkt zentral als<br />

hemmender Neurotransmitter, ist in der Hypothala-


820 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

musgegendkonzentriert <strong>und</strong> im Retikulärsystem nachweisbar.<br />

Histaminantagonisten. Antihistaminika.<br />

Hitzig, E. (1838-1907). Dt. Neurologe in Halle; nach ihm<br />

wurden früher die peripheren Sensibilitätsstörungen<br />

bei Tabeserkrankungen, die sog. Hitzig-Zonen, benannt.<br />

Pionier der elektrischen Kortexstimulation.<br />

Hoche, Alfred E. (1865-1943). Schriftstellerpseudonym:<br />

Alfred Erlich. Ko-Autor mit dem Leipziger Rechtsprofessoren<br />

Karl-7 Binding von: »Der Sinn des Schmerzes«<br />

<strong>und</strong> »Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens«<br />

(s. auch -7 Euthanasie). Professur für Psychiatrie an der<br />

Universität Freiburg i. Br.; kritisierte Freuds Psychoanalyse<br />

als »Verirrung«.<br />

Höchstmenge. In Deutschland aufgr<strong>und</strong> der BtMVV zu<br />

beachtende Höchstmenge für -7 »Betäubungsmittel«,<br />

die bei ärztlicher Begründung in gewissen Fällen überschreitbar,<br />

in anderen Fällen nicht überschreitbar ist.<br />

Hoffmann, Felix (Ludwigsburg 1868-1946). Nach Apothekerlaufbahn<br />

in Genf, Harnburg <strong>und</strong> Neuveville Studium<br />

der Pharmazie <strong>und</strong> Chemie in München (Promotion<br />

1893). Arbeit beim späteren Nobelpreisträger Adolf<br />

von Baeyer (Berlin 1835-1917 Starnberg; 1880 Indigosynthese;<br />

Synthese von multiplen Harnsäurederivaten,<br />

so u.a. Barbitursäure!) in München; danach 1894 zu<br />

Farbenfabriken von Friedrich Bayer als Chemiker in<br />

Elberfeld. Baute das Molekül der damals als Antirheumatikum<br />

eingesetzten Salicylsäure systematisch um<br />

<strong>und</strong> erfand damit die Wirksubstanz -7 Acetylsalicylsäure<br />

(1897). 1899 Abteilungsvorstand der pharmazeutisch-kaufmännischen<br />

Abteilung. Eine amerikanische<br />

Patentschrift nennt Hoffmann 1900 - mehrere Jahre<br />

nach Einführung- als Erfinder von Aspirin. Diese offizielle<br />

Version wird durch die persönlichen Angaben von<br />

-7 Arthur Eichengrün bestritten.<br />

Hofmann, Albert (*1906). Basler Chemiker, endeckte<br />

1943 Lysergsäurediäthylamid (LSD), einen Antagonist<br />

des hemmenden Neurotransmitters -7 Serotonin, <strong>und</strong><br />

beschrieb dies in seinem Buch: »LSD - mein Sorgenkind«.<br />

Hoffmann-LaRoche, Fritz (1868-1920). Gründer der<br />

heutigen »Rache« durch Übernahme der von ihm <strong>und</strong><br />

Carl Traub 1892 gegründeten Firma Hoffmann, Traub &<br />

Co an der Grenzacherstrasse, Basel. Im Hinterhof seiner<br />

Fabrik pflanzte Hoffmann u. a. seine von ihm geschätzten<br />

Windsar-Bohrren an. Aus diesen hatte der eminente<br />

Rache-Chemiker Markus Guggenheim (1885-1970;<br />

Standardwerk: »Die biogenen Amine«) die Aminosäure<br />

Levodopa isoliert <strong>und</strong> deren Struktur aufgeklärt (1913).<br />

Holzer, Peter (Vorau/Steiermark *1951). Studium Biologie<br />

<strong>und</strong> Biochemie an der Universität Graz, Forschungsaufenthalte<br />

in Cambridge, UC, Los Angeles, bedeutender<br />

zeitg. Forscher über Neuropeptide (Substanz P etc.).<br />

1994-1996 Präsident European Neuropeptide Club, verschiedene<br />

internationale akademische Auszeichnungen,<br />

Editorfunktion an verschiedenen renommierten<br />

internationalen Fachzeitschriften wie »Neuroscience«,<br />

»British Journal of Pharmacology«, »Regulatory Peptides«<br />

etc.<br />

Homunculus. »Kleiner Mensch«, in Goethes Faust<br />

durch den Famulus nach Anleitung des Parazelsus im<br />

alchimistischen Sinne erzeugegter künstlischer<br />

Mensch. Übertragenermaßen in der Physiologie das<br />

»Rindenmännchen« oder die Darstellung der motorischen<br />

<strong>und</strong> sensorischen Repräsentation von Körperteilen<br />

auf der Großhirnrinde (Penfield u. Rasmussen<br />

1957), s. Illustration Buch A.<br />

Hopkins, Sir Frederick Gowland (1861-1947). Bedeutender<br />

Biochemiker (Vitamine, Tryptophan, Glutathion,<br />

Enzym, Muskellaktat etc.). Mit Christian Eijkman 1929<br />

Nobelpreis in Physiologie/Medizin.<br />

hora. Horae unius spatio, lat. Rezepturk<strong>und</strong>e, meint<br />

stündlich.<br />

Horner, J.F. Zürcher Augenarzt (1831-1886), nach ihm<br />

wurde das Horner-Syndrom benannt. Syn. Hornersehe<br />

Trias oder Bernardsches Syndrom, Syndrom mit einseitiger<br />

oder beidseitiger Ptosis, Miosis, Enophthalmus bei<br />

Lähmung der sympathisch innervierten Augenmuskulatur<br />

bei Schädigung entsprechender zentraler oder<br />

peripherer Bahnen. Bei hoher rückenmarknaher<br />

Anästhesie, Vorkommen bei gestörter Verbindung Centrum<br />

ciliospinale zum Ganglion cervicale inferior auf<br />

Höhe C 8 - Th, oder Ganglion cervicale inferior zum<br />

Ganglion cervicale superior.<br />

Horton-Neuralgie. Syn.: für -7 Bing-Syndrom, Histaminkopfschmerz,<br />

Erythroprosopalgie. Nach dem Internisten<br />

Borton B.T., Rochester 1895- benanntes Syndrom,<br />

heute: -7 Clusterheadache.<br />

Horton-Magath-Brown Syndrom. Arteritis temporalis,<br />

eine Variante der Horton-Erkrankung im Kopfbereich,<br />

mit der Gefahr ophthalmologischer Komplikationen<br />

wie Blindheit.<br />

Horton-Erkrankung. Systemische nekrotisierende Riesenzell-Panarteritis.<br />

Induziert im betroffenen Gebiet<br />

Schmerzanfälle sowie Perfusionsstörungen mit harten,<br />

pulsierenden schmerzhaften Herden bis hin zu Nekrosen.<br />

Siehe auch Polymyalgia rheumatica.<br />

Hosennahtschmerz. Nach dem Strassburger Neurologen<br />

J.A.B. -7 Barre (1880-1967), Ischiasschmerzzustände<br />

in Hosennahtnähe.<br />

Hospiz <strong>und</strong> Hospizbewegung. Durch -7 Cicely Sa<strong>und</strong>ers<br />

gegründetes St. Christophers Hospiz in London,<br />

Versuch der Hauspflege von Patienten mit terminalen


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 821<br />

Krebserkrankungen durch Integration der Familie in<br />

der Krankenpflege.<br />

Hot-plate-Test. Nach Woolfe u. MacDonald 1944, Eddy<br />

u. Leimbach 1953. Prinzip: das Versuchstier (Maus) wird<br />

auf einer zunehmend aufgewärmten Platte (55-70°C)<br />

gehalten bis zum Anzeichen von Schmerzen (z. B. Springen,<br />

Pfotenlecken etc.); man nimmt an, dass beim Hotplate-Test<br />

höhere, supraspinale Koordinationsstellen<br />

involviert sind (Unterschied zum Tail-flick-Test). Modifiziert<br />

wird der Test in der neueren Anordnung<br />

» increasing-temperature-hot-plate-test« (Hunskaar et<br />

al. 1986): das Versuchstier wird einer nichtnoziven Plattentemperatur<br />

von 42°C, die dann allmählich erhöht<br />

wird (50-52°C), exponiert. Es gibt auch Cold-plate-Tests.<br />

Huelsenbeck, Richard (Frankenau/Hessen 1892-1974<br />

Muralto/Tessin). Studium der Medizin, Arzt, Schiffsarzt,<br />

zusammen mit Arp, Ball <strong>und</strong> Tzara Begründer der<br />

Kunstbewegung »Dada« (Dadaismus), Emigration, Psychoanalytiker<br />

in New York, Tod im Tessin.<br />

Hufeland, Ch.W. (1762-1836). Beschrieb in seinem Buch<br />

»Enchiridion Medicum« eine sog. Opiumtherapie mit<br />

dem Konzept der Euthanasie. Hufeland griff die antike<br />

Idee der Euthanasie als eine Art noble Hilfe wieder auf,<br />

nämlich den Tod (Thanatos = Tod) human (eu = gut)<br />

zu gestalten. Die Euthanasie-Idee wurde später von Binding<br />

<strong>und</strong> ~ Hoche (»Die Freigabe der Vernichtung<br />

lebensunwerten Lebens« 1920) deformiert <strong>und</strong> von der<br />

nationalsozialistischen Ideologie als kriminell-staatliches<br />

Vernichtungsprogramm unter Führung des Hitlerschen<br />

Leibarztes K. Brandt durchgeführt. Ideen der<br />

aktiven Sterbehilfe geistern auch heute noch in neuerer<br />

politischer Verpackung durch die Köpfe (Holland: Diskussionen<br />

um Parlamentsbeschlüsse; USA: von Ärzten<br />

entwickelte »Suicid -Selbstinfusoren «; Euthanasiegesetz<br />

1994 Staat Oregon). Bei adäquater ~ Palliativtherapie<br />

Schwerstkranker sind solche »passive« oder »aktive«<br />

>>Hilfen


822 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

ter Milton Erickson (1901-1980), an Kinderlähmung<br />

erkrankt, bezwang seine neurogenen Schmerzsymptome<br />

mit therapeutischer Hypnose, vorläufig zur heutigen<br />

Therapieform des »autogenen Training«. Siehe<br />

auch: Mesmer.<br />

IASP. International Association for the Study of Pain.<br />

Am 26.05.1973 gegründete internationale Gesellschaft<br />

zur Erforschung der Schmerzen. IASP-Ländergesellschaften<br />

sind u. a.: Deutsche Gesellschaft zum Studium<br />

des Schmerzes e.V. (DGSS), Österreichische Schmerzgesellschaft,<br />

Schweizerische Gesellschaft zum Studium<br />

des Schmerzes.<br />

IC. Engl. Abk. für »inhibition concentration«, Inhibitionskonzentration.<br />

Der Begriff wird unterschiedlich<br />

gebraucht (Inhibitionskonzentration für Opioide,<br />

s. unten; für sAA bzw. COX-Hemmer, s. unten).<br />

IC 50 • Opioidinduzierte Inhibitionskonzentration, bei<br />

der 50% der Patienten einen maximalen EEG-Effekt<br />

aufweisen (nach Scott et al. 1991), der Begriff »inhibition<br />

concentration« wird ebenfalls verwendet, um die<br />

Hemmung~ COX durch sAA zu bestimmen (s. Buch<br />

DIE).<br />

ICAA. Engl. Abk. für International Council on Alcohol<br />

and Addictions.<br />

ICD. Engl. Abk. für Internationale Klassifikation von<br />

Krankheiten (»International Classification of Diseases«).<br />

In der Regel wird nach der Abk. eine die letzte<br />

Edition bezeichnende Zahl genannt, z. B.: ICD-9.<br />

IDDS. Engl. Abk. für »Implantable Drug Delivery<br />

Systems«, implantierbare Systeme, die Wirkstoffe freisetzen<br />

(z. B. intrathekale therapeutische Systeme).<br />

lEG. Engl. Abk. für >>immediate early genes


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 823<br />

(prop.; DCI proposees) Freinamen. INN, Abk. hinter<br />

dem entsprechenden Freinamen steht für »International<br />

Nonproprietary Name« (for pharmaceutical substances).<br />

Das Wort »nonproprietary« will heißen, dass<br />

der Freiname im Gegensatz zu ~ Markennamen, die<br />

mit einem® gekennzeichnet werden, allgemein zugänglich<br />

<strong>und</strong> ungeschützt ist. Für dieses Buch wird die von<br />

der WHO vorgeschlagene (prop. für engl. proposed)<br />

oder empfohlene (rec. für recommended = engl. empfohlen)<br />

Kurzbezeichnung (engl.: Nonproprietary<br />

Name) gewählt (prop. INN oder rec. INN). Daneben existieren<br />

aus historischen Gründen noch von Land zu<br />

Land verschiedene inoffizielle sowie offizielle Synonyme<br />

(je nach nat. Pharmakopö wie BAN, USAN etc.).<br />

Integrine. Ubiquitär (Ausnahme: Erythrozyten) nachweisbare<br />

Glykoproteine an Zelloberflächen. Ihre Liganden<br />

sind extrazelluläre Matrixproteine <strong>und</strong> Zelladhäsionsmoleküle<br />

(CAM sowie interzelluläre ICAM). Damit<br />

interferieren sie mit Zelladhäsionsprozessen <strong>und</strong> Zellmotilität<br />

(z. B. Extravasation bei Entzündung). 2 putative<br />

Hauptgruppen: a-4-ß-1-Integrin (= »very late antigen-4«,<br />

Oberflächen von Immunzellen) <strong>und</strong> ß-2-Integrine<br />

(Leukozyten). Anti-Integrine könnten theoretisch<br />

bei der Entzündungsbekämpfung eingesetzt werden.<br />

lntensive-Care-Syndrom. Von McKegney 1966 beschriebenes,<br />

durch Stress v. a. bei inadäquater Schmerz<strong>und</strong><br />

Angstbefreiung geprägtes, in der modernen Intensivpflege<br />

auftretendes Krankheitsbild.<br />

Interleukine. Abk. IL, lösliche immunkompetente Zellen,<br />

synthetisierte <strong>und</strong> freigesetzte heterogene Gruppe<br />

von Signalstoffen des Immunsystems. Interleukirre<br />

funktionieren als interzelluläre Kommunikatoren. Sie<br />

regulieren u. a. die durch T-Zellen vermittelte zytotoxischen<br />

Abwehrreaktionen, die B-Zell-Aktivierung bzw.<br />

Antikörperproduktion <strong>und</strong> Immunglobulinsynthese.<br />

Sie regulieren verschiedenste zelluläre Reaktionen im<br />

Rahmen von Entzündungs- <strong>und</strong> Immunreaktionen<br />

(Zellproliferation, Zellausdifferenzierung, DNA-Synthese,<br />

Freisetzung von bioaktiven Stoffen mit entsprechenden<br />

Reaktionen wie Fieber, Osteolyse, Leukopenie,<br />

Hypotension, Hyperalgesie). IL-1 ist ein durch aktivierte<br />

Makrophagen, Monozyten <strong>und</strong> anderen Zellen synthetisiertes<br />

Protein, das die Reaktionsfähigkeit von T­<br />

Lymphozyten auf mitogene <strong>und</strong> antigene Stimuli aktiviert.<br />

Die so aktivierten T-Lympozyten produzieren IL-<br />

2, ein Glykoprotein, welches die DNA-Synthese in naiven<br />

Lymphozyten ankurbelt. IL-3 ist ein von verschiedenen<br />

Zellen sezernierter Wachstumsfaktor, der als<br />

»multi-colony-stimulating-factor« die Produktion (klonale<br />

Proliferation) <strong>und</strong> Ausdifferenzierung von hämatopoetischen,<br />

aber auch epithelialen, astrozytären Zellen<br />

koreguliert. IL-4, durch aktivierte T-Lymphozyten<br />

freigesetzt, reguliert das Wachstum <strong>und</strong> die Ausdifferenzierung<br />

von B-Lymphozyten wie auch die übrigen<br />

Zelllinien der Hämatopoese. IL-5 reguliert die Aktivierung<br />

<strong>und</strong> Ausdifferenzierung von Eosinophilen. IL-6<br />

koreguliert Wachstum <strong>und</strong> Ausdifferenzierung von B­<br />

Zellen, aber auch T-Zellen, Monozyten, Fibroblasten<br />

<strong>und</strong> wirkt als Wachstumsfaktor bei Erkrankungen<br />

(multiples Myelom, Ovarialkarzinom etc.). IL-7 ist ein<br />

bärnatopoetischer Wachstumsfaktor. IL-8 ist ein Neutrophile<br />

<strong>und</strong> T-Lymphozyten aktivierendes Zytokin,<br />

das durch Monozyten, Fibroblasten, Endothelzellen,<br />

Keratinozyten etc. durch Entzündungsstimuli freigesetzt<br />

wird. IL-8, strukturell mit dem Plättchenfaktor 4<br />

verwandt, wird zur Superfamilie der ß-Thromboglobulinfamilie<br />

gerechnet. IL-9 reguliert die Hämatopoese.<br />

IL-10, durch T- <strong>und</strong> B-Zellen freigesetzt, reguliert das<br />

System der Mastzellen; IL-10 scheint antiinflammatorische,<br />

Anti-TNF-Eigenschaften zu haben. IL-11 ist ein<br />

Zytokin mit Wirkung auf das lymphohämatopoetische,<br />

aber auch andere Zell-Systeme. IL-12, durch Phagozyten<br />

etc. bei Exposition auf Bakterien, intrazelluläre toxische<br />

Stoffwechselprodukte, Pilze, Viren <strong>und</strong> deren Abbauprodukte<br />

etc. produziert, stimuliert als proinflammatorisches<br />

Zytokin die Produktion von Interferon-y durch<br />

T- <strong>und</strong> Natural-Killer-Zellen. IL-13 ist ein von T-Lymphozyten<br />

stammendes Zytokin, dass u. a. die Immunoglobulinproduktion<br />

von Lymphozyten koreguliert <strong>und</strong><br />

somit in der Regulation von entzündlichen <strong>und</strong> immunen<br />

Prozessen involviert ist. IL-14 ist ein B-Zellsystem<br />

aktivierendes Zytokin, das die Immunoglobulinfreisetzung<br />

hemmt. IL-15 ist ein dem IL-2 verwandtes Zytokin.<br />

Daneben IL-16, IL-17 <strong>und</strong> IL-18 (proinflammatorischer<br />

Induktor von Interferon-y sowie weiteren Wirkungen).<br />

Das höchst komplizierte Interleukinkommunikationsnetz<br />

ist Gegenstand der Forschung, man hofft, über TL­<br />

Rezeptoren spezifische Wirkstoffe mit entsprechend<br />

antiinflammatorischen, antiviralen, antibakteriellen,<br />

antitumoräsen etc. Wirkungen zu entwickeln.<br />

Internalisation. Engl. »internalization«, Zellmechanismus,<br />

der erlaubt, Zellstrukturen wie membranständige<br />

Rezeptoren ins Innere der Zelle zu delokalisieren; z. B.<br />

j.l-Rezeptoren nach Etorphingabe.<br />

International Headache Society. Internationale Kopfschmerz-Gesellschaft;<br />

stellte eine erste internationale<br />

Migräne-Kopfschmerzklassifizierung auf ~ Headache<br />

Classification (Headache Classification Committee,<br />

1988).<br />

intrinsisch. Die intrinsische Aktivität eines Wirkstoffs<br />

wird in der Pharmakologie auch Effikazität (efficacy)<br />

gennarrt Bei gleicher Rezeptorenaffinität ( d. h. wenn 2<br />

verschiedene Wirkstoffe in gleicher Dosierung die<br />

Rezeptorenpopulation in gleicher Stärke besetzen)<br />

kann ein Wirkstoff klinisch eine verschiedene Wirkung<br />

zeigen.<br />

intrinsische Aktivität. Maximaler Wirkungsgrad eines<br />

Wirkstoffs bei maximaler Rezeptorbesetzung.


824 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

invers. Umgekehrt (Beispiel »inverse Agonisten«).<br />

Inversion. ~ Bioinversion.<br />

Ionenkanäle. NobelpreisE. Neher <strong>und</strong> B. Sakmann 1991;<br />

Patch -clamp-Techniken, membranständige, ionenselektive<br />

Glykoproteinkanäle.<br />

ionotropische Rezeptoren. Mit Membrankanälen gekoppelte<br />

Rezeptoren. Gegensatz: ~ metabotropische<br />

Rezeptoren.<br />

Iontophorese. Die Einschleusung ionisierter Wirkstoffe<br />

mit Hilfe eines galvanischen Stromes durch Haut/<br />

Schleimhäute zu therapeutischen Zwecken. Je nach<br />

Polung der aktiven Elektrode können über die Anode<br />

Kationen (Beispiel Opioide) über die Kathode Anionen<br />

(Beispiel analgetische Säuren) durch die Wirkung der<br />

jeweiligen elektrischen Felder in die entsprechenden<br />

Gewebeschichten propulsiert werden. In der Schmerzklinik<br />

wurden Wirkstoffe wie Kortikosteroide, Lidocain,<br />

Morphin <strong>und</strong> Fentanyl iontophoretisch appliziert,<br />

~ Sonophorese.<br />

IPSP. Engl. Abk. für »inhibitory postsynaptic potentials«<br />

(s. auch EPSP).<br />

Irländisches Moos (Irisch-Moos). Engl. Carrageenan;<br />

Fucus irlandicus: eine dem Agar-Agar ähnliche Biomischung<br />

( u. a. Polysaccharide), die durch Extraktion aus<br />

Rotalgen (Carrageen) gewonnen wird. Die intraartikuläre<br />

oder s.c.-Applikation bei Versuchstieren induziert<br />

eine lokalisierte Entzündungsreaktion (oft als<br />

experimentelle Entzündungsanordnung eingesetzt).<br />

islet cells. Dt. »Inselchen«; v. a. in der Substantia gelatinosa<br />

vorkommende Neurone mit profuser dendritischer<br />

Verästelung, wahrscheinliche Funktion: spinale<br />

Verschaltung von »Input«- <strong>und</strong> »Üutput«-Stationen im<br />

Sinne von modulierenden lokalen Interneuronen<br />

(s. Buch A).<br />

ISS. Abk. für »lnjury Severity Score«, eine Unterform<br />

dieses für die quantifizierbare Verletztenbeurteilung<br />

eingesetzten Scores ist die AIS oder »Abbreviated<br />

Irrjury Scale«.<br />

IUPHAR. Engl. Abk. für »International Union of Pharmacology«,<br />

u. a. mitverantwortlich für die neueste, heftig<br />

diskutierte Opioidrezeptoreinteilung, s. Buch B.<br />

IVRA. Engl. Abk. für »intravenous regional anaesthesia«.<br />

Jab- <strong>und</strong> Jolts-Syndrom. Kopfschmerzsyndrom mit Zirkumskripten<br />

intensiv schneidenden Schmerzen im<br />

Bereich der Schädeldecke, s. auch: SUNCT.<br />

Jackson, C.J. (1865-1958). HNO-Arzt <strong>und</strong> Anästhesist in<br />

Philadelphia. Nach ihm werden die sog. Jacksonsche<br />

Kopflagerung für die Intubation (»sniffling position«<br />

mit Kissen) sowie das Narkoseapparatsystem »Jackson­<br />

Rees« benannt.<br />

Jackson, John Hughlings (1835-1911). Neben Charcot<br />

Mitbegründer der modernen Neurologie (National<br />

Hospital for the Paralysed and Epileptic). Mitbegründer<br />

1871 der Fachzeitschrift »Brain, Journal of Neurology«.<br />

Nach ihm werden die epileptischen Phänomene wie<br />

Jackson-Anfall, Jackson-Marsch, Jackson- Status sowie<br />

das Jackson-Syndrom benannt.<br />

Jacoby-Linie. Nach dem New Yorker Pädiater J. Jacoby<br />

(1830-1919) benannte Linie (bzw. Orientierungshilfe für<br />

rückenmarknahe Anästhesie) zwischen den beiden<br />

höchsten Punkten der Crista iliaca: ergibt die Höhe des<br />

Dornfortsatzes L 4 , sie ist identisch mit der sog. ~ Tuffier-<br />

Linie.<br />

Jänig, Wilfried (Wilhelmshaven *1938). Schüler<br />

1966-1971 von R.F. ~ Schmidt (zweites physiologisches<br />

Institut der Universität Heidelberg), Arbeiten in Budapest,<br />

New York, Kiel, Jerusalem (1980 mit~ Wall <strong>und</strong>~<br />

Devor), Melbourne, Bristol, Queensland (mit McLachlan),<br />

San Francisco (u.a. mit A. Basbaum, H. Fields, J.D.<br />

Levine), zeitg. bedeutender Forscher (Schwerpunkt:<br />

autonomes NS, neurale Mechanismen neuropathischer<br />

<strong>und</strong> viszeraler Schmerzen), mehrfache akademische<br />

Auszeichnungen, so Max-Planck-Preisträger 1993;<br />

Councillor IASP (1996-1999), International Society of<br />

Autonomie Neuroscience ISAN (1997-... ). Lehrer u.a.<br />

von H.-J. Häbler, M. Michaelis <strong>und</strong> Xianguo Liu.<br />

Janssen, Paul Adriaan Jan (Turnhout/Belgien *1926).<br />

Mediziner, Schmerzforsch er, Erfinder <strong>und</strong> Industrieller.<br />

Naturwissenschaftliche <strong>und</strong> medizinische Studien<br />

(Namur, Leuven, Gent). Pharmakologische Assistenz<br />

(Köln). Gründete 1953 die Janssen Pharmaceutika Beerse,<br />

Belgien, die er später an Johnson & Johnson verkaufte.<br />

Mehrfach ausgezeichnet. ~ Laudatio Buch B.<br />

Johannsen, Wilhelm (Kopenhagen 1857-1927). Dänischer<br />

Botaniker, führte 1909 die Bezeichnung bzw. den<br />

Begriff »Gen« ein.<br />

Jung, Carl Gustav (Kesswil 1875-1961). Bedeutender<br />

schweiz. Psychologe <strong>und</strong> Psychiater, Begründer der analytischen<br />

Psychologie.<br />

Jurna, Ilmaer (Berlin *1929). Med. Staatsexamen <strong>und</strong><br />

Promotion 1955, Gastassistent am Medicinska Nobelinstitutet<br />

Stockholm 1959-1960, 1965 Habilitation (Pharmakololgie/Toxikologie).<br />

1973 Gründungsmitglied<br />

IASP. Arbeiten am Institut Marey <strong>und</strong> INSERM Paris.<br />

Professur für Pharmakologie an der Universität des<br />

Saarlandes in Homburg.<br />

Kaliumkanäle. Zellmembrankanäle, die den Flux von<br />

Kaliumionen regulieren (z.B: Kaliumausstrom = negative<br />

Aufladung des Zellinneren = Hyperpolarisation der<br />

Zellmembran = Kalziumkanäle können nicht geöffnet<br />

werden).


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 825<br />

Kanzerogenität. Die Potenz eines Wirkstoffes, Krebs zu<br />

erzeugen. Wirkstoffe werden vor klinischer Zulassung<br />

im Tierversuch auf Kauzerogenität geprüft (s. Wirkstoffprofil:<br />

toxikologische Daten).<br />

Kappa-Rezeptor, K-Rezeptor (KOR). Subtyp der -7 3<br />

Opioidrezeptoren (Buch B). Affinität für Dynorphine ><br />

Endorphine > Enkephaline.<br />

Kainat. Chem. (2S-(2 a,3 ß>4 ß))-2-Carboxy-4-(1-<br />

methylethenyl)-3-pyrrolidyl-acetat, eine aus einer<br />

Algenart gewonnene experimentell eingesetzte Substanz,<br />

die als potenter exzitatorischer Agonist spezifische<br />

Rezeptoren des EAA-Systems kompetitiv okkupiert<br />

<strong>und</strong> aktiviert (s. Buch A).<br />

Kainatrezeptor. Natriumkanäle bzw. ionotrope, exzitatorische<br />

Rezeptoren (hohe Affinität zum Neurotoxin<br />

Kainat), bestehend aus Untereinheiten GluR5-7 sowie<br />

KA 1-2. Ähnliche Funktion wie AMPA-Rezeptor.<br />

Karolinska Institut. Nach der Niederlage im Finnischen<br />

Krieg (1808-1809) gegen Russland durch König Karl<br />

XIII als eine Art Kriegslazarett für Kriegschirurgen<br />

bzw. Kriegsversehrte gegründet (vgl. mit Invalidendom<br />

bzw. Invalidenhospital in Paris!). 1861 Universitätsstatus.<br />

1895 durch Alfred -7 Nobel auserkoren, zukünftige<br />

Nobelpreisträger für Physiologie <strong>und</strong> Medizin zu<br />

ernennen. Neben -7 Berzelius haben allein 5 Nobelpreisträger<br />

an diesem Institut gearbeitet, nämlich Hugo<br />

-7 Theorell 1955, Ragnar Granit 1967, Ulf von -7 Euler<br />

1970, Sune Bergström <strong>und</strong> Bengt Samuelsson 1982.<br />

Karotidynie. Intensive Schmerzen im Bereich der Karotisgabel<br />

mit Druckdolenz <strong>und</strong> Schwellung.<br />

Kasein. Milcheiweiß; synthetische gegen Diarrhö einsetzbare<br />

ß-Kasomorphine wirken über ]-l-Rezeptoren<br />

der Darmschleimhaut<br />

Katalepsie Starrsucht durch Störung der Motorik.<br />

Katz, Sir Richard (Leipzig *1911). Emigration 1935,<br />

bedeutender zeitg. Biophysiker, 1970 mit Julius Axelrod<br />

<strong>und</strong> -7 von Euler-Chelpin Nobelpreis der Medizin <strong>und</strong><br />

Physiologie (Erforschung der synaptischen Transmission,<br />

Acetylcholin). Nicht zu verwechseln mit Richard<br />

Katz (Prag 1888-1968 Muralto, Tessin; Schriftsteller <strong>und</strong><br />

Journalist), der 1933 emigrierte.<br />

Kausalgie. Erstmals vom am. Kriegschirurgen S. Weir<br />

-7 Mitchell1872 nach dem Sezessionskrieg beschriebene,<br />

brennende Schmerzzustände nach traumatischen<br />

Nervenläsionen (Mitchell: Schrapnellw<strong>und</strong>en; heute:<br />

Unfälle aller Art); s. Algodystrophie.<br />

Kawasaki-Syndrom. Syn.: mukokutanes Lymphknotensyndrom,<br />

vorwiegend bei Kleinkindern auftretendes<br />

akutes, lebensgefährdendes Syndrom unbekannter<br />

Ätiologie mit hohem Fieber <strong>und</strong> aseptischem Multiorganbefall<br />

(Lymphknotenschwellungen, Gelenkschwel-<br />

Iungen, Karditis, Hepatitis, Eosinophilie etc.); Kawasaki-ähnliche<br />

Erkrankungen sind nach Exposition auf<br />

sAA, insbesondere -7 Sulfasalazin beschrieben worden.<br />

KB. Konzentration eines Rezeptorantagonisten, welche<br />

die Wirkung eines Rezeptoragonisten entsprechend<br />

einer Konzentration von 1 auf 0,5 reduziert.<br />

Kehr-Zeichen. Nach dem Berliner Chirurgen H.K. Kehr<br />

(1862-1916) in die linke Schulter ausstrahlende Oberbauchschmerzen<br />

mit Hauthyperästhesie bei Milzriss.<br />

Kehrer-Zeichen. Hinterhauptdruckschmerz (N. occipitalis<br />

major), ruckartige Kopfbewegungen, Anspannung<br />

der Gesichtsmuskeln, Heben der Schultern bei Hirndruck.<br />

Kekule von Stradonitz, Friedrich (Darmstadt<br />

1829-1896 Bonn). Professur für Chemie an der Universität<br />

Gent (Belgien) <strong>und</strong> Bann, beschrieb u. a. den Benzolring.<br />

Der Staat Belgien hat Kekule eine Briefmarke<br />

gewidmet.<br />

Kern, Alfred (1850-1893). In Basel wirkender Farbstoffchemiker,<br />

der 1886 mit dem Kaufmann Edouard Sandoz<br />

die gleichnamige chemische Fabrik gründete.<br />

Killian, H.F.E. (Freiburg 1892-??). Sohn des Bronchoskopiebegründers<br />

(1898) Gustav Killian (1860-1921),<br />

gründete 1923 die Zeitschrift »Narkose <strong>und</strong> Anästhesie«.<br />

1959 »Lokalanästhesie <strong>und</strong> Lokalanästhetika«. Zugleich<br />

Schriftsteller, 1957 »Hinter uns steht nur der Herrgott«.<br />

Kilo. Abk. k: dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />

103 = 1000.<br />

Kinetik. Pharmakakinetik Nach Dost 1953 die Lehre<br />

von den zeitlichen Abläufen zwischen Pharmakongabe<br />

<strong>und</strong> Serumkonzentration. Man unterscheidet vereinfacht<br />

von loglinearen Zusammenhängen ( d. h. die Dosis<br />

muss potenziert werden, um eine Verdoppelung der<br />

Serumkonzentration bzw. Wirkung zu erzielen; lineare<br />

Kinetik). Die Kinetik wird jedoch in den meisten Fällen<br />

durch verschiedene Vorgänge ( u. a. aktive Mechanismen)<br />

beeinflusst <strong>und</strong> ist in der Regel nichtlinear<br />

(s. Buch K).<br />

Kinetosen. Durch Bewegung, Beschleunigung induziertes<br />

Krankheitsbild, das u. a. durch Reizung des Vestibularsystems<br />

sowie Reizung der Stammhirnzentren hervorgerufen<br />

wird <strong>und</strong> sich mit Nausea <strong>und</strong> Emesis,<br />

Schweißausbrüchen, Brady- oder Tachykardie, Hypooder<br />

Hypertension, Apathie oder Exzitation, Vertigo,<br />

Obstipation oder Diarrhö etc. <strong>und</strong> klinisch als sog.<br />

Reise-, Meer-, Flugzeugkrankheit etc. beschrieben wird.<br />

Kinine. Sammelbezeichnung für,aus Vorstufen (Kininogene)<br />

enzymatisch z. B. bei Gewebsverletzungen, Infektionen<br />

etc. freigesetzten, algogenen, proinflammatorischen<br />

Stoffen Kallidin, Bradykinin, Methionyllysylbradykinin.<br />

Kinine induzieren oder synergisieren ihrer-


826 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

seits proinflammatorische Reaktionskaskaden über ~<br />

Prostanoide, ~ Zytokine, ~ freie Radikale, Prostanoide,<br />

Serotonirr etc. Kinine degranulieren Mastzellen ( ~<br />

Histaminfreisetzung) <strong>und</strong> sind an der Plasmaexvasation,<br />

Endothelreaktionen etc. mitbeteiligt 2 Subrezeptoren:<br />

B,- Neosynthese durch Entzündungsvorgänge stimuliert<br />

<strong>und</strong> wahrscheinlich für Hyperalgesie mitverantwortlich,<br />

endogene Liganden: wahrscheinlich Kininmetaboliten<br />

<strong>und</strong> B 2 - endogene Liganden: Bradykinin<br />

<strong>und</strong> Kallidin.<br />

Kisch-Reflex. Syn.: Ohr-Tränen-Reflex, reflektorischer<br />

Lidschluss <strong>und</strong> reflektorischer Tränenfluss bei mechanischer<br />

oder thermischer Reizung des äußeren Gehörgangs.<br />

Klee, Paul (Münchenbuchsee 1879-1940 Exil Muralto).<br />

Studium in München (Heinrich Knirr, Pranz von<br />

Strunk); Heirat mit der Pianistirr Lily Stumpf (1906),<br />

Bekanntschaften mit Kandinsky, Franc Mare, Hans Arp,<br />

Rilke, Herwath, Waiden, Macke, Moilliet. Reisen nach<br />

Tunesien <strong>und</strong> Ägypten. Kriegsdienst als deutscher<br />

Infanterist 1916-1918. Berufung durch Gropius nach<br />

Weimar (Bauhaus) <strong>und</strong> Dessau. 1933 durch die Nationalsozialisten<br />

aus der Professur in Düsseldorf verjagt;<br />

nationalsozialistische »Beschlagnahmung« seiner »entarteten«<br />

Werke. Emigration nach Bern. 1935 Beginn der<br />

tödlichen Sklerodermie. Tod in Muralto.<br />

Kloepfer, Hans (Eibiswald/Steiermark 1867-1944<br />

Köflach). Medizinstudium in Graz, Arzt in Köflach.<br />

Bedt. österreichischer M<strong>und</strong>artdichter.<br />

Knoll, Albert (1858-1952). Zusammen mit Hans Knoll<br />

<strong>und</strong> Max Daege Begründer der Firma Knoll; entwickelte<br />

1886 ein Verfahren zur Gewinnung von Kodein aus<br />

Morphin. Die Familie Knoll entstammte dem gewerblichen<br />

Mittelstand, war im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert in Dreviskirchen<br />

bei Schwerirr ansässig <strong>und</strong> übersiedelte 1800 nach<br />

Braunschweig.<br />

Kodeinismus. Sog. Kodeinsucht, Analogon zum sog.<br />

Morphinismus.<br />

Kokain. Durch von Niemann 186o isoliertes <strong>und</strong><br />

benanntes Alkaloid der Inkapflanze Koka (s. auch Willstätter).<br />

Durch Selbstversuche mit Kokain wurden u.a.<br />

so prominente Forscher <strong>und</strong> Kliniker wie Hall <strong>und</strong> ~<br />

Halsted kokainabhängig. Papst Leo XIII gebrauchte ein<br />

in Neuilly (bei Paris) durch einen Mariani gebrautes<br />

Kokaingetränk als »Roborans« bzw. »Vin Mariani«. Die<br />

Kokainforschung durch Sigm<strong>und</strong> Freud begründete die<br />

sog. Psychopharmakologie <strong>und</strong> führte zur Entdeckung<br />

weniger toxischer Lokalanästhetika. Georg Trakl, Poet<br />

<strong>und</strong> Sanitäter im ersten Weltkrieg, nahm 1914 eine<br />

Überdosis Kokain, er konnte den Anblick nicht verkraften,<br />

als sich vor seinen Augen ein verzweifelter Verw<strong>und</strong>eter<br />

eine Kugel in den Kopf jagte.<br />

Kolbe, Wilhelm Hermann (1818-1884). Marburg, Leipzig.<br />

Synthetisierte 1860 die Salicylsäure, die er schon<br />

1837 zu Heilzwecken <strong>und</strong> als Konservierungmittel empfahl.<br />

Koller, Carl (Schüttenhofen/Böhmen 1857-1944).<br />

Fre<strong>und</strong> von Sigm<strong>und</strong> ~ Freud. Freud, der das Alkaloid<br />

Kokain für allerhand Psychotests bei sich selbst einsetzte,<br />

berichtete über eine »eingeschlafene Zunge« bei oraler<br />

Einnahme vom Kokain. Koller führte diese Beobachtungen<br />

(<strong>und</strong> wahrscheinlich auch andere Beschreibungen<br />

dieser Phänomene durch Schroff <strong>und</strong> Demarle, die<br />

schon 1862 die durch Kokain induzierbare Zungenanästhesie<br />

beschrieben) zusammen mit seinem Kollegen<br />

Königstein weiter fort <strong>und</strong> erfand dabei die topische<br />

Oberflächenanästhesie. Berichteteam 15.09.1884 in<br />

Beideiberg bei einem ophthalmologischen Kongress<br />

über die Möglichkeit, unter lokaler Kokainapplikation<br />

schmerzlos Augenoperationen durchführen zu können.<br />

Der Artikel wurde auch im Lancet veröffentlicht: »On<br />

the use of cocaine for producing anaesthesia on the<br />

eye« Lancet 1984; 2: 990. Emigration 1889 nach New<br />

York, wo er am Mount Sinai Hospital weiterarbeitete.<br />

Kölliker, Rudolf von (1817-1905). Bedeutender schweiz.<br />

Anatom; beschrieb u. a. den~ Fasciculus longitudinalis<br />

dorsalis. Die ~ Substantia gelatinosa centralis wird<br />

auch als Kölliker-Kern bezeichnet, die Substantia grisea<br />

intermedia centralis et lateralis des Rückenmarks als<br />

Kölliker-Kernsub stanz. Definierte 1896 den Begriff<br />

»Axon«.<br />

Koma. Bewusstlosigkeit, meisten länger dauernd, mit<br />

zentralen Störungen vitaler Funktionen (Reflexe,<br />

Atmung, Kreislauf).<br />

Kombinationskopfschmerz. Spannungskopfschmerz<br />

mit Migräneattacken.<br />

Kompartiment. Der aus dem engl. (compartment:<br />

Abteil, Abschnitt) stammende Begriff Kompartiment<br />

wird in vielen Disziplinen gebraucht <strong>und</strong> damit verschieden<br />

definiert. In der Klinik versteht man unter<br />

Kompartiment einen reellen oder fiktiven Raum, der<br />

funktionell zusammenhängt (z. B. das zentrale Kompartiment<br />

des Kreislaufs mit den bestperf<strong>und</strong>ierten Organen<br />

Herz, Hirn, Niere). In der Pharmakakinetik sind<br />

Kompartimente fiktive Räume bzw. Volumenbereiche<br />

zur Berechnung desVerteilenseines Stoffes im Organismus.<br />

So gibt es verschiedene Rechenmodelle, die von<br />

einem Einkompartimentsystem (gesamter Körper als<br />

ein gemeinsamer Raum), Zweikompartiment- (Intravaskulärraum<br />

<strong>und</strong> Peripherie), Dreikompartiment­<br />

System oder auch mehreren Kompartimenten sprechen.<br />

Kompartmentsyndrom. Syn.: »Compartiment-syndrome«<br />

durch erhöhten Druck (Druckverband, Blutung, zu<br />

enge Kleider, perioperative Lagerungen etc.) innerhalb


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 827<br />

eines limitierten Kompartiments auftretende Benachteiligung<br />

der Gewebeperfusion <strong>und</strong> Organfunktion<br />

(v.a. via Nervenkompression Paralysen bis Kontrakturen).<br />

Betrifft v. a. die Extremitäten.<br />

Kompressionsanalgesie. Analgesie durch Nervenkompression,<br />

z.B: durch Klemmschraube nach dem schottischen<br />

Chirurgen <strong>und</strong> Vakzinationspionier -7 J. Moore<br />

(1762-1860). Moore beschrieb 1784 im Buch »A method<br />

of preventing or diminishing pain in several operations<br />

of surgery. London, T. Cadell« - wahrscheinlich dem<br />

ersten Buch über perioperative Schmerzausschaltung -<br />

das Anlegen von Kompressionsschrauben über dem zu<br />

lokalisierenden <strong>und</strong> auszuschaltenden Femoral- oder<br />

Brachialnerven ca. 1 h vor Operationsbeginn. Kurz vor<br />

Schnitt wurde dem Patienten 1 Krümel Rohopium verabreicht.<br />

Nach erfolgter Beinamputation wurde zur<br />

optimalen Blutstillung die Kompression, die ebenfalls<br />

als Blutsperre funktionierte, geöffnet <strong>und</strong> die Blutstillung<br />

durchgeführt. Patienten berichteten über die relative<br />

Schmerzfreiheit der Operation während Hautschnitt<br />

<strong>und</strong> Muskeldurchtrennung, aber über zunehmende<br />

Schmerzen nach Öffnung der Kompression.<br />

Konformationsänderung. Die Änderung einer Molekülkonfiguration<br />

bei Rezeptorbesetzung durch einen<br />

Agonisten, die in der Folge weitere Prozesse wie Öffnung<br />

von Ionenkanälen (ionotrope Rezeptoren) oder<br />

Aktivierung von intrazellulären Boten (metabotrope<br />

Rezeptoren) auslöst.<br />

kongenitale Schmerzindifferenz Ford-Wilkins. Siehe<br />

Analgia Fanconi-Ferrazini<br />

kontinuierliche Spinal- oder Epiduralanästhesie.<br />

Durch Einlegen eines Verweilkatheters in den Spinaloder<br />

Epiduralraum kontinuierliche rückenmarknahe<br />

Anästhesie- <strong>und</strong> Analgesietechnik Historisch wurde<br />

die erste kontinuierliche Spinalanästhesie schon 1907<br />

durch H.P. Dean durchgeführt <strong>und</strong> durch W.T. Lernmon<br />

1944 reaktiviert. Die kontinuierliche Epiduralanästhesie<br />

wurde durch M.M. Curbelo 1949 eingeführt. Kontinuierliche<br />

rückenmarknahe Techniken wurden aber erst<br />

durch die Entwicklung entsprechender Instrumente<br />

(Führungskanülen, -7 Tuohy-Punktionsnadel, Plastikkatheter<br />

etc.), besserer Ausbildung der Anästhesiefachärzte<br />

usw. seit ca. 1970 Routine.<br />

Kossel, Albrecht (1853-1928). Nobelpreis 1910 für<br />

gr<strong>und</strong>legende Erforschungen von Zellproteinen bzw.<br />

Nukleinsäuren.<br />

Kosterlitz, Hans (Berlin 1903-1996 UK). Arzt in Berlin,<br />

1928-1933, Zwangsexil 1934 nach Aberdeen (Schottland).<br />

Kurze Zusammenarbeit mit Nobelpreisträger<br />

J.J.R. MacLeod, der 1935 starb. Arbeitsbesuche 1953 bei<br />

Otto -7 Krayer (Harvard). Führte Bioassays am isolierten<br />

Meerschweinchenileum ein. 1968-1973 Vorsteher<br />

des Pharmakologie-Universitäts-Instituts Aberdeen.<br />

Einer seiner Schüler ist John -7 Hughes, mit dem er u. a.<br />

erstmals opioiderge Bioliganden aus dem Schweinehirn<br />

isolierte (1975, Methionin- <strong>und</strong> Leucin-Enkephalin).<br />

Diverse Ehrungen wie Ehrendoktorat (Liege), Schmiedeberg<br />

Plakette, Wellcome Gold Medal, Royal Medal of<br />

the Royal Society of London, Albert Lasker Preis etc.<br />

Mit Harry Collier Vorarbeiten zur Gründung der<br />

»International Narcotics Research Conference«.<br />

Kraepelin, E. (Neustrelitz 1865-1926 München). Bedeutender<br />

Psychiater, führte unter anderem Opioide zur<br />

Behandlung von psychotischen Zuständen ein. Heute<br />

wird die Möglichkeit diskutiert, dass eine Entgleisung<br />

des -7 endogenen Schmerzkontrollsystems ursächlich<br />

bei gewissen psychotischen Erkrankungen mitbeteiligt<br />

ist.<br />

Krause, Fedor (1857-1937). Bedeutender Hirnchirurg,<br />

beschrieb 1896 die »Neuralgie des Trigeminus nebst<br />

Anatomie <strong>und</strong> Physiologie der Nerven«.<br />

Krayer, Otto Hermann (Köndringen/Baden 1899-1982<br />

Emigration). Wehrdienst als Infanterist 1917-1919, mit<br />

dem Eisernen Kreuz 2 ausgezeichnet; Studien in Freiburg<br />

i. Br., München <strong>und</strong> Berlin mit Promotion (Dr.<br />

med.), danach Weiterbildung in Pharmakologie, mit<br />

Professur 1927 für Pharmakologie (Berlin) <strong>und</strong> Stage<br />

am physiologischen Institut der Universität Göttingen;<br />

lehnte den Ruf an das durch nationalsozialistische<br />

Zwangsentlassung des jüdischen Vorstehers verwaisten<br />

Pharmakologie-Institutes der Universität Düsseldorf<br />

ab, was ihm selbst eine sofortige Entlassung <strong>und</strong> Suspendierung<br />

von jeglichen Funktionen an »deutschen«<br />

Universitäten einbrachte. Emigration über London,<br />

Beirut (American University) in die USA (1937); verschiedenste<br />

Professuren für Pharmakologie unter anderem<br />

an der Harvard-Universität (emeritiert 1966),<br />

1976-1980 Gastvorlesungen an der T.U. München. Krayer<br />

gilt als einer der führenden Pharmakologen des Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Krebs, Hans Rudolf Sir (Hildesheim 1900-1981). Emigration<br />

1933, Nobelpreis 1953 für Entdeckung des nach<br />

ihm benannten Zitronensäurezyklus.<br />

Krehl, Rudolf von (1861-1937). Führte den Begriff<br />

Pathophysiologie ein (»pathologische Physiologie«).<br />

Kreis, 0 (?-?). Führte in Basel die geburtshilfliehe<br />

rückenmarknahe Anästhesie ein: »Über Medullamarkase<br />

bei Gebärenden«, im Zentralbl Gynäkol1900; 24:<br />

724 publiziert. s. auch -7 Stöckel W.<br />

Krogh,August (1874-1949). Schüler von Christian Bohr,<br />

Nobelpreis für Physiologie 1920 für seine gr<strong>und</strong>legenden<br />

Arbeiten über die Regulationsmechanismen von<br />

Kapillaren. Daneben Pionierarbeit über Gasaustausch.<br />

Kryästhesie. Erhöhte Kälteempfindlichkeit


828 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Kryochirurgie. Bzw. Kälteneurochirurgie (z. B. stereotaktische<br />

Kryochirurgie des Ganglion Gasseri, von<br />

Interkostalanästhesie nach Thoraxeingriffen etc.), die<br />

gezielte Vereisung bzw. kryonekrotische Schädigung<br />

von Nerven.<br />

Kryotherapie. Therapeutische Unterbrechung der neuronalen<br />

Transmissionfunktion durch Kälte. Die Kryotherapie<br />

geht u. a. auf Severino (1646) sowie auf franz.<br />

Chirurgen im Napoleon-Feldzug (Beinamputationen<br />

bei erfrorenen Gliedern) in Russland zurück. Bei Sportverletzungen<br />

reduzieren kryotherapeutische Maßnahmen<br />

wie Eisbeutel etc. Schmerzen <strong>und</strong> lokale Entzündungsreaktionen.<br />

KST. Abk. für Kopfschmerz vom Spannungstyp.<br />

Kühler-Ross, Elizabeth (Meilen/Zürich *1930). Dr.<br />

med., Psychiaterin, Psychologin. Forschung <strong>und</strong> Publikationen<br />

über ---7 »Sterbehilfe«: » To live until we say<br />

good-bye«. Beschreibt den Prozess des Sterbens in 5<br />

Sterbephasen als psychosozialer Reifeprozess im Buch<br />

»Ün death and dying«, nämlich »denial of death«<br />

(Schock- <strong>und</strong> Verdrängungsphase des »Nicht-wahrhaben<br />

wollen«), »anger« (aggressiv-emotionelle Neid<strong>und</strong><br />

Zornphase), ))bargaining« (Verhandlungs- <strong>und</strong><br />

Hoffnungsphase), ))depression« (Rückblick- <strong>und</strong> Trauerphase),<br />

))acceptance« (Akzeptierungsphase). Viele<br />

internationale Ehrungen.<br />

Kuhn, Pranz (1866-1929). Dt. Pionier der oralen <strong>und</strong><br />

nasalen Intubation (entwickelte spezielle Tuben, empfahl<br />

die vorherige LA mittels Kokain, das Larynx­<br />

Packing, die Nasalintubation für prolongierte Intubation<br />

etc., das Absaugen von Sekreten mittels dünnen<br />

Kathetern etc.). Diese vergessenen <strong>und</strong> durch den Rummel<br />

über Sauerbruchs Überdruckkammer verdrängten<br />

Arbeiten wurden während des 2. Weltkriegs zufälligerweise<br />

durch englische Kriegsgefangene, die als Anästhesisten<br />

im Kriegsgefangenenlazararett arbeiteten, wiederentdeckt.<br />

KUSS. Abk. für kindliche Unbehagens- <strong>und</strong> Schmerzskala.<br />

La 1-5. Abk., in Deutschland werden die Arzneimittel in<br />

5 Laktationsklassen eingeteilt, s. ---7 Schwangerschaftskategorie.<br />

Labat, Gaston (Seychelles 1877-1934). Führte auf Mauritius<br />

eine Apotheke <strong>und</strong> liess sich mit 37 Jahren in Montpellier<br />

in Medizin bzw. Chirurgie ausbilden. Schrieb<br />

zusammen mit Victor Pauchet 1922 ein Lehrbuch über<br />

Regionalanästhesie, das nach seiner Übersetzung ins<br />

Amerikanische bzw. Labats Emigration in die USA als:<br />

))Regional anesthesia: its technique and clinical application«<br />

wegweisendes Lehrbuch wurde. Von den Gehrüdem<br />

Mayo nach Rochester verpflichtet. Gründer der<br />

))American Socity of Regional Anesthesia«,ASRA (1923).<br />

Labores. Auch »dolores«, lat. Wehen.<br />

Laennec, Theophile Rene Hyacinthe ( Quimper<br />

1781-1826 Kerlouan/Finistere). Erfinder des Stethoskops<br />

<strong>und</strong> Begründer der Auskultation (1819: ))De l'auscultation<br />

mediale«).<br />

Laerdal, Asm<strong>und</strong> S. (Stavanger 1913-1981). Herausgeber<br />

von Kinderbüchern, Kinderspielzeug. Man sagt, dass er<br />

unter dem Eindruck einer um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />

angefertigten <strong>und</strong> weltbekannten, Totenmaske einer aus<br />

der Seine tot geborgenen jungen Frau, die Trainingspuppe<br />

))Resusci-Anne 1960« entwickelte. Sein Sohn Tore<br />

Laerdal entwickelte das Unternehmen weiter <strong>und</strong> gründete<br />

u. a. die Laerdal Fo<strong>und</strong>ation for Acute Medicine.<br />

Lands-Einteilung. Historische Einteilung nach Lands<br />

(1985), der die antipyretischen Schmerzmittel in kompetitive<br />

reversible Prostaglandin(PG)-Inhibitoren, irreversible<br />

PG-Inhibitoren (analgetische Säuren mit Sauerstoff-acetyl-Gruppe,<br />

z. B. Aspirin) <strong>und</strong> kompetitive,<br />

reversible sowie peroxidneutralisierenden Inhibitoren<br />

(z. B. Paracetamol) einteilte.<br />

Landsteiner, Karl (Wien 1868-1943 New York). Nobelpreis<br />

1930 für die Entdeckung des Blutgruppensystems<br />

ABO.<br />

Langbein, Hermann (Wien 1912-1995). Widerstandskämpfer,<br />

Flucht 1938 vor dem ))Anschluss«, Teilnahme<br />

am Spanischen Bürgerkrieg, 1941 in Frankreich verhaftet,<br />

bis 1945 KZ Dachau <strong>und</strong> KZ Ausschwitz. Wirkte als<br />

Überlebender <strong>und</strong> Publizist bis zu seinem Tode gegen<br />

das grosse Vergessen.<br />

Langgässer, Elisabeth (Alzey/Rheinhessen 1899-1950<br />

Rheinzabern/Rheinpfalz). Literaturpreis 1932, als<br />

Deutschjüdin 1936 aus der Reichsschrifttumskammer<br />

ausgeschlossen ())Berufsverbot«), überlebte als Fabrikarbeiterin.<br />

Posthum (!) Georg-Büchner-Preis. Ihre<br />

Werke ))Das unauslöschliche Siegel«, ))Märkische Argonautenfahrt«<br />

<strong>und</strong> ))Gang durch das Ried« werden zur<br />

Weltliteratur gezählt. Ihre älteste Tochter kam ins KZ<br />

Ausschwitz: sie schrieb später als Cordelia Evardson<br />

ihre Berliner Jugend nieder: ))Gebranntes Kind sucht<br />

das Feuer«.<br />

Langley, J.N. (1852-1925). Führte die Bezeichnungen<br />

autonomes Nervensystem <strong>und</strong> Parasympathikum<br />

(1898) ein. Erforscht kutane Phänomene, die mit<br />

Schmerzen, Allodynie ())Sonnenbrand <strong>und</strong> Hemd«),<br />

Hyperalgesie oder Dysästhesien verb<strong>und</strong>en sind<br />

())Erythralgien«). Beschreibt die hyperalgetischen<br />

Hautzonen (Zweitschmerz) mit lokaler Entzündung.<br />

Postuliert ein ))Nozifensorsystem«. )) The autonomic nervaus<br />

system« Cambridge, 1921.<br />

lanzinierende Schmerzen. Stechende Schmerzen.<br />

Laudacon. Historische Bezeichnung für Dihydromorphinon,<br />

---7 Hydromorphon INN.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 829<br />

Laudanum. Historische Bezeichnung für Rohopium<br />

(Opium crudum), Meconium, Thebaicum, ~Opium.<br />

Läwen, Artbur (Waldheim/Sachsen 1876-1958). Ausbildung<br />

in Leipzig <strong>und</strong> Greifswald als Schüler von H.F.W.<br />

~ Braun, Trendelenburg etc.; Chirurg in Königsberg,<br />

Vorkämpfer für die Lokoregionalanästhesie; entwickelte<br />

die paravertebrale Leitungsanästhesie. Schlug 1912<br />

den Einsatz von muskelrelaxierendem Curare zu Narkosezwecken<br />

vor. Starb 1958 als Flüchtling in der DDR,<br />

nach dem er Alles, nämlich seine Söhne, Haben <strong>und</strong> Gut<br />

verloren hatte.<br />

Lazaroide. Siehe Aminosteroide.<br />

LD. Engl. Abk. »lethal dosis«, s. DL (Dosis letalis).<br />

Le Bars, Daniel (Paris *1947). Veterinärmedizinstudium<br />

mit Abschluss an der Ecole Nationale V eterinaire<br />

d'Alfort, Paris, sowie Physiologie- <strong>und</strong> Neurophysiologiestudium<br />

Laboratorien Pierre <strong>und</strong> Marie Curie der<br />

Universität Paris (D.E.A 1971, Doktorate 1973, 1974,<br />

1982). Erforschung (Pathophysiologie, Neurophysiologie,<br />

Psychobiologie) der Nozizeption- <strong>und</strong> Schmerzmechanismen<br />

in Zusammenarbeit mit Jean-Marie ~ Besson<br />

<strong>und</strong> Denise ~ Albe-Fessard, insbesondere über ~<br />

»diffuse noxious inhibitory controls« (DNIC). Seit 1991<br />

Direktor der Forschung des INSERM Paris.<br />

Lehmann, Klaus A. (Neviges/Rheinland *1947). Integrales<br />

Chemie- (Promotion Aachen 1972) <strong>und</strong> Medizinstudium<br />

(Promotion Aachen 1978/1979). Professur<br />

Anästhesiologie an der Universität Köln. Mehrfache<br />

Auszeichnungen ( u. a. Sertürner-Preis 1983, Rudolf­<br />

Frey-Preis 1983, Förderpreis für Schmerzforschung<br />

1993).<br />

Leksell, Lars (1907-1986). Neurochirurg in Uppsala,<br />

L<strong>und</strong> <strong>und</strong> am ~ Karolinska-Institut, führte u.a. 1949<br />

stereotaktische Instrumente <strong>und</strong> 1968 das sog.<br />

»Gamma-knife« in der Neurochirurgie ein.<br />

Lembeck, F. (Oberwinden/Österreich *1922). Ausbildung<br />

in Pharmakologie in Graz, Edinburgh <strong>und</strong> Tübingen.<br />

Forschung u. a. über Katecholamine, Serotonin,<br />

Neuropeptide, Bradykinin etc., vielfältige Ehrungen.<br />

Mehr als 450 wissenschaftliche Publikationen <strong>und</strong><br />

Bücher, so u. a. auch Biographie über ~ Otto Loewi<br />

(zusammen mit W. Giere 1968). Lernheck postulierte<br />

1983 die spinale Mediatorrolle der 1931 durch von Euler<br />

<strong>und</strong> Gaddum entdeckten Substanz P im Nozizeptionssystem.<br />

Lemberg, Max Rudolph (Breslau 1896-1975 Australien).<br />

Nach Studien in Breslau, München <strong>und</strong> Heidelberg 1917<br />

in den Armeedienst eingezogen, wo er als Telephonist<br />

im Grabenkrieg in der Schlacht an der Somme 1918 verw<strong>und</strong>et<br />

wurde. Biologieabschluss summa cum laude<br />

1923, zu Bayer, später zu Karl Freudenberg, der ihn später<br />

tagelang vor den Nazischergen versteckte. Auf Rat-<br />

schlag Szent-Gyorgis Emigration nach England, dann<br />

Australien, wo er später einer der Gründer der australischen<br />

Akademie der Wissenschaften wurde.<br />

Lemmon, W.T. Veröffentlichte zusammen mit G.W.<br />

Pascha! frühe Arbeiten über kontinuierliche ~ Irrtraduralanästhesie<br />

bzw. Spinalanästhesie (1944).<br />

LEP. Engl. Abk. für »laser-evoked-potential« (s. Buch A).<br />

Leriche, Rene (Roanne 1879-1956 Cassis). Bedeutender<br />

franz. Chirurg (Gefässchirurgie, Chirurgie des Sympathikus,<br />

erste periarterielle Sympathektomie 1913) <strong>und</strong><br />

Schmerzforscher (Schmerzchirurgie). Vom eminenten<br />

frz. Physiologen Franck beeinflusst, der 1899 die Wichtigkeit<br />

des autonomen Nervensystems für gewisse<br />

Schmerzformen postulierte. Formulierte die Ausdrücke<br />

»Douleur-maladie« sowie »Chirurgie de la Douleur«<br />

(1937). Schrieb: »Souvenirs de ma vie morte« (1956), »La<br />

chirurgie, discipline de Ia connaissance« (1949).<br />

Lesch-Nyhan-Syndrom (1964). Syndrom mit x-chromosomal-rezessiver<br />

Störung des Purinstoffwechsels (Mangel<br />

an Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase,<br />

HPRT, lokalisiert auf Enzym 21), schwere Gichtanfälle<br />

(massive Uratsteinbildung), ungenügende<br />

Motorikkontrolle (Rollstuhlgeb<strong>und</strong>enheit), Intelligenzdefekt<br />

bis seltenerweise Selbstverstümmelung (Lippen,<br />

Zunge, Finger; ~ Automutilation).<br />

Leukotomie. Neurochirurgie: Syn. Lobotomie.<br />

Leukotriene. Lipidmediatoren, enzymatisch (Lipoxygenase<br />

AJ von Zellen der myeloischen Reihe ( Granulozyten,<br />

Mastzellen, Makrophagen) aus Zellmembranphospholipiden<br />

bzw. Arachidonsäure gebildet. In diesen<br />

Zellen kann die Arachidonsäure über den Cyclooxygenasenweg<br />

zu Prostaglandinen <strong>und</strong> Thromboxan,<br />

über den Lipoxygenasenweg zu Leukotrien LTA4 (<strong>und</strong><br />

danach zu LTB4 bzw. LTC4, LTD4, LTE4) abgebaut werden.<br />

Dazu muss die 5-Lipoxygenase (5-LO) über Koppelung<br />

mit dem entsprechenden Aktivierungsprotein (5-<br />

Lipoxygenase-Aktivierungsprotein, FLAP) aktiviert<br />

werden, damit wird die Lipoxygenase aus dem Zytosol<br />

an die Zellmembran transferiert (s. Buch A; Buch F, 5-<br />

LO-Inhibitoren bei Asthma bronchiale).<br />

Levi, Primo (Turin 1919-1987 Turin). Promotion in<br />

Chemie an der Universität Turin 1941. 1943 als Jude verhaftet,<br />

vom Lager Possoli im Viehwagen nach Auschwitz<br />

deportiert. 1945 von den sowjetischen Truppen befreit.<br />

Verfasser mehrerer autobiographischer <strong>und</strong> fiktivpoetischer<br />

Bücher, Selbstmord 1987.<br />

Lewin, Kurt (1890-1947). Begründete die sog. Berliner<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Organisationspsychologie (»Gruppendynamik«,<br />

s. auch Buch Schmerzmanagement), musste<br />

1933 emigrieren <strong>und</strong> befruchtete die amerikanische<br />

Schule am Institute for Social Research der Universität<br />

Michigan. Die Sozialisierung des Taylor-Systems.


830 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Schriftenreihe »Praktischer Sozialismus«, 1920, sowie<br />

»Untersuchungen zur Handlungs- <strong>und</strong> Affektpsychologie«<br />

Psychologische Forschung, 1926.<br />

Lewis, Sir T. (1881-1945). Britischer Kardiologe, befasste<br />

sich nach einem eigenen Herzinfarkt mit Herzmuskel-,<br />

später Schmerzen der quergestreiften Muskulatur <strong>und</strong><br />

schrieb 1942 eine Monographie über den Schmerz.<br />

L'hermitte-Zeichen. Bestrahlungsmyelopathie, Frühzeichen<br />

myelopathischer Schädigung mit elektrischen<br />

Schlägen bei Flexion der Halswirbelsäule.<br />

Liebeskind, John C. (Waterbury/Conn. 1935-1997 Los<br />

Angeles). Mitbegründer der~ IASP, Professur für Psychologie<br />

<strong>und</strong> Anästhesiologie (University of California<br />

UC). Arbeiten über ~ PAG <strong>und</strong> endogene Schmerzmodulation,<br />

über Schmerz <strong>und</strong> Stress:<br />

»Pain can kill«.<br />

Gründer der »Liebeskind History of Pain Collection«<br />

der University of California in Los Angeles (UCLA).<br />

Ligand. Pharmakologisch eine Substanz, die sich an<br />

Rezeptoren bindet. So gibt es für die Opioidrezeptoren<br />

exogene Liganden (sprich Opioide oder zentrale<br />

Schmerzmittel vom Opioidtyp) <strong>und</strong> endogene Liganden<br />

(sprich Endorphine etc.). Ähnliches ist möglich bei<br />

anderen Wirkstoftklassen, z. B. gibt es für GABA-Rezeptoren<br />

exogene (Wirkstoffe der Klasse der Benzodiazepine)<br />

als auch endogene Liganden (endogene Benzodiazepine).<br />

limbisches System. Bestehend aus Hippocampus, Indusium<br />

griseum, Area entorhinalis, Gyrus cinguli, Nucleus<br />

amygdalae <strong>und</strong> Area septalis. Phylogenetisch alter<br />

Hirnteil mit Repräsentations- <strong>und</strong> Steuerungsfunktionen<br />

für Hypothalamus sowie Affektverhalten.<br />

Lims-Tierversuch (1964). Die Arbeitsgruppe um Lim<br />

injizierte Bradykinin in die Milzarterie des H<strong>und</strong>es. Bei<br />

2 nebeneinandergelagerten H<strong>und</strong>en wurde nun durch<br />

Gefässkanülierung die Kreisläufe gekreuzt, sodass die<br />

freipräparierte Milz des 2. H<strong>und</strong>es vom Kreislauf des 1.<br />

H<strong>und</strong>es perf<strong>und</strong>iert wurde, aber in Bezug auf Innervation<br />

intakt blieb. Wird nun pronozizeptives Bradykinin<br />

in die Milz des 1. H<strong>und</strong>es injiziiert, kann beim 2. durch<br />

Kreuzperfusion angeschlossenen H<strong>und</strong> eine Gewebe<strong>und</strong><br />

Schmerzreaktion in der mitperf<strong>und</strong>ierten, aber in<br />

Bezug auf Innervation intakten Milz beobachtet werden.<br />

Diese »periphere« Gewebereaktion kann durch<br />

saure antipyretische Analgetika unterdrückt werden,<br />

wenn die Wirkstoffe die vorher geschädigte Milz direkt<br />

erreichen können. Wird das gleiche Experiment wiederholt,<br />

wirken dagegen »zentralangreifende« Substanzen<br />

wie Morphin nur, wenn sie das Hirn des entsprechenden<br />

H<strong>und</strong>es erreichen können. Aus dieser klassisehen<br />

Versuchsanordnung wurden die Begriffe »periphere«<br />

<strong>und</strong> »zentrale« Analgetika abgeleitet. Neueste<br />

Erkenntnisse schränken diese Definition ein, weil man<br />

unterdessen nachweisen kann, dass sowohl »periphere«<br />

Analgetika über periphere <strong>und</strong> zentrale Wirkmechanismen<br />

ihre Effekte erzielen <strong>und</strong> dass der klassische Wirkstoff<br />

Morphin ebenfalls nicht nur zentrale, sondern<br />

auch periphere Wirkungen erzielt. Lims Versuchsanordnung<br />

führt auch über den Integritätsverlusts von Zellmembranen<br />

indirekt zur Entdeckung der damit verb<strong>und</strong>enen<br />

~ Entzündungskaskaden durch Sir J.R. ~ Vane<br />

(1971).<br />

Lindblom, Ulf A. (Bromma *1927). Bedeutender zeitg.<br />

schwedischer Algesiologe (offizieller Spezialarzttitel<br />

des schwedischen Ges<strong>und</strong>heitssystems, 1997) nach<br />

Schulen in Växjö Studium der Medizin in Uppsala, L<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> ~ Karolinska-Institut Stockholm mit Abschluss<br />

1952. Weiterbildung in Physiologie, Neurologie <strong>und</strong><br />

Innere Medizin mit Professur in Neurologie. Forschungen<br />

u. a. in experimenteller Neurophysiologie ( endogene<br />

deszendierende Schmerzhemmsysteme, Tic douloureux,<br />

M. Meniere, Somatasensation bei chronischen<br />

Schmerzzuständen), 1992-1995 Leiter des Karolinska<br />

Schmerzinstitutes. 1990-1993 Präsident der ~ IASP.<br />

Seit 1996 Editor-in-Chief des »European Journal of<br />

Pain«. Unzählige Publikationen als Autor <strong>und</strong> Herausgeber.<br />

Vielfältige Ehrungen so u. a. John Bonica Lecture<br />

Award NY, 1991.<br />

lineare Kinetik. Kinetik erster Ordnung, gernäss dem<br />

Massenwirkungsgesetz proportionale Konzentrationsveränderungen<br />

des Wirkstoffes. Lineare Eliminationskinetik:<br />

die Geschwindigkeit der Konzentrationsänderung<br />

ist direkt proportional der Konzentration des<br />

Wirkstoffes, s. auch Halbwertszeit.<br />

Lingg, Hermann (Lindau 1820-1905 München). Militärarzt<br />

<strong>und</strong> Lyriker.<br />

Linimenta. Syn.: Linimente, Lösungen oder Emulsionen<br />

zur Applikation von Wirkstoffen auf die Haut.<br />

Lipidperoxidation. Die oxidative Schädigung von<br />

Lipidstrukturen durch freie Radikale.<br />

Lipmann, Fritz Albert (Königsberg 1899-??). Emigration<br />

1939, Nobelpreis 1953 für die Entdeckung des CoenzymA.<br />

Lipopolysaccharide. Abk. LPS, bestehend aus (toxischem)<br />

Lipid A <strong>und</strong> Polysacchariden (= 0-Antigen).<br />

LPS stimulieren wandständige Rezeptoren von Makrophagen<br />

<strong>und</strong> induzieren eine Reaktionskaskade über<br />

ADN-Stimulation, ARN-Expression, Proteinsynthese<br />

von Abwehrproteinen in Form von proinflammatorischen<br />

~ Zytokinen (v.a. TNF, IL-1, IL-8, PDGF, TGF<br />

etc.) mit Aktivierung der Leukozytenchemotaxis, Formation<br />

von freien Sauerstoffradikalen, Freisetzung von


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 831<br />

Enzymen (Elastase, Myeloperoxidase, Kollagenasen<br />

etc.).<br />

Liposome. Bezeichnung in der modernen Galenik für<br />

mikroskopisch kleine, fettähnliche Stoffe, welche zeitlich<br />

begrenzt Substanzen binden <strong>und</strong> sie später am Wirkungsort<br />

wieder freisetzen können.<br />

Lipoxygenasen. Fettsäurespaltende Enzyme, die die aus<br />

Biomembranen nach Stimulation freigesetzte ~ Arachidonsäure<br />

zu biologisch aktiven ~ Leukotrienen<br />

peroxidieren. Im Gegensatz zum Abbauweg über die<br />

COX braucht es zur Auslösung der Lipoxygenase bzw.<br />

Leukotrien-Kaskade Aktivatoren wie Ca-Ionen. Die<br />

Kombination der Leukotriene C 4 <strong>und</strong> D 4 löst Reaktionen<br />

aus, die bislang einer sog. »slow-reacting substance<br />

of anaphylaxis« (SRS-A) zugeschrieben wurden (s.<br />

Buch A).<br />

LTP. Abk. für »long-term-potentiation«, Gegenteil: LTD<br />

bzw. »long-term-depression«. Die langanhaltende<br />

Potenzierung oder Unterdrückung der neuronalen<br />

Erregbarkeit nach repetierten noxischen Reizen bzw.<br />

nozizeptivem Langzeitinput (s. Buch A: genetische<br />

Komponenten).<br />

Liquor cerebrospinalis. Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit<br />

in Hirnventrikel, Cisterna <strong>und</strong> Rückenmarkkanal<br />

mit intrazerebralen Verbindungen (Foramen Monroi,<br />

Aquäductus Sylvii, Foramina Luschka et Morgandie),<br />

die von den Plexus choroidei sezerniert wird ( ca.<br />

30 ml!h), mit »re-uptake« durch die Pacebionische Granulationen<br />

in Abhängigkeit von der zentralvenösen Zirkulation.<br />

Funktioniert als Hydrosuspension für das<br />

zentrale Nervensystem <strong>und</strong> reguliert partiell den intrakraniellen<br />

Druck. Totalvolumen ca. 150 ml, spezifische<br />

Gravidität 1,002-1,oo9 <strong>und</strong> pH 7,32. Enthält mehr Na-/<br />

Cl-Ionen <strong>und</strong> Glukose, jedoch weniger K-lonen <strong>und</strong><br />

Eiweiß als die extrazelluläre Flüssigkeit. Der hydrostatische<br />

Liquordruck beträgt auf Höhe L/L 4 >70 mmH 2 0<br />

(liegend) bzw. >150 mmH 2 0 (stehend).<br />

Lissauer-Trakt. Syn.: Lissauer-Randbündel, Tractus<br />

dorsolateralis. Nach dem Breslauer Neurologen Heinrich<br />

Lissauer (1861-1891!) benannt. Zwischen Hinterhornspitze<br />

<strong>und</strong> Oberfläche befindlich, enthält Afferenzen<br />

<strong>und</strong> Efferenzen (Schmerz, Temperatur,Tastsinn).<br />

Die sog. ~ Lissauer-Zone ist die Zona terminalis des<br />

Rückenmarks. Nach Lissauer wird ebenfalls eine sogenannte<br />

Lissauer-Paralyse benannt, eine progressive<br />

Paralyse mit Herdsymptomatik <strong>und</strong> gut erhaltenen<br />

intellektuellen Funktionen.<br />

Löns, Hermann (1866-1914). Studium der Medizin,<br />

Naturwissenschaften <strong>und</strong> Mathematik in Münster,<br />

Greifswald <strong>und</strong> Göttingen; bdt. Satiriker; später auch<br />

Naturbeschreiber mit Neigung zu Blut- <strong>und</strong> Bodentheorien.<br />

Am 26. September als Kriegsfreiwilliger an<br />

der Front bei Loivre gefallen. Später von den Nazis<br />

publizistisch ausgeschlachtet.<br />

Loeser, John (Newark/New York *1935). Schmerzforscher,<br />

Leiter der Kinderneurochirurgie in Seattle<br />

(1974-1986). Mitbegründer <strong>und</strong> Past President von APS<br />

(1986/1987) <strong>und</strong> IASP (1993/96).<br />

Loewi, Otto (Frankfurt/M 1873-1961 New York). Medizinstudium<br />

in Straßburg, hier beinflusst durch den Internisten<br />

~ Naunyn <strong>und</strong> den Pharmakologen Schmiedeberg,<br />

wo er mit Arbeiten am isolierten Froschherzen promovierte,<br />

<strong>und</strong> München. Habilitation bei H.H. Meyer in<br />

Marburg (1900) mit dem Beweis, dass tierische Organismen<br />

aus Aminosäuren Proteine aufbauen können. Berufung<br />

1904 nach Wien, 1909 nach Graz (Lehrstuhl für<br />

Pharmakologie 1938-1939). Bahnbrechende Arbeiten,<br />

unter anderem Ȇber eine Steigerung der Adrenalinfreisetzung<br />

durch Kokain«, 1910, »Über den Zusammenhang<br />

von Digitalis <strong>und</strong> Calziumwirkung«, 1917-1918, »Über<br />

humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung«,<br />

1921, mit der Postulierung der Idee von spezifischen chemischen<br />

Überträgerstoffen <strong>und</strong> der Möglichkeit der spezifischen<br />

Blockierung der Transmitterwirkung durch<br />

Pharmaka. 1936 gemeinsam mit ~ Sir Henry Dale<br />

Nobelpreis für Physiologie <strong>und</strong> Medizin. 1938 als Jude<br />

inhaftiert. Unter Zurücklassung seines gesamten Besitzes<br />

<strong>und</strong> Bezahlung speziell eingeführter Steuern war es<br />

ihm dann »erlaubt«, das »Hohheitsgebiet des Deutschen<br />

Reiches« zu verlassen. Tod in der Emigration.<br />

Lotz, Ernst Wilhelm (1890-1914). Dt. Lyriker.<br />

Lumbosakralneuralgie. Verschiedene Schmerzzustände<br />

bei Erkrankungen der betreffenden Region.<br />

L<strong>und</strong>y, John Silas (Seattle 1894-1973). Am. Anästhesist<br />

an der Mayo Clinic, Rochester, Pionier der Thiopental­<br />

Anästhesie, führte in die damalige Narkosepraxis zum<br />

ersten Mal Anästhesieprotokolle ein (1924) <strong>und</strong> formulierte<br />

1926 den Begriff »balanced anesthesia«. Publizierte<br />

1942 ein Buch über »Clinical Anesthesia«.<br />

Lyell-Syndrom. Epidermiolysis acuta toxica, nach dem<br />

schottischen Dermatologen Alan Lyell1956 sog. Typ-IV­<br />

Immunreaktion, z. B. die UAW nach Einnahme von ~<br />

sAA. Unter akuter Nekrose <strong>und</strong> Bläschenbildung löst<br />

sich die Oberhaut ab, dazu parallel schwerste andere<br />

Organmanifestationen (Bronchopneumonie, Nebennierennekrose,<br />

toxischallergische Nephrose usw.). Nebenbemerkung:<br />

die von Lyell mitbeschriebene fokale Staphylokokken-Nekrose<br />

wird durch zirkulierende Gifte<br />

induziert <strong>und</strong> heute vom wirkstoffinduzierten Lyell­<br />

Syndrom getrennt diskutiert.<br />

Lymphokine. Immunologie: durch aktivierte Lymphozyten<br />

synthetisierte Stoffe, die andere Zellen beeinflussen<br />

(z. B. Leukocyte-migration-inhibitory-Faktoren).<br />

Schmerzlink: rheumatologische Erkrankungen.


832 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Lymphozyten. Beim Kind 20-70%, beim Erwachsenen<br />

20-40% der Leukozyten als Lymphozyten vorhanden,<br />

davon in folgenden Subpopulationen: CD3 bzw. T-Lymphozyten<br />

67-76%, CD3/CD4 bzw. T-Helfer-Lymphozyten<br />

38-46%, CD3/CD8 bzw. T-Suppressor-Lymphozyten<br />

31-40%, CD3/CD16/CD65 bzw. NK-Lymphozyten<br />

10-19%.<br />

MAC. Engl. Abk. für »minimum alveolar concentration«<br />

(nach Eger, 1965), die im Gleichgewicht (»steady state«)<br />

befindliche minimale alveoläre Narkosegaskonzentration<br />

(bei 1 Atm), bei der keine somatische Antwort der<br />

Muskelbewegung auf noxische Reize (in der Regel<br />

Hautinzision) mehr erfolgt. Der MAC-Wert ist ein gebräuchlicher<br />

Index für die Potenz eines Narkosegases<br />

bzw. eines Opioids ( opioidinduzierte MAC-Reduktion<br />

bei standardisierter Volatilanästhesie). Siehe auch --7<br />

Cp 50 ; --7 MEAC (s. Buch B).<br />

Macewen, William Sir (Ile of Bote/Schottland<br />

1848-1924 Glasgow). Bedeutender Chirurg <strong>und</strong> Pionier<br />

der Intubationsnarkose (1878). Setzte die Intubation als<br />

Mittel der Offenhaltung der Luftwege (z. B. Glottisödem<br />

etc.) ein.<br />

Macintosh, Sir Robert (1897-1990). Anästhesist, Erfinder,<br />

Forscher, Professor am Nuffield Institut Oxford<br />

(erster Lehrstuhl für Anästhesiologie in Europa, 1937) u.<br />

a. Spanienkrieg 1936!1937 (Anästhesie <strong>und</strong> Schmerztherapie<br />

unter Kriegsbedingungen). Siehe auch: --7 EMO.<br />

MacKenzie-Zonen. Zonen der Haut <strong>und</strong> Muskelregion,<br />

in denen sich übertragene Schmerzen aus dem Viszeralbereich<br />

manifestieren, auch als Viszerotome bezeichnet.<br />

Magendie, Fran-;:ois (1783-1855). Bedeutender frz. Neurologe,<br />

nach ihm benannt die Apertura medialis ventriculi<br />

IV, das »Foramen Magendie«.<br />

Magill, Sir Ivan (Larne/Nordirland 1888-1986). Zusammen<br />

mit seinem britischen Kollegen S. Rowbotham<br />

(1890-1979) Pionier der modernen Intubationsnarkose<br />

( s. Magill-Tubus, Magill-Attachment, Magill-Forzeps<br />

etc.). Er führte die britische Anästhesieschule, ab 1935<br />

Diplomexamina, zur Weltgeltung.<br />

Magnan-Zeichen. Nach dem Pariser Psychiater V.J.J.M.<br />

Magnan (1835-1916) benannte periphere Sensibilitätsstörungen<br />

bei Kokainmissbrauch, ebenfalls das ruckweise<br />

Herausstrecken der Zunge bei progressiver Paralyse<br />

nach diversen Hirnschädigungen.<br />

magnetische Resonanz-Neurographie. Abk. MRN, in<br />

der Schmerzforschung <strong>und</strong> Klinik das Abgreifen neuronaler<br />

Signalmuster bei Nervenläsionen. Die MRN kann<br />

als diagnostisches Hilfsmittel nach posttraumatischen<br />

Nervenläsionen <strong>und</strong> zur Überprüfung von chirurgischen<br />

Nervenanastomosen eingesetzt werden.<br />

Magnus, Rudolf (1873-1927). Bedeutender dt. Neurologe<br />

(arbeitete u. a. mit --7 Sherrington zusammen, Pionierarbeiten<br />

über Labyrinth <strong>und</strong> Körperbewegung).<br />

Malgaigne, Joseph-Francois (18o6-t865). Publizierte<br />

1841 eine erste Statistik über die Mortalität chirurgischer<br />

Eingriffe.<br />

MAO-Hemmer. Pharm. Hemmer der zentralen Monoaminooxidase.<br />

Dadurch kommt es zu einer Anreicherung<br />

sympatikomimetischer Amine (s. Buch B: Interaktionen<br />

Opoioide <strong>und</strong> MAO-Hemmer).<br />

Mare, Franc (München 1880-1916 Schlacht bei Verdun).<br />

Beim Tod seines Fre<strong>und</strong>es <strong>und</strong> Mitbegründers des<br />

Blauen Reiters August Macke (Merschede 1887-1914<br />

Schlacht in der Champagne):<br />

»Mit seinem Tod wird der Kultur eines<br />

Volkes eine Hand abgeschlagen, ein Auge<br />

blind gemacht«.<br />

Marie, Pierre (1853-1940). Bedeutender frz. Neurologe<br />

( u. a. Zusammenarbeit mit --7 Charcot: Muskelatrophie,<br />

Arbeiten über Akromegalie, Rückenmark etc.).<br />

Markennamen. Sy n.: Markenbezeichnung, bezeichnet<br />

den Eigennamen eines Produkts im Gegensatz zum<br />

»Generikanamen«, das eine Gattungsbezeichnung für<br />

chemische Verbindungen ist. Die Namengebung für<br />

Markennamen wird vom Hersteller frei gehandhabt.<br />

Der Markennamen kann patentrechtlich geschützt sein<br />

(®) <strong>und</strong> für den gleichen Wirkstoff von Land zu Land<br />

verschieden sein. Der Markennamen bleibt als geistiges<br />

Eigentum immer im Besitz der Eigentümer. »Generika«<br />

sind hinsichtlich des Wirkstoffes identische Nachahmungen<br />

aus dem Patentschutz entlassener Wirkstoffe.<br />

Perorale Generika können aber eine unterschiedliche<br />

Kinetik aufweisen (schlechter, besser) als Originalia<br />

(gilt nicht für i.v.-Generika).<br />

MASK. In der Palliativ- <strong>und</strong> Schmerzmedizin die Abk.<br />

für multiaxiale Schmerzklassifikation, einer Sehrnerzklassifikationssystematik<br />

mit Integrierung somatischer<br />

<strong>und</strong> psychosozialer Dimensionen, s. Buch H.<br />

Maslow, Abraham Harold (1908-1970). Professor für<br />

Psychologie am Brooklyn College (1937-1951) <strong>und</strong> an<br />

der Brandeis Universität (1951-1961). Begründer der<br />

»humanistischen Psychologie« - »Motivation and personality«,<br />

1954. Beschrieb --7 die »Maslow-Bedürfnispyramide«.<br />

Maslow-Bedürfnispyramide. Nach -7Maslow benannte<br />

Ebenen der physiologischen Bedürfnisse (Ebene 1), der<br />

Unabhängigkeit <strong>und</strong> Sicherheit (Ebene 2), der Zuwendung<br />

<strong>und</strong> Liebe (Ebene 3), der Anerkennung <strong>und</strong> Wertschätzung<br />

(Ebene 4) sowie der Selbstverwirklichung<br />

(Ebene 5; s. 1. Auflage 1996).


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 833<br />

Mastzellen. Bindegewebe- <strong>und</strong> Blutzellen (basophile<br />

Granulozyten), die u. a. Histamin enthalten. An die<br />

Membran der Mastzellen können sich Antigen-IgE-AK­<br />

Reaktionen abspielen (s. Buch E, UAW, allergischtoxische<br />

Nebenwirkungen antipyretischer Analgetika).<br />

McCrae, John (1872-1918). Kanadischer Frontarzt;<br />

schrieb u. a. »In Flanders Fields.« Starb an einer Pneumonie<br />

in einem frz. Spitallazarett<br />

MEAC. Engl. Abk. für »minimal effective analgesic concentration«,<br />

entsprechend der minimalen Wirkstoffplasmakonzentration,<br />

die klinisch analgetisch wirkt.<br />

Bei Opioiden kann die minimal effektive Plasmakonzentration<br />

interindividuell um den Faktor 3 schwanken<br />

<strong>und</strong> ist deshalb ein beschränkter Wert für die Potenzbestimmung<br />

eines Opioids (s. Buch B/C/Kinetik).<br />

Mediator. Der Begriff wird uneinheitlich definiert. Im<br />

engeren Sinne: Überträgerstoff für die interzelluläre<br />

Kommunikation, <strong>und</strong> zwar prinzipiell über 4 Modi - 1.<br />

direkt von Zelle zu Zelle (»gap junction«), 2. »synaptisch«,<br />

3. »parakrin« über Diffusion zu ---1 Rezeptoren<br />

<strong>und</strong> 4. »endokrin« ( = hormonal) über den Blutkreislauf.<br />

Meerrettichperoxidase. Aus dem Meerrettich isolierbares<br />

Enzym, das in der Nervenforschung als histochemischer<br />

Marker benützt wird (die z. B. von einem peripheren<br />

Nervenaxon aufgenommene Meerrettichperoxidase<br />

wird an die entsprechenden zentralen Terminals transportiert).<br />

Mega. Abk. »m«, dezimales Vielfaches der Ordnung 106•<br />

Melkersson-Rosenthal-Syndrom. Bezeichnet nach dem<br />

schwedischen Arzt Ernst G. Melkersson (1898-1932)<br />

<strong>und</strong> dem dem Breslauer Arzt Curt Rosenthal. Bei<br />

Erkrankungen des Ganglion geniculi auftretendes idiopathisches<br />

klinisches Syndrom mit Fazialislähmung,<br />

Cheilitis granulomatosa (Lippenschwellung), Gesichtsschwellung<br />

(»Tapirmaul«), Zungenschwellung (Lingua<br />

plicata), Parästhesien, Hyperakusis, Migräneanfälle etc.<br />

Melzack, Robert (Montreal *1929). B.Sc. (1950), M.Sc.<br />

(1951), Ph.D. (1954), Weiterbildung in Psychologie University<br />

College London, Universität Pisa sowie Mass.<br />

Institute of Technology (1959 ), danach ab 1967 Professur<br />

an der McGill-Universität (Montreal) für Psychologie<br />

mit besonderer Gewichtung der Schmerzforschung.<br />

Direktor des Pain Center Montreal General Hospital.<br />

Zusammenarbeit mit dem am. Schmerzpionier William<br />

K. Livingston in Oregon. Autor des Buches: »Puzzles of<br />

Pain« (1973). Mitbegründer mit ---1 Wall der ---1 Gate­<br />

Control-Theory of Pain (1965). Der McGill-Pain-Questionnaire<br />

wurde durch Melzack <strong>und</strong> W. Torgerson entwickelt.<br />

Mitgründer der ---1 IASP (deren Präsident<br />

1984-1987). Koautor mit P. Wall von: »The challenge of<br />

pain


834 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Kuren« vor <strong>und</strong> beschrieb einen »animalischen Magnetismus«.<br />

Der »Mesmerismus« hatte v. a. in der Romantik<br />

einen großen Einfluss auch auf die Literatur. Siehe auch<br />

Anästhesie/Elliotson: »mesmeric-state« = Hypnose.<br />

mesolimbisches Belohnungssystem. Der v. a. dopamingesteuerte<br />

mesolimbisehe Anteil (mit Nucleus accumbens)<br />

wird als Belohnungssystem bezeichnet, weil er<br />

Stimmung <strong>und</strong> Antrieb moduliert. jl-Agonisten (Morphin)<br />

aktivieren das Belohnungssystem <strong>und</strong> erzeugen<br />

in Konditionierungsversuchen ein sogenanntes Präferenzverhalten,<br />

K-Agonisten (Dynorphin) dagegen eher<br />

Aversionsver halten.<br />

metabotropische Rezeptoren. Rezeptoren, die mit dem<br />

intrazellulären G-Proteinsystem gekoppelt sind <strong>und</strong> bei<br />

Konformationsänderung sog. Zweitboten (second messengers)<br />

wie zyklische Nukleotide, CaH etc. aktivieren.<br />

Miasmen. Nach Hahnemann, »Gr<strong>und</strong>schwäche«, auch<br />

aufgr<strong>und</strong> »unterdrückender« Behandlungen der<br />

»Schulmedizin«.<br />

Migräne. --7 Buch A. Attackenweise auftretende, sich<br />

periodisch wiederholende meist pulsierende <strong>und</strong><br />

pochende Kopfschmerzen, die meist einseitig, manchmal<br />

auch beidseitig auftreten. Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen,<br />

Licht- <strong>und</strong> Lärmempfindlichkeit sowie Geruchsüberempfindlichkeit<br />

sind typische Begleitsymptome einer<br />

Migräneattacke. Vor <strong>und</strong> nach der Attacke kann es zu<br />

Stimmungsschwankungen <strong>und</strong> Veränderungen von<br />

Appetit, Magen-Darmfunktion <strong>und</strong> Flüssigkeitshaushalt<br />

kommen.<br />

Mikro. Abk. Jl: dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />

10-6 = 0,000001.<br />

Mikrodialyse. Die atraumatische Einführung von semipermeablen<br />

Membranen in den extrazellulären Raum<br />

von Geweben zur nachträglichen Untersuchung von<br />

Mikrodialysaten (z. B. Entzündungsfaktoren wie Prostanoide,<br />

Ionen etc.).<br />

Mikroporefilter. Rückenmarknahe Kathetertechniken,<br />

bakterielle Schutzfilter mit Porengröße um 15-20 Jlm.<br />

mikrovaskuläres Kompressionssyndrom. Syn.: idiopathische<br />

Neuralgie, bei Trigeminusneuralgie vorkommende<br />

Krankheitsursache. Durch dauernde Gefäßpulsationen<br />

induzierte Nervenschädigung (Demyelinisierung)<br />

mit konsekutiven ephaptischen Kurzschlüssen<br />

etc. <strong>und</strong> daraus resultierenden neuropathischen<br />

Schmerzen.<br />

mild analgesics. Syn.: --7 antipyretische Analgetika.<br />

Milli. Abk. »m«, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />

10-3 = 0,001.<br />

Mini-Mental-State. Abk. MMS, durch Polstein et al. 1983<br />

eingeführte einfache Bestimmung kognitiver Leistungen<br />

im Kontext der Palliativmedizin.<br />

Missbrauch. Die unkoutrollierte Einnahme eines Wirkstoffes<br />

(z. B. Opioide, antipyretische Analgetika etc.)<br />

ausserhalb medizinischer Indikationen.<br />

Mitchell, Silas Weir (1829-1914). Bedeutender am. Neurologe<br />

schottischer Abstammung. Studien bei --7 Claude<br />

Bernard. Klassische Beschreibungen der Kausalgien<br />

etc., Erythromelalgie (Weir-Mitchell-Erkrankung).<br />

Ebenfalls bedeutender Schriftsteller (Kurzgeschichten,<br />

Essays, Dramen etc.).<br />

Mitchell-Syndrom. Syn.: Akromegalie, schmerzhaftes<br />

( --7 Kausalgie) Syndrom der unteren Extremitäten mit<br />

Beteiligung des autonomen Nervensystems, mit lokaler<br />

Hyperthermie bzw. Erythrodermie, Schweißsekretion<br />

usw. Benannt nach dem amerikanischen Kriegschirurg<br />

Silas Weir --7 Mitchell (1829-1914), der während des<br />

Sezessionskrieges (1861-1864) v.a. periphere traumatische<br />

Nervenläsionen untersuchte. Als sog. Mitchell­<br />

Haut werden die dystrophen Hautveränderungen bei<br />

Kausalgien bezeichnet.<br />

Mixturae. Syn.: Mixturen, flüssige Arzneipräparate zur<br />

peroralen Applikation in Form von Lösungen, Emulsionen<br />

oder Suspensionen (vgl. »Mixtura morib<strong>und</strong>i«: --7<br />

Brompton-Cocktail).<br />

Mohnsäure. Opiumsäure ( --7 Sertürner).<br />

Mohnträne Historische Bezeichnung für Mekonium, --7<br />

Opium.<br />

Moniz, Egas (1875-1935). Bedeutender portugiesischer<br />

Forscher ( Coimbra, Bordeaux, Paris, Pionier der zerebralen<br />

Angiographie etc.). 1918 Aussenminister Portugals.<br />

Nobelpreis 1949 für die Entwicklung der präfrontalen<br />

Leukotomie, Moniz entdeckte <strong>und</strong> entwickelte die<br />

arterielle Enzephalographie: »L'enciphalographie<br />

arterielle, son importance dans Ia localisation des<br />

tumeurs cerebra/es« (Rev Neurol1927) sowie: »Tentatives<br />

operatoires dans le traitement de certaines psychoses«<br />

(1936) u. v. a.<br />

Monoaminooxidase. Abk. MAO, v. a. in ZNS, Leber <strong>und</strong><br />

Niere in den Membranen von Mitochondrien vorhandenes,<br />

für die oxidative Desaminierung natürlich vorkommender<br />

Monoamine verantwortliches, Flavin enthaltendes<br />

Enzym (Bernheim 1928). Die zentrale MAO<br />

ist wichtig für die Homöostase zentraler Neurotransmitter<br />

vom Typ Monoamin (z. B. Serotonin), die hepatische<br />

MAO für die Inaktivierung von aus dem Darmtrakt<br />

resorbierter Monoamine (z.B. Tyramin). Entsprechend<br />

können zentralgängige MAO-Hemmer therapeutische<br />

eingesetzt werden, um entsprechende Neuratransmitterdefizite<br />

zu korrigieren.<br />

Monro, A. (1733-1817). Schottischer Anatom, nach ihm<br />

wird das Foramen interventriculare Monro[i] benannt.<br />

Als Monro[i]-Block wird eine das Foramen verschließende<br />

Liquorblockade bezeichnet, als Monro[i]-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 835<br />

Schmerzpunkt wird ein Punkt zwischen Nabel <strong>und</strong><br />

Spina ischiadica majorbezeichnet (vgl. mit McBurney­<br />

Aaron-Punkt).<br />

Moore, James (Glasgow 1762-1860). Chirurg, Dichter<br />

(Novellen) etc. in London, Pionier (Impfungen, W<strong>und</strong>heilung,<br />

Schmerzbehandlung, Anästhesiemethoden).<br />

Publizierte 1784: »Method of preventing or diminishing<br />

pain in several operations«, London.<br />

Moore-Epilepsie. Von T.M. Moore 1944 beschriebenes<br />

Syndrom nach posttraumatischen Temporal- <strong>und</strong> Frontalhirnläsionen<br />

mit anfallsmäßigen heftigen Bauchschmerzen<br />

<strong>und</strong> vegetativer Instabilität.<br />

Moore-Syndrom. Siehe ~ Abdominalkrisen.<br />

Morbidität. Verhältnis der Erkrankungszahlen zu einer<br />

gegebenen Zahl.<br />

Morgan, Thomas Hunt (Lexington 1866-1945). Begründer<br />

der Chromosomenforschung (Nobelpreis Physiologie/Medizin<br />

1933).<br />

Morphin. Wichtigstes Alkaloid des ~ Opiums. 1805<br />

durch ~ W.F. Sertürner entdeckt, zum ersten Mal 1827<br />

in »Pharmacopoea Borussica« erwähnt, die Morphinstruktur<br />

wurde 1925 durch R. Robinson ermittelt <strong>und</strong><br />

die (komplizierte) Totalsynthese 1952 durch Gates u.<br />

Tschudin publiziert (s. BuchB<strong>und</strong> C).<br />

Morphinan. SF C, 6 H 2 ,N. Stammkörper mit sog. Viererring<br />

der ab 1947 synthetisch entwickelten Analgetika<br />

wie ~ Levorphanol, ~ Dextrorphan, ~ Butorphanol<br />

(s. Buch C).<br />

Morphinismus. Morphinsucht, »Morphinomanie«,<br />

historische Bezeichnung für Morphinmissbrauch.<br />

Morphium. Antiquierte Bezeichnung für Morphin.<br />

Morris, William (Lord Nuffield). Englischer Autohersteller<br />

(»Morris«), Patient <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong> von Robert ~<br />

Macintosh, stiftete den ersten Lehrstuhl für Anästhesie<br />

der Welt, das Nuffield Institute bzw. Nuffield Department<br />

of Anaesthetics (Universität Oxford).<br />

Mortalität. »Sterblichkeit«, das statistische Verhältnis<br />

der Letalität zu einer gegebenen Populationszahl <strong>und</strong><br />

bestimmten Zeitraum.<br />

Morton, T.G. (1835-1903). Beschrieb die Metatarsalgie<br />

oder Mortonsche Neuralgie.<br />

Morton, William Thomas Green (Charlton/Mass.<br />

1819-1868). Demonstrierte mit Erfolg Äthernarkosen,<br />

nachdem er zuerst H<strong>und</strong>e damit betäubt hatte. Nannte<br />

»sein« Narkosemittel »Letheon« <strong>und</strong> wollte es patentieren<br />

lassen. Seine am Massachusetts General Hospital<br />

durchgeführte erfolgreiche Äthernarkose an einem<br />

Patienten, der von Dr. J.C. Warren von seinem Kiefertumor<br />

befreit wurde, wird als der Anfang der modernen<br />

Anästhesiologie angesehen (16.10.1846). Die Nachricht<br />

von dieser erfolgreichen »Narkose« wurde in Windeseile<br />

bekannt. Heute im globalen praktisch zeitgleichen<br />

Informationsfluss kann dies kaum noch nachgefühlt<br />

werden, aber die Einführung von Äthernarkosen in<br />

England <strong>und</strong> wenig später auf dem europäischen Kontinent<br />

konnte in Abhängigkeit von den damaligen<br />

atlantischen Schiffsverbindungen ( Cunard-Linie etc.)<br />

in der Publikation nicht nur in ersten Fachzeitschriften,<br />

sondern auch in der Boulevardpresse nachvollzogen<br />

werden. Auf Mortons Grabstein im Mount Auburn<br />

Cemetery - Amerikas erstem Gartenfriedhof, in dem<br />

andere berühmte amerikanische Anästhesisten wie C.T.<br />

Jackson, W. Channing, H.J. Bigelow, C. Bulfinch, A.A.<br />

Gould etc. ruhen - in Boston steht:<br />

»lnventor and revealer of inhalation<br />

anesthesia: before whom, in all time, surgery<br />

was agony; by whom, pain in surgery,<br />

was averted and annulled; since whom,<br />

science has control of pain«.<br />

Moxibustion. Akupunktur, thermische Reizung bestimmter<br />

Akupunkturpunkte mittels eines nahen<br />

Glimmstengels.<br />

MR. Eng!. Kurzbezeichnung für die galenische Form<br />

»modified release« (s. ~therapeutische Systeme).<br />

Mr. Abkürzung der SI-Einheit für molare Masse, entsprechend<br />

dem Quotient aus der Masse <strong>und</strong> der Stoffmenge<br />

in kg/mol.<br />

Mugnier, Cecilie (Annecy/Hochsavoyen 1875-1962 England).<br />

Arbeitete beim berühmten frz. Neurologen Dejerine,<br />

wo sie Oskar ~ Vogt trifft. Cecilie Mugnier-Vogt<br />

war eine der ersten Frauen, die im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert in<br />

Paris zum Medizinstudium zugelassen wurde. Nach<br />

ihrer Heirat 1899 gründen sie <strong>und</strong> ihr Mann in Berlin<br />

das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung, deren<br />

Anatomische Abteilung sie ab 1931 leitete. Nach der<br />

Machtübernahme Hitlers Wegzug 1937 in die Abgeschiedenheit<br />

des Schwarzwalds (Neustadt), wo sie mit<br />

ihrem Ehemann Oscar Vogt als Protege der Familie<br />

Krupp am Dennenberg im von ihnen gegründeten<br />

»Institut für Hirnforschung <strong>und</strong> allgemeine Biologie«<br />

weiter forschen konnte, <strong>und</strong> zwar insbesondere auf dem<br />

Gebiet Hypnose <strong>und</strong> Psychotherapie sowie neurobiologischer<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung. Zu Ehren der Hirnforscherin<br />

Cecilie Vogt erschien 1989 eine deutsche Briefmarke<br />

im Rahmen der Postwertzeichen-Dauerserie<br />

»Frauen der deutschen Geschichte«.<br />

Müller, Johann Peter (Koblenz 1801-1858 Berlin). Pathologe,<br />

Anatom, Physiologe <strong>und</strong> Lehrer. »Handbuch der<br />

Physiologie des Menschen« (1833-1840). »Zur vergleichenden<br />

Physiologie des Gesichtssinns« (1826). Erforsch-


836 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

te die Entwicklungsgeschichte des Urogenitalapparates<br />

(1830 ). Postulierte, dass jede Wahrnehmung durch den<br />

erregten Sinneskanal festgelegt ist. Begründete das<br />

naturwissenschaftliche Denken <strong>und</strong> formulierte u. a.,<br />

wie äußere schädliche Energie über spezifische Afferenzen<br />

in das ZNS (Sensorium commune) gelangt <strong>und</strong><br />

vielfältig - u. a. auch durch psychische Faktoren -<br />

modifiziert wird, bevor sie als Schmerzen imponiert.<br />

Mühsam, Erich (Berlin 1878-1934 KZ Oranienburg).<br />

Apotheker, freier, pazifistischer Schriftsteller, bedeutender<br />

Expressionist, weigerte sich, im KZ das Horst-Wessei-Lied<br />

zu singen <strong>und</strong> wurde daraufhin umgebracht.<br />

Die schöne, mutige Bohemienne, Chanteuse, Schauspielerin,<br />

»Morphinistin« <strong>und</strong> Kabarettistirr (Münchner<br />

Künstlerkabarett Simplicissimus, ab 1916 Zürcher Kabarett<br />

Voltaire) - spätere Frau von Hugo Ball - Emmy<br />

(Ball) Hennings (Flensburg 1885-1948 Exil in Magliaso/<br />

Tessin) versuchte, ihren jüdischen Fre<strong>und</strong> Mühsam zu<br />

retten, scheiterte aber vor den Toren des KZ Oranienburg.<br />

Musiktherapie. Form von Psychotherapie zur Entspannung<br />

(z. B: während kontinuierlicher Epiduralanästhesie<br />

zur Ablenkung <strong>und</strong> Entspannung des Patienten).<br />

Muskarinrezeptoren. Rezeptorensubgruppe ( Subtypen<br />

M 1 -, M 2 -, M 3 -, M 4 - R) des cholinergen Systems, nach dem<br />

Gift »Muscarin« des Fliegenpilzes <strong>und</strong> anderer Pilze,<br />

einer quaternären Ammoniumbase, benannt. Muscarin<br />

induziert ein parasympathikomimetisches Intoxikationsbild<br />

mit negativer Ino- <strong>und</strong> Chronotropie, Miosis,<br />

peripherer Vasodilatation, Bronchokonstriktion, Tonussteigerung<br />

im MD-Trakt, Speichel- <strong>und</strong> Tränenfluss<br />

(durch Atropin antagonisierbar).<br />

Mutagenität. Potenzial eines Wirkstoffs: Änderungen in<br />

der Basensequenz der DNS (Mutationen) auszulösen.<br />

Man unterscheidet Punkt-, Deletions-, Insertions- <strong>und</strong><br />

Rastermutationen.<br />

MVD. Abk. für mikrochirurgische vaskuläre Dekompression<br />

(z.B. vaskuläre Dekompressionen bei Trigeminusneuralgie,<br />

Gardner u. Miklos 1959).<br />

Myalgie. Akute oder chronische Muskelschmerzen mit<br />

verschiedenster benigner <strong>und</strong> maligner Ätiologie. Oft<br />

assoziiert mit lokaler Schmerzempfindlichkeit sowie<br />

Steifheit, fakultativ von Muskelkrämpfen sowie chronischem<br />

Myofaszialsyndrom begleitet.<br />

Myasthenia gravis. Durch Auto-AK induzierte Schädigung<br />

der ACh-Rezeptoren an den motorischen Endplatten.<br />

Mydriasis. Extreme Pupillenerweiterung, klinisch bei<br />

Atropinmedikation, bei komatösen Patienten Zeichen<br />

der zerebralen Sauerstoffunterversorgung oder zu tiefem<br />

Narkosestadium (Guedel-Stadium III.3).<br />

Myelopathie. Nach Bestrahlung oder zytotoxischer<br />

Behandlung auftretende Schädigung des Rückenmarks.<br />

Es werden 4 Typen unterschieden: 1. akute Para- bis<br />

Tetraplegie (seltenste Form), 2. akute Parästhesien, ~<br />

L'hermitte-Zeichen etc. (häufig), J. chronisch-progressive<br />

Formen von Parästhesien, Hypalgesie etc., Sphinkterschwächen<br />

(häufig) <strong>und</strong> 4. motorische Schwäche der<br />

unteren Extremitäten wegen spezifischer Schädigung<br />

der vorderen Rückenmarkwurzeln.<br />

Myogelose. Knotige, druckschmerzhafte Muskelverhärtung<br />

irrfolge kolloidchemischer Veränderung, eine Art<br />

Muskelhartspann, der einzelne Muskelfasern <strong>und</strong> nicht<br />

einen ganzen quergestreiften Muskel betrifft <strong>und</strong> elektromyographisch<br />

stumm ist.<br />

my-Rezeptor, }!-Rezeptor. Syn.: MOR, OR-3, eine der 3<br />

Subtypen der~ Opioidrezeptoren (s. Buch B). Affinität<br />

für Endorphine > Dynorphine > Met-Enkephalin ><br />

Leu-enkephalin <strong>und</strong> Morphin.<br />

NACA-Score. Abk. für »National Advisory Committee<br />

for Aeronautics«, Score für die Lufttransportbeurteilung<br />

von Kranken <strong>und</strong> Verletzten.<br />

Nano. Abk »n«, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />

w-9 = o,ooo.ooo.om.<br />

Narcotin. Syn.: Narkotin, Noscapin ~ Opiumalkaloide<br />

(s. Buch B/C).<br />

N aristillae. Nasentropfen.<br />

»Narkose <strong>und</strong> Anästhesie«. 1928 gegründet durch den<br />

Gynäkologen H. Franken, die Chirurgen H. Killian<br />

(Freiburg i. Br.) <strong>und</strong> H. Schmidt (Hamburg) sowie den<br />

Pharmakologen H. Schlossmann (Düsseldorf); fusionierte<br />

1992 mit ~ »Der Schmerz«.<br />

Narkolepsie. Trias pathologischer Schlafanfall, pathologischer<br />

Tonusverlust, pathologischer WachanfalL Diskutierter<br />

Mechanismus, eine Störung der Schlaf-Wach­<br />

Zentrums (s. Buch A, Formatio reticularis).<br />

Narkologie. Historische deutsche Bezeichnung für das<br />

Fach Anästhesiologie. Erstes dt. Lehrbuch 1913 über<br />

»Narkologie« durch von Brunn.<br />

Nathan, Peter (London *1914). Sprachstudien in Europa,<br />

nach einem Klinikbesuch in München Medizin- <strong>und</strong><br />

Psychiatriestudium. Unter Samson Wright in London<br />

Weiterbildung in Neurophysiologie. Treffen mit Hitler<br />

1932; Buch: » The psychology of fascism«. Betreuung von<br />

Schädel-Hirn-Verletzten im 2. Weltkrieg. Sein Handbuch<br />

(1969) »The nervaus system« ist in mehreren Auflagen<br />

erschienen.<br />

Naunyn, B. (Berlin 1839-1925 Baden-Baden). Forscher<br />

<strong>und</strong> Internist ( u. a. Bern, Dorpat, Königsberg, Straßburg).<br />

Begründete 1872 mit E. Klebs <strong>und</strong> 0. Schmiedeberg<br />

das danach benannte Naunyn-Schmiedeberg-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 837<br />

Archiv für experimentelle Pathologie <strong>und</strong> Pharmakologie,<br />

sowie zusammen mit J. von Mikulicz-Radecki die<br />

»Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin <strong>und</strong><br />

Chirurgie« (1896). 1892 »Klinik der Cholelithiasis«, 1898<br />

»Der Diabetes mellitus«, 1921 »Die Gallensteine, ihre<br />

Entstehung <strong>und</strong> ihr Bau«. 1925 »Erinnerungen, Gedanken<br />

<strong>und</strong> Meinungem


838 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

tranquilizers). Pharmakologisch folgende Gruppen:<br />

Phenothiazinderivate (Beispiel: Chlorpromazin);Thioxanthinderivate<br />

(Beispiel: Chlorprothixen); Aminobutyrone<br />

(Beispiel: Droperidol); Diphenylbutylpiperidine<br />

(Beispiel: Pimozid) <strong>und</strong> Indolderivate (Beispiel: Reserpin).<br />

Neuroleptika sind im Prinzip hypnotikafreie<br />

Beruhigungsmittel mit »antipsychotischer« Wirkung<br />

(s. auch~ Tranquilizer).<br />

Neurolyse. In der Schmerzpraxis reversible bis irreversible<br />

Zerstörung eines Nerven durch Kälte, Alkoholapplikation<br />

etc.<br />

Neuromodulation. Der Begriff Neuromodulation<br />

umfasst verschiedene, reversible, nichtdestruktive,<br />

schmerztherapeutische Techniken wie elektrische Stimulation<br />

der nozizeptiven Neuraxis (periphere Nerven,<br />

Trigeminuswurzel <strong>und</strong> -ganglion, Rückenmark, Thalamus,<br />

motorischer Kortex). Die häufigsten Techniken<br />

sind ~ TENS, ~ »peripheral nerve Stimulation« PNS<br />

<strong>und</strong> »spinal cord stimulation« ~ SCS.<br />

Neuron.1891 von Gottfried Wilhelm von Waldeyer-Hartz<br />

eingeführte Bezeichnung für eine Nervenzelle (bei<br />

Braunschweig 1836-1921; Anatom in Breslau, Straßburg<br />

<strong>und</strong> Berlin; führte ebenfalls die Bezeichnung Chromosom<br />

in die med. Nomenklatur ein).<br />

Neuropeptid Y. Ein 1982 entdecktes Peptid mit einer 36-<br />

Aminosäuresequenz. Vorkommen u.a. in autonomen<br />

noradrenergen Neuronen, mitverantwortlich für Vasekonstriktion,<br />

Na-Ausscheidung, lokale Perfusion, Drüsensekretion,<br />

glatte Muskulatur, Nahrungs- <strong>und</strong> Flüssigkeitsaufnahme,<br />

sowie Hypophysenhormone. Moduliert<br />

über NPY-Rezeptoren neuronale K+- <strong>und</strong> Ca2+-Kanäle.<br />

Neuropil. Sog. Nervenfilz, aus makroskopisch grau<br />

erscheinenden Geflechten von Dendriten, Axonen, Gliafortsätzen<br />

bestehend.<br />

Neurotensin. Ein biologisch aktives aus dem Hypothalamus<br />

isoliertes Peptid. Wirkungen: Hypotension,<br />

Ileumkontraktionen, Duodenalrelaxation im Tierversuch.<br />

Physiologische Funktion als peripherer <strong>und</strong> zentraler<br />

Neurotransmitter. Induziert dosisabhängig probis<br />

antinozizeptive Wirkungen bei Mikroinjektion in<br />

die mediane Medulla oblongata. Neurotensin-Antagonisten<br />

haben entsprechend den umgekehrten Effekt.<br />

Diese unterschiedliche Wirkung wird mit der Präsenz<br />

von (bislang putativen) Rezeptorsubtypen erklärt.<br />

Neurotizismus. Psychologie, neurotisches Persönlichkeitsmustermit<br />

»neurotischem Trias« Hysterie, Depression,<br />

Hypochondrie.<br />

Neurotoxine. Gifte, die das Nervensystem schädigen.<br />

Neurotoxisch. In der Schmerzpraxis auftretende Schädigung<br />

eines Nerven durch Medikamente, z.B. intrathekale<br />

Verabreichung von neurotoxischen Lokalanästhetika,<br />

neurotoxischen Beimischungen zu Schmerzmittelzubereitungen.<br />

Viele ~ Designerdrogen sind neurotoxisch.<br />

Neurotransmitter. Von Nerven synthetisierte, aus präsynaptischen<br />

Vesikeln bei Eintreffen eines Aktionspotentials<br />

sowie Ca2+-Ionen-Influx in die Synapse freigesetzte<br />

Substanzen. Induzieren an postsynaptischen<br />

Membranrezeptoren sog. Konformationsveränderungen.<br />

Neurotripsie. Durch operative Quetschung erfolgte<br />

temporäre Nervenschädigung.<br />

Neurotrop. Die Nerven betreffend (z. B. neurotrope<br />

Vitamine).<br />

Neurotrophine. Eine Superfamilie von endogenen Stoffen,<br />

die für das Überleben, Ausdifferenzieren etc.<br />

sowohl für das periphere als auch zentrale NS wichtig<br />

sind (BDNF, »brain-derived-neurotrophic-factor«, NGF,<br />

NT-3, NT-6, »neurotrophin-3/-6«, GDNF, »glial-cellline-derived-neurotrophic-factor«).<br />

In Diskussion in<br />

Bezug auf neurodegenerative Erkrankungen, Nervenläsionen<br />

sowie in Kombination mit anderen trophischen<br />

Faktoren (CNTF, FGF etc.). Entsprechende Rezeptoren<br />

sind p75NTR (p75) sowie p140trk (trkA, s. Tyrosinkinase-Rezeptor)<br />

für NGF. Nach Ligandenbindung wird der<br />

Neurotrophin-Rezeptorkomplex ins Innere des Neurons<br />

verschoben <strong>und</strong> zum Stoma transportiert. Die auslösbaren<br />

intrinsischen Wirkungen betreffen komplizierte<br />

neurotrophe Effekte, die das neuronale Überleben,<br />

Migration <strong>und</strong> Zellausdifferenzierung ( Zellproliferation<br />

bis zur Zellorganellbildung etwa von Synapsen)<br />

betreffen. Proinflammatorische Zytokine können von<br />

Makrophagen <strong>und</strong> Monozyten freigesetzt werden <strong>und</strong><br />

für Immunreaktionen wie die Akutphase-Reaktion,<br />

aber auch für allgemeine Körperreaktionen wie Schlaf<br />

etc. mitverantwortlich sein. Nach traumatischen, infektiösen<br />

oder degenerativen ZNS-Läsionen sind sie im<br />

ZNS nachweisbar. Potentiell könnte die Bekämpfung<br />

entsprechender Zytokine (mit Antikörper oder Rezeptorantagonisten)<br />

entsprechende Zytokin-induzierte<br />

Reaktionen blockieren.<br />

NGF. Abk. für »nerve growth factor«, s. Wachstumsfaktoren,<br />

»growth factors«.<br />

Nicholas, George Richard Rieb (Majorca/Vic-Australia<br />

1884-1960 ). Australischer Pharmazeut, entwickelte Verfahren<br />

zur Herstellung von Acetylsalicylsäure. Gründer<br />

der Smiths, Niebolas & Co. (1915), später Niebolas Proprietary<br />

Ltd.<br />

Nicolau-Syndrom. Typische Hautveränderungen nach<br />

akzidenteller intra- oder periarterieller Injektionstechnik<br />

mit Nekrosen, ähnliches ist nach i.m.-Applikationen<br />

bekannt (s. Buch Applikation).<br />

nichtsaure Pyrazolone. Ein Isomer der Kernsubstanz<br />

Imidazol ist Pyrazol, das durch eine Oxo- bzw. Keto-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 839<br />

gruppezum Pyrazolon wird, aus dem sich die Analgetika<br />

---7 Phenazon sowie ---7 Metamizol (Aminophenazol)<br />

ableiten lassen.<br />

Niere <strong>und</strong> Prostaglandinsystem. Das renale Prostaglandinsystem<br />

(COX-1 <strong>und</strong> COX-2) ist mitbeteiligt an der<br />

Autoregulation, d. h. am Selbstschutz der Nieren, die<br />

renale Perfusion, tubuläre Transportmechanismen,<br />

renale Hormonausscheidung umfassend. Im Nierenkortex<br />

werden offenbar v. a. Prostaglandine (PGE2,<br />

PGI2) zur dortigen Glomeruli- <strong>und</strong> Arteriolenregulation<br />

sowie Reninherstellung synthetisiert. Die renale<br />

Reninsekretion wird über Katecholamine <strong>und</strong> Prostaglandine<br />

reguliert. Im Nierenmarkbereich scheint das<br />

PGE2 eine wichtige Rolle zu spielen (Markperfusion,<br />

Elektrolytreabsorption, Arginin-Vasopressin-Synthese).<br />

Hormone wie Renin, Angiotensin, Noradrenalin<br />

<strong>und</strong> Vasopressin induzieren über die systemische durch<br />

diese Hormone ausgelöste Vasokonstriktion eine kompensatorische<br />

Erhöhung von renalen vasodilatierenden<br />

PG über den Phospholipaseweg. Eine iatrogene Hemmung<br />

durch PG-Hemm er kann die Nierenfunktion<br />

beeinträchtigen, v. a. bei Vorliegen begünstigender<br />

Kofaktoren wie (prä-, peri- oder postoperative) Hypovolämie,<br />

Hypotension, vorliegender Nierenschaden bei<br />

Hypertension, Arteriosklerose, Alter etc., s. auch ---7<br />

Prostaglandinrezeptoren.<br />

Nikolski-Zeichen. Pathognomisches Zeichen toxischer<br />

Hautreaktionen im Rahmen von UAW (s. Lyell-Syndrom,<br />

s. Tabelle Pathognomie kutane UAW, BuchE). Auf<br />

seitlichen Fingerdruck kann im Bereich der ges<strong>und</strong>en<br />

Haut die Hautschicht bzw. oberste Epidermislagen<br />

(Akantholyse) abgelöst werden. Nach dem russischen<br />

Hautarzt P. N. Nikolski (1858-1940) benannt.<br />

Nikotinrezeptoren. Neben der Muskarinklasse eine<br />

Hauptrezeptorenfamilie des cholinergen Rezeptorsystems<br />

mit Subtypen für Muskel- sowie neuronale Funktionen.<br />

NIPS. Engl. Abk. für »Neonatal Infant Pain Score« Im<br />

kanad. Ontario entwickelter Schmerzerfassungsskore<br />

( ---7 PIPP) für Neugeborene anband von Gesichtsausdruck,<br />

Weinen, Atmung, Haltung der Arme <strong>und</strong> Beine<br />

<strong>und</strong> Gemütszustand.<br />

Nissl, Franz (1860-1919). Bedeutender dt. Neurologe:<br />

Neuropathologie, Neurozytologie etc., thalamokortikale<br />

Verbindungen etc.<br />

NK. Abk. für Neurokine.<br />

NMDA-Antagonisten. Wirkstoffe, die kompetitiv<br />

NMDA-Rezeptoren besetzen <strong>und</strong> den natürlichen exzitatorischen<br />

Neurotransmitter ( Glu) verdrängen <strong>und</strong><br />

somit eine Sensibilierung bzw. Depolarisation der Postsynapse<br />

verhindern. Siehe ---7 Ketamin, ---7 Dextromethorphan<br />

<strong>und</strong> Dextrorphan, Felbamat, ---7 Amantadin<br />

<strong>und</strong> Memantin.<br />

NMDA-Rezeptor. Abk. für N-M ethyl-D-Aspartat-Rezeptor,<br />

bestehend aus Untereinheiten NR1, NR2A-D. Funktion:<br />

postsynaptischer Ca2+-Ionenkanal mit Bindungsstellen<br />

für Glutamat <strong>und</strong> Glycin (s. Buch A). Im depolariSierten<br />

Ruhezustand durch MgH-Ionenkanäle<br />

geblockt. Eine Membrandepolarisierung entfernt die<br />

Mg-Kanalblockade <strong>und</strong> erlaubt den Einstrom von Ca2+­<br />

Ionen (abhängig auch von Zn2+ -Ionen). Ein Kationenfluss<br />

kann durch eine im Kanal befindliche Phencyclidinandockstelle<br />

geblockt werden. Eine Bindung zu dieser<br />

Andockstelle ist gesteigert bei aktiviertem Kanal<br />

(z. B. durch Ketamin, einen offenen Kanalblocker bzw.<br />

NMDA-Antagonisten). Andere Rezeptorstellen interferieren<br />

mit dem NO-System etc.<br />

NO. Syn.: Stickstoffmonoxid, Stickoxid, multifunktionelles<br />

nitroses Biogas, früher als Koregulator des Dialogs<br />

zwischen Endothel <strong>und</strong> glatten Gefässmuskelzellen<br />

als ED RF (»endothelium-derived-relaxing-factor«)<br />

bezeichnet. Funktionen: Regulation von Vasodilatation!Vasokonstriktion,<br />

Hemmung von Plättchenaggregation<br />

<strong>und</strong> -adhäsion, Plättchenaktivation, wobei NO<br />

sowohl vom Endothel als auch von Plättchen synthetisiert<br />

wird, Leukozytenaktivierung, Proliferation glatter<br />

Muskelzellen, Neurotransmitter. Biosynthese: aus L­<br />

Arginin via konstitutive <strong>und</strong> induktive NO-Synthase<br />

bzw. via 0 2 - Aufnahme <strong>und</strong> Rezyklierung über L-Citrullin.<br />

Das NO-System kann Ca-abhängig oder Ca-unabhängig<br />

aktiviert werden, beispielsweise kann das Gefässendothel<br />

über entsprechend aktivierte Acetylcholin-<br />

oder Bradykininrezeptoren einen Kalziumioneninflux<br />

induzieren, eine erhöhte intrazelluläre Ca-Konzentration<br />

stimuliert die konstitutive NO-Synthase, die<br />

über L-Arginin NO de novo in Picomolquantitäten freisetzt<br />

<strong>und</strong> in glatten Muskelzellen die lösliche Guanylatezyklase<br />

(SGC) mit entsprechender Erhöhung des<br />

zyklischen Guanosinmonophosphats (aus GTP) stimuliert<br />

- mit dem Ergebnis einer Muskelrelaxation. Kalziumunabhängig<br />

können Endothel <strong>und</strong> glatte Muskelzellen<br />

durch zellmembranagierende Zytokine mit einer<br />

kontinuierlichen NO-Synthaseproduktion reagieren.<br />

Diese Reaktion ist durch Kortikosteroide hemmbar -<br />

zytokininduzierter septischer Schock - <strong>und</strong> kann entsprechend<br />

über kontinuierliche Aktivierung der löslichen<br />

Guanylatzyklase kontinuierlich eine längerdauernde<br />

Relaxation induzieren. Diese Reaktionen können<br />

durch NO-abgebende Wirkstoffe imitiert werden. Das<br />

endogene Nitrosystem umfasst verschiedene NO-Formen,<br />

so mit freiem Elektron (NO-), Nitrosoniumion<br />

(NO+): ---7 Redoxfunktionen. Endogene Nitrate wie<br />

N0 3 - werden mehr ausgeschieden als eingenommen.<br />

Bei Fieber beispielsweise ist die renale Ausscheidung<br />

von endogenen Nitraten vervielfacht. Link Immunsystem:<br />

stimulierte Makrophagen produzieren Nitrite,<br />

N0 3 -, N-Nitrosamine, wobei das Intermediärprodukt<br />

NO zytotoxische Eigenschaften aufweist. Link Nozizeptionssystem:<br />

bei starker synaptischer Nazitransmission


840 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

bzw.Aktivierung der postsynaptischen NMDA-Rezeptoren<br />

erfolgt ein intrazellulärer Kalziumionenstrom. Eine<br />

intrazelluläre Kalziumionenkonzentrationserhöhung<br />

aktiviert die konstitutive NO-Synthase der Sek<strong>und</strong>ärafferenz;<br />

das aus L-Arginin postsynaptisch gebildete NO<br />

rediff<strong>und</strong>iert nun als »retrograder Transmitter« in die<br />

Präsynapse der Primärafferenzen, wo es die Freisetzung<br />

des rapiden Transmitters ~ Glutamat fördert. Somit<br />

schaukelt sich eine pronozizeptiver synaptischer Nazitransmissionsmechanismus<br />

auf. NO ist möglicherweise<br />

für zelluläre Lernfunktionen sowie ~ Plastizität des<br />

nozizeptiven Systems mitverantwortlich. Therapeutisch<br />

sind NO-Donatoren wie Trinitrate einsetzbar (z. B. »chemische<br />

Sphinkterotomie«, s. BuchF<strong>und</strong> G). Ebenfalls in<br />

Diskussion sind ~ Hemmer der iNO-Synthase. Für die<br />

Entdeckung des NO-Systems erhielten 1998 die amerikanischen<br />

Forscher Robert F. Furchgott, Ferid Muard<br />

<strong>und</strong> Louis J. Ignarro den Nobelpreis für Medizin.<br />

NOA. In Deutschland gebräuchliche Abk. für »Nicht­<br />

Opioidanalgetika ohne antiphlogistische Eigenschaft«,<br />

betrifft nichtsaure antipyretische Analgetika, wie ~<br />

Paracetamol, ~ Metamizol, ~ Phenazon <strong>und</strong> ~ Propyphenazon.<br />

NOAM. Abkürzung für in Deutschland gebräuchliche<br />

Bezeichnung »Nicht-Opioidanalgetika ohne antiphlogistische<br />

sowie muskelrelaxierenden Eigenschaften«, s. ~<br />

Flupirtin (Wirkstoffprofil Buch B).<br />

Nobelpreis. Für Physiologie <strong>und</strong> Medizin vom schwedischen<br />

Industriellen Alfred Nobel (1833-1896) eingeführter<br />

Wissenschaftspreis. In seinem Testament von 1895<br />

sind Richtlinien für die Preisverleihung zu finden.<br />

Nobel, unter dem damaligen Zeiteindruck der »Physiologie<br />

als F<strong>und</strong>ament der Medizin«, beschäftigte sich als<br />

Amateur u. a. mit physiologischen Experimenten zur<br />

Bluttransfusion. Aus dieser Sichtwarte ist der Preis <strong>und</strong><br />

die bezeichnende Namengebung »für die bedeutendste<br />

Entdeckung im Bereich von Physiologie oder Medizin«<br />

zu verstehen. Nobel war mit der Österreichischen Pazifistirr<br />

Bertha von Suttner (geb. Gräfin Kinsky Prag<br />

1843-1914 Wien; s. auch Henri Dunant) befre<strong>und</strong>et, die<br />

ihn zur Stiftung eines Friedensnobelpreises bewegen<br />

konnte, den sie selbst 1905 für ihre weltbekannten pazifistischen<br />

Aktionen erhielt. Ihr Buch »Die Waffen nieder«<br />

(Dresden 1889) wurde auf »Bücherverbrennungen«,<br />

so am 10.05.1933- durchgeführt durch dem nationalsozialistischen<br />

deutschen Studentenb<strong>und</strong> »Wider<br />

den <strong>und</strong>eutschen Geist« ( Originalzitat) - bzw. vom<br />

30.04.1938 nach dem Anschluss auf dem Salzburger<br />

Residenzplatz mit einem Grossteil der deutschen Literatur<br />

(Heine, Mann, Zweig, Remarque, Roth, Tucholsky,<br />

Renn, von Ossietzsky etc.) eingeäschert.<br />

NO-Syntethase. Enzym, dass die Konversion von L­<br />

Arginin, NADPH <strong>und</strong> Sauerstoff zu Citrullin, NO <strong>und</strong><br />

NADP+ im Beisein von Kalziumionen katalysiert.<br />

Noceboeffekt. 1961 durch Kennedy beschriebener Konditionsreflex,<br />

der durch negative Erwartungen aktiviert<br />

wird <strong>und</strong> Antagonist zum ~ Placeboeffekt ist. Nocebostimuli<br />

wie Angst, Misstrauen, Zweifel können aversive,<br />

paradoxe Effekte auslösen, Hyperalgesie statt Analgesie.<br />

Als extremer Noceboeffekt gilt der bei Primitiven durch<br />

Angst auslösbarer Voodoo-Tod. In der moderen Gesellschaft<br />

wird der Noceboeffekt an Bedeutung gewinnen:<br />

soziapolitische »Aufklärung« gegenüber »allem Chemischen«<br />

vs. » nichtchemische Heilkraft des zunehmenden<br />

Schamanentums« im Kontext der Umweltveränderung<br />

etc. Der Kopfwehtest bei Probanden (Schweiger u. Parducci<br />

1981: s. ~ negativer Placeboeffekt) wird regelmäßig<br />

in der Presse beschrieben im Kontext »elektrisch-magnetischer«<br />

Schäden <strong>und</strong> Gefahren in der<br />

Nähe von Hochspannungsleitungen (elektromagnetische<br />

Pollution).<br />

Nociception. Lat. Nocere, noceo: schädigen, noxa,<br />

noxae: der Schaden <strong>und</strong> capere: erfassen, Syn. Nozizeption.<br />

Das Warn- <strong>und</strong> Abwehrsystem der thermischen,<br />

chemischen <strong>und</strong> mechanischen Schadenerfassung<br />

(s. auch Schmerz, Buch A).<br />

Nociceptin. Syn.: Nozizeptin, s. Buch B, endogener Peptidligand<br />

für ~ Orphan-ähnlichen Opioidrezeptor.<br />

Noda Hiroharu (Kyoto/Japan 1936-1991 Indiana/USA)<br />

bedeutender Neurophysiologe (ZNS).<br />

Nonresponder. Patient, der auf einen Wirkstoff »nicht<br />

anspricht« (z. B. langsamer Verstoffwechsler metabolisiert<br />

Prodrug Kodein nicht zu Morphin mit dem Resultat:<br />

keine Analgesiewirkung, s. auch Checklisten zentrale<br />

Schmerzmittel Buch C).<br />

Noradrenalin. Norepinephrin INN; Abk. NA. Formel:<br />

(H0) 2 C 6 H 3 -CH(OH)-CH 2 NH 2 • Hormon des Nebennierenmarks,<br />

peripherer Neurotransmitter (postganglionär<br />

adrenerge bzw. sympathische Synapsen), zentraler<br />

Neurotransmitter im ZNS (s. Buch A: retikuläres<br />

Systemm, Hypothalamus, Locus coeruleus). Die NA­<br />

Synthese erfolgt über Tyrosin (Hydroxylase) ::::> DOPA<br />

(Decarboxylase) ::::> Dopamin (Dopamin-ß-Hydroxylase)<br />

::::> Noradrenalin {N-Methyltransferase) ::::> Adrenalin.<br />

Die NA-Speicherung erfolgt in synaptischen Vesikeln;<br />

die Freisetzung <strong>und</strong> der »Reuptake« über aktive<br />

Transportsysteme (abhängig von MgH, ATP) in Quanten<br />

bei Eintreffen eines Aktionspotential in Anwesenheit<br />

von Ca2+-Ionen. Die physiologische NA-Wirkung<br />

ist kurz <strong>und</strong> wird durch »Reuptake« (ca. 8oo/o) durch<br />

postanglionäre Nervenendigung oder (zu einem kleinen<br />

Teil) enzymatischen Abbau ( ~ MAO <strong>und</strong> ~<br />

COMT) beendet. Die NA-Elimination erfolgt in einer<br />

täglichen Menge von 2-4 g renal in der Form der Vanillinmandelsäure.<br />

NA wie Adrenalin ermöglichen die<br />

sympathischen Kampf- <strong>und</strong> Fluchtfunktionen mit entsprechend<br />

erhöhter Herzleistung (positive Ino- <strong>und</strong><br />

Chronotropie, Hypertension), erhöhtem Glykogen-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 841<br />

bzw. Energieumsatz, Bronchodilatation, Perfusionsänderung<br />

zuungunsten der Peripherie, zugunsten der<br />

Muskulatur. Der Ire Robert Ford Whelan (Belfast<br />

1922-1984) inf<strong>und</strong>ierte sich in einem Selbstexperiment<br />

eine Mischung von Noradrenalin <strong>und</strong> Adrenalin 1949<br />

mit der Folge von irren Kopfschmerzen, BD<br />

235/150 mmHg, Hirnödem, schweren Abdominal- <strong>und</strong><br />

Thoraxkrämpfen, die zur Notfalleinweisung führten.<br />

Die Kopfschmerzattacken hielten noch 12 Tage an.<br />

Nordenboos, N. (?-?). Bedeutender holländischer<br />

Schmerzphysiologe, beschrieb die polysynaptische<br />

Afferenzbahn Tractus spinothalamicus <strong>und</strong> verwies auf<br />

die Möglichkeit der Signalmodulation an Synapsen:<br />

»Pain: problems pertaining to the transmission of nerve<br />

impulses which give rise to pain« (1959).<br />

NOS. Abk. für NO-Syntethase, der ultrakurze, multipotente,<br />

ubiquitäre gasförmige Neurotransmitter ---+ NO<br />

wird u. a. im schmerzverarbeitenden Hinterhorn u. a.<br />

postsynaptisch über eine konstitutionelle sowie induktive<br />

(i) NOS produziert (s. Buch A, sowie Buch F).<br />

Noskapin. Syn.: Noscapin, Narkotin,---+ Opiumalkaloide<br />

(Buch B/C).<br />

Nosomanie. Wahn <strong>und</strong> Angst, an einer körperlichen.<br />

Erkrankung zu leiden.<br />

Nosophobie. Pathologische Angst vor Erkrankung (z. B.<br />

Beispiel: Karzinophobie =Angst vor Krebs).<br />

Nostalgie. Griech.: n6stos: Heimkehr, durch den Basler<br />

Arzt J. Hofer in seiner »Dissertatio medica de Nostalgia<br />

oder Heimweh« 1678 beschriebener seelischer Schmerz<br />

der Sehnsucht nach Heimat.<br />

Notalgie. Rückenschmerz.<br />

Notker Balbulus (ca. 840-912). »Der Stammler«, Benediktiner<br />

im Kloster St. Gallen (das mit dem Kloster der<br />

Insel Reichenau einen engen Kulturaustausch pflegte),<br />

Lehrer, Bibliothekar, Dichter <strong>und</strong> Vorgänger der heutigen<br />

Schmerz-Tod-Philosphie.<br />

»Media vita in morte sumus«.<br />

Nozizeption. Lat. nocere: Schaden zufügen, capere: erfassen.<br />

Schadenerfassung, neurophysiologischer Begriff,<br />

der alle Mechanismen, mit denen schädigende Reize<br />

erkannt <strong>und</strong> verarbeitet werden, bezeichnet. Als Antinozizeption<br />

wird die Unterdrückung der Prozessierung von<br />

noziven Reizen durch körpereigene Mechanismen<br />

(s. Endorphinsystem) oder iatrogen (pharmakologische<br />

Antinozizeption: ---+ Antinozizeptiva) beschrieben.<br />

Nozizeptor. Ein---+ Sensor (Nozisensor), der schädigende<br />

Reize erkennen <strong>und</strong> in ein spezifisches Nervensignal<br />

transduzieren kann (A 6 -, C- Nozisensoren, s. Buch A).<br />

Nozizeptorschmerz. Schmerz, der durch Stimulation<br />

von ---+ Nozizeptoren entsteht. (s. ---+Schmerzeinteilung<br />

BuchA).<br />

NSAID. Abk. für »non-steroidal anti-inflammatory<br />

drugs«, s. ---+ saure antipyretische Analgetika (sAA).<br />

NSAR. Abk. für nicht-steroidale Antirheumatika ---+<br />

saure antipyretische Analgetika (sAA) mit antiphlogistischer<br />

Eigenschaft bezeichnet (s. Buch D/E/F).<br />

NT. Abk. für Neurotrophine.<br />

Nucleus accumbens. Kernsystem des Mittelhirns, »Zentrum<br />

für das sogenannte Belohnungssystem«, s. Buch A.<br />

Nussbaum, Felix (Osnabrück 1904-verschollen). Bedeutender<br />

Maler, Ausbildung in Harnburg <strong>und</strong> Berlin, wo er<br />

die Malerin Felka Platek kennenlernt, Arbeiten in Rom<br />

(Villa Massimo, als Studiengast der Deutschen Akademie),<br />

Paris, Ostende, Brüssel, wo er 1940 verhaftet wurde.<br />

Internierungslager Saint Cyprien (s. auch A. ---+ Schweitzer).<br />

Flucht über Bordeaux nach Brüssel. Im Juli 1944<br />

zusammen mit seiner Frau Felka verhaftet <strong>und</strong> über das<br />

Sammellager Mechelen zum KZ Ausschwitz gebracht,<br />

dort wo auch sein Bruder sowie seine Eltern hingeführt<br />

worden waren. Verschollen bzw. 1946 aus dem belgiseben<br />

Judenregister gestrichen. 1998 wurde in Osnabrück ein<br />

von Daniel Libeskind konzipiertes Felix-Nussbaum­<br />

Museum als Raum gegen das Vergessen eröffnet.<br />

Nussbaum, Johann Nepomuk (1829-1890). Chirurgieprofessor<br />

in München; führte in Deutschland die chirurgische<br />

Antisepsis sowie Prämedikation ein, indem er<br />

durch die Gabe von 1 g Morphinacetat den perioperativen<br />

Chloroformbedarf verringern konnte.<br />

Nyktalgie. Nur nachts auftretende Schmerzen.<br />

Obdormition. Parästhesie im Sinne des »Einschlafens«<br />

von Extremitäten.<br />

Oberflächenanästhesie. Auschatten der Schmerzempfindung<br />

an Oberflächen (Hautorgan, Schleimhäute).<br />

Oberflächenschmerzen. An Hautoberfläche empf<strong>und</strong>ene<br />

Schmerzen (vgl.---+ Tiefenschmerzen).<br />

Oberflächensensibilität. Thermische <strong>und</strong> mechanische<br />

Sensibilität an der Hautoberfläche (Berührungssinn,<br />

Wärmesinn).<br />

Oberst, M.A. (1849-1925). Nach ihm wird die Oberst­<br />

Leitungsanästhesie an Finger <strong>und</strong> Zehen benannt.<br />

ODA. Abk. für »On demand analgesia«.<br />

Okzipitalneuralgie. Hinterhauptsneuralgie (z. B. als<br />

Folge einer Zervikalspondylose ).<br />

Okzipitalstich. Ältere Bezeichnung für Zugang zur zerebellomedullären<br />

Zisterne, z. B. für supraspinale intrathekale<br />

Wirkstoffapplikation.


842 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Ommaya-Reservoir. Nach A.K. Ommaya <strong>und</strong> R.A. Ratcheson,<br />

1968, sowie A.K. Ommaya 1984:«Implantable<br />

devices for chronic access and drug delivery to the central<br />

nervaus system« im Bereich des ZNS stereotaktisch<br />

implantierbares Reservoir, das als therapeutisches<br />

System (früher hauptsächlich zur Liquordrainage) eingesetzt<br />

werden kann.<br />

Omodynie. Syn.: Omalgie, Schmerzen im Schulterbereich.<br />

Onkogen. »Geschwulst erzeugend«, Gensequenzen die<br />

zur Eiweißbiosynthese von Proteinen führen. Protoonkogene<br />

wie c-fos, c-jun sind zuerst im Tierversuch mit<br />

Retroviren nachgewiesen worden, sie werden zu den<br />

sog. Transskriptionsfaktoren gezählt. Protoonkogene<br />

sind instabil <strong>und</strong> werden über multiple proteolytische<br />

Abbauwege degradiert.<br />

Opioid-rotating. Wechsel von einem Opioid auf ein anderes<br />

Opioid gleicher Dynamik innerhalb der gleichen<br />

Stufentherapie, Indikation: bei unzureichender Analgesie<br />

nach einer gewissen Zeit, wegen Vorkommen<br />

einer inkompletten Kreuztoleranz, wird in der Regel<br />

die Dosis des Zweitopioids um ca. 30-50% reduziert<br />

<strong>und</strong> entsprechend mögliche Analgesielücken durch<br />

nichtretardierte, raschwirksame Opioide geschlossen<br />

(s. Buch C).<br />

Opiat. Natürliche Wirkstoffe, die eine selektive Affinität<br />

zu Opioidrezeptoren aufweisen.<br />

Opiattrias. Opiattypische Nebenwirkungen: Atemdepression,<br />

Koma, Miosis.<br />

Opioidligand. Ligand mit hoher, selektiver Affinität zu<br />

einem der Opioidrezeptoren. Man kann zwischen<br />

natürlichen (Opiat) sowie synthetischen Endo- <strong>und</strong><br />

Exoliganden unterscheiden.<br />

Opioidrezeptoren. Rezeptoren, die eine pharmakologisehe<br />

Affinität zu opioidergen Exo- <strong>und</strong> Endoliganden<br />

haben. Man unterscheidet 3 Subtypen, nämlich j.l­<br />

Rezeptor (MOR bzw. Opioidrezeptor-3), K-Rezeptor<br />

(KOR bzw. Opioidrezeptor-2) <strong>und</strong> 6-Rezeptor (DOR<br />

bzw. Opioidrezeptor-1). Daneben werden putative<br />

Rezeptoren wie Orphan-like-OR diskutiert (s. Buch<br />

B).<br />

Opium. Eingetrockneter Milchsaft der unreifen Früchte<br />

von Schlafmohn. Besteht zu ca. 75% aus inerten Stoffen<br />

(Kautschuk, Pektin, Harze, Wachse etc.) <strong>und</strong> zu 25% aus<br />

Alkaloiden, die an organische Säuren (insbesondere<br />

Mekonsäure) geb<strong>und</strong>en sind. Von den Alkaloiden können<br />

2 Gruppen unterschieden werden: die Gruppe der<br />

~ Phenanthrene (auch Morphinanreihe genannt: Morphin,<br />

Codein, Thebain; s. Buch B) sowie die Gruppe der<br />

nicht analgetisch, aber spasmolytisch wirkenden Benzylisochinoline<br />

(Papaverin, Narcotin). Wahrscheinlich<br />

aus Zypern während der 18. Dynastie (1551-1436 v. Chr.)<br />

nach Ägypten importiert (aufgef<strong>und</strong>en wurden u. a.<br />

Töpfe mit Papaver-somniferum-Samen) <strong>und</strong> damit im<br />

Mittelmeerraum verwendet.<br />

Opium concentratum. Opiumkonzentrat (enthält ca.<br />

so% Morphin).<br />

Opium crudum. Rohopium.<br />

Orchialgie. Testikuläre akute oder chronische primäre<br />

<strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre Schmerzzustände.<br />

Organon. Durch durch Salomon van Zwanenberg <strong>und</strong><br />

Professor Ernst Laqueur 1923 in Oss, Niederlande,<br />

gegründetes pharmazeutisches Unternehmen. Der<br />

Organonforscher Tausk arbeitete u.a. mit T. ~Reichstein<br />

zusammen.<br />

Organum vasculosum laminae terminalis. Syn.supraoptische<br />

Krete, prächiasmatische Drüs. Zirkumventrikuläres<br />

Organ mit fenestrierten Kapillaren, weitem,<br />

flüssigkeitsgefülltem Perivaskularraum <strong>und</strong> Neuronen<br />

mit Projektion in supraoptische Kerngebiete. Putative<br />

Funktion: Sensorfunktion für das ZNS, z. B. Detektion<br />

im Blut zirkulierender Immunsignale wie IL-1 <strong>und</strong><br />

sek<strong>und</strong>äre Aktivatierung des zentralen induzierbaren<br />

präoptischen COX-2 Systems (z. B. Fieberreaktion).<br />

OROS. Abk. für orale osmotische Systeme ( ~ therapeutische<br />

Systeme).<br />

orphan drugs. Umsatzschwache, deshalb in den USA<br />

durch einen Spezialstatus unterstützte, oft lebensrettende<br />

Medikamente, die im Rahmen der von Markenherstellern<br />

getätigten Forschung anfallen, bezeichnenderweise<br />

nie von sogenannten (forschungsfremden)<br />

Generikaherstellern.<br />

Orphan-like-Rezeptor. In die Koregulation der Freisetzung<br />

von Methionin-Enkephalin involviert, bei Aktivierung<br />

kann eine Naloxon-unabhängige Hyperalgesie<br />

(wahrscheinlich über G-Protein -aktivierte K+-Kanäle)<br />

bis opioid-abhängige Hypoalgesie induziert werden. Da<br />

seine Affinität für die 3 klassischen Opioidrezeptoren<br />

].l-!K-!6- niedrig ist, gilt er nicht als eigentlicher Opioidrezeptor<br />

(s. Buch B). Protein von 370 Aminosäuren,<br />

G-Protein-gekuppelt, 7 Membrandomainen, strukturmässig<br />

mit Dynorphin A verwandt. Im ZNS v. a. im limbisehen<br />

System (Mandelkern, Hippocampus, Septum,<br />

Habenula) sowie Hypothalamus <strong>und</strong> Rückenmark<br />

nachweisbar. Endoligand ~ Nociceptin, hohe Affinität<br />

auch für ~ Etorphin <strong>und</strong> ~ Lofentanil.<br />

Ossietzky, Carl von (Hamburg 1889-1938 Berlin). Einer<br />

der engagiertesten deutschen Republikaner (»Das freie<br />

Volk«) <strong>und</strong> Pazifisten (»Deutsche Friedensgesellschaft«,<br />

1919). Publizist der Weltbühne, als Nachfolger von Siegfried<br />

Jacobsohn <strong>und</strong> Kurt Tucholsky. 1933 durch die<br />

Gestapo verhaftet <strong>und</strong> im KZ Sonnenburg inhaftiert.<br />

Wegen seiner Nomination zum Friedensnobelpreis auf


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 843<br />

Anweisung Hitlers 1936 entlassen. An den Folgen der<br />

KZ-Haft frühzeitig in Berlin verstorben.<br />

Ostealgie. Knochenschmerz.<br />

Osteodynie. Knochenschmerz.<br />

Osteopathia idiopathica Albright-Reifenstein-Forbes.<br />

Generalisierte, schubweise auftretende Knochenschmerzen<br />

unbekannter Genese (Hyperkalziurie,<br />

Hyperkalzämie, Asthenie).<br />

Otalgie. Syn.: Otagra, Otodynie, Schmerzzustände im<br />

Ohrbereich.<br />

OTC. Engl. Abk. für »Over the counter« (»Über die<br />

Theke«), nicht der Rezeptpflicht oder aus der Rezeptpflicht<br />

entlassene Arzneimittel zur Selbstmedikation.<br />

Overton, C.E. (Cheshire 1865-1933 L<strong>und</strong>). In England als<br />

fernerVerwandter Darwins geborener <strong>und</strong> im schwedischen<br />

L<strong>und</strong> verstorbener Universalforscher (Botanik,<br />

Anästhesiologie, Pharmakologie, Physiologie). Veröffentlichte<br />

1899 u. a.: Ȇber die allgemeinen osmotischen<br />

Eigenschaften der Zelle: ihre vermutlichen Ursachen<br />

<strong>und</strong> ihre Bedeutung für die Physiologie«, Zürich, sowie<br />

Monographie 1901 »Studien über die Narkose, zugleich<br />

ein Beitrag zur allgemeinen Pharmakologie«, Jena,<br />

heute Gr<strong>und</strong>lage der sogenannten ~ Overton-Meyer­<br />

Narkosetheorie. Overton zitiert im Einführungsteil seiner<br />

schon im Aufbau beispielhaften Schrift u. a. die<br />

Odyssee, wo Helena dem Telemachus einen Leiden <strong>und</strong><br />

Schmerz vergessenden Trank zubereitet <strong>und</strong> verweist<br />

auf das Interesse von Berichten über Opium- <strong>und</strong><br />

Cannabis-indica-Erlebnissen <strong>und</strong> zitiert schlussendlich<br />

den Beginn der Narkoseära mit Borace Wells sowie<br />

Humphrey Davies. U. a. verweist Overton auf die Arbeiten<br />

der bedeutenden frz. Schule (A. Dastre, R. Dubois, P.<br />

Bert), v. a. Claude ~ Bernard (»Lecons sur les effets des<br />

substances toxiques et medicamenteux«, 1857), die versuchte,<br />

zwischen Anästhetika <strong>und</strong> Narkotika zu unterscheiden<br />

<strong>und</strong> entsprechende Tierversuche mit Chloroform<br />

oder Morphin unternahm. In Overtons Narkosestudien<br />

wurden u. a. methodisch die Wirkstoffe ~Antipyrin,<br />

~ Nikotin, ~ Morphin <strong>und</strong> ~ Thebain auf ihre<br />

Wirkung am Frosch untersucht. Auch erwähnte der<br />

Autor in seinen Schlussfolgerungen die Möglichkeit,<br />

durch direkte Applikation am Nerven eine reversible<br />

Transmissionshemmung erzeugen zu können. Overton<br />

unterschied spezifische <strong>und</strong> unspezifische Narkotika. Er<br />

beschrieb die transzelluläre Passage dieser Stoffe <strong>und</strong><br />

die passive Elimination, sobald die Wirkstoffkonzentration<br />

in der extrazellulären Flüssigkeit abnimmt. Er<br />

postulierte eine reversible chemische Interferenz dieser<br />

Stoffe mit der neuronalen Lipidmembran <strong>und</strong> beschrieb<br />

die Relation zwischen Partitionskoeffizient <strong>und</strong><br />

Potenz sowie die Relationen zwischen chemischen<br />

Struktureigenschaften <strong>und</strong> Wirkung. Im Appendix<br />

beschrieb er mögliche Detoxifikationsverfahren mittels<br />

Dialyse: in aufsteigender Konzentration wird die Intoxikationsphase<br />

am Versuchstier induziert, danach durch<br />

Eintauchen in Lösungen bzw. Lösungskammern entgiftet.<br />

Die präzisen Versuchsanordnungen führten zur<br />

Erweiterung dieser Methode (Peritonäalspülungen,<br />

Intestinalspülungen etc.). Overton weist u. a. auf die<br />

Bedeutung der Serumkonzentration des Wirkstoffes,<br />

auf die Ionenzusammensetzung der Spülflüssigkeit, auf<br />

die Relation Ionisierung <strong>und</strong> Membranpenetrationsfähigkeit,<br />

auf die künstliche Ansäuerung <strong>und</strong> forcierte<br />

Diurese als Eliminationsmechanismus etc. hin.<br />

Owen, Wilfred (1893-1918). Brit. Literat, mehrfach verw<strong>und</strong>et,<br />

starb 1 Woche vor Kriegsende in einem<br />

Gefecht.<br />

OWS. Abk. für »Opiate withdrawal syndrome«.<br />

P.ae. Abk. für »partes aequales«: zu gleichen Teilen.<br />

Pacchionische Granulationen. Nach dem röm. Anatomen<br />

A.P. Pacchioni (1665-1726) benannte arachnoidale<br />

Granulationen zur Liquorresorption.<br />

Pacini, F. (1812-1883). Florenzer Anatom, veröffentlichte<br />

1849 in Pistoia Arbeiten u. a. über die Corpuscula lamellosa<br />

(Vibrationsrezeptoren): »Nuovi organi scoperti nel<br />

corpo umano«.<br />

PAG. Abk. für periaquäduktales Grau. Die elektrische<br />

Stimulation des PAG, die eine zentrale Analgesie auslöst,<br />

wurde 1969 durch D.V. Reynolds zum ersten Mal<br />

beschrieben (s. Buch A).<br />

Pages, Mirave Fidel (Huesca 1886-1923 Autounfall).<br />

Span. Chirurg, gründete 1919 »Revista Espanola de Cirurgia«,<br />

sowie »Anestesia metamerica« (1921). Ihm (<strong>und</strong><br />

nicht~ Dogliotti) wird von span. Seite die Begründung<br />

der Epiduralanästhesie zugeschrieben.<br />

Pagni, Carlo Alberto (La Spezia *1931). Professur/Direktion<br />

des Departements für Neurochirurgie der Universität<br />

Torino {Turin/Piemont). Publizierte 1969 mit Cassinari:<br />

»Central pain. A neurosurgical survey«, Harvard<br />

Univ.-Press, Cambridge/Mass. Weitere Buchpublikationen<br />

u. a. mit ~ Bonica <strong>und</strong>~ Ventafridda 1974 »Recent<br />

advances on pain. Pathophysiology and clinical aspects«<br />

{Thomas, Springfield Ill) <strong>und</strong> 1982 »Advances in pain<br />

research and therapy« (Vol. 4, Raven Press, New York).<br />

Gründungsmitglied ~ IASP sowie AISD (Italian Association<br />

for the Study of Pain).<br />

Pain. Das englische Wort hat seinen Ursprung im lateinischen<br />

Wort poena <strong>und</strong> im griechischen Wort poine.<br />

Poena kann mit Strafe übersetzt werden, das griechische<br />

Wort poine lässt sich mit Pein umschreiben. Penalty,<br />

dt. Strafstass (s. Buch H-J}.


844 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Pain. Publikationsorgan der~ IASP (1975).<br />

Painfui-arm-and-moving-fingers-Syndrom. Sehr seltenes<br />

Schmerzsyndrom mit kontinuierlichen unwillkürlichen<br />

(schmerzhaften) Kontrakturen der Handmuskeln.<br />

Pallästhesie. Vibrationsgefühl, Tiefensensibilität, kann<br />

bei Polyneuropathien verändert sein.<br />

palliativ. Lat. pallium, dt. der Mantel. Im Gegensatz zu<br />

»kurativ« (lat. curare, dt. heilen) nur symptombehandelnd,<br />

z.B. Befreiung <strong>und</strong> Linderung von lebensvergällenden<br />

Symptomen wie Schmerz, Angst, Nausea <strong>und</strong><br />

Emesis etc.<br />

Panizza, Oskar (Bad Kissingen 1853-1921 Würzburg).<br />

Studium der Medizin, Philosophie <strong>und</strong> Literatur. Nach<br />

Promotion Arzt in einer Münchner Irrenanstalt. Wurde<br />

wegen »Vergehens wider die Religion« zu einem Jahr<br />

Gefängnis verurteilt. Verfiel im späteren schweizer Exil<br />

dem Wahnsinn. 1886 »Düstere Lieder«, 1893 »Die unbefleckte<br />

Empfängnis der Päpste«.<br />

Papez, James (1883-1958). Bedeutender am. Neurologe.<br />

»Comparative neurology« (1929). Postulierte Funktionskreise<br />

zwischen Hippocampus ~ Thalamus Kortex<br />

Cingulatum Hippocampus (s. Buch A).<br />

Pappelsalbe. Enthält Salicin, Populin, Gerb- <strong>und</strong> Aromastoffe<br />

etc. In der Volksmedizin als antiphlogistischanalgetische<br />

Salbe verwendet.<br />

Paracelsus, Phitipp Theophrastus Bombastus von<br />

Hohenheim (1493-1541). Arzt <strong>und</strong> Naturforscher;<br />

schrieb über Opium:<br />

»Ich habe ein Arcanum, beiße ich Laudanum,<br />

ist über alle, wo es zum Tode weichen<br />

will4C.<br />

Paracelsus erwähnte als erster die Sage der Wassernymphe<br />

Undirre (s. Buch B: ~ Undines Fluch).<br />

paradoxe Analgesie. Das Phänomen, dass durch minimale<br />

Gabe von spezifischen Opioidantagonisten (Naloxon)<br />

ein analgetischer Effekt ausgelöst werden kann.<br />

Parästhesie. Missempfindungen, z. B. Kribbeln, Ameisenlaufen<br />

etc.<br />

Pan!, Ambroise (ca. 1510-1590). Barbier, Königs- <strong>und</strong><br />

Kriegschirurg. Behandelte als erster Schussw<strong>und</strong>en mit<br />

kühlenden Salben (statt siedendem Öl) <strong>und</strong> erfand<br />

lokale Nervenkompression zu Analgesiezwecken. Beschrieb<br />

nach peripherer Nervenläsion auftretende<br />

(neuropathische) Schmerzzustände von brennendem<br />

Charakter bei König Charles IV.<br />

Parenteralia. Arzneitmittel für parenterale Anwendung,<br />

Iniectabilia (Injektionsflüssigkeiten), Inf<strong>und</strong>ibilia<br />

(Infusionsflüssigkeiten). Zu den Parenteralia werden<br />

auch entsprechende Injektionspulver (Pulveres solvendi<br />

parenterales) <strong>und</strong> Injektionstabletten (Compressi<br />

solvendi) gerechnet, die entsprechend fachgerecht (steril,<br />

blutverträglich etc.) in Lösungen aufgelöst werden<br />

müssen.<br />

Parese. Unvollständige Paralyse.<br />

Parkinson, James P. (1755-1824 Hoxton/England). Chirurg,<br />

postulierte, dass Kenntnisse in den klassischen<br />

Sprachen, Philosophie sowie Stenographie Voraussetzungen<br />

für das Arzstudium seien. Daneben auch Sozialkritiker,<br />

Hobby-Geologe <strong>und</strong> Paläontologe. Nach ihm<br />

wird der Morbus Parkinson sowie das Parkinson-Syndrom<br />

benannt. 1817: »An essay of the shaking palsy«<br />

(ebenfalls nach P. Ausdruck: Paralysis agitans). Als Parkinsonoid<br />

wird die medikamentös (s. Dopaminantagonisten)<br />

induzierte Symptomatik mit Rigor, Tremor, Akinese<br />

etc. bezeichnet.<br />

paroxysmal. In Anfällen auftretend.<br />

PASS. Abk. für »Pain Anxiety Symptoms Scale« (s. Buch<br />

A).<br />

Pastae Pasten, hochkonzentrierte Suspensionen, die aus<br />

unlösliche Pulvern, flüssigen oder salbenartigen Vehikeln<br />

bestehen.<br />

Pasternak, Gavril W. (Brooklyn/New York *1947). Ausbildung<br />

<strong>und</strong> später Lehre <strong>und</strong> Forschung in Neurologie,<br />

Pharmakologie, Chemie, Algesiologie an führenden<br />

Instituten (Johns Hopkins University, Memorial Sloan­<br />

Kettering Cancer Center, Cornell University, The New<br />

York Hospital), mehr als 270 wissenschaftliche Publikationen<br />

<strong>und</strong> Bücher: »Analgesics: neurochemical, behavioral<br />

and clinical perspectives« zusammen mit J.M.<br />

Kuhar (Raven Press, New York 1984); » The opiate receptors«<br />

(Raven Press, New York 1988), editoriale Tätigkeiten<br />

( u. a. Life Sciences, Molecular Pharmacology, J Pharmacol<br />

Exp Ther, Cell Mol Neurobiol, Synapse, Neuropharmacol<br />

etc.). Erhielt diverse akademische Ehrungen.<br />

Pathos. Griech. seelischer Schmerz ( ~ Tschaikowski<br />

hat Pathos musikalisch in seiner 6. Sinfonie, der<br />

»Pathetique«, zum Ausdruck gebracht bzw. »übersetzt«).<br />

Patterntheorie. Nach G.C. Weddell (1955) benannte<br />

Theorie, nach der die Qualität einer Schmerzempfindung<br />

nicht von der Aktivierung spezifischer Rezeptoren<br />

<strong>und</strong> damit spezifischer Fasern abhängt, sondern<br />

von zeitlichen Erregungsmuster (engl.: »pattern«) in<br />

einer Faser <strong>und</strong> von der räumlichen Erregungsverteilung<br />

in mehreren Fasern. Dagegen spricht, dass spezifische<br />

Nozizeptoren, d. h. Rezeptoren, die auf bestimmte<br />

Reize eine niedrige Reizschwelle besitzen, nachgewiesen<br />

wurden.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 845<br />

Pauling, Linus (Portland/Oregon 1901-1994). Sohn<br />

eines eingewanderten dt. Apothekers, Studium der<br />

Mathematik, Physik <strong>und</strong> Chemie. Nobelpreis 1954 für<br />

Chemie für die» Molekularstruktur der Proteine«. Aktivist<br />

gegen Atomtests, 1958 Übergabe einer - u. a. auch<br />

von Pablo Casals, Bertrand Russe! <strong>und</strong> Albert Schweitzer<br />

- unterzeichneten Liste von 13.000 Wissenschaftern<br />

an die »Vereinten Nationen«. Nobelpreis für Frieden<br />

1962, nachträglich, nachdem das Moskauer Atomteststopabkommen<br />

1963 unterzeichnet worden war. Pauling<br />

erarbeitete persönliche Ideen über Zusammenhänge<br />

zwischen Wirkstoffen <strong>und</strong> Krankheiten (z. B. Vitamin C<br />

<strong>und</strong> Krebs). Pauling schuf <strong>und</strong> definierte den, unterdessen<br />

leider von vielen, alternativen Quacksalbern missbrauchten,<br />

Begriff einer »orthomolekularen Medizin«<br />

in den Jahren 1967/68 wie folgt:<br />

»Orthomolecular medicine is the preservation<br />

of health and the treatment of<br />

disease by the provision of the optimum<br />

molecular constitution of the body, especially<br />

the optimum concentration of substances<br />

that are normally present in the<br />

human body and are required for life. The<br />

adjective orthomolecular is used to<br />

express the idea of the right molecules in<br />

the right concentration.«<br />

Pawlow, I.P. (1849-1936). Nobelpreis für Medizin 1904,<br />

bedeutender russischer Forscher in der Herzphysiologie,<br />

Verdauung, ZNS <strong>und</strong> Psychophysiologie. Militanter<br />

Gegner des Kommunismus. Nach ihm wird der bedingte<br />

Pawlow-Reflex (1911) benannt.<br />

PBU. Abk. für psychobiologische Untersuchung.<br />

PCA. Engl. Abk. für »patient-controlled-analgesia«, Syn.<br />

»on-demand analgesia«.<br />

PCINA. Abk. für patientenkontrollierte intranasale<br />

Analgesie (s. Buch Kinetik).<br />

PDP. Abk. für Pachydermoperiostosis, einer pnmar<br />

hypertrapbischen Osteoartropathie mit Klumpfinger,<br />

Arthritis <strong>und</strong> Pachydermie. Ein seltenes Krankheitsbild,<br />

das mit erheblichen Gelenkschmerzen verb<strong>und</strong>en<br />

ist.~ Colchicin (Buch F<strong>und</strong> G).<br />

Peak. Engl., Kinetik: der Gipfel; Plasmakonzentrationsmaximum.<br />

Peguy, Charles (1873-1914). Bedeutender frz.-katholischer<br />

Literat ( » Jeanne d' Are«) <strong>und</strong> Poet von hoher<br />

Moralität (unterstützte Dreifus, sozialistische Manifeste<br />

für eine bessere Welt etc.).<br />

Pelipathia vegetativa. Syn.: Plexalgia dolorosa, Beckenneuralgie<br />

etc. Unklar definierte schmerzhafte Unterleibsbeschwerden.<br />

Periaquäduktales Grau.~ PAG, Syn. Höhlengrau, Substantia<br />

grisea centralis, Substantia grisea, PNA.<br />

Perikaryon. Im Gegensatz zum Zytoplasma der Fortsätze<br />

der um den Zellkern herumgelagerte Zellleib.<br />

Periodisches familiäres Mittelmeerfieber. Intermittierende<br />

periodische Anfälle von Fieber, Ödeme, Arthralgie,<br />

Magenschmerzen, Nausea <strong>und</strong> Emesis ~ Colchicin<br />

(Buch F<strong>und</strong> G).<br />

perkutane Chemonukleolyse. Gezielt dosierte neurolytische<br />

therapeutische Schädigung über transkutan<br />

applizierte chemische Stoffe, z. B. des Ganglion Gasseri.<br />

perkutane Mikrokompression. Gezielte mechanische<br />

therapeutische Nervenschädigung durch Kompression,<br />

z. B. mittels perkutan unter Bildwandlerkontrolle eingeführten<br />

Ballonkatheters im Cavum Meckeli.<br />

perkutane Thermonukleolyse. Syn.: Thermoläsion, z. B.<br />

gezielte <strong>und</strong> dosierte Thermoläsion über Radiofrequenzsonde<br />

bei Erkrankungen des Ganglion Gasseri.<br />

Perthes, Georg (Moers/Rheinland 1869-1927 Arosa).<br />

Medizinstudium in Freiburg, Berlin <strong>und</strong> Bonn. Assistent<br />

von Friedrich von Trendelenburg. Pionier der<br />

Lokalanästhesie mittels elektrischer Stimulation.<br />

Erfand die Perthes-Staubinde (»Kompressor«) zur<br />

künstlichen Blutleere, eine bipolare Elektrode zur intraoperativen<br />

Nervenstimulation, Absaugpumpen <strong>und</strong><br />

schrieb 1912: »Über Leitungsanästhesie unter Zuhilfenahme<br />

elektrischer Reizung« (entspricht der modernen<br />

peripheren Nervenstimulation).<br />

Pertussistoxin. Aus Bordetella pertussis gewonnnes<br />

biologisch aktives, toxisches, in der Forschung eingesetztes<br />

Protein.<br />

Perzeption. Wahrnehmung bzw. »Translation zentraler<br />

neuronaler Aktivitätsmuster in die bewusste Empfindung<br />

<strong>und</strong> Wahrnehmung« (z. B. Nozitranslation, Buch<br />

A).<br />

PET. Abk. für Positronenemissionstomographie (s.<br />

Buch A). Unter Verwendung kurzlebiger Radioisotope<br />

kann über die Quantifizierung der damit verb<strong>und</strong>enen<br />

y-Strahlung die Lokalisation, Blutflussänderungen wie<br />

rCBF, »regional cerebral blood flow«, die Aktivierung<br />

von Hirnabschnitten bei experimentellen Reizen, die<br />

Kinetik von zentralgängigen Wirkstoffen etc. ermittelt<br />

werden.<br />

Pfeffer, Wilhelm (Grebenstein 1845-1920 Leipzig). Botaniker<br />

<strong>und</strong> Apotheker. 1877 Gr<strong>und</strong>lagenforschung über<br />

osmotische Untersuchungen, 1881 »Pjlanzenphysiolo-


846 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

gie«. Nach ihm wird die sog. Pfeffersehe Zelle für Osmobestimmungsmessungen<br />

genannt.<br />

Pfotentests. Die experimentelle Reizung der Pfote von<br />

Versuchstieren mit Entzündungsmediatoren (Fre<strong>und</strong>s<br />

Adjuvans, Irländisches Moos etc.), mechanischen oder<br />

thermischen Reizen.<br />

Phantomschmerz. Nach Amputation auftretende ~<br />

neuropathische Schmerzen, die im Bereich des amputierten<br />

Gliedes empf<strong>und</strong>en werden, entsprechend auch<br />

Phantomsensationen, s. Buch A.<br />

Pharmakopoe. Siehe Arzneibuch.<br />

Pharmakopoenamen. Je nach nationaler Pharmakopoe<br />

von der INN-Nomenklatur abweichende, nationale<br />

Namengebung für Wirkstoffe.<br />

Phase I, II, III, IV. Die 4 Phasen der klinischen Prüfung<br />

eines neuen Wirkstoffs, wobei die Phase I vereinfacht<br />

ein Toleranztest an ges<strong>und</strong>en Probanden, die Phase II<br />

ein Test auf diee Therapiewirkung an stationären Patienten,<br />

die Phase III eine klinische Prüfung in Bezug auf<br />

Interaktionen, Langzeitanwendung <strong>und</strong> die Phase IV<br />

die Nachprüfung eines registrierten <strong>und</strong> klinisch eingeführten<br />

Wirkstoffs auf auffällige Nebenwirkungen bei<br />

Langzeiterfahrung im Sinne des sogenannten ~ »drug<br />

safety monitoring« umfasst.<br />

Phenacetin-Niere. Spezifische Schädigung der Nieren<br />

(Kapillarsklerose) durch jahrelangen Abusus von<br />

Phenacetin-haltigen Arzneimitteln in hohen Dosen.<br />

Der Begriff »Phenacetin-Niere« wurde zur »Analgetika­<br />

Niere« verallgemeinert, obwohl es nach neuesten<br />

Ergebnissen keine überzeugende Evidenz dafür gibt,<br />

dass die Einnahme von antipyretischen Analgetika in<br />

Form von Mono- oder Kombinationsanalgetika (mit<br />

<strong>und</strong> ohne Coffein) zu einer chronischen Nierenerkrankung<br />

vom Typ einer »Phenacetin-Niere« führen kann.<br />

Phencyclidin. Chem. 1-(1-Phenylcyclohexyl)-piperidin,<br />

ein Halluzinogen (als Anästhetikum in der Veterinärmedizin<br />

eingesetzt), mit~ Ketamin verwandt, ähnliche<br />

klinische Wirkungen, NMDA-Antagonist, Katecholamin-uptake-Hemmer,<br />

o- Wirkungen. Als PCP <strong>und</strong><br />

Angel Dust in der Drogenszene missbraucht.<br />

PHI. Abk. für peptide histidin isoleucin, ein 27 Aminosäurenpeptid<br />

mit Histidin am N-Terminal bzw. Isoleucin<br />

am C-Terminal. Im GI-Trakt sezerniert aber an<br />

multiplen bioaktiven neuronalen Prozessen beteiligt,<br />

peripher kardiovaskulären, im GI- <strong>und</strong> Atemwegsystem<br />

sowie ZNS). Genaue biologische Funktion unklar.<br />

Phosphorylierung. Die Veresterung von Ortho- <strong>und</strong><br />

Pyrophosphorsäure mit organischen Verbindungen, die<br />

OH-Gruppen enthalten. Der »Phosphorylierungstrick«<br />

erlaubt, die Funktion von Rezeptoren <strong>und</strong> Messenger zu<br />

verändern; z.B. Untereinheiten der~ ACh-Rezeptoren<br />

-durch Enzymsysteme (cAMP-abhängige Proteinkinase<br />

A <strong>und</strong> Proteinkinase C) phosphoryliert - verändern<br />

ihre intrinsische Aktivität, d. h. die Regulation der Sensitivität.<br />

Piko. Abk. pn, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />

10- 12 = 0,000.000.000.001.<br />

PIPS. Schmerzpraxis, engl. Abk. für premature infant<br />

pain score. Schmerzindex, der den Gesichtsausdruck,<br />

das Weinen, die Atmung, die Haltung der Arme <strong>und</strong><br />

Beine sowie den Gemütszustand des Frühgeborenen<br />

berücksichtigt.<br />

Piria, Raffaele (1815-1865). In Turin <strong>und</strong> Pisa tätig, stellte<br />

1838 Salicylsäure aus dem natürlichen Glykosid Salicin<br />

der Weidenbaumrinde (Salix) dar (s. Wirkstoffprofil<br />

Salicylsäure Buch E).<br />

Piriformis-Syndrom. Schmerzhaftes Syndrom nach<br />

Traumatisierung des M. piriformis.<br />

pK.-Wert. Gibt den pH-Wert an, bei welchem der Wirkstoff<br />

zur Hälfte ionisiert ist. Bei schwachen Säuren<br />

induziert eine pH-Erhöhung (gegen die basische Seite)<br />

eine logarithmische Zunahme des Ionisationsgrads ab<br />

dem wirkstoffeigenen sog. pK.-Wert. Im sauren Magenmilieu<br />

sind schwache Säuren (z. B. antipyretische Analgetika)<br />

weniger ionisiert <strong>und</strong> werden deshalb besser<br />

resorbiert, im Gegensatz zu basischen Wirkstoffen.<br />

Aspirin (tiefer pK.-Wert 3,4) wird im Dünndarm (pH<br />

basisch) schlechter als im Magen resorbiert. Diese<br />

Resorptionseinbusse wird quantitativ durch die viel<br />

größere Dünndarmresorptionsoberfläche wettgemacht.<br />

Placebo. Auch: Plazebo, wirkstofffreies, vom Original<br />

äußerlich nicht unterscheidbares Falsumpräparat (lat.<br />

>>Ich werde zufrieden sein«). Placebopräparate sind seit<br />

uralter Zeit beschrieben, so die von Thomas Jefferson<br />

(1743-1826) beschriebenen gefärbten Wassertropfen,<br />

Brotkrümelpillen oder Hickoray-Holz-Pülverchen, die<br />

bei vielen Patienten eine gute Wirkung ergaben <strong>und</strong><br />

sozusagen einen »pious fraud« darstellten. Ähnliches<br />

berichtete Richard Cabot (1868-1939). Die systematische<br />

Auswertung solcher Erfahrungen wurde erst nach<br />

dem 2. Weltkrieg im Rahmen epidemiologischer Überlegungen<br />

Routine. Siehe auch~ Blindversuch, ~ Nocebo,<br />

~Henry K Beecher, ~ Cochranebewegung, ~ Statistik.<br />

Placeboeffekt Durch Placebogabe auslösbarer suggestiver<br />

Effekt (kann bis 40% ausmachen, deshalb offene<br />

Studien weniger aussagefähig als ~ geblindete oder ~<br />

doppelt geblindete). Der Placeboeffekt gleicht einer<br />

Pawlowschen Konditionierung bzw. psychischen Aktivierung<br />

verschiedenster endogener Schmerzsysteme.<br />

Ein solcher Placeboeffekt kann durch Naloxon antagonisiert<br />

werden, wobei aber Gracely <strong>und</strong> Duhner auch<br />

bei naloxongeblindeten Probanden - bei Blockierung


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 847<br />

des endogenen Opioidsystem - den Placeboeffekt auslösen<br />

konnten. Die exakten chemophysischen wie auch<br />

psychosozialen Wirkmechanismen sind noch nicht<br />

vollständig erforscht. Gegenteil: ~ Noceboeffekt, entsprechend<br />

dem negativen Placeboeffekt Beispiel: 2/ 3<br />

von Probanden entwickelten milde Kopfwehschmerzen,<br />

wenn ihnen gesagt wurde, (nichtexistierende) elektrische<br />

Ströme würden auf dem Kopf appliziert.<br />

Pleurodynie. Bei der Bornhomer Krankheit auftretende<br />

heftige, muskuläre Schmerzen in der unteren Thoraxgegend.<br />

Pohl, Julius (Prag 1861-??). Studium <strong>und</strong> Promotion der<br />

Medizin 1884, Assistent Hofmeisters in Prag. Habilitation<br />

1892 für experimentelle Pharmakologie. Ab 1911<br />

Direktor des pharmakologischen Instituts der Universität<br />

Breslau. Beschrieb schon 1915 den Einsatz des,<br />

heute als partiellen Antagonisten eingeteilten <strong>und</strong> nicht<br />

mehr verwendeten, N-Allyl-Codein bei Morphinvergiftung.<br />

Polymyalgia rheumatica. Ein Krankheitssyndrom bei<br />

älteren, v. a. weiblichen, kaukasischen Patienten mit<br />

Muskel- <strong>und</strong> Gelenkschmerzen, hoher Blutsenkung <strong>und</strong><br />

spontanem Ausheilen. Klinisch <strong>und</strong> pathophysiologisch<br />

mit Horton-Syndrom in Zusammenhang gebracht.<br />

Polyneuritis. Entzündliche Erkrankung mehrerer Nerven.<br />

Populin. Das 5-Benzoylderivat des Salicin. In der Rinde<br />

von Pappelarten enthalten. Als Extrakt in Pappelsalbe<br />

enthalten.<br />

Port. Implantierbare, in der Regel subkutan, mit dem<br />

entsprechenden rückenmarknahe Katheter fest verb<strong>und</strong>ene<br />

Injektionskammern für kontinuierliche sowie<br />

Bolusgabe im Sinne einer mittelfristigen Therapie<br />

(s. auch Pumpen). Der Wirkstoff wird über atraumatische,<br />

nichtstanzende Huber-Nadeln zugefügt. Je nach<br />

Hersteller verfügen Ports über Partikelfilter (Porendurchmesser<br />

- so pm) sowie eigentliche Bakterienfilter<br />

(Porendurchmesser 15-20 J.lm), um das Einspülen von<br />

Partikeln (Kautschukabrieb, Kunststoffspäne etc.) bzw.<br />

Bakterien zu vermindern. Diese Filter sind in der Regel<br />

am Reservoirausgang angebracht. Als sog. side-port<br />

wird der vor dem Filter gelegene Apparatabschnitt<br />

bezeichnet, der vor iatrogenen Infektionen wenig<br />

geschützt ist.<br />

Port-Pumpen. Port mit in der Regel zentralem Pumpenseptum,<br />

einem zentralen Pumpenreservoir sowie<br />

durch Ventile untereinander getrennten kleinen Injektionskammern,<br />

die über Druckknopf eine definierte<br />

Wirkstoffmenge an das anschliessende Kathetersystem<br />

abgeben. Möglichkeit von Repetitionsdosen, aber kein<br />

kontinuierliche Abgabe. Wegen einfacher Bauweise sind<br />

Port-Pumpen preisgünstig <strong>und</strong> klein, keine Energiequelle<br />

notwendig etc.<br />

Potenzen. Nach~ Hahnemann, da nach~ Avogadro in<br />

Verdünnungen >C12 oder > D23 kein Molekül des<br />

ursprünglichen Arzneistoffes mehr vorhanden sein<br />

kann, wird postuliert, die »Information des Heilmittels«<br />

werde auf den Trägerstoff »übertragen« (Potenzierung<br />

bzw. »Dynamisierung«).<br />

Potenzierung. Nach dem Homöopatischen Arzneibuch<br />

(1978) die stufenweise Verdünnung fester oder flüssiger<br />

Zubereitungen nach der jeweils angegebenen Vorschrift.<br />

Das Zeichen »D« kennzeichnet Verdünnungen<br />

im Verhältnis 1:10; »C« im Verhältnis 1:100. Die Angaben<br />

»im Verhältnis 10:10« bedeutet das Verarbeiten von 1<br />

Teil mit 9 Teilen; die Angabe »im Verhältnis 1:100« das<br />

Verarbeiten von 1 Teil mit 99 Teilen. Eine den Zeichen D<br />

oder C hinzugefügte Zahl kennzeichnet in der Regel die<br />

Anzahl der Verdünnungsschritte. Zur Potenzierung<br />

wird nach der jeweiligen Vorschrift verdünnt <strong>und</strong> jedesmal<br />

mindestens 10-mal kräftig geschüttelt. Beim Einsatz<br />

mechanischer Schüttelmaschinen ist darauf zu achten,<br />

dass »der Bewegungsablauf der manuellen Verschüttelung<br />

hinsichtlich Frequenz <strong>und</strong> Strecke entspricht«.<br />

In der schweiz. Ärztezeitung werden homöopatische<br />

Mittel auch mit dem Prädikat »handgeschüttelt«<br />

angeboten.<br />

Prädiktoren. Zum Beispiel Schmerzprädikatoren, die<br />

Wahl einer minimalinvasiven Technik ist ein Prädiktor.<br />

Aus der Statistik entlehnter Begriff: ein »predictive<br />

value« ist ein Vorhersagewert<br />

präsystemische Biotransformation. Die Biotransformation<br />

auf dem Weg des Applikationsortes zum Zielargen<br />

(z. B. Darmwand, erste Leberpassage, Pulmonalpassage<br />

etc.). Die präsystemische Biotransformation kann die<br />

Bioverfügbarkeit eines Wirkstoffes erheblich reduzieren,<br />

eine präsystemische Biotransformation kann auch<br />

ausgenutzt werden, um eine Prodrug in die aktive Form<br />

zu überführen.<br />

Pravaz, Charles Gabriel (Le Pont-de-Beauvoisin<br />

1791-1853 Lyon). Französischer Chirurg (Orthopädie,<br />

Aneurysmenchirurgie), verbesserte 1853 die ~ Woodsehe<br />

Hohlnadel, publiziert 1855: »Sur un nouveau moyen<br />

d'operer la coagulation du sang dans les arteres applicable<br />

a la guerison des anevrismes«.<br />

pre-emptive analgesia. Im engeren Sinne die therapeutische<br />

spinale, spezifische <strong>und</strong> komplette Barrage vor<br />

jeglichem nozizeptivem Influx (s. Buch A). Präemptive<br />

antiemetische Therapie: die spezifische therapeutische<br />

Gabe von Antiemetika vor der emetogenen Exposition<br />

reduziert das Auftreten antizipatorischer Nausea <strong>und</strong><br />

Emesis.<br />

Prix-Galien. Durch Roland Mehl 1970 in Frankreich<br />

begründeter Preis für Verdienste im Bereich der Pharmazeutik.<br />

1995 z. B. für die Entwicklung von ~ EMLA;


848 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

in Deutschland 1985 als Claudius-Galenus-Preis, heute<br />

Galenus-von-Pergamon-Preis gegründet (Stifter ist die<br />

»Ärzte-Zeitung«).<br />

Procacci, Paolo (Florenz *1932). Professor für Innere<br />

Medizin der Universität Florenz. Schüler von Ugo ~<br />

Teodori. Eminenter Schmerzforscher mit Tätigkeit in<br />

England, Schweden, Frankreich <strong>und</strong> USA. »A survey of<br />

modern concepts on pain. Handbook of clinical neurology.<br />

Vol. 1« (North Holland Publishing Company, 1969),<br />

»Rhythmic changes of the cutaneous pain threshold in<br />

man« (1974), »Pain threshold measurement in man«<br />

(1974), »Cutaneous pain threshold changes after sympathetic<br />

block in reflex dystrophies« (1975), »Clinical<br />

approach to visceral sensation« (1986) sowie Mitarbeit<br />

an Bonicas » The management of pain« (1992, Lea &<br />

Febiger, Philadelphia) <strong>und</strong> Wall <strong>und</strong> Melzacks »Textbook<br />

of pain« (1994, Churchill Livingstone, Edinburgh).<br />

Gründungsmitglied der IASP sowie deren italienischer<br />

Branche.<br />

Prodrug. Syn.: Propharmakon, Vorstufe, inaktive Vorstufen<br />

von Wirkstoffen, die in der Regel dann nach<br />

Resorption entweder spontan (pB-abhängig) oder<br />

durch Biotransformation in die aktive Wirkstoffform<br />

überführt werden.<br />

Proktalgie. Neuralgische Schmerzen im Analbereich.<br />

Proktodynie. Chronische Schmerzen im rektoanalen<br />

Bereich, auch paroxysmal-akut als~ Proctalgia fugax<br />

beschrieben.<br />

Proopiomelanocortin. Im vorderen Hypophysenlappen,<br />

Hypothalamus, ZNS <strong>und</strong> peripheren Geweben synthetisiertes<br />

Präkursorprotein (MW 30.000 ), das u. a. die<br />

Aminosäurensequenz von ACTH, ß-Lipotropin ( ~<br />

Endorphine, Metenkephalin, ß- Endorphin; s. Buch B)<br />

<strong>und</strong> a-MSH enthält.<br />

Propionsäure. CH 3 -CH 2 -COOH. Propionsäurederivate<br />

sind ~ Flurbiprofen, ~ Ibuprofen etc. (Wirkstoffprofile<br />

s. Buch E).<br />

Prosopalgie. Gesichtsnervenneuralgie.<br />

Prostadynie. Persistierende, klinisch <strong>und</strong> äthiologisch<br />

unklare Beschwerden im Zusammenhang mit Urinlassen<br />

inkl. perinäalen Schmerzsymptomen ( exkl. akute<br />

Prostatitis).<br />

Prostaglandine. Abk. PG, nach ~ von Euler benannter<br />

ungenauer Sammelbegriff für aus Arachidonsäure<br />

stammenden Gewebshormone (heute ~ Prostanoide).<br />

Für die Entdeckung der PG erhielten 1982 Bengt Ingemar<br />

Bergstrom, John Robert Vane <strong>und</strong> Surre K. Bergstrom<br />

den Nobelpreis.<br />

Prostaglandinismus. Pathologisch vermehrte Prostaglandinbildung<br />

beim ~ Bartter-Syndrom.<br />

Prostaglandinrezeptoren. Zelloberflächenrezeptoren<br />

mit hochspezifischer Affinität für die entsprechenden,<br />

endogenen Prostaglandin-Populationen PGD2, PGE2,<br />

PGF2a, PGI2 (Prostacyclin) <strong>und</strong> TXA2. PGD2-Rezeptor<br />

(DP-Rezeptoren), PGE2-Rezeptoren (mit Subtypen<br />

EP1,EP2,EP3, EP4), PGF2-a (FP-Rezeptor) sowie<br />

Prostacyclin-Rezeptor (IP-Rezeptoren). Schmerzklinik:<br />

EP-1 Rezeptor (schmerzvermittelnd); EP-3 Rezeptor<br />

(gastrische Homöoastase, s. sAA).<br />

Prostanoide. Sammelbegriff für die Gruppe der ~Arachidonsäureabkömmlinge<br />

(Prostaglandine, Endoperoxide,<br />

Prostacycline, Thromboxane; s. Buch A <strong>und</strong> DIE;<br />

früher Synonym für Prostaglandine).<br />

Protein. Peptid mit mehr als 50 Aminosäuren.<br />

Proteinkinasen. Enzyme, die an bestimmten Aminosäuren<br />

von Proteinen gezielt ein Phosphatatom<br />

ankoppeln <strong>und</strong> damit deren Funktion beeinflussen.<br />

Protein-Tyrosin-Kinase-Rezeptor. Eine zytoplasmatisehe<br />

Rezeptordomaine für Wachstums- <strong>und</strong> Ausdifferenzierungsfaktoren.<br />

Siehe auch NGF, Buch A.<br />

protopathisch. In der Physiologie »zur vitalen Sphäre<br />

gehörend«. Protopathische Schmerzen signalisieren<br />

»vitale Signale«, s. auch ~ epikritische Schmerzen.<br />

Pruritus Syn.: Juckreiz, man unterscheidet zwischen<br />

Pruritus cum materia, Juckreiz bei klar definierten<br />

Hauterkrankungen: entzündliche Dermatosen, Ektoparasitosen,<br />

Infektionen etc., <strong>und</strong> Pruritus sine materia<br />

bei Niereninsuffizienz, Cholestase, Malignomen, Diabetes,<br />

Depression, s. auch ~ zentraler Pruritus UAW<br />

Opioide.<br />

PSART. Engl. Abk. für »Quantitative Sudomotor Axon<br />

Reflex Test«, ein Testverfahren, um das autonome Nervensystem<br />

bei Schmerzkranken zu testen (s. auch ARS).<br />

Pseudotumor cerebri. Seltenes Syndrom mit Kopfschmerzen,<br />

erhöhtem intrakraniellem Druck, Nausea<br />

<strong>und</strong> Emesis, Papillenödem. Vorkommen in 90% bei<br />

Frauen mit Obesitas im Alter von 20-44 Jahren, auslösende<br />

Faktoren u. a. sAA, Fallberichte bei Patienten mit<br />

~ Bartter-Syndrom <strong>und</strong> Therapie mit Indometacin,<br />

Ketoprofen.<br />

Psycholeptika. Älterer Sammelbegriff für psychotrope<br />

Wirkstoffe, heute Psychopharmaka.<br />

Psychopharmaka Der relativ neue Begriff Psychopharmaka<br />

wird verschieden definiert, Psychopharmaka sind<br />

im weiteren Sinne: Hypnotika, Sedativa, Antiepileptika,<br />

Psychostimulanzien; Psychopharmaka im engeren<br />

Sinne: ~ Neuroleptika,~ Tranquilizer, Antidepressiva.<br />

Eine weitere Unterteilung definiert Psychopharmaka<br />

als psychotrope Substanzen mit den Untergruppen 1.<br />

Ataraktika (minor tranquilizer, z. B. Benzodiazepine), 2.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 849<br />

Neuroleptika, 3· Antidepressiva, 4· Lithiumsalze, 5· Psychostimulanzien,<br />

6. Psychotomimetika (Wirkstoffe, die<br />

beim Ges<strong>und</strong>en abnorme Zustände hervorrufen).<br />

Ptyalismus. Salivation.<br />

Pulveres. Pulver, trockene, feste Teilchen von Wirkstoffen,<br />

die je nach Applikation als sog. Pulveres adspergendi<br />

(Streupulver), Pulveres perorales sowie Pulveres solvendi<br />

parenterales eingesetzt werden können.<br />

Pumpen. Wirkstoffreservoirs, auch implantierbare, je<br />

nach Hersteller 40-200 g Gewicht, 1,5-2,85 cm Höhe,<br />

6,5-10 cm Durchmesser ergibt ein Volumina von<br />

20-50 ml. Sie erlauben über Ventil- oder Durchflusssysteme<br />

dank Gasdruck (Konstantfluss) oder elektrischmechanischem<br />

Minirollerpumpensystem (steuerbarer,<br />

programmierbarer <strong>und</strong> telemetrisch beeinflussbarer<br />

Fluss) einen Konstantfluss aus der Medikamentenkammer<br />

in das Kathetersystem. Für das s.c.­<br />

Kompartiment oder rückenmarknahe Kompartimente,<br />

nicht alle Pumpen sind für intrathekale Systeme zugelassen.<br />

Pumpeneigene Nebenwirkungen können durch<br />

Verstopfung des Systems- durch Ampulle/Spritze/Nadel<br />

eingeschleuste Stanzen, Glaspartikel - mechanische<br />

Fehlfunktionen, elektrische Fehlfunktionen oder<br />

Batterieerschöpfung sowie Programmierfehler, Leckagen,<br />

aber auch durch externe Faktoren, z. B. Luftdruckveränderungen<br />

während langer Flugzeugreisen, Temperaturveränderungen<br />

während Hitzeexposition<br />

bedingt sein.<br />

Pyrazol. Isomer von Imidazol, einer in natürlichen <strong>und</strong><br />

synthetischen Stoffen vorkommenden Kernsubstanz<br />

(Histamin, Histidin, Pilocarpin). Aus Pyrazol entstehen<br />

durch Reduktion Pyrazoline. Ein weiteres Derivat von<br />

Pyrazol ist das Pyrazolon, aus dem die nichtsauren<br />

Pyrazolone sowie Farbstoffe gewonnen werden.<br />

PZN. Abk. für postzosterische Neuralgie.<br />

Q.s. Rezeptur, lat. Abk. für quantum satis, soviel wie notwendig<br />

ist.<br />

QSART. Engl. Abk. für »Quantitative Sudomator Axon<br />

Reflex Test«: ein Testverfahren zur Prüfung des autonomen<br />

Nervensystems bei Schmerzkranken (s. auch ARS).<br />

Questionnaire. Fragebogen, z. B. ---7 Schmerzskalenfragebogen.<br />

Queckenstedt, Hans Heinrich (1876-1918). Bedeutender<br />

dt. Neurologe (Liquor, Queckenstedt-Test bei Intrathekalanästhesie,<br />

Rostock).<br />

Quincke, Heinrich (1842-1922). Bedeutender dt. Neurologe,<br />

Schüler ---7 von Kölliker, Helmholtz, Virchow, führte<br />

die diagnostische ( paramediane) Lumbalpunktion<br />

ein (1891), beschrieb u. a. die Möglichkeit unterhalb L 2<br />

zu punktieren, um das Mark nicht zu verletzen. Nach<br />

ihm wird das Quincke-Ödem (angioneurotisches<br />

Ödem) benannt. Arbeiten über zentrale Thermoregulation.<br />

Sein Bruder G.H. Quincke (1834-1924) war Physiker<br />

(Erfinder des Quincke-Rohrs) <strong>und</strong> erforschte Oberflächenspannungen,<br />

in diesem Zusammenhang Arbeiten<br />

über ---7 Zelltheorie.<br />

Quisqualat. Chem. a-Amino-3,5-dioxo-1,2,4-oxadiazolidin-2-propansäure.<br />

Ein experimentell eingesetzter Agonist<br />

von spezifischen Subrezeptoren der EAA-Rezeptoren<br />

(s. Buch A). Die Substanz wird aus einer Pflanze<br />

( Quisqualis chinensis) gewonnen.<br />

Rai, Phulchand Prithvi (Bagri Sajjanpur/Indien *1931).<br />

Nach Schulbesuch in Madras Medizinstudium mit Promotion<br />

(1958 Mysore), Weiterbildung in Chirurgie (v. a.<br />

orthopädische Chirurgie), ab 1964 Anästhesiologie<br />

(Texas, Norwegen, England). Professuren an führenden<br />

amerikanischen Anästhesieabteilungen, ab 1991 Weiterbildung<br />

Schmerzmedizin, v. a. diagnostische <strong>und</strong> therapeutische<br />

Lokalanästhesie. Vielfältige Ehrungen, an<br />

mehreren führenden Editorials beteiligt, Autor <strong>und</strong><br />

Koautor hervorragender schmerzmedizinischer<br />

Büchern. Kadirektor der Schmerzdienste der technischen<br />

Universität Houston/Texas.<br />

Räder-Syndrom. Syn.: paratrigeminale Neuralgie (s. ---7<br />

Clusterkopfschmerz ).<br />

Rarnon y Cajal (Santiago 1852-1934). Bedeutender spanischer<br />

Neurohistologe (Valencia, Barcelona, Madrid,<br />

Arbeiten über Nervendegeneration <strong>und</strong> -regeneration,<br />

Einführung von Färbedarstellungstechniken etc.). Mit<br />

Camillo ---7 Golgi Nobelpreis 1904 für die Einführung<br />

der Silberchromatfärbung von Nervenzellen. Daneben<br />

auch Einführung von Goldchlorid-Quecksilber-Färbungen<br />

von Astrozyten.<br />

Ramsay-Hunt-Syndrom. Neuralgie, ausgelöst durch<br />

Erkrankung des Ganglion geniculi (N. facialis-Knie mit<br />

peripheren Fortsätzen u. a. zu den Geschmackszellen<br />

der Papillae fungiformes). Siehe ---7 Melkersson-Rosenthal-Syndrom.<br />

Randomisierung. Aufteilung einer homogenen Patientenpopulation<br />

in Untergruppen (Behandlungsgruppen)<br />

nach dem Zufallsprinzip.<br />

RANTES. Abk. für »regulated on activation, normal r­<br />

eell expressed and secreted«, chemokiner <strong>und</strong> zytokiner<br />

Faktor für Eosinophile <strong>und</strong> ---7 Lymphozyten.<br />

Ranvier-Schnürringe. Nach dem Lyoner Anatomen<br />

Louis-Antoine Ranvier (1835-1922) im Jahre 1871<br />

beschriebene Abschnitte der Schwaunsehen Scheide,<br />

wo in einer Länge bis 5 J.lffi <strong>und</strong> einem Abstand von<br />

1-3 mm die Myelinisolationsschicht unterbrochen ist.<br />

Dies ermöglicht das Phänomen der »Saltation«.<br />

Rating scale. Engl. Schätzskala.


850 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Rauschgift. Substanz, die Rauschzustände hervorruft.<br />

Rawal, Narinder (Risalpur/Indien *1940) Anästhesist<br />

am Örebro Medical Center, Schweden. Setzt sich erfolgreich<br />

für die Organisation von akuten Schmerzservicen<br />

sowie die Qualitätskontrolle ein (Schmerzmessung,<br />

Schmerzdokumentation).<br />

»Make pain visible.«<br />

reaktive Sauerstoffverbindungen. Beispiel: 0 2 - , werden<br />

durch neutrophile Leukozyten am Entzündungsort zur<br />

Zerstörung exogener Mikrorganismen bzw. im Rahmen<br />

der Körperabwehr hergestellt. Die gleichen reaktiven<br />

Moleküle greifen aber auch körpereigene Zellen bzw.<br />

Gewebe oder chemische nozizeptive Verbindungen an<br />

(z. B. HO Cl bzw. Hypochlorsäure). Als protektiver<br />

Gegenmechanismus unterhält der Körper gewebeschützende<br />

Makromoleküle (z.B. Protease-Inhibitor Alpha 1 -<br />

Trypsin). Siehe auch Radikalfänger bzw. Scavengereffekt<br />

(Buch A).<br />

Reck-Malleczewen, Friedrich (Gut Malleczewen/Ostpreussen<br />

1884-1945 KZ Dachau). Arzt <strong>und</strong> Verfasser<br />

von Jugenderzählungen <strong>und</strong> Romanen. Wegen »staatsfeindlicher<br />

Gesinnung« eliminiert.<br />

Reclus, P. (1847-1914). Frz. Chirurg, führte 1890 (unabhängig<br />

von Schleich) die ---7 Infiltrationsanästhesie ein.<br />

Sein Bruder E. Reclus (1830-1905) war Begründer der<br />

modernen Geographie mit seinem zum Klassiker<br />

gewordenen Lehrbuch »Geographie universelle«.<br />

Reflexbogen. Impulsweg bei Reflexen vom peripheren<br />

Signalrezeptor über zentripetale Afferenzen in zentrale<br />

Umschaltstellen <strong>und</strong> via zentrifugale Efferenzen zum<br />

Effektororgan.<br />

Reflexdystrophie Syn.: RSDS, chronisches, komplexdeskriptives<br />

Schmerzsyndrom der Extremitäten, das<br />

aufgr<strong>und</strong> klinischer Anamnese <strong>und</strong> Diagnostik gestellt<br />

wird. Auftreten in der Regel nach Gewebeschädigungader<br />

Immobilisation, aber auch nach viszeralen<br />

Erkrankungen, ohne offensichtliche Nervenschädigung.<br />

Im Vordergr<strong>und</strong> stehen kontinuierliche Schmerzen<br />

oder ---7 Allodynie oder ---7 Hyperalgesie, Störungen<br />

der oberflächlichen <strong>und</strong> tiefen Gewebetrophik, Ödem<strong>und</strong><br />

Erythembildung, Perfusionsänderungen <strong>und</strong><br />

abnorme Schweißfunktion.<br />

Regeneration. In der Biologie benutzter Ausdruck für<br />

die Wiederbildung bzw. Ergänzung verlorengegangener<br />

Zellen. Die über 10 1 3 Zellen des menschlichen Körpers<br />

sind in über 200 Zelltypen differenziert <strong>und</strong> bilden<br />

Funktionseinheiten wie Nervensystem, Immunsystem,<br />

endokrines System, Lokomotionssystem, Herz-Kreislauf-System,<br />

Verdauungssystem <strong>und</strong> Urogenitalsystem.<br />

Regenerationssystem. Nach Taban u. Cathieni (1993)<br />

postuliertes physiologisches System mit der Aufgabe -<br />

im Rahmen der genetisch zellulären Gegebenheiten -<br />

der Zellerneuerung bzw. Wiederherstellung <strong>und</strong> Ergänzung<br />

verlorengegangener Zellen. Dieses Regenerationssystem<br />

erkennt das Ausmaß der Regeneration, delegiert<br />

<strong>und</strong> mobilisiert Regenerationszellen, stimuliert deren<br />

Arbeit sowie die mitotische Vermehrung, reorganisiert<br />

die durch die Regeneration wiederhergestellten Zellfunktionen<br />

<strong>und</strong> stoppt schlussendlich den Regenerationsprozess<br />

nach Wiedergutmachung des Zell- bzw.<br />

Gewebeschadens.<br />

Registrierte Handelsnamen. Syn. Registrierte Warenzeichen.<br />

Engl. »Registered trade names«, Handelsnamen,<br />

die nur von dem Hersteller genutzt werden dürfen,<br />

der dieses Warenzeichen besitzt. Registrierte<br />

Warenzeichen sind durch das Symbol ® gekennzeichnet.<br />

REM-Schlaf. Engl. Abk. für »Rapid-eye-movement«­<br />

Schlaf (Aserinski u. Kleitman, 1953).<br />

Resorption. Engl. absorption: Aufnahme, Übertritt<br />

(passiv, aktiv) eines Wirkstoffes von einem extrakorporellen<br />

Applikationsort in ein korporelies Kompartiment.<br />

Die Resorptionsphase kann quantitativ durch<br />

ihre Geschwindigkeit (T max' CmaJ <strong>und</strong> qualitativ durch<br />

ihre Komplettheil ( ---7 Bioverfügbarkeil in% der Dosis)<br />

beschrieben werden (s. auch ---7 AUC). Die Resorptionsrate<br />

kann durch ---7 präsystemische Biotransformation<br />

(z. B. durch die Intestinalschleimhaut) reduziert sein.<br />

Retardformen. Orale therapeutische Systeme, die durch<br />

eine gesteuerte Wirkstofffreisetzung an einem Bestimmungsort<br />

(Magen, Dünndarm), um über längere Zeit<br />

eine annähernd konstante Blutkonzentration zu erreichen.<br />

Bei Retardkapseln beispielsweise löst sich die<br />

Kapselhülle im Magen mit Freisetzung von wirkstoffgefüllten<br />

Perlen, die Perlwand hat Mikroporen <strong>und</strong> lässt<br />

Wasser durch. Im Inneren der Perlen geht der Wirkstoff<br />

in Lösung. Der gelöste Wirkstoff wird nun entsprechend<br />

der Perlenmembranporen während ca. 24 h kontinuierlich<br />

abgegeben.<br />

Rexed-Schichten. Nach dem skand. Neuropathologen<br />

Bror Rexed (1952, Uppsala) benannte zytoarchitektonische<br />

Unterteilung des Rückenmarks in Schichten bzw.<br />

Laminae (s. Buch A).<br />

Reye-Morgan-Baral-Syndrom. »Hepatozerebrales Syndrom«,<br />

schwerste, oft tödliche Allgemeinerkrankung v.<br />

a. bei Kindern im Rahmen einer viralen Erkrankung<br />

<strong>und</strong> der Einnahme von Salicylaten mit Hyperpyrexie,<br />

Enzephalopathie (diffuse ZNS-Dysfunktion mit profusem<br />

Erbrechen, Bewusstseinstörungen, Irritabilität,<br />

Agitation, Konfusion etc.) <strong>und</strong> akuter Leberverfettung,<br />

Gerinnungsstörungen. Sporadisch seit 1929 (Brain et<br />

al.) bekannt, als klinisch-pathophysiologische Einheit


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 851<br />

1963 angenommen (Reye et al.). Klinische ProdromaHa<br />

sind leicht übersehbar (z. B. Erbrechen <strong>und</strong> Kopfschmerz,<br />

Ursache möglicherweise intrakranielle Druckerhöhung<br />

durch toxisches Hirnödem). Labor: Lebertransaminasen<br />

1', Harnstoffwerte 1', Hypoglykämie,<br />

metabolische Azidose, Gerinnungsstörungen. Nach<br />

symptomfreiem Intervall schwere, oft letale Hepatoenzephalopathie.<br />

Diskutierte Kofaktoren sind: viraler<br />

Infekt - Kind - Salicylat. Inzidenz ca. 0,7 Kind/pro<br />

100000 behandelte Kinder, Mortalität: 10-41%. Wirkstoffwahl<br />

beim grippösen Kind --1 Paracetamol, Wirkstoffwahlschwierig<br />

bei Kindern unter antiphlogistischanalgetischer<br />

Langzeittherapie (z. B. chronisch-rheumatoide<br />

Arthritis) <strong>und</strong> akuter Grippe (keine Empfehlungen<br />

aufgr<strong>und</strong> fehlender Daten <strong>und</strong> Fakten). Seit der<br />

Assoziation mit der Einnahme von Salicylaten ist die<br />

Anzahl der jährlichen Fälle drastisch zurückgegangen<br />

(USA: Übersicht vorher ca. >500 Fälle/Jahr, nachher<br />

< 36 Fälle/Jahr, Belay et al. 1999). In diesen letzten Fällen<br />

war das Kind zu 93% vorher erkrankt (Atemwegserkrankungen,<br />

Varizellen, Diarrhö, Rash), in 82% wurden<br />

im Blut Salicylate nachgewiesen, die Mortalitätsrate<br />

betrug ca. 30%, wobei v. a. Kinder unter 5 Jahren gefährdet<br />

sind (Kofaktoren: Serumharnstoff > 26 11mol/l bzw.<br />

> 45}lg/dl, Diarrhö, Hypoglukosämie). Nach der NRSSS<br />

(US-am. »National Reye Syndrome Surveillance<br />

System«) unterscheidet man folgende klinische Stadien:<br />

o = wach, munter.<br />

1 = schläfrig, schwierig zu wecken, lethargisch.<br />

2 = delirös, motorische ungezielte Unruhe, angriffig.<br />

3 = nicht weckbar, v. a. motorische Flexorreflexe, dekortikales<br />

Stadium.<br />

4 = nicht weckbar, v. a. motorische Extensorreflexe,<br />

dezebriertes Stadium.<br />

5 = nicht weckbar, flazzide Paralyse, Areflexie, Pupillenstarre.<br />

6 = Patient nicht klassifizierbar (weil z. B. unter Muskelrelaxation).<br />

Rezept. Anweisung zur Herstellung oder Abgabe einer<br />

Arznei (Magistralrezept, Offizinalrezept, Spezialitätenrezept).<br />

Rezeptor: Pharmakologie: spezifische Proteinstruktuen<br />

der Zellmembran, auch intrazellulär vorkommend ( z. B.<br />

intrazelluläre Steroidrezeptoren), mit hoher Affinität zu<br />

spezifischen Molekülen bzw. Liganden. Zelloberflächenrezeptoren<br />

binden Signalmoleküle mit hoher<br />

Affinität <strong>und</strong> induzieren durch die reversible Rezeptor­<br />

Ligand-Bindung intrazelluläre Reaktionen. Die Zellmembranrezeptoren<br />

enthalten typische transmembranäse<br />

<strong>und</strong> zytosolische Bestandteile (z. B. extrazelluläres<br />

N-Terminal, 7 hydrophobe, transmembrane<br />

Aminosäurenhelices etc.). Die reversible Rezeptor­<br />

Ligand-Bindung induziert eine sog. Konformationsänderung<br />

(z. B. ionotropische Rezeptoren: K+, Cl-, Na+,<br />

Ca2+), lonenkanalaktivitätsänderungen, metabotropi-<br />

sehe Rezeptoren über zwischengeschaltete Proteinsysteme<br />

(G-Protein) bzw. Aktivierung von intrazellulären<br />

Effektorsystemen. Rezeptorenpopulationen können<br />

sich quantitativ <strong>und</strong> qualitativ verändern (Populationengröße:<br />

»up-« <strong>und</strong> »down-regulation« etc.). Zu den<br />

Charakteristika von Nervenzellen gehört u. a. ihre<br />

Rezeptordichte sowie ihre Rezeptorreserve. Gewisse<br />

Krankheiten (z. B. Myasthenia gravis) sind auf<br />

immunologische Zerstörung entsprechender Rezeptorpopulationen<br />

zurückzuführen.<br />

Physiologie: Zellempfangseinrichtung für spezifische<br />

Reizaufnahme (z.B. --1 Nozizeptoren). Heute durch die<br />

Bezeichnung Sensor (z.B. Nozisensor) abgelöst, um den<br />

Begriff von Membranrezeptoren zu unterscheiden.<br />

Rezeptorfunktionen. Erkennung - physikalisch-reversible<br />

Bindung eines Signalstoffes - einer Konformationsänderung,<br />

diese führt zu Transducer- oder Umwandlerfunktionen<br />

(z. B: Öffnung eines Ionenkanals).<br />

Rhizolyse. Operative Demyelinisierung von Spinalnervenwurzelfasern<br />

z. B. durch thermische Schädigung<br />

(Thermorhizolyse).<br />

Rhizotomie. Syn.: für Radikulotomie.<br />

Richet, C.R. (1850-1935). Nobelpreis 1913 für die<br />

Erklärung der Anaphylaxie.<br />

Rigidität. Rigor: gesteigerter Gr<strong>und</strong>tonus der quergestreiften<br />

Muskulatur bis zur Muskelstarre. Typische<br />

UAW von schnell i.v.-applizierten potenten 11-Agonisten<br />

(z. B. Anilinopiperidine).<br />

Robinson, V. Anästhesist schrieb 1946: » Victory over<br />

pain« (Schumann, New York), eines der ersten Bücher<br />

über Schmerzmanagement<br />

Robiquet, P.J. (1780-1840). Isolierte 1832 Codein aus<br />

Opium.<br />

Rolando, L. (1809-1829). Professor im sardinischen Sassari,<br />

untersuchte u. a. histologische Schichten des ZNS,<br />

die er mit Volta-Batterie-Schichten verglich. Nach<br />

Rolando bezeichnet die (Rexed)-Lamina II (wegen ihrer<br />

Schnittfläche auch als gallertig-gelatinös bezeichnet)<br />

mit Synapsen Primäfafferenz <strong>und</strong> Zweitneuron sowie<br />

Interneurane (s. Buch A).<br />

Romberg, Moritz Heinrich (1795-1873). Nach dem aus<br />

Thüringen stammenden <strong>und</strong> in Berlin wirkenden Anatomen<br />

<strong>und</strong> Neurologen werden u. a. der M. Romberg,<br />

das Romberg-Parry-Syndrom, das Rombergsehe Zeichen<br />

sowie der Rombergsehe Versuch (Gleichgewichtssinn-Prüfung)<br />

bezeichnet, der Begriff »Tabes dorsalis«<br />

stammt ebenfalls von ihm. Zwischen 1840 <strong>und</strong> 1846<br />

beschreibt er in seinem Werk u. a. Sensibilitätsstörungen<br />

(Dysästhesien, Hyperästhesien, Neuralgien etc.).<br />

Beschreibt 1853 den sog. Kremasterreflex <strong>und</strong> bestätigt<br />

Prichards Konzept der epileptischen »Aura«.


852 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Rosenberg, Isaac (1890-1918). Brit. Poet russisch-jüdischer<br />

Abstammung.<br />

Rote Liste. Arzneimittelverzeichnis in Deutschland;<br />

jährlich herausgegeben durch den BPI (B<strong>und</strong>esverband<br />

der Pharmazeutischen Industrie).<br />

Roussy-Cornil-Zeichen. Beim Ischiassyndrom durch<br />

Rumpfvor- oder Seitwärtsbeugen auslösbare Ischialgie<br />

mit gleichzeitiger Entlastungsbeugung des Unterschenkels<br />

auf der kranken Seite.<br />

Rovsings-Zeichen. Chirurgisches Zeichen, nach dem<br />

Kopenhagener Chirurgieprofessor Niels Thorkild Rovsing<br />

I862-I927. Bei Appendicitis acuta kann mit manuellem<br />

Druck auf die linke Fossa iliaca (bzw. Colon descendens)<br />

ein Schmerz in der rechten Fossa iliaca ausgelöst<br />

werden. Gr<strong>und</strong>: wahrscheinlich wird Koloninhalt<br />

retrograd auf die entzündete Appendixstelle verschoben.<br />

Rp. Abk. Rezeptur, recipe (lat.: »nimm«) auch für<br />

»rezeptpflichtig«. Früher »sinnvoller« Weise mit dem<br />

Anhängsel »cum Deo« angewandt.<br />

RSDS. Engl. Abk. für » reflex sympathetic dystrophy syndrome«<br />

Siehe --7 Reflexdystrophie.<br />

RSO. Engl. Abk. für »resting sweat sudomotor output«.<br />

Test des autonomen NS bei Schmerzkranken (Typ --7<br />

CRPS) in Bezug auf die Sudomotorfunktion, z. B. durch<br />

intradermale iontophoretische ACh-Applikation, wobei<br />

der Neurotransmitter zuerst antidromal an das postganglionäre<br />

Terminal <strong>und</strong> dann wieder orthodromal an<br />

den betroffenen autonomen Hautnerven transportiert<br />

wird <strong>und</strong> dort eine Sudemotorreaktion (pathologisch<br />

vermindert oder pathologisch erhöht) auslösen sollte.<br />

RCT. Engl. Abk. für »randomised controlled trials


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 853<br />

Hypothermie), vielfältige Ehrungen, so Dr. med. h.c.<br />

mult. (Johannes-Gutenberg-Universität Main 1971, Universität<br />

Campinas/Brasilien 1996, Universität Magdeburg<br />

1997), 3 mal zusammen mit Vladimir Negovsky<br />

(Moskau) zum Nobelpreis vorgeschlagen (1990, 1992,<br />

1994). 1998 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Kunst erster Klasse.<br />

Sahli, Hermann (1857-1933) Leiter der Medizinischen<br />

Universitätsklinik Bern, befasste sich intensiv mit<br />

Opium- <strong>und</strong> Morphintherapien. Auf Anregung von ihm<br />

entwickelte Carl Schaerges, erster Forschungsleiter in<br />

der Geschichte der Firma Hoffmann-LaRoche, das<br />

Medikament --1 Pantopon.<br />

SAIS. Abk. für »State Anxiety Inventory Scale«, s. Buch<br />

A.<br />

Sakralanästhesie. Epiduralanästhesie mit sakralem<br />

Zugang.<br />

Salat, Hans (Sursee/Luzern 1498-1561 Freiburg im<br />

Uechtland). Reisläufer, Chronist <strong>und</strong> W<strong>und</strong>arzt.<br />

Salicin. Natürliches Glykosid, aus Weidenbaumrinde<br />

extrahiert; ehern. 2-( H ydroxymethyl) p henyl-b eta-D­<br />

Glucopyranose. Weidenbaumrindenextrakt wurde<br />

früher als topisches antiphlogistisches Analgetikum<br />

eingesetzt. 1838 isolierte R. Piria aus dem Sahein die<br />

Salicylsäure. Der im alten Ägypten bekannte Weidenbaum<br />

wurde vom schwedischen Botaniker Pehr Forsskal<br />

nach seinem arabischen Namen »safsaf« Salix safsaf<br />

genannt. Die in nassen Gegenden heimische Pflanze<br />

wurde im arabisch-hebräischen Sprachraum (»safsafa«,<br />

fließend) mit Flüssen in Verbindung gebracht.<br />

Wie im Wirkstoffprofil Buch E im Abschnitt Salicylsäure<br />

erwähnt, später als die Wirkung von Weideubaumrinde<br />

wiederentdeckt.<br />

Salizylismus. Toxisches Multiorganerscheinungsbild<br />

bei akuter oder subakuter Salicylatvergiftung. Mit neurotoxischen<br />

Symptomen wie Kopfweh, Schwindel, Seh<strong>und</strong><br />

Hörstörungen (Tinnitus), zentraler Hyperventilation<br />

<strong>und</strong> Hyperpyrexie, Durst, Konfusion, Koma; mit allergisch-toxischen<br />

Manifestationen wie Urtikaria,<br />

Hautausschläge, Petechien, Gerinnungsstörungen,<br />

Thrombozytopenie, Wasser- <strong>und</strong> Elektrolytstörungen,<br />

pH-Homöostaseentgleisung sowie gastrointestinalen<br />

Beschwerden wie Emesis, Diarrhö. Siehe auch Cinchomsmus.<br />

Sandoz. 1886 wurde an der Gasstrasse die chemische<br />

Fabrik Kern & Sandoz mit Ziel der Anilinfarbenproduktion<br />

gegründet. 1921 wurde die Fabrik mit der Produktion<br />

von Pharmazeutika <strong>und</strong> 1937 von Schädlingsbekämpfungsmitteln<br />

ausgebaut.<br />

Sandoz, Edouard (1853-1928). Aus dem Neuenburgischen<br />

stammender Kaufmann, gründete mit Alfred<br />

Kern die chemische Fabrik Kern & Sandoz, nachmalig<br />

Sandoz (jetzt zu Novartis fusioniert). Sein Sohn<br />

Edouard Marcel Sandoz (1881-1971) wurde Maler <strong>und</strong><br />

Bildhauer (heute noch zu sehen im ehemaligen Familiengut<br />

des »Parc Denantou« in Lausanne).<br />

Sandoz-Institut für Medizinische Forschung. Abk.<br />

SIMR, 1985 eröffnetes Institut für präklinische Forschung<br />

der Mechanismen <strong>und</strong> Bekämpfung von<br />

Schmerzen. Das SIMR arbeitet eng mit dem University<br />

College of London zusammen. Forschungsmittelpunkte<br />

sind: Bradykinin, Tachykinine, Nervenwachstumsfaktoren.<br />

SANZ. Abk. für Schweizerische Arzneimittel-Nebenwirkungszentrale.<br />

Beruht auf einer Stiftung, die Ende 1979<br />

von der Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH) sowie<br />

der Schweizerischen Gesellschaft für Chemische Industrie<br />

(SGCI) gegründet wurde. Bezweckt in Zusammenarbeit<br />

auch mit Apothekern, --1 IKS (Interkantonale<br />

Kontrollstelle für Heilmittel der Schweiz) die Einrichtung<br />

<strong>und</strong> den Betrieb einer Sammel- <strong>und</strong> Dokumentationsstelle<br />

für in der Schweiz beobachtete, im Zusammenhang<br />

mit einer medikamentösen Therapie aufgetretene<br />

Nebenwirkungen, die auch als Auskunftsstelle<br />

funktioniert. Eigene Publikation: »Streiflichter«. Sitz<br />

der SANZ ist Chur (CH).<br />

SAPHO. Abk. für schmerzhafte Synovitis, Akne, palmoplantäre<br />

Pustulosis, Hyperostosis oder Thorax-Arthro­<br />

Osteitis <strong>und</strong> multifokaler aseptischer Osteomyelitis<br />

bzw. muskulo-skeleto-kutane Symptomgruppe, seit<br />

1987 als klinische Einheit zusammengefasst (Kahn et<br />

al.).<br />

SAS. Abk. für Smiley-Analogskala, eine für Kinder<br />

bestimmte, mehrstufige Schmerzschätzskala mit<br />

Gesichtern, andere Namen für Gesichterskala: »Üucher<br />

Scale«, »Faces Rating Scale«.<br />

Sättigungsdosis. Syn.: Initialdosis, Loading-dosis, Priming,<br />

die als Bolus zugefügte Dosis, die mit minimal<br />

effektiver Wirkstoftkonzentration (MEAC) eine optimale<br />

Wirkung induziert. Dies entspricht einer entsprechenden<br />

Auffüllung im bestperf<strong>und</strong>ierten Kompartiment<br />

(Herz, ZNS, Nieren). Die sog. Erhaltungsdosis<br />

gleicht Eliminationsverluste aus, entsprechend entspricht<br />

die Sättigungsdosis dem Produkt von initialem<br />

Verteilungsvolumen V d initial * MEAC <strong>und</strong> die Erhaltungsdosis<br />

dem Produkt Clearance * MEAC (s. auch<br />

Buch B <strong>und</strong> K).<br />

Sauerstoffradikale. Sauerstoffatome mit freien Elektronen<br />

(Quelle: Mitochondrien). Sauerstoffradikale sind<br />

hoch zytotoxisch <strong>und</strong> greifen v. a. Lipidstrukturen an.<br />

S. auch --1 Entzündungskaskade-Arachidonsäureabbau.<br />

Sa<strong>und</strong>ers, Dame Cicely (geb. 1918; geadelt 1980) Nach<br />

Schulbildung in Oxford, Schwesternausbildung am St.<br />

Thomas's Hospital Nightingale School (1944), Bachelor


854 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

of Medicine 1957. Gründerin der modernen Hospizbewegung,<br />

die auf mittelalterliche karitative Instutionen<br />

zurückgeführt werden kann, <strong>und</strong> der Palliativmedizin<br />

<strong>und</strong> Sterbebegleitung (St. Christopher's Hospice<br />

1967-1985). Dame Sa<strong>und</strong>ers wurde beeinflusst durch<br />

das irische Hospiz der Mutter Mary Aikenhead (mit<br />

Erzbischof Murray Mitgründerin der Irish Sisters of<br />

Charity, 1811 in Dublin). Order of Merit 1989.<br />

Dame Cicely Sa<strong>und</strong>ers: • You matter to the<br />

last moment of your life, and we will do all<br />

we can, not only to help you die peacefully,<br />

but to live until you die.«<br />

SBT. Abk. für Schmerzbewältigungstraining.<br />

SCARED. Abk. für »Scale of Child Anxiety-Related<br />

Emotional Disorders«, s. Buch A.<br />

Schaible, Hans-Georg (Rottweil *1952). Nach Abitur<br />

(1971 Schwenningen) Studium der Humanmedizin<br />

(Tübingen, Hamburg); 1978 Promotion Dr. med. (Universität<br />

Tübingen); wissenschaftliche Weiterbildung in<br />

Physiologie (Uni Kiel, Würzburg) mit Habilitation 1986.<br />

1988-1991 Reisenberg-Stipendiat der DFG am Department<br />

of Preclinical Veterinary Seiences der Universität<br />

Edinburgh (--t Ainsley Iggo ), danach Professuren in<br />

Würzburg <strong>und</strong> Jena (ab 1997). Erforschung neurobiologischer<br />

Gr<strong>und</strong>lagen von Nozizeption <strong>und</strong> Schmerz,<br />

Gelenkschmerz, Entzündungsschmerz, synaptische<br />

Übertragung im Rückenmark, Neuropeptidrezeptoren,<br />

zentralnervöse Wirkmechanismen von Analgetika.<br />

Autor von Kapiteln über Nozizeption <strong>und</strong> Schmerz in<br />

mehreren Lehrbüchern. 1986 Verleihung des ersten<br />

deutschen Förderpreises für Schmerzforschung <strong>und</strong><br />

Schmerztherapie.<br />

Scharrer-Vogel, Berta (München 1906-1995 N.Y.) <strong>und</strong><br />

Scharrer Ernst Albert (1905-1965 Florida). Forscherehepaar<br />

(Zoologen), Begründer der Neuroendokrinologie.<br />

Ernst Scharrer wies 1928 an der Universität München<br />

neurosekretorische Prozesse von Neuralzellen am<br />

Fisch nach; bis dato galt die Regel, dass eine Zelle entweder<br />

nur elektrische, aber nicht zugleich sekretorische<br />

Funktionen haben könne. Berta Scharrer, Schülerin des<br />

späteren Nobelpreisträgers Karl von Frisch, pflegte mit<br />

beiden Händen mit Dokumenten belastet Hörsäle etc.<br />

zu betreten, um den »Heil-Hitler-Gruss« zu vermeiden.<br />

Beide emigrierten 1937 aufgr<strong>und</strong>politischen Protests in<br />

die USA. Ernst Scharrer starb 1965 bei einem Schwimmunfall<br />

in Florida. Viele akademische Ehren.<br />

Schaumann, Otto (Innsbruck 1891-1977). Chemie-Studium<br />

an der Universität Wien mit Promotion 1914,<br />

1921-1945 Leiter des pharmakologischen Labors der IG<br />

Farbenindustrie Höchst. Habilitation 1941. Miterfinder<br />

von --t Pethidin. Wies auf die Zusammenhänge zwisehen<br />

Schmerz <strong>und</strong> Krankheit bzw. optimaler Analgesie<br />

<strong>und</strong> optimalen Heilvorgängen hin ( --t »Heilanalgesie«).<br />

In Innsbruck als Professor für »Pharmakognosie«<br />

publizierte er Arbeiten über Ephedrin, Lokalanästhetika,<br />

Hypophysenhormone <strong>und</strong> Analgetika, so 1956 eine<br />

Monographie über Morphin <strong>und</strong> morphinähnliche Verbindungen.<br />

Schenzinger, Karl Aloys (Neu-Ulm 1886-??). Arzt <strong>und</strong><br />

Schriftsteller (»Anilin«, Atom«, »Hitlerjunge Quex«).<br />

Schild-Regression. Pharmak. Schild-Plot -pA 2 - Wert, ein<br />

Maß für die Rezeptoraffinität eines Antagonisten bzw.<br />

der negative dekadische Logarithmus der Bindungskonstante<br />

KB( = Konzentration des Antagonisten, bei<br />

der das Konzentrationsverhältnis = 2 ist, d. h. ein Agonist<br />

in doppelter Konzentration eingesetzt werden<br />

muss, um die gleiche Wirkung auszulösen, wie in Abwesenheit<br />

des Antagonisten).<br />

Schlafzentrum. Von --t W.R. Hess 1931 postulierte Region<br />

an der Wand des 3. Ventrikels <strong>und</strong> Aquaeductus Sylvii<br />

(Regio subthalamica), bei der im Tierexperiment<br />

durch elektrische Stimulation Schlaf ausgelöst werden<br />

kann.<br />

Schleich, Carl Ludwig (1859-1922). Begründer der Infiltrationsanästhesie.<br />

»Die Infiltrations-Anästhesie (lokale<br />

Anästhesie) <strong>und</strong> ihr Verhältnis zur allgemeinen Narkose<br />

(Inhalationsanästhesie)« (1892). Schleich wurde 1892<br />

von den anwesenden Chirurgen, die nicht an schmerzlose<br />

Eingriffe ohne Narkose glauben konnten, die Tür<br />

gewiesen.<br />

Schleicher, Mattias Jacob (Hamburg 1804-1881 Frankfurt).<br />

Jurist, Botaniker, russischer Staatsrat in Dorpat.<br />

Mit --t Schwann zusammen Begründer der Zelltheorie.<br />

Schlesischer Bote (Angelus Silesius,Johannes Scheffler,<br />

Breslau 1624-1677). Medizinstudium in Straßburg <strong>und</strong><br />

Leyden. Franziskanermönch, Hofmedikus zu Breslau,<br />

bedeutender Barockmystiker u. a. »Die heilige Seelenlust<br />

oder geistliche Hirtenlieder der in ihrem Jesum verliebten<br />

Psyche«.<br />

Schmerz. Im engl. »smart« erahnbar, skandinavisch<br />

»smjaerte«, die subjektive Empfindung des Schmerzsinnes.<br />

Schmerz wird im Gegensatz zu anderen allgemeinen<br />

affektiven oder körperlichen Gefühlen wie Traurigkeit,<br />

Hunger, Durst oder Hitzegefühl in einer speziellen<br />

Körperregion als solcher wahrgenommen <strong>und</strong> erlitten<br />

(Kopfschmerzen, Bauchschmerzen - es gibt keine »allgemeinen<br />

Schmerzen«). Schmerz wird als »unangenehmes<br />

Sinnes- <strong>und</strong> Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder<br />

potentieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit<br />

den Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben<br />

wird« definiert (nach Mersky; IASP; Buch A).<br />

Schmerzchirurgie. Älterer, schlecht definierter Begriff<br />

chirurgischer Interventionen im Bereich des ZNS (z. B.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 855<br />

Unterbrechung von Schmerzbahnen wie Chordotomie<br />

etc., s. auch: zentraler Schmerz, Buch A).<br />

Schmerzdermatom. Umschriebener Hautbezirk der<br />

entsprechenden Hautnerven (scharf begrenzt, keine<br />

Überlappung) bzw. Spinalnerven (unscharf begrenzt,<br />

überlappend entsprechend der Umbündelung peripherer<br />

Nerven).<br />

Schmerzkomponenten. Die Schmerzen beschreibende<br />

sensorische, affektive (z. B: Unlust), vegetative (z. B.<br />

Nausea) <strong>und</strong> motorische (z. B. Muskelabwehrspannung)<br />

Komponenten.<br />

Schmerzkorrelat. Auf Schmerz kann ein Proband mit<br />

einer Blutdruckerhöhung reagieren. Diese durch Messung<br />

objektivierbare Reaktion kann in der objektiven<br />

Algesimetrie sowie der Nozizeptiometrie als ein<br />

Schmerzkorrelat interpretiert werden (s. Buch A).<br />

Schmerzpunkte. Nervendruckpunkte, nach dem frz.<br />

Neurologen <strong>und</strong> Pädiater F.L.I. Valleix (1807-1855)<br />

benannte umschriebene Hautregionen, die auf Druckreiz<br />

mit heftigen Schmerzen reagieren können (1841<br />

» Traite des nevralgies« ).<br />

Schmerzsinn. Schmerz als Sinn wurde aufgr<strong>und</strong> von<br />

Tierversuchen von M.S. Schiff (1823-1896) erkannt.<br />

Schmerztherapieführer. Von der ~ »Gesellschaft zum<br />

Studium des Schmerzes« erarbeitete praktische Riebtlinien<br />

für die Schmerztherapie.<br />

Schmidt, Robert Franz (Ludwingshafen *1932). Nach<br />

Gymnasium (Frankenthal!Pfalz) Studium der Humanmedizin<br />

(Promotion 1959, Heidelberg), danach Forschungsassistent<br />

in Physiologie an der Australian<br />

National University Canberra 1960-1962 unter ~ Sir<br />

John C. Eccles mit Abschluss 1963 (Ph.D.), sowie am<br />

Physiologie-Institut Heidelberg (1962-1966 unter W.<br />

Trautwein) mit Habilitation 1964. 1971-1982 Professur<br />

<strong>und</strong> Leitung des Physiologischen Instituts der Universität<br />

Kiel. Gastprofessuren in Buffalo, Galveston (Texas,<br />

unter W.D. Willis), Tokio (unter Akio Sato), Kensington<br />

(New South Wales, unter Mark Rowe). Mehrere »Editorial<br />

Boards« in namhaften Physiologie-, ZNS-Forschungs-<br />

sowie Schmerz-Journals. Vielfache Ehrungen<br />

wie Hartmann-Müller-Preis, Max- Planck-Forschungspreis<br />

(zusammen mit Akio Sato), Deutscher Schmerzpreis,<br />

Dr. med. h.c. Universität New South Wales (Sidney)<br />

etc.<br />

Schmiedeberg, Oswald (Laidsen/Kurland 1838-1921<br />

Baden-Baden). Promotion 1866 in Dorpat (heute:<br />

Tartu/Estland), Habilitation <strong>und</strong> Ordinarius für Pharmakologie.<br />

Schnitzler, Artbur (Wien 1862-1931). Sohn einer Medizinerfamilie,<br />

gab seine Praxis auf, um im Kreis des» Jungen<br />

Wien« als freier Schriftsteller zu arbeiten.<br />

Schullern, Heinrich von (Innsbruck 1865-1949 Innsbruck).<br />

Medizinstudium, bis 1918 Generalstabsarzt,<br />

Schriftsteller (historische Romane), Herausgeber des<br />

»Musenalmanach ]ungtirol« (1899).<br />

Schwangerschaftskategorie. In der Schweiz gemäß<br />

Richtlinien der ~ IKS {Interkantonale Kontrollstelle<br />

für Heilmittel der Schweiz) eingeführte Klassifizierung<br />

von Wirkstoffen in die von der ~ FDA erstellten Kategorien<br />

A, B, C, D <strong>und</strong> X (s. unten). In Deutschland<br />

werden entsprechende Risikoklassen ~ Gr (Abk. für<br />

Gravidität) 1-11 <strong>und</strong> Stillzeitklassen ~ La (Abk. für<br />

Laktation) 1-5 definiert (s. unten). In Österreich sind<br />

zzt. keine gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf<br />

Schwangerschaftskategorien eingeführt. FDA-Schwangerschaftskategorien:<br />

A: aufgr<strong>und</strong> von kontrollieren<br />

Studien keine fetalen Risiken in Bezug auf das erste<br />

Trimenon, keine Anzeichen für fetale Schädigung für<br />

Trimenon li <strong>und</strong> III. B: aufgr<strong>und</strong> von Tierversuchen<br />

keine Anhaltspunkte für fetale Schädigungen; jedoch:<br />

kontrollierte Studien bei schwangeren Frauen nicht<br />

vorhanden oder Tierversuche haben eine gewisse Toxizität<br />

ergeben, welche durch kontrollierte Studien an<br />

Schwangeren jedoch nicht bestätigt worden sind. C: Im<br />

Tierversuch sind teratogene oder embryotoxische<br />

Effekte an Feten beobachtet worden oder keine kontrollierten<br />

Tier- oder Humanversuche vorhanden. D:<br />

Eindeutige Hinweise für fetales Schädigungsrisiko vorhanden.<br />

Evt. indiziert für vitale Indikationen bei der<br />

Mutter (relative Kontraindikation). X: wie D, wobei<br />

aber diese Risiken mögliche therapeutische Effekte bei<br />

der Mutter nicht kompensieren können (formelle Kontraindikation).<br />

Graviditätsrisikoklassen: Gr 1: Bei<br />

umfangreicher Anwendung am Menschen kein Verdacht<br />

auf eine embryotoxische/teratogene Wirkung, im<br />

Tierversuch keine Hinweise auf eine solche Wirkung.<br />

Gr 2: Bei umfangreicher Anwendung am Menschen<br />

kein Verdacht auf eine embryotoxische/teratogene Wirkung.<br />

Gr 3: Wie Gr 2, im Tierversuch jedoch Hinweise<br />

auf eine embryotoxische/teratogene Wirkung. Gr 4:<br />

Keine ausreichenden Erfahrungen beim Menschen.<br />

Tierversuche: keine Hinweise auf embryotoxische/teratogene<br />

Wirkungen. Gr s: Keine ausreichenden Erfahrungen<br />

beim Menschen. Gr 6: Wie Gr 5; jedoch Hinweise<br />

auf embryotoxische/teratogene Wirkungen im<br />

Tierversuch. Gr 7: Embryotoxisches/teratogenes Risiko<br />

Trimenon I. Gr 8: Fetetoxisches Risiko Trimenon IIIIII.<br />

Gr 9: Risiko perinataler Komplikationen oder Schädigungen.<br />

Gr 10: Risiko bornonspezifischer UAW beim<br />

Menschen. Gr 11: Risiko mutagener/karzinogener Wirkungen<br />

besteht. Laktationsrisikoklassen: La 1: translaktale<br />

Passage unbekannt. La 2: TransJaktale Passage,<br />

bislang keine Daten über Schädigungen des Säuglings.<br />

La 3: translaktale Passage, in Abhängigkeit der Dosis,<br />

Art der Anwendung, Dauer sind UAW beim Säugling<br />

möglich. La 4: translaktale Passage, in Abhängigkeit


856 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

der Dosis etc. sind ernsthafte UAW beim Säugling zu<br />

erwarten. Las: Milchproduktion geschädigt.<br />

Schwann, Theodor (Neuss 1810-1882 Köln). Anatom,<br />

Physiologe, Forschung über Verdauung, Muskeln, Nerven.<br />

Entdeckte 1836 Pepsin sowie das nach ihm benannte<br />

Neurolemm. Erkannte das Prinzip der pflanzlichen<br />

<strong>und</strong> menschlichen Zelle, mit ~ Schleicher Begründer<br />

der modernen Zelltheorie.<br />

Schweitzer, Albert (Kaysersberg 1875-1965 Lambarene).<br />

Jugend in Günsbach, Studium der Philosophie<br />

(1898 erstes Staatsexamen), Theologie (1900 Promotion),<br />

Musiktheorie (großer Orgelinterpret mit Konzertreisen<br />

in ganz Europa; Buch über J.S. Bach etc), 1902<br />

Professur der Theologie in Strassburg, 1905-1913 Studium<br />

der Medizin mit Promotion:<br />

Schon seit meinen ersten Universitätsjahren<br />

hatte ich angefangen, der Meinung,<br />

dass die Menschheit in einer sicheren Entwicklung<br />

zum Fortschritt begriffen sei,<br />

mit Bedenken zu begegnen. Bei so <strong>und</strong> so<br />

viel Gelegenheiten musste ich feststellen,<br />

dass die öffentliche Meinung öffentlich<br />

k<strong>und</strong>gegebene Inhumanitätsgedanken<br />

nicht mit Entrüstung ablehnte, sondern<br />

hinnahm. Jetzt wütete der Krieg als Ergebnis<br />

des Niedergangs der Kultur.« (1915,<br />

Ehrfurcht vor dem Leben)<br />

Ausreise nach Lambarene. Als feindlicher Ausländer<br />

nach Kriegsausbruch 1914-1917 in Lambarene (Westafrika),<br />

danach in Lagern von Garaison (Pyrenäen) <strong>und</strong><br />

St. Remy (Provence) mit seiner Frau interniert. Rückkehr<br />

ins Elsaß 1918. 1928 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt<br />

a.M., 1952 Friedensnobelpreis, als Aktivist gegen<br />

Atomwaffentests ( u. a. 1957: »Appell an die Menschheit«)<br />

von bürgerlicher Seite heftig kritisiert.1965 Tod in Lambarene.<br />

Schweitzer war seit 1912 verheiratet mit der in<br />

Berlin als Tochter des Historikers Harry Bresslau <strong>und</strong><br />

seiner Frau Caroline (*Isay) 1879 geborenen Helene<br />

Bresslau, viel gereiste Lehrerin <strong>und</strong> eine der ersten Waiseninspektorinnen<br />

der Stadt Strassburg, die 1957 verstarb.<br />

Zu Weihnachten 1957 predigte Schweitzer:<br />

Was wir um uns sehen, ist das Chaos der<br />

neuen Welt. Aber dieses Chaos wandelt,<br />

klärt <strong>und</strong> formt sich, wenn die wirkenden<br />

Kräfte da sind. Darum ist das Wort aus<br />

dem vierten Evangelium ein rechtes Weihnachtswort:<br />

»Bleibt in meiner Liebe« [Job.<br />

15,9 ]. Es heißt: Seid wirkende Kräfte in der<br />

Welt- <strong>und</strong> Menschheitserneuerung durch<br />

die Liebe. Fühlt ihr das Gebieten <strong>und</strong> Flehen,<br />

das darin liegt? Ohne wirkende Kräfte,<br />

in denen die Liebe Jesu fortlebt, bleibt<br />

das Chaos Chaos. Wenn aber Kräfte da<br />

sind, mag es noch so trostlos erscheinen,<br />

es wandelt sich, es gärt <strong>und</strong> arbeitet darin.<br />

Schweizerische Rezeptpflicht. Gr<strong>und</strong>sätze über die<br />

Abgrenzung der Rezeptpflicht der Heilmittel vom<br />

10.06.1960: unterschieden werden die Kategorien A, B,<br />

C, D, E. Kategorie A: verschärfte Rezeptpflicht Kategorie<br />

B: ärztliches Rezept notwendig. Kategorie C: Apotheke,<br />

ohne ärztliches Rezept. Kategorie D: Apotheken/<br />

Drogerien: »erleichterte« Selbstmedikation. Kategorie<br />

E: freie Selbstmedikation, ohne erforderliche Beratung,<br />

keine »Heilanpreisungen« enthaltend.<br />

Scopoli, J.A. (1723-1788).Ital. Arzt (heutiges Slowenien),<br />

nach ihm benannt wurde das Nachtschattengewächs<br />

»Scopolia« sowie das von Schmidt 1892 identifizierte<br />

Scopolamin (L-Hyoscin).<br />

Score. Engl. numerisches Bewertungssystem, das den<br />

Zustand eines Patienten (z. B. Schmerzzustand) mittels<br />

Punktwerten für ausgewählte Kriterien <strong>und</strong> einer daraus<br />

resultierenden Gesamtpunkzahl zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt beschreiben soll.<br />

Scott-Huskisson-VAS (Schmerzmessung nach Huskisson<br />

1983). Numerisch auswertbare visuelle Analogskala,<br />

bestehend aus einem 10 cm langen Strich mit vorgegebenen/markierten<br />

Endpunkten.<br />

SCI. Engl. Abk. für »specific cyclooxygenase inhibitors«,<br />

von der WHO 1998 neu vorgeschlagene Wirkstoffgruppe<br />

der spezifischen COX-2-Hemmer. Im Gegensatz zu<br />

den selektiven COX-2-Hemmern haben die SCI in therapeutischer<br />

Dosierung keine Wirkung auf die COX-1<br />

(s. BuchF<strong>und</strong> G).<br />

SCS. Engl. Abk. für »spinal cord stimulation«, therapeutische,<br />

invasive, neuromodulatorische Rückenmarkstimulation<br />

bei ~ Stumpfschmerzen, ~ CRPS-Typ-II­<br />

Schmerzen, Mischschmerzen (z. B. »failed back surgery<br />

syndrome«, FBSS), therapieresistenter Angina pectoris<br />

(Klasse III-IV der New York Heart Association) <strong>und</strong>~<br />

Syndrom X (s. Buch A).<br />

Seeger, Alan (1888-1916, Belloy-en Santerre). Bedeutender<br />

am. Poet (Klassenkamerad von T.S. Eliot an der<br />

Harvard-Universität). Starb als Freiwilliger der frz.<br />

Fremdenlegion (»I have a rendez-vous with death ... «).<br />

Sek<strong>und</strong>enphänomen. Bei Injektion in ein »Störfeld« im<br />

Laufe einer Neuraltherapie auftretende plötzliche,<br />

reproduzierbare Besserung; ähnliche Phänomene werden<br />

auch unter Akupunktur beobachtet.<br />

Selbstmedikation. Die Selbstversorgung des Patienten<br />

mit rezeptfreien Arzneimitteln, die dieser entweder in


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 857<br />

Apotheken (bei apothekenpflichtigen) oder außerhalb<br />

(z. B. in Reformhäusern - bei nicht-apothekenpflichtigen)<br />

erwerben kann (OTC' = over the counter, engl.,<br />

ähnlicher Begriff).<br />

Selectine. Bei Entzündungen ad hoc gebildete Haftmoleküle<br />

des Gefäßendothels, sie erlauben die Leukozytenmigration<br />

(Extravasation). Selectinhemmer sind<br />

putative antiinflammtorische Therapeutika.<br />

Sellheim, Hugo (Biblis 1871- 1936 Leipzig). Professur für<br />

Gynäkologie 1902-1905 Freiburg, Tübingen (1907-1917),<br />

Halle <strong>und</strong> Leipzig. Führte 1905 zum ersten Mal einen<br />

thorakalen Paravertebralblock durch. Diese Technik<br />

wurde vom Leipziger Artbur ~ Läwen weiter zu einem<br />

therapeutischen (chirurgische Anästhesie, Analgesietechnikper<br />

se) <strong>und</strong> differentialdiagnostischen (!)Werkzeug<br />

ausgebaut.<br />

Selye, Hans Janos (Komarno 1907-1982 Kanada). Studium<br />

in Wien <strong>und</strong> Prag, Psychologe <strong>und</strong> Biochemiker.<br />

Emigration. Ab 1934 McGill Universität in Montreal,<br />

beobachtete 1936, dass die Injektion eines Ovarialextraktes<br />

beim Versuchstier eine Hypertrophie der Nebennieren,<br />

eine Atrophie des thymolymphatischen Gewebes<br />

sowie gastroduodenale Ulzerationen induziert <strong>und</strong> allgemein<br />

auf verschiedenste Reize Abwehrkräfte mobilisiert.<br />

Selye benutzte 1950 den Ausdruck »general adaptation<br />

syndrome«, »Eustress« <strong>und</strong> definierte sogenannte<br />

Stressfaktoren. U.a. auch: »The stress of life« (1956).<br />

Siehe auch: W.B. ~ Cannon. Selye ist Begründer der<br />

Theorie des Stresses (s. auch Buch H-J).<br />

Seneca, Ludus Annaeus (Cordoba 4 v. Chr. bis 65<br />

n. Chr.). Röm. Politiker, Philosoph, Dichter, u. a. Erzieher<br />

von Nero.<br />

Senecas Trias: Triae haec in omni morbo<br />

gravia sunt:.<br />

1. Metus mortis (die Todesfurcht).<br />

2. Dolor corporis<br />

(der körperliche Schmerz).<br />

3.lntermissio voluptatum (das Nachlassen<br />

der Lebenslust).<br />

Sensibilisierung. Nozizeption, vereinfacht kann die<br />

Nazitransduktion durch Veränderung des peripheren<br />

Milieus im Sinne von Entzündungsreaktionen gefördert<br />

werden (= periphere Sensibilisierung, s. Buch A); eine<br />

zweite wichtige Ebene der Sensibilisierung stellt das<br />

spinale synaptische Netzwerk dar, hier wird der physiologische<br />

noxische Input in der Regel durch deszendierende,<br />

opioiderge <strong>und</strong> monoaminerge Systeme gefiltert.<br />

Bei erhöhtem noxischem Input kann dieses Hemmsystem<br />

überfordert werden, <strong>und</strong> es kommt zur Enthemmung<br />

des Zweitafferenz (= zentrale Sensibilisierung;<br />

s. auch Buch A).<br />

Sensorik. Funktion des sensorischen Systems. Beinhaltet<br />

die --tTransduktion, ~Transmission, --t Modulation<br />

<strong>und</strong> --t Perzeption der gesamten neuralen Signale aus<br />

der Umwelt im Sinne einer Sensibilität, d. h. physiologischen<br />

Fähigkeit des Nervensystems, äußerliche Reize<br />

aufzunehmen <strong>und</strong> zu interpretieren.<br />

Sequentialanalgesie. Auch Sequentialanästhesie, die<br />

partielle Antagonisierung von p-Agonisten durch<br />

Wirkstoffe mit agonist-agonistischem Dynamikprofil<br />

mit dem theoretischen Ziel, gewisse p-inhärente UAW<br />

(z. B. Atemdepression) zu minimalisieren (nach De<br />

Castro u. Viars 1968, s. Buch B).<br />

Serotonin 5-Hydroxytryptamin, 5-HT. 1948 aus Rinderblut<br />

(»Sero-tonin«) isoliert <strong>und</strong> durch Rapport M.M.,<br />

Green A.A. <strong>und</strong> Page I.H. dargestellt. Serotonin ist ein<br />

aus L-Tryptophan biosynthetisiertes Monoamin; durch<br />

Mastzellen, enterochromaffine Zellen <strong>und</strong> Thrombozyten<br />

freigesetzt. Je nach Aktivierung der multiplen 5-<br />

HAT-Subrezeptoren induziert Serotonin verschiedenste<br />

Wirkungen, im ZNS Neurotransmitter <strong>und</strong> involviert in<br />

die --t serotoninerge zentrale Schmerzmodulation<br />

(s. Buch A). In der Peripherie u. a. verantwortlich für<br />

die--t periphere Transduktion emetogener Reize (5-<br />

HT3-R). Entsprechende serotoninerge Therapeutika<br />

sind Antiemetika ( --t Setronreihe). --t Migränetherapeutika<br />

(Triptane). Serotoninsubrezeptoren: 5-HT­<br />

IA,s,oi 5-HT-2A,B + 5-HT,6 5-HT-3; 5-HT-4. Ligandengated<br />

Ionenkanäle: 5-HT 3<br />

-Rezeptoren. übrige: G-proteingekuppelte<br />

Rezeptoren. Bedeutende Serotoninforscher<br />

waren: Page, Nachmansohn, Erspamer (»Enteramin«).<br />

Sertürner, F.W.A. (1783-1841). Untersuchte als Pharmazeut<br />

das Opium <strong>und</strong> beschrieb das Morphin: »Darstellung<br />

der reinen Mohnsäure nebst einer chemischen<br />

Untersuchung des Opiums mit vorzüglicher Hinsicht auf<br />

einen darin neu entdeckten Stoff <strong>und</strong> die dahingehörenden<br />

Bemerkungen« (1817).<br />

SES. Abk. für Schmerzempfindlichkeitsskala.<br />

Setrone. Wirkstoffgruppe mit 5-HT3-antagonistischem<br />

Wirkprofil (Antiemetika): Ondansetron, Granisetron,<br />

Dolasetron etc.<br />

Sham. Engl. die Täuschung, Scheinoperation in der<br />

Experimentalmedizin. Die Kontrollgruppe, an der zu<br />

Vergleichszwecken bis zur testender Intervention die<br />

gleiche Operation, das gleiche Prozedere etc. durchgeführt<br />

wird.<br />

Sherrington, Charles Scott Sir (London 1857-1952 Eastbourne).<br />

Hervorragender eng!. Physiologe (Schwerpunkt:<br />

ZNS; beeinflusst u. a. durch --t Langley), stellte<br />

1906 die Theorie der ordnenden Wirkung des ZNS auf<br />

»The integrative action of the central nervous system«.<br />

Er postulierte, dass Rezeptoren die Schwelle für einen


858 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

bestimmten physikalischen Reiz erniedrigen <strong>und</strong> für<br />

andere erhöhen können. Damit werde eine spezifische<br />

Erregung möglich. Die Bezeichnung Nozizeptor ist<br />

nach Sherrington benannt. Siehe auch ~ Spezifitätstheorie<br />

<strong>und</strong> Rene Descartes. 1922 geadelt <strong>und</strong> 1932<br />

zusammen mit ~ E.D. Adrian Nobelpreis für Medizin/Physiologie<br />

erhalten.<br />

SIA. Engl. Abk. für »stress-induced-analgesia« (s. Buch<br />

A).<br />

SIA. Engl. Abk. für »algology für suckling-inducedanalgesia«,<br />

Beobachtung, dass Neugeborene durch<br />

Saugen insbesondere zuckerhaltiger Flüssigkeiten<br />

weniger Schmerzen erleiden bzw. weniger Schmerzkorrelate<br />

wie Weinen, Grimassieren etc. aufweisen,<br />

impliziert scheinen Geschmacksfunktionen (offenbar<br />

opioiderg gesteuert) sowie orotaktile Mechanismen<br />

(nichtopioiderg) zu sein.<br />

Signaltransduktionskette. Die nach kompetitiver <strong>und</strong><br />

reversibler Ligand-Rezeptor-Bindung auslösbare Reaktionskette<br />

(vgl. metabotrope Rezeptoren).<br />

Signatura. Die ärztliche Rezepturanweisung.<br />

signetur. Rezeptur, es möchte bezeichnet werden.<br />

Simon, Eric (Wiesbaden *1924). Besuch des Gutenberg­<br />

Gymnasium bis zur Wiesbadener Kristallnacht am<br />

9./10.11.1938, Emigration im Dezember 1938. Gymnasium<br />

in eleveland ZU Ende geführt, danach Studium der<br />

Naturwissenschaften am Institute of Technology (B.S.<br />

1944). Weiterbildung an der Universität Chicago (M.S.<br />

1947; Ph.D. in organischer Chemie 1951). Biochemie mit<br />

David Shemin an der Columbia Universität. 1953 am<br />

Cornell Medical College in der Arbeitsgruppe über<br />

Muskeldystrophie, hier Entdeckung der nach Sirnon<br />

benannten Vitamin-E-Metaboliten Tocopheronolactone<br />

<strong>und</strong> Tocopheronsäure. Seit 1959 Fakultät New York<br />

University Medical School. Arbeiten über Coenzymsysteme,<br />

über Vitamin-E-Metabolismus, über Muskelstoffwechsel,<br />

über Cholintransport. Opioide, 1973 zusammen<br />

mit Edelman <strong>und</strong> Hiller Nachweis stereospezifischer<br />

Opioid-Bindungen bzw. -Rezeptoren (H3-<br />

Etorphin) in Hirnhomogenaten, parallel zu Pert <strong>und</strong><br />

Snyder sowie Lars Terenius. Vielfältige Ehrungen ( u. a.<br />

Dr. med. h.c. Sorbonne, Paris).<br />

Simpson, James Young (bei Edinburg 1811-1870). Pionier<br />

der Chloroformnarkose (1847), geburtshilflieber<br />

Ätheranästhesie (1847), daneben hochgeehrter<br />

Antiquar <strong>und</strong> Archäologe.<br />

Sirupi. Sirupe, dickflüssige, gesüßte <strong>und</strong> aromatisierte<br />

Arzneipräparate, die Wirkstoffe in Form von Lösungen,<br />

Emulsionen oder Suspensionen enthalten. Der Wirkstoffgehalt<br />

wird meistens pro 10 ml = 1 Kaffeelöffel<br />

angegeben.<br />

Sluder-Neuralgie. Durch Beteiligung des Ganglion<br />

sphenopalatinum bedingte Gesichts-/Gaumenschmerzen.<br />

Smiley-Analog-Skala. Abk. SAS, Analogschmerzskala<br />

für Kinder im Alter von 5-7 Jahren (»Gesichterabbildungen«).<br />

Snow, John (York 1813-1858). Epidemiologe (1958: »On<br />

the mode of communication of cholera«) <strong>und</strong> Anästhesist<br />

(1847: »On the inhalation of chloroform and ether«<br />

<strong>und</strong> 1849: »On the inhalation of vapour of ether in<br />

surgical operations«). Als Privatanästhesist der Königin<br />

Victoria applizierte Snow für die Geburt von Prinz<br />

Leopold eine analgetische Chloroforminhalation<br />

(gemäß anonymem Zeitungsartikel in der Times vom<br />

8.04.1853, S. 5 »Birth of a prince« - im Lancet heftig<br />

kritisiert!), die geburtshilfliehe Analgesie (»a la reine«)<br />

war geboren.<br />

Solutio. Lösung.<br />

Solvay, Ernest (1838-1922). Begründete 1863 mit einer<br />

Sodafabrik im belgiseben Couillet eine heute weltumfassende<br />

Industriegruppe (Alkali, Kunststofferzeugung<br />

<strong>und</strong> -Verarbeitung, Peroxide, Arzneimittel, Kali-Chemie,<br />

Duphar, Giulini, Lyssia).<br />

Somatostatin. Ein peripher <strong>und</strong> zentral synthetisiertes<br />

biologisch aktives 14-Aminosäuren-Polypeptid mit verschiedensten<br />

Funktionen (s. Buch A, F).<br />

Somnolenz. Pathologische Schläfrigkeit.<br />

Sonophorese. Einschleusung von Wirkstoffen ins Gewebe<br />

mittels Ultraschall.<br />

Sorge, Reinhard Johannes (1892-1916). Dt. Literat.<br />

SP.Abkürzung für Substanz P. ~ Neuropeptid, Tachykinin.<br />

Spannungskopfschmerz. ~ Buch A. Früher Muskelkontraktionskopfschmerz,<br />

engl. tension type headache.<br />

Kopfschmerzen, die - dumpfdrückend bis ziehend, nicht<br />

pulsierend - ohne Prodrome, bilateral, variabel in Bezug<br />

auf Schmerzcharakter, Rhythmus - episodisch bzw.<br />

seltener als 180 Tage/Jahr oder chronischer dann häufiger<br />

als 180 Tage/Jahr - <strong>und</strong> Dauer - St<strong>und</strong>en bis Tage<br />

dauernd - <strong>und</strong> mit Begleitsymptomen -Angst, Nausea,<br />

Erschöpfung - assoziiert sind (gemäß HS' Klassifikation).<br />

Es werden zzt. 2 Gruppen unterschieden: mit<br />

oder ohne Störung der perikranialen Muskeln, bzw.<br />

episodisch oder chronisch. Ursache: zentrale Faktoren -<br />

Dysfunktion serotoninerger Relais Kortex, Raphekerne,<br />

PAG - <strong>und</strong> periphere Faktoren - Dysfunktion quergestreifter<br />

perikranialer <strong>und</strong> oromandibulärer Muskulatur,<br />

myofasziale Sensibilität mit »tenderness«, »hardness«<br />

im Bereich M. trapezius, Nackenmuskeln.<br />

Spantide. In der Physiologie eingesetzte Substanz, P­<br />

Antagonist.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 859<br />

Spasmoanalgesie. In Deutschland v. a. von Urologen<br />

gebrauchter Ausdruck für die Kombination von Analgetika<br />

mit Spasmolytika zur Spasmolyse <strong>und</strong> Dämpfung<br />

viszeraviszeraler Reflexe.<br />

Species. Teemischungen, Gemenge von entsprechend<br />

zerkleinerten Arzneidrogen, die fakultativ Drogenextrakte,<br />

ätherische Öle oder Wirkstoffe enthalten.<br />

Spemann, Hans (1869-1941). Nobelpreis 1935 für<br />

embryologische Forschung. Pionier der ~ Ontogenetik.<br />

Spencer, Herbert (Derby 1820-1903 Brighton). Philosoph<br />

<strong>und</strong> Soziologe.<br />

Spiersäure. Von dem dt. Pharmazeuten Löwig in Zürich<br />

aus der Sumpfmädesüß (Spierstaude) gewonnener<br />

Stoff, den Dumas 1839 als identisch mit der Salicylsäure<br />

identifizierte.<br />

Spinalanästhesie. Von Corning 1885 eingeführt: »spinal<br />

anaesthesia and local medication of the cord«. Corning<br />

führte den Wirkstoff allerdings nicht in den intrathekalen<br />

Raum ein, sondern subkutan in das interligamentäre<br />

Gewebe der unteren thorakalen Wirbelfortsätze -<br />

in der vagen Hoffnung, den Wirkstoff über Gefäßabsorption<br />

kleinster Gefäße direkt dem Gefäßsystem des<br />

Rückenmarks zuzuführen (vgl. auch:~ Bier).<br />

Spinalnerven. Syn.: Nervi spinales, Rückenmarknerven,<br />

symmetrisch aus dem Rückenmark austretende Nervenpaare<br />

(Nn cervicales C,-C 8 , Nn thoracici Th,-Th, 2 ,<br />

Nn lumbales L,-L 5 , Nn sacrales S,-S 5 ) sowie der hochgradig<br />

rückgebildete N. coccygeus. Man unterscheidet<br />

eine Radix dorsalis <strong>und</strong> Radix ventralis, die aus Bündeln<br />

(Fila radicularia) bestehen. Die dorsale Radix enthält<br />

das Ganglion spinale. Die Wurzelfila treten durch<br />

die Pia mater in das Cavum subarachnoidale. Auf Höhe<br />

des Austritts aus dem Wirbelkanal kommen sie durch<br />

die Arachnoidea <strong>und</strong> Dura. Distal vom Ganglion spinale<br />

bilden die beiden Radices den Spinalnervenstamm,<br />

bevor sie sich in die dorsalen, ventralen <strong>und</strong> rückläufige<br />

meningealen Äste (Rami) aufteilen. Die Spinalnerven<br />

sind gemischte Nerven <strong>und</strong> enthalten somatornotorische<br />

(efferente), afferente <strong>und</strong> autonome Fasern.<br />

Spitexbewegung. Behandlung im angestammten Raum<br />

(also: zu Hause) von chronisch Kranken (inklusive<br />

Schmerzklinikpatienten) durch mobile Einrichtungen<br />

(spezialisierte Krankenschwestern, speziell eingerichtete<br />

Ambulanzen etc.) zur Kostensenkung <strong>und</strong> zur Wahrung<br />

des sozialen Umfelds der Kranken. Schweizerisches<br />

Korrelat zur National Hospice Association.<br />

Spörry, Anne (Mülhausen 1918-1999 Nairobi; in Lamu<br />

begraben). Aus Mülhauser Industriellen-Familie, Medizinstudium<br />

in Paris, als Mitglied der »Resistance« (Mitglied<br />

des S.O.E. Special Operation Executive) 1943 in<br />

Paris verhaftet <strong>und</strong> ins Frauen-KZ Ravensbrück ge-<br />

bracht, durch die Intervention des schwedischen Roten<br />

Kreuzes bzw. durch Graf Bernadotte entlassen. 1948<br />

Promotion in Medizin (Sorbonne, Paris) <strong>und</strong> Emigration<br />

nach Ostafrika (Äthiopien, Kenya)., wo sie als fliegende<br />

»Mama Daktari« seit 1964 dem vom Chirurgen<br />

Michael Wood gegründeten AMREF (»African medical<br />

and research fo<strong>und</strong>ation«, im Rahmen der »Flying Doctors«,<br />

erste <strong>und</strong> suksessive erfahrenste Pilotin) angehörte<br />

<strong>und</strong> bei der einheimischen, verarmten Bevölkerung<br />

ein Begriff für menschliche Hilfe <strong>und</strong> Mitleiden<br />

wurde. Nachzulesen auch ihre Biographie 1994/1997<br />

»Mama Daktari« (editions Jean-Claude-Lattes) bzw.<br />

»Man nennt mich Mama Daktari« (Quellverlag, Stuttgart).<br />

Spritzen. Technische Voraussetzung für invasive Wirkstoffanwendung<br />

(Ausnahme: in klinischem Versuch<br />

befindliche nadel- <strong>und</strong> spritzenfreie Hochdruckinjektoren).<br />

Als Vorläufermodelle können die schon im 17. Jh.<br />

in Frankreich auch zur invasiven Wirkstoffanwendung<br />

benutzten Klistiere (die in jeder Komödie von Moliere<br />

vorkommen) gelten. Verbesserungen erzielten u. a. der<br />

Ire Francis Rynd (Hohlnadel; Dublin 1845: für Morphinanwendung!),<br />

Ferguson in England bis Alexander Wood<br />

(1817-1884; Morphinanwendung 1855: »A new method<br />

of treating painful neuralgias by the direct application<br />

of opiates to painful points«), der die von C.-G. Pravaz<br />

(1791-1853) erf<strong>und</strong>enen Glaskörper mit einer anschraubbaren<br />

Hohlnadel kombinierte. Vor der Erfindung<br />

der Hohlnadel durch Francis Rynd wurden Akupunkturnadeln<br />

verwendet, der Wirkstoff floss entlang<br />

der Nadel zum Einsatzort Die Ganzglasspritze wurde<br />

durch Luer entwickelt. Der Lausanner Erfinder Max<br />

Roth entwickelte 1915 erste kompakte Injektionsspritzen<br />

» Tubunics« mit spritzfertigem Medikament, diese<br />

(erste Einwegspritzen) wurden von der Firma Hoffmann-LaRoche<br />

u. a. auch als Pantopon-Tubunk ab 1918<br />

auf den Markt gebracht <strong>und</strong> hatte sofort einen riesigen<br />

kommerzialen Erfolg, indem beispielsweise die Schweizer<br />

Armee im Herbst 1918 wegen der grassierenden<br />

Grippe uo.oo Tubunics bestellte.<br />

Sprotte, Günther (Heigenbrücken *1945). Nach humanistischem<br />

Gymnasium in Wertheim, Studium der Medizin<br />

in Würzburg. Nach Medizinalassistentenausbildung<br />

in verschiedenen klinischen Fächern 1971 Promotion<br />

<strong>und</strong> 1982 Habilitation in Anästhesiologie: »Klinische<br />

Studie zum Differentialblock«. Ludwig-Schleich-Preisträger<br />

1982. Leiter der Schmerzambulanz der Klinik für<br />

Anästhesiologie Universität Würzburg seit 1989. Sprotte<br />

hat die nach ihm benannte Sprotte-Nadel für intrathekale<br />

<strong>und</strong> epidurale Techniken entwickelt.<br />

SRD. Abk. für sympathische Reflexdystrophie.<br />

Stadler, Ernst Maria Richard (Colmar/Elsass 1883-1914<br />

Ypern/Belgien). Prof. Dr., Schriftsteller, international<br />

berühmter Literaturkritiker, Expressionist, Kunstkreis


86o<br />

<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

»Jüngstes Elsaß« (u.a. Georges Ritling, Otto Flake, Hermann<br />

Wendel, Hans Koch, Bernd Semann, Otto Dressler,<br />

Salomon Grumbach, Hanns Holzschuh er, Fritz Höpfinger<br />

<strong>und</strong> Pranz Arp ). Verfechter einer frz.-deutschen<br />

Fre<strong>und</strong>schaft.<br />

STAI. Abk. für Spielherger State Trait Anxiety Jnventory<br />

(s. Buch A).<br />

stalked cells. Nach eng!. Stalk: Stiel, Halm. Im Rückenmark<br />

(Hinterhorn Laminae-II-III, Dendritenbaum<br />

bis III-IV) von S. Gobel1978 beschriebene Neurone<br />

mit halmartig verästelten Dendriten, deren Funktion<br />

nicht klar ist (je nach Forscher Exzitation oder Hemmung).<br />

startle reaction. Eine komplexe, unwillkürliche Antwort<br />

auf nichterwartete starke (auditorische) Stimuli.<br />

Statistik. Das zahlenmäßige, analytische Erfassen von<br />

Masseneinheiten zur Erkennung von Regelhaftigkeiten.<br />

Ausgangspunkt waren Arbeiten von ~ Bayes <strong>und</strong> Marquis<br />

de Laplace (1749-1827). Etwa 1820 Pierre-Charles­<br />

Alexandre Petit (Charite, Paris) erste Arbeiten wie<br />

»analyse« <strong>und</strong> »methode numerique«. 1840 »Principes<br />

generaux de statistique medicale« sowie »arithmetische<br />

Observationen« (Jules Gavarret). ~ Billroth Theodor<br />

(1829-1894) schrieb das vielzitierte Bonmot:<br />

»So ist die Statistik wie ein Weib, ein Spiegel<br />

reinster Thgend <strong>und</strong> Wahrheit, oder<br />

eine Metze für Jeden, zu Allem zu brauchen«.<br />

Selten zitiert ist jedoch seine über Statistik in einer<br />

retrospektiven Arbeit über Pyämie, W<strong>und</strong>fieber gemachten<br />

Aussage (Band IX, Archiv für klinische<br />

Chirurgie, Rechenschaftsbericht Zürcher Chirurgie<br />

1860-1867).<br />

»Ich hätte viel lieber andere Dinge gearbeitet,<br />

doch ich habe mir eingebildet, es sei<br />

meine Pflicht, als Lehrer zu meiner eigenen<br />

Belehrung mich aufzuklären, wie ich<br />

mit meiner Erfahrung stehe.«<br />

Der dt. Chirurg Ernst Julius Gurlt publizierte schon 1895<br />

eine »Zur Narkotisirungsstatistik« von 78 deutschen<br />

Krankenhäusern bzw. mehr als 50.000 Allgemeinanästhesien.<br />

Sir A.B. Hili publizierte 1952 im British<br />

Medical Journal die erste »RCT« (randomised controlled<br />

trial), d. h. die heute noch gültige Form zur Effektivitätsprüfung.<br />

Die Bedeutung klarer Konzepte durch<br />

wissenschaftliche Effektivitätsprüfungen wurde durch<br />

die Publikationen von A.L. ~ Cochrane (Nuffield, 1972)<br />

verbreitet:<br />

»It is surely a great criticism of our profession<br />

that we have not organised a critical<br />

summary, by specialty or subspecialty,<br />

adapted periodically, of all relevant randomised<br />

controlled trials«.<br />

Publikation 1972 von »Effectiveness and Efficiency:<br />

Random Reflections on Health Services« ~ Cochrane­<br />

Bewegung.<br />

Steady state. Fließgleichgewicht, bei repetierter Wirkstoffzufuhr<br />

der Moment, wo sich Zufuhr <strong>und</strong> Elimination<br />

die Waage halten <strong>und</strong> eine konstante Plasmakonzentration<br />

erreicht ist. Ziel einer optimalen Dosierung<br />

<strong>und</strong> Applikation ist es, den Wirkstoff in ein ziemlich<br />

konstantes Fließgleichgewicht im sog. therapeutischen<br />

Fenster zu halten.<br />

Sternbach, A. Richard (New York *1930). Zeitgenössischer<br />

Psychologe <strong>und</strong> Schmerzforscher in La Jolla<br />

(Kalifornien), betonte die Eigenständigkeit chronischer<br />

Schmerzsyndrome als eigenständige Krankheit ( ~<br />

Leriche, Rene). Mitbegründer der ~ IASP.<br />

Stevens-Johnson Syndrom Syn.: Ectodermosis pluriorificalis,<br />

Typ-IV-Reaktion bzw. UAW nach Gabe u.a. von<br />

antipyretischen Analgetika. Fiebrige Allgemeinerkrankung<br />

mit dermatologischen Manifestationen im Sinne<br />

von landkartenartigem Hautexanthem mit blasigen<br />

Schleimhaut-Effloreszenzen. Typisch sind Cheilitis, Stomatitis,<br />

Konjunktivitis, Vulvitis, Urethritis <strong>und</strong> Proktitis.<br />

stimulation produced analgesia. Durch Stimulation<br />

von Hirnabschnitten auslösbare zentrale Analgesie<br />

(Reynolds 1969, s. Buch A). Therapeutische~ Neurostimulation<br />

kann mittels partiell- (radiofrequenzgesteuerte)<br />

oder vollimplantierte (telemetrische) Systeme<br />

erfolgen.<br />

Stöcke!, W. (1871-1961). Hervorragender dt. Gynäkologe<br />

<strong>und</strong> Geburtshelfer, führte die Sakralanästhesie zur<br />

geburtshilfliehen Analgesie ein: »Über sakrale Anästhesie«<br />

(1909 ).<br />

Stoll, Artbur (Schinznach 1887-1971). Industrieller <strong>und</strong><br />

bedeutender Forscher: nach seinem Studium der Chemie<br />

an der ETH Zürich <strong>und</strong> 1909 auf Einladung R. ~<br />

Willstätters Zusammenarbeit über Chlorophyllase.<br />

Folgte danach Willstätter nach Berlin <strong>und</strong> München mit<br />

dem Forschungsziel der Isolierung <strong>und</strong> Reindarstellung<br />

hochwirksamer Naturstoffe (Digitalis, Sennoside etc.).<br />

Ab 1917 Eintritt in die Fa. ~ Sandoz.<br />

Storm, Theodor (Husum 1817-1888 Hademarschen).<br />

Bedeutenden Novellist (»Der Schimmelreiter«). Erkrankte<br />

an einem Magenkarzinom <strong>und</strong> schrieb das folgende<br />

Gedicht - ohne die Krankheit, deren Diagnose<br />

ihm nicht eröffnet worden war, zu kennen:


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 861<br />

Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz,<br />

nur ein Gefühl empf<strong>und</strong>en eben,<br />

<strong>und</strong> dennoch spricht es stets darein,<br />

<strong>und</strong> dennoch stört es Dich zu leben.<br />

Wenn Du es andern klagen willst,<br />

so kannst Du es nicht in Worte fassen,<br />

Du sagst Dir selber, es ist nichts.<br />

Und dennoch will es Dieb nicht lassen.<br />

So seltsam fremd wird Dir die Welt<br />

Und leis' verllsst Dieb alles Hoffen,<br />

bis Du es endlich, endlieb weißt,<br />

daß Dich des Todes Pleil getroffen.<br />

Stramm, August (Münster 1874- 1915 bei Gorodec).<br />

Bedeutender Literat (Gedichte).<br />

Stress. Von lat. stringere, drücken, pressen. Zuerst von<br />

~ Selye (1950) benutzter Ausdruck für die körperliche<br />

<strong>und</strong> psychische Anpassung an die Integrität des Organismus<br />

bei Überbeanspruchung durch »attakkierende«<br />

körperliche, geistige oder seelische Reize.<br />

Stress-induzierte Analgesie. Von den Autoren M.D.<br />

Triekleband <strong>und</strong> G. Curzon in ihrem Buch »Stress induced<br />

analgesia« (Wiley, New York 1984) gebrauchter Ausdruck<br />

für die v. a. von Feldchirurgen <strong>und</strong> Feldanästhesisten<br />

im 2. Weltkrieg ( ~ Beecher; aber auch schon<br />

während des Russlandfeldzugs von Napoleon!)<br />

beschriebenen Erfahrungen, dass gestresste Menschen<br />

oder Tiere weniger Schmerz verspüren, wahrscheinlich<br />

über stressinduzierte Aktivation endogener antinozizeptiver<br />

Abwehrsysteme ( ~ Endorphinsystem).<br />

Stricker, S. (??-??).Führte 1876 an der Berliner Charite<br />

die Salicylsäure als spezifisches Therapeutikum (Antirheumatikum)<br />

für die Behandlung akuter rheumatischer<br />

Gelenkerkrankungen ein.<br />

Substitutionsprogramme. Kostenlose kontrollierte<br />

Abgabe von Ersatzdrogen (z. B. Methadon, Heroin) <strong>und</strong><br />

Instrumenten (Injektionsmaterialien) mit dem Zweck<br />

der Entkriminalisierung <strong>und</strong> Risikoverminderung<br />

(gleiche Qualität, keine Streckmittel, Verminderung der<br />

Infektionskrankheiten wie Hepatitis, Aids).<br />

Sucht. ~ Substanzabhängigkeit (s. Buch B).<br />

Sudeck, P. (1866- 1945). Chirurg in Hamburg-Eppendorf,<br />

befasste sich u.a. auch mit Narkosetechniken<br />

{Publikationen 1902 <strong>und</strong> 1909 über »Ätherrausch«; entwickelte<br />

u.a. Masken mit Exspirationsventil). Lehrer<br />

von ~ Ernst von der Porten. Beschrieb 1900 das nach<br />

ihm benannte Dystrophiesyndrom (heute:~ »Complex<br />

regional pain syndroroe Typ 1«, »Reflex sympathetic<br />

dystrophy«, RDS, Algodystrophie, Sudecks Dystrophie),<br />

die Osteoporose (1900) sowie 1909 das Narkosestadium<br />

»Stadium analgeticum«.<br />

SUNCT-Syndrom. Klinisches Kopfschmerzensyndrom<br />

mit einseitigen neuralgieformen Kopfschmerzattaken<br />

sowie autonomer Symptomatik: Konjunktivitisreaktion,<br />

Tränenfluss, Rhinorrhö. Nach engl. Abk. syndrome<br />

of unilateral neuralgiform headache attacks, with conjunctival<br />

injection, tearing and rhinorrhöa).<br />

S<strong>und</strong>erland, Sidney (Brisbane 1910-1993). Schon als<br />

Schüler hervorragend <strong>und</strong> Gewinner verschiedenster<br />

Preise <strong>und</strong> Ehrenstipendien, die ihm das Medizinstudium<br />

im weiten Melbourne erlaubten (Promotion 1935).<br />

Weiterbildung in Anatomie inklusive Hirn- <strong>und</strong> Nervenforschung,<br />

mit 27 Jahren Professur für Anatomie an<br />

der Universität Melbourne (1938). Studienreisen u. a. in<br />

die USA sowie nach Oxford (Neurochirurgie mit Sir<br />

Hugh Cairns): Anfcinge seiner neuroanatomischen Studien.<br />

Fre<strong>und</strong>schaft mit dem politischen Flüchtling Pio<br />

del Rio-Hortega (einem Schüler von~ Rarnon y Cajal),<br />

der ihm in die Geheimnisse von Nervenfärbungen einführte.<br />

Kurze Zusammenarbeit in Montreal mit dem<br />

Nobelpreisträger Wilder Penfield, dem Pionier der kortikalen<br />

Reizung am wachen Patienten (Lokalanästhesie;<br />

Patienten mit Hirntumoren etc.). Während des Krieges<br />

Untersuchungen von im Weltkrieg verw<strong>und</strong>eten australischen<br />

Soldaten (Nervenläsionen, Nervenregeneration,<br />

neuropathische Schmerzzustände ... mit Mitchell vergleichbar!<br />

etc.), vielfache Ehrungen; u. a. Sidney S<strong>und</strong>erland<br />

Gesellschaft.<br />

Suppositorien. Suppositoria, galenisch so zubereitete<br />

Wirkstoffpräparate, dass sie bei Einführung ins Rektum<br />

bzw. bei Körpertemperatur schmelzen, zerfallen oder<br />

sich lösen. Ebenfalls: Rektaltabletten, Rektalgelatinekapseln,<br />

Rektallyophilisate.<br />

Suspensiones. Suspensionen, »disperse« galenische<br />

Systeme, bestehend aus Vehikel (Flüssigkeit) <strong>und</strong> darin<br />

zerteilter Phase (unlösliche Wirkstoffpulver). Bei sog.<br />

Trockensuspensionen (»Suspensiones siccae«) werden<br />

entsprechende Wirkstoffpulver nach Schütteln mit dem<br />

in Bezug auf Volumen, Gewicht definierten Vehikel<br />

kurzfristig in Suspensionen übergeführt.<br />

Sweet, Williaro (Kerriston/Washington *1910). Harvard<br />

Medical School mit MD 1936, bedeutender Neurochirurg,<br />

schrieb mit }ames C. White das Standardwerk:<br />

»Pain and the neurosurgeon« (1955, 1969). Gründungsmitglied<br />

!ASP. Mit Gordon Brownell Miterfinder der<br />

»Positron Emission Tomographie«, PET. Begründer der<br />

endovaskulären Chirurgie für a.v.-Malformationen,<br />

entdeckte die antikonvulsive Wirkung von Diphenylhydantoin<br />

(1937) <strong>und</strong> führte 1958 osmotische Diuretika<br />

zur Behandlung des Hirnödems ein.<br />

SWS-Schlaf. Engl. Abk. für »slow wave sleep«, Langsame-Wellen-Schlaf.<br />

Sydenham, T. (1624-1689). Beschrieb die Gicht <strong>und</strong><br />

Gichtschmerzen, entdeckte die Wirkung der Chinarin-


862 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

de gegen Malaria, nach ihm wird die Chorea minor oder<br />

Veitstanz benannt (1686) Er erfand die Safranopiumtinktur<br />

(Tinctura opii crocata), eine mit Safran- <strong>und</strong><br />

Gewürznelken optisch <strong>und</strong> geschmacklich verbesserte<br />

Opiumtinktur, ein Vorläufer des ~ Brompton Cocktails.<br />

Schrieb über Opium:<br />

»Among the remedies which it has pleased<br />

Almighty God to give man to relieve bis<br />

sufferings none is so universal and so efficacious<br />

as opium«,<br />

Sympsychalgie. Schmerzexazerbation durch psychische<br />

Reize.<br />

Synalgie. Mitempfinden von Schmerzen in einem nicht<br />

erkrankten Körperteil.<br />

Synapse. Kontaktstelle zwischen Neuronen <strong>und</strong> Neuronen<br />

(interneuronale Synapsen, vgl. auch interzelluläre<br />

Informationssysteme) oder Neuronen <strong>und</strong> Nicht-Neuronen<br />

mit speziellen Organellen (Transmittervesikeln,<br />

Membrane, Rezeptoren etc.) zur (chemischen) Erregungsübertragung.<br />

Die Namengebung Synapse erfolgte<br />

durch~ Sir Charles Scott Sherrington (1897). Vgl. auch<br />

interzelluläre Informationssysteme oder Neuronen <strong>und</strong><br />

Nicht-Neuronen mit speziellen Organellen (Transmittervesikeln,<br />

Membrane, Rezeptoren etc.) zur (chemischen)<br />

Erregungsübertragung der spinalen ~ Nazitransformation.<br />

Synapsine. Proteinfamilie, die synaptische Funktionen<br />

(Transmittervesikel; Freisetzung von Neurotransmittern<br />

etc.) koreguliert. Synapsine können reversibel ~<br />

phosphoryliert bzw. moduliert werden.<br />

Synaptosom. Für biologische Untersuchungen aus<br />

homogenisiertem Tierhirn (Ratte) gewonnene Synapse<br />

bzw. Nervenendigung.<br />

Synästhesalgie. Das Auftreten von Schmerzen in der<br />

erkrankten Extremität durch Berührung der ges<strong>und</strong>en<br />

kontralateralen Extremität (Klinik der~ Kausalgie).<br />

Synästhesie. Begleitempfindung, abnorme Missempfindung<br />

eines Sinnesorganes bei Reizung eines anderen<br />

(z. B. Synalgesie, Schmerzempfindung fern vom Krankheitsherd).<br />

synergistisch. Potenzierend, Zusammenwirken von<br />

Substanzen mit Wirkungsverstärkung.<br />

Tachykinine. Biologisch aktive, weitverbreitete Peptidfamilie<br />

mit gemeinsamem C-Terminal: -Phe-X-Gly­<br />

Leu-Met-NH2, zu denen die Substanz P, die Neurokinirre<br />

A (NKA) <strong>und</strong> B (NKB) gezählt wird. Die verschiedenen<br />

biologischen Wirkungen dieser Peptide werden über 3<br />

Rezeptorsubtypen, nämlich NK,-R (SP), NK 2 -R (NKA)<br />

sowie den NK 3 -R, vermittelt (s. Buch A).<br />

Tachyphylaxie. Pharmakologisch rasch auftretende<br />

Wirkungsabschwächung (s. akute Toleranz, Buch B).<br />

Tagesklinik. Zuerst in der Psychiatrie ( oberitalienische<br />

Psychiatrieschule), jetzt zunehmend auch in chirurgischen<br />

Kliniken geübte ambulante Behandlung zur<br />

Kostendeckung <strong>und</strong> zur Aufrechterhaltung der sozialen<br />

Kontakte; s. auch Spitex.<br />

tail-electric-stimulation-test. Von Caroll <strong>und</strong> Lim 1960<br />

eingeführt. Am Schwanz des Versuchstiers werden elektrisehe<br />

Elektroden befestigt <strong>und</strong> mit einer zunehmenden,<br />

standardisierten elektrischen Reizung die Anzeichen<br />

von Schmerzen (motorische Spinalreflexe, Vokalisation<br />

während <strong>und</strong> nach Reizung) beobachtet.<br />

tail-flick-test. Von d' Amour <strong>und</strong> Smith 1941 eingeführt,<br />

ein thermisch fokaler Stimulus der auf die Schwanzbasis<br />

des Versuchstiers gerichtet wird <strong>und</strong> die nach Reizung<br />

beobachtbaren Schwanzreaktion aufzeichnet<br />

( Tail-flick-Analgesimeter).<br />

taktile Hyperästhesie. Störung der Oberflächensensibilität<br />

mit Überempfindlichkeit gegenüber taktilen<br />

Stimuli, auch oft mit dysästhetischem Charakter, Berührung<br />

wird als »unangenehm« empf<strong>und</strong>en.<br />

Talalgie. Fersenbeinneuralgie.<br />

Tarsalgie. Schmerzen im Tarsus, Fusswurzel.<br />

Taxonomie. Systematische, standardisierte Klassifikation<br />

mit Beschreibung <strong>und</strong> Einteilung der klinischen<br />

Schmerzphänomene.<br />

TCI. Eng!. Abk. für »target-controlled infusion«, zielkontrollierte<br />

Infusion, das Ziel eine Plasmakonzentration<br />

X mit dem Wirkstoff optimal <strong>und</strong> konstant zu halten.<br />

Wird mit computergesteuerten Pumpen, prozessierte<br />

pharmakakinetische Daten zur optimalen Infusion,<br />

erreicht. Die TCI-Technik geht auf Arbeiten um J.<br />

Schüttler, H. Schwilden <strong>und</strong> H. Stoeckel zurück (1983).<br />

Teichopsie. »Zackensehen«, Prodromie bei Migräneattacken.<br />

Telae. Verbandgazen.<br />

TENS. Abk. für »transkutane elektrische Nervenstimulation«,<br />

daneben auch SCS, »spinal cord Stimulation«,<br />

sowie DBS, »deep brain Stimulation«, über invasive<br />

Elektrodensysteme.<br />

Tension Type Headache. Engl. Bezeichnung für ~<br />

Kopfschmerz vom Spannungstyp ~ Buch A.<br />

Teodori, Ugo (1911-1993). Gründer der modernen<br />

Horentinischen Schmerzschule. Ehrenmitglied der<br />

IASP. Mit R. Galletti zusammen »>I dolore nelle affezioni<br />

degli organi interni del torace« (Pozzi, Roma 1962).<br />

Herausgaber 1982 von«Fisiopatologia e terapie medica<br />

del dolore«(Pozzi, Roma). Lehrer von~ Paolo Procacci.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 863<br />

Tera. Abk. T, dezimales Vielfaches in der Ordnung 10 12 •<br />

terminale Krankheit. Endphase einer normalerweise<br />

tödlich verlaufenden Krankheit.<br />

Tetrodotoxin. Ein ultrapotentes Fischtoxin der Klasse<br />

Aminoperhydrochinazolin, u. a. aus dem japanischen<br />

(gastronomisch geschätzten) Kugelfisch ( ~ Fugu)<br />

gewonnen. Tetrodotoxin blockiert relativ selektiv<br />

Na+ Ionenkanäle <strong>und</strong> wird deshalb experimentell in der<br />

Rezeptorforschung eingesetzt. Tetrodotoxin wird auch<br />

in der tierexperimentellen Anästhesiologie/Schmerzforschung<br />

als ultralangwirksames Lokalanästhetikum<br />

diskutiert, »therapeutisches Fenster« minimal, s. Buch F.<br />

Teutschländer-Syndrom. Syn.: Lipoidocalcinosis progrediens,<br />

»Lipoidkalkgicht«, nach dem Heidelberger<br />

Pathologen Otto Teutschländer (1874-1950) bezeichnete<br />

Erkrankung mit schubweise auftretenden, schmerzhaften<br />

Gewebe-Nekrosen, -Kalzinosen.<br />

Teweldeberhan, Kessete (Harien/Eritrea *1946). Nach<br />

dem Abitur Ausbildung in Krankenpflege in Asmara.<br />

Ausbildung zum Anästhesiepfleger 1974-1976 Addis<br />

Abeba. Danach engagierter Leiter dieser einzigen, offiziellen<br />

1974 (durch den Autoren) gegründeten Anästhesiepflegerschule<br />

Äthiopiens, die den gesamten Landesbedarf<br />

an Anästhesiepflegepersonal liefert. Weiterbildung<br />

in Pittsburg. Wegen seiner eritreischen Abstammung<br />

im Herbst 1998 als äthiopischer Staatsbürger verhaftet<br />

<strong>und</strong> nach Eritrea deportiert.<br />

TGF-a, ß 1 ,2 Abk. für »transforming growth factor«, werden<br />

in verschiedenen Geweben <strong>und</strong> Zellen synthetisiert.<br />

Multiple Funktionen: phänotypische Transformation,<br />

embryonale Entwicklung, Zelldifferenzierung,<br />

Hormonsekretion, Immunfunktionen etc.<br />

Thalamus. Ganglienanhäufung zu beiden Seiten des 3·<br />

Ventrikels im Dienzephalon, die Verbindung mit dem<br />

Hypothalamus beschrieb 1895 William His. Der Thalamus<br />

funktioniert als eine Art Umschaltstation, indem er<br />

spinale <strong>und</strong> andere Afferenzen in die entsprechenden<br />

kortikalen Gebiete umlenkt. Endstation des Tractus spinothalamicus.<br />

Kann bei inkurablen Schmerzzuständen<br />

stereotaktisch angegangen werden. Bei Erkrankung der<br />

thalamisehen Region kann es zu schweren, zentralen<br />

Schmerzzuständen kommen, dem Schmerzsyndrom<br />

»Dejerine-Roussy« 1906, s. Buch A.<br />

Thebain. Paramorphin. C, 9 H 2 ,N0 3 , Bestandteil von ~<br />

Opium zu nur 0,2%. Das konvulsiv <strong>und</strong> ähnlich wie<br />

Strychnin toxisch wirkende Thebain kann therapeutisch<br />

nicht genutzt werden, ist aber Ausgangspunkt therapeutisch<br />

eingesetzten Opioiden wie ~ Oxycodon, ~<br />

Naloxon, ~ Nalbuphin, ~ Etorphin (s. Buch C).<br />

Theophrastus ([Tyrtamo] Eresos - 372-287 Athen).<br />

Schüler von Plato ( -428-348) <strong>und</strong> Aristoteles (384-322),<br />

Philosoph <strong>und</strong> Botaniker, er beschrieb u. a. Alraune-<br />

<strong>und</strong> Mohnsaft in seinem ausführlichen Werk über<br />

Natur- <strong>und</strong> Kulturpflanzen.<br />

Theorell, Hugo (1903-1982). Schwed. Nobelpreisträger<br />

1956, Erforschung oxidativer Enzymsysteme.<br />

therapeutische Breite (therapeutischer Index). Relation<br />

zwischen~ DL 50 <strong>und</strong>~ DE 50 • Bei gewissen Stoffen wie<br />

i.v.-Barbituraten ist sie niedrig (ca. 7), bei anderen hoch<br />

(BZ-Antagonist Flumazenil >2oo.ooo ). Die therapeutische<br />

Breite wird im Tierversuch bestimmt, speziesgegebene<br />

Eigenheiten, wie z. B. relative Absenz von tödlicher<br />

opioidinduzierbarer Atemdepression im Tierversuch,<br />

relativieren diesen Wert.<br />

therapeutisches System. Siehe A. Zaffaroni, eine arzneistoffenthaltende<br />

Vorrichtung oder Darreichungsform,<br />

die einen Arzneistoff oder mehrere in vorausbestimmter<br />

Rate kontinuierlich über einen festgelegten Zeitraum<br />

an einen festgelegten Anwendungsort abgibt<br />

(s. Buch K).<br />

Thermalgesie. Polymodal durch extreme thermische<br />

Reize ausgelöster Schmerz.<br />

Theta-Wellen. EEG: F: ca. 4-7/s. Unter Schlaf- (Kinder)<br />

<strong>und</strong> Narkosebedingungen vorkommend.<br />

Thomas, Edward (1878-1917). Brit. Literat, ließ sich mit<br />

37 Jahren noch als Freiwilliger anwerben (weil- verheirateter<br />

Vater mit 2 Kindern - er nicht abseits stehen<br />

wollte).<br />

Thoraeie-outlet -Syndrom. Nervenkam pressionsyndrom<br />

des Plexus brachialis, oft mit Kompression der<br />

subklavischen Gefässe verb<strong>und</strong>en mit verschiedenster<br />

Äthiologie: erste Rippe, M. scalenus, Tumoren, SAPHO<br />

etc.<br />

Thudichum, Johann Ludwig (1829-1901). Bedeutender<br />

dt. Forscher, gilt als Begründer der Neurochemie.<br />

Timofeev, Dimitry (Penza/Russland 1859--1915). Medizinstudium<br />

an der Universität Kasan, wo 10 Jahre später<br />

auch Lenin studierte; Embryologe <strong>und</strong> Histologe;<br />

1897-1898 in Bonn (Zusammenarbeit mit Schiefferdecker)<br />

<strong>und</strong> Tübingen (Lenhossek), beschrieb 1894 »<br />

Zur Kenntis der Nervenendigungen in den männlichen<br />

Geschlechtsorganen« <strong>und</strong> 1896 »Über eine besondere<br />

Art von eingekapselten Nervenendigungen in den<br />

männlichen Geschlechtsorganen bei Säugetieren«, die<br />

heute noch in Frankreich als das Timofeev-Organ<br />

bezeichnet werden <strong>und</strong> möglicherweise mit freien C­<br />

Faserendigungen identisch sind.<br />

Tincturae. Tinkturen, dünnflüssige Wirkstoffpräparate.<br />

TIVA. Abk. für »Total(e) intravenous (intravenöse)<br />

Anaesthesia (Anästhesie)«, die gänzliche i.v.-Narkoseführung.<br />

Der Begriff wird fälschlicherweise leider oft<br />

gebraucht, wenn neben Luft/Sauerstoff/Heliumgasgemischen<br />

auch zusätzlich N 2 0 verwendet wird.


864 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

TMD. Abk. für die in Deutschland gesetzlich festgelegte<br />

Tagesmaximaldosis.<br />

TNF. Abk. für »Tumor necrosis factora. u. p«, Tumornekrosefaktor,<br />

ein von aktivierten Makrophagen <strong>und</strong><br />

Monozyten synthetisiertes Glykoprotein (MG ><br />

70.ooo.ooo) mit gegenüber Tumor- <strong>und</strong> Fremdzellen<br />

(Transplantaten) nekrotisierenden, endatoxischen<br />

Eigenschaften. Durch Lipopolysaccharide aktivierte<br />

Makrophagen setzen TNF frei. TNF-Rezeptoren sind<br />

ubiquitär, über 55.000- <strong>und</strong> 75.ooo-Rezeptoren werden<br />

multiple Reaktionen induziert (Apoptosis, Tumorzelllysis,<br />

T-Zellproliferation, Gewebenekrosen, Fieber etc.).<br />

Eine massive TNF-Freisetzung führt zu Koagulopathie,<br />

Aktivierung von Leukozyten mit Freisetzung proinflammatorischer<br />

Zytokine sowie kardiavaskulärem<br />

Schock. Die chronische Freisetzung von TNF wird mit<br />

chronischen Entzündungen, Knochenresorptionen,<br />

Anämie etc. in Verbindung gebracht. In der Rheumatologie<br />

sind Anti-TNF-Therapeutika in der klinischen<br />

Prüfung (s. BuchF<strong>und</strong> G,Antirheumatika).<br />

TNF-Rezeptor-Familie. Verwandte Rezeptoren, die<br />

immunologisch Zellproliferation <strong>und</strong> Zelltod steuern<br />

(55.000-TNF-Rezeptor, 75.000-TNF-Rezeptor, Lymphotoxinrezeptor,<br />

»Nerve growth factor receptor« etc.).<br />

Toleranz. In der Pharmakologie auch Gewöhnung, Wirkungsabschwächung.<br />

Wirkstoffe (z.B. Morphin) können<br />

nach repetierten Dosen eine akute (akute Toleranz;<br />

Tachyphylaxie) oder langsam auftretende Wirkungsabnahme<br />

aufweisen. Der Patient muss die Dosis erhöhen,<br />

um die gleiche Wirkung zu erzielen.<br />

Toller, Ernst (Samotschin bei Bromberg/preussische<br />

Provinz Posen 1893-1939 New York, Exil <strong>und</strong> Suizid).<br />

Zunächst begeisterte Teilnahme als Freiwilliger am<br />

ersten Weltkrieg, dann allmählich Pazifist (»Die Wandlung«).<br />

1917 Bekanntschaft mit Kurt Eisner. Festungshaft<br />

in Bayern wegen Beteiligung an der Münchner<br />

Räterepublik 1919-1924, während der er bedeutende<br />

dramatische Werke der dt. Literatur schuf (»Requiem<br />

den gemordeten Brüdern« 1920, »Gedichte der Gefangenen«<br />

1921 etc.). 1933 Zwangsemigration. Kommentierte<br />

in London die olympischen Spiele 1936: »Der Diktator,<br />

der den Frieden von heute preist, tut es, um den Krieg<br />

von morgen vorzubereiten.« Rastlose Tätigkeit: Pazifismus,<br />

Hilfsprojekte für die vom spanischen Bürgerkrieg<br />

betroffene Zivilbevölkerung. Nahm sich 1939 in New<br />

York aus Verzweiflung das Leben. Siehe auch Günther<br />

Weisenborn.<br />

Tourette-Syndrom. Nach dem Pariser Neurologen G.G.<br />

de la Taurette (1857-1904) benanntes seltenes Krankheitsbild,<br />

das sich u. a. mit motorischer Dysfunktion<br />

(Tics etc.) manifestiert <strong>und</strong> möglicherweise durch eine<br />

pathologische Funktion zentraler Neurotransmittersysteme<br />

bedingt ist (DA, 5-HT, NA; Opioidrezeptoren).<br />

Tourniquettest Durch Tourniquet (z. B. Blutdruckmanschette)<br />

durchführbare Prüfung von Schmerzschwellen<br />

(ischämischer Schmerz).<br />

totale Spinal- bzw. Epiduralanästhesie. In der Regel<br />

»akzidentell«, historisch gesehen aber auch therapeutisch<br />

induzierte rückenmarknahe Anästhesie im<br />

gesamten Bereich des Rückenmarks (s. Buch Kinetik).<br />

Tragusschmerz. Bei Mastoiditis etc. auftretender<br />

Schmerz der mit Borstenhaaren besetzten äußeren<br />

Gehörgangsregion.<br />

Tranquanalgesie. v. a. in Skandinavien gebräuchliches<br />

Modewort für Kombination von Analgetikum ( v. a. auch<br />

Ketamin) <strong>und</strong> Tranquilizer (v.a. Diazepam). Siehe auch<br />

-7 Ataranalgesie.<br />

Tranquilizer. Nach dem engl. »to tranquil(l)ize«, beruhigen;<br />

Syn. Ataraktika (griech. ataraxia = Seelenruhe).<br />

Hypnotikafreie Psychopharmaka im engeren<br />

Sinne, ohne antipsychotisch-antischizophrene Wirkung.<br />

Hauptgruppe: Benzodiazepine, durch Forschungsgruppen<br />

um Sternbach <strong>und</strong> Haefely (Roche)<br />

zum ersten Mal synthetisiert.<br />

Transduktion. Phys. die Umwandlung körperfremder<br />

chemischer, thermischer, mechanischer etc. Energie in<br />

eine spezifische neuronale Signalsprache.<br />

Transskription. Lat. transscribere. Molekularbiologie:<br />

die Kopie einer einsträngigen Ribonukleinsäure (RNA)<br />

entlang der Mutter-DNA innerhalb des Zellkern durch<br />

RNA-Polymerasen. Der Transskriptionsvorgang läuft<br />

an der Seite des abzulesenden DNA-Strangs. Die Transkriptionskaskade<br />

nach extrazellulärer Signalstimulation<br />

wird in der molekulären Schmerzforschung mehr<br />

<strong>und</strong> mehr als Diskussionsgr<strong>und</strong>lage für die Entstehung<br />

pathologischer chronischer Schmerzleiden diskutiert<br />

(s. Genablesung, Buch A).<br />

Transskriptionsfaktor. Zelluläres Proteinsystem, das<br />

die Transskription induziert, stimuliert <strong>und</strong> beendet (z.<br />

B. NFAT = nuclear factor of activated T-cells).<br />

Translation. Aus der Genetik übernommener Ausdruck<br />

der »Übersetzung« einer neuronalen Information ins<br />

Bewusste (Perzeption).<br />

Transmission. Die neuronale Erregungsübertragung,<br />

z.B. Nozitransmission, die neuronale Übertragung von<br />

schädlichen Signalen.<br />

Transmitter. Engl.-lat. Überträgerstoff.<br />

transplazentäre/ diaplazentäre Barriere. Folgende<br />

histologische Barrieren trennen das mütterliche vom<br />

intervillösen Blut des Feten: Synzytiotrophoblast, plazentäres<br />

Bindegewebe, fetales Kapillarendothelium<br />

(mütterlichwärts <strong>und</strong> fetalwärts), Kapillarbett im terminalen<br />

fetalen Villus.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 865<br />

Traum. Unwillkürliche seelische Tätigkeit, Phantasieerlebnisse<br />

während des Schlafs (vgl. Forschungsarbeiten<br />

z. B. von C.G. Jung).<br />

Trendelenburg, Friedrich (Berlin 1844-1924 Berlin).<br />

Bedeutender Chirurg (Rostock, Bonn, Leipzig), Sohn<br />

des Philosophen Trendelenburg (Kritiker des Hegeischen<br />

Systems). Führte 1869 Chloroformnarkosen über<br />

selbst entwickelte Tracheotomie-Tubus-Sets (bestehend<br />

aus Tubus mit Blockmanschette <strong>und</strong> Narkosetrichter)<br />

durch, erste ähnliche Versuche am Kaninchen gehen auf<br />

John --7 Snow 1858 zurück. Nach Trendelenburg wird<br />

die Trendelenburg-Lagerung (Becken-Bein-Hochlagerung<br />

beim Schock etc.) <strong>und</strong> die sog. Trendelenburg­<br />

Operation, erstmals 1924 durchgeführt, benannt.<br />

Trichlorethylen. Trilene®, früher in der Anästhesie<br />

gebrauchtes flüssiges Anästhetikum mit niedriger Verdampfungsdruck.<br />

Das heute als Reinigungsmittel in der<br />

Industrie eingesetzte Trichlorethylen wird zum »Sniffling«<br />

(»Schnüffeln«) missbraucht.<br />

Triggerpunkte. Körperpunkte, die spontan oder auf<br />

Reizung, z. B. durch Druck, Schmerzen, eingeschränkte<br />

Muskeldehnbarkeit, autonome Gewebsfehlregulation<br />

etc. auslösen können. Cornelius publizierte 1926 (Thieme,<br />

Leipzig) ein Lehrbuch über »Die Nervenpunktlehre«.<br />

Triptane. Wirkstoffgruppe mit 5-HT,-agonistischer<br />

Wirkung, Migränemittel: z. B. Sumatriptan, Naratriptan,<br />

Zolmitriptan etc. (s. Buch F).<br />

Troxler, Ignaz Vitalis Paul (Münster/Luzern 1780-1866<br />

Aarau). Wird zu den führenden --7 Ärzteanthropologen<br />

gezählt. Versuchte in seiner »Anthroposophie« empirisch<br />

geistige Wirkprinzipien - als Pendant zu den<br />

materiellen Prinzipien in der Naturwissenschaft - zu<br />

erforschen. Unbequemer, »störender« <strong>und</strong> engagierter<br />

»Frühdemokrat«. Geschichtslehrer am Luzerner Lyzeum,<br />

aus politischen Gründen nach kurzer Zeit aus verschiedenen<br />

Lehraufträgen entlassen (vgl. moderne<br />

»Berufsverbote«), bis er endlich 1834-1850 eine Professur<br />

an der Universität Bern erhielt.<br />

Tyrosinkinase. Eine Rezeptordomäne (sog. ß-Einheit),<br />

die auf multiplen Rezeptoren der Wachstumsfaktoren­<br />

Familie vorhanden ist. Die über diese Domäne irrduzierbaren<br />

Signaltransduktionen betreffen Effektorreaktionen<br />

der Mitogenese, Zelldifferenzierung <strong>und</strong> des<br />

Zellwachstums.<br />

Tschaikowski, Pyotr Il'yich (1840-1893; s. auch --7<br />

Pathos). Nach Ansicht moderner Musikologen soll<br />

Tschaikowksi nicht an Cholera gestorben sein ( orthodoxe<br />

Todesversion), sondern auf Druck eines zaristischen<br />

Ehrenkommitees, das ihm am 31.10.1893 seine<br />

Aufwartung machte <strong>und</strong> ihn zwang, Arsen zu nehmen.<br />

Gr<strong>und</strong> dafür waren homosexuelle Beziehungen Tschaikowskis,<br />

so zu seinem Neffen Vladimir Davidov, der seinerseits<br />

später (1906) im Hause von Tschaikowski in<br />

Klin Selbstmord verübte.<br />

Tschechow, Anton Pawlowitsch (Taganrog 1860-1904<br />

[während eines Tbc-Kuraufenthaltes in Badenweiler/<br />

Schwarzwald]). Arzt, danach bedeutenden Schriftsteller,<br />

1890 Reise nach Sachalin, 1895 »Russlands Schreckeninsel«.<br />

TST. Engl. Abk. für »thermoregulatory sweat test«, Testverfahren<br />

bezüglich des autonomen peripheren Nervensystems<br />

in Bezug auf die Sudomotorfunktion. Der<br />

Patient wird in einer Infrarotwärmekammer auf eine<br />

erhöhte Kerntemperatur aufgeheizt <strong>und</strong> hinsichtlich<br />

einer entsprechenden Schweißreaktion (Hypo/Anhidrosis<br />

bis Hyperhidrosis) im Gebiet des neuropathisch<br />

geschädigten Nerven (fokal, distal von der Schädigung,<br />

segmental, regional, global etc.) getestet. Ähnliche, aber<br />

auf einzelne Nerven gerichtete Testverfahren sind der<br />

QSART bzw. stimulierter postganglionärer Sudomotortest.<br />

Tuffier, T. (1867-1929). Frz. Chirurg, publizierte fast zeitgleich<br />

mit --7 A. Bier 1891 Arbeiten über Spinalanästhesie.<br />

Wandte 1899 intrathekales Kokain zur Schmerzlinderung<br />

bei therapieresistenden Malignomschmerzen<br />

an. Nach ihm wurde die von ihm für die lumbale Spinalpunktion<br />

vorgeschlagene Linie zwischen den Darmbeinkämmen<br />

benannt. Er betonte, dass der Wirkstoff<br />

niemals intrathekal anzubringen sei, ohne dass über die<br />

Punktionsnadel Liquor abgeflossen sei.<br />

Tuohy, E.B. Entwickelte spezielle Nadelschliffe für kontinuierliche<br />

Spinal- <strong>und</strong> Epiduralanästhesien mittels<br />

Kathetern, damals Ureterkatheter; 1944/45.<br />

Tussis. Lat. Husten, daher werden z. B. Hustenmittel als<br />

Antitussiva bezeichnet.<br />

UAW. Abk. für unerwünschte Arzneimittelwirkungen.<br />

UCS. Engl. Abk. für »unconditioned stimulus«, im<br />

Gegensatz dazu s. auch --7 CS.<br />

Ullmann, Viktor (Teschen 1898-1944 Ausschwitz). Aus<br />

großbürgerlicher Familie der Donaumonarchie stammend,<br />

Musikstudium, 1917-1918 wegen Tapferkeit an<br />

der italienischen Front zum Leutnant der Reserve<br />

geschlagen, erfasste musikalisch in seiner Oper »Der<br />

Sturz des Antichrist« (1936) die Schrecklichkeit des<br />

nationalsozialistischen Totalitarismus im Voraus. 1942<br />

ins KZ Theresienstadt zur »Arbeitsgruppe Freizeitgestaltung«<br />

überführt, wo er die Oper »Der Kaiser (Hitler)<br />

von Atlantis« zusammen mit Petr Kein, seinem Librettisten,<br />

komponierte. Beide, Ullmann <strong>und</strong> Kein, wurden<br />

1944 im KZ Auschwitz ermordet. Die Oper »Der Kaiser<br />

von Atlantis« wurde 1992 in Saarbrücken uraufgeführt.


866 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

UNFDAC. Abk. für »UN f<strong>und</strong> for drug abuse control«<br />

bzw. Internationaler Suchtstoff-Kontrollfond der UN.<br />

Unguenta. Salben, thixotrope Gele zur Anwendung von<br />

Wirkstoffen auf Haut oder Schleimhäute.<br />

Untertunnelung. Rückenmarknahe Langzeitkatheter<br />

können durch subkutane Untertunnelung in Bezug auf<br />

Fixationsqualität sowie Infektionsgefahr geschützt werden<br />

(s. ~ rückenmarknahe Techniken).<br />

UROD. Engl. Abk. für» ultrarapid opiate detoxification«,<br />

dt. ~ AINOS, s. Buch B).<br />

USP. Abk für » The United States Pharmacopeia«.<br />

Valleix-Druckpunkte. Siehe Schmerzpunkte.<br />

Vanilloidrezeptoren. Abk. VR-Rezeptoren, die Wirkstoffe<br />

wie~ Capsaicin erkennen. Subtypen: VR-R1 <strong>und</strong><br />

VR-R2 (s. Buch A).<br />

Vanzetti-Zeichen. Nach dem ital. Chirurgen T. Vanzetti<br />

(1809-1888) benannt, die reflektorisch-entlastende Skoliosehaltung<br />

beim Ischiassyndrom.<br />

Varolio, Costanzo (Bologna 1543-1575 Rom). Medizin­<br />

(Anatomie) <strong>und</strong> Philosphiestudium in Bologna (1567),<br />

entwickelte neue Hirndissektionstechniken. Danach in<br />

Rom Arzt (nicht belegbar, ob er der päpstlicher Hausarzt<br />

war). Publizierte 1573: »De nervis opticis« <strong>und</strong><br />

posthum: »Anatomiae libri« (1591). Entdecker der<br />

»Pons«.<br />

VAS. Engl. Abk. für » Visual Analogue Scale«.Visuelle<br />

Analog-Skalen.<br />

Velpeau, Louis (La Breche 1795-1867). Frz. Chirurg,<br />

schrieb 1840 einen viel zitierten Unsinn: »Eviter la douleur<br />

par des moyens artificiels est une chimere!«. Velpeau<br />

- beeindruckt durch die Fortschritte der Äthernarkose<br />

- revidierte dieses Zitat aber innerhalb weniger<br />

Jahre.<br />

Ventafridda, Vittorio (*1927). Medizinstudium in Pavia<br />

mit Abschluss 1952. Weiterbildung in Anästhesiologie<br />

1953-1958 Research and Educational Hospital University<br />

of Illinois (Chicago). In Mailand Anästhesist am<br />

nationalen Krebszentrum, ab 1970 Direktor des dortigen<br />

Schmerztherapie-Rehabilitationszentrums. Mitgründer<br />

der IASP. 1984 Vater der WHO-Schmerztherapiepromotion<br />

(»Dreistufentherapie«).1987 Gründer der<br />

italienischen Gesellschaft für Palliativmedizin. 1988<br />

Gründer der »European Association for Palliative Care«<br />

(EAPC). Über 250 Publikationen über Schmerzkontrolle,<br />

Messung der Lebensqualität sowie Palliativmedizin.<br />

Vielfältige Tätigkeiten als Herausgeber, Autor etc.,<br />

Direktor des »WHO Collaborating Centre in Cancer<br />

Control and Palliative Care« (European Institute of<br />

Oncology, Milano). Präsident der italienischen Schule<br />

für Palliativmedizin.<br />

Verfügbarkeit. Bioverfügbarkeit, der Anteil eines Wirkstoffes,<br />

der am Zielorgan (Zielrezeptor) zur Verfügung<br />

steht.<br />

Verschreibungspflicht. Syn. ~ Rezeptpflicht verschreibungspflichtig.<br />

Syn. ~ rezeptpflichtig.<br />

Verteilungsvolumen. Fiktives kinetisches Volumen,<br />

Vd = Gesamtmenge des Wirkstoffs im Körper/Plasmakonzentration.<br />

Es wird unterschieden zwischen initialem<br />

Verteilungsvolumen <strong>und</strong> Verteilungsvolumen im<br />

Gleichgewicht (V dsteady state). Das Verteilungsvolumen<br />

wird wie folgt ermittelt: nach i.v.-Gabe eines radioaktiv<br />

markierten Wirkstoffs werden laufend Konzentrationsmessungen<br />

vorgenommen. Verbleibt der Wirkstoff im<br />

intravasalen Kompartiment, wird eine entsprechend<br />

hohe Konzentration gemessen. Sein Verteilungsvolumen<br />

entspricht demjenigen des Intravasalvolumens<br />

<strong>und</strong> ist extrem klein. Verteilt sich der Wirkstoff weiter<br />

auf das extrazelluläre Kompartiment (15-27%/KG bzw.<br />

ca. 15 l) oder sogar in das intrazelluläre Volumen<br />

(6oo/o/KG oder ca. 42l), wird die entsprechend i.v. oder<br />

i.a. gemessene Wirkstoffkonzentration fallen. Da das<br />

Verteilungsvolumen nur indirekt über Plasmakonzentrationsmessungen<br />

ermittelt wird, ist es »fiktiv«. So<br />

können Wirkstoffe ein Verteilungsvolumen aufweisen,<br />

das einem Mehrfachen des Körpergewichts entspricht.<br />

Dasinitiale Verteilungsvolumen (entspricht dem Intravasalvolumen)<br />

kann multipliziert werden mit der<br />

Größe der »minimalen effektiven Wirkstoffkonzentration«<br />

( ~ MEAC). Das Produkt dieser 2 Größen ergibt<br />

rein rechnerisch die sog. Sättigungsdosis (bei i.v. applizierten<br />

Wirkstoffen; D =V d * C).<br />

vertigo. Lat. Schwindel.<br />

Verum. Lat. >>das Wahre«, Gegenteil ~ Placebo, ~<br />

Nocebo.<br />

Vicq d' Azyr, Felix (1748-1794). Beschrieb zum ersten<br />

Mal den Locus coeruleus (1786).<br />

Vidianus, Guido (1500-1569). Arzt <strong>und</strong> Anatom in Florenz,<br />

Pisa <strong>und</strong> Paris. Nach ihm wird der Canalis<br />

pterygoideus (Vidianuskanal) sowie die Vidianus-Sluder-Neuralgie<br />

( Gesichtsneuralgie infolge Reizung des<br />

Ganglion pterygopalatinum) benannt.<br />

Vincent, Clois (1879-1947). Mit~ de Martel Begründer<br />

der frz. Neurochirurgie.<br />

VIP. Engl. Abk. für »vasoactive intestinal peptide«, s. ~<br />

Apudzellen.<br />

Virchow, Rudolf (1821-1902). Schüler des Sinnesphysiologen<br />

Johannes Müller (1801-1858), Begründer der Zellpathologie<br />

(Cellularpathologie 1858), lehnte allerdings<br />

Louis Pasteurs (1822-1895) revolutionäre Theorien der<br />

Keime bzw. Infektionen ab. In späteren Lebensjahren


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 867<br />

archäologische Tätigkeiten <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft mit<br />

Schliemann (Ausgrabungen von Troya!).<br />

Viszeralneuralgie. Älterer <strong>und</strong> ungenauer Ausdruck<br />

von neuralgieformen Schmerzen aus dem Viszeralbereich.<br />

Vogt, Oscar (Husum 1870-1959). Studium der Medizin<br />

<strong>und</strong> Naturwissenschaften in Kiel <strong>und</strong> Jena mit Promoti~n<br />

in Mediz~n 1894. Klinische Ausbildung in Psychiatne,<br />

Neurologie, Neuropathologie, Hirnpathologie, Psychotherapie,<br />

Neurobiologie unter Ernst Häckel, Otto<br />

Binswanger, Theodor Ziehen (Jena), August Fore!<br />

(Zürich), PierreMarie (Paris). In Paris lernte er die 23-<br />

jä~rige Medizinstudentin Cecile --1 Mugnier kennen,<br />

m1t der ihn über 6o Jahre gemeinsamen Lebens <strong>und</strong><br />

engster wissenschaftlicher Zusammenarbeit verbinden<br />

sollte. Als 28-jähriger Gründer der privaten, eigenen<br />

»Neurologischen Zentralstation«, die 1902 der Universität<br />

Berlin angeschlossen wurde. Auf Initiative von<br />

Vogt wurde 1914 das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung<br />

gegründet. Vogt war u. a. einer der führenden<br />

Hirnmorphelogen der Wissenschaft ( u. a. Einführung<br />

von Serienschnitten etc.). Unter anderem: 1924 in<br />

Moskau zur Untersuchung des Gehirns des am<br />

21.01.1924 verstorbenen Lenin zusammen mit --1<br />

Otfried Förster, Oswald Bumke, Klemperer, Borchardt,<br />

Nonne, Minkowski, Strümpell. Aufbau - als indirekte<br />

Konsequenz des Rapallo-Vertrages -eines sowjetischen<br />

Hirnforschungsinstitut (1926 eröffnet). Nach Hitlers<br />

Machtübernahme vom »Der Stürmer« diffamiert <strong>und</strong><br />

vom Kaiser-Wilhelm-Institut entlassen. Als Protege u. a.<br />

der Industriellen-Familie Krupp in Neustadt (Schwarzwald)<br />

privates Hirnforschungsinstitut, ab 1937 (s. oben<br />

--1 Mugnier Cecilie). »Sitz <strong>und</strong> Wesen der Krankheiten«<br />

(1937, 1938), »Thalamusstudien« (1941), »Die Sondergestaltung<br />

verschiedener Hirnbezirke« (1941), »Morphologische<br />

Gestaltungen« (1942), »Überfunktionelle <strong>und</strong><br />

genetische Harmonien« <strong>und</strong> »Die anatomische Vertiefung<br />

der menschlichen Hirnlokalisation« (1951). Viele<br />

Ehrungen so Dr. med. h.c. Universität Freiburg, Porto,<br />

Kiel, Wilna, Zürich, Jena etc. Eine Arbeitshypothese von<br />

Vogt war u. a. » Jungbleiben durch geistige Tätigkeit«. Im<br />

Vogtsehen Institut am Neustädter Denneuberg war<br />

auch damals die größte Hummel- <strong>und</strong> Laufkäfersammlung<br />

der Welt untergebracht. Nach Vogts Tod siedelte<br />

das Institut nach Düsseldorf über. Aus dem Neustädter<br />

Institut wurde eine nach Vogt benannte Fachklinik für<br />

Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie.<br />

Volkmann, Richard (Pseudonym Richard Leander,<br />

Leipzig 1830-1889 Jena). Generalarzt der preussischen<br />

Armee, Lyriker <strong>und</strong> bedeutender Märchenerzähler.<br />

Vomitio. Syn.: Vomitus (lat. ), Erbrechen. Als Vomitivum<br />

wurde früher ein Brechmittel bezeichnet. Vom Kliniker<br />

differenzierte Bezeichnungen sind u. a. Vomitus biliosus<br />

(»Galle-Erbrechen«), V. cruentus (»Bluterbrechen,<br />

Hämatemesis«), V. faeculentus oder stercoralis (»Miserere«),<br />

V. gravidarum (Schwangerschaftserbrechen), V.<br />

infantinus (Pädiatrie), V. matutinus (morgendliches<br />

Erbrechen), Vomito negro (blutiges Erbrechen bei<br />

Gelbfieber).<br />

Von der Porten, Ernst (Hamburg 1879-1940 Südfrankreich).<br />

Praktischer Arzt, Anästhesist, Pionier der<br />

modernen interdisziplinären Schmerztherapie bzw.<br />

Algesiologie (s. Buch A, Einführung). Sein Bruder P.M.<br />

war während des 1. Weltkriegs dt. Militärarzt an der<br />

Ostfront Ein andrer Bruder, Richard, fiel1916 in Russland.<br />

Seine Schwester, A.J., heiratete den Hamburger<br />

Staatsrat für Finanzdeputation Dr. Leo Lippmann,<br />

beide schieden als Verfolgte des Naziterrors 1943 aus<br />

dem Leben. Zuerst chirurgischer Medizinalassistent<br />

unter --1 Sudeck (der die »Eppendorfer Narkosemaske«<br />

entwickelte <strong>und</strong> in Deutschland die sog. N 2 0/0 2 -Narkose<br />

sowie das Kreissystem einführte). Während des 1.<br />

Weltkrieges beschäftige sich von der Porten als Sanitätsoffizier<br />

mit der Schmerztherapie, forderte Narkoseunterricht,<br />

entsprechende Fachprüfungen für Medizinstudenten,<br />

sowie eine Facharztausbildung <strong>und</strong>-titelfür<br />

Narkoseärzte. Von der Porten unternahm 1923 Studienreisen<br />

in England zur Erlernung neuer Narkoseverfahren<br />

<strong>und</strong> besuchte als einziger nichtangelsächsischer<br />

!eilneh.mer den 1. Internationalen »Narkosekongress«<br />

m Nottmgham. Treffen <strong>und</strong> Informationsaustausch mit<br />

dem amerikanischen Anästhesisten F.H. McMehan<br />

(seit 1922 Herausgeber der Zeitschrift Curr Res Anesth<br />

Analg) sowie H.M. Cohen (seit 1923 Herausgeber des Br<br />

J Anaesth). Zusammen mit dem Würzburger Ordinarius<br />

C.J. Gauß <strong>und</strong> dem Heidelberger Lehrstuhlinhaber<br />

für Pharmakologie H. Wieland gab von der Porten 1928<br />

Der Schmerz - Deutsche Zeitschrift zur Erforschung<br />

des Schmerzes <strong>und</strong> seiner Bekämpfung heraus<br />

(zugleich Zentralorgan für Narkose <strong>und</strong> Anästhesie).<br />

Diese Fachzeitschrift fusionierte mit Killians Narkose<br />

<strong>und</strong> Anästhesie 1929 zu Schmerz, Narkose <strong>und</strong><br />

Anästhesie. Aufgr<strong>und</strong> der sog. »Reichsverordnung« des<br />

Naziregimes erhielt von der Porten 1938 Berufsverbot,<br />

wurde 1939 noch im »International Directory of<br />

Anesthetists« als »Certified as specialist in anesthesia<br />

and fellow in the international college of anesthetists«<br />

erwähnt (eine Spezialistenbezeichnung, die nur 7 von<br />

damals 16 führenden deutschen »Narkose-Ärzten« teilten!).<br />

Flucht vor dem Naziterror über Belgien, interniert<br />

<strong>und</strong> nach Südfrankreich verschleppt. Dort nahm<br />

sich von der Porten zusammen mit seiner Frau Josphine,<br />

die auf beschwerlichen Umwegen zum ihm gelangt<br />

war, am 13.12.1940 das Leben. Der »Berufsverband<br />

Deutscher Anästhesisten« würdigte den Pionier durch<br />

die Stiftung der »Ernst-von-der-Porten-Medaille«<br />

(1987).<br />

Von-Frey-Haare. Nach dem Würzburger Physiologen<br />

Max von --1 Frey 1852-1921 feine Haare/Borsten, nume-


868 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

riert je nach Kraftanwendung W1 ( 0,98 mN) bis W7<br />

(221 mN), mit denen man Druckpunkte der Haut aufsuchen<br />

<strong>und</strong> sie auf Schmerzschwellenwerte untersuchen<br />

kann. In der Klinik als Pinsel verwendet zur klinischen<br />

Prüfung der Hautsensibilität<br />

Von Heyden. Schüler des Marburger Gelehrten Kolbe,<br />

entwickelte Syntheseverfahren zur billigen Großherstellung<br />

von ~ Salicylsäure <strong>und</strong> gründete 1874 bei<br />

Radeheul (Dresden) die chemischen Werke Heyden, die<br />

nach dem 2. Weltkrieg nach München <strong>und</strong> Regensburg<br />

verlegt wurden. Seit 1956 in Verbindung mit der Fa.<br />

Squibb, seit 1989 mit Bristol-Myers-Squibb.<br />

vulnus. Vulnera, die W<strong>und</strong>e(n).<br />

Vulvodynie. Chronische, dysästhetische Sensationen in<br />

der Vulvagegend (International society for the study of<br />

vulvar disease task force, 1984), multifaktoriell bedingt<br />

(z. B. zyklische Vulvovaginitis, Vestibulitis, Dermatosis,<br />

Papillomatosis etc., aber auch ))essentiell«).<br />

Wachstumsfaktoren. Syn.: Wuchsstoffe, engl. 11growth<br />

factors«, Superfamilie von Signalmolekülen, die das<br />

Zellwachstum <strong>und</strong> die Zelldifferenzierung steuern.<br />

Wadell-Tests. Unspezifische Schmerztests (Ablenkmanöver<br />

etc.) zur Differenzierung von spezifischen <strong>und</strong><br />

unspezifischen Rückenschmerzen (Wadell1980 ).<br />

Waldeyer, W. (1836-1921). Anatom, begründete die sog.<br />

Neuronentheorie, s. auch ~ Cajal/Golgi.<br />

Wall, Patrick (Nottingham *1925). Engl. Schmerzforscher,<br />

»Bachelor of Medicine« 1948. Ausbilder in Anatomie,<br />

Physiologie, Biologie (Yale, Chicago, Mass. Inst. of<br />

Technology), Anatomielehrstuhlinhaber der Universität<br />

London bis 1990. Mit ~ Melzack Erarbeitung der ~<br />

Gate-control-Theorie. Mitgründer der~ IASP. Seit 1975<br />

Herausgeber des Schmerzjournals »Pain«. Von ihm<br />

stammt:<br />

»So long as one person remains<br />

in pain and we cannot help, our knowledge<br />

of pain remains inadequate.«<br />

Wallenberg, Adolf (1862-1949). Bedeutender dt. Neurologe,<br />

erforschte u. a. die Blutversorgung des verlängerten<br />

Marks (nach ihm benannt Wallenberg-Syndrom<br />

[1895], s. ~neurogene Schmerzen, Buch A).<br />

Walthers-Ganglion. Syn.: »Ganglion impar«, auf Höhe<br />

Sakrokokkyks gelegenes Ganglion des paravertebralen<br />

Sympathikusstrangendes mit Funktion der Innervation<br />

des Beckens <strong>und</strong> Perineums. Möglicherweise involviert<br />

bei neurogenen Schmerzbildern dieser Regionen.<br />

Wang, S.C. Erforschte zusammen mit ~ Borison den<br />

Zusammenhang zwischen klinischer Nausea <strong>und</strong><br />

Erbrechen <strong>und</strong> entsprechenden Regionen des ZNS<br />

(1949, 1952), s. ~ Chemotriggerzone Area Borison <strong>und</strong><br />

Wang.<br />

Warburg, Otto Heinrich (Freiburg 1883-1970). Aus der<br />

deutschjüdischen »Warburg-Dynastie« stammend (die<br />

Warburgs waren über Italien im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert in<br />

Norddeutschland, v.a. bei »Cassel« <strong>und</strong> in »Warburg«,<br />

Zuflucht findende Ashkenazis). Chemiestudium bei<br />

Emil Fischer in Berlin <strong>und</strong> Promotion in Medizin in<br />

Heidelberg 1911. Im 1. Weltkrieg als Preussischer Kavallerist<br />

kriegsverletzt <strong>und</strong> mit dem »Eisernen Kreuz« ausgezeichnet.<br />

Forschung im Kaiser-Wilhelm-Institut<br />

(später Max-Planck-Institut) Berlin, gegenüber dem<br />

Naziregime eigentümlich blind (wahrscheinlich einziger<br />

»Warburg«, der in Deutschland verblieb <strong>und</strong> heil<br />

überlebte). 1931 Nobelpreis (Entdeckung der Atmungsenzyme),<br />

1944 2. Nobelpreisvorschlag, den er aber im<br />

politischen Umfeld Hitlers refusieren musste. Schüler<br />

von Warburg waren u. a. die Nobelpreisträger Otto<br />

Meyerhof <strong>und</strong> Hans Adolf Krebs; nach Besetzung Berlins<br />

durch die sowjetische Armee kurzer Aufenthalt in<br />

den USA, wo er sich offenbar mit seinen nächsten Verwandten<br />

zerstritt, zurück nach Berlin, wo er 1970 verstarb.<br />

Zu lesen: Sir Siegm<strong>und</strong> G. Warburg (1902-1982)<br />

11Un homme d'influence« von Jacques Attali (Fayard,<br />

Paris 1985). In diesem faszinierenden Buch wird Otto<br />

Warburg am Rande erwähnt. Zu besuchen: das 11dem<br />

guten Europäer gewidmete«, 1995 wiedereröffnete Warburg-Haus<br />

in Harnburg (Aby-Warburg-Stiftung).<br />

Wartenberg-Syndrom. Neuro!. nach dem amer. Neurologen<br />

Wartenberg (1887- 1956) benanntes Syndrom<br />

einer im Schlaf auftretenden, auf Bewegung abnehmenden<br />

Akroparästhesie im ellenseitigen Handbereich<br />

(Syn. nokturnale idiopathische Brachialgie).<br />

Waters, Ralph Milton (N Bloomfield/Ohio 1883-1979).<br />

Am. Anästhesist, Inhaber einer eigenen Privatklinik mit<br />

Tageschirurgietätigkeit, führte 1928 an der Universitätsklinik<br />

Wisconsin erste Kurse in Anästhesiologie ein.<br />

Nach ihm wird das »To-and-fro-System« benannt.<br />

Erster Lehrstuhl der Anästhesiologie in Madison 1938.<br />

Lehrer u. a. von ~ Gordh, ~ Apgar, Neff, Rovenstine<br />

etc. Waters prägte zusammen mit Rovenstine <strong>und</strong> ~<br />

Guedel die amerikanische Anästhesie in der ersten<br />

Hälfte des Jahrh<strong>und</strong>erts massgeblich.<br />

Weber-Fechner-Gesetz. Nach dem Leipziger Anatomen<br />

<strong>und</strong> Physiologen Weber 1795-1878 <strong>und</strong> G.T. Fechner -<br />

der 188o Webers Arbeiten von 1843 sowie eigene Arbeiten<br />

in einem Gesetz zusammenfasste - benannt. Das<br />

Gesetzt formuliert mathematisch den Reiz-Sinnesempfindungs-Zusammenhang.<br />

Die Änderung der Empfindungsstärke<br />

(L'l E) == logarith.-proport. Reizstärkenverhältnisse.<br />

Das Gesetz wird vielfach in seiner Gültigkeit<br />

relativiert. Eine Verbesserung bringt das Gesetz nach<br />

Stevens (1970 ): Empfindungsstärke == k * Reizstärke (in<br />

Exponentialfunktion). Anwendbar in der Schmerzfor-


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 869<br />

schung mit dem Ziel, Schmerzreize zu standardisieren<br />

<strong>und</strong> sie anderen Sinnesreizen gegenüber zu vergleichen<br />

(sog. »Cross modality matching«) - in der Hoffnung,<br />

subjektive Schmerzwahrnehmungen zu quantifizieren.<br />

Wedell, G.C. Postulierte die sog. ~ Patterntheorie<br />

(1955).<br />

Weese, Helmut (München 1897-1954). Bedeutender dt.<br />

Anästhesist <strong>und</strong> klinischer Pharmakologe, Pionier der<br />

i.v.-Narkoseeinleitung mit der Einführung von Hexobarbiton<br />

1932 (Evipan) <strong>und</strong> beim Einsatz vom Plasmaexpander.<br />

Weinstein, Tadeus (Wloclawek 1897-1996 Basel). Studium<br />

der Chemie, u. a. als Assistent von Ruzicka (ETH<br />

Zürich), ab 1946 Aufbau des Institutes für organische<br />

Chemie der Universität Basel. Synthetisierte 1933 das<br />

Vitamin C <strong>und</strong> später Nebennierenhormone (Aldosteron,<br />

Cortison). 1950 mit E.C. Kendall (»Compo<strong>und</strong> E« =<br />

Cortison) <strong>und</strong> P.S. ~ Herreh Nobelpreis in der Medizin.<br />

Weisenborn, Günther (Velbert/Rheinland 1902-1969<br />

Berlin). Studium der Germanistik <strong>und</strong> Medizin. Dramaturg<br />

in Berlin. Seine Bücher wurden 1933 verboten <strong>und</strong><br />

verbrannt. Emigration nach den USA, 1938 in den deutschen<br />

Untergr<strong>und</strong> zurück (u.a. Flugblätter für »Rote<br />

Kapelle«), 1942-1945 im Gestapogefängnis. Schrieb u. a.<br />

»Der lautlose Aufstand: Berichte über die Widerstandsbewegung<br />

des deutschen Volkes 1933-1945 (basierend auf<br />

einer von Ricarda Huch [Braunschweig 1864-1947<br />

Schönberg im Taunus, als erste Frau mit Doktorat der<br />

Philosophie, Mitgründerirr der Kleistgesellschaft <strong>und</strong><br />

1926 als erste Frau in die Preußische Akademie der<br />

Künste berufen- aus der sie 1933 demonstrativ austrat]<br />

angelegten Sammlung von Dokumenten). Mitbegründer<br />

des Hebbel-Theaters. Mitherausgeber des »Uhlenspiegels«.<br />

Weiss, Ernst (Brünn 1884-1940 Paris). Nach dem Studium<br />

der Medizin weltreisender Schiffsarzt <strong>und</strong> Schriftsteller,<br />

Flucht 1933 nach Österreich, 1938 nach Prag, 1939<br />

nach Paris. 1940 beim Einzug der deutschen Truppen<br />

bzw. der Gestapo Selbstmord.<br />

Weisse Rose. Vornehmlich aus Medizinstudenten wie<br />

Hans Scholl (Forchtenberg, später Ludwigsburg, dann<br />

Ulm 1918-1943), Sophie Scholl (1921-1943, Biologie <strong>und</strong><br />

Philosophiestudentin, Schwester von Hans), Christoph<br />

Probst (1919-1943), Alexander Schmoreil (1917-1943),<br />

Willi Graf (1918-1943) sowie dem Philosphieprofessor<br />

Karl Huber (1893-1943) gegründete Widerstandsgruppe<br />

gegen den totalitären Geist des »Dritten Reiches«. Die<br />

meisten Mitglieder erkannten progressiv, zuerst als Mitglieder<br />

der Hitlerjugend, dann als Eingezogene einer<br />

Studentenkompanie an der Ostfront den wahren Charakter<br />

des Nazitotalitarismus (z. B. Sophie, die vom Vergasen<br />

»unwerten Lebens« durch SS-Mitglieder erfuhr;<br />

Hans an der Ostfront, Massenhinrichtungen). Hans <strong>und</strong><br />

Sophie wurden vom Hausmeister der Universität, Herrn<br />

Jakob Schmid, bei einer Flugblattaktion ergriffen <strong>und</strong><br />

»ordnungsgemäss« der Gestapo übergeben. Eintägiges,<br />

nicht öffentliches »Gerichtsverfahren« unter dem<br />

eigens aus Berlin eingeflogenen » Volksgerichtspräsidenten«<br />

Roland Freisler. Hans, Sophie <strong>und</strong> Christoph<br />

wurden im Vollstreckungsgefängnis München-Stadelheim<br />

durch die Guillotine hingerichtet <strong>und</strong> heimlich<br />

auf dem Perlacher Friedhof beerdigt. Alexander, Willi<br />

<strong>und</strong> Karl Huber wurden einige Tage später verhaftet<br />

<strong>und</strong> hingerichtet. Heute u. a. »Geschwister-Scholl-Platz«<br />

vor der Ludwig-Maximilians-Universität in München.<br />

Ebenfalls seit 1980 »Geschwister-Scholl-Preis«, Preisträger<br />

bislang: Rolf Hochhuth 1980, Reiner Kunze 1981,<br />

Franz Fühmann 1982, Walter Dirks 1983, Anja Rosmus<br />

Wennirrger 1984, Jürgen Habermas 1985, Cordelia<br />

Edvardson 1986, Christa Wolf 1987, Grete Weil1988, Helmuth<br />

J. Moltke 1989, Lea Rosh/Eberhard Jäckel 1990,<br />

Georges-A. Goldschmidt 1991, Barbara Distell Wolfgang<br />

Benz 1992, Wolfgang Sofsky 1993, Heribert Prantl1994,<br />

Victor Klemperer 1995, Hans Deichmann 1996, Ernst<br />

Klee 1997 (»Auschwitz, die NS-Medizin <strong>und</strong> ihre<br />

Opfer«), Saul Friedländer 1998.<br />

Wells, Borace (Hartford/Vermont 1815-1848). Führte im<br />

Januar 1845 die analgetische Wirkung von N 2 0 zum<br />

Zahnziehen an der Harvard Medical School im Beisein<br />

von ~ Morton <strong>und</strong> ~ Charles T. Jackson vor, nachdem<br />

er bei einer öffentlichen »Lachgas-Budenshow« zu<br />

einem Eintrittspreis von 25 Cents des unbekannt gebliebenen<br />

»Prof.« Colton am 10.12.1944 den analgetischen<br />

Effekt hatte beobachten können. Der Versuch war aber<br />

ein Fiasko <strong>und</strong> Wells wurde aus dem Saal gebuht. Wells<br />

publizierte noch 1847 »A history of the discovery of the<br />

application of nitrous oxide gas, ether, and other<br />

vapours to surgical operations«, verkraftete aber seinen<br />

Misserfolg nie, gab seinen Zahnarztberuf auf <strong>und</strong> verkam<br />

regelrecht »im Sumpf«, wurde eingekerkert, nachdem<br />

er eine Prostitutierte mit Schwefelsäure attackiert<br />

hatte, <strong>und</strong> nahm sich dann das Leben durch Aufschlitzen<br />

der Femoralarterie.<br />

Weltschmerz. Sog. existentieller Pessimismus, der das<br />

seelische Leiden beschreibt, ausgelöst durch Verzweiflung,<br />

Negierung am Sinn der Welt <strong>und</strong> Resignation.<br />

Wenner-Gren, Axel Leonard (Uddevalla 1881-1961).<br />

Schwed. Industrieller (Gründer des Electrolux-Konzerns),<br />

rief die bedeutende Wenner-Gren-Fo<strong>und</strong>ation<br />

ins Leben ( ~ Zotterman).<br />

Werner, Alfred (Mülhausen/Elsass 1866-1919). Bedeutender<br />

Chemiker, Nobelpreis 1913, Arbeiten über Stereokonfigurationen.<br />

Wernicke, Carl (1848-1904). Bedeutender dt.-poln. Forscher<br />

u. a. über sensorische Aphasie, zentrale Poliomyelitis,<br />

Erkrankungen der inneren Kapsel etc.


870 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

Westphal, Alexander (1863-1941 Neurologe, Greifswald<br />

<strong>und</strong> Bonn). Siehe Edinger-Westphal-Kern.<br />

WHYMPI. Engl. Abk. für »West Haven- Yale muldidimensional<br />

pain inventory«, ein in der Schmerzpraxis<br />

eingesetztes psychometrisches Testverfahren nach Kern<br />

et al. (1985).<br />

Widal-Syndrom. Syn.: »ASS-Trias«, Acetylsäureintoleranzsyndrom,<br />

s.---? »Aspirin-induced asthma« (AIA).<br />

Wiesenfeld-Hallin, Zsuzsanna (Budapest *1946).<br />

Ungar.-schwed. Schmerzforscherin, nach Ausbildung in<br />

Physiologie in Cambridge sowie Arbeiten an der Cornell<br />

Universität Professur am ---? Karolinska Institut für<br />

»Basic and Clinical Neurophysiology«.<br />

Willer, Jean-Claude (Toulouse *1944). Medizinstudium<br />

in Paris mit Promotion 1970, danach Studium der Physiologie<br />

mit Promotion (Dr. sei es nat. 1982) unter der Leitung<br />

von---? Denise Albe-Fessard. Forschung in Nozizeption<br />

<strong>und</strong> Schmerz; zusammen mit---? Daniel LeBars Konzept<br />

der ---? DNIC. Viele internationale Ehrungen. Gegenwärtig<br />

Direktor des Instituts für Physiologie <strong>und</strong> Neurophysiologie,<br />

Chefarzt der Abt. für Neurophysiologie des<br />

Service d'Explorations Fonctionnelles Neurologiques am<br />

berühmten Krankenhaus Pitie-Salpetriere in Paris.<br />

Willstätter, Richard (1872-1942 Locarno/Exil). Eminenter<br />

dt. Chemiker in München, v. a. Erforschung von<br />

Naturstoffen, syntethisierte 1901 Atropin <strong>und</strong> 1902 das<br />

Hauptalkaloid Kokain, 1859 durch Albert Niemann<br />

rein dargestellt. Nobelpreis 1915 für Forschungen im<br />

Bereich Anthocyane <strong>und</strong> Chlorophyll. Aus Protest<br />

wegen des zunehmenden Antisemitismus an der<br />

Münchner Universität Demission 1924. Entzog sich<br />

seiner Verhaftung durch NS-Schergen durch Emigration<br />

in die Schweiz.<br />

»wind-up«-Phänomen. Mendell 1966: »Uhrmäßiges<br />

Aufziehen der nozizeptiven Vorgänge auf zentraler (---?<br />

spinaler) Ebene » (s. Buch A, s. auch ---? »preemptiveanalgesia«).<br />

Zu hoher spinaler nozizeptiver C-Input<br />

induziert über Freisetzung pronozizeptiver Neurotransmitter<br />

wie Substanz P (via NK-1 Rezeptoren) <strong>und</strong><br />

Glutamat (via NMDA-Rezeptor) eine erhöhte, tonische<br />

Exzitabilität der Zweitafferenz (erhöhte Spontanaktivität,<br />

progressive Erhöhung der evazierbaren Potentiale,<br />

Nachentladungen, Vergrößerung der rezeptiven<br />

Felder, Geninduktion etc.) im Sinne einer »spinalen<br />

Sensibilisierung« (s. auch »periphere Sensibilisierung«<br />

bzw. Mikromilieu, Buch A).<br />

Winnie, A.P. Bedeutender am. zeitg. Anästhesist. Gründer<br />

der amerikanischen Gesellschaft für Lokoregionalanästhesie<br />

1976. Entwickelte u. a. den interskalenischen<br />

Zervikalplexusblock (1975).<br />

Wintergrünöl. In der älteren Volksmedizin für rheumatische<br />

Beschwerden empfohlenes Öl, den 1843 aus der<br />

Gaultheria procumbens isolierten toxischen ---? Salicylsäuremethylester<br />

enthaltend.<br />

Wittgenstein, Ludwig Josef Johann (Wien 1989-1951<br />

Cambridge). Eminenter Denker. Repräsentant der nie<br />

mehr erreichten Blüte großbürgerlich-deutschjüdischer<br />

Kultur. Palais Wittgenstein an der früheren Alleegasse,<br />

heute: Argentinergasse, die Wittgensteins gaben musikalische<br />

Familienabende mit Brahms, Mahler, Bruno<br />

Walter, unterstützten Klimt (Portrait Madame Wittgenstein!),<br />

Moser, Rodin etc. Ludwigs Bruder Karl verlor<br />

während des 1. Weltkriegs an der Ostfront seinen rechten<br />

Arm, für ihn komponierte Maurice Ravel u. a. das<br />

»Konzert für die linke Hand«. Nach 1929 in Cambridge,<br />

nachdem er schon 1908 in Manchester Flugtechnik(!)<br />

lernte. Seit 1911 war er Protege <strong>und</strong> Gesprächspartner<br />

von Bertrand Russel, publizierte u. a. Tractus logicophilosophicus.<br />

Wittmaack-Ekbom-Syndrom. Nach dem dt. Arzt T.<br />

Wittmaack <strong>und</strong> dem schwed. Neurologen Ekbom<br />

benanntes Syndrom unklarer Genese mit v. a. nachts<br />

auftretenden schmerzhaften Dys- <strong>und</strong> Parästhesien in<br />

den Beinen.<br />

WLM. Abk. für Wood Library Museum of Anesthesiology,<br />

nach Paul M. Wood ([1894-1963) im Staate Illinois<br />

1987 gegründetes Anästhesiologie-Museum, organisierte<br />

u. a. Pavillon am Chicagoer Flughafen: »Sieg über den<br />

Schmerz« (»Conquest of Pain«).<br />

Wood, John. Miterfinder der Hohlnadel (1853). Die<br />

Erfindung der Hohlnadel sowie der Glasspritze durch<br />

Pravaz ergab die technische Voraussetzung der ---? invasiven<br />

Anwendung - engl. »circumneural application« -<br />

von Schmerzmitteln. Die Publikation im Edinburgher<br />

Chirurgie-Journal von 1985 »New method of treating<br />

neuralgia by the direct application of opiates to the<br />

painful points« stellt historisch auch die erste Publikation<br />

einer peripheren Applikationsweise von Opioiden<br />

zu analgetischen Zwecken dar.<br />

Wolfskehl, Karl (Darmstadt 1869-1948 Auckland/NZ).<br />

Alias »Schwabinger Zeus«, Lyriker um den Kreis von<br />

Stefan George, musste 1933 emigrieren.<br />

Wright. Stellte Heroin durch Semisynthese aus Morphin<br />

dar (1874).<br />

Writhing-Test. (Koster 1959) Nach i.p.-Applikation von<br />

Formalin wird die Schmerzantwort (Kontraktionen der<br />

Abdominalmuskulatur bei ausgestreckten Pfoten) aufgezeichnet<br />

(writhing, sich winden).<br />

W<strong>und</strong>erlich, K.R.A. (Sulz/Neckar 1815-1877 Leipzig).<br />

Internist, Mitbegründer einer physiologisch-orientierten<br />

Medizin. Hauptwerk: »Arbeiten über klinische<br />

Thermometrie« (1868).<br />

W<strong>und</strong>stupor. Kurzdauernde, temporäre Schmerzlosigkeit<br />

im Bereich einer W<strong>und</strong>e.


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 871<br />

W<strong>und</strong>t, Wilhelm (Neckarau 1832-1920). Nach Gymnasium<br />

in Bruchsal Medizinstudium in Tübingen ( u. a.<br />

Hirnanatomie unter Leitung seines Onkels Friedrich<br />

Arnold) mit Abschluss 1855 in Heidelberg. Nach einem<br />

Berliner Jahr ab 1857 Dozent für Physiologie in Heidetberg<br />

(Helmoltzs Assistenz). In Leipzig 1879/1880 Leiter<br />

des ersten Forschungslaboratoriums für experimentelle<br />

Psychologie, wo auch - wahrscheinlich zum ersten Mal<br />

überhaupt - psychephysikalische Apparate eingesetzt<br />

wurden.<br />

Wurzelneuralgie. Syn.: Radikulalgie, neuropathische,<br />

segmentär in entspechende Dermatome ausstrahlende<br />

Schmerzsymptomatik bei Schädigung/Reizung (hinterer)<br />

Spinalnervenwurzeln.<br />

Wüsten, Johannes (Heidelberg 1896-1942 Gollnow/<br />

Pommern). Kupferstecher, Literat. Aus politischem Protest<br />

Emigration nach Prag, dann Paris, wo er an Tuberkulose<br />

erkrankt, verarmt <strong>und</strong> der Gestapo in die Hände<br />

fiel. Vom Volksgerichtshof zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.<br />

Genaues Todesdatum unbekannt.<br />

Xenoliganden. Körperfremde Liganden, Gegenteil:<br />

Endoliganden.<br />

Xerosalgie. Schmerzverstärkung bei trockener Haut.<br />

Xerostomie. Trockenheit der M<strong>und</strong>schleimhaut bei<br />

anticholinergischer Medikation oder Opioidmedikation,<br />

die bei chronischen Schmerzzuständen den Patienten<br />

schwer beeinträchtigen kann, u. a. orale Nahrungsaufnahme<br />

wegen beeinträchtigter Schluckfunktion<br />

usw.<br />

Yaksh, Tony L. (San Angelo/Texas *1944). Bedeutender<br />

am. Schmerzforscher, 1966 Diplom der augewandten<br />

Psychologie am Georgia Institute of Technology, Doktorat<br />

in Neurobiologie. Erforschte u. a. Neurotransmitter<br />

<strong>und</strong> spinale Schmerzmodulation (Yaksh u. Rudy 1976),<br />

was zur Einführung der rückenmarksnahen Opioidapplikation,<br />

zur »selective spinal analgesia


872 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />

oblongata, Nucleus tractus solitarii, Nucleus parabrachachialis,<br />

PAG, sowie den zirkumventrikulären Organen<br />

( ---7 Buch A).<br />

zentripetal. Zum Zentrum führend, z. B. die orthodrome<br />

neuronale Signalmeldung ist zentripetal; die antidrome<br />

neuronale Ausschüttung von Mediatoren wie<br />

Substanz P ist zentrifugal, d. h. vom Nervenganglion<br />

peripherwärts gerichtet.<br />

Zenz, Michael (Minden *1945). Direktor der Universitätsklinik<br />

für Anästhesiologie, Intensiv- <strong>und</strong> Schmerztherapie,<br />

Klinikum Bergmannsheil, Ruhr-Universität<br />

Bochum, mehrfach ausgezeichnet, vielfältige wissenschaftliche<br />

Publikationen, Mitherausgeber von<br />

Büchern.<br />

Zephalgia. Syn.: Cephalgia, Kopfschmerz.<br />

Ziliarneuralgie. Neuralgie im Bereich der Ziliarnerven,<br />

---7 Charlin-Syndrom.<br />

Zimmermann, Manfred (Herxheim bei Landau, Pfalz<br />

*1933). Prof. Dr.-Ing., Dr. med. h.c. (Universität Siena),<br />

nach Studien in Physik <strong>und</strong> Neurophysiologie (Karlsruhe,<br />

Heidelberg 1953-1964) Professur für Physiologie an<br />

der Universität Heidelberg 1973. Zahlreiche wissenschaftliche<br />

Publikationen über das ZNS, periphere <strong>und</strong><br />

zentrale Schmerzmechanismen, im besonderen Plastizität,<br />

Transskriptionsmechanismen etc .. 1973 Gründungsmitgliedder<br />

---7 IASP; Gründungsmitglied 1975/76<br />

der ---7 DGSS (urspr. Gesellschaft zum Studium des<br />

Schmerzes für Deutschland, Österreich <strong>und</strong> der<br />

Schweiz) <strong>und</strong> bis jetzt Vorstandsmitglied- unter seiner<br />

Präsidialzeit 1985-1996 Einführung von Lehreinheiten<br />

wie »Therapie chronischer Schmerzen« ins Medizinstudium,<br />

Erleichterung des ---7 BtM-Gesetzes sowie Einführung<br />

der ärztlichen Zusatzbezeichnung »Spezielle<br />

Schmerztherapie«. Gründungsmitglied der ENA (European<br />

Neuroscience Association), Gründungsvorsitzender<br />

1989-1992 der ENC (European Neuropeptide Club),<br />

vielfältige internationale Editorialaufgaben (Neuroscience<br />

Letters, Pain, Human Neurobiology, The Clinical<br />

Journal of Pain, Der Schmerz). Autor <strong>und</strong> Herausgeber<br />

des ersten deutschsprachigen Textbuches über<br />

Schmerz: »Schmerz- Konzepte <strong>und</strong> ärztliches Handeln«<br />

(<strong>Springer</strong> 1984). Viele internationale Ehrungen (u.a.<br />

Rene-Leriche-Preis), Gastprofessuren in China, Australien,<br />

Italien. Seit 1996 Präsident der »European Federation<br />

of IASP Chapters« - EFIC.<br />

Zipf, Hans Friedrich (Oberkirch/Baden 1911-1969<br />

Köln). Lehrstuhl für veterinäre Pharmakologie FU Berlin<br />

(1954-1959), danach Lehrstuhl für Pharmakologie<br />

Universität Köln (1959-1969), Pionier der sog. »Ende­<br />

Anästhesie« (1953) bzw. systemische i.v.-Verabreichung<br />

von Lokalanästhetika zu Analgesie- bzw. Anästhesiezwecken<br />

( ---7 Buch F).<br />

zirkadianer Rhythmus. Syn.: 24-h-Biorhythmus.<br />

zirkumventrikuläre Organe. In unmittelbarer Nachbarschaft<br />

von Hirnventrikel befindliche, erstaunlicherweise<br />

noch sehr schlecht erforschte Organe mit alterierter<br />

Blut-Hirn-Schranke, u. a. durch fenestrierte Kapillaren.<br />

Putative Funktion: ZNS-Sensoren für ---7 zentrales autonomes<br />

Nervensystem bzw. für im Blut zirkulierende<br />

Substanzen bzw. potentielle Toxine, ---7 Chemotrigger<br />

zone Area postrema (Blutsensor für Toxine usw.), Glandula<br />

pinealis ( ca.diane Rhytmik inkl. Nozizeption-Antinozizeption),<br />

Neurohypophyse, Eminentia mediana des<br />

Hypothalamus, ---7 Organum vasculosum laminae terminalis<br />

(Blutsensor für pyrogene IL-Immunsignale ---7<br />

Buch EID).<br />

Zönästhesie Abnorme, oft bizarre, fremdartige, oft<br />

umschriebene (z. B. Eingeweidebereich), vom Patienten<br />

nicht einfühlbare Körperempfindungen - auch: Zönästhesiopathie<br />

-, die oft mit psychotischen Erkrankungen<br />

in Zusammenhang gebracht werden, aber<br />

durchaus somatischen Ursprungs sein können, z. B.<br />

neuropathische Zönästhesie bei Malignomen oder Entzündungen.<br />

Nicht zu verwechseln mit Zenästhesie =<br />

GürtelgefühL<br />

Zona algetica. »Schmerzzone«<br />

Zona ignea. Herpes zoster.<br />

Zonästhesie. »Gürtelgefühl«<br />

Zoster. Syn.: Herpes Zoster, virale, neurotrope Erkrankung<br />

- generalisiert inkl. ZNS oder regionalisiert z. B.<br />

im Bereich von Spinalnerven - mit entsprechenden<br />

Hautmanifestationen, sowie oft schweren Formen von<br />

(postherpetischen) ---7 neuropathischen Schmeren.<br />

Zotterman, Yngve Gulle (Vadstena/Oster Gottland<br />

1898-1982). In Cambridge 1925-1926 Arbeiten mit Adrian,<br />

u. a. » The impulses produced by sensory nerve<br />

endings. Part 111. Impulses set up by touch and pressure«<br />

(J. Phys. 1926; 61: 465-483.). Medizinstudium mit<br />

Abschluss 1933 am ---7 Karolinska Institut, von 1946-1965<br />

Professur für Physiologie <strong>und</strong> Pharmakologie an der<br />

Kung. Vet. Hogskolan (königl. Veterinäre Hochschule)<br />

in Stockholm. Zotterman wies spezifische nozizeptive<br />

Funktionen der A 6 - <strong>und</strong> C-Fasern nach (»Touch, pain<br />

and tickling: An electrophysiological investigation on<br />

cutaneous sensory nerves«, 1939). Später Arbeiten für<br />

die Wenner-Gren-Fo<strong>und</strong>ation in Stockholm.<br />

Zweih<strong>und</strong>ert Ärzte. Nahmen schätzungsweise an der<br />

nationalsozialistischen Medizin (Pflichtfach: Volkshygiene)<br />

teil. So wurden am anatomischen Institut der<br />

Universität Strassburg »jüdisch-bolschewistische«<br />

Schädel von KZ-Inhaftierten »wissenschaftlich« ausgemessen<br />

( ---7 Phrenologie). Die folgenden 7 Ärzte wurden<br />

am Nürnberger Gericht wegen Verbrechen an der<br />

Menschheit zu Tode verurteilt <strong>und</strong> 1948 in Landsberg


<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 873<br />

durch den Strang hingerichtet: Karl Brandt, Karl Gebhardt,<br />

Rudolf Brand, Joachim Mrugowsky, Wolfgang<br />

Sievers, Waldmar Hoven, Viktor Brack. Der Todesengel<br />

von Ausschwitz, Dr. Joseph Mengele - berüchtigt für<br />

seine »medizinische Forschung an Kindern« - wanderte<br />

unbehelligt über die Schweiz - zur gleichen Zeit<br />

beherbergte der Schweizerische Geheimdienstchef<br />

Masson Herrn Schellenberg -, wo sein Stiefsohn im<br />

mondänen Waadtländer Kurort Montreux-Territtet das<br />

Abitur machte, nach Südamerika aus.<br />

ZweikompartimentmodelL Kinetisches Denkmodell,<br />

wonach ein Wirkstoff auf 2 Körperkompartimente, ein<br />

peripheres (schlechtperf<strong>und</strong>ierte Gewebe <strong>und</strong> Organe)<br />

<strong>und</strong> ein zentrales (Intravasalvolumen, bestperf<strong>und</strong>ierte<br />

Organe wie Herz, ZNS, Leber, Nieren), verteilt wird.<br />

Nach i.v.-Applikation eines Wirkstoffes, ist ein rascher<br />

Anstieg der Wirkstoffkonzentration im bestperf<strong>und</strong>ierten<br />

Kompartiment, z. B: ZNS - entspricht der Einschlafphase<br />

bei i.v.-Bolusgabe von Barbituraten- festgestellt.<br />

Gefolgt von einem durch den Verteilungsprozess<br />

bedingten raschen Konzentrationsabfall, z. B. ZNS -<br />

entspricht der Aufwachphase bei einmaliger i.v.- Barbituratgabe-<br />

= a-Phase, sowie der gleichzeitig anlaufenden<br />

Eliminationsphase (ß-Phase). Das Zweikompartimentmodell<br />

kann mit einer biexponentiellen Kurve<br />

(Plasmakonzentration vs. Zeitachse) mit entsprechender~<br />

a-(Verteilungs-) sowie~ ß-(Eliminations )phase<br />

dargestellt werden.<br />

Zytokine. Heterogene Familie von bioaktiven Polypeptiden<br />

(Immunologie, Entzündungsprozesse), die von<br />

T-, B-Zellen, Monozyten etc. synthetisiert werden. ~lnterleukine<br />

IL, ~ Chemokine (NAP-1, NAP-2, Abk. für<br />

»neutrophil attractant protein«), MIP-1 a <strong>und</strong> ß, Abk.<br />

für »macrophage inflammatory protein«, MCAF/MCP­<br />

I, Abk. für »monocyte chemotactic and activating fac-<br />

tor«/«monocyte chemoattractant protein«, MGSA, Abk.<br />

für »melanoma growth stimulating activity«, RANTES,<br />

Abk. für »regulated upon activation normal T expressed<br />

and secreted«, ~ Tumor-Nekrosis-Faktoren (TNFa<br />

<strong>und</strong> -ß), ~Interferone (INF-a,ß,y), ~ Colony-stimulating-Faktoren<br />

(G-CSF, M-CSF, GM-CSF, IL-3 etc.), ~<br />

Wachstumsfaktoren (EGF, FGF, PDGF, TGF-a <strong>und</strong> -ß,<br />

ECGF), ~ Neuropoietine (MIF, Abk. für »migration<br />

inhibitory factor«, CNTF, Abk. für »ciliary neurotrophic<br />

factor«, OM, Abk. für »human oncostatin M«, IL-6), ~<br />

Neurotrophine (BDNF, NGF, NT-3-NT-6, GDNF). Zytokine<br />

wie IL-Iß (partiell über ~ Bk,-Rezeptoren), IL-8,<br />

TNF-a haben hyperalgetische, proinflammatorische<br />

Eigenschaften, andere wiederum antiinflammatorische<br />

(z.B. IL-4, IL-10, IL-13). Zytokine funktionieren auch als<br />

»Botschafter« zwischen Immunsystem <strong>und</strong> ZNS (z.B.<br />

periphergeneriertes IL-1 induziert über den zentralen<br />

Sensor OVLT die Aktivierung der iCOX-2 bzw. eine zentrale<br />

pyrogene Reaktion (~Buch D/E).<br />

Zytokinsturm, posttraumatischer. Beim multiplen<br />

Organdysfunktionssyndrom (MODS, Abk. für »multiple<br />

organ dysfunction syndrome«, chirurgische<br />

Großeingriffe, ausgedehnte Verbrennungen, Sepsis)<br />

auftretend. Postulierte Wirkmechanismen sind: makrophageninduzierte<br />

Zytokinkaskade (TNF-a, IL-1) =><br />

Zytokine IL-6, IL-8 etc. =>Wachstumsfaktoren, Adhäsionsmoleküle,<br />

Komplementreaktionen, NO, Eikosanoide<br />

etc. mit Resultat einer entgleisten generalisierten Entzündungsreaktion<br />

mit Organversagen.<br />

Noch nie haben wir soviel gewusst ... aber<br />

sind wir dadurch weiser geworen? Vielleicht<br />

bescheidener, nachdenklicher? Dem<br />

Patienten wär's zu gönnen!.<br />

Postscripturn<br />

Das vorliegende <strong>Glossar</strong> soll informieren <strong>und</strong> irritieren.<br />

Die hier bewusst auch fremden Akzente sind in völliger<br />

Unabhängigkeit <strong>und</strong> Abgeschiedenheit gesetzt worden<br />

<strong>und</strong> so soll jegliche Kritik nur <strong>und</strong> ausschließlich den<br />

<strong>Glossar</strong>verfasser treffen.


8. Zernikow,<br />

Universität Witten/Herdecke, Datteln (Hrsg.}<br />

Schmerztherapie bei Kindern<br />

2001 . 384 5. 20 Abb., 48 Tab. Brosch.<br />

DM 59,-; sFr 52,-<br />

ISBN 3-540-67324-5<br />

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Leider ist uns bei der Drucklegung des Werkes ein Fehler unterlaufen. Auf Seite 221, Tabelle B-3<br />

wurde die Erläuterung zur Tabelle weggelassen. Nachstehend finden Sie die Tabelle vollständig<br />

dargestellt.<br />

Tabelle B-3. Die Diagnosen der verschiedenen Substanzklassen<br />

Alkohol X X X X I E p p 1/E 1/E 1/E I 1/E<br />

Amphetamine X X X X I 1/E I I 1/E<br />

CannabiJ X X X<br />

Halluzinogene X X X I I• I I<br />

Inhalantien X X X I p I I I<br />

Koffein X I I<br />

Kokain X X X X I I 1/E I/E I 1/E<br />

N"akotin X X<br />

Opiate X X X X I I I I UE<br />

Phencydidine X X X I I I I<br />

Sedativa, Hyp- X X X X I E p p 1/E 1/E E I 1/E<br />

notiboder<br />

Anxiolytika<br />

Multiple Sub- X<br />

stanzen<br />

Andere X X X X I E p •p I/E UE 1/E I UE<br />

~<br />

• AoWio"""'ioo•) . _j<br />

Beachte: X, I, E, l/E oder P zeigen an, daß diese Kategorie im DSM-lV berücksichtigt wird. Zusätzlich zeigt I an, daß die Zusatzcodierung Mit Beginn<br />

Während der Intoxikation bei _dieser Kategorie (Ausnahme ist das Intoxikation~delir) ergänzt werden kann. E zeigt an, daß die Zusat~codierung Mit B_egin_n<br />

Während des Entzugs für doese Kategone (mot Ausnahme des Entzugsdehrs) verwendet werden kann. I/E zeogt an, daß beo doeser Kategone doe<br />

Zusatzcodierung Mit Beginn Während der Intoxikation oder Mit Beginn Während des Entzugs gewählt werden kann. P zeigt an, daß es sich um eine persistierende<br />

Störung handelt.<br />

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23<br />

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