Lexikon und Glossar - Springer
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<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
HERMAN HANS WALDVOGEL<br />
Vorbemerkungen<br />
»Es gibt keine patriotische Kunst <strong>und</strong><br />
keine patriotische Wissenschaft. Beide<br />
gehören, wie alles hohe Gute, der ganzen<br />
Welt an <strong>und</strong> können nur durch allgemeine<br />
freie Wechselwirkung aller zugleich<br />
Lebenden, in stetiger Rücksicht auf das,<br />
was vom Vergangeneo übrig <strong>und</strong> bekannt<br />
ist, gefördert werden.« (GOBTHB)<br />
Die moderne 1846 in Boston über perloperative<br />
Schmerzausschaltung geborene Narkoselehre- die spätere<br />
»Anästhesiologie« <strong>und</strong> heutige perloperative Medizin<br />
- ist das vielfähigste klinische Fach überhaupt, verbindet<br />
es doch angewandte Physiologie mit klinischer<br />
Pharmakologie, den Makrokosmos klinischer anatomischer,<br />
chirurgischer, medizinischer Bereiche mit dem<br />
rezeptoralen Mikrokosmos der Zelle <strong>und</strong> dringt über<br />
Gentranskriptionen in deren Zukunft ein. Die klinische<br />
Anästhesie hat damit nicht nur unbewusst den perloperativen<br />
Antinozizeptionsschutz vorbereitet <strong>und</strong> damit<br />
eine breite Basis für die Schmerztherapie, sondern auch<br />
für das gr<strong>und</strong>sätzlich neue Fachgebiet »perioperative<br />
Medizin« geschaffen. Dem Anästhesisten <strong>und</strong> Schmerztherapeuten<br />
werden adäquate Kenntnisse in innerer<br />
Medizin, Chirurgie, Neurologie, Psychologie <strong>und</strong> Psychiatrie<br />
abverlangt. Verständnisse in Chemie, Physik,<br />
Informatik <strong>und</strong> nicht zuletzt technische <strong>und</strong> manuelle<br />
Begabung sind zur Berufsausübung notwendig.<br />
A.A.S. Abk. für allgemeines Adaptationssyndrom ( ~<br />
Selye).<br />
a.c. Lat. Abk. Rezepturk<strong>und</strong>e, ante cenam, vor Mahlzeiten,<br />
präprandial.<br />
aa. Lat. Abk. Rezepturk<strong>und</strong>e, ana partes aequales, zu<br />
gleichen Teilen.<br />
AA. Abk. für Adjuvansarthritis, adjuvansinduzierte<br />
Polyarthritis (AIP): Durch intradermale/intraartikuläre<br />
Injektion einer Substanz (z. B. abgetötete Bakterien etc.)<br />
kann im Tierversuch eine experimentelle Entzündung<br />
im Sinne einer AA provoziert werden.<br />
AAA. Eng!. Abk. für postoperative Trias »analgesia,<br />
ambulation, alimentation «.<br />
Aaron-Zeichen. Nach dem am. Internisten C.D. 'Aaron<br />
(Detroit 1866-1951) benannter Schmerz, der am sog.<br />
McBurney-Punkt bei Appendicitis acuta . auftreten<br />
kann.<br />
A.A.S. Abk. für allgemeines Adaptationssyndrom ( ~<br />
Selye).<br />
Abadie-Zeichen (Abadie-Rocher-Zeichen). Nach dem<br />
frz. Ophthalmologen C. Ahadie (1842-1932) sowie dem<br />
frz. Neurologen A. Rocher (1873-1934): Druckanalgesie<br />
(Druckunempfindlichkeit) am Unterschenkel bei<br />
Tabes. Der beim M. Basedow auftretende Krampf des<br />
M. Ievator palpebrae superior wird ebenfalls Abadie<br />
Zeichen genannt. :<br />
ABC-Maßnahmen. Nach Peter ~ Safar - zuerst im<br />
»Feuerwehrmanual« von Baltimore »Manual on resuscitation<br />
of the unconscious victim« 1957, dann 1961 im<br />
JAMA publiziert - bezeichnete Reanimationstrias:<br />
»airway« (Luftwege sichern!), »breathing« (Atmung<br />
sichern!), »circulation« (Kreislauf sichern!); auch durch<br />
W.B. Kouwenhoven (1886-1975; mit James R. Jude <strong>und</strong><br />
G. Guy Knickerbocker Begründer der geschlossenen,<br />
äusseren Herzmassage 1960) <strong>und</strong> Gordon (Pionierfilm,<br />
über Anästhesieausbildung: »Pulse of Life «, 1960 )<br />
gelehrt.<br />
ABC-Syndrom. Engl. Abk. für »angry backfiring c-nociceptor<br />
syndrome«: Schmerzsyndrom mit brennenden<br />
Schmerzen bei diversen Nervenschädigungen (z. B.:
776 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
diabetische Neuropathien); seine Entstehung wird<br />
durch Reizung ~ polymodaler Nozizeptoren erklärt<br />
(s. Buch A).<br />
Abdominalkrisen (Moore-Syndrom). Um den Nabel<br />
lokalisierte, paroxysmale Schmerzen ohne Bewusstseinsverlustbei<br />
Erregungsstörungen kortikaler Zentren.<br />
Abiosis. Nachlassen der Lebenskraft (Palliativmedizin:<br />
hohes Alter, terminale Erkrankungen, Depressionen).<br />
Abstinenzsyndrom. Entziehungssyndrom ( ~ Sucht,<br />
s. Buch B).<br />
Abusus. Lat., der Missbrauch von Wirkstoffen zu nichttherapeutischen<br />
Zwecken (z. B. Schmerzmittel <strong>und</strong><br />
Euphorie,~ Sucht).<br />
Acetylcholin. Abk. ACh; Mr: 163,2; ehern. ein leicht<br />
hydrolisierbarer Essigsäureester des biogenen instabilen<br />
Amins Cholin; durch Henry A. Dale 1914 isoliert;<br />
Arbeiten von ~ Otto Löwi (»Vagusstoff«, 1921); 1932<br />
durch Wilhelm Feldberg (1900-1993), später durch Fessard<br />
(Ehemann von Denise ~ Albe-Fessard) <strong>und</strong> Nachrnansahn<br />
als Neurotransmitter beschrieben. Funktion:<br />
Hormon, Neurotransmitter. Biosynthese: via Cholin<br />
Acetyltransferase. Elimination: durch echte Acetylcholinesterase<br />
zu Cholin <strong>und</strong> Essigsäure gespalten,<br />
wobei Cholin zurResynthesevom Nerven wiederaufgenommen<br />
wird (»reuptake«). Die im Plasma, nicht aber<br />
im synaptischen Raum vorhandenen unechten (Plasma-)<br />
Acetylcholinesterasen hydrolysieren Exoliganden<br />
wie ~ Remifentanil (Buch C). Zielrezeptoren: es wird<br />
unterschieden zwischen cholinergen Nikotin- <strong>und</strong> cholinergen<br />
Muskarinrezeptoren. Bei beiden Rezeptortypen<br />
sind multiple Subtypen identifizierbar. Die am häufigsten<br />
diskutierten Wirkungen von ACh sind: nikotinartig<br />
über N, (autonome Ganglien/N2(Muskelendplatte)-Rezeptoren<br />
(Parasympathikus-, Sympathikus- <strong>und</strong> Endplatten-Ziel~<br />
organe) <strong>und</strong> muskarinartige Wirkung über M, (autonome<br />
Ganglien, zNs/M2 (Herz, speicheldrüsenr Rezeptoren (Parasympathikus-Zielorgane).<br />
Zentral applizierte M-Agonisten<br />
wirken antinozizeptiv (s. Buch F). ~ M-Subrezeptoren,<br />
~ N-Subrezeptoren.<br />
Acetylierung. Die Substitution eines H-Atoms durch<br />
eine Acetylgruppe, ~ acetylierte Salicylate.<br />
Achenbach-Syndrom. Engl. »paroxysmal finger hematoma«,<br />
nach dem Kölner Internisten W.A. Achenbach<br />
bezeichnetes Syndrom unklarer Ätiologie mit heftigen<br />
brennenden Schmerzen <strong>und</strong> Hämatomen in den Fingern,<br />
v. a. bei Frauen, nach mechanischer Belastung,<br />
aber auch spontan auftretend. Als »Achenbach's Child<br />
Behavior Checklist« wird auch ein in der Kinderpsychologie<br />
eingesetzter, durch die Familie auszufüllender<br />
Questionnaire bezeichnet.<br />
Achillodynie. Umschriebene Schmerzen im Achillessehnenbereich.<br />
Achsenzylinder. Axon, Achsenfortsatz, Neuraxon;<br />
besteht aus Axoplasma (Neuroplasma), Neurofibrillen,<br />
Protofibrillen, Axolemm <strong>und</strong> Mitochondrien.<br />
ACTH. Abk. für adrenocorticotropes Hormon; engl.<br />
Corticotropine, ein das Wachstum der Nebennierenrinde<br />
sowie deren Aktivität (Freisetzung von Nebennierenkortikosteroiden)<br />
regulierendes hypophysäres Hormon.<br />
ad m.m. Lat. Abk., Rezepturk<strong>und</strong>e, ad manum medici,<br />
zu Händen des behandelnden Arztes.<br />
Ad usum proprium. Lat., Rezepturk<strong>und</strong>e; »ad us<br />
propr.«, zum eigenen Gebrauch.<br />
Adaptationssyndrom. Von ~ Selye eingeführte Bezeichnung<br />
für Anpassungsphasen des Organismus an<br />
Stresssituationen mit Alarmreaktion, Resistenzphase<br />
<strong>und</strong> Erschöpfungsphase.<br />
adde. Lat., Rezepturk<strong>und</strong>e, »Füge hinzu!«<br />
additive Wirkung. Einfache algebraische Summation<br />
(Verstärkung) der Wirkungen zwei er Wirkstoffe. V gl. ~<br />
synergistische Wirkung. Es wird auch vom additiven<br />
Synergismus gesprochen (Wirkungsintensivierung<br />
durch einfach additive Summation). Beispiele: Wirkstoff-Potenz<br />
2 +Wirkstoff-Potenz 3 =Potenz 5 ( = additiv).<br />
Potenz 2 + Potenz 3 = Potenz 10 ( = supraadditive<br />
oder~ synergistische Wirkung). Der Ausdruck~ Synergismus<br />
wird verwirrenderweise sowohl für die einfache<br />
additive Wirkungsverstärkung als auch für die<br />
supra-additive Potenzierung verwendet.<br />
Adenosin (Adenin-ribofuranosid). Aus Adenin <strong>und</strong> D<br />
Ribose bestehendes Ribonukleosid. Baustein vieler biologisch<br />
wichtiger Stoffe: Energiespeicher (Phosphorsäureester<br />
ADP, AMP, ATP), Nukleinsäuren (DNS, RNS)<br />
sowie peripherer <strong>und</strong> zentraler Neurotransmitter ( u. a.<br />
Nozizeption): 2 Subrezeptoren: A, (antinozizeptiv), A2<br />
(pronozizeptiv). I.v.- Adenosin produziert Schmerzen<br />
(A 2 -R vermittelt). Adenosinagonisten haben eine antinozizeptive<br />
Wirkung (prä- <strong>und</strong> postsynaptische Hemmung<br />
via A,-R; ~Coffein). Adenosinantagonist: Theophyllin.<br />
Adenosin wird als antiarrhythmischer Wirkstoff<br />
in der Kardiologie diskutiert:~ Purine (s. Buch A<br />
<strong>und</strong> F).<br />
Adenylatcyclase. Engl. »adenylyl cyclase«, ein Zellmembranenzym<br />
der Klasse »Lyase«, das die Überführung<br />
von ATP zu zykl. AMP katalysiert. Die Adenylatcyclase,<br />
von der bislang 9 Isoformen bekannt sind, gehört zu<br />
einem sog. Effektorsystem, das durch aktivierte ~ G<br />
Proteine in Gang gesetzt wird.<br />
Adiposalgie. Nach Faber ~ Dercum-Krankheit (Adipositas<br />
dolorosa): spontan oder auf Druck schmerzhafte<br />
subkutane Fettanhäufungen ..
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 777<br />
Adler, Alfred (Wien 1870-1937). Augenarzt, Psychiater<br />
<strong>und</strong> Psychologe. Mit ---7 S. Freud, mit der er später<br />
brach, Begründer von psychoanalytischen Arbeitsgruppen.<br />
Emigration in die USA 1932.<br />
ADME. Engl. Abk. für »absorption, distribution, metabolism,<br />
excretion«, Abkürzung für die 4 Hauptuntersu<br />
·chungen der sog. ---7 Pharmakakinetik<br />
ADP. Abk. für Adenosindiphosphat, biologischer Energieüberträger.<br />
Nimmt aus AMP reversibel Phosphor auf<br />
<strong>und</strong> wird zu ATP umgesetzt.<br />
Adrenalin. Chem.: L-1-(3',4'-Dihydroxy-phenyl)-2-methylaminoethan-1-ol.<br />
C 9 H, 3 N0 3 • M,: 183,2. 1901 von J.<br />
Takamine (1854-1922) isoliert <strong>und</strong> von F. Stolz<br />
(1860-1936) dargestellt. Biosynthese: aus Tyrosin; Elimination:<br />
via Catechol-0-Methyltransferase (COMT)<br />
<strong>und</strong> Monooxidase (MAO). Hormon- <strong>und</strong> Neurotransmitterfunktion.<br />
Zielrezeptoren: a,-I
778 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
AK gegen an der Erythrozytenoberfläche befindliche<br />
Antigene (vgl. Checkliste UAW in BuchE).<br />
AINOS. Abk. für Antagonisten-induzierter, narkosegestützter<br />
Opioidschnellentzug (s. Buch B).<br />
AlP Abk. für adjuvansinduzierte Polyarthritis.<br />
Akathisie. Extrapyramidalmotorisches hyperkinetisches<br />
Symptom bei M. Parkinsan oder iatrogenem Parkinsonoid<br />
(z.B. ~ D 2 -Antagonisten); manifestiert sich<br />
durch eine äußere <strong>und</strong> innere, quälende Unruhe zu<br />
ruhigem Sitzenbleiben <strong>und</strong> Zwang, die Beine zu bewegen.<br />
Akinesia algera Möbius. Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen<br />
(Symptom bei Erwartungsneurosen, Hysterie).<br />
Akinesie. Bewegungsarmut, hervorgerufen durch ~<br />
Dopaminsynthesestörung in den striären Bereichen;<br />
medikamentöse extrapyramidale Störungen bei Neuroleptikamedikation.<br />
~ Dopaminrezeptoren.<br />
akinetisch-rigides Syndrom.~ Parkinsonismus.<br />
Akroanästhesie. Sensibilitätsstörung in den Extremitäten.<br />
Akrodynie. Akrenschmerz mit Erythembildung <strong>und</strong><br />
Abschuppung (1828/29 von Chardon als »erytheme epidemique«<br />
beschrieben).<br />
Akromelalgie. ~ Mitchell-Syndrom.<br />
Akroparästhesie. Oft im Klimakterium auftretende<br />
Sensibilitätsstörungen in den Extremitäten in Form von<br />
Parästhesien, Schmerzen, Bewegungshemmungen<br />
sowie Blässe <strong>und</strong> Zyanose ( ~ M. Raynaud).<br />
AktionspotentiaL An Zellmembranen messbares elektrisches<br />
Potential während Zellaktivität; bei Depolarisation<br />
folgt nach dem »Alles-oder-Nichts«-Gesetz ein<br />
fortgeleitetes AktionspotentiaL<br />
Akureyri-Krankheit. Epidemische Neuromyoasthenie.<br />
Albe-Fessard Denise (Paris *1916). Bedeutende zeitgenössische<br />
frz. Schmerzforscherio (Neurophysiologie);<br />
Studium der Naturwissenschaften (insbes. Chemie<br />
<strong>und</strong> Physik) an der Ecole Sup. de Physique et Chimie<br />
Industrielle de Paris mit Promotion 1950 an der Universität<br />
Paris; 1957-1984 Professur für Psychophysiologie<br />
<strong>und</strong> Neurophysiologie an der Sorbonne sowie an der<br />
Universität Pierre <strong>und</strong> Marie Curie; Gastprofessuren in<br />
Toronto, Bologna, Chieti, Irvine; multiple Ehrungen (so<br />
Ehrenlegion, Dr. h.c. Universität Prag, freie Universität<br />
Bruxelles, Ehrenmitgliedschaftell u. a. dt. Gesellschaft<br />
für EEG). Forschungen über elektrische Entladungen<br />
beim Fisch (Doktorat), elektrophysiologische Erforschung<br />
des ZNS insbes. der thalamisehen Strukturen,<br />
der neo-spino-thalamischen Bahnen, Automutilation<br />
des Tieres <strong>und</strong> Schmerzphänomene etc. 1. Präsident( in)<br />
der ~ IASP. Publizierte 1996: »La douleur. Mecanismes<br />
et bases de ses traitements«. Masson (Paris).<br />
alerting system. Engl. Bezeichnung für ~ Formatio<br />
reticularis (Buch A).<br />
Alexander von Tralles (ca. 525-605). Sein Bruder war<br />
Architekt der Hagia Sophia - ordnete der genauen Differentialdiagnostik<br />
bei Schmerzzuständen eine grosse<br />
Bedeutung zu. Es soll auch UAW bei Langzeitgaben als<br />
solche erkannt haben <strong>und</strong> den Patient entsprechend<br />
aufgeklärt haben.<br />
Algesie. Schmerzhaftigkeit, Schmerzempfindlichkeit<br />
(s. auch: Analgesie, Hypalgesie, Hyperalgesie).<br />
Algesiologie. Wissenschaft bzw. Fach der Bekämpfung<br />
von Schmerzen.<br />
Algodystrophie. Historische Sammelbezeichnung;<br />
heute: SMP bzw. sympathetically maintained pain syndrom;<br />
s. Buch A.<br />
Algolagnie. Pathologische »Schmerzgeilheit«.<br />
algology. Engl.: die Wissenschaft der Schmerzbekämpfung<br />
(Algologie= Wissenschaft der Algen,~ Algesiologie).<br />
algophobe Akinesie. Schmerzreflektorische Ruhigstellung<br />
einer erkrankten Extremität.<br />
Algophobie. Schmerzangst<br />
Algorithmus. Spielregel, z. B. Plan von Behandlungsabläufen<br />
(nach al Chwrarismi bzw. seinem Algebrabuch<br />
[um 8oo n. Chr.], das später ins lateinische übersetzt<br />
worden war: »Dixit Algorizmi«).<br />
Algos. Griech. Stammwort für ~ Algesie (Algesia); den<br />
Wortteil -algia, -algie findet man in zusammengesetzten<br />
Begriffen (z. B. Neuralgie,~ Algesimeter, ~ Hypalgesie,<br />
~ Hyperalgesie, Myalgie bzw. Muskelschmerz<br />
etc.).<br />
Alkaloid. Stickstoffenthaltende »alkaliähnliche«, an<br />
pflanzliche Säuren geb<strong>und</strong>ene Pflanzenstoffe.<br />
Allachästhesie. An einer anderen Körperstelle empf<strong>und</strong>ener<br />
Reiz.<br />
Allästhesie. Dysästhesie, verfälschte, falsch lokalisierte<br />
Wahrnehmung von Berührungsreizen (griech. allachai<br />
= anderswo; aisthesia = Perzeption) auf der gleichen<br />
Extremität (nach Stewart 1884).<br />
Allo-. Griech. Bestimmungswort in zusammengesetzten<br />
Fremdwörtern mit der Bedeutung »anders«,<br />
»fremd« (Beispiel ~ Allocheirie, Allodynie).<br />
Allocheirie. 1882, nach dem Wiener Neurologen, Hirnforscher<br />
<strong>und</strong> Psychiater sowie Gründer des Neurologischen<br />
Instituts der Universität Wien Heinrich Oberstei-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 779<br />
ner (Wien 1847-1922 Wien), bei organischen Erkrankungen<br />
des ZNS (Tabes etc.): fehlerhafte Lokalisation<br />
des Schmerzreizes (allos = anders; chiria = Hand) auf<br />
der anderen entsprechenden Körper hälfte. V gl. auch ~<br />
Allästhesie.<br />
Allodynie. Qualitativ (»unangenehm«) <strong>und</strong> quantitativ<br />
(erhöht) verändertes Schmerzgefühl, auslösbar durch a<br />
priori nicht schmerzhafte Stimuli (Beispiel: Hemdtragen<br />
nach Sonnenbrand). Vgl. ~Alloknesis.<br />
Alloknesis. Unangenehmes ltching (Pruritus): wahrscheinlich<br />
zentral ausgelöst ( ~ UAW Opioide: zentraler<br />
Pruritus). Vgl. ~ Allodynie.<br />
Alloparalgie. Das Auftreten konsensueller Schmerzen<br />
in der ges<strong>und</strong>en Extremität (s. Klinik~ Kausalgie).<br />
Alpha-Fasern (a-Fasern) 16-20 Jlill dicke, hochmyelinisierte<br />
Fasern mit hoher Leitungsgeschwindigkeit von<br />
80-120 m/s. Funktion: Afferenzen aus Muskelspindeln,<br />
Sehnenorganen sowie motorische extrafusale Efferenzen.<br />
Alpha-Phase (a-Phase oder
780 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Paresen, Muskelatrophien, Sensibilitätsstörungen unbekannter<br />
Ursache.<br />
Ana. (Rezeptur, abgekürzt aa): zu gleichen Teilen.<br />
ANA. Antinukleäre Antikörper (z. B. bei systemischen<br />
Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes,<br />
chronischer Polyarthritis usw. werden Antikörper<br />
gegen Zellkern-DNS gebildet).<br />
Anaesthesia. ~ Anästhesie.<br />
Anaesthesia dolorosa. Schmerzempfinden in »tauben«<br />
Gegenden (z. B. Phänomen bei Trigeminusneuralgie:<br />
brennende Schmerzen im Nervenbereich mit Wegfall<br />
der entsprechenden Oberflächensensibilität).<br />
Anaesthesie et Analgesie. Frz. Fachzeitschrift, gegründet<br />
1935.<br />
Analeptika. Das ZNS unspezifisch stimulierende Wirkstoffe.<br />
Analgesia dolorosa. Kombination von brennenden<br />
Neuralgieschmerzen (Trigeminusneuralgie) in Kombination<br />
mit gestörter peripherer Schmerzempfindlichkeit<br />
(s. auch~ Anaesthesia dolorosa).<br />
Analgesie (Analgie). Schmerzlosigkeit.<br />
Analgetika. Schmerzstillende Mittel.<br />
Analgetika-Niere.~ Phenacetin-Niere.<br />
Analgetikasucht. Arzneimittelmissbrauch ( ~ Opioide,<br />
~ Amphetamin, ~ Phenacetin ~ Buch B!<br />
Analgia congenita. ~ Fanconi-Ferrazini: Angeborenes<br />
(rezessiv vererblich?) Fehlen der ~ protopathischen<br />
Schmerzempfindung bei normaler epikritischer Empfindung;<br />
auf schädigende Reize keine adäquate Schmerzreaktion<br />
(Schutzlosigkeit). Der betroffene Patient hat eine<br />
narbenübersähte Haut, verstümmelte Extremitäten <strong>und</strong><br />
wegen unbemerkter Caries vorzeitigen ZahnausfalL Mit<br />
fortschreitendem Alter können bei diesen Patienten<br />
offenbar Sinnesorgane (Augen etc.) sowie der Verstand<br />
die protektive Rolle des Schmerzes übernehmen.<br />
Analgia. Analgesie (Schmerzlosigkeit).<br />
Analgothymie. Zentrale Indolenz (Beispiel nach Leukotomie).<br />
Analogskala. Darstellung der subjektiven Schmerzempfindung<br />
durch eine Skala (s. Buch A: ~ Schmerzdokumentation).<br />
Anamnese. Vorgeschichte des Patienten (z. B. die<br />
Schmerzanamnese, die im Schmerzprotokoll dokumentiert<br />
wird).<br />
Anandamid. Aus Arachidonat <strong>und</strong> Äthanolamin<br />
zusammengesetzter cannabinomimetischer Endoligand<br />
des ZNS.<br />
Anaphylaxie. !gE-vermittelte antigenspezifische Immunreaktion<br />
mit sofortiger lebensbedrohender Akutreaktion<br />
(Hypotension, Vasodilatation, Bronchokonstriktion,<br />
Herzstillstand etc.). Kreuzallergie möglich.<br />
Anästhesie. Zustand der Unempfindlichkeit des Nervensystems<br />
im weitesten Sinne. Das Wort Anästhesie ist<br />
im englischen Sprachbereich seit mindestens seit 1721<br />
(»Shorter Oxford English Dictionary« bzw. »Bailey's Dictionarium<br />
Britannicum«, London 1730) in Gebrauch.<br />
1819 in Parr's London Medical Dictionary als »Unempfindlichkeit<br />
gegenüber Gefühl« <strong>und</strong> Sinn beschrieben.<br />
1843 im Buch von John Elliotson (»Numerous cases of<br />
surgical operations without pain in the mesmeric state«,<br />
London 1843) in Zusammenhang mit perioperativer<br />
Medizin (Anästhesie bzw. Allgemeinnarkose) gebracht.<br />
Seit dem Brief von Oliver Wendeli Holmes vom 21.<br />
November 1846 »The state (Morton's Äthernarkose,<br />
Anm. Hrsg.) should ... be called anaesthesia« allgemein<br />
einer durch sog. »anti-aesthetic agents« induzierten allgemeinen<br />
Unempfindlichkeit bzw. Allgemeinnarkose<br />
zugeordnet. Als taktile Anästhesie wird die Störung der<br />
Oberflächensensibilität mit völligem Verlust der Berührungswahrnehmung<br />
bezeichnet. Unter dem Begriff<br />
»partielle Anästhesie« wurde 1845 in Boston durch<br />
McPheeters der Zustand der Unempfindlichkeit der<br />
Unterschenkel ohne motorischen Ausfall beschrieben<br />
(z. B. tabesbedingt).<br />
Anaxagoras. Griech. Philosoph (500-428), Lehrer von<br />
Sokrates: Schmerztheorie ähnlich wie bei Buddha: jeder<br />
Sinnesreiz ist mit Schmerz verb<strong>und</strong>en. Schmerz wird<br />
im Hirn perzeptiert (!).<br />
Anilinderivate. Anilin (Aminobenzol) wurde 1826 vom<br />
Niederlausitzer Otto Unverdorben bei der Destillation<br />
von Indigo (portugiesisch anil: blau) entdeckt. Bekannte<br />
Anilinderivate sind Acetanilid, ~ Phenacetin <strong>und</strong> ~<br />
Paracetamol.<br />
Ankylose. Gelenksteife.<br />
Anosmie. Verminderung oder Fehlen der Geruchswahrnehmung<br />
(periphere Anosmie, zentrale Anosmie).<br />
Anrep von, Wassili (Bei St. Petersburg 1852-1927 Paris)<br />
Aus westfälischer Familie, die sich in Estland angesiedelt<br />
hatte, stammend. Nach abgeschlossenem Medizinstudium<br />
in St. Petersburg Kriegsarzt während des russisch-türkischen<br />
Krieges (1877-1878). In Würzburg Mitarbeit<br />
beim Pharmakologen Michael Rossbach<br />
(1842-1894). Mit~ Koller <strong>und</strong> ~ Halsted Pionier der<br />
Lokal- <strong>und</strong> Regionalanästhesie; u. a. »Über die physiologische<br />
Wirkung des Cocain« (1880). Mitglied der<br />
Duma. 1917 von den Bolschewiken inhaftiert. Tod in der<br />
Emigration.<br />
Antagonismus. Gegensatz zu Synergismus.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 781<br />
Antagonist. Ein Ligand, der dank Affinität kompetitiv<br />
<strong>und</strong> reversibel einen Rezeptor besetzt, aber dabei keine<br />
intrinsische Wirkung auslöst.<br />
Anthranilsäure. Chem. Ortho-Aminobenzoesäure; Ausgangsstofffür<br />
Synthese der sog. --7 Anthranilsäurederivate<br />
(Etofenamat, Meclofenamat, Mefenaminsäure etc.:<br />
s. BuchE).<br />
Antidot. Unspezifisches »Gegenmittel« (historische<br />
Pharmakatherapie ).<br />
Antidotarium. Von der arabischen Medizin übernommene<br />
Sitte, Rezepte <strong>und</strong> Vorschriften in Arzneibüchern<br />
zu sammeln. Vorläufer der heutigen Pharmakopöen.<br />
antidrom. Entgegen der natürlichen Ausbreitung leitend<br />
(z. B. --7 neurogene Entzündung).<br />
antiinflammatorische Substanzen ( antientzündliche<br />
Wirkstoffe). --7 NSAR (nichsteroidale Antirheumatika,<br />
engl. --7 NSAID) bzw. --7 saure antipyretische Analgetika<br />
(sAA; s. Buch D <strong>und</strong> E).<br />
Antineuralgika. (Historisch): »Schmerzmittel gegen<br />
Neuralgien«.<br />
antineuritisches Vitamin. (Historisch): Vitamin B, ( --7<br />
Buch F).<br />
Antinozizeption. Bisher ohne offiziellen Definition:<br />
Gesamtheit der physiologischen Abwehrmechanismen<br />
gegen Noxen umschreiben. Die Antinozizeption umfasst<br />
die Unterdrückung von Nozitransduktion, Nazitransmission<br />
<strong>und</strong> Nozitransformation. Sog. --7 Schmerztests,<br />
bei Tieren werden anband objektiver Beobachtungen<br />
durchgeführt <strong>und</strong> sind deshalb keine Schmerztests,<br />
sondern »Antinozizeptionstests«. Die Idee der klinischen<br />
»Antinozizeption« wurde von Crile 1913 eingeführt:<br />
» The kinetic theory of shock and its prevention<br />
through anoci-association (shockless operation)«.<br />
Antinozizeptiva. (Nichtoffizielle Bezeichnung): Exoliganden,<br />
die allein keinen wesentlichen analgetischen<br />
Schutz induzieren, aber in Komedikation mit Analgetika<br />
den Antinozizeptionsschutz additiv bis superadditiv<br />
verbessern. Die Bezeichnung Antinozizeptivum wird<br />
auch von Pharmakologie im Kontext von Schmerzforschung<br />
beim Tier verwendet (s. Buch F).<br />
Anti-Opioide. Nichtoffizielle Bezeichnung für endogene<br />
Peptide mit anti-opioidmodulierenden Eigenschaften<br />
( --7 Cholecystokinin CCK, --7 Neuropeptid FF [NPFF],<br />
Melanozyten-inhibiting-Faktor [MIF]: --7 Buch B).<br />
antisense Oligonukleotide. Kurzkettige, einzelsträngige,<br />
synthetische Nukleotidfragmente bzw. Nukleinsäure<br />
mit einer definierten Sequenz bzw. Abfolge von Basen,<br />
die »komplementär (= »Antisens«) gegenüber einer<br />
Abfolge der Ribonukleinsäure des Zielproteins ist.<br />
Diese Sequenz bindet über komplementäre Paarung an<br />
die entsprechende Sense-Sequenz (einer Ziel-RNS oder<br />
DRNS) <strong>und</strong> sabotiert so die Bildung des Zielproteins.<br />
Dieser gentechnische Trick wird in der Forschung angewandt,<br />
um verschiedenste Proteinstrukturen (z. B.<br />
Rezeptoren) zu erforschen.<br />
Anxietas. Angst.<br />
Anxiolytika. Angstlösende Wirkstoffe.<br />
APAIS. (Schmerzklinik) Abk. für Amsterdam Preoperative<br />
Anxiety and Information Scale (s. Buch A).<br />
Apgar, Virginia (1909-1974). Erste Professorin für<br />
Anästhesiologie an der Columbia Universität (1949).<br />
Führte 1953 standardisierte Scores zur Vitalitätserfassung<br />
von Neugeborenen ein (vereinfachtes Klinikerakronym<br />
für APGAR: A [appearance], P [pulse], G [grimace],<br />
A [activity], R [respiration]). Im Vorwort zur<br />
Publikation schrieb sie Bemerkungen, die heutzutage<br />
beispielsweise für die Einführung entsprechender<br />
Schmerzskalen Gültigkeit hätten (s. Zitat).<br />
»Seldom have there been such imaginative<br />
ideas, such enthusiasms, and dislikes, and<br />
such unscientific observations and study<br />
about one clinical picture.«<br />
Apoptosis. Physiologischer, präprogrammierter Zelltodmechanismus,<br />
der durch spezifische Veränderungen<br />
von Zellorganellen charakterisiert ist (Nukleus, Zytoplasma,<br />
Cleavage von DNA-Fraktionen etc.); die<br />
Apoptosis wird als physiologischer Antagonist zur Mitose<br />
interpretiert.<br />
Apperzeption. Die bewusste Verarbeitung von Eindrücken.<br />
Applikation. Verabreichung von Wirkstoffen.<br />
APS. American Pain Society, 1978 gegründetes nationales<br />
Mitglied der --7 IASP.<br />
Aptamerbindung. Die sequenzspezifische Bindung<br />
eines Oligonukleotids an ein Protein.<br />
APUD. Amine and precursor uptake and decarboxylation.<br />
Die aus der Neuralleiste stammenden spezialisierten<br />
sog. APUD-Zellen haben die Fähigkeit, Amine oder<br />
deren Vorstufen aufzunehmen <strong>und</strong> daraus u. a. Peptidintestinalhormone<br />
zu synthetisieren.<br />
Aquadynie. Durch Wasser(bad) auslösbare intensive,<br />
brennende Schmerzen.<br />
aquagener Pruritus. Durch Wasser(bad) auslösbarer<br />
Pruritus.<br />
Aquaporine. 1993 erstmals beschriebene Membranproteinfamilie:<br />
selektive Wasserkanäle, die Wasser entge-
782 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
geneinem Konzentrationsgefälle aktiv durch Zellmembrane<br />
etc. transportieren können.<br />
arabische Ärzte/arabische Medizin. Zum Beispiel: Avicenna<br />
(Abu Ali Hussain ihn Abdullah ibn Sina<br />
980-1037 ), Al Razi, Al Bagdady, El Bitar <strong>und</strong> Ibn El Kuff<br />
waren während des Mittelalters (9.-14. Jahrh<strong>und</strong>ert)<br />
führend in wissenschaftlicher <strong>und</strong> praktischer Medizin,<br />
wobei dem Schmerz große Beachtung geschenkt wurde.<br />
Einführung von analgetisch wirksamen Phytotherapeutika<br />
wie Opium, Papaveris, Hyoscin, Mandragora<br />
etc. systemisch <strong>und</strong> lokal (! z.B.lokale Instillation von<br />
Opiumsaft, -paste, -patches als Zahnfüllungen, Opiumohrentropfen,<br />
mit Phytotherapeutika getränkte Verbände<br />
etc.). Verwendung von Wärme <strong>und</strong> Kälte (!) zur<br />
Schmerzstillung, präoperative Vorbereitung mit<br />
Schmerzmitteln. Die präzise, analytische Arbeitsweise<br />
dieser arabischen Medizinschule hatte großen Einfluss<br />
auf die späteren europäischen Antidotarien bzw. Pharmakopöen;<br />
z.B. das arabisch Wort »al-goul« (»Alkohol«,<br />
durch El-Kindi zum 1. Mal destilliert) bezeichnet<br />
etwas, was den Kopf »sturm« macht. Die arabische Wissenschaft<br />
(Zentrum Bibliotheksstadt Alexandrien)<br />
rettete durch Übersetzungen unzählige alteuropäische<br />
(griechische, römische) Texte vor der Vernichtung <strong>und</strong><br />
dem Vergessen.<br />
Arachidonsäure. Essentielle, vierfach ungesättigte<br />
Fettsäure <strong>und</strong> Bestandteil von Phosphatidbiomembranen.<br />
In vivo bei Biomembranschädigung freigesetzt<br />
<strong>und</strong> hauptsächlich über Cyclooxygenasen ( ---7 COX -1/2,<br />
Buch DIE) <strong>und</strong> Lipoxygenasen (Buch DIE) zu bioaktiven<br />
Substanzen (»Arachidonsäurekaskade«) abgebaut.<br />
Arachnitis. (Synonym: Arachnoiditis) Entzündung der<br />
Arachnoidea; als sog. sterile Arachnitis nach instrumenteller<br />
(z. B. Langzeitkatheter) oder medikamentöser<br />
Reizung bei Spinal- oder Epiduralanästhesien möglich<br />
(grob vergleichbar mit » Verwachsungsbäuchen nach<br />
abdominalen Eingriffen«!).<br />
ARAS. Abk. für aufsteigendes retikuläres aktivierendes<br />
System.<br />
Area postrema. Nach ---7 Borison u. Wang (1953)<br />
beschriebenes ---7 zirkumventrikuläres Organ, das als<br />
chemorezeptorischer ZNS-Sensor für potentielle Bluttoxine<br />
funktioniert <strong>und</strong> bei Aktivation tiefergelegene<br />
sog. »Brechfunktionszentren« stimuliert bzw. den<br />
Brechreflex auslöst.<br />
Area <strong>und</strong>er the curve, AUC. Siehe Buch K, die Fläche<br />
unter der Konzentration-Zeit-Kurve: auf der Ordinate<br />
wird die Plasmakonzentration, auf der Abszisse die Zeit<br />
aufgetragen. Die nach der sog. Trapezoidregel ausgemessene<br />
Fläche unterhalb der Kurve ist proportional<br />
der Menge des Wirkstoffes, die den systemischen Kreislauf<br />
erreicht hat.<br />
ARS. Engl. Abk. für »autonomic reflex screen«: Testassortiment<br />
für das autonomes Nervensystem (z. B. Valsalva-Manöver,<br />
---7 QSART etc.).<br />
Arendt-Nielsen, Lars (*1958). Prof. Dr. sei; nach Studien<br />
an der Aalborg Universität, Weiterbildung am National<br />
Hospital for Nervous Diseases London; Kontakte mit ---7<br />
Wall u. Fitzgerald. Zurück in Dänemark Erforschung u.<br />
a. auch mit Annelise Rosenfalck der Beziehungen zwischen<br />
elektrischen <strong>und</strong> mechanischen Parameter von<br />
Motorneuronen bzw. deren Motorfasern; Beginn der<br />
Schmerzforschung u. a. mit Henrik Kehlet etc. Gründung<br />
1992 des Labaratory for Human Experimental<br />
Research, das heute mit schon 45 permanenten Mitarbeitern<br />
Weltgeltung hat <strong>und</strong> ab 2001 jährlich 35<br />
Schmerzspezialisten (dreijährige Ausbildung; Ph.D.)<br />
ausbilden soll. Multiple akademische internationale<br />
Auszeichnungen.<br />
Aristoteles (Stagira 384-322 Chalkis). Sohn des Leibarztes<br />
des Makedonenkönigs Amyntas li, mit Sokrates <strong>und</strong><br />
Platon Begründer der abendländischen Philosophie: die<br />
Seele ist unabhängig vom Körper <strong>und</strong> unzerstörbar. Die<br />
Doktrin der 5 Sinne wird Aristoteles zugeschrieben.<br />
arousal reaction. Engl. Bezeichnung nach Moruzzi u.<br />
Magoun 1949: Weckreaktion.<br />
ARS. Engl. Abk. für »arousal reaction system« (retikuläres<br />
Weckreaktionssystem): s. auch ---7 Bispectral EEG.<br />
Arsonvalisation. Durch den frz. Physiologen 1892 d' Arsonval<br />
eingeführte Hochfrequenzstromtherapie, die<br />
u. a. wegen ihrer Wärmeentwicklung schmerzlindernd,<br />
u. a. von ---7 von der Porten eingesetzt.<br />
Arteriitis temporalis Horton. Akut einsetzender Schläfenkopfschmerz<br />
(z. B. auch als UAW: s. Wirkstoffprofil<br />
Etodolac Buch E: Fallbeschreibung von Horton-Symptomatik<br />
bei wirkstoffinduzierter allergischtoxischer<br />
Vaskulitis der A. temporalis).<br />
Arzneibuch. Pharmakopöe. Amtliches, meist nationales<br />
Vorschriftenbuch für die Zubereitung, Beschaffenheit,<br />
Aufbewahrung, Bevorratung, Prüfung <strong>und</strong> Ausgabe von<br />
Arzneien sowie ihren Gr<strong>und</strong>stoffen. Die WHO hat 1951<br />
ein internationales Arzneibuch, Pharmacopoe Internationalis,<br />
erarbeitet. Die im Mittelalter von Stadtvätern<br />
herausgegebenen Arzneibücher wurden auch als<br />
»Dispensatorium« bezeichnet. Das alte Wort Offizin (lat.:<br />
die Werkstatt) für Apotheke wird noch als »offizinell« für<br />
im amtlichen Arzneibuch aufgenommene Heilmittel verwendet.<br />
Arzneimittel. Nach dem Arzneimittelgesetz(§ 1 Abs. 1)<br />
sind Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes Stoffe <strong>und</strong><br />
Zubereitungen von Stoffen, die vom Hersteller oder<br />
demjenigen, der sie sonst in den Verkehr bringt, dazu<br />
bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen<br />
oder tierischen Körper: 1. die Beschaffenheit, den
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 783<br />
Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelischer<br />
Zustände erkennen zu lassen oder zu beeinflussen,<br />
2. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte<br />
Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen oder<br />
3· Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe<br />
zu beseitigen oder unschädlich zu machen. Arzneimittel<br />
können (§ 2 Arzneimittelgesetz) Wirkstoffe sein<br />
wie: 1. chemische Elemente <strong>und</strong> chemische Verbindungen<br />
sowie deren natürlich vorkommende Gemische<br />
<strong>und</strong> Lösungen, 2. Pflanzen, Pflanzenteile <strong>und</strong> Pflanzenbestandteile<br />
in bearbeitetem oder unbearbeitetem<br />
Zustand. 3· Tierkörper, auch lebender Tiere, sowie Körperteile,<br />
-bestandteile <strong>und</strong> Stoffwechselprodukte von<br />
Mensch <strong>und</strong> Tier in bearbeitetem Zustand, 4· Mikroorganismen,<br />
Viren sowie deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte.<br />
Arzneimittelabhängigkeit Von der WHO 1964 vorgeschlagener<br />
Oberbegriff für alle mit chronischem Medi- .<br />
kamentenmissbrauch entstehenden Probleme (Toleranz,<br />
Entziehungssymptomatik etc.). Früher: Arzneimittelsucht.<br />
Arzneimittel-Kompendium der Schweiz. Von der ---7<br />
IKS einziges anerkanntes, umfassendes, firmenübergreifendes<br />
Nachschlagewerk mit Fachinformation,<br />
Register <strong>und</strong> Patienteninformation über die in der<br />
Schweiz erhältlichen Wirkstoffe. Pendant zur Roten<br />
Liste (Deutschland), Vidal (Frankreich).<br />
Arzneimittelsucht ---7 Arzneimittelabhängigkeit<br />
Arzneispezialität Definition § 4 Arzneimittelgesetz:<br />
Arzneimittelspezialitäten im Sinne des Gesetzes sind<br />
Arzneimittel, die in gleichbleibender Zusammensetzung<br />
hergestellt <strong>und</strong> in abgabefertigen Packungen<br />
unter einer besonderen Bezeichnung in den Verkehr<br />
gebracht werden.<br />
Arzneistoff (Pharmakon). Wirkstoff, der im Organismus<br />
zur Verhütung, Linderung, Heilung oder Erkennung<br />
von Krankheiten dient.<br />
Ärztathropologie der Romantik. Romantische Sonderform<br />
der anthropologischen philosophisch-wissenschaftlichen<br />
Betrachtung des Menschen, v. a. durch<br />
folgende Ärzte geprägt: Ignaz Paul Vitalis ---7 Troxler,<br />
Christian Friedrich Nasse (Bielefeld 1778-1851 Marburg,<br />
Pionier der »Diagnostik am Krankenbett«), Johann<br />
Michael Leupoldt (Weißenstadt 1794-1874 Erlangen),<br />
Dietrich Georg von Kieser (Hamburg 1779-1862 Jena;<br />
u.a. 1814-1817 Feldarzt in Frankreich bei den Weimarischen<br />
Truppen), Johann Christian August Heinroth<br />
(Leipzig 1773-1843 Leipzig), Joseph Ennemoser<br />
(Schönau/Tirol1787-1854 Egern; Anhänger des ---7 Mesmerismus),<br />
Ignaz Döllinger (Bamberg 1770-1841 München),<br />
---7 K.G. Carus, Karl Friedrich Burdach (Leipzig<br />
1776-1797 Leipzig, Anatomieprofessor in Königsberg:<br />
nach ihm benannt Fasciculus cuneatus bzw. Burdach-<br />
Strang; unvollendetes Opus über »Die Physiologie als<br />
Erfahrungswissenschaft), Joachim Dietrich Brandis<br />
(Hildesheim 1762-1846 Kopenhagen; Leibarzt des dänischen<br />
Königs, publizierte über Erfahrungen der<br />
Anwendung von Kälte), Pranz Benedict von Baader<br />
(München 1765-1841 München), Johann Heinrich Perdirrand<br />
von Autenrieth (Stuttgart 1772-1835 Tübingen).<br />
Aspirin. Warenzeichenname, gebildet aus A (für Acetyl)<br />
<strong>und</strong> Spir (aus der Spiraea ulmaria wurde erstmals die<br />
Salicylsäure oder Spirsäure isoliert), patentiert am 1.<br />
Februar 1899 beim kaiserlichen Patentamt; im Kontext<br />
des Versailler Vertrages Verlust des Patents an sog. Siegermächte<br />
(s. Wirkstoffprofil Acetylsalicylsäure<br />
Buch E). Siehe auch Felix ---7 Hoffmann <strong>und</strong> Artbur ---7<br />
Eichengrün.<br />
Ästhesie. Gefühl, Wahrnehmung.<br />
Ästhesiometer. Empfindungsmeter zur Prüfung der<br />
Hautempfindlichkeit<br />
Ataranalgesie. Griech. ataraktos = ruhig, Die Kombination<br />
von Analgetikum <strong>und</strong> Psychopharmakon zu Analgesie-<br />
<strong>und</strong> Sedationszwecken (nach Hayward u. Butt).<br />
Ataraxia. Griech. »Seelenruhe«.<br />
AUC. Engl. Abk. für »area <strong>und</strong>er the curve« (Fläche<br />
unter der Konzentration-Zeit-Kurve). Die sog. AUC<br />
wird durch die Fläche unter der Blutkonzentration<br />
Zeitkurve nach definierter Applikation dargestellt.<br />
Erfolgt beispielsweise nach p.o.-Gabe eine rasche, völlständige<br />
enterale Resorption, ist die Plasmakonzentration<br />
entsprechend hoch, wobei sich die Gesamtfläche<br />
unter der Plasmakonzentration-Zeitkurve zur Größe<br />
der resorbierten Arzneimittelmenge proportional verhält.<br />
Aufbereitungsmonographie. Durch Expertenkommissionen<br />
beim B<strong>und</strong>esinstitut für Arzneimittel <strong>und</strong> Medizinprodukte<br />
(BfArM; ehemaliges B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsamt<br />
BGA) erstellte wissenschaftlichen Monographien<br />
für die bis dahin »fiktiv zugelassenen« Arzneimittel.<br />
aufsteigendes retikuläres aktivierendes System Magoun.<br />
Nach ---7 H.W. Magoun 1949 durch sensorische<br />
Afferenzen angeregte ---7 Formatio reticularis; aktiviert<br />
höhere kortikale Zentren (s. auch: Bispectral-EEG).<br />
Aura. Kurzdauernde eigenartige Wahrnehmungen, die<br />
bei Migräne-Patienten der Kopfschmerzphase vorausgeht.<br />
Ausscheidung. Kinetik, Elimination.<br />
Autotomie. »Selbstverstümmelung«; wird bei Tierexperimenten<br />
als Zeichen für Schmerz interpretiert. Hinweise<br />
sind jedoch vorhanden, dass Sensibilitätsstörungen<br />
oder Parästhesien ebenfalls ausreichende Gründe für<br />
eine Autotomie sein könnten.
784 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
autonomes Nervensystem. Syn.: vegetatives NS, verantwortlieh<br />
für autonome Funktionen zur Aufrechterhaltung<br />
des »milieu interne«, unterteilbar in ---1 zentrales<br />
autonomes NS (Synonym zentrales autonomes Netzwerk,<br />
»central autonomic network« CAN) <strong>und</strong> ---1 peripheres<br />
autonomes NS (s. Buch A).<br />
autonome Nervenblockaden. Klinisch gebräuchlicher,<br />
aber ungenauer Begriff: die temporäre (LA oder Neurolysis)<br />
Blockade zu therapeutischen Zwecken (Analgesie,<br />
periphere Perfusionssteigerung) von autonomen Ganglien<br />
(z. B. Ganglion coeliacum etc.) beinhaltet 1. die<br />
Blockierung von autonomen Efferenzen <strong>und</strong> 2. die<br />
Blockierung von viszeralen (nichtautonomen!) Primärafferenzen.<br />
aversiv. »gegenteilig«; eine }}aversive Wirkung« ist eine<br />
}}gegenteilige Wirkung«; z. B.: Opioide vom Typ partielle<br />
K-Agonisten bzw. ---1 Antagonist-Agonist können eine<br />
aversive Dysphorie über nichtopioiderge a-Rezeptoren<br />
induzieren (s. Buch B).<br />
Avogadro, Amadeo (1776-1856). In Turin wirkender<br />
Physiker. Stellte u. a. das nach ihm benannte Gesetz auf,<br />
wonach die Zahl der in 1 ml enthaltenen Moleküle<br />
(unter Normalbedingungen) 2,69 · 1o'9 beträgt. Diese<br />
Konzentration wird in hohen ---1 Hahnemann-Verdünnungsreihen<br />
}mnterboten«.<br />
Ayurveda. Indisches, kosmisch-spirituelles Heilk<strong>und</strong>esystem<br />
(}}Die Lehre vom Leben«): Hauptkomponenten<br />
Vata (Sanskrit: Luft), Pitta (Feuer), Kapha (Wasser).<br />
Schmerz soll keine Erkrankung, sondern ein Ungleichgewicht<br />
dieser 3 verantwortlichen Konzepte sein.<br />
Babinski,Joseph (1857-1932). Frz. Neurologe polnischer<br />
Abstammung, Schüler von ---1 Charcot. publizierte u. a.<br />
1896: »Le reflexe cutane plantaire dans certaines affections<br />
organique du systeme nerveux«. Nach Babinski<br />
wird der B.-Reflex (Großzehenreflex bei Pyramidenbahnschäden,<br />
1896), das B.-Ohr-Phänomen, das B.<br />
Nageotte-Syndrom, das B.-Vaquez-Syndrom, das<br />
Anton-B.-Syndrom, sowie das B.-Fröhlich-Syndrom<br />
bezeichnet. Babinsky studierte Allgemeinmedizin,<br />
publizierte Arbeiten über Typhus (1882), wurde einer<br />
der Pioniere der frz. Neurologieschule (Charcot, Brissaud,<br />
Pierrie Marie, Dejerine), initiierte die frz. Neurochirurgie<br />
( ---1 de Martel, ---1 Vincent) <strong>und</strong> befasste sich in<br />
seinen letzten Arbeiten mit Psychologie (1930: Arbeiten<br />
über Hysterie).<br />
Bahnung. Neurophysiologischer Begriff der Vorbereitung<br />
der Nervenzelle durch unterschwellige Reize.<br />
Damit wird die Schwelle für neueintreffende Impulse<br />
laufend erniedrigt. Die Summation dieser Impulse<br />
führt zur Impulsausbreitung. Gegenteil: Hemmung.<br />
BAI. Abk. für Beck anxiety inventory (nach Beck et al.<br />
1988).<br />
Baillarger, Fran~ois (1809-1890 ). Bedeutender frz. Neurologe;<br />
beschrieb kortikale Schichten <strong>und</strong> wies nach,<br />
dass das menschliche Hirn im Verhältnis zu seinem<br />
Gesamtvolumen kleiner ist als bei niedrigen Tieren.<br />
balanced analgesia. Analgesietechnik mit Ziel, die zentrale<br />
(spinale, supraspinale) Schmerzmodulation spezifisch<br />
mittels }}zentraler Analgetika« vom Typ Opioid,<br />
die periphere Schmerzmodulation gleichzeitig mittels<br />
}}peripherer Schmerzmittel« vom Typ Entzündungsbemmer<br />
(bzw. COX-Inhibitoren) zu beeinflussen. Waldvogel<br />
u. Fasano (1983) führten erfolgreich Hemikolektomien<br />
unter spinaler Lofentanilgabe in Kombination mit<br />
}}peripheren Analgetika« durch. }}The aim wastoblock<br />
nociceptive transmission at medullary receptor site<br />
Ievel and to act as weil on the peripheral genesis of pain,<br />
a procedure we could define as a kind of balanced analgesia<br />
technique comparable to balanced anaesthesia<br />
techniques« (Der Anästhesist 1983, S.32, A 17.6); die<br />
Namengebung wurde durch ---1 J.S. L<strong>und</strong>ys Konzept der<br />
}}balanced anaesthesia« (1926) geprägt.<br />
Bamm, Peter (Pseudonym für Curt Emmrich; Hochneukirch<br />
bei Grevenbroich 1897-i975 Zollikon). Freiwilliger<br />
des 1. Weltkriegs; Studium der Medizin, als<br />
Chirurg bzw. Schiffarzt Weltreisen <strong>und</strong> Kriegschirurg<br />
1940-1945: }}Die unsichtbare Flagge«.<br />
Barästhesie. Drucksinn.<br />
Barästhesiometer. Ein Instrument zur Messung des<br />
Drucksinns.<br />
Barker, A.E. (1850-1916). Führte hyperbare Techniken<br />
bei der Spinalanästhesie ein. ,<br />
Barre-Lieou-Syndrom (auch: Neri-Barre-Lieou-Syndrom).<br />
Nach dem Strassburger Neurologen J.A.B. Barre<br />
(1880-1967) benanntes mit Kopfschmerzen einhergehendes<br />
Krankheitsbild (Neuralgiesyndrom mit Mitbeteiligung<br />
des autonomen Nervensystems bei Schädigung<br />
der Halswirbelsäule).<br />
Bärtschi-Rochaix Syndrom. Nach W. Bärtschi-Rochaix<br />
benannte halbseitige, anfallsmässig (migräneartig) mit<br />
Schwindel, Seh- <strong>und</strong> Hörstörungen auftretende Kopfschmerzen<br />
auf der Gr<strong>und</strong>lage von posttraumatischen<br />
Veränderungen der Halswirbelsäue (v. a.: A. vertebralis,<br />
Spinalnerven).<br />
Bartter-Syndrom (»Prostaglandismus«). Nach dem<br />
Endokrinologen F.C.B. Bartter am Bethesda-Spital!<br />
Maryland 1962 beschriebene autosomal-hereditäre<br />
primäre PGE 2 -Überproduktion (Nierenmark), Renin<br />
Angiotensin-Bildung i = Hyperaldosteronismus (renaler<br />
Kaliumverlust), ADH-Hemmung (erhöhte renale<br />
Wasserverluste), Stimulation des Kallikreinsystems mit<br />
erhöhter Kininfreisetzung (Vasodilatation), Muskelschwäche,<br />
Ödeme, Hypotension, Kreislaufschwächen.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 785<br />
Symptomatische Therapie: PG-Synthesehemmer (z. B.<br />
---1 Indometacin).<br />
Basbaum, Allan I. (Montreal *1947). Nach Studien in<br />
Psychologie (McGill University Montreal), Anatomie<br />
<strong>und</strong> Neurophysiologie (University College, London)<br />
sowie Neuroanatomie Professor <strong>und</strong> Vorsitzender des<br />
Lehrstuhls für Anatomie des W.M. Keck Center for Integrative<br />
Neuroscience, UC San Francisco. Vormals Präsident<br />
der IASP. Vielfache internationale Auszeichnungen<br />
für Verdienste in der Schmerzforschung.<br />
Basler Chemische Industrie. ---1 Geigy, ---1 CIBA, ---1 Sandoz<br />
(1996 zu Novartis fusioniert), Durand <strong>und</strong> Huguenin,<br />
---1 Hoffmann-La Roche, Müller-Pack etc. Erste<br />
Anfänge gehen auf den Frühkapitalismus im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
zurück (einfache Produktionsherstellung wie<br />
Seidenbandindustrie, Färbereien, Engros-Handel mit<br />
Rohwaren wie Drogen, Gewürzen, daneben Kleinhandel);<br />
gefördert durch die günstige Verkehrslage sowie<br />
sog. Refugianten (in der Regel hochbegabte, kultivierte<br />
<strong>und</strong> reiche Religionsverfolgte) aus Frankreich, Holland<br />
etc. Später u. a. durch den bedeutenden Nationalökonomen<br />
Christoph Bernoulli geprägt. Ausbau der Verkehrsmittel<br />
(erste schweizer Bahn ins Elsaß! Erster Tunnelbau<br />
zwischen Basel <strong>und</strong> Olten: Hauenbergtunnel 1858;<br />
ab 1881 Telefonnetz, ab 1895 Ausbau des Oberrheins bzw.<br />
des Basler Rheinhafens). Erste Anfänge eines eigentlichen<br />
übernationalen Regionalismus (Regio Basiliensis<br />
mit Elsass <strong>und</strong> Baden). Der v. a. durch die Familie Geigy<br />
geförderte Bahnbau wurde v. a. von den katholischen<br />
Konservativen (Basel-Stadt war traditionsmässig protestantisch)<br />
als schlimme »Negoziation« gegenüber den<br />
»falschen Welschen« interpretiert <strong>und</strong> ein Herr Professor<br />
Reber schrieb über das »Trojanische Pferd Bahn«:<br />
Du Geist des alten Priamos.<br />
Erschein im großen Rate!<br />
Erzähl ihm von dem hölzernen Roß.<br />
Das deinem Troja nahte. Sag ihm:<br />
Zerbrechet nicht Euren Wall.<br />
'<strong>und</strong> werdet dieses Rosses Stall.<br />
Sag ihm: es sei ganz einerlei.<br />
Ob's Ross von Holz, von Eisen,<br />
Und ob der, der im Bauche sei,<br />
'Franzos oder Grieche mög' heißen!<br />
Bayer, Friedrich (Barmen 1825-1880). Farbstoffkaufmann,<br />
gründete 1863 die Firma Bayer & Co.<br />
Bayes, Thomas, Mathematiker, anglikanischer Geistlicher<br />
(Reverend) (1702-1761). Untersuchte erstmals, wie<br />
aus empirisch gewonnenen Daten auf eine zugr<strong>und</strong>eliegende<br />
Wahrscheinlichkeit von Ursachen zurückgeschlossen<br />
werden kann. Stellte eine komplizierte For-<br />
mel (»Bayes-Regel«) auf, die - 1763 nach seinem Tode<br />
publiziert <strong>und</strong> zunächst unverstanden - später vom<br />
französischen Mathematiker Pierre Sirnon Marquis de<br />
Laplace (1749-1827) in seiner Darstellung der Wahrscheinlichkeitsrechnung<br />
(1812-1814) aufgegriffen<br />
wurde. Der Lehrsatz nach Bayes ist heute Ausgangspunkt<br />
für komplizierte logisch-statistische Wahrscheinlichkeitsüberlegungen.<br />
1992 wurde die International<br />
Society for Bayesian Analysis (ISBA) mit der Aufgabe<br />
gegründet, Bayesianische statistische Theorien<br />
<strong>und</strong> Methoden für theoretische <strong>und</strong> praktische Anwendungen<br />
in Industrie, Wissenschaft (Medizin: ---1<br />
Cochrane-Bewegung) <strong>und</strong> Politologie zu fördern.<br />
BDNF. Engl. Abk. für »brain derived neurotrophic factor«,<br />
zur Superfamilie der sog. Trophikfaktoren bzw.<br />
»nerve growth factors« gehörend, die Trophik <strong>und</strong> Differenzierung<br />
zentraler <strong>und</strong> peripherer Nerven beeinflussen.<br />
Becher, Johannes Robert (München 1891-1958 Berlin).<br />
Studium der Medizin <strong>und</strong> Philosophie. 1914 »Verfall<br />
<strong>und</strong> Triumpf«; 1934 »zwangsausgebürgert«; nach Emigration<br />
in Moskau ab 1954 Kulturminister der DDR.<br />
Bechtherevvon, Vladimir Maikhailowitsch (1857-1927).<br />
Bedeutender russischer Neurologe, Schüler des bedeutenden<br />
dt. Psychiaters <strong>und</strong> Neurologen Paul Flechsig<br />
(Zwickau 1847-1929 Leipzig); nach ihm werden zentrale<br />
Kerne (Nucleus vestibularis rostralis), Erkrankungen<br />
(Sponylarthritis ankylopoetica der Wirbelsäule), Reflexe<br />
(Augenreflex, paradoxer Pupillenreflex, Hackenreflex,<br />
Pronationsreflex, Karpometakarpalreflex, Bechterew-Mendel-Plantarreflex)<br />
sowie das B.-Syndrom (bei<br />
Druck auf Wadenbein bzw. N. fibularis kein Druckschmerz<br />
bei Tabes dorsalis) <strong>und</strong> das B.-Ischiasphänomen<br />
(Ischiassyndrom) benannt.<br />
Beecham, Sir Thomas (1879-1961). Weltberühmter Dirigent;<br />
ab 1919 künstlerischer Leiter des Covent Garden<br />
Opera House. Zusammen mit seinem Vater Sir Joseph<br />
als Inhaber der Beecham Pharmaceutical Company<br />
Aufkauf des Covent Garden Estate (u. a. mit Royal<br />
Opera House, Theatre Royal, Drury Lane etc.) 1914.<br />
Finanzierte aus dem Verkauf u. a. von Aspirin, das sein<br />
Großvater Thomas als Pharmazeut in Lancashire herstellte,<br />
u. a. seine von ihm geleitete Beecham Opera<br />
Company (1915 bis zum finanziellen Debakel 1920)<br />
sowie die British National Opera Company. Autobiographie<br />
1944: »A mingled chime«.<br />
Beecher, Henry K. ([ursprünglich dänischer Namen<br />
Unangst], Wichita/Kansas 1904-1976). Studium der<br />
Chemie (Universität Kansas); danach 4 Jahre Vorsteher<br />
des dortigen Chemieinstitutes; weitere Studien an der<br />
Harvard-Universität bis 1932; 1 Jahr Physiologie beim<br />
Nobelpreisträger August ---1 Krogh in Dänemark,
786 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
danach Chirurgieassistent Als der für Anästhesie am<br />
Mass. Gen. Hospital verantwortliche Chirurg Bradshaw<br />
nach 4 Jahren die Tätigkeit 1936 quittierte, wurde Beecher<br />
als Protege seines v. a. für Lungenchirurgie berühmten<br />
Chefs Churchill 1936(-1969) Nachfolger des<br />
Anästhesiedienstes, obwohl Beecher keine formelle<br />
Ausbildung in Anästhesiologie hatte. Publizierte 1938<br />
» The Physialagy af Anaesthesia«, wurde 1939 Anästhesie-«
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 787<br />
sehe Katastrophe nach 1933 treiben den als melancholisch<br />
beschriebenen Arzt <strong>und</strong> Forscher zum Selbstmord<br />
durch Erhängen. Die Erfindung des EEG ermöglichte<br />
die neurophysiologisch begründete Epileptiologie sowie<br />
(dank Datenverarbeitungstechnik wie Fourier-Technik)<br />
das perioperative ZNS-Monitoring (Sedationstiefe,Antinozizeptionsschutz:<br />
z. B. ~ Bispectral Index).<br />
Berliner Ges<strong>und</strong>heitshaus. Im Tiergartendistrikt von<br />
Ernst Joel (1893-1929; bedeutendem dt. Pazifist mit<br />
Gründung des Journals »Der Aufbruch«; 1915 Petition<br />
u. a. von Martin Bub er, Kurt Eisner, Eugen Diederichs, S.<br />
Fischer, Magnus Hirschfeld, Heinrich Mann, Thomas<br />
Mann,Alfred Mombert, Frank Wedekind, Walter Benjamin,<br />
Alfred Kerr, Gustaf Landauer, Fritz Mauthner,<br />
Ferndirrand Tönnies, Gustaf Wyneken etc. an die Preussischen<br />
Abgeordneten, die Streichung von Joel aus der<br />
Studentenliste der Universität Berlin aufzuheben ... ,<br />
<strong>und</strong> Fritz Fränkel (Lebensdaten unbekannt) gegründete<br />
Klinik für Drogenabhängige. Joel <strong>und</strong> Fränkel - in<br />
enger Zusammenarbeit mit Walter Benjamin - waren<br />
Pioniere von Drogen <strong>und</strong> Rausch (die dt. Bezeichnung<br />
»Rausch« wurde als »telquel« im Engl. übernommen)<br />
<strong>und</strong> publizierten über die Pathologie der Gewöhnung,<br />
»Morphiumsucht«, »Cocainomanie«, »Haschisch<br />
Rausch« u.a. auch 1926: »Ist in Deutschland der Anbau<br />
von Indischem Hanf notwendig?« (s. auch Buch B).<br />
Bernard, Claude (1813-1878). Hervorragender frz. Physiologe<br />
( u. a. Nachweis der Curarewirkung an der motorischen<br />
Endplatte 1857, Le
788 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Betäubungsmitteln sind gesetzmäßig gleichgestellt Halluzinogene,<br />
zentrale Stimulanzien vom Typ Amphetamin<br />
sowie weitere Stoffe <strong>und</strong> Präparate, die eine ähnlich<br />
Wirkung wie diese erstgenannten Stoffe vermitteln. Das<br />
Eidgenössische Ges<strong>und</strong>heitsamt erstellt das Verzeichn~s<br />
dieser Stoffe gestützt auf die Artikel 69, 69bis <strong>und</strong> 64b1s<br />
der B<strong>und</strong>esverfassung (SR 101), <strong>und</strong> nach Einsicht in<br />
eine Botschaft des B<strong>und</strong>esrates vom 9· April 1951<br />
beschloß die B<strong>und</strong>esversammlung der Schweizerischen<br />
Eidgenossenschaft das B<strong>und</strong>esgesetz über die Betäubungsmittel<br />
vom 3. Oktober 1951. Es wird ergänzt durch<br />
Verordnungen (1952, 1984). Im 1. Kapitel »Allgemeine<br />
Bestimmungen« werden die unter das Betäubungsmittelgesetz<br />
fallenden Stoffe bestimmt. In Bezug auf die<br />
Schmerztherapie fallen darunter das Rohmaterial<br />
Opium sowie die Wirkstoffe Phenanthren-Alkaloide<br />
<strong>und</strong> deren Derivate/Salze, die zur Abhängigkeit führen.<br />
Die entsprechenden Vermerke findet der Leser in den<br />
entsprechenden Wirkstoffprofilen (Rezeptpflichtigkeit).<br />
Gewisse Stoffe werden im II. Kapitel (Herstellung,<br />
Abgabe, Bezug <strong>und</strong> Verwendung) verboten: es sind dies<br />
in Bezug auf die Schmerztherapie: Rauchopium <strong>und</strong><br />
Derivate; Diacetylmorphin <strong>und</strong> Salze (Heroin). In der<br />
Schweiz darf der Apotheker Betäubungsmittel abgeben<br />
aufgr<strong>und</strong> einer schriftlichen Bestellung (Rezept) eines<br />
zur Berufsausübung berechtigten Arztes (812.121.1 Artikel38).<br />
Die gesetzlichen Vorschriften für den praktizierenden<br />
Arzt in Bezug auf Aufbewahrung <strong>und</strong> Kontrolle<br />
sind ebenfalls praxisbezogen. Die Verordnung von 1984<br />
(812.121.2) listet die für die Schmerzpraxis gebrauchten<br />
Stoffe: sie werden im Wirkstoffprofil unter Rezeptpflichtigkeit<br />
angegeben. In der Schweiz (in Bezug auf<br />
die Schmerzpraxis) verbotene Stoffe sind Heroin <strong>und</strong><br />
Rauchopium. In Deutschland regelt das Betäubungsmittelgesetz<br />
(BtMG) von 28.7.1981 sowie die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung<br />
1981 die<br />
Schmerzmittelpraxis des Arztes (durch die 2. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung<br />
von 1986<br />
sowie einer Betäubungsmittel-Verschreibeverordnung<br />
von 1986/1988/1993 angepasst).<br />
Bettelheim, Bruno (1903-1990 ). Österr. Psychologe<br />
1938; im KZ Dachau <strong>und</strong> Buchenwald inhaftiert, 1939<br />
freigelassen. Emigration in die USA. Publizierte u. a.<br />
über Stress von Einzelpersonen <strong>und</strong> Massen in extremen<br />
Situationen (Konzentrationslager etc.), Kinderpsychologie<br />
(Autismus). Auf dt. 1966 »Aufstand gegen die<br />
Massen«, 1970 erschien »Liebe allein genügt nicht«. Universität<br />
Tübingen: Leopold-Lucas-Preis 1990.<br />
Bewusstlosigkeit. Koma.<br />
Bewusstsein. Nach dem Universalgenie Gottfried Wilhelm<br />
Leibnitz (Leipzig 1646-1716 Hannover) postulierter<br />
Gesamtinhalt der »Ich-Erfahrung« (später: C.G.<br />
Jung etc.).<br />
BfArM. B<strong>und</strong>esinstitut für Arzneimittel <strong>und</strong> Medizinprodukte;<br />
(früher BGA: B<strong>und</strong>esges<strong>und</strong>heitsamt).<br />
B-Fasern. Histologisch dünne Fasern (1-3 pm) mit einer<br />
Leitungsgeschwindigkeit von wm/s: präganglionäre<br />
Fasern des autonomen Nervensystems (s. Buch A).<br />
Bias. Engl.: Schräglage, Schieflage; moderne Statistik;<br />
ein innerhalb wissenschaftlicher Studien möglicher<br />
bzw. auftretender systematischer Denkfehler oder<br />
unkontrollierter Einfluss oder verdeckte Voreingenommenheit.<br />
Bielschowsky, Max (1869-1940). Bedeutender dt. Neurologe<br />
<strong>und</strong> Vater der modernen Neuropathologie. Arbeiten<br />
in Frankfurt am Senckenberg Pathologischen Institut.<br />
Bier, August Karl Gustav (Helsen 1861-1949). Nach Studien<br />
in Berlin, Leipzig <strong>und</strong> Kiel (Promotion 1986) Allgemeinpraktiker,<br />
wo er dem berühmten Chirurgen Friedrich<br />
von Esmarch (1823-1908) durch seine klinische<br />
Begabung auffiel. Innerhalb von 2 Jahren Privatdozent.<br />
Durch Iräneus Quincke (1842-1922), ebenfalls an der<br />
Kieler Chirurgie, erlebte er die Technik der Lumbalpunktion<br />
(was dem eifersüchtigen Quincke zu schaffen<br />
machte). Bier erlaubte 1898 seinem Assistenten Hildebrandt,<br />
an ihm selbst die erste intrathekale Kokainanästhesie<br />
durchzuführen. Publikationen u. a.: » Versuche<br />
über Cocainisierung des Rückenmarks«(1899 ), » Weitere<br />
Mitteilungen über Rückenmarksanästhesie«(1901).<br />
Später nach Greifswald, Bonn <strong>und</strong> 1907 als Nachfolger<br />
von Bergmanns nach Berlin. Verlor 2 illustre Patienten<br />
in der Folge von Appendektomien: den Industriellen<br />
Hugo Stinnes (1924; Stefan Zweigs »Kriegsgewinnler«)<br />
sowie den Reichspräsidenten Friedrich Ebert (1925).<br />
Zog sich 1934 nach Sauen in der Mark (DDR) zurück.<br />
Der nachmalige sowjetische Militärchefarzt war zufälligerweise<br />
ein ehemaliger Student von Bier, so dass Bier<br />
fortan unbehelligt seinen Lebensabend in Sauen verbringen<br />
konnte, wo er mit seiner Ehefrau in einem<br />
unscheinbaren Grab in seinem geliebten Wald begraben<br />
wurde.<br />
bildgebende Verfahren. CT bzw. Röntgen-computed<br />
Tomographie; PET bzw. Positron-emission-computed<br />
Tomographie; SPECT bzw. Single-photon-emissioncomputed-Tomographie;<br />
MR bzw. magnetische Resonanzverfahren<br />
erlauben die Analyse, Aufzeichnung von<br />
Perfusions- bzw. Aktivitätsänderungen (z. B. auf standardisierte<br />
Schmerzreize, Gabe von Wirkstoffen etc.)<br />
im ZNS etc. (s. Buch A).<br />
biliäre Exkretion. Die Elimination durch hepatische<br />
Exkretion (betrifft MS <strong>und</strong> Metaboliten): über einen<br />
sog. enterohepatischen Kreislauf können solche Stoffe<br />
wieder in den systemischen Kreislauf gelangen (s.<br />
Buch K).
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 789<br />
Billroth, Theodor (Rügen 1829-1894). Ausbildung in<br />
Göttingen <strong>und</strong> Berlin (Schönlein, von Langenbeck). Als<br />
32jähriger nach Zürich berufen. 1867 - einige Monate<br />
nach der Schlacht bei Königgrätz - durch Kaiser Franz<br />
Joseph nach Wien berufen. Billroth war neben seiner<br />
weltberühmten chirurgischen Tätigkeit (1881 erste<br />
Magenresektion) u. a. Musikjournalist (Allgemeine<br />
musikalische Zeitung, Leipzig; NZZ) <strong>und</strong> Musikkomponist<br />
In einem Brief an Mulicz 1883: »In Zürich habe ich<br />
ziemlich viel componirt: 3 Trios, ein Clavierquintett,<br />
<strong>und</strong> ein Streichquartett ... Meine sämtlichen Compositionen<br />
habe ich vor einigen Jahren den Flammen übergeben,<br />
es war schreckliches Zeug! Und stank grässlich<br />
beim Verbrennen.« Liederkompositionen: davon nur<br />
freigegeben »Todessehnsucht« (nach einem Gedicht<br />
von Georg Herwegh). Grosser Briefwechsel mit Johannes<br />
Brahms, mit dem ihn eine tiefe Fre<strong>und</strong>schaft verband.<br />
Ebenfallsgrosses Engagement für Pflegepersonal:<br />
»Die Krankenpflege im Hause <strong>und</strong> im Hospitale.« 1894<br />
als Schwerkranker (Pneumonie, Depressionen) im Kuraufenthalt<br />
in Istrien ( Opatia) schrieb er wenige Tage vor<br />
seinem Tode:<br />
Nacht ist's; schon lange lautlose Stille um<br />
mich, nun wird's auch in mir still.<br />
Mein Geist beginnt zu wandern, ein ätherblauer<br />
Himmel wölbt sich über mir. Ich<br />
schwebe körperlos empor. Es klingen die<br />
schönsten Harmonien von unsichtbaren<br />
Chören, in sanftem Wechsel gleich dem<br />
Atmen der· Ewigkeit! Auch Stimmen nehm<br />
ich wahr, die Worte sind ein leises Rauschen,<br />
Klingen: »Komm müder Mann, wir<br />
machen glücklich Dich. In dieser Sphären<br />
Zauber befreien wir Dich vom Denken,<br />
der höchsten Wonne <strong>und</strong> dem tiefsten<br />
Schmerz der Menschen. Du fühltest Dich<br />
als Theil des Alls, sei nun im ganzen All<br />
vertheilt, das Ganze zu empfinden mächtig.«<br />
Binding, Rudolf Georg (Basel 1867-1938 Starnberg).<br />
Jura- <strong>und</strong> Medizinstudium, dann Schriftsteller: sein<br />
Vater Karl Ludwig Lorenz (1841-1920) schuf die staatsrechtlich-politischen<br />
Gr<strong>und</strong>lagen zur späteren nationalsozialistischen<br />
---7 »Euthanasie« (s. auch: Hoche).<br />
Kavallerie-Offizier während des 1. Weltkriegs.<br />
Bing, Robert (1878-1956). Neurologe; beschrieb das<br />
Bingsche Kopfschmerzensyndrom (Syn.: Horton-Syndrom).<br />
Bioinversion. Der in vivo bei Razemat-Molekülen, aber<br />
auch bei Enantiomeren mit asymmetrischem C-Atom<br />
vorkommende spontane Wechsel bzw. Umkehr von<br />
einer Enantiomerform (z.B. S, R-Form) zur anderen<br />
(z. B. 2-Arylpropionsäureabkömmlinge, Ibuprofen: s.<br />
BuchE).<br />
Biomembran. In der klinischen Pharmakologie wichtige<br />
Trennschichten zwischen Blutorgan <strong>und</strong> ZNS (»Blut<br />
Hirn-Barriere«), mütterlichem <strong>und</strong> fetalem Kreislauf<br />
(»diaplazentäre Passage«) oder Milch <strong>und</strong> Säugling<br />
(»translaktale Passage«). Ziel der Forschung sind die<br />
multiplen passiven <strong>und</strong> aktiven Transportsysteme dieser<br />
früher fälschlicherweise als rein passiv angenommenen<br />
Trennschichten.<br />
Biosensor. Spezifische Strukturen, die imstande sind,<br />
die Anwesenheit <strong>und</strong> Konzentration von Molekülen<br />
<strong>und</strong> Strukturen in quantifizierbare physikalische Signale<br />
umzuwandeln (z. B. ---7 zirkumventrikuläre Signale).<br />
Biotransformation. Syn.: Metabolismus, Verstoffwechselung:<br />
Die durch Enzyme katalysierte Umwandlung<br />
eines Xenoliganden in eine andere Molekülart; bei der<br />
hepatischen (wichtigsten) Biotransformation wird eine<br />
Phase I (Oxidation, Reduktion, Hydrolyse) sowie eine<br />
Phase II (Konjugation z. B. mit Glukuronsäure) unterschieden.<br />
Daneben biotransformieren andere Organe<br />
wie Lungengewebe, Plazenta, ZNS etc. (s. Buch K sowie<br />
Wirkstoffprofile).<br />
Bioverfügbarkeit. Syn.: »bioavailability«, systemische<br />
oder biologische Verfügbarkeit; auch Bioäquivalenz:<br />
Anteil eines extravaskulär verabreichten Wirkstoffes,<br />
der im Blut erscheint <strong>und</strong> für die Zielorgane verfügbar<br />
ist. Der Unterschied bei gleicher Dosierung zur i.v.<br />
Gabe, bestimmt anhand der Fläche unter der Konzentration-Zeit-Kurve<br />
(---7 AUC), ergibt den Unterschied.<br />
Die relative Bioverfügbarkeil ist die Bestimmung einer<br />
Standard- mit einer Testdosis bei einem Wirkstoff, der<br />
nicht i.v. gegeben werden kann. Bei nichtinvasiver<br />
Anwendung wird die Bioverfügbarkeil durch die ---7<br />
Resorptionsphase (Biomembrangängigkeit, aktive <strong>und</strong><br />
passive Resorption etc.) entscheidend beeinflusst; bei<br />
nichtinvasiver <strong>und</strong> invasiver Gabe wird die Bioverfügbarkeil<br />
durch die ---7 hepatische (<strong>und</strong> pulmonale etc.)<br />
Extraktionsrate beeinflusst (s. Buch K).<br />
Bi-spectral-EEG. Für die pharmakodynamische Messung<br />
einer iatrogenen Depression des ZNS eingesetzte<br />
EEG-Technik, wobei die einzelnen EEG-Komponenten<br />
dank Fourier-Transformation in entsprechende Sinuswellen<br />
umgewandelt werden <strong>und</strong> dann die individuellen<br />
Phasenverschiebungen zwischen den Wellen analysiert<br />
werden, wobei ein einzelner Parameter, gekennzeichnet<br />
durch einen numerischen Index o-10, entsteht<br />
( = bi-spektraler Index), der in Beziehung zur Sedation<br />
bzw. Anästhesietiefe steht.<br />
BJA (auch Br J Anaesth). Abk. für das 1923 durch den<br />
amerikanischen Anästhesisten H.M. Cohen (New York
790 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
1875-1929 Manchester) <strong>und</strong> Engländer~ H.E.H. Boyle<br />
gegründete British Journal of Anaesthesia.<br />
Blindversuch. Wirkungsprüfung. Einfacher Blindversuch:<br />
Versuchsperson geblindet. Doppelter Blindversuch:<br />
Versuchsperson <strong>und</strong> Versuchshelfer geblindet.<br />
Blinkreflex. Augenschutzreflex der Augenlider; kann in<br />
der Schmerzforschung auch als »schmerzbedingter<br />
Blinkreflex« (»pain evoked blink reflex«) durch noxische<br />
Laserstimuli (z. B. supraorbitale Nervenstimulation<br />
mit Laserpuls; Arbeiten von Ellrich, Bromm etc.,<br />
s. Buch A) erzeugt werden.<br />
Blut-Hirn-Schranke. Biologische Trennmembran mit<br />
multiplen aktiven Transportmechanismen zwischen<br />
Hirn <strong>und</strong> Blutkreislauf (s. Biomembrangängigkeit von<br />
Wirkstoffen: Buch allgemeine Kinetik). Von der Blut<br />
Hirn-Schranke partiell ausgenommen sind dank fenestrierten<br />
Kapillarbetten die sog. ~ zirkumventrikuläre<br />
Organe (z.B. Chemotriggerzone).<br />
Boas, Walter (Berlin 1904-1984). Vater Artbur Boas<br />
hatte in Berlin eine Allgemeinpraxis <strong>und</strong> starb früh an<br />
einer Herzattacke. Klassisches Gymnasium (lat.,<br />
griech., frz.) mit Abitur 1922. Technische Hochschule<br />
sowie Arbeiten bei Siemens <strong>und</strong> Halske mit Abschluss<br />
inangewandter Physik (Dipl.-Ing., 1928). Forschung am<br />
Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallk<strong>und</strong>e, u. a. auch Kri<br />
Stallplastizität (Verhalten von Kadmium etc.). 1932 nach<br />
Fribourg im Uechtland: die hier mit Schmid 1935 publizierten<br />
Arbeiten wurden in englischer Übersetzung<br />
noch 1968 herausgegeben! 1935 zu Scherrer nach Zürich<br />
(ETH); als protestantischer Jude in der Schweiz nicht<br />
sicher, Emigration nach London an das kgl. Faraday<br />
Institut ... wo er als erstes begann, Englisch zu lernen<br />
... <strong>und</strong> englische Küche zu goutieren (Interview 1973).<br />
Emigration 1938 nach Australien (Universität Melbourne).<br />
Nach dem Krieg Treffen mit (dem Anti-Nazi)<br />
Becker (Göttingen) <strong>und</strong> Wassermann (Clausthal).<br />
Gründete u. a. mit dem befre<strong>und</strong>eten Linus ~ Pauling<br />
die australische Pugwash-Gruppe. Nach ihm benannt<br />
die Walter-Boas-Medaille sowie der Walter-Boas<br />
Gedächtnis-Preis.<br />
Boehringer. Würtembergische Unternehmerfamilie aus<br />
Kirchheim unter Teck. Johann Friedrich Boehringer<br />
(1791-1867) gründete 1817 zusammen mit Christian<br />
Gotthold Engelmann die Drogenhandlung (Chinin,<br />
Morphin, Chemikalien wie Weinsäure, Äther, Chloroform<br />
etc.) Engelmann & Boehringer in Stuttgart. 1872,<br />
nach Ausscheiden Engelmanns, als Firma C.F. Boehringer<br />
Söhne aus verkehrstechnischen Gründen nach<br />
Mannheim verlegt. Albert Boehringer (1861-1939)<br />
erwarb seinerseits 1885 eine zum Verkauf stehende kleine<br />
Weinsteinfabrik 1885, aus der die spätere Boehringer<br />
Ingelheim entstand. Die Mannheimer Boehringer ging<br />
nach dem Tode des älteren Bruders des Firmengründers<br />
1892 in den Besitz der Familie Engelhorn über. Das<br />
im Firmenzeichen der Firma Boehringer Ingelheim stilisierte<br />
Bildzeichen repräsentiert den Mittelbau der<br />
Ingelheimer Kaiserpfalz Karls des Grossen.<br />
Boerhaave, Hermann (1668-1738). Holländischer Arzt;<br />
Begründer der klinischen Visite bzw. der medizinischen<br />
Ausbildung am Krankenbett.<br />
Bonhöffer, Dietrich (Breslau 1906-1945 KZ Flossenburg).<br />
Sohn des Geheimrats <strong>und</strong> Psychiatriechefarztes<br />
Karl Bonhöffer, Theologiestudium mit Promotion 1927<br />
»Sanctorum communio«, nach Studienaufenthalten in<br />
Rom <strong>und</strong> New York, Antrittsvorlesung in Berlin »Die<br />
Frage nach dem Menschen in der gegenwärtigen<br />
Philosophie <strong>und</strong> Theologie« 1930; Eröffnung der Charlotter<br />
Jugendstube 1932 (1933 zwangsgeschlossen),<br />
Fre<strong>und</strong>schaft mit Hans von Dohnanyi, Mitglied der<br />
deutschen Resistance <strong>und</strong> der Bekenntniskirche; 1943<br />
verhaftet <strong>und</strong> im Wehrmachtsgefängnis Tegel inhaftiert,<br />
danach Gestapogefängnis an der Prinz-Albrecht<br />
Strasse, im Konzentrationslager Flossenburg (bayerische<br />
Oberpfalz; Hinrichtungsort von Admiral Canaris)<br />
am 09.04.1945 - nur wenige Tage vor der Evakuation<br />
des Lagers am 20.04. (Beginn der »Todesmärsche«)<br />
<strong>und</strong> Selbstmord des »purpurnen Sinnbilds des<br />
Deutschtum« (Ina ~ Seidel) am 30.04.1945 - hingerichtet.<br />
Bonica, John J. (ital. Mittelmeerinsel Filicudi 1917-<br />
1994). Emigration nach New York. Früh Halbwaise; Zeitungsverkäufer,<br />
Medizinstudium mit Abschluss 1942<br />
Marquette University School of Medicine; Armeeanästhesist;<br />
Anfänge der Schmerztherapie an Kriegsverletzten<br />
sowie geburtshilfliehe Anästhesie. Publikation<br />
1953: »The Management of Pain.« 1960-1978 Vorsteher<br />
der Anästhesiologieabteilung der Universitätsklinik<br />
Seattle. Revolutionierte die moderne Schmerzpraxis:<br />
Gründung eines multidisziplinären Schmerzforschungsinstituts.<br />
Erster Herausgeber der Publikation<br />
»Pain«. Herausgeber des Referenzbuches: »The Management<br />
of Pain« (1990 ). Mitgründer der ~ IASP (International<br />
Association for the Study of Pain).<br />
Bonnet, Charles (1720-1793). Genfer Naturforscher <strong>und</strong><br />
Philosoph, nach dem das sog. Charles-Bonnet -Syndrom<br />
benannt ist: v. a. bei älteren, psychisch ges<strong>und</strong>en Mensehen<br />
auftretende nicht erklärbare, offenbar unschädliche,<br />
oft isolierte visuelle Halluzinationen, die in der Klinik<br />
oft vom Patienten dem behandelnden Arzt aus<br />
Angst nicht mitgeteilt werden. Publizierte 1760 »Essai<br />
analytique sur les facultes de l'ame«.<br />
Boot, Jesse (1850-1931). Gründer der Boots Company.<br />
Litt an chronischer Polyarthritis. Bei der Fa. Boots<br />
wurde 1965 das »Analgetikum-Antirheumatikum« ~<br />
Ibuprofen durch Stewart Adams <strong>und</strong> John Nieholsen<br />
synthetisiert.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 791<br />
Borison, Herbert Leon (1922-1990). Pharmakologe an<br />
der Dartmouth Medical School im amerikanischen<br />
Hanover; entdeckte zusammen mit~ Wang die Funktionen<br />
der nach ihnen benannten Chemotrigger-Zone<br />
sowie des sog. Brechzentrums (1949). Beim damaligen<br />
»Brechzentrum« wurde offenbar technisch unsauber<br />
stimuliert; mit modernsten feinsten Mikroelektroden<br />
lassen sich die älteren Arbeiten in Bezug auf das Brechzentrum<br />
nicht reproduzieren; heute nimmt man »funktionelle<br />
Brechfunktionszentren« an, Formatio reticularis,<br />
Vagalkerne, Ne. tractus solitarii etc.<br />
Botulismus. Lat. botulus: Wurst; Lebensmittelvergiftung,<br />
die erstmals nach Genuss verdorbener Würste<br />
durch Dr. Justinus Christian Kerner (1786-1862, Amtsarzt<br />
in Baden-Würtemberg <strong>und</strong> Dichter) beschrieben<br />
wurde, deshalb auch: Kernersehe Erkrankung. Kerner<br />
wies auch auf die Möglichkeit hin, das Toxin als Arznei<br />
zur Behandlung von Verkrampfungen <strong>und</strong> zur Verringerung<br />
übermässigen Speichel-, Tränen- <strong>und</strong> Schweißflusses<br />
einzusetzen (s. Buch G!).<br />
Botulinustoxine. Unter anaeroben Bedingungen durch<br />
das grampositive, stäbchenförmige <strong>und</strong> begeißehe Bakterium<br />
Clostridium botulinum mit thermoresistenten<br />
Sporen (rasches Keimen in luftabgeschlossenen Nahrungsmitteln)<br />
produzierte hochpotente Toxin mit<br />
neuro-, entero- <strong>und</strong> hämetoxischen sowie immunogenen<br />
Eigenschaften. Das Botulinustoxin A (M, um<br />
150000) wird in der Schmerzklinik als~ Adjuvans bei<br />
neurologischen Dysfunktionen (muskuläre spastische<br />
Dystoniesyndrome; Wirkung: blockiert irreversibel<br />
ACh-Freisetzung an cholinergischen Synapsen; ~<br />
Wirkstoffprofil s Buch G) <strong>und</strong> in der Kopfschmerztherapie<br />
eingesetzt.<br />
Boyle, H.E.G. (1875-1941). Anästhesist, entwickelte die<br />
nach ihm benannten Narkosegeräte.<br />
Boyle, R. (1627-1691). Soll zusammen mit Sir Christopher<br />
Wren erste i.v.-Opiuminjektionen (andere Quellen:<br />
Bier <strong>und</strong> Wein) mittels Tierblase <strong>und</strong> geschärfter<br />
Feder durchgeführt haben; andere Quellen geben ~<br />
Elsholtz an (s. auch Buch K).<br />
Brachialgia paraesthetica nocturna. Schmerzhafte Dys<strong>und</strong><br />
Parästhesie in den Armen, nachts beim Liegen auftretend.<br />
Brachialneuralgie. Plexus brachialis betreffende Neuralgie.<br />
Brachialplexopathie. Syn.: Brachialneuralgie-Syndrom;<br />
bei Schädigung des Plexus C 8 - T,, Infiltration entsprechender<br />
Neurone durch Tumoren wie Pancoast-Tumor,<br />
Mammakarzinom, Lymphom etc., auftretendes Syndrom.<br />
Erste Manifestationen vor neurologischen Ausfällen<br />
sind Schmerzen im Sinne der (unspezifischen) Brachialneuralgie.<br />
Fakultativ auch: ~ Horner-Syndrom.<br />
Bradykinesie. Verlangsamte Bewegungen (beispielsweise<br />
bei~ Parkinsonismus).<br />
Bradykinin. Abk. Bk; bei Gewebeentzündungen/-verletzungen<br />
freigesetztes endogenes Nona-Peptid (9 Aminosäuren:<br />
Arg-Pro-Gly-Phe-Ser-Pro-Phe-Arg) mit<br />
vasoaktiven, proinflammatorischen <strong>und</strong> pronozizeptiven<br />
Eigenschaften ( ~ Kininsystem). Über Kallikrein<br />
aus Plasmaglobulinen (inaktives Bradykininogen) freigesetzt,<br />
s. Buch A.<br />
Bradykinin-Rezeptoren. Bk,, 2 , 3- R, G-Protein -gekuppelte<br />
Zellmembran-Rezeptoren der 7 Transmembransuperfamilie<br />
mit Subttypen. Funktion: Bk 2 -R ubiquitär, konstitutiv<br />
(Funktion: akute Entzündungsprozesse, akute<br />
Aktivierung Nozizeptoren); Bk,-R induktiv im entzündeten<br />
Gewebe, in chronischen Schmerzprozessen inkl.<br />
Hyperalgesie involviert; putativ: Bk 3 - Rezeptor.<br />
Bragard-Zeichen. Nach dem Münchner Orthopäden<br />
K.B. Bragard (1890-1973) benannter Ischiasschmerz,<br />
der bei Wirbelsäulenerkrankung durch Dorsalflexion<br />
des Fußgelenkes bei gleichzeitiger Hüftbeugung des<br />
sonst gestreckten Beines auslösbar ist. Ebenfalls<br />
Schmerzhaftigkeit bei Aussenrotation des Kniegelenks<br />
bei Meniskusverletzungen.<br />
brain-derived neurotrophic factor. Abk. BNF; zur<br />
Superfamilie der Nervenwachstumsfaktoren bzw. trophischen<br />
Faktoren gehörend; im peripheren <strong>und</strong> zentralen<br />
NS nachweisbar.<br />
Braun, Heinrich Friedrich Wilhelm (Rawitch/Polen<br />
1862-1934). Statt Musikstudium ein Medizinstudium in<br />
Dresden mit Abschluss in Chirurgie beim Chirurgen<br />
<strong>und</strong> Transplantationspionier Carl Thiersch (1822 München-1895<br />
Leipzig) in Leipzig. Chirurg in Zwickau.<br />
Beeinflusst durch den Halleschen Chirurgen Oberst<br />
sowie Schleichs Monographie über »schmerzfreie Eingriffe«<br />
(1894), fühlte sich Braun sehr zu neuen Entwicklungen<br />
im Anästhesiesektor hingezogen. Erkannte die<br />
potentielle Toxizität von lokalinjiziertem Kokain <strong>und</strong><br />
schlug deshalb 1897 Adrenalin als Zusatz zu Lokaianästhesielösungen<br />
vor; führte 1905 Procain in die klinische<br />
Praxis ein. Adrenalinzusatzdosisfindungsstudien<br />
probierte er an sich selber aus. 1903 schlug er auch vor,<br />
Adrenalin bei Herzstillstand zusammen mit äusserer<br />
(von Gottlieb im Tierexperiment erfolgreich durchgeführten)<br />
Herzmassage einzusetzen. Die Infiltrationsanästhesie<br />
mit Procain <strong>und</strong> Adrenalin wird auch als<br />
»Braunsche Anästhesie«, die Umspritzung des Operationsgebiets<br />
als »Braun-Hackenbruchsehe Anästhesie«<br />
bezeichnet. Schlug u. a. die Splanchnikusanästhesie<br />
(Parasakralanästhesie) sowie verschiedene nach ihm<br />
benannte chirurgische Hilfsmittel (Fixationsschiene,<br />
Extension, Transfusionsapparat) vor. Veröffentlichte<br />
1905 »Handbuch zur Lokalanästhesie«.
792 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Brecht, Bertolt (Augsburg 1898-1956 Berlin). Studium<br />
der Naturwissenschaften <strong>und</strong> Medizin ... dann Dramaturgie<br />
<strong>und</strong> Schriftsteller: Kleistpreis 1922. Emigration<br />
1933·<br />
Break-tbrough-Sehrnerzen (»incident pain«). Sogenannter<br />
Durchbruchschmerz (»Schmerzspitzen«,<br />
»Schmerzdurchbrüche«); v. a. im Verlauf von Terminalerkrankungen<br />
bei sonst optimal in Bezug auf Analgesie<br />
eingestellten Patienten durch Tumorinvasion, Entzündung,<br />
aber auch Bewegung (Mobilisation, Husten,<br />
Würgen <strong>und</strong> Erbrechen etc.) auslösbare akute Schmerzzustände.<br />
Briefing. Kurzinstruktion, Kurzanweisung, Einsatzbesprechung<br />
zur optimalen Arbeitsvorbereitung mit spez.<br />
Berücksichtigung von Notfallsituationen. Als sog.<br />
Debriefing wird die entsprechende Befragung nach<br />
Einsatz bezeichnet, die zur Auswertung dient (vgl. Qualitätskontrolle<br />
Schmerzdienst, s. Buch H).<br />
Brissaud, Eduard (1852-1909). Bedeutender frz. Neurologe<br />
(Arbeiten u. a. über Parkinsonismus, Tics, Tortikollis);<br />
Schüler von~ Charcot <strong>und</strong>~ Lasegue.<br />
Broca, Paul Pierre (Sainte-Foy-la-Grande 1824-1880<br />
Paris, Todesursache Hirnaneurysma). Frz. Chirurg.<br />
Schon als Kind extrem gebildet in Literatur, Mathematik<br />
<strong>und</strong> Physik. Medizinstudium mit 20 Jahren in Paris<br />
beendet, wo er Professor für chirurgische Pathologie<br />
wurde. Brillante Arbeiten über Knorpel, Knochen, limbisches<br />
System <strong>und</strong> Rhinenzephalon, Karzinomerkrankung,<br />
Therapie des Aneurysmas, Kindersterblichkeit<br />
etc. Arbeiten über Hirnwindungen <strong>und</strong> Hirnfunktionen:<br />
Entdecker des nach ihm benannten Sprachzentrums.<br />
Stellte 1861 einen Patienten mit Aphasie namens<br />
»Tan« vor, der in der 3. frontalen Hirnwindung - der<br />
späteren Area Broca - eine syphilitische Läsion hatte.<br />
Gründete 1848 eine Gesellschaft der Freidenker, unterstützte<br />
die Thesen von Darwin <strong>und</strong> gründete 1859 die<br />
anthropologische Gesellschaft in Paris; entwickelte<br />
Methoden der Schädelmessung (Kraniometrie) etc.<br />
Schrieb mehrere h<strong>und</strong>ert Bücher, so 53 über Hirnstudien.<br />
Setzte sich für Arme bzw. deren soziale Anliegen bei<br />
Krankheiten usw. ein.<br />
Brodmann, Korbinian (1868-1918). Bedeutender dt.<br />
Neurologe (Berlin), in Zusammenarbeit mit ~ Alois<br />
Alzheimer Begründer der modernen Neuroanatomie;<br />
vergleichende Zytoarchitektonik des ZNS. Führte die<br />
nach ihm benannte Hirnrindenkarte ein.<br />
»Brompton-Cocktail«. Syn.: Mixtura pro morib<strong>und</strong>o,<br />
Mixtura pro euthanasia euphoriens. Seit Jahrzehnten in<br />
Großbritannien gebrauchter, je nach Bedarf <strong>und</strong> Klinik<br />
abgeänderter »Cocktail« für terminale Schmerzzustände.<br />
Enthält ursprünglich Kokain, Äthylalkohol, Chloroformwasser<br />
<strong>und</strong> Diamorphin (Heroin).<br />
Brooke, Rupert (1887-1915). Bedeutender britischer<br />
Literat (u.a. patriotische Kriegsgedichte).<br />
Brown-Sequard, Charles Edouard (1817-1894). Auf der<br />
Insel Mauritius geborener frz. Arzt <strong>und</strong> Physiologe;<br />
Arbeiten in England, Frankreich, USA (Harvard Universität<br />
1866), Mauritius; veröffentlichte 1849: »De Ia<br />
transmission croisee des impressions sensitives par Ia<br />
moelle epiniere« (1849) sowie u. a. » Recherehes sur Ia<br />
transmission des impressions de tact, de chatouillemnet,<br />
de douleur, de temperature et de contraction (sens musculaire)<br />
dans la moelle epiniere« (1863).<br />
Brown-Sequard-Syndrom. Nach B.-S. benanntes Syndrom<br />
mit Schwäche, einseitiger Spastizität <strong>und</strong> kontralateraler<br />
Schmerz- <strong>und</strong> Temperaturempfindungseinschränkung.<br />
Kommt beispielsweise nach therapeutischer<br />
Rückenmarkbestrahlung vor; ~ Myelopathie.<br />
Bruera, Eduardo (*1955). Prof. Dr. Universität Alberta,<br />
Direktor des Palliative Care Program Edmonton General<br />
Hospital nach Ausbildung in Rosario <strong>und</strong> Buenos<br />
Aires (Onkologie, Schmerztherapie bei Krebskranken);<br />
vielfältige internationale Auszeichnungen.<br />
Brune, Kay (Freital/Deutschland *1941). Prof. Dr. med.<br />
Dr. med. h.c. (1994 Universität Timisoara). Nach abgeschlossenem<br />
Medizinstudium an den Universitäten<br />
in Harnburg <strong>und</strong> München (1966) ab 1968-1981 Ausbildung,<br />
danach sukzessive Forschungs- <strong>und</strong> Lehrtätigkeit<br />
in Pharmakologie an der Universität Basel (Karl<br />
Buch er) sowie als Gast an der University of North Carolina<br />
sowie Wayne State University (1975). Ab 1981 Vorsitzender<br />
der Klinik für experimentelle <strong>und</strong> klinische<br />
Pharmakologie <strong>und</strong> Toxikologie der Universität Erlangen-Nürnberg.<br />
1992 Präsident der European Inflammation<br />
Society »EIS«, 1995 International Association of<br />
Inflammation Research Societies >>lAIS
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 793<br />
gründete 1834 die »Gesellschaft für Menschenrechte«<br />
<strong>und</strong> klagte in »Der hessischen Landbote« die Ungerechtigkeiteil<br />
zwischen Adel, Junkertum, Arbeitern <strong>und</strong><br />
Bauern an: »Dieses Blatt soll dem hessischen Lande die<br />
Wahrheit melden, aber wer die Wahrheit sagt, wird<br />
gehenkt, ja sogar der, welcher die Wahrheit liest, wird<br />
durch meineidige Richter vielleicht gestraft. Darum<br />
haben die, welchen dies Blatt zukommt, folgendes zu<br />
beobachten:<br />
1. Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb ihres Hauses<br />
vor der Polizei verwahren;<br />
2. sie dürfen es nur an treue Fre<strong>und</strong>e mitteilen;<br />
3· denen, welche sie nicht trauen, wie sich selbst, dürfen<br />
sie es nur heimlich hinterlegen;<br />
4· würde das Blatt dennoch bei Einem gef<strong>und</strong>en, der es<br />
gelesen hat, so muss er gestehen, dass er es eben dem<br />
Kreisrat habe bringen wollen;<br />
5· wer das Blatt nicht gelesen hat, wenn man es bei ihm<br />
findet, der ist natürlich ohne Schuld.<br />
Friede den Hütten! Krieg den Palästen!<br />
Mit Wilhelmine Jaegle verheiratet (die leider einen<br />
grossen Teil der Briefe verbrannte); mit » Woyzek«<br />
(Fragment im Darmstädter Dialekt) <strong>und</strong> »Danton's<br />
Tod« (1835) Begründer einer dokumentarisch unterstützten<br />
Dramatik, daneben bedeutender Poet (»Lenz«,<br />
»Leonce <strong>und</strong> Lena« etc), die er in Zürich in der Spiegelgasse<br />
W 12 schrieb (in der W 14 weilte später Lenin).<br />
Der leider nur fragmentierte Rest des Büchnerschen<br />
Briefwechsels spiegelt die damalige Repression (Festungshaft,<br />
Hinrichtungen etc.) in deutschen Landen<br />
wieder. Sein Bruder Ludwig (1824-1899) gründete den<br />
»Deutschen Freidenkerb<strong>und</strong>«, förderte die Lehren Darwins,<br />
des Materialismus sowie die Herausgebe der<br />
Werke seines Bruders Georg.<br />
Burdach, E. Friedrich (1776-1847). Bedeutender dt.<br />
Neuroanatom (Königsberg), nach ihm benannt u. a.<br />
Burdachs Strang (Fasciculus cuneatus).<br />
Buytendijk, Frederik Jacobus Johannes (Breda/Holland<br />
1887-1974). Bedeutender Verhaltensforscher (v. a. Psychologie<br />
der Tiere): » Traite de psychologie animale«<br />
(1952).<br />
Cachets. Pharmaz.: Kapseln, Capsulae.<br />
CACI. Engl. Abk. für »computer-assisted continuous<br />
infusion«.<br />
Caerulein. Ein spezifisches Dekapeptid, das aus der<br />
Haut des australischen Amphibiums Hila caerulea<br />
gewonnen wird <strong>und</strong> ähnliche Eigenschaften hat wie ~<br />
Cholezystokinin (Stimulation der gastrischen, biliären,<br />
pankreatischen Sekretion; Stimulation gewisser glatter<br />
Muskeln; therapeutisch bei paralytischem Ileus sowie<br />
als Diagnostikum bei exokriner Pankreasinsuffizienz<br />
eingesetzt).<br />
Cahours, Auguste (1813-1891). Isolierte Salicylsäuremethylester<br />
aus der nach dem kanadischen Arzt <strong>und</strong> Botaniker<br />
J.F. Gaultier (1708-1756) genannten Gaultheria<br />
procumbens, einem Heidekraut aus dem östlichen<br />
Nordamerika, aus dessen Blätter das früher als Antirheumamittel<br />
benutzte Wintergrünöl oder Gaultheriaöl<br />
gewonnen wurde. Die roten Früchte der immergrünen,<br />
winterharten Pflanze sind Kapseln mit zahlreichen<br />
Samen, die - zerrieben - stark aromatisch riechen <strong>und</strong><br />
auch in der Parfümindustrie eingesetzt werden.<br />
Calcineurin. Eine von ~ Calmodulin sowie Ca2+ abhängige<br />
Proteinphosphatase, aus je einer katalytischen <strong>und</strong><br />
regulatorischen Untereinheit (CnA bzw. CnB) bestehend;<br />
reguliert multiple synaptische <strong>und</strong> zelluläre Funktionen<br />
wie Iigand- <strong>und</strong> valtageabhängige Ionenkanäle,<br />
Transmitterfreisetzung, Gentransskription etc. Putativer<br />
physiologische Calcineurin-Antagonist ist Cain.<br />
Calcitonin-gene-related-Peptid. Calcitonin, Salcatonin,<br />
Thyreocalcitonin: bioaktives (Neurotransmitter, Vasodilatator),<br />
im ZNS, Darm <strong>und</strong> in perivaskulären Nerven<br />
nachweisbares 37-Aminosäuren-Peptid, aus der mRNA<br />
des Calcitonin-Gens entstehend. Calcitonin ist ein in<br />
Schilddrüse <strong>und</strong> Nebenschilddrüse gebildetes Polypeptidharrnon<br />
<strong>und</strong> Gegenspieler des Parathormons. ~<br />
Wirkstoffprofil Calcitonin.<br />
Calciumantagonisten. Ca-Antagonisten, Ca-Blocker:<br />
Wirkstoffe, die den Einstrom von Kalziumionen in Zellen<br />
hemmen.<br />
Calmodulin. Ein im ZNS <strong>und</strong> Herz nachgewiesenes<br />
Aktivatorprotein: in Verbindung mit Ca>+-Ionen zu<br />
cAMP, cGMP geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> diese somit aktivierend.<br />
cAMP. Ein zyklisches Nukleotid; es wird aus ATP gebildet<br />
( ~ Adenylatzyklase) aufgr<strong>und</strong> einer Stimulation<br />
durch sog. »erste Boten« des ersten Rezeptorsystems;<br />
durch Phosphodiesterase zu azyklischem AMP (5'<br />
AMP) abgebaut. Wirkt als »zweiter Bote« (»second messenger«)<br />
auf das zweite Rezeptorsystem.<br />
Campbell, Walter (1868-1937). Bedeutender australischer<br />
Neurologe; Arbeiten in Edinburgh, mit Krafft<br />
Ebing in Wien sowie Prag, publizierte u. a. » Histological<br />
studies on the localization of cerebral function«.<br />
Camu, Frederic (Belgien *1942). Ausbildung in<br />
Anästhesiologie 1968-1970 (Universite Libre de Bruxelles),<br />
danach Stanford University <strong>und</strong> Veterans Administration<br />
Hospital, Palo Alto, 1971; ab 1987 Professur für<br />
Anästhesiologie <strong>und</strong> »Critical Care«, Flemish Free University<br />
of Brussels. Forschungstätigkeit in klinischer<br />
Pharmakologie sowie Schmerztherapie (z. B. neuraxiale<br />
Anwendung von liposomenverkapselten Opioiden).
794 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Cannon, W.B. (1871-1945). Am. Physiologe, Pionier der<br />
Untersuchung emotioneller, vegetativer <strong>und</strong> hormonaler<br />
Aspekte des Organismus in Extremsituationen. 1914:<br />
» The emergency function of the adrenal medulla in pain<br />
and the major emotions«. 1926: »Studies on the conditions<br />
of activity in endocrine glands. The influence of<br />
motion and emotion on medullaadrenal secretion«.<br />
1929: »Organization for physiological homeostasis«.<br />
Wies nach, dass man durch Reizung des Dienzephalon<br />
ein ~ Stressulkus erzeugen konnte. Nach ihm wird die<br />
sog. Cannon-Notfallreaktion benannt: sie ist die sog.<br />
Alarmreaktion des ~ Adaptationssyndroms des Organismus<br />
mit adrenerger »Sofortreaktion« auf schwerste<br />
psychische <strong>und</strong> physische Belastungen: »Bodily changes<br />
in pain, hunger, fear and rage. An account of recent researches<br />
into the function of emotional excitement« (New<br />
York, Appleton 1929 ). » The wisdom of the human body«<br />
(New York, Norton, 1939, 1947). Siehe auch Arbeiten von<br />
~ Selye. Ebenfalls nach Cannon sind die Bezeichnungen<br />
» Vagustod«, »Stresstod«, »Voodoo-Tod«, »vegetativer<br />
Tod«, »psychogener Tod« gebräuchlich. Cannon<br />
beschreibt 1932 den Begriff »Homöostase«.<br />
Capsaicin. Vanillylamid aus Fructus capsici. U.a. zur<br />
entzündlichen Reizung von Nervenendigungen in der<br />
Experimentalphysiologie gebraucht. Ebenfalls Einsatz<br />
als kutanes Therapeutikum bei neuralgischen Schmerzen<br />
(<strong>und</strong> anderen Schmerzzuständen; s. Buch A sowie<br />
F/G).<br />
Capsulae. Kapseln. Meist aus Stärke (Capsulae amylaceae)<br />
oder Gelatine (C. gelatinosae) hergestellte Kapseln,<br />
die Wirkstoffe im GI-Trakt, Rektum etc. freigeben.<br />
Carossa, Hans (Bad Tölz 1878-1956 Passau). Aus oberitalienischer<br />
Arztfamilie stammend; Medizinstudium;<br />
im I. Weltkrieg als Bataillonsarzt verw<strong>und</strong>et (u. a.<br />
»Rumänisches Tagebuch«, 1924), u. a. Goethepreis 1938;<br />
1948 Ehrenbürger der Stadt Passau; Carossa lehnte 1933<br />
die Wahl in die Preußische Dichterakademie ab; liess<br />
sich aber 1942 zum Präsidenten des »B<strong>und</strong>es europäischer<br />
Schriftsteller« wählen (was ihm heute zu einseitig<br />
vorgeworfen wird).<br />
Carus, Carl Gustav (Leipzig 1789-1869 Dresden). Im<br />
Goetheschen Sinne »Allro<strong>und</strong>-Mediziner«, Naturwissenschafter,<br />
Maler, Philosoph: führte den Begriff des<br />
Unbewussten in die Medizin ein. Führte das Fach »vergleichende<br />
Anatomie« in Deutschland ein. Fre<strong>und</strong>schaften<br />
mit Alexander vom Humboldt, C.D. Friedrich,<br />
Tieck <strong>und</strong> Goethe (Briefkorrespondenzen).<br />
CAS. Engl. Abk. für »chemical abstracts services registry<br />
number« (Register-Nummer).<br />
CATIA. Engl. Abk. für »computer-assisted total intravenous<br />
anaesthesia«: ~ TCI, ~ TIVA.<br />
CCK. Abk. für ~ Cholecystokinin.<br />
CDS. Engl. Abkürzung duster disturbed sleep: BEG<br />
Phänomen der temporären, reversiblen Aktivitätsreduktion<br />
der kortikalen Oberfläche mit einer Geschwindigkeit<br />
von 2-5 mm/min (Migränepatienten).<br />
Ceiling-Effekt. Klin. Pharm: Plafonnierung der Wirkung<br />
(Ceiling, engl. =Decke).<br />
Celan, Paul (1901-1988). Czernowitz in der legendären<br />
Bukowina - wie der »kleine, grosse Tenor« Joseph<br />
Schmidt - wie Rose Ausländer. »Einer Gegend, in der<br />
Menschen <strong>und</strong> Bücher lebten«, im Nelly-Sachs-Haus in<br />
Düsseldorf verstorben, Pseudonym für Paul Antschel.<br />
Studium der Philosophie <strong>und</strong> Medizin (Paris 1938).<br />
Seine Eltern wurden in Konzentrationslagern umgebracht.<br />
Celan wurde während des Krieges in ein<br />
Arbeitslager deportiert (1943-1944). Danach Arbeit in<br />
Hukarest unter den Namen Paul Aurel, Paul Ancel. Von<br />
der Poesie Georg Trakls <strong>und</strong> Rain er Maria Rilkes hingezogen,<br />
ging er über Wien (1947) nach Paris, wo er<br />
Deutschlehrer an einer Ecole Normale Superieure<br />
wurde. Verheiratet seit 1952 mit der Graphistin Giseie<br />
Lestrange. Publizierte u. a. »Mohn <strong>und</strong> Gedächtnis«;<br />
1960 Georg-Büchner-Preis. Daneben übersetzer von<br />
Cocteau, Mandelstam, Rimbaud etc. Die Witwe von<br />
Yvan Goll (1891-1950 ), bedeutender in den damalig<br />
deutschen Vogesen als lsaac Lang geborener zweisprachiger<br />
literarischer Pazifist/pazifistischer Literat im<br />
Kreis von Romain Rolland, Pierre Jean Jouve, Stefan<br />
Zweig, James Joyce, dessen Ulysses er ins Deutsche<br />
übersetzte!); die Surrealistin Claire Goll-Studer<br />
(1891-1977) warf ihm Plagiate vor; Celan warf sich 1970<br />
in die Seine.<br />
»Umsonst trank ich das bittre Haschisch.«<br />
Kein Rauschgift heilt Schlaflosigkeit der<br />
Seele.<br />
CEOPS. Abk. für Children's Hospital of Eastern Ontario<br />
Pain Scale.<br />
Cephalea. ~ Kopfschmerz (verschiedenste Formen).<br />
Cerletti, Aurelio (Ilanz 1918-1988). Nach Medizinstudium<br />
in Bern (Promotion 1943) Habilitation in Pharmakologie<br />
1969 (Basel); Forscher bei Sandoz (u. a. Serotonin).<br />
C-Fasern. Histologisch dünne, marklose Fasern (1 J.lm<br />
Dicke) mit langsamer Leitungsgeschwindigkeit von<br />
1 m/s: postganglionäre Fasern des autonomen Nervensystems.<br />
Afferenzen von Mechano-, Kälte-, Wärme- sowie<br />
Nozizeptionsrezeptoren (sog. »langsame Schmerzfasern«).<br />
Arbeiten von~ Iggo <strong>und</strong>~ Zotterman.<br />
c-fos. Abk. für cellular fos: ein Kernprotein der grossen<br />
Familie der lEG, von denen über 100 bekannt sind <strong>und</strong>
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 795<br />
die Zellproliferation, Zellausdifferenzierung bis Zelltod<br />
regulieren. Mittels immunhistochemischer Nachweisverfahren<br />
können damit indirekt, durch irgendwelche<br />
Stimulationen aktivierte Neurone nachgewiesen<br />
werden (z. B. Stimulation von Nazisensoren A 6 <strong>und</strong><br />
C = c-fos-Expression in den LaminaeI-li sowie V-VI).<br />
Da eine c-fos-Expression auch nach nichtnoziven Stimulationeil<br />
induzierbar ist, genügt sie per se nicht für<br />
eine Quantifizierung nozizeptiver spinaler Prozessierung.<br />
Cervero, Fernando (*1949). Nach Studien in Madrid<br />
Lehre <strong>und</strong> Forschung in Physiologie, insbesondere über<br />
somatasensorische <strong>und</strong> viszerale Schmerzmechanismen<br />
in Edinburgh, Bristol <strong>und</strong> Alacala de Henares.<br />
Buch (mit C. Belmonte): »Neurobiology of nociception«<br />
(Oxford Press ISBN o 19 852334 3).<br />
CGMP. Abk. für cyclisches Guanosin-Mono-Phosphat:<br />
u. a. wichtig für die Relaxation der glatten Muskulatur.<br />
CGRP. Abk. für Calcitonin-gene-related-peptide, im<br />
afferenten C-System verfügbares exzitatorisches Neuropeptid<br />
(langsame Depolarisation spinaler Neurone,<br />
potenziert Substanz P-induzierte Depolarisation). Von<br />
der Aminosäurensequenz her zu 20-50% Übereinstimmung<br />
mit anderen aus menschlichen Insulinomen<br />
sowie Phäochromozytomen isolierten Biopeptiden<br />
(Isletamyloid bzw. Amylin, Adrenomedullin).<br />
CGRP-Peptide. Verschiedene Biofunktionen (Vasodilatation,<br />
Nozizeption, Glukoseaufnahme, muskuläre Glukolyse),<br />
daher potentielle Therapeutika bei Migräne,<br />
Diabetes mellitus, Schmerzen etc.<br />
CGRP-Rezeptoren. G-Protein-gekuppelte Rezeptoren<br />
mit Rezeptor-Subtypen 1, 2 <strong>und</strong> möglicherweise 3 ( ~ N.<br />
accumbens ); die Rezeptoraffinität scheint durch<br />
Nukleotide wie GTP moduliert zu sein.<br />
Charcot, Jean Martin (1825-1893). Pariser Neurologe,<br />
neben ~ Jackson Mitbegründer der modernen Neurologie.<br />
Nach ihm werden benannt: Charcot-Gelenk, M.<br />
Charcot, Charcot-Syndrom, Charcot-Erb-Syndrom,<br />
Charcot-J offroy- Syndrom, Charcot-Marie-Tooth-Hoffmann-Syndrom,<br />
Charcot-Weiss-Syndrom, sowie folgende<br />
klinische Zeichen: Charcot-Trias, Charcot-Zeichen.<br />
Charcot machte das Pariser Neurologiezentrum<br />
»Hospice de la Salpetriere« weltberühmt. Zu seinen<br />
Schülern zählen u. a. Gilles de la ~ Tourette, ~ Babinski,<br />
~ Bechterew <strong>und</strong> ~ Freud.<br />
Charlin, Carlos (1886-??). Chilenischer Augenarzt. Nach<br />
ihm benannt wird das Charlin-Syndrom oder »Nasoziliarisneuralgie«<br />
bei Neuritis des N. nasociliaris <strong>und</strong><br />
Ganglion ciliare bei entzündlichen Prozessen im<br />
Nasen-Siebbein-Bereich (einseitige Rhinitis, in die<br />
Stirn, Nasenrücken etc. ausstrahlende Neuralgie sowie<br />
Augensymptomen wie Keratitis etc.).<br />
Chassaignac-Syndrom. Nach dem Pariser Chirurgen<br />
C.M.E. Chassaignac (1805-1879) benannte bei Kleinkindern<br />
nach perianulärer Subluxation des Radiusköpfchens<br />
(z. B. Armzerrung nach Hochreißen) auftretende<br />
Parese <strong>und</strong> Schmerzhaftigkeit (sog. »schmerzhafte<br />
Armlähmung« ).<br />
Chauffard-Schmerzpunkt. Nach dem Pariser Internisten<br />
A.E. Chauffard (1855-1932) benannter, unter dem<br />
rechten Schlüsselbein befindlicher Druckschmerzpunkt<br />
bei Erkrankungen der abführender Gallengänge.<br />
Als Chauffard-Rivet-Zeichen wird eine Druckschmerzhaftigkeit<br />
im rechten Oberbauch bei Pankreaserkrankungen<br />
bezeichnet.<br />
Chavany-Brunhes Syndrom. Chronische frontale Kopfschmerzen<br />
bei Erkrankungen im Bereich der Falx cerebri.<br />
Chavany-Chaignot Syndrom. Während einer Goldtherapie<br />
auftretende diffuse Schmerzen <strong>und</strong> Hyperästhesie<br />
in den Extremitäten, Schweißausbrüche, Angstzustände<br />
etc.<br />
Che Guevara, Ernesto (Rosario/Argentinien 1928-1967<br />
Bolivien). Nach Studium der Medizin (Buenos Aires)<br />
Ausbildung in Allergologie in der Clinica Pisani. Che<br />
Guevara litt seit seiner frühesten Kindheit an schwerem<br />
Asthma bronchiale <strong>und</strong> stand unter einer - sofern verfügbaren<br />
- Dauermedikation mit Cortison, Adrenalin,<br />
»Asthmazigaretten mit Folium belladonnae, stramonii<br />
et salviae« <strong>und</strong> Theophyllin. Danach Reisen (»notas de<br />
viaje«), Studiumabschluss (1953) <strong>und</strong> Vortragsreisen<br />
(Allergieforschung) in Mexico. 1955 Zusammentreffen<br />
mit Fidel <strong>und</strong> Raul Castro; als Rebell in den Bergen<br />
Kubas. Nach dem Fall des kubanischen Diktators Batista<br />
1959 Beginn einer intensiven Reisetätigkeit (Ägypten,<br />
Indonesien, Gaza, Pakistan, Japan etc.), wo er seinen<br />
Traum einer weltumspannenden Solidarität sozialistischer<br />
Länder zum Zusammenbruch des Kapitalismus<br />
verkündete.1965 Führer einer >>Volksbefreiungsarmee«<br />
in Zentralafrika unter dem Namen Rameit. Unter<br />
schwersten Bedingungen im Urwald <strong>und</strong> Gebirge<br />
wurde der physisch <strong>und</strong> psychisch ausgebrannte Che<br />
mitsamt seiner Kampfgenossen in eine Falle der bolivianischen<br />
Polizei gelockt <strong>und</strong> 1967 erschossen.<br />
Cheiralgia paraesthetica. Schmerzhafte Parästhesien<br />
im Handgebiet<br />
Chemokine. Eine Gruppe von chemotaktischen Ptöteinen<br />
(8-10-kd-Proteine; Aminosäurensequenz zwischen<br />
20-70% homolog) der Superfamilie ~ Zytokine. Es gibt<br />
zzt. keine standardisierte Einteilung der mindestens 4<br />
Chemokingruppen: die gängige Einteilung erfolgt in<br />
Bezug auf die Position der Zysteirrgruppe (cx-, ß- Chemokine;<br />
Lymphotaktin <strong>und</strong> Fraktalkin, IL-8 etc.). Chemokin-Rezeptoren<br />
sind G-Protein-gekuppelte, mit<br />
Phospholipasen funktion_ierende Rezeptoren, die von
796 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Eosinophilen, Basophilen, Monozyten, aktivierten <strong>und</strong><br />
Ruhe-T-Zellen, N eutrophilen, Natural-Killer-Zellen,<br />
aber auch nichthämatopoetischen Zellen (Neurone,<br />
Astrozyten, Epithelial- <strong>und</strong> Endothelzellen usw.) exprimiert<br />
werden: z.Z. sind mehr als 1 Dutzend Chemokin<br />
Rezeptoren identifiziert worden; man unterscheidet<br />
konstitutive <strong>und</strong> induzierbare Rezeptorsysteme. Chemokine<br />
induzieren Zellmigration <strong>und</strong> Zellaktivation<br />
der entsprechenden Zielzellen (v. a. Leukozyten). Wichtige<br />
Chemokinstimulatoren sind: frühinflammatorische<br />
Zytokine (IL-1, TNF-a), Lipopolysaccharide bzw.<br />
bakterielle Stoffe, Virusinfektion, Interferon-y, Lymphozytenprodukte<br />
etc.<br />
Chemokinese. Migrationsaktivation von Zellen.<br />
chemotaktische Faktoren. Biochemische Stoffe, die bei<br />
Gewebeverletzungen, Infektionen etc. Zellen oder<br />
Organismen anziehen oder zurückweisen <strong>und</strong> Leukozyten,<br />
Makrophagen etc. zur Abwehrfront führen.<br />
Chemotaxis. Die durch einen chemischen Reiz (Beispiel<br />
Gicht: Uratkristalle) auslösbare (positive oder negative)<br />
Bewegungsreaktion von Blutzellen. So kann innerhalb<br />
von 24 h auf chemotaktische Stimuli ein aktiv-rheumatisches<br />
Gelenk durch mehr als 1 Milliarde Neutrophile<br />
infiltriert werden (Zwaifler 1971).<br />
Chinin. Alkaloid aus der Chinarinde. Reines Chinin<br />
hemmt die Nukleinsäuresynthese durch Komplexbildung<br />
mit DNA usw. <strong>und</strong> ist ein Zellgift Historisch erstes<br />
Malariamittel ( ~ Hahnemanns Erstversuch), als unspezifisches,<br />
obsoletes Grippemittel <strong>und</strong> in obsoleten<br />
»antipyretisch-analgetischwirksamen Schmerzmittelkombinationen«<br />
immer noch im Handel. Die durch<br />
Napoleon verhängte Kontinentalblockade gegenüber<br />
Großbritannien verhinderte den weiteren Import von<br />
Chinin aus Großbritannien. Als »Chinin-Ersatz« wurde<br />
dabei u. a. die Extrakte von Salix alba vulgaris (Weidenbaum)<br />
u. a. durch Buchner, Pharmakologe in München,<br />
intensiver untersucht: es gelang ihm 1828, eine gelbliche<br />
tanninfreie Substanz ( ~ Salicin) aus der Weidenrinde<br />
zu extrahieren.<br />
Cholezystokinin. Abk. CCK (s. Buch A); ein 33-Aminosäuren-Endopeptid.<br />
Neurobiologisch in der Peripherie<br />
(Hormon-Synthese: pankreatische Apudzellen, GI<br />
Zellen; Funktion: Sekretion/Motilität GI-Trakt) sowie<br />
im ZNS (Neurotransmitter, Neuromodulator in Kolokalisation<br />
mit anderen Neurotransmittern) vertreten. Chemisch<br />
mit dem Sekretirr verwandt (deshalb auch historische<br />
Bezeichnung: Cholezystokinin-Pankreozymin).<br />
Diskutiert werden: Nozizeption (Anti-Opioidwirkung;<br />
möglicherweise involviert in neuropathischer Hyperalgesie);<br />
Interaktionen mit Dopaminsystem; physiologische<br />
Interaktionen mit Hunger/Nahrungsaufnahme<br />
sowie Verhalten (Angst, Panik etc.). CCK-Subrezeptoren:<br />
CCKA (Opiodwirkung?), CCKB (Anti-Opioidwirkung?).<br />
Chrysotherapie. Goldtherapie (s. Antirheumatika Buch<br />
F<strong>und</strong> G).<br />
Churg-Strauss-Syndrom. Allergische granulomatöse<br />
Angiitis, systemisch nekrotisierende Vaskulitis mit<br />
respiratorischer Symptomatik, Bluteosinophilie, Lungeninfiltraten,<br />
Mono- bis Polyneuritis, Nasenpolypen,<br />
Perikarditis <strong>und</strong> blutigen Durchfällen. Durch ~<br />
Mesasalazin (s. Buch E) auslösbar; Triggerung durch<br />
Aminosalizylatverbindungen.<br />
CIBA. Die Vorgeschichte der Fa. CIBA reicht in die Jahre<br />
1864-1884, wo über den aus Lyon stammenden Alexander<br />
Clavel die Oswaldsche Seidenfärberei in der Rehgasse<br />
auf das Gebiet der Teerfarbenfabrikation ausgedehnt<br />
wurde. Sein Arsenikverfahren zur Herstellung<br />
von Fuchsin führte zu Vergiftungserscheinungen des<br />
Gr<strong>und</strong>wassers, das Schmelzen von Arsensäure zu<br />
»pestilenzialischen Gerüchen im minderen Basel«.<br />
Umzug in die Nähe des Rheins in die damals kaum<br />
besiedelte Klybekstrasse 1864, heute Sitz von Novartis<br />
(Ciba, Geigy, Sandoz). Schon 1864 durch Anwohner initiierter<br />
Expertenbericht über »unreine Luft« (u.a.<br />
Escher von der Linth!): Ausgang für baslerische baupolizeiliche<br />
<strong>und</strong> sanitäre Industrievorschriften. Verkauf<br />
1873 an die Herren Bindschedler & Busch <strong>und</strong> Farbenfabrikation<br />
(Alizarin, Malachitgrün, Eosin, später<br />
künstliches Indigo etc.). Umwandlung am 01.07.1884 in<br />
Chemische Industrie AG Basel mit späteren Fusionen<br />
wie A. Gerber (1898); 1933 Aufnahme der Kunststoffproduktion,<br />
1945 Gründung der CIBA AG, 1954 Aufnahme<br />
der Schädlingsbekämpfungsproduktion <strong>und</strong> 1958 der<br />
Farben-Photochemie. 1996 mit ~ Geigy, ~ Sandoz zu<br />
Novartis fusioniert.<br />
Cinchona. Tropische Baumarten (>40), aus deren Rinde<br />
verschiedenste Alkaloide gewonnen werden (Chinin,<br />
Chinidin, Cinchonin, Cinchonidin usw.). Cinchonismus:<br />
chronische Vergiftung mit Alkaloiden vom Chinintyp<br />
(früher als Malariamittel <strong>und</strong> bei Neuralgien<br />
eingesetzt) mit neurotoxischen Erscheinungen (Seh<strong>und</strong><br />
Hörstörungen, reversible, aber monatelang dauernde<br />
Blindheit, Photophobie, Schwindel, Kopfschmerzen,<br />
Delirien), gastrointestinalen Störungen (Emesis,<br />
Gastritis, Diarrhö) <strong>und</strong> allergisch-toxischen Symptome<br />
wie Urtikaria <strong>und</strong> Thrombozytopenie.<br />
CIPA. Engl. Abk. für »congenital insensitivity to pain<br />
with anhidrosis« (CIPA bzw. hereditary sensory and<br />
autonomic neuropathy type IV); s. auch Neurotrophine,<br />
NGF (s. Buch A).<br />
Clearance. Abk.: Cl; pharmakakinetische Bezeichnung<br />
für die irreversible Gesamtausscheidung (totale Clearance:<br />
Clt). Clearance ist das Volumen Plasmaflüssigkeit,<br />
das pro Zeiteinheit vom enthaltenen Wirkstoff<br />
»geklärt« wird. Die dazu notwendige Eliminationsprozesse<br />
sind u. a. die hepatische Verstoffwechselung <strong>und</strong>
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 797<br />
die renale Elimination: hier kann auch von hepatischer<br />
(Clhep) <strong>und</strong> renaler Clearance (Clren) gesprochen werden.<br />
Da Eliminationsvorgänge in der Leber <strong>und</strong> Niere<br />
abhängig sind von der jeweiligen Plasmakonzentration,<br />
ist es leicht verständlich, dass ein Medikament mit<br />
großem Verteilungsvolumen bzw. Sequestrierung in<br />
periphere, wenig perf<strong>und</strong>ierte Gewebeapriori eine längere<br />
Eliminationszeit hat bzw. verminderte renale,<br />
hepatische oder totale Clearancewerte aufweist. Bei<br />
repetierter Wirkstoffgabe im Fliessgleichgewicht<br />
bestimmt die Clearance die notwendige Dosierung<br />
gernäss der Formel: Dosis (mg/Zeiteinheit) = Plasmakonzentration<br />
( C steady state) in mg/l * Clearance (l pro<br />
Zeiteinheit).<br />
Clemens August, Graf von Galen (»Der Löwe von Münster«<br />
1878 Dinklage-1946 Münster). Studium der Theologie<br />
in Innsbruck, 1933 Beförderung zum Bischof, ab<br />
1945 gegenüber der britischen Besatzungsmacht in<br />
Sachen Denazifierung resistent <strong>und</strong> mit deren Erlaubnis<br />
in Rom durch den Papst Pius XII 1946 zum Kardinal<br />
in Münster gekürt. Anfänglich Antibolschewik, konservativer,<br />
nobler »Kritischer« <strong>und</strong> in Opposition zum<br />
nobel-zurückhaltenenden Kardinalskollegen Bertram<br />
von Breslau weniger zurückhaltend gegenüber dem 111.<br />
Reich, ab 1941 immerhin eine der wenigen herausragenden<br />
Köpfe der nichtemigrierten etwas hervorstilisierten<br />
Resistance, anfänglich sehr befangen <strong>und</strong> gegenüber<br />
dem bekannten Holocaust eigenartigerweise »unmotitiviert«,<br />
möglicherweise durch die Tatsache, dass ein<br />
anderer »Landsmann«, der Westfale von Papen, voll in<br />
den Funktionen des 111. Reichs integriert war. »Philosophischer<br />
Antagonist« des offiziellen NSDAP-Philosophen<br />
Alfred Rosenberg (»Mythos des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts«).<br />
Der Löwe von Münster: Euthanasie ....<br />
eine furchtbare Lehre, die die Ermordung<br />
Unschuldiger rechtfertigen will, die die<br />
gewaltsame Tötung der nicht mehr<br />
arbeitsOOügen Invaliden, Krüppel, unheilbar<br />
Kranken, Altersschwachen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
freigibt. Wenn einmal zugegeben<br />
wird, dass Menschen das Recht haben<br />
»unproduktive Mitmenschen« zu töten -<br />
<strong>und</strong> wenn es jetzt zunächst auch nur arme<br />
wehrlose Geisteskranke trifft, dann ist<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich der Mord an allen unproduktiven<br />
Menschen, also an unheilbar<br />
kranken Invaliden der Arbeit <strong>und</strong> des<br />
Krieges, dann ist der Mord an uns allen,<br />
wenn wir alt <strong>und</strong> alterschwach <strong>und</strong> damit<br />
unproduktiv werden, freigegeben.<br />
03.08.1941 aus einer Predigt an der Lambertikirche<br />
in Münster.<br />
Clusterkopfschmerz. Syn.: Horton-Syndrom, Bing-Syndrom,<br />
ältere Bezeichung: »migrainous neuralgia«:<br />
migräneartige einseitige, seitenkonstante unerträgliche<br />
vaskuläre Kopfwehanfälle mit Flushing, Schwitzen, Rhinorrhö<br />
<strong>und</strong> erhöhtem Tränenfluss begleitet.<br />
CND. Engl. Abk. für »Commission on Narcotic Drugs«<br />
der UN (Suchtstoffkommission des Wirtschafts- <strong>und</strong><br />
Sozialrates der UN).<br />
CNTF. Engl. Abk. für »ciliary neurotrophic factor«: neurotropher<br />
Faktor mit Wirkung auf verschiedene Neurone<br />
<strong>und</strong> Gliazellen; verwandt mit »leukemia inhibitory<br />
factor« <strong>und</strong> »oncostatin factor« (möglicherweise gleiche<br />
Andockstellen).<br />
CNV. Abk. für die Untersuchungsmethode »Contingente<br />
negative Variation«: bei gewissen Schmerzkranken<br />
(z. B. Kopfschmerzen vom sog. Spannungstyp) zeigt<br />
sich gegenüber Ges<strong>und</strong>en eine Verstärkung höherer<br />
kortikaler Negativierung (abgeleitetes EMG, das indirekt<br />
das Ausmaß erhöhter Muskelspannungen in der<br />
perikranialen Muskulatur angibt) auch während<br />
schmerzfreien Phasen (nach Böcker et aL 1990 ).<br />
CO. Kohlenstoffmonoxid, Biogas, gasförmiger (deshalb<br />
dreidimensionaler [»retrograder«]) putativer Neurotransmitter:<br />
CO wird peripher <strong>und</strong> auch im ZNS enzymatisch<br />
durch das ~ Hämoxygenasesystem-2 (H0-2)<br />
syntethisiert. CO, ein Aktivator der löslichen Guanylatcyclase,<br />
wird als putativer Transmitter des peripheren <strong>und</strong><br />
zentralen NS, so bei hypothalamischer Freisetzung von<br />
ACTH (Corticotropin-releasing-factor), Gonadotrophinreleasing-Hormon<br />
(GnRH), diskutiert(~ Buch A).<br />
Coccygodynie. Schmerzhafte Sensationen in der<br />
Coccyxgegend, v. a. beim Sitzen; Ätiologie unklar, teilweise<br />
auf primäre Gründe zurückzuführen (Traumata,<br />
Tumoren im Coccyxbereich, ausstrahlende Schmerzen<br />
bei Wirbelsäulenerkrankungen etc.). Nicht zu verwechseln<br />
mit dem --j Piriformis-Syndrom.<br />
Cochrane, Archie (1909-1988). Schottischer Epidemiologe,<br />
erforschte bei den Kohlenmineuren von South<br />
Wales die Ursachen <strong>und</strong> Behandlungsmöglichkeiten<br />
von Lungenkrankheiten, die bei dieser Berufsgruppe<br />
auftreten. Er kam zum Schluss, dass nur eine medizinische<br />
Versorgung bzw. Ges<strong>und</strong>heitsservices (Health Service)<br />
sinnvoll wären, wenn die entsprechenden eingesetzten<br />
therapeutischen Mittel auf ihre Effizienz (»helpful,<br />
useless or harmful«) geprüft wären.<br />
Cochrane-Bewegung. Sy n.: Cochrane Collaboration,<br />
Durch die epidemiologische Pionierleistung des schottischen<br />
Epidemiologen Archie ~ Cochrane inspirierte,<br />
jetzt globale Bewegung, die sich einsetzt für eine laufende<br />
Verbesserung der medizinischen Versorgung<br />
( Qualitätskontrolle Klinik <strong>und</strong> Forschung: Cochrane<br />
Arbeitsgruppe der IASP; Cochrane Pain, Palliative and<br />
Supportive Care Group, Oxford).
798 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Cocktaillytique. Nach Laborit u. Huguenard 1948, enthält<br />
ursprünglich Chlorpromazin, Hydergin sowie Pethidin;<br />
früher eingesetzt zu Narkosetechniken, Hypothermie,<br />
Sedation bei akuten psychotischen Erregungen.<br />
Codein. Kodein; kodeia griech. Mohnkopf, 1883 durch<br />
Robiquet isoliertes <strong>und</strong> 1881 durch Grimaux synthetisiertes<br />
Referenzopioid (s. Buch B). Albert ---7 Knoll entwickelte<br />
ein industrielles Grassverfahren zur Gewinnung<br />
des damals teuren Codein aus dem billigeren<br />
Morphin (1886).<br />
Codeinismus. Siehe Kodeinismus.<br />
Coderre, Terence James (Ottawa *1958). Ausbildung in<br />
Natural Seiences <strong>und</strong> Engineering Research, Psychologie<br />
mit Abschluss 1977-1985 (Ph.D. im Fach physiologische<br />
Psychologie, McGill University). Weiterbildung in<br />
Anatomie <strong>und</strong> Neuroscience University College London,<br />
UC San Francisco, 1985-1989.Ab 1990 Director des<br />
Pain Mechanisms Laboratory, Clinical Research Institute<br />
of Montreal <strong>und</strong> Centre de recherches en sciences<br />
neurologiques Faculte de Medecine, Universite de Montreal<br />
(Kanada). Vielfältige Ehrenstipendien sowie<br />
Auszeichnungen: u. a. 1996 Patrick D Wall Young Investigator<br />
Award.<br />
Coffein. Ein Xanthinderivat, welches Hirnrinde, Atemzentrum<br />
<strong>und</strong> Herztätigkeit anregt. Als Adjuvans in<br />
Kombination mit antipyretischen Analgetika verstärkt<br />
es deren analgetische Wirkung um mindestens 40%<br />
(s. ---7 Buch F).<br />
Cold-plate-Test. Siehe unter »Hot -plate-Test«.<br />
Collemplastra. Heftpflaster, Gewebe oder Folien, die<br />
mit einer auf der Haut klebenden Masse bestrichen<br />
sind.<br />
Collyria. Augentropfen, Augenwässer; Lösungen <strong>und</strong><br />
Suspensionen für tropfenweise Anwendung im Bindehautsack<br />
(siehe ---7 sAA) oder auf der Hornhaut bzw.<br />
Lösungen zum Waschen <strong>und</strong> Baden des Auges.<br />
Colony-stimulating-Faktor. Abk. CSF, Glykoproteinfamilie,<br />
die das Wachstum <strong>und</strong> die Ausdifferenzierung<br />
von Knochenmark- bzw. Blutzellen (Granulozyten,<br />
Makrophagen) koreguliert <strong>und</strong> somit bei Entzündungen<br />
etc. eine wichtige Rolle spielen. Zur CSF-Familie<br />
werden gezählt: IL-3, G-CSF (Granulozyten-CSF), M<br />
CSF (Makrophagen-colony-stimulating-Faktor), GM<br />
CSF (Granulozyten-Makrophagen -CSF).<br />
Commission d'AMM. Commission d'autorisation de<br />
mise sur Je marche. Französische Behörde: »Pendant«<br />
zu ---7 FDA (USA), IKS.<br />
Compliance. Lungenphysiologie, Dehnbarkeit des<br />
Thorax-Lungen-Systems. In der klinischen Pharmakologie<br />
<strong>und</strong> Schmerzklinik Bereitschaft des Patienten zur<br />
Kooperation.<br />
Compressi. Tabletten, maschinell durch Pressen<br />
trocken aus Pulver, Kristallen <strong>und</strong>/oder Granulaten einzeldosierbar<br />
entstandene feste Arzneimittel.<br />
COMT. Abk. für Catechol-0-methyltransferase.<br />
Confusion Assessment Method. Abk. CAM, durch<br />
Inouye et al. 1990 beschriebene einfache Skalisierungsmethode<br />
für Nichtpsychiater (bzw. Palliativmediziner),<br />
Bewusstseinsstörungen einfach zu erfassen.<br />
Context-sensitive-half-time. Abk. CSHT, nach M.A.<br />
Hughes et al. 1992 vorgestelltes, kinetisches Konzept für<br />
die i.v.-Applikation: die Zeitdauer, die notwendig ist,<br />
um die Plasmakonzentration eines i.v.-Wirkstoffes nach<br />
einer definierten Infusionsdauer (=»Kontext«) bei konstantem<br />
Plasmaspiegel auf die Hälfte fallen zu lassen;<br />
---7 Halbwertszeit.<br />
Corning, J. Leonard (1855-1923). New Yorker Neurologe,<br />
beobachtete ---7 Halsteds Arbeiten <strong>und</strong> publizierte eigene<br />
Arbeiten über Spinalanästhesie am H<strong>und</strong>: »Spinal<br />
anesthesia and local medication of the cord« (1885) <strong>und</strong><br />
»A further contribution on local medication of the cord«<br />
(1888).<br />
Corticotropin-releasing-Hormon. Abk. CRS, ein hypophysäres<br />
Neuropeptid, das u. a. die Freisetzung von<br />
ACTH koreguliert. Zielrezeptoren sind CRS-Rezeptor 1<br />
<strong>und</strong>2.<br />
Costen-Syndrom. Syn.: myofasziales Syndrom, otodentales<br />
Syndrom; benannt nach dem am. Otologen James<br />
B. Costen (St. Louis 1895-??); Erstbeschreibung 1930.<br />
Cotugno, D. (1736-1822). Nach Cotugno benannt ist der<br />
Sammelbegriff von Neuralgien im Bereich des N.<br />
ischiadicus ( Cotugno-Syndrom): »De ischiade nervosa<br />
Commentarius«, Venedig 1764.<br />
Cousins, Michael. Zeitg. Schmerzforscher <strong>und</strong><br />
Schmerztherapeut (Dept of Anaesthesia and Pain<br />
Management, Univ. Sidney), Promotion <strong>und</strong> danach<br />
Ausbildung in Anästhesiologie, Universität Sydney<br />
(Royal North Shore Hospital); 1970-1974 Assistenzprofessur<br />
an der Stanford Universität; zurück in Sidney<br />
Gründer <strong>und</strong> Vorsteher 1975-1990 des Departements<br />
für Anästhesie <strong>und</strong> Intensivpflege, später Direktor des<br />
dortigen Schmerzdienstes (Schmerzforschung,<br />
Schmerzklinik). Zusammenarbeit u. a. mit P. Bromage<br />
an der McGill-Universität, Montreal (postoperative<br />
Schmerztherapie). Über 200 Publikationen; vielfache<br />
Auszeichnungen (T.Cecil-Gray-Prize, The-Mushin<br />
Medal, The-Bonica-Medal, The-Gaston-La bat-Medal,<br />
The-Ralph-Waters-'{vledal etc.). Publizierte u.a. »Neural<br />
blockade in clinical anesth~Ja and management of<br />
pain
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 799<br />
COX-1, COX-2. Abk. für Cyclooxygenase 1 (»konstitutive«<br />
COX) <strong>und</strong> Cyclooxygenase 2 (»induktive« COX).<br />
Die Enzyme bestehen aus ähnlichen Aminosäurensequenzen.<br />
Funktion beider COX-Systeme: enzymatischer<br />
Abbau von aus Phospholipiden entstandener ~<br />
Arachidonsäure zu Prostaglandine PG2 unter Sauerstoffaufnahme<br />
(2 0 2: »Endoperoxidbildung«). Die PG2<br />
wird dann über die Hydroperoxydase zu PGH2 (unter<br />
Elektronaufnahme 2 e-) abgebaut, Vorstufe für die<br />
Prostazyklinfamilie (PGD-Synthase ~ PGD2; PGE<br />
Synthase ~ PGE2, PGF2"-Synthase ~ PGF2", Thromboxan-Synthase<br />
~ TXA2, Prostacyclin-Synthase ~ PGI2.<br />
Die Bezeichnung »konstitutiv« ( = COX-1) ist griffig,<br />
aber teilweise irreführend, weil die »induktive« COX-2<br />
im ZNS <strong>und</strong> Nierensystem offenbar »konstitutiv« funktioniert.<br />
Das COX-2-Gen ist kürzer als das COX-1-Gen<br />
(8,3 kb vs. 22 kb). Neuere Arbeiten (Takahashi et al.<br />
1998) weisen darauf hin, dass die COX-2 ebenfalls eine<br />
physiologische Funktion in der Heilung von gastrischen<br />
Ulzera hat (s. Wirkstoffprofil Celocoxib: UAW<br />
Gastropathie). Siehe Buch D <strong>und</strong> E.<br />
COX-1. Protein, MG 72000; 6oo-6o2 Aminosäuren,<br />
mRNA: 2,8 kB; Position auf Chromosom 9; Funktion:<br />
konstitutives organeigenes Enzym in allen Geweben,<br />
v. a. Thrombozyten, Nieren, Magen.<br />
COX-2. Protein MG 72000; 603-604 Aminosäuren;<br />
mRNA 4,5 kB; Position auf Chromosom 1; Funktion:<br />
durch entzündliche Stimuli <strong>und</strong> Zytokine induzierbares<br />
Enzymsystem v. a. in Makrophagen, Monozyten, Synoviozyten,<br />
Chondrozyten, Fibroblasten, Endothelzellen.<br />
Auch durch Hormone induzierbar (Ovarien, Fetalmembrane).<br />
ZNS <strong>und</strong> Nieren: konstitutives (!) Enzymsystem.<br />
COX-2-Hemmer. Abkürzung für »Cyclooxygenase2-Hemmer«<br />
(sog. »induzierbare« Gewebe-COX).<br />
Theoretisch sollten spezifische COX-2-Hemmer die<br />
Gewebe-PG-Homöostase (COX-1) nicht stören <strong>und</strong><br />
somit weniger gastrointestinale, bronchiale <strong>und</strong> renale<br />
Nebenwirkungen induzieren.<br />
CP. Chronische Polyarthritis. Ebenfalls üblich jcP: für\<br />
juvenile chronische Polyarthritis.<br />
Cpw Abk. für minimale Plasmakonzentration im Fliessgleichgewicht<br />
(»steady state«), die für i.v.- applizierte<br />
Analgetika bei der Hälfte der Probanden/Patienten ausreicht,<br />
eine somatische Antwort nach standardisiertem<br />
Nozizeptionsreiz (Beispiel Hautinzision) zu unterdrücken.<br />
Gilt als Pendant zu Egers ~ MAC-Begriff.<br />
Wenn zusätzliche autonome Antworten auf die nozizeptive<br />
Stimulation gemessen werden (Plasmakatecholamine<br />
etc.), wird der Begriff Cp 50 BAR (»barish autonomic<br />
response«) verwendet (s. Buch B).<br />
Arzneimittel, Arzneimittelüberwachung) vergleichbar<br />
der amerikanischer ~ FDA.<br />
CPT. Engl. Abk. für »cold pressor test«. Ursprünglich die<br />
Immersion der Hand in Eiswasser (Wolf u. Hardy 1941);<br />
s. auch Turks Arbeiten (Buch A).<br />
CRPS. Engl. Abk. für »complex regional pain syndrome«,<br />
komplexes regionales Schmerzsyndrom (früher:<br />
sympathische Reflexdystrophie, s. Buch A).<br />
CRPS-Tests. Bei CRPS durchgeführte Tests, um autonome<br />
Nervenfunktionen zu testen (z. B. QSART, RSO;<br />
daneben einfache Vasomotorentests wie Valsalva<br />
Manöver etc.).<br />
Crushsyndrom. Bei Unfällen, Erdbeben etc. durch<br />
stumpfe, ausgedehnte, massive Quetschung <strong>und</strong> Zersplitterung<br />
von Muskel- <strong>und</strong>. Knochengewebe etc.<br />
auftretendes Syndrom mit Zellmembranschädigung<br />
(Freisetzung von Kalium, Enzymen, Myoglobin etc.),<br />
sek<strong>und</strong>ärer Nierendysfunktion (akute tubuläre Nekrose,<br />
Urämie), in der Regel mit starken neurogenen (relativ<br />
»therapierefraktären«) tage- bis wochenlangen<br />
Schmerzzuständen begleitet (I: kontinuierliche Epiduralanalgesie).<br />
es. Engl. Abk. für »conditioned Stimulus«; kann eine<br />
sog. CR bzw. »conditioned response« auslösen.<br />
CSAID. Engl. Abk. für »cytokine-suppressive antiinflammory<br />
drugs« ( ~ Zytokine; ebenso Buch F).<br />
CSF. Engl. Abk. für »colony stimulatingfactors«. Gruppe<br />
immunomodulatorischer Glykoproteine (IL-3, G-CSF,<br />
M-CSF, Granulocyte-macrophage-colony-stimulating<br />
Faktor, GM-CSF) von Knochenmarkzellen mit multiplen<br />
Aufgaben (Granulozyten-/Makrophagenkoloniestimulation).<br />
CSHT. Engl. Abk.für ~ »context sensitive halflife time.<br />
Curbelo, M.M. Führte 1949 die kontinuierliche Epiduralkathetertechnik<br />
ein.<br />
Cushing, Harvey (1869-1939). Schüler von~ Halsted u.<br />
Theodor Kocher (Bern; erster Nobelpreisträger in<br />
Medizin; 1841-1917). Vater der modernen Neurochirurgie<br />
(Harvard, Yale). Nach ihm ist das Cushing-Syndrom<br />
benannt. Führte u. a. die Führung von präzisen<br />
Anästhesieprotokollen ein. Publizierte eine Biographie<br />
über Sir William Osler. Stimulierte als erster Forscher<br />
1909 den menschlichen sensorischen Kortex.<br />
Cyclooxygenase. Abk. COX; Syn. Prostaglandin-Endoperoxid-Synthase,<br />
Enzymsystem von dem bislang 2<br />
Isoenzyme identifiziert sind ( ~ COX-1, ~ COX-2, in<br />
Diskussion: COX-3).<br />
CPMP. Engl. Abk. für Committee on Proprietary Medicinal<br />
Products: EWG-Behörde (Registrierung neuer<br />
Cytochrom P450• Hämoprotein-Enzymsystem, das im<br />
Falle der Lebermikrosomen am oxidativen Abbau von
Boo<br />
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Wirkstoffen bzw. Redoxsystem mit Elektronenaustausch<br />
über reduziertes Flavoprotein, oxidiertes Flavoprotein<br />
<strong>und</strong> NADP beteiligt ist: unter 0 2 -Aufnahme<br />
wird aus dem Reaktionskreis ein oxidierter Wirkstoff<br />
zur Verstoffwechselung weitergeleitet wird <strong>und</strong> zur<br />
erneuten Reaktion die Redoxkreise Flavoprotein/<br />
NADPH dem nummehr oxidierten Enzym P450 (Fe3+) 1<br />
Elektron zur Verfügung gestellt, damit die Reaktion wieder<br />
von vorn beginnen kann. Es gibt multiple Cytochromsysteme.<br />
Sog. langsame Verstoffwechsler ( ca. 10%<br />
der kaukasischen Bevölkerung!) verfügen über dysfunktioneHe<br />
Cytochromsysteme <strong>und</strong> können entsprechend<br />
Exoliganden schlecht abbauen. Relevant für Schmerzpraxis:<br />
~ Kodein (Prodrug Morphin),~ Alfentanil.<br />
DAB Abk. für Deutsches Arzneibuch.<br />
DAC Abk. für Deutscher Arzneimittelcodex.<br />
Dagnini-Aschner-Reflex Syn.: Bulbusdruckversuch,<br />
nach dem Bologneser Internisten G.D.Dagnini<br />
(1866-1928) sowie dem emigrierten Wiener Gynäkologen<br />
B.A. Aschner (1883-1960, New York) benannter<br />
vagovagaler Reflex, auslösbar über den ersten Trigeminusast<br />
(Druck auf Augenbulbus) mit vagalem Erfolg<br />
(Bradykardie, Herzstillstand, Nausea <strong>und</strong> Emesis):<br />
anwendbar bei paroxysmaler Tachykardie.<br />
Dallenbach, Karl M. (Champaign/Illinois 1887-1971<br />
Austin/Texas). Psychologe, Schmerzforscher.<br />
DAMGO. In der Schmerzforschung verwendetes p<br />
Opioid-Peptid (Agonist) mit der Aminosäurensequenz<br />
Tyr-D-Ala-Gly-(me)Phe-Gly-ol.<br />
Dämmerschlaf. Geburtshilfliehe Analgesietechnik, von<br />
Gauß 1906 mittels Morphin <strong>und</strong> Scopolamin eingeführt:<br />
»Die Anwendung des Scopolamin-Morphium<br />
Dämmerschlafes in der Geburtshilfe((.<br />
Dandy, Walter (1886-1946). Führte die Ventrikulographie<br />
durch Insufflieren von Luft in die Hirnventrikel<br />
<strong>und</strong> anschließende Radiographie (historisch erste Indikation:<br />
faziale Neuralgien!) ein.<br />
DAPI. Abk. für Deutsches Arzneimittelprüfungsinstitut<br />
(München).<br />
DASS. Abk. für Depression-Anxiety-Stress-Scales.<br />
Davy, Humphry (Cornwall 1778-1829). Leiter des<br />
»pneumatischen Laboratoriums in Bristol((, beschrieb<br />
im Jahre 18oo - 40 Jahre vor Horace Wells <strong>und</strong> Colton -<br />
die analgetische Wirkung von N 2 0 <strong>und</strong> nannte es<br />
»Lachgas((. Einer seiner Schüler war Michael Faraday<br />
(1791-1867), genialer Autodidakt (die Bezeichnungen<br />
Elektrolysis, Elektrolyt, Anion, Kation, Anode <strong>und</strong><br />
Kathode gehen auf ihn zurück) <strong>und</strong> Erforscher der<br />
Elektrizitätslehre; beschrieb später auch die Wirkung<br />
von Ätherdämpfen.<br />
DCI. Abk. für Denominatio communis internationalis<br />
(Denominations communes internationales; entspricht:<br />
~ INN).<br />
DE. Lat. Abk. für dosis effectiva.<br />
DEw Lat. Abkürzung für dosis effectiva sive efficax in<br />
mg/kgKG, bei der in so% der Versuchstiere/Probanden<br />
eine entsprechende Wirkung erzielt werden kann. Das<br />
Verhältnis zwischen DE 50 <strong>und</strong> DL 50 (Dosis letalis bzw.<br />
tödliche Dosis, bei welcher die Hälfte der Versuchstiere<br />
stirbt) ergibt die sog. therapeutische Breite oder den<br />
therapeutischen Index.<br />
De Castro G. Anästhesist, er beschrieb zusammen mit P.<br />
M<strong>und</strong>eler 1959 die Neuroleptanalgesie.<br />
DEA. Engl. Abk. für Drug Enforcement Administration<br />
(USA-Rauschgift-Administration).<br />
Decussation. Kreuzung: z. B. ~ Decussation in der<br />
Commisura alba (s. Buch A).<br />
Dejerine-Roussy-Syndrom. Nach J. J. Dejerine (1849-<br />
1917; Ehemann der am. Neurologin Augusta Marie<br />
Dejerine-Klumpke [1859-1927; Arbeiten über Plexusbrachialis-Läsionen])<br />
<strong>und</strong> G.R. Roussy (1874-1948)<br />
benanntes Thalamussyndrom mit Hemianopsie,<br />
Hyperreflexie, Hyposensibilität der Haut, Hemialgie,<br />
Hemihyperpathie.<br />
Deka. Abk. da, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />
10 1 = 10.<br />
Dekontamination. »Entgiftung bei Intoxikationen((.<br />
Man unterscheidet die primäre Dekontamination<br />
(Verhinderung oder Reduktion der Resorption eingenommener<br />
Gifte: induzierte Emesis, Magenspülung,<br />
Aktivkohle) <strong>und</strong> die sek<strong>und</strong>äre Dekontamination (Maßnahmen<br />
nach erfolgter Resorption in den Blutkreislauf:<br />
forsierte Dialyse mit Alkalinisierung; extrakorporale<br />
Elimination mittels Hämodialyse, Hämoperfusion).<br />
Delta-Fasern, 6-Fasern. Langsamste A-Fasern mit Leitungsgeschwindigkeit<br />
von 2om/s; zur Gruppe der<br />
1-4 pm dicken, myelinisierten A-Fasern gehörend.<br />
Funktion: u. a. Nozizeptorenfunktion (sog. »schnelle<br />
Schmerzfasern(().<br />
Delta-Rezeptoren, 6-Rezeptoren. DOR, OR-1; Subtyp<br />
der ~ Opioidrezeptoren (s. Buch B). Affinität Endorphine<br />
+ Enkephaline > Dynorphine.<br />
Delta-Wellen, 6-Wellen. Langsame Hirnwellen im EEG<br />
(Wellenform; f: bis 3 Zyklen/s; Amplitude 5-250 pV).<br />
Kortexwellen unter Narkose-, Schlaf- oder pathologischen<br />
Bedingungen.<br />
De Martel, Thierry (1875-1940). Mit~ Vincent zusammen<br />
Begründer der frz. Neurochirurgie. Hochdekorierter<br />
Offizier während des 1. Weltkriegs. Selbstmord bei<br />
Einmarsch der dt. Truppen in Paris.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 801<br />
Denervierung. Syn.: Deafferenzierung, traumatische<br />
Ausschaltung von Afferenzen aus einem Organgebiet<br />
Als Folge einer Denervierung können autonome Massenreflexe<br />
im Sinne einer autonomen Hyperreflexie<br />
(extreme Bradykardie, Hypertension, extreme Vasokonstriktion<br />
etc.) auftreten (beispielsweise nach traumatischer<br />
Paraplegie <strong>und</strong> nozizeptiver Reizung entsprechender<br />
Jenervierter Organgebiete), möglicherweise<br />
aufgr<strong>und</strong>einer »Up-regulation« (Aufgr<strong>und</strong> des Ausfallens<br />
synaptischer Freisetzung von Acetylcholin <strong>und</strong><br />
Noradrenalin) postsynaptischer Nervenmembrane, die<br />
dann auf zirkulierende Katechotamin überschiessend<br />
reagieren.<br />
>>Der Anästhesist«. 1952 durch Rudolf Frey, Werner ---1<br />
Hügin (Basel) <strong>und</strong> Mayrhofer (Wien) gegründetes<br />
FachjournaL<br />
>>Der Schmerz«. 1928 erschienen <strong>und</strong> herausgegeben<br />
durch den Würzburger Gynäkologen C.J. Gauss, den<br />
Heidelberger Pharmakologen H. Wieland <strong>und</strong> B. Bebrens<br />
sowie ---1 E. v. der Porten. Nach der großen Wirtschaftskrise<br />
von 1929 mit ---1 »Narkose <strong>und</strong> Anästhesie«<br />
fusioniert. Seit 1987 Organ der Deutschen Gesellschaft<br />
zum Studiem des Schmerzes, der Österreichischen<br />
Schmerzgesellschaft <strong>und</strong> der Deutschen Interdisziplinären<br />
Vereinigung für Schmerztherapie.<br />
Dercum-Krankheit. Nach F.X. Dercum (1856-1931)<br />
benannt: Neurolipomatosis dolorosa, auch: Adiposalgie.<br />
Desensibilisierung. Engl. »desensitization«, der nach<br />
längerdauernden Gabe von Agonisten mögliche Funktionsverlust<br />
Der Gr<strong>und</strong> kann auf jeder funktionellen<br />
Ebene auftreten, so auf Rezeptorebene, Effektorsystemebene<br />
<strong>und</strong> Messengerebene; z. B. opioidinduzierte<br />
Abkopplung vom Effektor Adenylatcyclase oder von<br />
membranständigen Ionen (K+- )Kanälen.<br />
Descartes, Rene (Renatus Cartesius; La Haye-Descartes<br />
1596-1650 Stockholm). Philosoph, Mathematiker (Algebra;<br />
Descartessche Zeichenregel), Physiker (Erhaltungsgesetz;<br />
Optik: Brechungsgesetze). Begründer der<br />
Spezifitätstheorie. Beschrieb die spezifischen äußeren<br />
Reize, die letzten Endes zum Schmerzerlebnis führen,<br />
im Jahre 1664: »Wenn das (äußere) Feuer sich nahe dem<br />
Fuß befindet, haben die kleinen Teilchen des Feuers die<br />
Kraft, die Haut des Fußes, wo sie ihn am dichtesten<br />
erreichen, zu bewegen. Dadurch ziehen sie gleichsam<br />
an den Verbindungen <strong>und</strong> öffnen gleichzeitig die Poren<br />
(Rezeptoren), an denen sie enden, ähnlich einem<br />
Glockenstrang (Nervenstrang), der, wenn an einem<br />
Ende gezogen, am anderen Ende die Glocke (Hirn)<br />
ertönen lässt« (kursiv: vom Hrsg. eingefügte Übersetzungen).<br />
Der Körper (res extensa) steht mit der Seele<br />
(res cogitans) in der Glandula pinealis in Beziehung, die<br />
vom Körper Informationen bekommt <strong>und</strong> ihm Befehle<br />
erteilt. Die Descartes-Hirntheorie war damals so revo-<br />
lutionär, dass selbst Voltaire über die »konfusen Ideen«<br />
Descartes entsetzt war. Rene Descartes: »Les passions de<br />
l'ame.« Paris, Henry le Gras, MDCXLIX (Avec privilege<br />
du roy ... ).Siehe auch Buch H-J!.<br />
Designerdrogen. Chemische Abwandlungen von Opiaten<br />
<strong>und</strong> Opioiden zum Rauschgiftmissbrauch.<br />
Devor, Marshall (Toronto *1949). Kanadisch-israelischer<br />
Forscher, Ausbildungen in: Princeton University,<br />
M.I.T. (Cambridge/Mass.), London, Hebrew University,<br />
seit 1988 Professor am Life Seiences Institute (Hebrew<br />
University of Jerusalem), Education/Taxonomy Panels<br />
IASP, Editor/Editorial Panel Pain, Pain Medicine, J Peripheral<br />
Nervous System etc. Forschung u. a. neuropathische<br />
Schmerzen, synaptische Plastizität etc.<br />
Dezi. Abk. d, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />
10- 1 = 0,1.<br />
DHS. Abk. Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren.<br />
Dieffenbach, Johann Friedrich (?-?). Dt Anästhesiepionier:<br />
>>Der Aether gegen den Schmerz« (1847). A. Hirschwald<br />
Verlag, Berlin.<br />
dies. Lat Tag: pro die (tgl.).<br />
diffuse noxious inhibitory controls. Abk. DNIC; franz.<br />
Schmerzforschung um ---1 Willer<strong>und</strong> ---1 LeBars (s. auch<br />
Buch A): Hemmung multirezeptiver Neurone des<br />
Rückenmarkhinterhorns durch nozive Stimuli in einem<br />
Bereich ausserhalb der betroffenen rezeptiven Felder.<br />
Erfordert offenbar intakte Hirnstammfunktionen <strong>und</strong><br />
intaktes endogenes Opioidsystem. Beispiel am Fall<br />
eines alten Bauerntricks bzw. »Erfahrungsmedizin«:<br />
früher wurden Jungstiere ohne Narkoseverfahren<br />
kastriert, indem der Bauer gleichzeitig eine äußerst<br />
schmerzhafte Reizung (Nasenklemme) anbrachte mit<br />
dem Resultat, dass der äußerst schmerzhafte Kurzeingriff<br />
überhaupt durchzuführen war. In der Regel wird' in<br />
der heutigen Forschung folgende Versuchsanordnung<br />
gewählt: nozive Stimulation eines ipsilateralen peripheren<br />
Nerven, Aufzeichnung des entsprechenden spinalen<br />
Nozifensorreflexes (z. B. Kniereflex), heterotopische<br />
Reizung (Beispiel: Hand in Eiswasser).<br />
Dioskorides, Pedanios (30-90 nach Christus). Griech.<br />
Arzt <strong>und</strong> Pharmakologe (fünfbüchrige >>De Materia<br />
medica«). Gebrauchte die Bezeichnung Anaisthesia (an<br />
+ aisthesia =keine Schmerzperzeption) in Zusammenhang<br />
mit dem »betäubenden« Effekt von Mandragora,<br />
einer Alraunepflanze, deren Extrakte damals zur perioperativen<br />
»An-aisthesia« eingesetzt wurden.<br />
Diskrimination. Das Vermögen sensible Reize zu unterscheiden.<br />
Dispensatorium. Mittelalterliche Bezeichnung für Arzneibuch,<br />
Pharmakopöe.
802 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Dispensieren. Amtlich bewilligte Abgabe von Arzneimitteln<br />
durch Apotheker oder Arzt.<br />
Dissoziationsanästhesie. Ein durch gewisse Wirkstoffe,<br />
wie Ketamin, erzeugter ZNS-Zustand mit Analgesie,<br />
Katalepsie, offenen Augen, intakten Licht- <strong>und</strong> Kornealreflexen,<br />
unabhängig von chirurgischen Stimuli auftretende<br />
Spontanbewegungen sowie eine Art chemischer<br />
Hypnose (Corssen u. Domino 1966).<br />
DL. Lat. Abk. Dosis letalis.<br />
DL 50 • Lat. Abk. für letale Dosis, bei welchem so% der<br />
exponierten Versuchstiere sterben. Dabei wird die<br />
artspezifische (!) Todesursache (Beispiel: Atemstillstand)<br />
nicht bewertet, sodass dieser in der Toxikologie<br />
übliche Parameter für die Praxis nur bedingt aussagekräftig<br />
ist.<br />
DMARD. Engl. Abk. für »disease modifying antirheumatic<br />
drugs«, in der Rheumatologie eingesetzte<br />
Basistherapeutika: s Buch F <strong>und</strong> G.<br />
DMKG. Abk. für Deutsche Migräne- <strong>und</strong> Kopfschmerzgesellschaft.<br />
DNIC. Siehe unter »diffuse noxions inhibitory controls«.<br />
Döblin, Alfred (Stettin 1878-1957 Emmendingen/<br />
Baden). Arzt in Berlin; 1930 »Berlin Alexanderplatz«,<br />
1933-1945 Emigration (1940 Flucht über die grüne<br />
Grenze der Pyrenäen - zu gleicher Zeit flüchtete der 70-<br />
jährige Heinrich Mann über diese Grenze!). 1948: »Verratenes<br />
Volk«. Mitgründer der Akademie der Wissenschaften<br />
<strong>und</strong> Künste in Mainz 1949.<br />
Dogliotti, A.M.D. (1897-1966). Bedeutender ital. Herzchirurg<br />
v. a. in Turin (Piemont). Exponent der Extraduralanästhesie<br />
(s. auch~ Pages Mirave Fidel). Gründer<br />
der ital. Anästhesiegesellschaft »Eine neue Methode der<br />
regionalen Anästhesie: die peridurale segmentäre<br />
Anästhesie« (1931). Führte die chemische intrathekale<br />
Neurolyse durch Alkohol bei unerträglichen Schmerzzuständen<br />
vor: »Nouvelle methode therapeutique pour<br />
les algies peripheriques. Injection d'alcool dans l'espace<br />
sous-arachnoidien« (1931).<br />
Dolor. Lat. Schmerz; Dolores =Wehen (Dolores praeparantes,<br />
Dolores ad partum, Dolores post partum, Dolores<br />
sec<strong>und</strong>inae).<br />
Dolorimeter. Syn.: Algesimeter, Apparat zur Schmerzmessung<br />
(s. Buch A).<br />
Dolorrezeptor. Von Paul Langerhans 1868 »Ober die<br />
Nerven der menschlichen Haut
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 803<br />
Richtung) <strong>und</strong> als Asymptote zu einem maximalen<br />
Wert hin verläuft.<br />
Dott, Norman (1892-1973). Bedeutenden schottischer<br />
Neurochirurg (Pioniereingriffe: Hirnaneurysmen).<br />
Arbeiten über Gesichtsschmerzen.<br />
DPhG. Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft; 1890<br />
gegr., »Archiv der Pharmazie«.<br />
Dragees. Syn.: Compressi obducti, Tabulettae obductae;<br />
Arzneiform, bei der der Wirkstoff durch Hüllsubstanzen<br />
(bsp. durch Zuckerdragierung) überzogen ist.<br />
Dreifaches Kältesyndrom. »triple-cold-syndrome«,<br />
Kältehyperalgesie (»cold hyperalgesia«), Kältehypästhesie<br />
(»cold hypoaesthesia«), kalte Haut (»cold<br />
skin«).<br />
Dreser, Heinrich (Darmstadt 1860-1924). Pharmakologe,<br />
nach 1896 in Göttingen tätig, publizierte über klinische<br />
Erfahrungen mit Acetylsalicylsäure 1899: »Pharmakologisches<br />
über Aspirin«. Siehe auch ~ Felix Hoffmann<br />
<strong>und</strong> ~ Arthur Eichengrün.<br />
Droge. Als Droge wird eine Arznei pflanzlichen oder<br />
tierischen Ursprungs oder deren Teile bezeichnet. Im<br />
Englischen heißt »drug« Arzneistoff. Wahrscheinlich<br />
eingedeutscht, bedeutet drug bzw. Droge im Laienjargon<br />
heute »Rauschmittel«.<br />
Druckalgometer. Gerät, das den Auflagedruck bei Erreichen<br />
der Schmerzschwelle (z. B. Triggerpunkte) anzeigt.<br />
Druckanalgesie. Fehlen einer Schmerzhaftigkeit auf<br />
starken Druckreiz.<br />
Druckpunkte. Auf der Haut befindliche Punkte für<br />
Drucksinn (Meissner-Tastkörperchen). Auch Punkte an<br />
speziellen Stellen (~ Valleix-Druckpunkte, Akupunktur,<br />
Neuraltherapie).<br />
Drucksinn. Barästhesie.<br />
Drug-Holiday. Das Absetzen einer Langzeitmedikation<br />
über eine bestimmte Zeit, um die sog. Toleranzentwicklung<br />
zu hemmen.<br />
DSF. Abk. für »Douleurs sans frontieres«, eine übernationale<br />
wohltätige Ärzteorganisation (vgl. mit »Medecins<br />
sans Frontieres«), die v. a. für die durch Krieg<br />
(Minen!) geschädigte Landbevölkerung (Schwerpunktprogramme<br />
Kinder <strong>und</strong> Schmerz, Amputierte, aber<br />
auch Aids sowie Selbsthilfe durch Ausbildung!) tätig ist.<br />
DSM. Abk. für Diagnostic and Statistical Manual.<br />
Du Bois Reymond, Emil (Berlin 1818-1896). Pionier der<br />
Elektrophysiologie.<br />
Duhner, Donald (New York *1934). Zeitgenössischer<br />
Schmerzforscher (Neurobiologie), Studium am Columbia<br />
College mit Abschluss 1955, Columbia Universitäts-<br />
schule für Zahnmedizin, Promotion 1964 in Physiologie.<br />
Schmerzforschung Universität Maryland (Baltimore<br />
Dental School). Gründungsmitglied IASP <strong>und</strong> APS.<br />
Dubois, Paul (1848-1918). Bedeutender Schweizer Psychiater.<br />
Pionierarbeiten über Patienten-«Compliance«,<br />
indem er die Patienten mittels Aufklärung etc. in die<br />
Therapie einband.<br />
Duchenne, Guillaume Benjamin Amand (1806-1875).<br />
Bedeutender frz. Neurologe (»Lehrvater« von~ Charcot).<br />
Dufy, Raoul (Le Havre 1888-1953 Forcalquier ). Berühmter<br />
frz. Maler, litt an chronischer Polyarthritis (Analgetikum:<br />
Aspirin), band sich im fortgeschrittenen Stadium<br />
den Pinsel an die von der Krankheit deformierten<br />
Finger, um malen zu können: »monokolore Phase?!«<br />
Ließ sich 1950 in den USA (s. auch: Hench) wegen seiner<br />
Polyarthritis mit Kortikosteroiden behandeln, die eine<br />
Remission erbrachten. Bild: »La Cortisone«. 1953 Tod<br />
wegen einer gastrischen Hämorrhaghie (Kortikosteroide<br />
<strong>und</strong> Aspirin?!).<br />
Duhamel, Georges (Paris 1884-1966). Frontarzt im 1.<br />
Weltkrieg; Philanthrop.<br />
»La sympathie est notre meilleure chance<br />
de nous mder de l'~oisme.«<br />
Dumas,Jean Baptist (Ales 1800-1884 Cannes). Eminenter<br />
frz. Chemiker. » Traite de chimie applique aux arts«<br />
( 1828- 1846).<br />
Dunant Jean-Henri (Geneve 1828-1910 Heiden/Appenzellerland).<br />
Anthroposoph, 1855 Mitwirkung bei der<br />
Gründung des Weltb<strong>und</strong>s der Christlichen Vereine Junger<br />
Männer in Paris. Erlebte 1859 auf einer Geschäftsreise<br />
unmittelbar Tod <strong>und</strong> Leiden <strong>und</strong> die völlige<br />
Absenz von Hilfeleistungen etc. im Gefolge der Schlacht<br />
bei Solferino: er motivierte u. a. die Frauen der Umgebung,<br />
den Verletzten zu helfen. Schrieb 1862 »Erinnerung<br />
an Solferino«. Gründung 1863 des späteren »Internationalen<br />
Komitees vom Roten Kreuz IKRK«, u. a. mit<br />
Advokat Gustave Moynier, dem Schweizer General<br />
Dufour (nach ihm wird die Dufourspitze in den Alpen<br />
benannt), dem Kriegschirurgen Louis Appia sowie dem<br />
Arzt T. Maunoir. Wirtschaftlicher Zusammenbruch <strong>und</strong><br />
1868 Verurteilung durch Genfer Zivilgericht wegen<br />
Bankrottes. Projekt einer Universalbibliothek. 1871<br />
Gründer des Weltb<strong>und</strong>s für Ordnung <strong>und</strong> Bildung<br />
(politischer <strong>und</strong> sozialer Frieden, internationale<br />
Schiedsgerichte, Besserstellung der Kriegsgefangenen).<br />
Übersiedlung nach London, später nach Stuttgart, ab<br />
1887 nach Heiden <strong>und</strong> Trogen im Appenzellerland. 1896<br />
Briefwechsel mit Bertha von Suttner. 1901 Nobelpreis<br />
für Frieden (zusammen mit Frederic Passy, im gleichen
804 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Jahr Wilhelm Konrad Röntgen für Physik, Emil Adolf<br />
von Bebring für Physiologie-Medizin): das Preisgeld<br />
stellt er (selber verarmt <strong>und</strong> krank) humanitären<br />
Zwecken zur Verfügung. 1903 medizinisches Ehrendoktorat<br />
Henri Dunant ist im Friedhof Sihlfeld in Zürich<br />
bestattet.<br />
Dura mater. Pachymeninx, anatomische Trennlinie für<br />
die englische Anästhesieschule zur Unterscheidung von<br />
intraduralen (Syn. intrathekalen, spinalen) <strong>und</strong> extraduralen<br />
(Syn. epiduralen) Anästhesietechniken.<br />
Dusser de Barenne, Johannes Gregorious (1885-1940).<br />
Bedeutender holländischer Physiologe (Arbeiten über<br />
kortikal-subkortikale Funktionsmechanismen).<br />
Dynamik. In der Pharmakadynamik die Wirkungsweise<br />
von Wirkstoffen.<br />
Dynorphin. Eine Klasse von endogenen Peptiden mit<br />
Opioidcharakter (Dynorphin A, Dynorphin B sowie<br />
Dynorphinfragmente) mit v.a. inhibitorischer Neuretransmitterwirkung<br />
auf zentralen K-Rezeptoren,<br />
s. Buch B.<br />
Dys- Präfix, griech., für gestört, fehlerhaft; z. B. Dysfunktion<br />
= fehlerhafte Funktion.<br />
Dysphorie. Gegensatz zu Euphorie; Mißstimmung.<br />
EAA. Engl. Abk. für »excitatory amino acids« ( ~ exzitatorische<br />
Neurotransmitter:~ Glutamat, Aspartat): Zielrezeptoren<br />
sind ionotrope Glutamatrezeptoren (iGlu-R<br />
sind AMPA-, KAINAT-, NMDA-Rezeptoren) oder metabotrope<br />
Glutamatrezeptoren (mGlu-R 1-8). Ionotrope<br />
Rezeptoren sind ultraschnelle Ionenkanalsysteme,<br />
wogegen metabotrope Rezeptoren langsamere, intrazelluläre<br />
Systeme beeinflussen (zyklische Nukleotide etc.).<br />
Eagle-Syndrom. Kopfschmerzsyndrom (Syn. Processus-styloideus-Syndrom)<br />
für längeranhaltende, einseitige<br />
Schmerzen im Schl<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Rachenbereich mit<br />
Dysästhesien im Rachen sowie Schluck- <strong>und</strong> Geschmacksstörungen<br />
etc.<br />
Eccles, Sir John C. (Melbourne 1903-1997 Locarno).<br />
Australischer Physiologe, Nobelpreis 1963 für Medizin<br />
<strong>und</strong> Physiologie für die Entdeckung ionischer Mechanismen<br />
der neuralen Signalübertragung (zusammen<br />
mit A.L.Hodgkin <strong>und</strong> A.F. Huxley). Doktorand beim<br />
Nobelpreisträger ~ Sir Charles Sherrington. Schrieb<br />
mit W. C. Gibson 1979 das Buch: »Sherrington - his life<br />
and thought«. Arbeiten über synaptischen Informationsaustausch.<br />
Befre<strong>und</strong>et mit Karl Popper, mit dem er<br />
über das Leib-Seele-Verhältnis philosophierte <strong>und</strong> in<br />
verschiedenen Büchern darstellte, so u. a.: » The self and<br />
its brain - an argument for interactionism (1977; dt.<br />
Piperausgabe: »Das Ich <strong>und</strong> sein Hirn«). Schüler von<br />
Eccles ist u. a. der bedeutende zeitgenössische dt. Physiologe<br />
~ Robert F. Schmidt (Würzburg).<br />
Economo von San Serff, Konstantin (1876-1931). Bedeutender<br />
Triester Physiologe griech. Abstammung; Arbeiten<br />
u. a. über Evolutionsprinzipien des ZNS.<br />
Ecstasy. Syn.: Adam, MDMA (Abk. für Methylen-dioxymethamphetamin),<br />
1914 von der Fa. Merck patentierter<br />
Wirkstoff (ursprünglich Appetitzügler). Wegen psychotropen<br />
UAW u. a. als sog. Wahrheitsdroge (1953 USA<br />
Armee) experimentell, später 1965 durch den Biochemiker<br />
A. Sulgin als psychotroper Stoff (Slang: Adam) versuchsweise<br />
u. a. in der Psychotherapie eingesetzt; 1985<br />
als schädliche <strong>und</strong> suchterzeugende Substanz ohne<br />
medizinische Anwendung (USA) klassiert.<br />
ED. Dt. Abk. für Einzeldosis.<br />
ED. Engl. Abk. für »effective dosis«.<br />
Edinger, Ludwig (1855-1918). Bedeutender dt. Neurologe,<br />
Begründer der modernen Neuroanatomie. Beschrieb<br />
den nach ihm benannten Edinger-Westphal<br />
Kern (1885) sowie die Edinger-Bahn.<br />
Edinger-Bahn. Tractus spino-thalamicus.<br />
Edinger-Westphal-Kern. Nach Ludwig ~ Edinger <strong>und</strong><br />
Alexander Westphal benannter paariger autonomer<br />
Lateralkern des N. oculomotorius (III); mit dem Ganglion<br />
ciliare verb<strong>und</strong>en, dessen postganglionäre parasympathischen<br />
Fasern die inneren Augenmuskeln<br />
innervieren (Mm. ciliaris, sphincter pupillae).<br />
Edmonton-Symptom-Assessment-System. Abk. ESAS,<br />
von Bruera et al. 1991 vorgestellte einfache Erhebungsmethode<br />
in der Palliativmedizin, ermittelt durch die<br />
Summe von 8 Messungen mittels VAS (Patienten-,<br />
Familienmitglied- oder Pflegerpersonalerhebung) von<br />
Schmerz, Aktivität, Übelkeit, Depression, Angst, Benommenheitszustand,<br />
Appetit, Wohlbefinden.<br />
EEG. Abk. von Elektroenzephalographie; Aufzeichnung<br />
von unter Spontanbedingungen oder provozierten<br />
(äußere Reize: s. evozierte Potentiale Buch A), elektrischen<br />
durch Hirnaktivität bedingten mittels Kopfhautelektroden<br />
(oder direkt auf Hirnoberfläche in der<br />
Experimentalneurologie) aufgenommenen Potenzialveränderungen.<br />
~ Berger, Hans. Die elektrische Aktivität<br />
eines Hirns wurde zum ersten Mal am Kaninchen<br />
durch den Liverpooler Physiologen R. Caton 1875 nachgewiesen.<br />
Die moderne Datentechnik erlaubt eine<br />
Quantifizierung einzelner Ableitungskurven sowie<br />
deren Verarbeitung (z. B. Beziehungen zwischen den<br />
einzelnen Kurvenverläufe). Heutzutage kann das EEG<br />
praxisgerechter als klinisches perioperatives Monitoriung<br />
eingesetzt werden. EEG-Korrelate können als sog.<br />
Closed-loop-control-Parameter in die Technik der TCI<br />
eingebaut werden.<br />
Efferenzen. Zentrifugale (vom Zentrum weggehende,<br />
»ausführende«) Nerven.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 805<br />
EGF. Epidermal growth factor.<br />
Ehrlich, Paul (1854-1915). Begründer der Chemotherapie<br />
<strong>und</strong> Immunologe, mit Elie Metchnikoff (1845-1916)<br />
Nobelpreis 1908 für Medizin <strong>und</strong> Physiologie (Immunologie).<br />
»Mein therapeutisches Programm besteht<br />
darin, von Substanzen mit gewisser Wirksamkeit<br />
Homologe <strong>und</strong> Derivate der verschiedensten<br />
Art darzustellen, jede auf ihre<br />
Wll'kung zu prßfen <strong>und</strong>, auf den so erhalte·<br />
nen Resultaten fussend, zu versuchen, zu<br />
immer optimaleren Heilkörpern zu gelangen.<br />
Du heißt, also zielen lernen, <strong>und</strong> zielen<br />
lernen durch chemische Variation.«<br />
Eichengrün, Artbur (Aachen 1867-1949). Studium der<br />
Chemie in Aachen <strong>und</strong> Berlin; danach Mitarbeiter von<br />
Böhringer <strong>und</strong> Sohn (Ingelheim), Baizer <strong>und</strong> Marquardt.<br />
Durch Carl Duisberg zum Aufbau <strong>und</strong> zur Leitung<br />
der Bayer-Werke nach Elberfeld gerufen (1896).<br />
1900 Abteilungsvorstand des pharmazeutisch-wissenschaftlichen<br />
Labors in Elberfeld (Hoffmann war 1899<br />
als Abteilungsvorstand der pharmazeutisch-kaufmännischen<br />
Abteilung eingesetzt worden). Verließ Bayer<br />
1908; als Jude ins KZ Theresienstadt deportiert, wo er u.<br />
a. auch biographische Aufzeichnungen schrieb: in diesen<br />
bezeichnet sich Arthur Eichengrün als Initiator<br />
einer Acetylierungstechnik von Aspirin ( unbefriedigende<br />
ASS-Synthesen [teilweise unstabile, teilweise unreine<br />
Syntheseprodukte] wurden schon 1853 durch Charles<br />
Fn!deric Gerhart <strong>und</strong> 1869 durch Johann Kraut für die<br />
von Heyden-Werke durchgeführt) <strong>und</strong> beschrieb, wie er<br />
entgegen der Meinung des Bayer-Prüfers Prof. Heinrich<br />
~ Dreser (Darmstadt 1860-1924), der ASS anfänglich<br />
für wertlos hielt (später aber im in der chemischen<br />
Abteilung des Deutschen Museums München als Miterfinder<br />
genannt wurde <strong>und</strong> 1899 eine Lizenz von Bayer<br />
für Aspirin erhielt), den Wirkstoff zu klinischen Prüfungen<br />
- entgegen der Meinung Dresers - u. a. auch an<br />
Dr. Felix Goldmann in Berlin weitergab. Nach Eichengrün<br />
soll Goldmann das Präparat auch einem an Rheumatismus<br />
leidenden Zahnarzt gegeben haben, der es<br />
eines Tages an einem an heftigen Zahnschmerzen leidenden<br />
Patienten mit schlagendem Erfolg ausprobierte:<br />
»Durch diesen Zufall wurde die wichtigste Eigenschaft<br />
des Aspirins, das Schmerzstillvermögen, entdeckt« (Die<br />
Pharmazie 1949; Heft 1, S. 582).<br />
Eikosanoide. Griech. eikosa = 20, Derivate aus essentiellen<br />
Fettsäuren mit 20 C-Atomen <strong>und</strong> mehreren Doppelbindungen.<br />
Beim Menschen steht die ~ Arachidonsäure<br />
als wichtigste Vorstufe der Eikosanoide im Vordergr<strong>und</strong>.<br />
Sie ist in Pflanzennahrung aber auch in Fleisch<br />
vorhanden. Die Arachidonsäure wird vom Organismus<br />
verestert <strong>und</strong> in (phospholipidhaltigen) Biomembra-<br />
nen eingelagert. Bei physikalischer, chemischer oder<br />
hormonaler Stimulation wird enzymatisch Arachidonsäure<br />
freigesetzt, die ihrerseits in der Folge die im<br />
Buch A beschriebenen diversen kaskadenartigen Reaktionen<br />
enzymatisch mit Bildung von biologisch aktiven<br />
Prostanoiden aktiviert. Der Abbauweg über die Arachidonsäure<br />
erfolgt über 3 prinzipielle Wege: 1. Cyclooxygenase<br />
(~ COX-1 <strong>und</strong> COX-2, auch Prostaglandin<br />
Synthase, PGHS) mit Bildung von Endoperoxiden<br />
(PGG/H), die dann zu~ Prostaglandinen (PG) <strong>und</strong>~<br />
Thromboxanen (TX) abgebaut werden; 2. Lipoxygenase-Abbauweg<br />
(LOX) mit Bildung von Hydroperoxyeicosatetraensäuren<br />
(HpETE), welche dann zu ~ Leukotrienen<br />
(LT), Hepoxilinen (HX), Trioxilinen <strong>und</strong><br />
Lipoxinen transformiert werden <strong>und</strong> J. ein nichtenzymatischer<br />
Weg über das Cytochrom-P 450-System, katalysiert<br />
mit Bildung verschiedenster Fettsäuren sowie<br />
Leukotoxinen. Hirnzellen sind imstande, ~ Arachidonsäure<br />
in Arachidonylethanolamid (Anandamid) zu<br />
konvertieren (s. auch: ~ Endocannabinoide, Cannaboidrezeptoren).<br />
Einthoven, Wilhelm (1860-1927). Holl. Entdecker des<br />
EKG. Nobelpreis 1924.<br />
Eiweißbindung. Siehe Buch K sowie Wirkstoffprofile:<br />
die Bindung von Wirkstoffen an Plasmaproteine. In<br />
der Regel binden saure Moleküle an Albumine,<br />
basische an (saure) a'-Glykoproteine oder Lipoproteine.<br />
Bei gleichzeitiger Gabe von Wirkstoffen mit hoher<br />
Eiweißbindung kommt es zu einer Kompetition mit<br />
der Folge, dass eines der Wirkstoffe aus der Bindung<br />
kompetitiv verdrängt wird (Resultat: höhere freie<br />
Fraktion = verstärkte Wirkung oder Elimination; s.<br />
Interaktionen).<br />
EKP. Abk. für ereigniskorrelierte Hirnpotentiale. EKP<br />
sind elektrokortikale Potentiale bzw. ZNS-Antworten<br />
auf sensorische, motorische <strong>und</strong> psychische Ereignisse;<br />
da sie gegenüber dem Spontan-EEG von kleinerer<br />
Amplitude sind, müssen sie mit sog. Mittelungstechniken<br />
sichtbar gemacht werden (s. auch EP; s. Buch A).<br />
Elsholtz, J.S. (1623-1688). Narkotisierte einen H<strong>und</strong> 1665<br />
mit i.v.-Gabe von Opium (wahrscheinlich unter dem<br />
Eindruck entsprechender Experimente durch Sir Christopher<br />
Wren <strong>und</strong> William Harvey).<br />
EMLA. Engl. Abk. für »eutectic mixture of Zocal anaesthetics«.<br />
Prilocain- oder lidocainenthaltende topische<br />
Emulsion (pharmazeutisch: Eutektikum); für Hautpunktionen<br />
insbesondere bei Kindern geeignet. Nachteil:<br />
braucht okklusiven Verband sowie Zeitaufwand (><br />
6o min). S auch:~ iontophoretische Anwendung (Buch<br />
Kinetik).<br />
EMO. Abk. für~ Epstein-Macintosh-Oxford-Vaporizer<br />
(einem heute noch in der 3· Welt- z.B: »flying doctors«
8o6<br />
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
etc. - eingesetzten, robusten, handlichen Narkosegerät<br />
( Ätherverdampfer).<br />
EMO. Abk. für »esterase-metabolized-opioids« (s.<br />
Remifentanil).<br />
Emulsiones. Syn.: Emulsionen: disperses System aus 2<br />
nicht mischbaren Vehikeln.<br />
Enantiomer. Syn.: Stereoisomer. Wird ein Molekül mit<br />
einem asymmetrischen C-Atom auf eine Papierebene<br />
projiziert (sog. Fischer-Projektion), kennzeichnen die<br />
waagrechten Bindestriche die vor der Papierebene, die<br />
senkrechten Bindestriche die hinter der Papierebene<br />
sich befindlichen Atome bzw. Liganden. Bild <strong>und</strong> Spiegelbild<br />
sind nicht deckungsgleich. Das Drehen des polarisierten<br />
Lichtes nach rechts im Uhrzeigersinn wird mit<br />
dem Präfix ( + ), nach links mit (-) gekennzeichnet. Die<br />
bei der Fischersehen Projektionseinteilung benutzten<br />
Präfixe D (für dexter, lat. rechts) <strong>und</strong> L (laevus, lat.<br />
links) haben mit der Drehrichtung des polarisierten<br />
Lichtes nichts zu tun. Wegen dieser Zweideutigkeit wird<br />
heute für Enantiomere die sog. RS-Nomenklatur (Cahn,<br />
Ingold, Prelog 1951) vorgezogen. Hier wird das asymmetrische<br />
Bezugsatom so gedreht, bis sein niedrigster<br />
Ligand nach hinten zu liegen kommt. Danach werden<br />
die zusätzlichen Liganden des asymmetrischen C<br />
Atoms, nach gewissen Prioritätsgesetzen, im Uhrzeigersinn<br />
numeriert. Bei gleichen Molekülen werden anband<br />
der Konfiguration (Position in Bezug auf asymmetrisches<br />
Bezugsatom C) mit der Zusatzbezeichnung R, S,<br />
Cis oder Trans die Enantiomere bezeichnet.<br />
Endoanästhesie. Durch Zipf 1953 vorgeschlagene<br />
Bezeichnung der Technik, durch systemische Lokalanästhesie<br />
Analgesie hervorzurufen ( s. Antinozizeptiva,<br />
Buch F).<br />
Endocannabinoide. Endogene Cannabinoide (Neurotransmitter,<br />
ZNS, Nozizeption, s. Buch A, putativ: hormonale<br />
Wirkungen im kardiavaskulären System). Prototyp<br />
ist Anandamid (ein Abkömmling der Arachidonsäure),<br />
das offenbar durch Endothelzellen synthetisiert<br />
wird.<br />
endogene EKP. Abk. für Ereignis-kontrollierte Potentiale,<br />
die nach einer gewissen Zeitspanne (> 6o ms)<br />
nach sensorieller Reizung im EEG abgreifbaren ereigniskorrelierten<br />
Hirn potentiale, die nicht mehr überwiegend<br />
nach erfolgter Reizung als EP (sog. exogene Komponenten),<br />
sondern nach weiterer zentraler Reizverarbeitung<br />
auftretenden BEG-Potentialänderungen (also<br />
exogene <strong>und</strong> endogene Komponenten integrierend).<br />
endogene Opioide. Bislang sind 3 Gruppen von endogenen<br />
Peptiden mit Affinität zu Opioidrezeptoren identifiziert<br />
worden: 1. ~ Enkephaline ( ~ Hughes <strong>und</strong> ~<br />
Kosterlitz), 2. ~ Endorphine, Proopiomelanocortin<br />
(POMC-)Familie (Smythe <strong>und</strong> Li) <strong>und</strong> 3· Dynorphinfamilie<br />
( ~ Goldstein). Gemeinsam haben sie die Aminosäurensequenz<br />
Tyr-Gly-Gly-Phe eigen. Die Vorläufer<br />
dieser Opioidpeptide sind entsprechend 1. Proenkephalin,<br />
2. Proopiomelanocortin (POMC, Vorläufer für 1.<br />
Endorphine, 2. melanozytenstimulierendes Hormon<br />
(MSN) <strong>und</strong> 3· ACTH) sowie 3· Prodynorphin (s. Buch B).<br />
Die endogenen Opioide sind im ZNS v. a. im Bereich<br />
PAG (Enkephalin, Dynorphin), rostraventrale Medulla<br />
sowie Rückenmark (HH) konzentriert.<br />
Endorphine. Endogene Opioidpeptidfamilie (a-Endorphin:<br />
16 Aminosäuren [AS]; ß-Endorphin: 31 AS; y<br />
Endorphin 17 AS; o-Endorphin 27 AS).<br />
endogene Oszillatoren. Neuronale zentrale sog. innere<br />
Uhren: s. auch zirkadianer Rhythmus (Buch B).<br />
Endotheline. 1988 entdeckte, u. a. vom Gefäßendothel<br />
synthetisierte <strong>und</strong> freigesetzte, Peptidfamilie (Endothelin<br />
1, 2, 3; 21 Aminosäuren), die als potente Vasokonstriktoren<br />
u. a. die Gewebeperfusion beeinflussen, aber<br />
auch als pronozizeptive Substanzen in der Schmerzforschung<br />
geprüft werden.<br />
enterohepatischer Zyklus. Engl. »enterohepatic recirculation«.<br />
Wirkstoffe oder deren aktive Metaboliten, die<br />
biliär nach hepatischer Verstoffwechselung ausgeschieden<br />
werden, können in den abführenden Gallenwegen<br />
<strong>und</strong> im Intestinum erneut resorbiert bzw. damit »bioverfügbar«<br />
werden (in der Regel durch Dekonjugation:<br />
s. Biotransformation Phase II).<br />
Entwöhnung. Syn.: Entziehung. Unter Entwöhnung versteht<br />
man eine planmäßige, meist klinisch geführte<br />
langsame Dosisreduzierung unter Vermeidung einer ~<br />
Entzugssymptomatik<br />
Entzugssymptomatik Die bei abruptem Absetzen nach<br />
repetierter oder chronischer Gabe von Wirkstoffen<br />
(Beispiel Opioide) oder partielle oder komplette Antagonisierung<br />
von repetiert oder chronisch verabreichten<br />
Wirkstoffen auftretende psychische <strong>und</strong> somatische<br />
Symptomatik, die sich als lebensgefährliche Entzugskrisen<br />
(auch unter Narkose: s. Turboentzug, Buch B!) mit<br />
komplettem Auseinanderfallen von vitalen autonomen<br />
Regulationen (Herzkreislauf etc.) manifestieren kann.<br />
E-Nummer. Symbol im Nahrungsmittelzutatenverzeichnis<br />
der EWG; s. auch Hilfsstoffe von Arzneimitteln.<br />
Enzyme. Griech. en zyme: in der Hefe. Metabotropische<br />
Körpereiweiße, die als Biokatalysatoren ( Oxidoreduktasen,<br />
Transferasen, Hydrolasen, Lyasen, Isomerasen,<br />
Ligasen) v. a. Stoffwechselvorgänge steuern. Erste Forschungen<br />
betreffen Hefegärungsvorgänge; sie gehen auf<br />
Justus von Liebig (1803-1873), Theodor ~ Schwann<br />
(1810-1882) <strong>und</strong> Charles Cagniard-Latour (1777-1859)<br />
zurück. Moritz Traube (1826-1894) erkannte die Bedeutung<br />
von Enzymen als universelle Stoffwechselkatalysatoren.<br />
Der Begriff Katalysator wurde 1836 durch J.J. Ber-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 807<br />
zelius (1779-1848) eingeführt. Die Gruppe der Hydrolasen,<br />
zu denen die Esterasen, Glykosidasen sowie Proteasen<br />
gezählt werden, werden u. a. von Wolf u. Benitez seit<br />
1960 als unspezifische Immunmodulatoren (Rheumatologie,<br />
Traumatologie etc.) eingesetzt. Erste Anwendung<br />
als Schmerzmitteladjuvans bei Operationen durch<br />
Hoernecke u. Doenicke 1993 (s. Buch F).<br />
EORTC. Engl. Abk. für European Organization for Research<br />
and Treatment of Cancer.<br />
EP. Abk. für evozierte Potentiale: auslösbare, ereigniskorrelierte<br />
Potentiale auf sensorische Reizung (Nerven,<br />
Bahnen oder Kerngebiete) in den entsprechenden zentralen<br />
Projektionsarealen (somatisch evozierte Potentiale<br />
[SEP] in den somatasensorischen Rindenarealen).<br />
Diese SEP können in primär <strong>und</strong> sek<strong>und</strong>är evozierte<br />
Potentiale eingeteilt werden; die primär evozierten<br />
Potentiale sind nur im umschriebenen entsprechenden<br />
Kortexbereich abzuleiten, die sek<strong>und</strong>är evozierten<br />
Potentiale im ausgedehnten Kortexbereich. Akustisch<br />
bzw. optisch auslösbare EP werden akustisch evozierte<br />
Potentiale (AEP) bzw. visuell evozierte Potentiale (VEP)<br />
gennant. Die Messung evozierter Potentiale zur Quantifizierung<br />
von physiologischen Schmerzkorrelaten spielt<br />
in der Schmerzforschung eine große Rolle (s. Buch A).<br />
Die ersten experimentell evozierten Potentiale wurden<br />
1933 durch Ralph Waldo Gerard beschrieben.<br />
Ephapse. Die pathologische Verbindung zwischen zwei<br />
erregungsleitenden Fasern, wahrscheinlich nach Markscheidenschädigung<br />
gehäuft auftretend (Arvanitaki).<br />
Epibatidin. Ein von einer südamerikanischen Froschart<br />
isolierter Stoff mit extrem starker antinozizeptiver Wirkung<br />
- über zentrale Nikotinrezeptoren vermittelt; in<br />
vorklinischer Prüfung werden synthetische Epibatidinderivate<br />
getestet (z. B. ABT-594).<br />
Epiduralanästhesie. Syn.: Extraduralanästhesie, Applikation<br />
von Lokalanästhetika in den nicht (!) virtuellen<br />
Raum des Epiduralraums (s. auch Buch Kinetik).<br />
Epiduroskopie. Die minimalinvasive Explorierung des<br />
Epiduralraumes mittels Fiberskop zu diagnostischen,<br />
aber auch therapeutischen (Beispiel: Adhäsiolyse bei<br />
Befall von Spinalnerven) Zwecken.<br />
epikritisch. Griech. Präfix für »auf«, »über«, »oberhalb«,<br />
epikritische Schmerzen: exakt erkennbare<br />
Schmerzen (vgl. protopathische Schmerzen: s. Buch A).<br />
EPSP. Engl. Abk. für »excitatory-post-synaptic-potentials«,<br />
erste Arbeiten über EPSP gehen auf ~ Eccles zurück.<br />
Siehe Buch A: Depolarisation (Glutamat etc.);<br />
Gegenteil: IPSP »inhibitory-postsynaptic-potentials«<br />
(s. Hyperpolarisation, GABA-System, Buch A). Die exzitatorischen<br />
postsynaptischen Potentiale können<br />
beschrieben werden als lokaler postsynaptischer Potentialunterschied<br />
(Zweitafferenz) durch exzitatorische<br />
synaptische Impulse. Summieren sich diese Potentiale<br />
zu einem gewissen Grenzwert, kann im Zweitneuron<br />
ein Aktionspotential ausgelöst werden.<br />
Epstein, H.G. ( Lebensdaten konnten nicht aufgef<strong>und</strong>en<br />
werden!). Berliner Flüchtling vor Naziterror, wesentlich<br />
mitbeteiligt an der Entwicklung des »Epstein-Macintosh<br />
-Oxford-Vaporizers«, der später zur leicht transportablen<br />
(für die Feldanästhesie, u. a. »flying doctors«<br />
in Ostafrika; 1976 Eritreakrieg etc.!) universell verwendbaren<br />
Narkosemaschine EMO weiterentwickelt<br />
wurde; Epstein u. Macintosh 1941).<br />
Erlanger, Joseph (San Francisco 1874-1965). Chemie<br />
(UC) <strong>und</strong> Medizinstudium (Johns Hopkins, 1899). Professor<br />
für Physiologie Washington-Universität, St.<br />
Louis.1922 zusammen mit~ Gasser elektrophysiologische<br />
Studien (Kathodenstrahloszillograph, Spygmomanometrie<br />
etc.) über Nervenpotentiale. 1944 mit Gasser<br />
Nobelpreis. Vielfältige akademische Würden <strong>und</strong><br />
Ehrungen.<br />
Erythromelalgie (nach Silas Weir ~ Mitchell 1878).<br />
Kommt als primäre Form beim Kind, als sek<strong>und</strong>äre<br />
Form beim Erwachsenen (im Zusammenhang mit<br />
systemischen Erkrankungen des Knochenmarks wie<br />
essentieller Thrombozytose <strong>und</strong> Polycythaemia vera)<br />
vor, charakterisiert durch ein plantares-palmares<br />
Erythem mit stechend-brennenden lokalisierten<br />
Schmerzen sowie Temperaturerhöhung.<br />
Erythroprosopalgie. Alte Bezeichnung für Clusterkopfschmerz<br />
(~ Bing- bzw. Horton-Syndrom); s. auch<br />
Raeder-Syndrom.<br />
Erythrothermie. Syn.: Mitchell-Syndrom.<br />
ESES. Abk. für epidurale spinale Elektrostimulation.<br />
ESRA. Engl. Abk. für European Society of Regional Anaesthesia<br />
(1982, Edinburgh).<br />
Etorphin. Immobilon, von ~ P.A.J. Janssen für die<br />
Grosswild-Analgesie <strong>und</strong> -Anästhesie konzipiertes<br />
superpotentes Opioid, durch Diprenorphin spezifisch<br />
antagonisierbar.<br />
Euler-Chelpin, Ulf Svante von ( Stockholm *1905). Sohn<br />
von H.K.A.S. ~ Euler-Chelpin. 1970 (zusammen mit<br />
Bernard ~ Katz <strong>und</strong> Julius ~ Axelrod) Nobelpreis für<br />
Medizin in Zusammenhang mit seiner Entdeckung der<br />
Transmitterfunktion des Noradrenalins. Von Euler hat<br />
in den Dreißiger Jahren am Stockholmer Karolinska<br />
Institutet aus der Samenflüssigkeit (<strong>und</strong> nicht Prostataflüssigkeit,<br />
wie es die historische Namengebung vermuten<br />
ließe) aktive Substanzen isoliert, die als Fettsäuren<br />
glatte Muskelzellen kontraktieren <strong>und</strong> relaxieren<br />
vermochten. Später konnten ~ Prostaglandine unterschieden<br />
werden (PGE <strong>und</strong> PGF, E steht für Äther<br />
(Ether, engl.)-Phase, F für Phosphat (Fosfat, schwed.) =
BoB<br />
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
historische Lösungseigenschaften, die mit der Klinik<br />
nichts zu tun haben. Die heutigen Zusatzbezeichnungen<br />
a sowie Zahlenbezeichnung bezieht sich auf die<br />
Stereokonfiguration sowie die Anzahl der Doppelbindungen.<br />
Euler-Chelpin, Hans Karl August Sirnon (Augsburg<br />
1873-1964 Stockholm). Anfänglich Akademie der<br />
Künste <strong>und</strong> Malerei bei Lenbach! Fasziniert durch Farben,<br />
Farbenspektrum usw. Eingang in die Welt der Wissenschaft;<br />
Treffen mit Warburg, Nernst, Planck, Fischer<br />
etc. Nobelpreis für Chemie (Zuckerfermentierung, Fermentenzyme).<br />
Euphorie. Zustand des unkritischen Wohlbehagens;<br />
u. a. typische Nebenwirkung von Morphin.<br />
Euthanasie. Griech. »schöner Tod«, Syn. Sterbehilfe;<br />
therapeutische Auseinandersetzung mit Leiden <strong>und</strong><br />
Tod. Francis Bacon postulierte die Begleitung Sterbender<br />
als noble Aufgabe des Arztes (1605). Hufeland<br />
beschrieb eine ähnliche Haltung mit seiner Opiumtherapie.<br />
Die klassische (<strong>und</strong> naive) Idee des »schönen(?)<br />
Todes« wurde später deformiert - unter dem Einfluss<br />
der Ideen von T.R. Maltbus (1766-1834) bzw. Malthusismus,<br />
Darwin (1809-1882) bzw. Darwinismus, Morel<br />
(1809-1873), Häckels Sozialdarwinismus (1834-1919},<br />
Kräpelin (1856-1926) etc.- etwa durch die Schrift von<br />
Binding (1841-1920) <strong>und</strong> ~ Hoche über die Freigabe<br />
der Vernichtung »lebensunwerten Lebens« (1920), neuerdings<br />
aktualisiert durch Peter Singer (1994) <strong>und</strong> viele<br />
andere. Die nationalsozialistische Revolution (ab 1933)<br />
führte eine entartete Form der Euthanasie in sog.<br />
Tötungsprogrammen durch. Ab 1939 wurde das Fach<br />
»Rassenk<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Rassenhygiene« an allen deutschen<br />
Medizinfakultäten eingeführt. Als aktive Euthanasie<br />
wird die aktive Herbeiführung des Todes, als passive<br />
Euthanasie das Abbrechen intensivtherapeutischer<br />
Massnahmen bezeichnet. Eine andere Einteilung unterscheidet<br />
eine Euthanasie ohne Lebensverkürzung oder<br />
echte Sterbehilfe von einer Euthanasie mit Lebensverkürzung<br />
oder Sterbenachhilfe, die ihrerseits unterteilt<br />
wird in Sterbenachhilfe mit Verzicht auf künstliche<br />
Lebensverlängerung, indirekte Euthanasie mit eventueller<br />
durch Verzicht auf künstliche Lebensverlängerung<br />
herbeigeführten Lebensverkürzung sowie direkte Euthanasie<br />
mit bewusster Verkürzung des Lebens. Die .<br />
moderne Euthanasiedefinition meint, dass sie die Vernichtung<br />
von »lebensunwertem Leben« (Nazijargon) a<br />
priori ausschliessen kann. Nach Meinung des Herausgebers<br />
soll der historisch deformierte Begriff »Euthanasie«<br />
endgültig nur für alle Arten »aktiver« Sterbehilfe<br />
gebraucht werden. Der oben zitierte Begriff der sogenannten<br />
»passiven« Euthanasie kann durch den historisch<br />
<strong>und</strong> politisch unbelasteten Begriff »palliative Therapie«<br />
ersetzt werden. Wird bei einen Patienten mit<br />
inkurabler invasiver Krebserkrankung des Kopfes palliativ<br />
Schmerzen, Nausea <strong>und</strong> Emesis <strong>und</strong> Angst adäquat<br />
behandelt, kommt dies immer einem Verzicht auf<br />
künstliche Lebensverlängerung bzw. Lebensverkürzung<br />
(»Sterbehilfe«) gleich.<br />
EVKA. Abk. für Europäische Vereinigung der Krankenhausapotheker.<br />
Gibt u. a. Richtlinien für Erstellung von<br />
Standardinformationen über Arzneimittel heraus.<br />
evozierte Hirnpotentiale. In Schmerzforschung, Klinik,<br />
perioperatives Monitoring, durch Stimuli auslösbare<br />
Nervenpotentiale; sie können durch somatosensorische,<br />
auditive oder visuelle Nervenreize ausgelöst werden<br />
<strong>und</strong> dann im zu untersuchenden Transmissionsbereich<br />
(Kortex: EEG) des Nervensystems abgegriffen <strong>und</strong><br />
analysiert werden. Die durch den Reiz ausgelöste elektrophysiologische<br />
Antwort kann innerhalb einer gewissen<br />
Latenzzeit (ms) als wellenförmige Potentialveränderung<br />
aufgezeichnet werden (<strong>und</strong> z.B. als Monitoring<br />
in Anästhesiologie <strong>und</strong> Neurochirurgie dienen).<br />
Exkretion. Die Ausscheidung eines Wirkstoffes <strong>und</strong> seiner<br />
(aktiven, nichtaktiven) Metaboliten über Exkretionswege<br />
(Niere, Galle, Muttermilch, Atemwege,<br />
Schweiß, Speichel etc.).<br />
Extracta. Syn.: Extrakte, konzentrierte, auf einen<br />
bestimmten Wirkungswert eingestellte Zubereitungen<br />
aus frischen oder getrockneten Arzneipflanzen: Extraetafluida<br />
(Fluidextrakte}, Extraeta sicca (Trockenextrakte),<br />
Extraeta spissa (flüssigdicke Extrakte).<br />
Extraeta fluida. Fluidextrakte.<br />
Extraktionsmittel. Pharm. Menstruum, Lösungsmittel.<br />
extrapyramidales System. Vorwiegend myostatisches<br />
System für unbewusste Motorik. Vereinfacht 3 Systeme:<br />
phylogenetisch junge motorische Rindenfelder <strong>und</strong><br />
subkortikale Kerne sowie phylogenetisch älterer Koordinationsapparat<br />
der Formatio reticularis.<br />
exzentrische Projektion. Durch Reizung sensibler Nervenfasern<br />
oder Zentralorgane Projektion von beispielsweise<br />
Schmerzen an das periphere Ende der gereizten<br />
Nerven. Versuch, Phantomschmerzen zu deuten.<br />
Exzitationsstadium. Nach ~ Guedel definiertes Erregungsstadium<br />
2 bei Narkoseinduktion per inhalationem.<br />
Exzitotoxizität. Durch Überstimulation von Rezeptoren<br />
exzitatorischer Neurotransmitter ( ~ Glutamat) induzierbare<br />
»Vergiftung« von Nervenzellen; sie wird<br />
erklärt durch die massenhafte Stimulation von ionotropischen<br />
Kanalrezeptoren, die zu einem toxischen Influx<br />
von Ionen ( ~ Kalziumtoxizität} führt. Gründe für eine<br />
durch exzitatorische Transmitter induzierte Nervenzelltoxizität<br />
können sein: Versagen des »Glutamat-reup-take«<br />
durch Astrozyten (vorgeschädigt z.B. durch
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 809<br />
Hypoxie), durch pathologische Ionenverhältnisse in der<br />
extrazellulären Flüssigkeit, erhöhte präsynaptische<br />
Glutamatfreisetzung etc.<br />
f. Abk. für fiat oder fiant (lat. »es werde« [--? »fiat Iux«];<br />
Rezepturk<strong>und</strong>e: »es ist anzufertigen«. Auch: »f.l.a.«<br />
(»fiat lege artis«). Rezepturanfertigung: es möge kunstgerecht<br />
anzufertigen sein.<br />
FABQ. Abk. für Fear-avoidance-beliefs-questionnaire<br />
(s. Buch A).<br />
Fades dolorosa. Schmerzen ausdrückendes Gesicht<br />
(s. Arbeiten von Leriche).<br />
Fanconi, Guido (1892-1979). Hervorragender Zürcher<br />
Pädiater. Zusammen mit A. Wallgren Hrsg. des Lehrbuchs<br />
der Pädiatrie.--? Analgia Fanconi-Ferrazini: Fanconi<br />
beschrieb (mit seinem Tessiner Assistenten Ferrazini)<br />
1957 die kongenitale (möglicherweise autosomalrezessive)<br />
generalisierte Schmerzindifferenz (3 eigene<br />
Fälle sowie 32 Fälle aus der Weltliteratur; der erste Fall<br />
dieses Krankheitsbildes wurde 1932 von G. Van Ness<br />
veröffentlicht). Die betroffenen Patienten überleben oft<br />
trotzfehlendem Schmerz-Alarm-System, weil offenbar<br />
andere- auch intellektuelle- Funktionen z. T. kompensierend<br />
wirken <strong>und</strong> die Analgie offenbar teilweise in<br />
eine Art Hypalgie übergeht. ·<br />
Fasciculus. Bündel von Nervenfasern.<br />
FBN. Engl. Abk. für Federal Bureau of Narcotics (gegr.<br />
1930; USA).<br />
FDA. Abk. für Food and Drug Administration, am.<br />
Behörde (Teil des Department of Health and Human<br />
Services). 1862 beauftragte Präsident Lincoln den Chemiker<br />
Charles M. Wetherill mit einer Abteilung »Chemie«<br />
(einem FDA-Vorläufer) im Rahmen des Landwirt<br />
.schaftsministeriums. 1906 nahm der Kongress die erste<br />
Food and Drug Act an.<br />
Febris. Synonym: Pyrexie, Fieber.<br />
Fechner, G.T. (Gross-Sächen/Preussen 1801-1887). Mit<br />
16 Jahren Medizin/ Anatomiestudium unter Weber an<br />
der Universität Leipzig, danach Studium der Physik <strong>und</strong><br />
ab 1834 Professur für Physik. Nach dem in den Jahren<br />
1851-1860 erarbeiteten, psychophysischen Fechnerschen<br />
Gesetz wächst die Empfindung auf Reiz nicht<br />
linear, sondern logarithmisch. S (Intensität der Stimulation)<br />
= K (Konstante) log I (Intensitätsstimulus) !Io<br />
(Schwellenintensität). Nach schmerzhafter Augenverletzung<br />
<strong>und</strong> Nervenkollaps metaphysisches Zurückziehen<br />
<strong>und</strong> ab 1848 Professur für Philosophie sowie Werk:<br />
1851: »Zend-Avesta«.<br />
11Nanna, oder Ober das Seelenleben der<br />
Pflanzen«<br />
Feuchtwanger, Lion (München 1884-1958 Los Angeles).<br />
Als Deutscher bei Ausbruch des 1. Weltkriegs 1914 in<br />
Tunesien interniert; danach Flucht nach Deutschland<br />
<strong>und</strong> Kriegsdienst, 1933 Emigration nach Sanary-sur<br />
Mer, danach Flucht 1940 über die Pyrenäen, auf der<br />
>>Excalibur« unter falschem Pass »Wetcheek« nach den<br />
USA, beschreibt in seinem autobiographischem Buch<br />
»Le diable en France« die Zusammenarbeit des Petain<br />
Regimes mit den Nazis »Les loups ne se mangent pas<br />
entre eux ... Ce qui gouverne Ia France, ce qui l'a toujours<br />
gouvernee c'est l'esprit du ministre de l'interieur<br />
Fouche« (Anm.: 1759-1820 alias »Königsmörder«).<br />
FGF. Engl. Abk. für »jibroblast growth factor« ( s. Wachstumsfaktoren,<br />
»growth factors«).<br />
FH. Formularium Helveticum (vom schweiz. Apothekerverein<br />
herausgegebene Magistratformeln bzw.<br />
erprobte ärztliche Vorschriften, Rezepte).<br />
Fibromyalgia. Syn.: Fibrositis, myofasziales Schmerzsyndrom,<br />
ein in der Regel im Alter von 20-30 Jahren oft<br />
zyklisches, familiär auftretendes Syndrom von unbekannter<br />
Genese mit lanzettartigen Schmerzen (bevorzugt<br />
im Nacken, Kopf, Schulterblätter, Arme, Kiefergelenk,<br />
aber auch untere Extremitäten), oft in Kombination<br />
mit Fatigue, Schlafstörungen, Restless-leg-Syndrom,<br />
Irritable-bowel-Syndrom, Depression, Morgensteife,<br />
Kälteintoleranz <strong>und</strong> Schwindelanfällen, bei systemischen<br />
<strong>und</strong> chronischen Erkrankungen (RA, systemischer<br />
Lupus erythematodes, chronische Rückenschmerzen,<br />
Whiplash-Trauma etc).<br />
Fibrositis. Syn.: Fibromyalgia, schmerzhafte Zustände<br />
bei pathologischen Erkrankungen der >Weichteile«<br />
(Muskeln, Bindegewebe etc.) im Rahmen des Sammelbegriffs<br />
>> Weichteilrheumatismus«. Siehe Fibromyalgia.<br />
Fick, Adolf (Kassel 1829-1901). Arzt, Erfinder, Mathematiker,<br />
Physiologe. Studium an der Universität Marburg<br />
(wo einer seiner Brüder Professor für Anatomie,<br />
ein anderer Dozent für Jurisprudenz war) <strong>und</strong> Begegnung<br />
mit Carl F. W. Ludwig (1816-1895, Entdecker der<br />
Stromuhr, Erforscher der parasympathischen Ganglien<br />
etc.), einem zukünftigen Mentor <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>. 1849 temporär<br />
zu Studien in Berlin (Bernard Langenbeck, Mauritz<br />
von Romberg, Johann Schönlein, Hermann von<br />
Helmholtz, Johannes Müller, Emil Heinrich --? Du Bois<br />
Reymond etc. [!]),zurück in Marburg Promotion 1851<br />
(Dissertation über Tractus opticus). Folgte Ludwig an<br />
die Universität Zürich 1852-1868, danach als Nachfolger<br />
von Bezold nach Würzburg. Erfinder zahlreicher Messgeräte<br />
(Anaeroidmanometer, Myotonograph, Galvanometer).<br />
Arbeiten über Diffusion (1855: Graham-Fick<br />
Gesetz; 1870: Picks Messungsmethode des Blutquantitums<br />
in den Herzventrikeln). Die von seinen Söhnen<br />
1929 in Zürich begründete »Adolf Fick Stiftung« ehrt<br />
bedeutende Physiologen mit einem Preis.
810 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Fiebermittel. Antipyretisch wirksame Wirkstoffe (Gegensatz:<br />
Pyretika, Pyrogene).<br />
Fields, Howard L. (Chicago *1939). Schmerzforscher,<br />
insbesondere Neurophysiologe, mehrfache internationale<br />
Auszeichnungen (so 1997 F.W.L. Kerr Award, American<br />
Pain Society), zzt. UCSF Medical School.<br />
First-pass-Effekt. Wirkstoffverlust durch Extraktion<br />
<strong>und</strong> Biotransformation während einer ersten Organpassage<br />
(betrifft v. a. Leber-, aber auch Lungenpassage<br />
etc.): der Weg eines i.v. (parenteral) applizierten zentralen<br />
Schmerzmittels beinhaltet die (punktierte, periphere)<br />
Vene, den kleinen Kreislauf <strong>und</strong> dann die Ejektion<br />
vom linken Ventrikel über die Aorta zum Zielorgan<br />
ZNS. In der Regel ist bei dieser Applikationsart die Bioverfügbarkeit<br />
vollständig (Ausnahme: gewisse Opioide,<br />
die pulmonal extrahiert werden!). Bei p.o.-Applikation<br />
erreicht der Wirkstoff über den Magen-Darm-Trakt<br />
(Extraktion <strong>und</strong> Elimination durch Intestinalwand<br />
möglich) über die Venen zur Leber (Extraktion <strong>und</strong> Elimination<br />
durch Leber: erste Leberpassage bzw. Firstpass-Effekt)<br />
über den kleinen Kreislauf (pulmonale<br />
Extraktion <strong>und</strong> Bioelimination möglich) den linken<br />
Ventrikel, von wo er ins Zielorgan ZNS transportiert<br />
wird. Entsprechend diesen potentiellen Extraktions<strong>und</strong><br />
Eliminationsverlusten ist in der Regel die Bioverfügbarkeit<br />
bei p.o.-Gabe reduziert <strong>und</strong> es müssen deshalb<br />
peroral höhere Dosen gewählt werden, um eine<br />
gleiche, zentrale Plasmakonzentration wie bei i.v.-Gabe<br />
zu errreichen.<br />
Flagg, Paluel (1886-1970 ). Am. Anästhesist: » The art of<br />
anesthesia« (Lippincott, Philadelphia 1939) <strong>und</strong> » The<br />
art of resuscitation«. Nicht zu verwechseln mit dem am.<br />
Anästhesiepionier Josiah F. Flagg (1851: Publikation<br />
über Äther <strong>und</strong> Chloroform in der täglichen Anästhesiepraxis).<br />
Paluel Flagg gründete 1933 die »Society for<br />
the prevention of asphyxial deaths« (eine spitalinterne<br />
Einsatztruppe für Wiederbelebung) in einer Zeit, wo bei<br />
einem Herzstillstand im Operationssaal in der Regel<br />
noch die lokale Feuerwehr <strong>und</strong> Polizei in den Operationssaal<br />
gerufen wurde.<br />
Flechsig, Paul (Zwickau 1847-1929 Leipzig). Btd. Psychiater,<br />
Neurologe <strong>und</strong> Hirnforsch er. »Plan des menschlichen<br />
Gehirns« (1883) <strong>und</strong> »Die Lokalisation der geistigen<br />
Vorgänge« (1896).<br />
FMH. Abk. für Foederatio Medicorum Helveticorum.<br />
( Privatrechtliche) Fachärztegesellschaft der Schweiz.<br />
fMRI. Abk. für »funktionelle Magnetresonanztomographie«,<br />
hier wird über rasche Änderungen starker äußerer<br />
Magnetfelder die Änderung von Elektronenspins<br />
nachweisbar. Bei fMRI-Untersuchungen des ZNS ist<br />
dabei auch die Gewebeperfusion mit Sauerstoff untersuchbar,<br />
da sauerstoffarmes Blut anders reagiert als<br />
sauerstoffreiches (sog. BOLD-Effekt, »blood-oxygenation<br />
-level-dependent -effect «).<br />
Förster, Otfried (Breslau 1873-1941). Bedeutender dt.<br />
Neurologe, Neurochirurg <strong>und</strong> Psychiater; Konsiliarius<br />
bei der Behandlung Lenins (1922-1924). Fre<strong>und</strong>schaftlicher<br />
Gedankenaustausch mit Oscar ~ Vogt. Postulierte<br />
zentrale Schmerzkontrollmechanismen ( ~ Gate-control!)<br />
<strong>und</strong> als erster~ absteigende Schmerzhemmbahnen<br />
in: »Die Leitungsbahnen des Schmerzgefühls <strong>und</strong><br />
die chirurgische Behandlung der Schmerzzustände«<br />
(1927); »Die Physiologie <strong>und</strong> Pathologie der Koordination«<br />
(1902). Arbeiten über spezielle Anatomie <strong>und</strong> Physiologie<br />
der peripheren Nerven sowie Zytoarchitektur<br />
des Kortex (1936).<br />
Fol. Abk. für (lat.) Folia, Blätter.<br />
Foramen-lacerum-Syndrom. Syn.: Jefferson-Syndrom,<br />
einseitige Kopfschmerzen mit peripheren neurologischen<br />
Ausfällen bei Carotis-interna-Aneurysma.<br />
Foramen-magnum-Syndrom. Kopfschmerzen, zentrales<br />
Erbrechen, periphere neurologische Dysfunktionen<br />
bei neoplastischen Verdrängungen im Foramenmagnum-Bereich.<br />
Fordyce, Wilbert (Washington *1923). Am. Schmerzforscher,<br />
Mitarbeiter der multidisziplinären Schmerzklinik<br />
in Seattle ( ~ John Bonica), Mitgründer der~ IASP.<br />
Foregger, Richard von (Wien 1872-1960 N.Y.). Korpsstudent<br />
in München, Stuttgart <strong>und</strong> Bern (Dr. ehern.<br />
1896); 1889 in die USA zu General Electric (u. a.<br />
Zusammenarbeit mit Karl Steinmetz, später mit Rössler<br />
bei Hasslacher Chemical & Co in NewYork).1914 Gründung<br />
der eigenen Firma »The Foregger Company« mit<br />
Erfindung/Herstellung von Sauerstoffgeneratoren<br />
(1906), zusammen mit Ralph Waters des To-and-fro<br />
Systems mit C0 2 -Absorption (1923), Flowmeters (Rotameter<br />
wurden in Deutschland durch Dräger schon 1910<br />
in Verkehr gebracht), Kreissystems (Helmuth Schmidt<br />
[1895-1979] <strong>und</strong> Hans Killian [1892-1982] machten ihn<br />
während ihres USA-Besuchs 1928 auf die deutschen<br />
Dräger-Kreissysteme aufmerksam) sowie Tuben (in<br />
Zusammenarbeit mit Waters, John Adriani [1907-1988]<br />
<strong>und</strong> Emery A. Rovenstine [1895-1960]) sowie ein Foregger-Folding-Laryngoskops<br />
mit geradem Spatel (1941).<br />
Später, als die Foregger-Apparate in der US-Army eingeführt,<br />
wegen technischer Mängel kritisiert wurden,<br />
machte die Firma pleite <strong>und</strong> wurde aufgelöst.<br />
Formalintest. Die s.c. Injektion von verdünntem Formalin<br />
in eine Pfote. Die Reaktion ist zweiphasisch:<br />
Phase 1 = Sofortreaktion (Dauer bis 10 min; Pfotenschütteln,<br />
Lecken), Phase 2 = Spätreaktion (nach einer<br />
Ruhephase; ebenfalls Pfotenschütteln, Lecken; Dauer<br />
bis 6o min). Die 1. Phase reflektiert eine Sensibilisierung<br />
der peripheren Nazisensoren mit hohem spinalem
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 811<br />
nozizeptivem Input bzw. Glutamatfreisetzung; die 2.<br />
Phase reflektiert eine spinale Hypersensibilisierung<br />
durch die während der 1. Phase induzierten akuten, spinalen<br />
Glutamatfreisetzung mit konsekutiver Barrage<br />
bzw.längeranhaltender spinaler Aktivität (wind-up ).<br />
Formatio reticularis. Phylogenetisch alte, wichtige<br />
Koordinationsstelle vitaler Funktionen zwischen Hirnstamm<br />
einerseits <strong>und</strong> kortikalen, subkortikalen, limbisehen<br />
Stellen andererseits. U.a. Weckreaktionszentrum:<br />
1949 führten die Physiologen Moruzzi u. Magoun EEG<br />
Untersuchungen am Versuchstier mit hoher mesenzephaler<br />
Hirndurchtrennung (Mesenzephalon vom Kortex<br />
getrennt; »cerveau isoh~« nach Bremer) durch: eine<br />
elektrische Stimulation der Formatio reticularis (FR)<br />
blieb ohne Wirkung auf das EEG. Beim Versuchstier mit<br />
intakter Verbindung zum Kortex (»encephale isole«)<br />
liess sich hingegen eine EEG-Folge darstellen, die dem<br />
Kurvenbild einer »Weckreaktion« glich. Durch Reizung<br />
der FR wurden die langsamen hohen Schlafwellen des<br />
Versuchtstiers (Katze) in niedrige Wellen umgewandelt.<br />
Magoun nannte dieses Phänomen »activating system«<br />
(Moruzzi u. Magoun 1949; s. auch Buch A).<br />
Fothergill-Syndrom. Syn.: für Trigeminusneuralgie,<br />
nach S. Fothergill (1804).<br />
Fox, Charles (1882-1927). Bedeutender frz. Neurologe<br />
(Arbeiten über Substantia nigra <strong>und</strong> Parkinsonismus,<br />
Myoklonusmechanismen etc.) <strong>und</strong> Poet.<br />
FPY. Abk. für Fear of Pain Questionnaire (s. Buch A).<br />
Frazier, Charles Harrison (1870-1936). Bedeutender<br />
am. neurochirurgischer Pionier ( Schmerzzustände bzw.<br />
Trigeminusneuralgie; Chordotomie).<br />
freie Radikale. Atome oder Moleküle, die dank freier<br />
Elektronen sehr reaktiv sind <strong>und</strong> Gewebestrukturen<br />
oxidativ schädigen.<br />
Freinamen. Siehe INN. Der Gebrauch von Freinamen ist<br />
in der täglichen Praxis unterschiedlich. Auf Schul- <strong>und</strong><br />
Lehrebene werden in der Regel ausschließlich Freinamen<br />
verwendet; der Gebrauch von ~ Marken- bzw.<br />
Handelsnamen in Publikationen ist verpönt (Vancouver-Protokoll<br />
des Komitees internationaler Herausgeber<br />
von Medizinalfachzeitschriften). An kleineren<br />
Spitälern <strong>und</strong> in der Praxis wird hingegen der Freinamen<br />
oft nicht einmal verstanden. »Pethidin hat diesem<br />
Patienten nichts genützt; versuchen Sie' s doch einmal<br />
mit Dolantin.«<br />
Fremdreflex. Polysynaptischer Reflex.<br />
Freud, Sigm<strong>und</strong> (Freiberg/Mähren 1856-1939). Bedeutender<br />
Österreich. Arzt <strong>und</strong> Forscher, durch Goethes<br />
»Die Natur« zur Medizin gekommen. Mit Bruck in Wien<br />
histologische Arbeiten über das Nervensystem. Später<br />
Neuropathologe am Allgemeinen Krankenhaus in<br />
Wien. Begründer der Psychoanalyse, über J, Breuer<br />
(Studien über Hysterie) auf »kathartische« Verfahren<br />
(z.B. Hypnose = Erweiterung des Bewusstseins) aufmerksam<br />
geworden. Fre<strong>und</strong> von Carl ~ Koller, explorierte<br />
an sich selbst Kokain in der Hoffnung, ein Mittel<br />
gegen Nervenkrankheiten zu finden (»Ueber Coca«<br />
1884).<br />
Fre<strong>und</strong>-Adjuvans. Durch Hitze abgetötetes Mycobacterium<br />
butyricum in Mineralöl. Durch Injektion des<br />
Fre<strong>und</strong>-Adjuvans (benannt nach dem Bakteriologen<br />
Fre<strong>und</strong>, Lebensdaten nicht bekannt) wird im Tierversuch<br />
eine arthritische Gewebereaktion ausgelöst, die als<br />
Testmodell für antiphlogistische Wirkstoffe dient.<br />
Frey,Max[imilian] von (Salzburg 1852-1932 Würzburg).<br />
Bedeutender Organpathologe <strong>und</strong> Sinnesphysiologe<br />
(Leipzig, Zürich, Würzburg). Übertrug Descartes-Konzept,<br />
des später von Johannes ~ Müller als spezifische<br />
Sinnesenergietheorie formulierten Gesetzes, auf einzelne<br />
afferente Nervenfasern <strong>und</strong> Rezeptoren (Meissner<br />
Korpuskel, Krause, Ruffini etc.). Nach ihm benannt:~<br />
von Frey-Haare 1896.<br />
Friedreich, Nikolaus (1825-1882). Bedeutender dt. Neuropathologe<br />
(progressive Muskelatrophie, spinale Ataxie<br />
etc.).<br />
Frontotomie. Syn.: für Leukotomie.<br />
Fruct. Abk. Lat. für Fructus, Frucht.<br />
Fugu-Fisch. Siehe Tetrodotoxin, Sushi -Spezialität, zubereitet<br />
aus einem der zahlreichen - überfischten <strong>und</strong><br />
deshalb artengefährdeten - Fugu-Fischen des japanischen<br />
Meeres. Fugu-Fische (Kugel-Mondfische) »blasen«<br />
sich ballonartig bei Feindkontakt auf (Aushängeschild<br />
von Fugu-Speiserestaurants). In Japan dürfen<br />
nur spezialisierte Köche die Fische zubereiten (Toxizität<br />
je nach Gattung, Plankton-Nahrung <strong>und</strong> Organ [Ovarien,<br />
Leber]). Trotzdem starb noch vor wenigen Jahren<br />
ein berühmter Kabuki-Schauspieler nach einer Mahlzeit<br />
in einem renommierten Fugu-Restaurant. Die<br />
Fugu-Intoxikation ist eine ~ Tetrodotoxin-Intoxikation<br />
(vergleichbar einer irreversiblen Curareintoxikation,<br />
im Anfangsstadium oft eine physiologisch unerklärbare<br />
Hypertensionsphase ).<br />
Fugu-Plan. Japanischer, teilweise realisierter Plan, den<br />
aus Europa flüchtenden Juden ein Ghetto in der japanisch<br />
okkupierten Mandschurei anzubieten.<br />
Fueloep-Miller, R. Anästhesist publizierte 1938 ein Buch<br />
über die Geschichte der Anästhesiologie: »Triumph over<br />
pain« (Literary Guild of America, New York).<br />
Fumigator. Ein im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert in englischen Wiederbelebungssetsvorhandenes<br />
Instrument, Tabakrauch<br />
zur Stimulation der Atmung rektal einzublasen.<br />
Funk, Casimir (Warschau 1884-1967 New York). Polnischer<br />
Biochemiker, gr<strong>und</strong>legende Arbeiten über Vita-
812 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
minmangelerkrankungen, wie u. a. Beriberi, führte 1911<br />
den Namen »Vitamine« ein.<br />
GABA. Engl. Abk. für »gamma-amino-butyric-acid« ( y<br />
Aminobuttersäure; H 2 N-CH 2 -CH 2 -CH 2 -COOH; M,:<br />
103,12); nichtproteinogene Aminosäure, aus L-Glutaminsäure<br />
biosynthetisiert (Decarboxylierung). 1950<br />
durch Eugene Roberts im ZNS nachgewiesen. GABA<br />
Rezeptoren: Subtypen GABA-A, GABA-B. Das GABA<br />
System ist das wichtigste Hemmsystem des ZNS.<br />
GAD. Abk. für Glutamat-Decarboxylase: das~ GABAsynthetisierende<br />
Enzym.<br />
Galaktorrhö. Pathologischer Milchfluss, s. ~ UAW D,, 2 -<br />
Antagonisten.<br />
Galanin. Neuropeptid des C-Fasersystems, die Galaninsynthese<br />
wird bei Schädigung peripherer Nerven »upreguliert«,<br />
die Funktion von Galanin auf spinaler Ebene<br />
ist wahrscheinlich die Hemmung der Nozitransmission,<br />
z.Z. werden 3 Galaninsubrezeptoren ( GAL-,) beschrieben.<br />
Galen, von Pergamum (Bergama/Kleinasien [Standort<br />
des Schreines des Heilgottes Aeskulapius <strong>und</strong> Medizinschule]<br />
~130-~2oo n.Chr.). Nach ~ Hippakrates<br />
berühmtester Arzt des Altertums. Ausbildung u. a. in<br />
Smyrna; Besuch der Medizinfakultät von Alexandrien.<br />
157 Chefarzt der Gladiatoren, 161 Reise nach Rom. Ab<br />
168 Arzt des Kaisersohnes Commodus. Publizierte H<strong>und</strong>erte<br />
von Schriften über Medizin, Philosophie <strong>und</strong><br />
Drama. Tieranatomiestudien. Wiesanhand von Tierexperimenten<br />
die Wichtigkeit des Rückenmarks für die<br />
Extremitätenmotorik nach. Puls als diagnostisches Mittel.<br />
Im Mittelalter wurde sein Text dank Übersetzung<br />
durch die ~ arabische Medizinschule vor dem Vergessen<br />
gerettet. Nach Galen benannt ist der in Frankreich<br />
verliehene Preis »Prix Galien de la recherche pharmaceutique«<br />
(»Galenpreis«).<br />
Galenik. Nach dem griech.-römischen Leibarzt des Kaisers<br />
Mare Aurel ~ Galen (130-199 n. Chr.) benannte<br />
Lehre von der Formgebung der Arzneimittel.<br />
Gall, Franz Joseph (Tiefenbrunn/Baden 1759-1828<br />
Paris). Abschluss des Medizinstudiums 1785 in Wien;<br />
von 1807 bis zu seinem Tod in Paris. Lehrte die Wissenschaft<br />
der »Phrenologie« (phrenos = der Geist), eine<br />
prinzipiell neue Wissenschaftsrichtung, die postulierte,<br />
dass geistige Vorgänge sich vorwiegend in speziellen<br />
Hirnabschnitten abspielten (prinzipiell korrekt) <strong>und</strong><br />
sich indirekt somit »kraniometrisch« oder »anthropometrisch«<br />
nachmessen Iiessen (methodologischer Fehler!).<br />
Bei entsprechenden geistigen Fähigkeiten wären<br />
die entsprechenden Hirnabschnitte somit übergross<br />
entwickelt <strong>und</strong> dies wiederum würde sich am Schädel<br />
durch entsprechende Schädelformen nachweisen (Kraniometrie).<br />
Darüber schrieb Gall ein sechvolumiges<br />
Opus: »Sur les fonctions du cerveau«. Gall hatte als einer<br />
der ersten richtigerweise postuliert, dass das Hirn bzw.<br />
gewisse Hirnabschnitte einziger Sitz intellektuell-geistiger<br />
Funktionen ist. In diesem Sinne ist Gall ein Pionier<br />
der modernen ZNS-Forschung. In der Folge entwickelte<br />
sich aber die Phrenologie auf methodologisch von<br />
der Schulmedizin nicht anerkannten Pfaden - <strong>und</strong><br />
artete später in verpolitisierten Verirrungen aus,: z. B.<br />
im viktorianischen England ( orthognathischer Herrenmensch<br />
vs. prognathischer Untermensch in den<br />
Kolonien), im 3. Reich (die Schädel von ermordeten KZ<br />
Insassen wurden u. a. im Anatomieinstitut der Universität<br />
Strassburg auf »typische jüdisch-kommunistische<br />
Merkmale« vermessen) <strong>und</strong> beispielsweise in Italien,<br />
wo durch Cesare Lombroso (Verona 1835-1909 Turin)<br />
die »Stigmata« des »Uomo delinquente« (z.B. Diebe<br />
haben »lange Finger«) in der »Anthropologie der Kriminalistik«<br />
eingesetzt wurden. Im Volksm<strong>und</strong> immer<br />
noch nachwirkend: »er hat eine Denkerstirn« »sein<br />
Kinn weist auf Durchstehvermögen hin«. Vermessung<br />
des Fotos von Rasputin etc. Noch 1934 wurde an der<br />
Century of Progress Exposition in Chicago eine<br />
Maschine namens »Psychograph« dem begeisterten<br />
Publikum vorgestellt. Es sind neuerdings Bestrebungen<br />
im Gange, die sektiererische »Pseudowissenschaft<br />
Phrenologie« entsprechend zu entrümpeln <strong>und</strong> methodologisch<br />
zu rehabilitieren.<br />
Gamma-Fasern, y-Fasern. 6-8 pm dicke, hochmyelinisierte<br />
Fasern mit hoher Leitungsgeschwindigkeit<br />
(40 m/s). Funktion: intrafusale motorische Efferenzen.<br />
Ganglion. Spinalganglion, das Nervenganglion der dorsalen<br />
Wurzel der Spinalnerven, bestehend aus unipolarem<br />
Nervenzellkörper der Primärafferenzen (früher<br />
auch: Ganglion sensorius). Ganglion geniculatum, das<br />
Ganglion des Fazialnerven, situiert am Geniculum<br />
nervi fascialis. Ganglion nodosum: kaudales Vagusganglion,<br />
ein unipolares Neuron mit zentraler Projektion<br />
in die Medulla sowie peripher in verschiedenen<br />
Vagusästen. Ganglion spirale, das Ganglion des Kochlearnerven<br />
mit Projektion vom Kochlearhaarapparat<br />
zum Kochlearkern im Hirnstamm. Ganglion trigeminale<br />
Gasseri semilunare, das Ganglion der sensorischen<br />
Fasern (Radix sensoria) des N. vagus (in der Dura<br />
mater im trigeminalen Sulkus des vorderen Felsenbeins<br />
des Schläfenknochen gelegen). Siehe Buch A.<br />
Gasser, Herbert Spencer (Platteville/Wisconsin 1888-<br />
1963). Nach Medizinstudium (Johns Hopkins Medical<br />
School, 1915), Forschung in Pharmakologie <strong>und</strong> Physiologie<br />
mit~ Erlanger, 1921. Buropaaufenthalte 1923-1925<br />
( ~ Sir Henry Dale, Lapicque, Straub, Nobelpreisträger<br />
Sir A.V. Hill, 1886-1977). 1935-1953 Direktor des RockefeHer<br />
Institute for Medical Research. Vielfache akademische<br />
Ehren. Publizierte zusammen mit Joseph Erlanger<br />
1927: » The role played by the sizes of the constituent fib-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 813<br />
res of a nerve trunk in determining the form of its action<br />
potential wave«. Beide erhielten 1944 den Nobelpreis<br />
für ihre Nervenforschung.<br />
Gate-Control-Theorie. Engl. gate: Tor, Theorie nach ---1<br />
Melzack <strong>und</strong> ---1 Wall (1965), nach der die Übertragung<br />
afferenter Signale im Hinterhorn durch spezielle Bahnungs-<br />
<strong>und</strong> Hemmungsmechanismen kontrolliert wird.<br />
Rasch leitende mechanozeptive (»Berührungssinn«)<br />
Ap-Fasern können auf spinaler Höhe (Substantia gelatinosa)<br />
eintreffende nozizeptive »Inputs« hinuntermodulieren<br />
bzw. hemmen, so dass Zentripedale oder reflektorische<br />
Impulse an die entsprechenden Zielzellen (»target<br />
cells«) moduliert werden können. Diese Art »Gegenirritation«<br />
wird durch elektrische Stimulationsverfahren<br />
ausgenützt (TENS etc., s. Buch A).<br />
Gates M. <strong>und</strong> Tschudi G. Führten die umständliche,<br />
über mehrere Schritte ablaufende, erste Vollsynthese<br />
von Morphin aus (1952).<br />
GCP. Abk. Good Clinical Practice ---1 Gute Klinische<br />
Praxis.<br />
Gehirn + antipyretische Analgetika. Siehe zentrale<br />
Schmerzmodulation, Temperaturregulation, Schlafregulation,<br />
zentrale induktive COX-2; Buch D <strong>und</strong> BuchE.<br />
Gelpke, Rudolf (1928-1972). Nach Studium des Islams<br />
(v. a. iranische Kultur) mit Doktorat an der Universität<br />
Basel (1957) Arbeiten an den Universitäten in Teheran,<br />
Bern <strong>und</strong> Los Angeles. Beschrieb u. a. die Beziehungen<br />
zwischen Kulturen <strong>und</strong> Genussmittel <strong>und</strong> Drogen<br />
(»Vom Rausch im Orient <strong>und</strong> Okzidenz«), so »von Fahrten<br />
in den Weltraum der Seele: Berichte über Selbstversuche<br />
mit Delysid (LSD) <strong>und</strong> Psilocybin« (1962), die er<br />
u. a. in der Wohnung von ---1 Werner Hügin unternahm<br />
<strong>und</strong> danach akribisch beschrieb (s. auch Hofmann).<br />
Gelpke starb 43-jährig an einem Schlaganfall bei Hirnaneurysma.<br />
Genablesung. Wird eine Nervenzelle repetitiv mit nozizeptiven<br />
Reizen stimuliert, wird eine intrazelluläre<br />
Reaktionskaskade mit Hilfe von »second messengers«<br />
usw. bis zum Kern induziert, wo gewisse Gene (die sog.<br />
»immediate-early-genes«, lEG) aktiviert werden, die<br />
ihrerseits die Synthese wichtiger Bestandteile für die<br />
neuronale Funktion ankurbeln (Beispiel: Produktion<br />
von Neurotransmittern, s. Buch A).<br />
Generika. Aus dem Patent entlassene Fertigarzneimittel,<br />
die unter dem entsprechenden Freinamen ( ---1 INN)<br />
erhältlich sind. Definitionsgemäß muss ein Generikum<br />
dem Originalpräparat identisch sein.<br />
Genregulation. Steuerung der Informationsabgabe<br />
eines Gens zur Steuerung der Synthese des zugehörigen<br />
Genprodukts. Mutationen der Genregulation führen zu<br />
einem regulativen Fehlverhalten der Zelle. Die Genre-<br />
gulation steuert die Genaktivierung bzw. das spezifische<br />
Wirksamwerden von Genen in Abhängigkeit von<br />
biochemischen <strong>und</strong> biophysikalischen Zuständen des<br />
Zytoplasmatischen Substrats.<br />
Gerbershagen, Hans Ulrich (Siegen *1937). Prof. Dr.<br />
med. Studium in Wien <strong>und</strong> Marburg (Promotion 1964).<br />
Ausbildung in Anästhesiologie sowie Lungen- <strong>und</strong> Nierenphysiologie<br />
(Salt Lake City, Universität Washington/Seattle).<br />
Nach der Facharztausbildung 1970 Weiterbildung<br />
in Schmerzmedizin bei ---1 Bonica (Seattle) <strong>und</strong><br />
Lungenphysiologie (Habilitation, 1972); Gründungsmitglied<br />
der ---1 IASP sowie der ---1 DGSS; Leiter der ersten<br />
dt. multidisziplinären Schmerzklinik an der Universität<br />
Mainz; seit 1982 ärztlicher Direktor <strong>und</strong> leitender Arzt<br />
am DRK-Schmerz-Zentrum in Mainz; zahlreiche Publikationen<br />
( u. a. über die Chronifizierung als dynamischer<br />
Krankheitszustand etc.); vielfache Auszeichnungen<br />
<strong>und</strong> Ehrungen, u.a. Henri-Leriche- <strong>und</strong> Carl-Ludwig-Schleich-Preis<br />
<strong>und</strong> Preis der New York. Society of<br />
Anesthesiologists, B<strong>und</strong>esverdienstkreuz etc.<br />
Gerhardt, Carl (1816-1856). Chemiker in Strassburg,<br />
bereitete den Boden für die moderne Valenztheorie mit<br />
seiner sog. »Typenlehre« (1853) vor. Er synthetisiert<br />
zum erstenmal Acetylsalicylsäure, allerdings in einer<br />
unstabilen <strong>und</strong> somit die Fachwelt nicht interessierenden<br />
Form. Die moderne Synthese von Acetylsalicylsäure<br />
wurde durch ---1 Felix Hoffmann 1897 durchgeführt.<br />
Gesichtssympathalgie. Syn.: Gesichtsschmerz, Prosopalgie.<br />
Geigy. Die Vorgeschichte der Fa. Geigy geht auf die Drogenwarenhandlung<br />
des Johann Rudolf Geigy (ursprünglich<br />
ostschweizerisch »Gügy«), aus einer Barbier-<br />
<strong>und</strong> Chirurgenfamilie stammend, an der Fre'ien<br />
Strasse Basel im Jahre 1758 zurück. 1859 wurde die Anilinfarbenproduktion<br />
am Riebenteich aufgenommen.<br />
Fruchtbare familiäre Verknüpfungen (Familien Bernoulli,<br />
Sarasin, Heusler, Koechlin, Merian, Schlumberger,<br />
Hagenbach, Iselin etc.). Der Schweizer Paul Müller<br />
(1899-1965), Chemiker bei Geigy, erhielt 1948 den<br />
Nobelpreis für das unterdessen weltweit verbote.n.e<br />
Insektizid DDT.<br />
Giga. Abk. G, dezimales Vielfaches in der Ordnung 1o9.<br />
Gillman, Alfred G. (New Haven/Conneticut *1941). Eminenter<br />
am. Pharmakologe; er hat 1994 zusammen mit<br />
dem Amerikaner Martin Rodbell (Leiter der Abteilung_<br />
»Signalübertragung« im Research Triangle Park, North<br />
Carolina) den Nobelpreis für Arbeiten über Zellkommunikation<br />
<strong>und</strong> im Speziellen der Entdeckung der ---1<br />
G-Proteine erhalten.<br />
Glässner, Martin Fritz (Aussig 1906-1989 Australien).<br />
Nach dem Anschluss Österreichs in Wien verhaftet
814 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
<strong>und</strong> u. a. zum Fensterputzen in Armee- <strong>und</strong> anderen<br />
Baracken verurteilt, dann durch glückliche Umstände<br />
freigelassen. Er emigrierte. Weltberühmter Mikropäläontologe<br />
<strong>und</strong> Geologe; u. a. » The dawn of animallife«.<br />
GLOA. Abk. für ganglionäre lokale Opioidanalgesie<br />
(s. Buch Kinetik).<br />
Globuli. Vaginalkugeln (Ovula).<br />
Glossodynie. Schmerzhafte Parästhesie im Zungenbereich.<br />
Verschiedene Ursachen: u. a. Glossopharyngeusneuralgie.<br />
GLPR. Engl. Abk. für Good Labaratory Practice Regulations.<br />
Definiert zugelassene In-vitro- <strong>und</strong> In-vivo-Tests<br />
(Tierversuche) im Laboratorium, bevor ein neuer Wirkstoff<br />
in die klinische Prüfung kommt.<br />
Glutamat. Salz der Glutaminsäure; wichtigster exzitatorischer<br />
Neurotransmitter des ZNS; bewirkt Hypo- oder<br />
Depolarisation von Nervenzellen über erhöhte Permeabilität<br />
von Kationen (K+, Na+, Ca2+). Postuliert werden<br />
z.Z. 3 Subtypen der ionotropischen (Na+, CaH) Glutamatrezeptoren.<br />
Die extrazelluläre Glutamatkonzentration<br />
im ZNS beträgt o,6 Jlmol/1, die intrazelluläre Konzentration<br />
jedoch ca. 10 mmol!l. Erhöht sich die extrazelluläre<br />
Glutamatkonzentration > 2 Jlmol/1, besteht die<br />
Möglichkeit einer zentralneuronalen ~ Exzitotoxizität<br />
mit intrazellulärer Ionenakkumulation aufgr<strong>und</strong> der<br />
Aktivierung zuvieler ionotropischer Glutamatrezeptoren.<br />
Daneben werden verschiedene intrazelluläre Reaktionskaskaden<br />
(Phospholipase-A 2 - <strong>und</strong> Prostaglandin<br />
Kaskade, NO-Synthase, Proteinkinase C etc.) aktiviert.<br />
Eine Glutamat-induzierte Exzitototoxizität wird in vielen<br />
akuten (Muschelvergiftung durch Mytilotoxine,<br />
akutes posttraumatisches Hirnödem etc.) <strong>und</strong> chronisch-degenerativen<br />
Erkrankungen (M. Huntington,<br />
kognitivmotorische Dysfunktion bei Aids etc.) des ZNS<br />
partiell diesem physiopathologischem Mechanismut><br />
zugeschrieben, teilweise durch Glutamatfreisetzung aus<br />
geschädigten Nervenzellen <strong>und</strong> Astrozyten (s. Buch A).<br />
Glutamat wird auch als Geschmacksverstärker in der<br />
»industriellen Gastronomie« verwendet.<br />
Glutathion. Glutathionsulfhydryl, GSH; biomembranschützendes<br />
Tripeptid (Beispiel: Erythrozyten). Die<br />
Rolle von Glutathion im ZNS ist unklar (mögliche Neurotransmitterfunktionen).<br />
Glycin. Glykokoll; nichtessentielle Aminosäure, Abk.<br />
Gly, H 2 N-CH 2 -COOH; Mr 75,1. In Gelatine <strong>und</strong> Seidenfibroin<br />
vorgef<strong>und</strong>en. Zentraler Neurotransmitter mit.<br />
hemmender Wirkung (Zielrezeptoren: ~ NMDA<br />
Rezeptoren <strong>und</strong> Chloridionenkanäle: s. Buch A).<br />
GMCSF. Engl. Abk. für Granulozyten-Makrophagen<br />
Kolonie-stimulierende Faktoren (s. Buch D: Agranulozytose).<br />
GMP. Engl. Abk. für Good Manufacturing Practice<br />
(1963, WHO). Richtlinien zur Sicherung der Qualität<br />
von Arzneimitteln in Bezug auf die Herstellung (quality-control<br />
of drugs ): Draft requirements for good<br />
manufacturing practice in the manufacture and quality<br />
control of drugs and pharmaceutical specialities. Für<br />
die korrekte Lagerung sowie den Transport von Arzneimitteln<br />
wurden Empfehlungen der FIP unter dem<br />
Namen »Good storage practice« verfasst.<br />
gnostische Sensibilität. Syn.: für epikritische Sensibilität,<br />
umfasst feinere Temperatur-<strong>und</strong> Berührungsempfindungen,<br />
also Bewegungssinn, Stellungssinn, Kraftsinn,<br />
Formsinn.<br />
Godtfredsen-Syndrom. Einseitige Trigeminusneuralgie;<br />
differentialdiagnostisch zu unterscheiden von einseitiger<br />
Trigeminusneuralgie kombiniert mit dem Horner-Syndrombei<br />
z.B. Malignomen des Nasen-Rachen<br />
Raumes.<br />
Goldscheider, A. (1858-1935). Hervorragender Lehrer<br />
<strong>und</strong> Forscher der Inneren Medizin (Ataxie, Epidermiolysis<br />
bullosa heredetaria, Perkussion <strong>und</strong> Auskultation,<br />
Sportmedizin, Schmerzmedizin u.a.) sowie Sinnesphysiologie.<br />
Er bestätigte Müllers Lehre (1826) von den spezifischen<br />
Energien der Sinnesorgane, unabhängig von<br />
G. Blix, 1884, mit dem Postulat von spezifischen Kälte-,<br />
Wärme- <strong>und</strong> Drucksensoren. Publizierte 1920: »Das<br />
Schmerz-Problem« (<strong>Springer</strong>, Berlin).<br />
»Der Schmerz ist ein hartes, aber nützliches<br />
Gesetz der Natur. Allein wie jedes<br />
Naturgesetz ist er in seiner Konsequenz<br />
unbeugsam, in seiner Rücksichtslosigkeit<br />
blind <strong>und</strong> daher brutal <strong>und</strong> grausam. Er<br />
erscheint nicht bloss als wohltätiger Warner,<br />
sondern auch als nutzloser Quller.«<br />
Goldstein,A. (New York *1919). Eminenter Pharmakologe<br />
<strong>und</strong> Neurobiologe (Harvard <strong>und</strong> Stanford Universität;<br />
nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls dt.-stämmigen<br />
bedeutenden Neurologen Kurt Goldstein,<br />
1878-1965). U.a. 1968: »Principles of drug action«. Siehe<br />
auch Dynorphinfamilie.<br />
» Why would God have made opiate receptors<br />
unless he bad also made an endogenaus<br />
morphine-like substance?«<br />
Golgi, Camillo (Cortena 1843-1926). Anatom <strong>und</strong><br />
Pathologe in Pavia, Nobelpreis mit ~ Cajal, 1906, für<br />
Neuronentheorie. Die Golgi-Mazzoni-Körperchen (Syn.<br />
corpuscula bulboidea) sind in verschiedenen Geweben<br />
vorkommende druckempfindliche Lamellenkörper-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 815<br />
chen, die wahrscheinlich auch als Kälterezeptoren funktionieren.<br />
Gordh, T. {*1907). Schwed. Anästhesist, führte Lidocain<br />
<strong>und</strong> die nach ihm benannte Gorcisehe Verweilkanüle in<br />
die Klinik ein. Sein Sohn T.H. Gordh jr. ist ebenfalls<br />
Anästhesist <strong>und</strong> Schmerztherapeut<br />
G-Proteine. Familie von Proteinen (Namengebung:<br />
Guanin Nukleotid Proteine), die von aktivierten Zellmembranrezeptoren<br />
erkannt werden (spezifische,<br />
intrazelluläre Domain- bzw. Rezeptorabschnitte) <strong>und</strong><br />
in die transmembranöse Signaltransduktion involviert<br />
sind. Es werden stimulierende oder hemmende G<br />
Zellmembranproteine (Gi = inhibitorisch, Gs = stimulierend;<br />
Nobelpreis A.F. ~ Gilman <strong>und</strong> M. Rodbell,<br />
1994) sowie 3 Untereinheiten (a-, ß- <strong>und</strong> y- Teil) unterschieden.<br />
Entsprechend dem aktivierten Subrezeptortyp,<br />
der aktivierten G-Proteinsubeinheit, werden verschiedenste,<br />
intrazelluläre Systeme wie GTP (Guanosintriphosphat),<br />
Adenylatcyclase (konvertiert ATP in<br />
cAMP) aktiviert oder gehemmt. Membranrezeptoren<br />
können sich vom G-Proteinsystem auch abkoppeln<br />
(s. Buch B). Die Signaltransduktion läuft in verschiedenen<br />
Phasen ab: 1. reversible Ligand-Rezeptor-Bindung<br />
führt zu einer Konformationsänderung. 2. Die<br />
Konformationsänderung erlaubt eine reversible Bindung<br />
Rezeptor-G-Protein. 3· a-Protein konvertiert<br />
GDP zu GTP <strong>und</strong> Adenylatcyklase. 4· Die Hydrolyse<br />
von GTP zu GDP induziert eine Dissoziation der<br />
Adenylatcyclasestruktur: der G-Proteinkomplex ist<br />
wieder regeniert.<br />
Gr (1-n). In Deutschland eingeführte n-stufige Graviditätsklasse<br />
bzw. ~ Schwangerschaftskategorie.<br />
Gradenigo-Syndrom. Nach dem Otologen G.C. Gradenigo<br />
(1859-1926) benannte Abduzensparese mit neuralgischen<br />
Gesichtsschmerzen.<br />
Gralla, Richard J. Zeitgenössischer Arzt, Leiter der klinischen<br />
Pharmakologie am Memorial-Sloan-Kettering<br />
Institut, New York, führte u. a. die höchstdosierte ~<br />
Metoclopramidgabe zur antiemetischen Prophylaxe<br />
<strong>und</strong> Therapie von~ Cisplatin-induzierterNausea <strong>und</strong><br />
Emesis ein (1981). Dies führte zur Entdeckung der 5-<br />
HT3-Rezeptoren.<br />
Granulata. Granulate: körnige Aggregate von Wirkstoffpulvern.<br />
Grimaux, L.- Edouard (1835-?). Stellte 1881 Codein aus<br />
Morphin her <strong>und</strong> eröffnete damit eine groBindustrielle<br />
Herstellung von Codein (Nebenbemerkung: der klinische<br />
Stellenwert von Codein als billigem Hustenmittel<br />
war bei der damals hohen Inzidenz von Lungenerkrankungen<br />
weitaus wichtiger als heute!) <strong>und</strong> entdeckte<br />
1882 ~ Dionin.<br />
Grinker, Julius (1867-1928). Aus Preussen stammender,<br />
in die USA emigrierter bedeutender Neurologe (führte<br />
u. a. Phenobarbital in den USA ein, 1913).<br />
Gross, Dieter (Kattowitz 1914-1985). Ausbildung als<br />
Internist <strong>und</strong> Nervenarzt (historische Bezeichnung für<br />
das klassische »Vollfach« Neurologie <strong>und</strong> Psychiatrie!)<br />
in Berlin <strong>und</strong> München. Während des 2. Weltkriegs<br />
Lazaretttätigkeit an der Ostfront (einziger Überlebender<br />
seiner Kompagnie). Nach Ende des Krieges in Bad<br />
Ischl <strong>und</strong> später in Frankfurt am Main, durch die Fronterfahrung<br />
sowie die Arbeiten der Kriegschirurgen ~<br />
Mitchell <strong>und</strong> ~ Leriche beeinflusst postulierte er die<br />
interdisziplinäre Schmerztherapie, u. a. auch den Einsatz<br />
von diagnostischer <strong>und</strong> therapeutischer Lokalanästhesie<br />
(als Gegenakzent zur damaligen »Neuraltherapie«<br />
der Gehrüder ~ Huneke). Zusammen mit<br />
M. ~ Zimmermann dt. Repräsentant beim Gründungssymposium<br />
der IASP (1973) in Seattle. Mitbegründer<br />
der »Gesellschaft zum Studium des Schmerzes in<br />
Deutschland, Österreich <strong>und</strong> die Schweiz« in Florenz<br />
(1975) <strong>und</strong> deren erster Präsident (1976-1978). Publizierte<br />
u. a.: »Therapeutische Lokalanästhesie« (mehrere<br />
Auflagen, neu herausgegeben von seinem Sohn Matthias<br />
Gross, ebenfalls ärztlicher Schmerztherapeut,<br />
Frankfurt am Main).<br />
Guedel,Arthur E. (Cambridge City/Indiana 1883-1956).<br />
Ausbildung an der Indiana School of Medicine. Hobby<br />
Pianist, obwohl er drei Finger verlor. Kriegsanästhesist<br />
in Frankreich (1917-1919). Mit R.M. ~ Waters Begründer<br />
der modernen amerikanischen Anästhesiologie.<br />
Nach ihm werden die sog. Guedel-Narkosestadien<br />
sowie der oropharyngeale Tubus benannt.<br />
Gulag. Abk. Glavnoe Upravlenije Lagerej, Hauptverwaltung<br />
des Straflagersystems der UdSSR (1930-1955),<br />
durch Alexander Solschenizyn in seinem Werk »Archipel<br />
Gulag« (1973) beschrieben.<br />
Gumpert, Martin (1897-1955 New York). Nach Medizinstudium<br />
Arzt in Berlin. Emigration 1936. Neben revolutionärer<br />
Lyrik u. a. 1921: »Hahnemann, die abenteuerlichen<br />
Schicksale eines ärztlichen Rebellen <strong>und</strong> seiner<br />
Lehre, der Homöopathie« <strong>und</strong> 1938 »Dunant«.<br />
Günther, Johann Christian (Striegau 1695-1723 Jena).<br />
Medizinstudium in Wittenberg <strong>und</strong> Leipzig. Gilt als<br />
genialer Lyriker, verlor wegen »zügellosen Lebens«<br />
seine Anstellung als »Hofdichter« in Dresden.<br />
Gürtelschmerz. Bei Tabes auftretender starker Schmerz<br />
(»Gürtel- oder Panzerschmerz«).<br />
Gute klinische Praxis. Dt. Pendant zu ~ GCP: »Good<br />
Clinical Practice«. Von der Europäischen Gemeinschaft<br />
definierte Richtlinien zur Durchführung klinischer<br />
Prüfungen. Sie beinhalten die »Helsinki-Deklaration«<br />
der World Medical Association. Ziel ist u. a. der Schutz
816 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
der an der klinischen Prüfung teilnehmenden Personen<br />
<strong>und</strong> die Beratung durch die Ethikkommission. Sie<br />
beschreibt die Verantwortlichkeit des Sponsors, des<br />
Monitors <strong>und</strong> des Prüfers. Sie bestimmt die Qualität der<br />
anzuwendenden Datenverarbeitungssysteme <strong>und</strong> Biometriemetheden<br />
sowie die Qualitätssicherung.<br />
Guttae. Tropfflüssigkeiten. Das lat. Wort »gutta« findet<br />
sich im engl. »gout« (Gicht) wieder.<br />
Gybel, Jan (Aarschot/Belgien *1928). Humanistisches<br />
Gymnasium 1946; Studien der Naturwissenschaften<br />
(Namur) sowie Medizinstudium, Abschluss 1953<br />
(Katholieke Universiteit [K.U.] Leuven). Danach Spezialausbildung<br />
in Chirurgie (1957), Neurochirurgie (1963)<br />
<strong>und</strong> Neurologie (1966) an der K.U. Leuven, an der Mc<br />
Gill University, Montreal (W.Penfield) sowie am National<br />
Hospital, London (Dr. Carmichael), sowie Studien u.<br />
a. in L<strong>und</strong> ( ~ L. Leksell) <strong>und</strong> Paris (Dr. Guiot: Thalamus<br />
<strong>und</strong> Parkinson). Gybel verband in der Folge in einmaliger<br />
Weise Klinik, Lehre <strong>und</strong> Forschung sowie modernste<br />
Techniken (Analyse der Primärafferenzen, supraspinale<br />
Stimulation <strong>und</strong> zentrale Analgesie, chronischer<br />
Schmerz <strong>und</strong> Rückenmarkverletzung, Mikroneurographie,<br />
dreidimensionales Brain Imaging, computerassistierte<br />
Techniken sowie stereotaktische Neurochirurgie<br />
etc.), ca. 250 Publikationen in Neurophysiologie,<br />
Schmerzphysiologie, Stereotaxie, Stimulationsanalgesie.<br />
Mehrfache Ehrungen <strong>und</strong> Auszeichnungen. Mit<br />
William Sweet: »Neurosurgical treatment of persistent<br />
pain«. 1994 als Prof. Emeritus durch ein »Liber amicorum«<br />
von Ron Kupers geehrt, in dem Hermann ~<br />
Handwerker handschriftlich zum »Unruhestand<br />
Gybels« beifügte:<br />
Das Leben wird vorwärts gelebt, aber<br />
rückwärts verstanden (HERMANN HAND<br />
WERKER).<br />
Gyrus cinguli. Teil des limbisehen Systems. Die Cingulotomie<br />
führt zu einer stark verminderten Schmerzreaktion.<br />
Gyrus postcentralis. Windung des Lobus parietalis.<br />
Durch den Sulcus centralis Rolandi vom Gyrus praecentralis<br />
getrennt. Primär sensibles Rindenfeld.<br />
Haber, Fritz (Breslau 1868-1934 Basel). Nach Professur<br />
1906-1911 an der TH Karlsruhe Direktor des neu<br />
gegründeten Kaiser-Wilhelm-Instituts für physikalische<br />
Chemie <strong>und</strong> Elektrochemie in Berlin-Dahlem von<br />
1911-1933 (wo er emigrieren musste, weil er sich weigerte,<br />
»nichtarischen« Mitarbeitern zu kündigen). Die Darstellung<br />
von Ammoniak unter hohem Druck aus Stickstoff<br />
<strong>und</strong> Wasserstoff (Haber-Bosch-Verfahren) brachte<br />
ihm 1918 den Nobelpreis für Chemie. Im gleichen Jahr<br />
galt er für die Siegermächte aber auch als Kriegsverbreeher,<br />
als »Vater des deutschen Gaskrieges«. Haber entwickelte<br />
Giftgase <strong>und</strong> verfolgte persönlich den ersten<br />
deutschen Gasangriff 1915 bei Ypern. Seine Frau Clara,<br />
selbst Chemikerin, erschoss sich - den seelischen<br />
Druck nicht aushaltend - mit der Dienstwaffe ihres<br />
Mannes. Nach dem Weltkrieg Weiterentwicklung eines<br />
»Schädlingsbekämpfungsmittel«, dem Zyklon B. 1933<br />
Emigration nach England. Tod 1934 in Basel auf dem<br />
Weg nach Palästina (bzw. zum Daniel-Sieff-Research<br />
Institute). Familienangehörige des deutschnationalen,<br />
zum Protestantismus konvertierten Habers wurden im<br />
Rahmen des späteren Wannseeprojekts mit Zyklon B<br />
vergast.<br />
Hackenbruch-Anästhesie. Nach dem Chirurgen Peter<br />
Hackenbruch (1865-1924 Wiesbaden) benannte subkutane<br />
Umspritzung des Operationsfeldes. Die in Vergessenheit<br />
geratene Methode wird heute wieder zwecks<br />
Minimalisierung des postoperativen nozizeptiven<br />
»Inputs« zur Optimierung der postoperativen Analgesie<br />
(v. a. bei Kindern) diskutiert.<br />
HAD. Palliativ- <strong>und</strong> Schmerzmedizin, Abk. für »Hospital<br />
anxiety and depression scale« (s. Buch A).<br />
Hahnemann, Samuel (Meissen 1755-1843 Paris [Friedhof<br />
Pere Lachaise ]). Gründer der Homöopathiebewegung<br />
(homoios: ähnlich; pathos: Leiden), nahm 1790<br />
Chinarindenextrakte zu sich, die bei ihm malariaähnliche<br />
Symptome induzierten <strong>und</strong> postulierte daraufhin<br />
1796 das neue therapeutische Prinzip der Ähnlichkeit:<br />
»Ähnliches heilt Ähnliches« (lat. similia similibus<br />
curentur) <strong>und</strong> schrieb in seinem Organon der Heilkunst<br />
(1810): »Bei dieser Aufsuchung eines homöopathisch<br />
spezifischen Heilmittels, das ist, bei dieser<br />
Gegeneinanderhaltung des Zeichen, Inbegriff der<br />
natürlichen Krankheit gegen die Symptomenreihen der<br />
vorhandenen Arzneien um unter diesen eine, dem zu<br />
heilenden Übel in Ähnlichkeit entsprechende Kunstkrankheit-Potenz<br />
zu finden, sind die auffallenden, sonderlichen,<br />
ungewöhnlichen <strong>und</strong> eigenheitliehen ( charakteristischen)<br />
Zeichen <strong>und</strong> Symptome des Krankheitsfallesbesonders<br />
<strong>und</strong> fast einzigfest ins Auge zu fassen;<br />
denn vorzüglich diesen müssen sehr ähnliche, in<br />
der Symptomenreihe der gesuchten Arznei entsprechen,<br />
wenn sie die passendste zur Heilung sein soll. Die<br />
allgemeinem <strong>und</strong> unbestimmtem: Eßlust-Mangel,<br />
Kopfweh, Mattigkeit, unruhiger Schlaf, Unbehaglichkeit<br />
u.s.w., verdienen in dieser Allgemeinheit <strong>und</strong> wenn sie<br />
nicht näher bezeichnet sind, wenig Aufmerksamkeit, da<br />
man so etwas Allgemeines fast bei jeder Krankheit <strong>und</strong><br />
jeder Arznei sieht. Nach Hahnemann soll die verabreichte<br />
Menge der Simile-Mittel möglichst klein sein.<br />
Dies wird erreicht durch eine Verdünnungsreihe mit D<br />
Potenzen: 1:10, C-Potenzen: 1:100 oder LM- oder Q<br />
Potenzen: 1:soooo. Hochverdünnte Similie wirken nach<br />
ihm nur, wenn sie »potenziert« (handgeschüttelt, gerie-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 817<br />
ben) werden (s. auch ~ Avogadro). Am Anfang der<br />
Behandlung auftretende Verschlimmerungen (»Erstverschlimmerung«)<br />
wird als »homöopathischer Heilungsvorgang«<br />
bezeichnet. In der Regel werden offene<br />
»Arzneimittelprüfungen« an ges<strong>und</strong>en Probanden<br />
durchgeführt <strong>und</strong> als »wissenschaftliche Prüfung«<br />
gewertet bzw. gesammelt in »Materia Medica Homöopathica«<br />
(Tierversuche werden als »tierquälerisch <strong>und</strong><br />
unnütz« abgelehnt).<br />
Halbwertszeit. Derjenige Zeitraum, in dem die Plasmakonzentration<br />
eines gegebenen Wirkstoffes auf die<br />
Hälfte sinkt. Nach i.v.-Anwendung sinkt die Plasmakonzentration<br />
wegen der Verteilung in bestperf<strong>und</strong>ierte<br />
Organsysteme bis zu einem Punkt X (sog. ~ a<br />
Phase) dramatisch, danach konstant entsprechend einsetzender<br />
Eliminationsmechanismen (sog.~ ß-Phase).<br />
Daneben wird gelegentlich eine sog. terminale Halbwertszeit<br />
y aufgeführt. Konventionelle kinetische Parameter<br />
wie Eliminationshalbwertszeit werden nach ED<br />
Gabe bestimmt. Für die kontinuierliche i.v.-Gabe wird<br />
die sog. »kontextbezogene HWZ« herangezogen ==<br />
HWZ der Serumkonzentration abhängig vom klinischen<br />
Kontext (Zeit- <strong>und</strong> Wirkstofffaktoren bzw.<br />
Gesamtdosis repetiert oder kontinuierlich).~ Contextsensitive-half-time,<br />
s. Buch allgemeine Kinetik).<br />
Halsted, William Stewart (New York 1852-1922 Baltimore).<br />
Hervorragender Chirurg in Baltimore, entwickelte<br />
u. a. eine nach ihm benannte Intrakutannaht<br />
<strong>und</strong> führte das Tragen von Gummihandschuhen im OP<br />
ein. Entwickelte Nervenblockaden (setzte als erster<br />
Kokain ein). Publizierte u. a. »Practical comments on the<br />
abuse of cocaine« (1885). Posthum 1924: »Surgical<br />
papers«.<br />
Hämoxygenase. Ein im Abbau von Hämoglobin eingeschaltetes<br />
metallabhängiges Enzym (Cobalt), das den<br />
Abbau von Häm zu Eisen,~ CO <strong>und</strong> Biliverdin im Beisein<br />
von Sauerstoff <strong>und</strong> reduzierter NADPH katalysiert.<br />
Das Hämoxygenase-CO-System ist in der Relaxation<br />
glatter Muskeln (vgl. ~NO-System) involviert.<br />
Hamilton-D-Skala. In der Psychiatrie, aber auch in der<br />
Schmerztherapie gebräuchliche Skala zur Erfassung<br />
von depressiven Zuständen bzw. 21 Items von depressiven<br />
Symptomen (Hamilton 1986).<br />
Hammerschmidt, Karl E. (Wien 1801-1874 Istanbul).<br />
Studium der Rechtswissenschaft <strong>und</strong> medizinisch-chirurgische<br />
Studien. Aufnahme in die Kaiserlich-Leopoldinische-Akademie<br />
der Naturforscher in Bonn. In Wien<br />
(1847-1848) zusammen mit dem Zahnarzt Weiger<br />
Durchführung von Äthernarkosen. Darüber hinaus<br />
zahlreiche Arbeiten über Anästhesiestadien, Anästhesieprotokolle<br />
etc. Im Laufe der Oktoberrevolution<br />
Flucht über Ungarn nach Istanbul, wo er - nach Übertritt<br />
zum islamischen Glauben - als Abdullah Bey Professor<br />
der Medizinischen Fakultät, Oberst der Türki-<br />
sehen Armee sowie zum Begründer des Roten Halbmonds<br />
wurde. Eine türkische Postmarke von 1968 erinnert<br />
an ihn.<br />
Handwerker, Hermann (Villan/Österreich *1940). Prof.<br />
Dr. sei. Dr. med. Dr. h.c. (Universität Uppsala), Direktor<br />
des Instituts für Physiologie <strong>und</strong> experimentelle Pathophysiologie<br />
der Universität Erlangen-Nürnberg. Nach<br />
Medizinstudium in Würzburg <strong>und</strong> Zürich Arbeiten<br />
am Hirnforschungsinstitut der Universität Zürich<br />
(1969-1971), danach am Physiologischen Institut der<br />
Universität Heidelberg, Edinburgh, Leuven <strong>und</strong> Uppsala.<br />
Setzt sich auf nationaler <strong>und</strong> internationaler Ebene<br />
(IASP) für die Schmerzforschung ein.<br />
Hanging-drop-Technique. Ein an der Epiduralpunktionsnadel<br />
hängender Tropf, der beim Erreichen des Epiduralraumes<br />
wegen des dort herrschenden negativen<br />
Drucks hineingezogen wird. Die Hanging-drop-Technique<br />
eignet sich v. a. für Punktionen im zervikalen <strong>und</strong><br />
thorakalen Epiduralbereich. Im Lumbosakralbereich ist<br />
in der Regel der sog. Resistenztest eindrücklicher.<br />
Harvey, William (1578-1657). Schüler von Galilei<br />
(1564-1642), beschrieb 1627 den Blutkreislauf: »Exercitatio<br />
anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus«<br />
(s. auch:~ i.v.- Anwendung).<br />
Hawthorne-Effekt. Betriebspsychologisch das Phänomen,<br />
dass beobachtete Arbeitsgruppen (Beispiel: klinische<br />
Forschergruppe) bzw. Versuchspersonen über<br />
mehr Aufmerksamkeit bessere Leistungen (Beispiel:<br />
aufmerksamere Patientenbeobachtung <strong>und</strong> Patientenbetreuung<br />
~ optimalere Schmerzpharmakotherapie)<br />
auch bei Verschlechterung der äußeren Bedingungen<br />
vollbringen ( ~ Buch Optimierung der Schmerzpharmakotherapie,<br />
Qualitätskontrolle). Durch den an der<br />
Harvard-Universität arbeitenden austral.-amerik.<br />
Soziologen Elton Mayo (1880-1949), Begründer der am.<br />
Industrie- <strong>und</strong> Betriebsoziologie, in der sog. Hawthorne-Untersuchung<br />
(1927-1932) mitbeschrieben. Die<br />
Hawthorne-Werke in der Nähe von Chicago waren eine<br />
Filiale der Western Electric Co, deshalb wird der<br />
Hawthorne-Effekt gelegentlich auch Western-Electric<br />
Effekt genannt. Die Hawthorne-Untersuchung wurde<br />
Ausgangspunkt für die Human-relations-Bewegung.<br />
Head, Henry (1861-1940). Neurologe <strong>und</strong> Schmerzforscher,<br />
beschrieb u. a. die Funktion des Thalamus in der<br />
Bewusstseinwerdung, thalamisehe Schmerzsyndrome<br />
in »Sensory disturbances from cerebral lesions« (Brain,<br />
1911). Seine Doktorarbeit in Cambridge beschreibt den<br />
epikritischen <strong>und</strong> protopathischen Schmerz »On<br />
disturbances of sensation with especial reference to the<br />
pain of visceral disease« (Brain, 1893). Führte eine Automutilation<br />
durch, indem er am 25.04.1903 den kutanen<br />
Ast des Radialnerven in der Ellenbeuge durchschnitt,<br />
durch eine Nervennaht die Nervenkontinuität widerherstellte<br />
<strong>und</strong> protokollarisch die Wiederherstellung
818 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
beobachtete: » The afferent nervaus system from a new<br />
aspect« (Brain, 1905). Beschrieb 1911 mit G. Holmes<br />
(1876-1966, btd. engl. Pionier der Zerebellumforschung)<br />
das~ Head-Holmes-Syndrom.<br />
Headache-Classification. Engl. Klassifikationssystem<br />
der Kopfschmerzen (Kephalgien) <strong>und</strong> verwandten<br />
Krankheitsbildern durch die »International Headache<br />
Society (IHS)« 1988.<br />
Head-Holmes-Syndrom. Von ~ Head u. Holmes 1911<br />
beschriebenes affektiv-dysästhetisches Halbseitensyndrom<br />
mit Störungen der Geruchs-, Geschmacksfunktion<br />
sowie Hyperkinese. Ursache: Thalamuserkrankungen.<br />
Head-Schmerzen. Bei Erkrankung innerer Organe gelegentlich<br />
auftretende Schmerzen in bestimmten Hautbezirken.<br />
Schmerzafferenzen werden im Rückenmark auf<br />
die Vorderwurzel umgeschalten (viszerokutaner Reflex)<br />
<strong>und</strong> auf eine entsprechende Hautzone (sog. Head-Dermatome)<br />
projiziert.<br />
Hefesuspensionen. Im Tierversuch dienen Hefesuspensionen<br />
zur Auslösung einer Fieberreaktion, an der die<br />
antipyretische Wirkung der zu kontrollierenden Wirkstoffen<br />
gemessen wird.<br />
Heilanalgesie. Nach~ Schaumann ist optimale Analgesie<br />
Voraussetzung für optimale Heilvorgänge - »Analgesie<br />
heilt«. Brücke zu späteren Ansichten wie diejenige<br />
von ~ Liebeskind »Schmerz tötet«.<br />
Hekto. Abk. h, dezimales Vielfaches in der Ordnung 10 2<br />
=100.<br />
Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdinand von (Potsdam<br />
1821-1894). Nach Potsdamer Gymnasium Medizinstudium<br />
am Friedrich-Wilhelm-Institut in Berlin. 1842, mit<br />
21 Jahren Abschluss <strong>und</strong> Armeeservice als Arzt.<br />
1848-1855 Professur für Physiologie in Königsberg,<br />
danach in Bonn <strong>und</strong> Heidelberg. »Handbuch der physiologischen<br />
Optik« (1867); »Die Lehre von den Tonempfindungen«.<br />
Helmholtz, über die Fortleitungsgeschwindigkeit<br />
von Nerven arbeitend, führte auch das Verhältnis<br />
bzw. den neuen Begriff der »Reaktionszeit« in die<br />
Physiologie ein.<br />
Hemialgie. Siehe Hemikranie.<br />
Hemicrania cervicalis. Zervikale Migräne.<br />
Hemihypästhesie. Halbseitige Verminderung der<br />
Berührungsempfindung bei Schädigung im Bereich der<br />
hinteren Zentralwindung.<br />
Hemihyperästhesie. Halbseitige Verstärkung der Berührungsempfindung.<br />
Bei Thalamusaffektionen wie ~<br />
Head-Holmes-Syndrom, Fegeler-Syndrom, Trigeminusneuralgie<br />
auftretend.<br />
Hemikranie. Halbseitig auftretender Kopfschmerz,<br />
s. Migräne.<br />
Hench, P.S. (Pittsburgh 1896-1965). Rheumatologe an<br />
der Mayo-Klinik, Rochester, sowie Universität Minnesota.<br />
Entdeckte die antiphlogistische Wirksamkeit von<br />
Kendalls »Substanz E« (Cortison) bei akuter Gelenkarthritis.<br />
Publizierte 1949: » The effect of a hormone of the<br />
adrenal cortex«. Nobelpreis 1950 für Medizin (zusammen<br />
mit dem am. Forscher E.C. Kendall sowie dem<br />
schweiz. Forscher T. Reichstein). Um die antiphlogistische<br />
Wirkung saurer antipyretischer Analgetika von<br />
der Wirkung von Kortikosteroiden abzugrenzen, wurde<br />
im angelsächsischen <strong>und</strong> später internationalen<br />
Sprachgebrauch das Anhängsel »nichtsteroid« vor die<br />
Bezeichnung saure antipyretisch-antiphlogistisch wirksame<br />
Analgetika gesetzt ( ~ AINS, Buch D, s. auch Biographie<br />
des Malers ~ Dufy).<br />
hepatische Extraktionsphase. Sie wird durch die arteriovenösen<br />
Plasmakonzentrationsunterschiede vor <strong>und</strong><br />
nach Leberpassage quantifiziert. Die Extraktionsrate<br />
hängt u. a. von der hepatischen Perfusion ab <strong>und</strong> kann<br />
bei bei Hypotension, Herz-Kreislauf-Insuffizienz,<br />
Shunts bei Leberzirrhose drastisch reduziert sein.<br />
Wirkstoffe mit hoher Extraktionsrate werden durch<br />
diese hämodynamischen Parameter in ihrer Eliminationskinetik<br />
betroffen (erhöhte <strong>und</strong> verlängerte Wirkung).<br />
Die Eliminationskinetik von Wirkstoffen mit<br />
niedriger Extraktionsrate hingegen werden eher durch<br />
die Aktivität der hepatischen Enzymtätigkeit in ihrer<br />
Eliminationskinetik beeinflusst, ~ hepatische Induktion.<br />
hepatische Induktion. Die über die Transkription von<br />
Leberenzymgenen induzierte Modifizierung der hepatischen<br />
Enzymsysteme. Dies betrifft u. a. das hepatische<br />
Redoxsystem der ~ Cytochrqme (Cytochrom P450),<br />
die durch Exposition mit vorgängigen Medikamenten<br />
oder Noxen (Kohlenwasserstoffe, Tabak) aktiviert<br />
(»induziert«) werden. Daraus resultiert eine veränderte<br />
Eliminationskinetik der augewandten Wirkstoffe (s.<br />
Interaktionen); z. B. wird die hepatische Elimination<br />
von ~ Methadon durch »Enzyminduktoren« wie<br />
Rifampicin verkürzt. Wenn die Eliminationskinetik<br />
gehemmt bzw. verlängert wird, spricht man auch von<br />
hepatischer enzymatischer Eliminationshemmung. Der<br />
Wirkstoff Omeprazol z. B. hemmt über das Cytochrom<br />
P45o-System die hepatische Elimination von Benzodiazepinen,<br />
ein anderer potenter Hemm er der hepatischen<br />
Enzymsysteme ist das Antibiotikum Erythromycin.<br />
Gewisse Patientenpopulationen haben genetisch<br />
bedingte Enzymsystemfehler, die z. B. das Cytochromsystem<br />
P450 (Isoenzymsystem CYP2C oder Mephentoin,<br />
CYP2D, oder Debrisoquin-Spartein, in Mitteleurapa<br />
ca. 10% der Bevölkerung) oder das N-Acetyltransferase-<br />
odere das Cholinesterasesystem betreffen. Aus<br />
diesen Gründen werden sie auch als »langsame Verstoffwechsler«<br />
bezeichnet. Siehe v. a. ~ Codein, ~<br />
Alfentanil.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 819<br />
Hepburn <strong>und</strong> Knapp. Begründeten 1884 die Infiltrationslokalanästhesie<br />
durch Injektion von Kokain in das<br />
Operationsfeld (s. auch ~ Koller, ~ Halstedt, von ~<br />
Anrep).<br />
Herholdt, E.J. <strong>und</strong> Rafn, C.G. Veröffentlichten 1796 Reanimationsmaßnahmen<br />
für Ertrunkene im Rahmen der<br />
Empfehlungen der 1767 gegründeten Amsterdamer<br />
Gesellschaft für die Wiederbelegung Ertrunkener.<br />
Hering-Gesetz. Nach Konstantin Hering (18oo-188o) in<br />
der klassischen Homöopathie oft zitiertes Gesetz: »Die<br />
Heilung erfolgt von oben nach unten, von innen nach<br />
aussen <strong>und</strong> in umgekehrter Reihenfolge des Entstehens«.<br />
Herophilus (Chaldekon/Istanbul ca.335 v. Chr.) In Alexandrien<br />
tätiger griech. Arzt <strong>und</strong> Forscher (Anatomie an<br />
Leichen; Entdecker der Nerven), er unterschied 4 Vitalfunktionen:<br />
Ernährung (Leber), Erwärmung (Herz),<br />
Wahrnehmung (Nerven), Denken (Gehirn). Maß die<br />
Pulsfrequenz mittels einer Wasseruhr.<br />
Herrick-Syndrom (nach James B. Herrick, 1861-1954).<br />
,.The true physician must possess a dual<br />
personality, the scientific toward disease,<br />
the human and humane toward the patient.«<br />
Bei der Sichelzellanämie vorkommende äusserst<br />
schmerzhafte Krisen, verursacht durch Kapillarverstopfungen,<br />
Infarkte, Gewebeanoxie, die als akute abdominale,<br />
nephritisehe oder neurologische (Konvulsionen,<br />
Hemiplegie) Manifestationen auftreten.<br />
Herz, Albert (Sonthofen *1921). Zeitgenössischer dt.<br />
Neuropharmakologe (»Schmerz, Opioide, Abhängigkeit«)<br />
<strong>und</strong> Schmerzforscher (u.a. Max-Planck-Institut<br />
für Psychiatrie, München). Nathan B. Eddy Memorial<br />
Preisträger.<br />
Hess, Walter Rudolf (Frauenfeld 1881-1973 Muralto).<br />
Bedeutender schweiz. Physiologe. Mit ~ Moniz Egas<br />
1949 Nobelpreis für Hirnforschung insbesondere Hypothalamus,<br />
»Die zentrale Regulation der Tätigkeit innerer<br />
Organe«, Dienzephalon <strong>und</strong> extrapyramidale Funktionen<br />
etc., s. Buch A: autonomer Homunculus!).<br />
Hewitt, Sir F. Brit. Anästhesist, konstruierte 1885 den 1.<br />
praktischen N 1 0/0 1 - Anästhesieapparat; publizierte<br />
1893 das 1. moderne Anästhesielehrbuch: »Anaesthetics<br />
and their administration«.<br />
Hildegard von Bingen (Burg Böckelheim 1098-1179<br />
Bingen). Einer der grossen Persönlichkeiten des Mittelalters,<br />
schrieb u. a. »Causae et Curae« (pharmazeutischmedizinische<br />
Beobachtungen bzw. Wissen).<br />
Hili, Sir Austin Bradford (1897-1991). Vater der randomisierten<br />
plazebokontrollierten Doppelblindstudie;<br />
veröffentlichte 1937 in seinem Buch »Principles of medical<br />
statistics« (Verlag Lancet) folgende heute noch gültige<br />
Einführung:<br />
»In clinical medicine today there is a growing<br />
demand for an adequate proof of the<br />
efficacy of this or that form of treatment.<br />
Often proof can come only by means of a<br />
collection of records of clinical trials devised<br />
on such a scale and in such a form that<br />
statistically reliable conclusions can be<br />
drawn from them«.<br />
Himmelsbach-Skala. Nach C. Himmelsbach bei Opioidentzug<br />
einsetzbare Skala für die Beurteilung der Entzugssymptomatik<br />
Hinterhornsyndrom. Bei lädierten Hinterhörnern auftretende<br />
Reflexausfälle <strong>und</strong> Sensibilitätsstörungen.<br />
Hippocampus. Seepferdchenähnliche Struktur (»Ammonshorn«)<br />
als grauer Längswulst am Boden des Seitenventrikels,<br />
unterteilt in Pes, Alveus <strong>und</strong> Fimbria hippocampi.<br />
Mit Gyrus dentatus zusammen die »Hippocampusformation«<br />
bildend, zentrale Funktionen des<br />
limbisehen Systems, Sitz des Riechzentrums (entorhinaler<br />
Kortex): s. Buch A. ~ hippocampale opioiderge<br />
Signalverarbeitung von Lern- <strong>und</strong> Gedächtnisleistungen.<br />
Hippokrates (Kos -460-370 Larissa). Medizin ist eine<br />
Erfahrungswissenschaft. Anfänge der Neuropsychologie:<br />
Gehirn als Sitz des Intellekts; 3· Hirnventrikel als<br />
Sitz der Sinneserkenntnis; Hirnläsionen <strong>und</strong> kontralaterale<br />
Effekte. Mit ~ Galen zusammen bedeutendster<br />
Arzt des Altertums.<br />
Hippus circulatorius. Pupillenunruhe (s. Buch B: Miosis/Mydriasis).<br />
Histamin. Biogenes vasoaktives Amin, ß-Imidazol-<br />
4(s)ethylamin, M, 114, präformierter Mediator (in Granula<br />
von Mastzellen <strong>und</strong> basophilen Granulozyten).<br />
Zielrezeptoren: H,- R - aktiviert intrazelluläres cGMP,<br />
Freisetzung von Prostacyclin, negative Bathmotropie<br />
am AV-Knoten, Vasokonstriktion der Herzkranzgefäße,<br />
Bronchokonstriktion, partielle Erhöhung der kapillären<br />
Permeabilität <strong>und</strong> Vasodilatation, H 2 -R - aktiviert<br />
intrazelluläres cAMP, stimuliert das ZNS, positive Bathmo-,<br />
Ino- <strong>und</strong> Chronotropie, Dilatation der Herzkranzgefäße,<br />
Bronchodilatation, Erhöhung gastrischer H+<br />
Ionenproduktion, partielle Erhöhung der kapillären<br />
Permeabilität <strong>und</strong> Vasodilatation, H 3 -R - Synthese <strong>und</strong><br />
Freisetzung von Histamin. Histamin wirkt zentral als<br />
hemmender Neurotransmitter, ist in der Hypothala-
820 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
musgegendkonzentriert <strong>und</strong> im Retikulärsystem nachweisbar.<br />
Histaminantagonisten. Antihistaminika.<br />
Hitzig, E. (1838-1907). Dt. Neurologe in Halle; nach ihm<br />
wurden früher die peripheren Sensibilitätsstörungen<br />
bei Tabeserkrankungen, die sog. Hitzig-Zonen, benannt.<br />
Pionier der elektrischen Kortexstimulation.<br />
Hoche, Alfred E. (1865-1943). Schriftstellerpseudonym:<br />
Alfred Erlich. Ko-Autor mit dem Leipziger Rechtsprofessoren<br />
Karl-7 Binding von: »Der Sinn des Schmerzes«<br />
<strong>und</strong> »Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens«<br />
(s. auch -7 Euthanasie). Professur für Psychiatrie an der<br />
Universität Freiburg i. Br.; kritisierte Freuds Psychoanalyse<br />
als »Verirrung«.<br />
Höchstmenge. In Deutschland aufgr<strong>und</strong> der BtMVV zu<br />
beachtende Höchstmenge für -7 »Betäubungsmittel«,<br />
die bei ärztlicher Begründung in gewissen Fällen überschreitbar,<br />
in anderen Fällen nicht überschreitbar ist.<br />
Hoffmann, Felix (Ludwigsburg 1868-1946). Nach Apothekerlaufbahn<br />
in Genf, Harnburg <strong>und</strong> Neuveville Studium<br />
der Pharmazie <strong>und</strong> Chemie in München (Promotion<br />
1893). Arbeit beim späteren Nobelpreisträger Adolf<br />
von Baeyer (Berlin 1835-1917 Starnberg; 1880 Indigosynthese;<br />
Synthese von multiplen Harnsäurederivaten,<br />
so u.a. Barbitursäure!) in München; danach 1894 zu<br />
Farbenfabriken von Friedrich Bayer als Chemiker in<br />
Elberfeld. Baute das Molekül der damals als Antirheumatikum<br />
eingesetzten Salicylsäure systematisch um<br />
<strong>und</strong> erfand damit die Wirksubstanz -7 Acetylsalicylsäure<br />
(1897). 1899 Abteilungsvorstand der pharmazeutisch-kaufmännischen<br />
Abteilung. Eine amerikanische<br />
Patentschrift nennt Hoffmann 1900 - mehrere Jahre<br />
nach Einführung- als Erfinder von Aspirin. Diese offizielle<br />
Version wird durch die persönlichen Angaben von<br />
-7 Arthur Eichengrün bestritten.<br />
Hofmann, Albert (*1906). Basler Chemiker, endeckte<br />
1943 Lysergsäurediäthylamid (LSD), einen Antagonist<br />
des hemmenden Neurotransmitters -7 Serotonin, <strong>und</strong><br />
beschrieb dies in seinem Buch: »LSD - mein Sorgenkind«.<br />
Hoffmann-LaRoche, Fritz (1868-1920). Gründer der<br />
heutigen »Rache« durch Übernahme der von ihm <strong>und</strong><br />
Carl Traub 1892 gegründeten Firma Hoffmann, Traub &<br />
Co an der Grenzacherstrasse, Basel. Im Hinterhof seiner<br />
Fabrik pflanzte Hoffmann u. a. seine von ihm geschätzten<br />
Windsar-Bohrren an. Aus diesen hatte der eminente<br />
Rache-Chemiker Markus Guggenheim (1885-1970;<br />
Standardwerk: »Die biogenen Amine«) die Aminosäure<br />
Levodopa isoliert <strong>und</strong> deren Struktur aufgeklärt (1913).<br />
Holzer, Peter (Vorau/Steiermark *1951). Studium Biologie<br />
<strong>und</strong> Biochemie an der Universität Graz, Forschungsaufenthalte<br />
in Cambridge, UC, Los Angeles, bedeutender<br />
zeitg. Forscher über Neuropeptide (Substanz P etc.).<br />
1994-1996 Präsident European Neuropeptide Club, verschiedene<br />
internationale akademische Auszeichnungen,<br />
Editorfunktion an verschiedenen renommierten<br />
internationalen Fachzeitschriften wie »Neuroscience«,<br />
»British Journal of Pharmacology«, »Regulatory Peptides«<br />
etc.<br />
Homunculus. »Kleiner Mensch«, in Goethes Faust<br />
durch den Famulus nach Anleitung des Parazelsus im<br />
alchimistischen Sinne erzeugegter künstlischer<br />
Mensch. Übertragenermaßen in der Physiologie das<br />
»Rindenmännchen« oder die Darstellung der motorischen<br />
<strong>und</strong> sensorischen Repräsentation von Körperteilen<br />
auf der Großhirnrinde (Penfield u. Rasmussen<br />
1957), s. Illustration Buch A.<br />
Hopkins, Sir Frederick Gowland (1861-1947). Bedeutender<br />
Biochemiker (Vitamine, Tryptophan, Glutathion,<br />
Enzym, Muskellaktat etc.). Mit Christian Eijkman 1929<br />
Nobelpreis in Physiologie/Medizin.<br />
hora. Horae unius spatio, lat. Rezepturk<strong>und</strong>e, meint<br />
stündlich.<br />
Horner, J.F. Zürcher Augenarzt (1831-1886), nach ihm<br />
wurde das Horner-Syndrom benannt. Syn. Hornersehe<br />
Trias oder Bernardsches Syndrom, Syndrom mit einseitiger<br />
oder beidseitiger Ptosis, Miosis, Enophthalmus bei<br />
Lähmung der sympathisch innervierten Augenmuskulatur<br />
bei Schädigung entsprechender zentraler oder<br />
peripherer Bahnen. Bei hoher rückenmarknaher<br />
Anästhesie, Vorkommen bei gestörter Verbindung Centrum<br />
ciliospinale zum Ganglion cervicale inferior auf<br />
Höhe C 8 - Th, oder Ganglion cervicale inferior zum<br />
Ganglion cervicale superior.<br />
Horton-Neuralgie. Syn.: für -7 Bing-Syndrom, Histaminkopfschmerz,<br />
Erythroprosopalgie. Nach dem Internisten<br />
Borton B.T., Rochester 1895- benanntes Syndrom,<br />
heute: -7 Clusterheadache.<br />
Horton-Magath-Brown Syndrom. Arteritis temporalis,<br />
eine Variante der Horton-Erkrankung im Kopfbereich,<br />
mit der Gefahr ophthalmologischer Komplikationen<br />
wie Blindheit.<br />
Horton-Erkrankung. Systemische nekrotisierende Riesenzell-Panarteritis.<br />
Induziert im betroffenen Gebiet<br />
Schmerzanfälle sowie Perfusionsstörungen mit harten,<br />
pulsierenden schmerzhaften Herden bis hin zu Nekrosen.<br />
Siehe auch Polymyalgia rheumatica.<br />
Hosennahtschmerz. Nach dem Strassburger Neurologen<br />
J.A.B. -7 Barre (1880-1967), Ischiasschmerzzustände<br />
in Hosennahtnähe.<br />
Hospiz <strong>und</strong> Hospizbewegung. Durch -7 Cicely Sa<strong>und</strong>ers<br />
gegründetes St. Christophers Hospiz in London,<br />
Versuch der Hauspflege von Patienten mit terminalen
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 821<br />
Krebserkrankungen durch Integration der Familie in<br />
der Krankenpflege.<br />
Hot-plate-Test. Nach Woolfe u. MacDonald 1944, Eddy<br />
u. Leimbach 1953. Prinzip: das Versuchstier (Maus) wird<br />
auf einer zunehmend aufgewärmten Platte (55-70°C)<br />
gehalten bis zum Anzeichen von Schmerzen (z. B. Springen,<br />
Pfotenlecken etc.); man nimmt an, dass beim Hotplate-Test<br />
höhere, supraspinale Koordinationsstellen<br />
involviert sind (Unterschied zum Tail-flick-Test). Modifiziert<br />
wird der Test in der neueren Anordnung<br />
» increasing-temperature-hot-plate-test« (Hunskaar et<br />
al. 1986): das Versuchstier wird einer nichtnoziven Plattentemperatur<br />
von 42°C, die dann allmählich erhöht<br />
wird (50-52°C), exponiert. Es gibt auch Cold-plate-Tests.<br />
Huelsenbeck, Richard (Frankenau/Hessen 1892-1974<br />
Muralto/Tessin). Studium der Medizin, Arzt, Schiffsarzt,<br />
zusammen mit Arp, Ball <strong>und</strong> Tzara Begründer der<br />
Kunstbewegung »Dada« (Dadaismus), Emigration, Psychoanalytiker<br />
in New York, Tod im Tessin.<br />
Hufeland, Ch.W. (1762-1836). Beschrieb in seinem Buch<br />
»Enchiridion Medicum« eine sog. Opiumtherapie mit<br />
dem Konzept der Euthanasie. Hufeland griff die antike<br />
Idee der Euthanasie als eine Art noble Hilfe wieder auf,<br />
nämlich den Tod (Thanatos = Tod) human (eu = gut)<br />
zu gestalten. Die Euthanasie-Idee wurde später von Binding<br />
<strong>und</strong> ~ Hoche (»Die Freigabe der Vernichtung<br />
lebensunwerten Lebens« 1920) deformiert <strong>und</strong> von der<br />
nationalsozialistischen Ideologie als kriminell-staatliches<br />
Vernichtungsprogramm unter Führung des Hitlerschen<br />
Leibarztes K. Brandt durchgeführt. Ideen der<br />
aktiven Sterbehilfe geistern auch heute noch in neuerer<br />
politischer Verpackung durch die Köpfe (Holland: Diskussionen<br />
um Parlamentsbeschlüsse; USA: von Ärzten<br />
entwickelte »Suicid -Selbstinfusoren «; Euthanasiegesetz<br />
1994 Staat Oregon). Bei adäquater ~ Palliativtherapie<br />
Schwerstkranker sind solche »passive« oder »aktive«<br />
>>Hilfen
822 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
ter Milton Erickson (1901-1980), an Kinderlähmung<br />
erkrankt, bezwang seine neurogenen Schmerzsymptome<br />
mit therapeutischer Hypnose, vorläufig zur heutigen<br />
Therapieform des »autogenen Training«. Siehe<br />
auch: Mesmer.<br />
IASP. International Association for the Study of Pain.<br />
Am 26.05.1973 gegründete internationale Gesellschaft<br />
zur Erforschung der Schmerzen. IASP-Ländergesellschaften<br />
sind u. a.: Deutsche Gesellschaft zum Studium<br />
des Schmerzes e.V. (DGSS), Österreichische Schmerzgesellschaft,<br />
Schweizerische Gesellschaft zum Studium<br />
des Schmerzes.<br />
IC. Engl. Abk. für »inhibition concentration«, Inhibitionskonzentration.<br />
Der Begriff wird unterschiedlich<br />
gebraucht (Inhibitionskonzentration für Opioide,<br />
s. unten; für sAA bzw. COX-Hemmer, s. unten).<br />
IC 50 • Opioidinduzierte Inhibitionskonzentration, bei<br />
der 50% der Patienten einen maximalen EEG-Effekt<br />
aufweisen (nach Scott et al. 1991), der Begriff »inhibition<br />
concentration« wird ebenfalls verwendet, um die<br />
Hemmung~ COX durch sAA zu bestimmen (s. Buch<br />
DIE).<br />
ICAA. Engl. Abk. für International Council on Alcohol<br />
and Addictions.<br />
ICD. Engl. Abk. für Internationale Klassifikation von<br />
Krankheiten (»International Classification of Diseases«).<br />
In der Regel wird nach der Abk. eine die letzte<br />
Edition bezeichnende Zahl genannt, z. B.: ICD-9.<br />
IDDS. Engl. Abk. für »Implantable Drug Delivery<br />
Systems«, implantierbare Systeme, die Wirkstoffe freisetzen<br />
(z. B. intrathekale therapeutische Systeme).<br />
lEG. Engl. Abk. für >>immediate early genes
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 823<br />
(prop.; DCI proposees) Freinamen. INN, Abk. hinter<br />
dem entsprechenden Freinamen steht für »International<br />
Nonproprietary Name« (for pharmaceutical substances).<br />
Das Wort »nonproprietary« will heißen, dass<br />
der Freiname im Gegensatz zu ~ Markennamen, die<br />
mit einem® gekennzeichnet werden, allgemein zugänglich<br />
<strong>und</strong> ungeschützt ist. Für dieses Buch wird die von<br />
der WHO vorgeschlagene (prop. für engl. proposed)<br />
oder empfohlene (rec. für recommended = engl. empfohlen)<br />
Kurzbezeichnung (engl.: Nonproprietary<br />
Name) gewählt (prop. INN oder rec. INN). Daneben existieren<br />
aus historischen Gründen noch von Land zu<br />
Land verschiedene inoffizielle sowie offizielle Synonyme<br />
(je nach nat. Pharmakopö wie BAN, USAN etc.).<br />
Integrine. Ubiquitär (Ausnahme: Erythrozyten) nachweisbare<br />
Glykoproteine an Zelloberflächen. Ihre Liganden<br />
sind extrazelluläre Matrixproteine <strong>und</strong> Zelladhäsionsmoleküle<br />
(CAM sowie interzelluläre ICAM). Damit<br />
interferieren sie mit Zelladhäsionsprozessen <strong>und</strong> Zellmotilität<br />
(z. B. Extravasation bei Entzündung). 2 putative<br />
Hauptgruppen: a-4-ß-1-Integrin (= »very late antigen-4«,<br />
Oberflächen von Immunzellen) <strong>und</strong> ß-2-Integrine<br />
(Leukozyten). Anti-Integrine könnten theoretisch<br />
bei der Entzündungsbekämpfung eingesetzt werden.<br />
lntensive-Care-Syndrom. Von McKegney 1966 beschriebenes,<br />
durch Stress v. a. bei inadäquater Schmerz<strong>und</strong><br />
Angstbefreiung geprägtes, in der modernen Intensivpflege<br />
auftretendes Krankheitsbild.<br />
Interleukine. Abk. IL, lösliche immunkompetente Zellen,<br />
synthetisierte <strong>und</strong> freigesetzte heterogene Gruppe<br />
von Signalstoffen des Immunsystems. Interleukirre<br />
funktionieren als interzelluläre Kommunikatoren. Sie<br />
regulieren u. a. die durch T-Zellen vermittelte zytotoxischen<br />
Abwehrreaktionen, die B-Zell-Aktivierung bzw.<br />
Antikörperproduktion <strong>und</strong> Immunglobulinsynthese.<br />
Sie regulieren verschiedenste zelluläre Reaktionen im<br />
Rahmen von Entzündungs- <strong>und</strong> Immunreaktionen<br />
(Zellproliferation, Zellausdifferenzierung, DNA-Synthese,<br />
Freisetzung von bioaktiven Stoffen mit entsprechenden<br />
Reaktionen wie Fieber, Osteolyse, Leukopenie,<br />
Hypotension, Hyperalgesie). IL-1 ist ein durch aktivierte<br />
Makrophagen, Monozyten <strong>und</strong> anderen Zellen synthetisiertes<br />
Protein, das die Reaktionsfähigkeit von T<br />
Lymphozyten auf mitogene <strong>und</strong> antigene Stimuli aktiviert.<br />
Die so aktivierten T-Lympozyten produzieren IL-<br />
2, ein Glykoprotein, welches die DNA-Synthese in naiven<br />
Lymphozyten ankurbelt. IL-3 ist ein von verschiedenen<br />
Zellen sezernierter Wachstumsfaktor, der als<br />
»multi-colony-stimulating-factor« die Produktion (klonale<br />
Proliferation) <strong>und</strong> Ausdifferenzierung von hämatopoetischen,<br />
aber auch epithelialen, astrozytären Zellen<br />
koreguliert. IL-4, durch aktivierte T-Lymphozyten<br />
freigesetzt, reguliert das Wachstum <strong>und</strong> die Ausdifferenzierung<br />
von B-Lymphozyten wie auch die übrigen<br />
Zelllinien der Hämatopoese. IL-5 reguliert die Aktivierung<br />
<strong>und</strong> Ausdifferenzierung von Eosinophilen. IL-6<br />
koreguliert Wachstum <strong>und</strong> Ausdifferenzierung von B<br />
Zellen, aber auch T-Zellen, Monozyten, Fibroblasten<br />
<strong>und</strong> wirkt als Wachstumsfaktor bei Erkrankungen<br />
(multiples Myelom, Ovarialkarzinom etc.). IL-7 ist ein<br />
bärnatopoetischer Wachstumsfaktor. IL-8 ist ein Neutrophile<br />
<strong>und</strong> T-Lymphozyten aktivierendes Zytokin,<br />
das durch Monozyten, Fibroblasten, Endothelzellen,<br />
Keratinozyten etc. durch Entzündungsstimuli freigesetzt<br />
wird. IL-8, strukturell mit dem Plättchenfaktor 4<br />
verwandt, wird zur Superfamilie der ß-Thromboglobulinfamilie<br />
gerechnet. IL-9 reguliert die Hämatopoese.<br />
IL-10, durch T- <strong>und</strong> B-Zellen freigesetzt, reguliert das<br />
System der Mastzellen; IL-10 scheint antiinflammatorische,<br />
Anti-TNF-Eigenschaften zu haben. IL-11 ist ein<br />
Zytokin mit Wirkung auf das lymphohämatopoetische,<br />
aber auch andere Zell-Systeme. IL-12, durch Phagozyten<br />
etc. bei Exposition auf Bakterien, intrazelluläre toxische<br />
Stoffwechselprodukte, Pilze, Viren <strong>und</strong> deren Abbauprodukte<br />
etc. produziert, stimuliert als proinflammatorisches<br />
Zytokin die Produktion von Interferon-y durch<br />
T- <strong>und</strong> Natural-Killer-Zellen. IL-13 ist ein von T-Lymphozyten<br />
stammendes Zytokin, dass u. a. die Immunoglobulinproduktion<br />
von Lymphozyten koreguliert <strong>und</strong><br />
somit in der Regulation von entzündlichen <strong>und</strong> immunen<br />
Prozessen involviert ist. IL-14 ist ein B-Zellsystem<br />
aktivierendes Zytokin, das die Immunoglobulinfreisetzung<br />
hemmt. IL-15 ist ein dem IL-2 verwandtes Zytokin.<br />
Daneben IL-16, IL-17 <strong>und</strong> IL-18 (proinflammatorischer<br />
Induktor von Interferon-y sowie weiteren Wirkungen).<br />
Das höchst komplizierte Interleukinkommunikationsnetz<br />
ist Gegenstand der Forschung, man hofft, über TL<br />
Rezeptoren spezifische Wirkstoffe mit entsprechend<br />
antiinflammatorischen, antiviralen, antibakteriellen,<br />
antitumoräsen etc. Wirkungen zu entwickeln.<br />
Internalisation. Engl. »internalization«, Zellmechanismus,<br />
der erlaubt, Zellstrukturen wie membranständige<br />
Rezeptoren ins Innere der Zelle zu delokalisieren; z. B.<br />
j.l-Rezeptoren nach Etorphingabe.<br />
International Headache Society. Internationale Kopfschmerz-Gesellschaft;<br />
stellte eine erste internationale<br />
Migräne-Kopfschmerzklassifizierung auf ~ Headache<br />
Classification (Headache Classification Committee,<br />
1988).<br />
intrinsisch. Die intrinsische Aktivität eines Wirkstoffs<br />
wird in der Pharmakologie auch Effikazität (efficacy)<br />
gennarrt Bei gleicher Rezeptorenaffinität ( d. h. wenn 2<br />
verschiedene Wirkstoffe in gleicher Dosierung die<br />
Rezeptorenpopulation in gleicher Stärke besetzen)<br />
kann ein Wirkstoff klinisch eine verschiedene Wirkung<br />
zeigen.<br />
intrinsische Aktivität. Maximaler Wirkungsgrad eines<br />
Wirkstoffs bei maximaler Rezeptorbesetzung.
824 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
invers. Umgekehrt (Beispiel »inverse Agonisten«).<br />
Inversion. ~ Bioinversion.<br />
Ionenkanäle. NobelpreisE. Neher <strong>und</strong> B. Sakmann 1991;<br />
Patch -clamp-Techniken, membranständige, ionenselektive<br />
Glykoproteinkanäle.<br />
ionotropische Rezeptoren. Mit Membrankanälen gekoppelte<br />
Rezeptoren. Gegensatz: ~ metabotropische<br />
Rezeptoren.<br />
Iontophorese. Die Einschleusung ionisierter Wirkstoffe<br />
mit Hilfe eines galvanischen Stromes durch Haut/<br />
Schleimhäute zu therapeutischen Zwecken. Je nach<br />
Polung der aktiven Elektrode können über die Anode<br />
Kationen (Beispiel Opioide) über die Kathode Anionen<br />
(Beispiel analgetische Säuren) durch die Wirkung der<br />
jeweiligen elektrischen Felder in die entsprechenden<br />
Gewebeschichten propulsiert werden. In der Schmerzklinik<br />
wurden Wirkstoffe wie Kortikosteroide, Lidocain,<br />
Morphin <strong>und</strong> Fentanyl iontophoretisch appliziert,<br />
~ Sonophorese.<br />
IPSP. Engl. Abk. für »inhibitory postsynaptic potentials«<br />
(s. auch EPSP).<br />
Irländisches Moos (Irisch-Moos). Engl. Carrageenan;<br />
Fucus irlandicus: eine dem Agar-Agar ähnliche Biomischung<br />
( u. a. Polysaccharide), die durch Extraktion aus<br />
Rotalgen (Carrageen) gewonnen wird. Die intraartikuläre<br />
oder s.c.-Applikation bei Versuchstieren induziert<br />
eine lokalisierte Entzündungsreaktion (oft als<br />
experimentelle Entzündungsanordnung eingesetzt).<br />
islet cells. Dt. »Inselchen«; v. a. in der Substantia gelatinosa<br />
vorkommende Neurone mit profuser dendritischer<br />
Verästelung, wahrscheinliche Funktion: spinale<br />
Verschaltung von »Input«- <strong>und</strong> »Üutput«-Stationen im<br />
Sinne von modulierenden lokalen Interneuronen<br />
(s. Buch A).<br />
ISS. Abk. für »lnjury Severity Score«, eine Unterform<br />
dieses für die quantifizierbare Verletztenbeurteilung<br />
eingesetzten Scores ist die AIS oder »Abbreviated<br />
Irrjury Scale«.<br />
IUPHAR. Engl. Abk. für »International Union of Pharmacology«,<br />
u. a. mitverantwortlich für die neueste, heftig<br />
diskutierte Opioidrezeptoreinteilung, s. Buch B.<br />
IVRA. Engl. Abk. für »intravenous regional anaesthesia«.<br />
Jab- <strong>und</strong> Jolts-Syndrom. Kopfschmerzsyndrom mit Zirkumskripten<br />
intensiv schneidenden Schmerzen im<br />
Bereich der Schädeldecke, s. auch: SUNCT.<br />
Jackson, C.J. (1865-1958). HNO-Arzt <strong>und</strong> Anästhesist in<br />
Philadelphia. Nach ihm werden die sog. Jacksonsche<br />
Kopflagerung für die Intubation (»sniffling position«<br />
mit Kissen) sowie das Narkoseapparatsystem »Jackson<br />
Rees« benannt.<br />
Jackson, John Hughlings (1835-1911). Neben Charcot<br />
Mitbegründer der modernen Neurologie (National<br />
Hospital for the Paralysed and Epileptic). Mitbegründer<br />
1871 der Fachzeitschrift »Brain, Journal of Neurology«.<br />
Nach ihm werden die epileptischen Phänomene wie<br />
Jackson-Anfall, Jackson-Marsch, Jackson- Status sowie<br />
das Jackson-Syndrom benannt.<br />
Jacoby-Linie. Nach dem New Yorker Pädiater J. Jacoby<br />
(1830-1919) benannte Linie (bzw. Orientierungshilfe für<br />
rückenmarknahe Anästhesie) zwischen den beiden<br />
höchsten Punkten der Crista iliaca: ergibt die Höhe des<br />
Dornfortsatzes L 4 , sie ist identisch mit der sog. ~ Tuffier-<br />
Linie.<br />
Jänig, Wilfried (Wilhelmshaven *1938). Schüler<br />
1966-1971 von R.F. ~ Schmidt (zweites physiologisches<br />
Institut der Universität Heidelberg), Arbeiten in Budapest,<br />
New York, Kiel, Jerusalem (1980 mit~ Wall <strong>und</strong>~<br />
Devor), Melbourne, Bristol, Queensland (mit McLachlan),<br />
San Francisco (u.a. mit A. Basbaum, H. Fields, J.D.<br />
Levine), zeitg. bedeutender Forscher (Schwerpunkt:<br />
autonomes NS, neurale Mechanismen neuropathischer<br />
<strong>und</strong> viszeraler Schmerzen), mehrfache akademische<br />
Auszeichnungen, so Max-Planck-Preisträger 1993;<br />
Councillor IASP (1996-1999), International Society of<br />
Autonomie Neuroscience ISAN (1997-... ). Lehrer u.a.<br />
von H.-J. Häbler, M. Michaelis <strong>und</strong> Xianguo Liu.<br />
Janssen, Paul Adriaan Jan (Turnhout/Belgien *1926).<br />
Mediziner, Schmerzforsch er, Erfinder <strong>und</strong> Industrieller.<br />
Naturwissenschaftliche <strong>und</strong> medizinische Studien<br />
(Namur, Leuven, Gent). Pharmakologische Assistenz<br />
(Köln). Gründete 1953 die Janssen Pharmaceutika Beerse,<br />
Belgien, die er später an Johnson & Johnson verkaufte.<br />
Mehrfach ausgezeichnet. ~ Laudatio Buch B.<br />
Johannsen, Wilhelm (Kopenhagen 1857-1927). Dänischer<br />
Botaniker, führte 1909 die Bezeichnung bzw. den<br />
Begriff »Gen« ein.<br />
Jung, Carl Gustav (Kesswil 1875-1961). Bedeutender<br />
schweiz. Psychologe <strong>und</strong> Psychiater, Begründer der analytischen<br />
Psychologie.<br />
Jurna, Ilmaer (Berlin *1929). Med. Staatsexamen <strong>und</strong><br />
Promotion 1955, Gastassistent am Medicinska Nobelinstitutet<br />
Stockholm 1959-1960, 1965 Habilitation (Pharmakololgie/Toxikologie).<br />
1973 Gründungsmitglied<br />
IASP. Arbeiten am Institut Marey <strong>und</strong> INSERM Paris.<br />
Professur für Pharmakologie an der Universität des<br />
Saarlandes in Homburg.<br />
Kaliumkanäle. Zellmembrankanäle, die den Flux von<br />
Kaliumionen regulieren (z.B: Kaliumausstrom = negative<br />
Aufladung des Zellinneren = Hyperpolarisation der<br />
Zellmembran = Kalziumkanäle können nicht geöffnet<br />
werden).
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 825<br />
Kanzerogenität. Die Potenz eines Wirkstoffes, Krebs zu<br />
erzeugen. Wirkstoffe werden vor klinischer Zulassung<br />
im Tierversuch auf Kauzerogenität geprüft (s. Wirkstoffprofil:<br />
toxikologische Daten).<br />
Kappa-Rezeptor, K-Rezeptor (KOR). Subtyp der -7 3<br />
Opioidrezeptoren (Buch B). Affinität für Dynorphine ><br />
Endorphine > Enkephaline.<br />
Kainat. Chem. (2S-(2 a,3 ß>4 ß))-2-Carboxy-4-(1-<br />
methylethenyl)-3-pyrrolidyl-acetat, eine aus einer<br />
Algenart gewonnene experimentell eingesetzte Substanz,<br />
die als potenter exzitatorischer Agonist spezifische<br />
Rezeptoren des EAA-Systems kompetitiv okkupiert<br />
<strong>und</strong> aktiviert (s. Buch A).<br />
Kainatrezeptor. Natriumkanäle bzw. ionotrope, exzitatorische<br />
Rezeptoren (hohe Affinität zum Neurotoxin<br />
Kainat), bestehend aus Untereinheiten GluR5-7 sowie<br />
KA 1-2. Ähnliche Funktion wie AMPA-Rezeptor.<br />
Karolinska Institut. Nach der Niederlage im Finnischen<br />
Krieg (1808-1809) gegen Russland durch König Karl<br />
XIII als eine Art Kriegslazarett für Kriegschirurgen<br />
bzw. Kriegsversehrte gegründet (vgl. mit Invalidendom<br />
bzw. Invalidenhospital in Paris!). 1861 Universitätsstatus.<br />
1895 durch Alfred -7 Nobel auserkoren, zukünftige<br />
Nobelpreisträger für Physiologie <strong>und</strong> Medizin zu<br />
ernennen. Neben -7 Berzelius haben allein 5 Nobelpreisträger<br />
an diesem Institut gearbeitet, nämlich Hugo<br />
-7 Theorell 1955, Ragnar Granit 1967, Ulf von -7 Euler<br />
1970, Sune Bergström <strong>und</strong> Bengt Samuelsson 1982.<br />
Karotidynie. Intensive Schmerzen im Bereich der Karotisgabel<br />
mit Druckdolenz <strong>und</strong> Schwellung.<br />
Kasein. Milcheiweiß; synthetische gegen Diarrhö einsetzbare<br />
ß-Kasomorphine wirken über ]-l-Rezeptoren<br />
der Darmschleimhaut<br />
Katalepsie Starrsucht durch Störung der Motorik.<br />
Katz, Sir Richard (Leipzig *1911). Emigration 1935,<br />
bedeutender zeitg. Biophysiker, 1970 mit Julius Axelrod<br />
<strong>und</strong> -7 von Euler-Chelpin Nobelpreis der Medizin <strong>und</strong><br />
Physiologie (Erforschung der synaptischen Transmission,<br />
Acetylcholin). Nicht zu verwechseln mit Richard<br />
Katz (Prag 1888-1968 Muralto, Tessin; Schriftsteller <strong>und</strong><br />
Journalist), der 1933 emigrierte.<br />
Kausalgie. Erstmals vom am. Kriegschirurgen S. Weir<br />
-7 Mitchell1872 nach dem Sezessionskrieg beschriebene,<br />
brennende Schmerzzustände nach traumatischen<br />
Nervenläsionen (Mitchell: Schrapnellw<strong>und</strong>en; heute:<br />
Unfälle aller Art); s. Algodystrophie.<br />
Kawasaki-Syndrom. Syn.: mukokutanes Lymphknotensyndrom,<br />
vorwiegend bei Kleinkindern auftretendes<br />
akutes, lebensgefährdendes Syndrom unbekannter<br />
Ätiologie mit hohem Fieber <strong>und</strong> aseptischem Multiorganbefall<br />
(Lymphknotenschwellungen, Gelenkschwel-<br />
Iungen, Karditis, Hepatitis, Eosinophilie etc.); Kawasaki-ähnliche<br />
Erkrankungen sind nach Exposition auf<br />
sAA, insbesondere -7 Sulfasalazin beschrieben worden.<br />
KB. Konzentration eines Rezeptorantagonisten, welche<br />
die Wirkung eines Rezeptoragonisten entsprechend<br />
einer Konzentration von 1 auf 0,5 reduziert.<br />
Kehr-Zeichen. Nach dem Berliner Chirurgen H.K. Kehr<br />
(1862-1916) in die linke Schulter ausstrahlende Oberbauchschmerzen<br />
mit Hauthyperästhesie bei Milzriss.<br />
Kehrer-Zeichen. Hinterhauptdruckschmerz (N. occipitalis<br />
major), ruckartige Kopfbewegungen, Anspannung<br />
der Gesichtsmuskeln, Heben der Schultern bei Hirndruck.<br />
Kekule von Stradonitz, Friedrich (Darmstadt<br />
1829-1896 Bonn). Professur für Chemie an der Universität<br />
Gent (Belgien) <strong>und</strong> Bann, beschrieb u. a. den Benzolring.<br />
Der Staat Belgien hat Kekule eine Briefmarke<br />
gewidmet.<br />
Kern, Alfred (1850-1893). In Basel wirkender Farbstoffchemiker,<br />
der 1886 mit dem Kaufmann Edouard Sandoz<br />
die gleichnamige chemische Fabrik gründete.<br />
Killian, H.F.E. (Freiburg 1892-??). Sohn des Bronchoskopiebegründers<br />
(1898) Gustav Killian (1860-1921),<br />
gründete 1923 die Zeitschrift »Narkose <strong>und</strong> Anästhesie«.<br />
1959 »Lokalanästhesie <strong>und</strong> Lokalanästhetika«. Zugleich<br />
Schriftsteller, 1957 »Hinter uns steht nur der Herrgott«.<br />
Kilo. Abk. k: dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />
103 = 1000.<br />
Kinetik. Pharmakakinetik Nach Dost 1953 die Lehre<br />
von den zeitlichen Abläufen zwischen Pharmakongabe<br />
<strong>und</strong> Serumkonzentration. Man unterscheidet vereinfacht<br />
von loglinearen Zusammenhängen ( d. h. die Dosis<br />
muss potenziert werden, um eine Verdoppelung der<br />
Serumkonzentration bzw. Wirkung zu erzielen; lineare<br />
Kinetik). Die Kinetik wird jedoch in den meisten Fällen<br />
durch verschiedene Vorgänge ( u. a. aktive Mechanismen)<br />
beeinflusst <strong>und</strong> ist in der Regel nichtlinear<br />
(s. Buch K).<br />
Kinetosen. Durch Bewegung, Beschleunigung induziertes<br />
Krankheitsbild, das u. a. durch Reizung des Vestibularsystems<br />
sowie Reizung der Stammhirnzentren hervorgerufen<br />
wird <strong>und</strong> sich mit Nausea <strong>und</strong> Emesis,<br />
Schweißausbrüchen, Brady- oder Tachykardie, Hypooder<br />
Hypertension, Apathie oder Exzitation, Vertigo,<br />
Obstipation oder Diarrhö etc. <strong>und</strong> klinisch als sog.<br />
Reise-, Meer-, Flugzeugkrankheit etc. beschrieben wird.<br />
Kinine. Sammelbezeichnung für,aus Vorstufen (Kininogene)<br />
enzymatisch z. B. bei Gewebsverletzungen, Infektionen<br />
etc. freigesetzten, algogenen, proinflammatorischen<br />
Stoffen Kallidin, Bradykinin, Methionyllysylbradykinin.<br />
Kinine induzieren oder synergisieren ihrer-
826 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
seits proinflammatorische Reaktionskaskaden über ~<br />
Prostanoide, ~ Zytokine, ~ freie Radikale, Prostanoide,<br />
Serotonirr etc. Kinine degranulieren Mastzellen ( ~<br />
Histaminfreisetzung) <strong>und</strong> sind an der Plasmaexvasation,<br />
Endothelreaktionen etc. mitbeteiligt 2 Subrezeptoren:<br />
B,- Neosynthese durch Entzündungsvorgänge stimuliert<br />
<strong>und</strong> wahrscheinlich für Hyperalgesie mitverantwortlich,<br />
endogene Liganden: wahrscheinlich Kininmetaboliten<br />
<strong>und</strong> B 2 - endogene Liganden: Bradykinin<br />
<strong>und</strong> Kallidin.<br />
Kisch-Reflex. Syn.: Ohr-Tränen-Reflex, reflektorischer<br />
Lidschluss <strong>und</strong> reflektorischer Tränenfluss bei mechanischer<br />
oder thermischer Reizung des äußeren Gehörgangs.<br />
Klee, Paul (Münchenbuchsee 1879-1940 Exil Muralto).<br />
Studium in München (Heinrich Knirr, Pranz von<br />
Strunk); Heirat mit der Pianistirr Lily Stumpf (1906),<br />
Bekanntschaften mit Kandinsky, Franc Mare, Hans Arp,<br />
Rilke, Herwath, Waiden, Macke, Moilliet. Reisen nach<br />
Tunesien <strong>und</strong> Ägypten. Kriegsdienst als deutscher<br />
Infanterist 1916-1918. Berufung durch Gropius nach<br />
Weimar (Bauhaus) <strong>und</strong> Dessau. 1933 durch die Nationalsozialisten<br />
aus der Professur in Düsseldorf verjagt;<br />
nationalsozialistische »Beschlagnahmung« seiner »entarteten«<br />
Werke. Emigration nach Bern. 1935 Beginn der<br />
tödlichen Sklerodermie. Tod in Muralto.<br />
Kloepfer, Hans (Eibiswald/Steiermark 1867-1944<br />
Köflach). Medizinstudium in Graz, Arzt in Köflach.<br />
Bedt. österreichischer M<strong>und</strong>artdichter.<br />
Knoll, Albert (1858-1952). Zusammen mit Hans Knoll<br />
<strong>und</strong> Max Daege Begründer der Firma Knoll; entwickelte<br />
1886 ein Verfahren zur Gewinnung von Kodein aus<br />
Morphin. Die Familie Knoll entstammte dem gewerblichen<br />
Mittelstand, war im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert in Dreviskirchen<br />
bei Schwerirr ansässig <strong>und</strong> übersiedelte 1800 nach<br />
Braunschweig.<br />
Kodeinismus. Sog. Kodeinsucht, Analogon zum sog.<br />
Morphinismus.<br />
Kokain. Durch von Niemann 186o isoliertes <strong>und</strong><br />
benanntes Alkaloid der Inkapflanze Koka (s. auch Willstätter).<br />
Durch Selbstversuche mit Kokain wurden u.a.<br />
so prominente Forscher <strong>und</strong> Kliniker wie Hall <strong>und</strong> ~<br />
Halsted kokainabhängig. Papst Leo XIII gebrauchte ein<br />
in Neuilly (bei Paris) durch einen Mariani gebrautes<br />
Kokaingetränk als »Roborans« bzw. »Vin Mariani«. Die<br />
Kokainforschung durch Sigm<strong>und</strong> Freud begründete die<br />
sog. Psychopharmakologie <strong>und</strong> führte zur Entdeckung<br />
weniger toxischer Lokalanästhetika. Georg Trakl, Poet<br />
<strong>und</strong> Sanitäter im ersten Weltkrieg, nahm 1914 eine<br />
Überdosis Kokain, er konnte den Anblick nicht verkraften,<br />
als sich vor seinen Augen ein verzweifelter Verw<strong>und</strong>eter<br />
eine Kugel in den Kopf jagte.<br />
Kolbe, Wilhelm Hermann (1818-1884). Marburg, Leipzig.<br />
Synthetisierte 1860 die Salicylsäure, die er schon<br />
1837 zu Heilzwecken <strong>und</strong> als Konservierungmittel empfahl.<br />
Koller, Carl (Schüttenhofen/Böhmen 1857-1944).<br />
Fre<strong>und</strong> von Sigm<strong>und</strong> ~ Freud. Freud, der das Alkaloid<br />
Kokain für allerhand Psychotests bei sich selbst einsetzte,<br />
berichtete über eine »eingeschlafene Zunge« bei oraler<br />
Einnahme vom Kokain. Koller führte diese Beobachtungen<br />
(<strong>und</strong> wahrscheinlich auch andere Beschreibungen<br />
dieser Phänomene durch Schroff <strong>und</strong> Demarle, die<br />
schon 1862 die durch Kokain induzierbare Zungenanästhesie<br />
beschrieben) zusammen mit seinem Kollegen<br />
Königstein weiter fort <strong>und</strong> erfand dabei die topische<br />
Oberflächenanästhesie. Berichteteam 15.09.1884 in<br />
Beideiberg bei einem ophthalmologischen Kongress<br />
über die Möglichkeit, unter lokaler Kokainapplikation<br />
schmerzlos Augenoperationen durchführen zu können.<br />
Der Artikel wurde auch im Lancet veröffentlicht: »On<br />
the use of cocaine for producing anaesthesia on the<br />
eye« Lancet 1984; 2: 990. Emigration 1889 nach New<br />
York, wo er am Mount Sinai Hospital weiterarbeitete.<br />
Kölliker, Rudolf von (1817-1905). Bedeutender schweiz.<br />
Anatom; beschrieb u. a. den~ Fasciculus longitudinalis<br />
dorsalis. Die ~ Substantia gelatinosa centralis wird<br />
auch als Kölliker-Kern bezeichnet, die Substantia grisea<br />
intermedia centralis et lateralis des Rückenmarks als<br />
Kölliker-Kernsub stanz. Definierte 1896 den Begriff<br />
»Axon«.<br />
Koma. Bewusstlosigkeit, meisten länger dauernd, mit<br />
zentralen Störungen vitaler Funktionen (Reflexe,<br />
Atmung, Kreislauf).<br />
Kombinationskopfschmerz. Spannungskopfschmerz<br />
mit Migräneattacken.<br />
Kompartiment. Der aus dem engl. (compartment:<br />
Abteil, Abschnitt) stammende Begriff Kompartiment<br />
wird in vielen Disziplinen gebraucht <strong>und</strong> damit verschieden<br />
definiert. In der Klinik versteht man unter<br />
Kompartiment einen reellen oder fiktiven Raum, der<br />
funktionell zusammenhängt (z. B. das zentrale Kompartiment<br />
des Kreislaufs mit den bestperf<strong>und</strong>ierten Organen<br />
Herz, Hirn, Niere). In der Pharmakakinetik sind<br />
Kompartimente fiktive Räume bzw. Volumenbereiche<br />
zur Berechnung desVerteilenseines Stoffes im Organismus.<br />
So gibt es verschiedene Rechenmodelle, die von<br />
einem Einkompartimentsystem (gesamter Körper als<br />
ein gemeinsamer Raum), Zweikompartiment- (Intravaskulärraum<br />
<strong>und</strong> Peripherie), Dreikompartiment<br />
System oder auch mehreren Kompartimenten sprechen.<br />
Kompartmentsyndrom. Syn.: »Compartiment-syndrome«<br />
durch erhöhten Druck (Druckverband, Blutung, zu<br />
enge Kleider, perioperative Lagerungen etc.) innerhalb
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 827<br />
eines limitierten Kompartiments auftretende Benachteiligung<br />
der Gewebeperfusion <strong>und</strong> Organfunktion<br />
(v.a. via Nervenkompression Paralysen bis Kontrakturen).<br />
Betrifft v. a. die Extremitäten.<br />
Kompressionsanalgesie. Analgesie durch Nervenkompression,<br />
z.B: durch Klemmschraube nach dem schottischen<br />
Chirurgen <strong>und</strong> Vakzinationspionier -7 J. Moore<br />
(1762-1860). Moore beschrieb 1784 im Buch »A method<br />
of preventing or diminishing pain in several operations<br />
of surgery. London, T. Cadell« - wahrscheinlich dem<br />
ersten Buch über perioperative Schmerzausschaltung -<br />
das Anlegen von Kompressionsschrauben über dem zu<br />
lokalisierenden <strong>und</strong> auszuschaltenden Femoral- oder<br />
Brachialnerven ca. 1 h vor Operationsbeginn. Kurz vor<br />
Schnitt wurde dem Patienten 1 Krümel Rohopium verabreicht.<br />
Nach erfolgter Beinamputation wurde zur<br />
optimalen Blutstillung die Kompression, die ebenfalls<br />
als Blutsperre funktionierte, geöffnet <strong>und</strong> die Blutstillung<br />
durchgeführt. Patienten berichteten über die relative<br />
Schmerzfreiheit der Operation während Hautschnitt<br />
<strong>und</strong> Muskeldurchtrennung, aber über zunehmende<br />
Schmerzen nach Öffnung der Kompression.<br />
Konformationsänderung. Die Änderung einer Molekülkonfiguration<br />
bei Rezeptorbesetzung durch einen<br />
Agonisten, die in der Folge weitere Prozesse wie Öffnung<br />
von Ionenkanälen (ionotrope Rezeptoren) oder<br />
Aktivierung von intrazellulären Boten (metabotrope<br />
Rezeptoren) auslöst.<br />
kongenitale Schmerzindifferenz Ford-Wilkins. Siehe<br />
Analgia Fanconi-Ferrazini<br />
kontinuierliche Spinal- oder Epiduralanästhesie.<br />
Durch Einlegen eines Verweilkatheters in den Spinaloder<br />
Epiduralraum kontinuierliche rückenmarknahe<br />
Anästhesie- <strong>und</strong> Analgesietechnik Historisch wurde<br />
die erste kontinuierliche Spinalanästhesie schon 1907<br />
durch H.P. Dean durchgeführt <strong>und</strong> durch W.T. Lernmon<br />
1944 reaktiviert. Die kontinuierliche Epiduralanästhesie<br />
wurde durch M.M. Curbelo 1949 eingeführt. Kontinuierliche<br />
rückenmarknahe Techniken wurden aber erst<br />
durch die Entwicklung entsprechender Instrumente<br />
(Führungskanülen, -7 Tuohy-Punktionsnadel, Plastikkatheter<br />
etc.), besserer Ausbildung der Anästhesiefachärzte<br />
usw. seit ca. 1970 Routine.<br />
Kossel, Albrecht (1853-1928). Nobelpreis 1910 für<br />
gr<strong>und</strong>legende Erforschungen von Zellproteinen bzw.<br />
Nukleinsäuren.<br />
Kosterlitz, Hans (Berlin 1903-1996 UK). Arzt in Berlin,<br />
1928-1933, Zwangsexil 1934 nach Aberdeen (Schottland).<br />
Kurze Zusammenarbeit mit Nobelpreisträger<br />
J.J.R. MacLeod, der 1935 starb. Arbeitsbesuche 1953 bei<br />
Otto -7 Krayer (Harvard). Führte Bioassays am isolierten<br />
Meerschweinchenileum ein. 1968-1973 Vorsteher<br />
des Pharmakologie-Universitäts-Instituts Aberdeen.<br />
Einer seiner Schüler ist John -7 Hughes, mit dem er u. a.<br />
erstmals opioiderge Bioliganden aus dem Schweinehirn<br />
isolierte (1975, Methionin- <strong>und</strong> Leucin-Enkephalin).<br />
Diverse Ehrungen wie Ehrendoktorat (Liege), Schmiedeberg<br />
Plakette, Wellcome Gold Medal, Royal Medal of<br />
the Royal Society of London, Albert Lasker Preis etc.<br />
Mit Harry Collier Vorarbeiten zur Gründung der<br />
»International Narcotics Research Conference«.<br />
Kraepelin, E. (Neustrelitz 1865-1926 München). Bedeutender<br />
Psychiater, führte unter anderem Opioide zur<br />
Behandlung von psychotischen Zuständen ein. Heute<br />
wird die Möglichkeit diskutiert, dass eine Entgleisung<br />
des -7 endogenen Schmerzkontrollsystems ursächlich<br />
bei gewissen psychotischen Erkrankungen mitbeteiligt<br />
ist.<br />
Krause, Fedor (1857-1937). Bedeutender Hirnchirurg,<br />
beschrieb 1896 die »Neuralgie des Trigeminus nebst<br />
Anatomie <strong>und</strong> Physiologie der Nerven«.<br />
Krayer, Otto Hermann (Köndringen/Baden 1899-1982<br />
Emigration). Wehrdienst als Infanterist 1917-1919, mit<br />
dem Eisernen Kreuz 2 ausgezeichnet; Studien in Freiburg<br />
i. Br., München <strong>und</strong> Berlin mit Promotion (Dr.<br />
med.), danach Weiterbildung in Pharmakologie, mit<br />
Professur 1927 für Pharmakologie (Berlin) <strong>und</strong> Stage<br />
am physiologischen Institut der Universität Göttingen;<br />
lehnte den Ruf an das durch nationalsozialistische<br />
Zwangsentlassung des jüdischen Vorstehers verwaisten<br />
Pharmakologie-Institutes der Universität Düsseldorf<br />
ab, was ihm selbst eine sofortige Entlassung <strong>und</strong> Suspendierung<br />
von jeglichen Funktionen an »deutschen«<br />
Universitäten einbrachte. Emigration über London,<br />
Beirut (American University) in die USA (1937); verschiedenste<br />
Professuren für Pharmakologie unter anderem<br />
an der Harvard-Universität (emeritiert 1966),<br />
1976-1980 Gastvorlesungen an der T.U. München. Krayer<br />
gilt als einer der führenden Pharmakologen des Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
Krebs, Hans Rudolf Sir (Hildesheim 1900-1981). Emigration<br />
1933, Nobelpreis 1953 für Entdeckung des nach<br />
ihm benannten Zitronensäurezyklus.<br />
Krehl, Rudolf von (1861-1937). Führte den Begriff<br />
Pathophysiologie ein (»pathologische Physiologie«).<br />
Kreis, 0 (?-?). Führte in Basel die geburtshilfliehe<br />
rückenmarknahe Anästhesie ein: »Über Medullamarkase<br />
bei Gebärenden«, im Zentralbl Gynäkol1900; 24:<br />
724 publiziert. s. auch -7 Stöckel W.<br />
Krogh,August (1874-1949). Schüler von Christian Bohr,<br />
Nobelpreis für Physiologie 1920 für seine gr<strong>und</strong>legenden<br />
Arbeiten über die Regulationsmechanismen von<br />
Kapillaren. Daneben Pionierarbeit über Gasaustausch.<br />
Kryästhesie. Erhöhte Kälteempfindlichkeit
828 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Kryochirurgie. Bzw. Kälteneurochirurgie (z. B. stereotaktische<br />
Kryochirurgie des Ganglion Gasseri, von<br />
Interkostalanästhesie nach Thoraxeingriffen etc.), die<br />
gezielte Vereisung bzw. kryonekrotische Schädigung<br />
von Nerven.<br />
Kryotherapie. Therapeutische Unterbrechung der neuronalen<br />
Transmissionfunktion durch Kälte. Die Kryotherapie<br />
geht u. a. auf Severino (1646) sowie auf franz.<br />
Chirurgen im Napoleon-Feldzug (Beinamputationen<br />
bei erfrorenen Gliedern) in Russland zurück. Bei Sportverletzungen<br />
reduzieren kryotherapeutische Maßnahmen<br />
wie Eisbeutel etc. Schmerzen <strong>und</strong> lokale Entzündungsreaktionen.<br />
KST. Abk. für Kopfschmerz vom Spannungstyp.<br />
Kühler-Ross, Elizabeth (Meilen/Zürich *1930). Dr.<br />
med., Psychiaterin, Psychologin. Forschung <strong>und</strong> Publikationen<br />
über ---7 »Sterbehilfe«: » To live until we say<br />
good-bye«. Beschreibt den Prozess des Sterbens in 5<br />
Sterbephasen als psychosozialer Reifeprozess im Buch<br />
»Ün death and dying«, nämlich »denial of death«<br />
(Schock- <strong>und</strong> Verdrängungsphase des »Nicht-wahrhaben<br />
wollen«), »anger« (aggressiv-emotionelle Neid<strong>und</strong><br />
Zornphase), ))bargaining« (Verhandlungs- <strong>und</strong><br />
Hoffnungsphase), ))depression« (Rückblick- <strong>und</strong> Trauerphase),<br />
))acceptance« (Akzeptierungsphase). Viele<br />
internationale Ehrungen.<br />
Kuhn, Pranz (1866-1929). Dt. Pionier der oralen <strong>und</strong><br />
nasalen Intubation (entwickelte spezielle Tuben, empfahl<br />
die vorherige LA mittels Kokain, das Larynx<br />
Packing, die Nasalintubation für prolongierte Intubation<br />
etc., das Absaugen von Sekreten mittels dünnen<br />
Kathetern etc.). Diese vergessenen <strong>und</strong> durch den Rummel<br />
über Sauerbruchs Überdruckkammer verdrängten<br />
Arbeiten wurden während des 2. Weltkriegs zufälligerweise<br />
durch englische Kriegsgefangene, die als Anästhesisten<br />
im Kriegsgefangenenlazararett arbeiteten, wiederentdeckt.<br />
KUSS. Abk. für kindliche Unbehagens- <strong>und</strong> Schmerzskala.<br />
La 1-5. Abk., in Deutschland werden die Arzneimittel in<br />
5 Laktationsklassen eingeteilt, s. ---7 Schwangerschaftskategorie.<br />
Labat, Gaston (Seychelles 1877-1934). Führte auf Mauritius<br />
eine Apotheke <strong>und</strong> liess sich mit 37 Jahren in Montpellier<br />
in Medizin bzw. Chirurgie ausbilden. Schrieb<br />
zusammen mit Victor Pauchet 1922 ein Lehrbuch über<br />
Regionalanästhesie, das nach seiner Übersetzung ins<br />
Amerikanische bzw. Labats Emigration in die USA als:<br />
))Regional anesthesia: its technique and clinical application«<br />
wegweisendes Lehrbuch wurde. Von den Gehrüdem<br />
Mayo nach Rochester verpflichtet. Gründer der<br />
))American Socity of Regional Anesthesia«,ASRA (1923).<br />
Labores. Auch »dolores«, lat. Wehen.<br />
Laennec, Theophile Rene Hyacinthe ( Quimper<br />
1781-1826 Kerlouan/Finistere). Erfinder des Stethoskops<br />
<strong>und</strong> Begründer der Auskultation (1819: ))De l'auscultation<br />
mediale«).<br />
Laerdal, Asm<strong>und</strong> S. (Stavanger 1913-1981). Herausgeber<br />
von Kinderbüchern, Kinderspielzeug. Man sagt, dass er<br />
unter dem Eindruck einer um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />
angefertigten <strong>und</strong> weltbekannten, Totenmaske einer aus<br />
der Seine tot geborgenen jungen Frau, die Trainingspuppe<br />
))Resusci-Anne 1960« entwickelte. Sein Sohn Tore<br />
Laerdal entwickelte das Unternehmen weiter <strong>und</strong> gründete<br />
u. a. die Laerdal Fo<strong>und</strong>ation for Acute Medicine.<br />
Lands-Einteilung. Historische Einteilung nach Lands<br />
(1985), der die antipyretischen Schmerzmittel in kompetitive<br />
reversible Prostaglandin(PG)-Inhibitoren, irreversible<br />
PG-Inhibitoren (analgetische Säuren mit Sauerstoff-acetyl-Gruppe,<br />
z. B. Aspirin) <strong>und</strong> kompetitive,<br />
reversible sowie peroxidneutralisierenden Inhibitoren<br />
(z. B. Paracetamol) einteilte.<br />
Landsteiner, Karl (Wien 1868-1943 New York). Nobelpreis<br />
1930 für die Entdeckung des Blutgruppensystems<br />
ABO.<br />
Langbein, Hermann (Wien 1912-1995). Widerstandskämpfer,<br />
Flucht 1938 vor dem ))Anschluss«, Teilnahme<br />
am Spanischen Bürgerkrieg, 1941 in Frankreich verhaftet,<br />
bis 1945 KZ Dachau <strong>und</strong> KZ Ausschwitz. Wirkte als<br />
Überlebender <strong>und</strong> Publizist bis zu seinem Tode gegen<br />
das grosse Vergessen.<br />
Langgässer, Elisabeth (Alzey/Rheinhessen 1899-1950<br />
Rheinzabern/Rheinpfalz). Literaturpreis 1932, als<br />
Deutschjüdin 1936 aus der Reichsschrifttumskammer<br />
ausgeschlossen ())Berufsverbot«), überlebte als Fabrikarbeiterin.<br />
Posthum (!) Georg-Büchner-Preis. Ihre<br />
Werke ))Das unauslöschliche Siegel«, ))Märkische Argonautenfahrt«<br />
<strong>und</strong> ))Gang durch das Ried« werden zur<br />
Weltliteratur gezählt. Ihre älteste Tochter kam ins KZ<br />
Ausschwitz: sie schrieb später als Cordelia Evardson<br />
ihre Berliner Jugend nieder: ))Gebranntes Kind sucht<br />
das Feuer«.<br />
Langley, J.N. (1852-1925). Führte die Bezeichnungen<br />
autonomes Nervensystem <strong>und</strong> Parasympathikum<br />
(1898) ein. Erforscht kutane Phänomene, die mit<br />
Schmerzen, Allodynie ())Sonnenbrand <strong>und</strong> Hemd«),<br />
Hyperalgesie oder Dysästhesien verb<strong>und</strong>en sind<br />
())Erythralgien«). Beschreibt die hyperalgetischen<br />
Hautzonen (Zweitschmerz) mit lokaler Entzündung.<br />
Postuliert ein ))Nozifensorsystem«. )) The autonomic nervaus<br />
system« Cambridge, 1921.<br />
lanzinierende Schmerzen. Stechende Schmerzen.<br />
Laudacon. Historische Bezeichnung für Dihydromorphinon,<br />
---7 Hydromorphon INN.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 829<br />
Laudanum. Historische Bezeichnung für Rohopium<br />
(Opium crudum), Meconium, Thebaicum, ~Opium.<br />
Läwen, Artbur (Waldheim/Sachsen 1876-1958). Ausbildung<br />
in Leipzig <strong>und</strong> Greifswald als Schüler von H.F.W.<br />
~ Braun, Trendelenburg etc.; Chirurg in Königsberg,<br />
Vorkämpfer für die Lokoregionalanästhesie; entwickelte<br />
die paravertebrale Leitungsanästhesie. Schlug 1912<br />
den Einsatz von muskelrelaxierendem Curare zu Narkosezwecken<br />
vor. Starb 1958 als Flüchtling in der DDR,<br />
nach dem er Alles, nämlich seine Söhne, Haben <strong>und</strong> Gut<br />
verloren hatte.<br />
Lazaroide. Siehe Aminosteroide.<br />
LD. Engl. Abk. »lethal dosis«, s. DL (Dosis letalis).<br />
Le Bars, Daniel (Paris *1947). Veterinärmedizinstudium<br />
mit Abschluss an der Ecole Nationale V eterinaire<br />
d'Alfort, Paris, sowie Physiologie- <strong>und</strong> Neurophysiologiestudium<br />
Laboratorien Pierre <strong>und</strong> Marie Curie der<br />
Universität Paris (D.E.A 1971, Doktorate 1973, 1974,<br />
1982). Erforschung (Pathophysiologie, Neurophysiologie,<br />
Psychobiologie) der Nozizeption- <strong>und</strong> Schmerzmechanismen<br />
in Zusammenarbeit mit Jean-Marie ~ Besson<br />
<strong>und</strong> Denise ~ Albe-Fessard, insbesondere über ~<br />
»diffuse noxious inhibitory controls« (DNIC). Seit 1991<br />
Direktor der Forschung des INSERM Paris.<br />
Lehmann, Klaus A. (Neviges/Rheinland *1947). Integrales<br />
Chemie- (Promotion Aachen 1972) <strong>und</strong> Medizinstudium<br />
(Promotion Aachen 1978/1979). Professur<br />
Anästhesiologie an der Universität Köln. Mehrfache<br />
Auszeichnungen ( u. a. Sertürner-Preis 1983, Rudolf<br />
Frey-Preis 1983, Förderpreis für Schmerzforschung<br />
1993).<br />
Leksell, Lars (1907-1986). Neurochirurg in Uppsala,<br />
L<strong>und</strong> <strong>und</strong> am ~ Karolinska-Institut, führte u.a. 1949<br />
stereotaktische Instrumente <strong>und</strong> 1968 das sog.<br />
»Gamma-knife« in der Neurochirurgie ein.<br />
Lembeck, F. (Oberwinden/Österreich *1922). Ausbildung<br />
in Pharmakologie in Graz, Edinburgh <strong>und</strong> Tübingen.<br />
Forschung u. a. über Katecholamine, Serotonin,<br />
Neuropeptide, Bradykinin etc., vielfältige Ehrungen.<br />
Mehr als 450 wissenschaftliche Publikationen <strong>und</strong><br />
Bücher, so u. a. auch Biographie über ~ Otto Loewi<br />
(zusammen mit W. Giere 1968). Lernheck postulierte<br />
1983 die spinale Mediatorrolle der 1931 durch von Euler<br />
<strong>und</strong> Gaddum entdeckten Substanz P im Nozizeptionssystem.<br />
Lemberg, Max Rudolph (Breslau 1896-1975 Australien).<br />
Nach Studien in Breslau, München <strong>und</strong> Heidelberg 1917<br />
in den Armeedienst eingezogen, wo er als Telephonist<br />
im Grabenkrieg in der Schlacht an der Somme 1918 verw<strong>und</strong>et<br />
wurde. Biologieabschluss summa cum laude<br />
1923, zu Bayer, später zu Karl Freudenberg, der ihn später<br />
tagelang vor den Nazischergen versteckte. Auf Rat-<br />
schlag Szent-Gyorgis Emigration nach England, dann<br />
Australien, wo er später einer der Gründer der australischen<br />
Akademie der Wissenschaften wurde.<br />
Lemmon, W.T. Veröffentlichte zusammen mit G.W.<br />
Pascha! frühe Arbeiten über kontinuierliche ~ Irrtraduralanästhesie<br />
bzw. Spinalanästhesie (1944).<br />
LEP. Engl. Abk. für »laser-evoked-potential« (s. Buch A).<br />
Leriche, Rene (Roanne 1879-1956 Cassis). Bedeutender<br />
franz. Chirurg (Gefässchirurgie, Chirurgie des Sympathikus,<br />
erste periarterielle Sympathektomie 1913) <strong>und</strong><br />
Schmerzforscher (Schmerzchirurgie). Vom eminenten<br />
frz. Physiologen Franck beeinflusst, der 1899 die Wichtigkeit<br />
des autonomen Nervensystems für gewisse<br />
Schmerzformen postulierte. Formulierte die Ausdrücke<br />
»Douleur-maladie« sowie »Chirurgie de la Douleur«<br />
(1937). Schrieb: »Souvenirs de ma vie morte« (1956), »La<br />
chirurgie, discipline de Ia connaissance« (1949).<br />
Lesch-Nyhan-Syndrom (1964). Syndrom mit x-chromosomal-rezessiver<br />
Störung des Purinstoffwechsels (Mangel<br />
an Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase,<br />
HPRT, lokalisiert auf Enzym 21), schwere Gichtanfälle<br />
(massive Uratsteinbildung), ungenügende<br />
Motorikkontrolle (Rollstuhlgeb<strong>und</strong>enheit), Intelligenzdefekt<br />
bis seltenerweise Selbstverstümmelung (Lippen,<br />
Zunge, Finger; ~ Automutilation).<br />
Leukotomie. Neurochirurgie: Syn. Lobotomie.<br />
Leukotriene. Lipidmediatoren, enzymatisch (Lipoxygenase<br />
AJ von Zellen der myeloischen Reihe ( Granulozyten,<br />
Mastzellen, Makrophagen) aus Zellmembranphospholipiden<br />
bzw. Arachidonsäure gebildet. In diesen<br />
Zellen kann die Arachidonsäure über den Cyclooxygenasenweg<br />
zu Prostaglandinen <strong>und</strong> Thromboxan,<br />
über den Lipoxygenasenweg zu Leukotrien LTA4 (<strong>und</strong><br />
danach zu LTB4 bzw. LTC4, LTD4, LTE4) abgebaut werden.<br />
Dazu muss die 5-Lipoxygenase (5-LO) über Koppelung<br />
mit dem entsprechenden Aktivierungsprotein (5-<br />
Lipoxygenase-Aktivierungsprotein, FLAP) aktiviert<br />
werden, damit wird die Lipoxygenase aus dem Zytosol<br />
an die Zellmembran transferiert (s. Buch A; Buch F, 5-<br />
LO-Inhibitoren bei Asthma bronchiale).<br />
Levi, Primo (Turin 1919-1987 Turin). Promotion in<br />
Chemie an der Universität Turin 1941. 1943 als Jude verhaftet,<br />
vom Lager Possoli im Viehwagen nach Auschwitz<br />
deportiert. 1945 von den sowjetischen Truppen befreit.<br />
Verfasser mehrerer autobiographischer <strong>und</strong> fiktivpoetischer<br />
Bücher, Selbstmord 1987.<br />
Lewin, Kurt (1890-1947). Begründete die sog. Berliner<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Organisationspsychologie (»Gruppendynamik«,<br />
s. auch Buch Schmerzmanagement), musste<br />
1933 emigrieren <strong>und</strong> befruchtete die amerikanische<br />
Schule am Institute for Social Research der Universität<br />
Michigan. Die Sozialisierung des Taylor-Systems.
830 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Schriftenreihe »Praktischer Sozialismus«, 1920, sowie<br />
»Untersuchungen zur Handlungs- <strong>und</strong> Affektpsychologie«<br />
Psychologische Forschung, 1926.<br />
Lewis, Sir T. (1881-1945). Britischer Kardiologe, befasste<br />
sich nach einem eigenen Herzinfarkt mit Herzmuskel-,<br />
später Schmerzen der quergestreiften Muskulatur <strong>und</strong><br />
schrieb 1942 eine Monographie über den Schmerz.<br />
L'hermitte-Zeichen. Bestrahlungsmyelopathie, Frühzeichen<br />
myelopathischer Schädigung mit elektrischen<br />
Schlägen bei Flexion der Halswirbelsäule.<br />
Liebeskind, John C. (Waterbury/Conn. 1935-1997 Los<br />
Angeles). Mitbegründer der~ IASP, Professur für Psychologie<br />
<strong>und</strong> Anästhesiologie (University of California<br />
UC). Arbeiten über ~ PAG <strong>und</strong> endogene Schmerzmodulation,<br />
über Schmerz <strong>und</strong> Stress:<br />
»Pain can kill«.<br />
Gründer der »Liebeskind History of Pain Collection«<br />
der University of California in Los Angeles (UCLA).<br />
Ligand. Pharmakologisch eine Substanz, die sich an<br />
Rezeptoren bindet. So gibt es für die Opioidrezeptoren<br />
exogene Liganden (sprich Opioide oder zentrale<br />
Schmerzmittel vom Opioidtyp) <strong>und</strong> endogene Liganden<br />
(sprich Endorphine etc.). Ähnliches ist möglich bei<br />
anderen Wirkstoftklassen, z. B. gibt es für GABA-Rezeptoren<br />
exogene (Wirkstoffe der Klasse der Benzodiazepine)<br />
als auch endogene Liganden (endogene Benzodiazepine).<br />
limbisches System. Bestehend aus Hippocampus, Indusium<br />
griseum, Area entorhinalis, Gyrus cinguli, Nucleus<br />
amygdalae <strong>und</strong> Area septalis. Phylogenetisch alter<br />
Hirnteil mit Repräsentations- <strong>und</strong> Steuerungsfunktionen<br />
für Hypothalamus sowie Affektverhalten.<br />
Lims-Tierversuch (1964). Die Arbeitsgruppe um Lim<br />
injizierte Bradykinin in die Milzarterie des H<strong>und</strong>es. Bei<br />
2 nebeneinandergelagerten H<strong>und</strong>en wurde nun durch<br />
Gefässkanülierung die Kreisläufe gekreuzt, sodass die<br />
freipräparierte Milz des 2. H<strong>und</strong>es vom Kreislauf des 1.<br />
H<strong>und</strong>es perf<strong>und</strong>iert wurde, aber in Bezug auf Innervation<br />
intakt blieb. Wird nun pronozizeptives Bradykinin<br />
in die Milz des 1. H<strong>und</strong>es injiziiert, kann beim 2. durch<br />
Kreuzperfusion angeschlossenen H<strong>und</strong> eine Gewebe<strong>und</strong><br />
Schmerzreaktion in der mitperf<strong>und</strong>ierten, aber in<br />
Bezug auf Innervation intakten Milz beobachtet werden.<br />
Diese »periphere« Gewebereaktion kann durch<br />
saure antipyretische Analgetika unterdrückt werden,<br />
wenn die Wirkstoffe die vorher geschädigte Milz direkt<br />
erreichen können. Wird das gleiche Experiment wiederholt,<br />
wirken dagegen »zentralangreifende« Substanzen<br />
wie Morphin nur, wenn sie das Hirn des entsprechenden<br />
H<strong>und</strong>es erreichen können. Aus dieser klassisehen<br />
Versuchsanordnung wurden die Begriffe »periphere«<br />
<strong>und</strong> »zentrale« Analgetika abgeleitet. Neueste<br />
Erkenntnisse schränken diese Definition ein, weil man<br />
unterdessen nachweisen kann, dass sowohl »periphere«<br />
Analgetika über periphere <strong>und</strong> zentrale Wirkmechanismen<br />
ihre Effekte erzielen <strong>und</strong> dass der klassische Wirkstoff<br />
Morphin ebenfalls nicht nur zentrale, sondern<br />
auch periphere Wirkungen erzielt. Lims Versuchsanordnung<br />
führt auch über den Integritätsverlusts von Zellmembranen<br />
indirekt zur Entdeckung der damit verb<strong>und</strong>enen<br />
~ Entzündungskaskaden durch Sir J.R. ~ Vane<br />
(1971).<br />
Lindblom, Ulf A. (Bromma *1927). Bedeutender zeitg.<br />
schwedischer Algesiologe (offizieller Spezialarzttitel<br />
des schwedischen Ges<strong>und</strong>heitssystems, 1997) nach<br />
Schulen in Växjö Studium der Medizin in Uppsala, L<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> ~ Karolinska-Institut Stockholm mit Abschluss<br />
1952. Weiterbildung in Physiologie, Neurologie <strong>und</strong><br />
Innere Medizin mit Professur in Neurologie. Forschungen<br />
u. a. in experimenteller Neurophysiologie ( endogene<br />
deszendierende Schmerzhemmsysteme, Tic douloureux,<br />
M. Meniere, Somatasensation bei chronischen<br />
Schmerzzuständen), 1992-1995 Leiter des Karolinska<br />
Schmerzinstitutes. 1990-1993 Präsident der ~ IASP.<br />
Seit 1996 Editor-in-Chief des »European Journal of<br />
Pain«. Unzählige Publikationen als Autor <strong>und</strong> Herausgeber.<br />
Vielfältige Ehrungen so u. a. John Bonica Lecture<br />
Award NY, 1991.<br />
lineare Kinetik. Kinetik erster Ordnung, gernäss dem<br />
Massenwirkungsgesetz proportionale Konzentrationsveränderungen<br />
des Wirkstoffes. Lineare Eliminationskinetik:<br />
die Geschwindigkeit der Konzentrationsänderung<br />
ist direkt proportional der Konzentration des<br />
Wirkstoffes, s. auch Halbwertszeit.<br />
Lingg, Hermann (Lindau 1820-1905 München). Militärarzt<br />
<strong>und</strong> Lyriker.<br />
Linimenta. Syn.: Linimente, Lösungen oder Emulsionen<br />
zur Applikation von Wirkstoffen auf die Haut.<br />
Lipidperoxidation. Die oxidative Schädigung von<br />
Lipidstrukturen durch freie Radikale.<br />
Lipmann, Fritz Albert (Königsberg 1899-??). Emigration<br />
1939, Nobelpreis 1953 für die Entdeckung des CoenzymA.<br />
Lipopolysaccharide. Abk. LPS, bestehend aus (toxischem)<br />
Lipid A <strong>und</strong> Polysacchariden (= 0-Antigen).<br />
LPS stimulieren wandständige Rezeptoren von Makrophagen<br />
<strong>und</strong> induzieren eine Reaktionskaskade über<br />
ADN-Stimulation, ARN-Expression, Proteinsynthese<br />
von Abwehrproteinen in Form von proinflammatorischen<br />
~ Zytokinen (v.a. TNF, IL-1, IL-8, PDGF, TGF<br />
etc.) mit Aktivierung der Leukozytenchemotaxis, Formation<br />
von freien Sauerstoffradikalen, Freisetzung von
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 831<br />
Enzymen (Elastase, Myeloperoxidase, Kollagenasen<br />
etc.).<br />
Liposome. Bezeichnung in der modernen Galenik für<br />
mikroskopisch kleine, fettähnliche Stoffe, welche zeitlich<br />
begrenzt Substanzen binden <strong>und</strong> sie später am Wirkungsort<br />
wieder freisetzen können.<br />
Lipoxygenasen. Fettsäurespaltende Enzyme, die die aus<br />
Biomembranen nach Stimulation freigesetzte ~ Arachidonsäure<br />
zu biologisch aktiven ~ Leukotrienen<br />
peroxidieren. Im Gegensatz zum Abbauweg über die<br />
COX braucht es zur Auslösung der Lipoxygenase bzw.<br />
Leukotrien-Kaskade Aktivatoren wie Ca-Ionen. Die<br />
Kombination der Leukotriene C 4 <strong>und</strong> D 4 löst Reaktionen<br />
aus, die bislang einer sog. »slow-reacting substance<br />
of anaphylaxis« (SRS-A) zugeschrieben wurden (s.<br />
Buch A).<br />
LTP. Abk. für »long-term-potentiation«, Gegenteil: LTD<br />
bzw. »long-term-depression«. Die langanhaltende<br />
Potenzierung oder Unterdrückung der neuronalen<br />
Erregbarkeit nach repetierten noxischen Reizen bzw.<br />
nozizeptivem Langzeitinput (s. Buch A: genetische<br />
Komponenten).<br />
Liquor cerebrospinalis. Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit<br />
in Hirnventrikel, Cisterna <strong>und</strong> Rückenmarkkanal<br />
mit intrazerebralen Verbindungen (Foramen Monroi,<br />
Aquäductus Sylvii, Foramina Luschka et Morgandie),<br />
die von den Plexus choroidei sezerniert wird ( ca.<br />
30 ml!h), mit »re-uptake« durch die Pacebionische Granulationen<br />
in Abhängigkeit von der zentralvenösen Zirkulation.<br />
Funktioniert als Hydrosuspension für das<br />
zentrale Nervensystem <strong>und</strong> reguliert partiell den intrakraniellen<br />
Druck. Totalvolumen ca. 150 ml, spezifische<br />
Gravidität 1,002-1,oo9 <strong>und</strong> pH 7,32. Enthält mehr Na-/<br />
Cl-Ionen <strong>und</strong> Glukose, jedoch weniger K-lonen <strong>und</strong><br />
Eiweiß als die extrazelluläre Flüssigkeit. Der hydrostatische<br />
Liquordruck beträgt auf Höhe L/L 4 >70 mmH 2 0<br />
(liegend) bzw. >150 mmH 2 0 (stehend).<br />
Lissauer-Trakt. Syn.: Lissauer-Randbündel, Tractus<br />
dorsolateralis. Nach dem Breslauer Neurologen Heinrich<br />
Lissauer (1861-1891!) benannt. Zwischen Hinterhornspitze<br />
<strong>und</strong> Oberfläche befindlich, enthält Afferenzen<br />
<strong>und</strong> Efferenzen (Schmerz, Temperatur,Tastsinn).<br />
Die sog. ~ Lissauer-Zone ist die Zona terminalis des<br />
Rückenmarks. Nach Lissauer wird ebenfalls eine sogenannte<br />
Lissauer-Paralyse benannt, eine progressive<br />
Paralyse mit Herdsymptomatik <strong>und</strong> gut erhaltenen<br />
intellektuellen Funktionen.<br />
Löns, Hermann (1866-1914). Studium der Medizin,<br />
Naturwissenschaften <strong>und</strong> Mathematik in Münster,<br />
Greifswald <strong>und</strong> Göttingen; bdt. Satiriker; später auch<br />
Naturbeschreiber mit Neigung zu Blut- <strong>und</strong> Bodentheorien.<br />
Am 26. September als Kriegsfreiwilliger an<br />
der Front bei Loivre gefallen. Später von den Nazis<br />
publizistisch ausgeschlachtet.<br />
Loeser, John (Newark/New York *1935). Schmerzforscher,<br />
Leiter der Kinderneurochirurgie in Seattle<br />
(1974-1986). Mitbegründer <strong>und</strong> Past President von APS<br />
(1986/1987) <strong>und</strong> IASP (1993/96).<br />
Loewi, Otto (Frankfurt/M 1873-1961 New York). Medizinstudium<br />
in Straßburg, hier beinflusst durch den Internisten<br />
~ Naunyn <strong>und</strong> den Pharmakologen Schmiedeberg,<br />
wo er mit Arbeiten am isolierten Froschherzen promovierte,<br />
<strong>und</strong> München. Habilitation bei H.H. Meyer in<br />
Marburg (1900) mit dem Beweis, dass tierische Organismen<br />
aus Aminosäuren Proteine aufbauen können. Berufung<br />
1904 nach Wien, 1909 nach Graz (Lehrstuhl für<br />
Pharmakologie 1938-1939). Bahnbrechende Arbeiten,<br />
unter anderem Ȇber eine Steigerung der Adrenalinfreisetzung<br />
durch Kokain«, 1910, »Über den Zusammenhang<br />
von Digitalis <strong>und</strong> Calziumwirkung«, 1917-1918, »Über<br />
humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung«,<br />
1921, mit der Postulierung der Idee von spezifischen chemischen<br />
Überträgerstoffen <strong>und</strong> der Möglichkeit der spezifischen<br />
Blockierung der Transmitterwirkung durch<br />
Pharmaka. 1936 gemeinsam mit ~ Sir Henry Dale<br />
Nobelpreis für Physiologie <strong>und</strong> Medizin. 1938 als Jude<br />
inhaftiert. Unter Zurücklassung seines gesamten Besitzes<br />
<strong>und</strong> Bezahlung speziell eingeführter Steuern war es<br />
ihm dann »erlaubt«, das »Hohheitsgebiet des Deutschen<br />
Reiches« zu verlassen. Tod in der Emigration.<br />
Lotz, Ernst Wilhelm (1890-1914). Dt. Lyriker.<br />
Lumbosakralneuralgie. Verschiedene Schmerzzustände<br />
bei Erkrankungen der betreffenden Region.<br />
L<strong>und</strong>y, John Silas (Seattle 1894-1973). Am. Anästhesist<br />
an der Mayo Clinic, Rochester, Pionier der Thiopental<br />
Anästhesie, führte in die damalige Narkosepraxis zum<br />
ersten Mal Anästhesieprotokolle ein (1924) <strong>und</strong> formulierte<br />
1926 den Begriff »balanced anesthesia«. Publizierte<br />
1942 ein Buch über »Clinical Anesthesia«.<br />
Lyell-Syndrom. Epidermiolysis acuta toxica, nach dem<br />
schottischen Dermatologen Alan Lyell1956 sog. Typ-IV<br />
Immunreaktion, z. B. die UAW nach Einnahme von ~<br />
sAA. Unter akuter Nekrose <strong>und</strong> Bläschenbildung löst<br />
sich die Oberhaut ab, dazu parallel schwerste andere<br />
Organmanifestationen (Bronchopneumonie, Nebennierennekrose,<br />
toxischallergische Nephrose usw.). Nebenbemerkung:<br />
die von Lyell mitbeschriebene fokale Staphylokokken-Nekrose<br />
wird durch zirkulierende Gifte<br />
induziert <strong>und</strong> heute vom wirkstoffinduzierten Lyell<br />
Syndrom getrennt diskutiert.<br />
Lymphokine. Immunologie: durch aktivierte Lymphozyten<br />
synthetisierte Stoffe, die andere Zellen beeinflussen<br />
(z. B. Leukocyte-migration-inhibitory-Faktoren).<br />
Schmerzlink: rheumatologische Erkrankungen.
832 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Lymphozyten. Beim Kind 20-70%, beim Erwachsenen<br />
20-40% der Leukozyten als Lymphozyten vorhanden,<br />
davon in folgenden Subpopulationen: CD3 bzw. T-Lymphozyten<br />
67-76%, CD3/CD4 bzw. T-Helfer-Lymphozyten<br />
38-46%, CD3/CD8 bzw. T-Suppressor-Lymphozyten<br />
31-40%, CD3/CD16/CD65 bzw. NK-Lymphozyten<br />
10-19%.<br />
MAC. Engl. Abk. für »minimum alveolar concentration«<br />
(nach Eger, 1965), die im Gleichgewicht (»steady state«)<br />
befindliche minimale alveoläre Narkosegaskonzentration<br />
(bei 1 Atm), bei der keine somatische Antwort der<br />
Muskelbewegung auf noxische Reize (in der Regel<br />
Hautinzision) mehr erfolgt. Der MAC-Wert ist ein gebräuchlicher<br />
Index für die Potenz eines Narkosegases<br />
bzw. eines Opioids ( opioidinduzierte MAC-Reduktion<br />
bei standardisierter Volatilanästhesie). Siehe auch --7<br />
Cp 50 ; --7 MEAC (s. Buch B).<br />
Macewen, William Sir (Ile of Bote/Schottland<br />
1848-1924 Glasgow). Bedeutender Chirurg <strong>und</strong> Pionier<br />
der Intubationsnarkose (1878). Setzte die Intubation als<br />
Mittel der Offenhaltung der Luftwege (z. B. Glottisödem<br />
etc.) ein.<br />
Macintosh, Sir Robert (1897-1990). Anästhesist, Erfinder,<br />
Forscher, Professor am Nuffield Institut Oxford<br />
(erster Lehrstuhl für Anästhesiologie in Europa, 1937) u.<br />
a. Spanienkrieg 1936!1937 (Anästhesie <strong>und</strong> Schmerztherapie<br />
unter Kriegsbedingungen). Siehe auch: --7 EMO.<br />
MacKenzie-Zonen. Zonen der Haut <strong>und</strong> Muskelregion,<br />
in denen sich übertragene Schmerzen aus dem Viszeralbereich<br />
manifestieren, auch als Viszerotome bezeichnet.<br />
Magendie, Fran-;:ois (1783-1855). Bedeutender frz. Neurologe,<br />
nach ihm benannt die Apertura medialis ventriculi<br />
IV, das »Foramen Magendie«.<br />
Magill, Sir Ivan (Larne/Nordirland 1888-1986). Zusammen<br />
mit seinem britischen Kollegen S. Rowbotham<br />
(1890-1979) Pionier der modernen Intubationsnarkose<br />
( s. Magill-Tubus, Magill-Attachment, Magill-Forzeps<br />
etc.). Er führte die britische Anästhesieschule, ab 1935<br />
Diplomexamina, zur Weltgeltung.<br />
Magnan-Zeichen. Nach dem Pariser Psychiater V.J.J.M.<br />
Magnan (1835-1916) benannte periphere Sensibilitätsstörungen<br />
bei Kokainmissbrauch, ebenfalls das ruckweise<br />
Herausstrecken der Zunge bei progressiver Paralyse<br />
nach diversen Hirnschädigungen.<br />
magnetische Resonanz-Neurographie. Abk. MRN, in<br />
der Schmerzforschung <strong>und</strong> Klinik das Abgreifen neuronaler<br />
Signalmuster bei Nervenläsionen. Die MRN kann<br />
als diagnostisches Hilfsmittel nach posttraumatischen<br />
Nervenläsionen <strong>und</strong> zur Überprüfung von chirurgischen<br />
Nervenanastomosen eingesetzt werden.<br />
Magnus, Rudolf (1873-1927). Bedeutender dt. Neurologe<br />
(arbeitete u. a. mit --7 Sherrington zusammen, Pionierarbeiten<br />
über Labyrinth <strong>und</strong> Körperbewegung).<br />
Malgaigne, Joseph-Francois (18o6-t865). Publizierte<br />
1841 eine erste Statistik über die Mortalität chirurgischer<br />
Eingriffe.<br />
MAO-Hemmer. Pharm. Hemmer der zentralen Monoaminooxidase.<br />
Dadurch kommt es zu einer Anreicherung<br />
sympatikomimetischer Amine (s. Buch B: Interaktionen<br />
Opoioide <strong>und</strong> MAO-Hemmer).<br />
Mare, Franc (München 1880-1916 Schlacht bei Verdun).<br />
Beim Tod seines Fre<strong>und</strong>es <strong>und</strong> Mitbegründers des<br />
Blauen Reiters August Macke (Merschede 1887-1914<br />
Schlacht in der Champagne):<br />
»Mit seinem Tod wird der Kultur eines<br />
Volkes eine Hand abgeschlagen, ein Auge<br />
blind gemacht«.<br />
Marie, Pierre (1853-1940). Bedeutender frz. Neurologe<br />
( u. a. Zusammenarbeit mit --7 Charcot: Muskelatrophie,<br />
Arbeiten über Akromegalie, Rückenmark etc.).<br />
Markennamen. Sy n.: Markenbezeichnung, bezeichnet<br />
den Eigennamen eines Produkts im Gegensatz zum<br />
»Generikanamen«, das eine Gattungsbezeichnung für<br />
chemische Verbindungen ist. Die Namengebung für<br />
Markennamen wird vom Hersteller frei gehandhabt.<br />
Der Markennamen kann patentrechtlich geschützt sein<br />
(®) <strong>und</strong> für den gleichen Wirkstoff von Land zu Land<br />
verschieden sein. Der Markennamen bleibt als geistiges<br />
Eigentum immer im Besitz der Eigentümer. »Generika«<br />
sind hinsichtlich des Wirkstoffes identische Nachahmungen<br />
aus dem Patentschutz entlassener Wirkstoffe.<br />
Perorale Generika können aber eine unterschiedliche<br />
Kinetik aufweisen (schlechter, besser) als Originalia<br />
(gilt nicht für i.v.-Generika).<br />
MASK. In der Palliativ- <strong>und</strong> Schmerzmedizin die Abk.<br />
für multiaxiale Schmerzklassifikation, einer Sehrnerzklassifikationssystematik<br />
mit Integrierung somatischer<br />
<strong>und</strong> psychosozialer Dimensionen, s. Buch H.<br />
Maslow, Abraham Harold (1908-1970). Professor für<br />
Psychologie am Brooklyn College (1937-1951) <strong>und</strong> an<br />
der Brandeis Universität (1951-1961). Begründer der<br />
»humanistischen Psychologie« - »Motivation and personality«,<br />
1954. Beschrieb --7 die »Maslow-Bedürfnispyramide«.<br />
Maslow-Bedürfnispyramide. Nach -7Maslow benannte<br />
Ebenen der physiologischen Bedürfnisse (Ebene 1), der<br />
Unabhängigkeit <strong>und</strong> Sicherheit (Ebene 2), der Zuwendung<br />
<strong>und</strong> Liebe (Ebene 3), der Anerkennung <strong>und</strong> Wertschätzung<br />
(Ebene 4) sowie der Selbstverwirklichung<br />
(Ebene 5; s. 1. Auflage 1996).
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 833<br />
Mastzellen. Bindegewebe- <strong>und</strong> Blutzellen (basophile<br />
Granulozyten), die u. a. Histamin enthalten. An die<br />
Membran der Mastzellen können sich Antigen-IgE-AK<br />
Reaktionen abspielen (s. Buch E, UAW, allergischtoxische<br />
Nebenwirkungen antipyretischer Analgetika).<br />
McCrae, John (1872-1918). Kanadischer Frontarzt;<br />
schrieb u. a. »In Flanders Fields.« Starb an einer Pneumonie<br />
in einem frz. Spitallazarett<br />
MEAC. Engl. Abk. für »minimal effective analgesic concentration«,<br />
entsprechend der minimalen Wirkstoffplasmakonzentration,<br />
die klinisch analgetisch wirkt.<br />
Bei Opioiden kann die minimal effektive Plasmakonzentration<br />
interindividuell um den Faktor 3 schwanken<br />
<strong>und</strong> ist deshalb ein beschränkter Wert für die Potenzbestimmung<br />
eines Opioids (s. Buch B/C/Kinetik).<br />
Mediator. Der Begriff wird uneinheitlich definiert. Im<br />
engeren Sinne: Überträgerstoff für die interzelluläre<br />
Kommunikation, <strong>und</strong> zwar prinzipiell über 4 Modi - 1.<br />
direkt von Zelle zu Zelle (»gap junction«), 2. »synaptisch«,<br />
3. »parakrin« über Diffusion zu ---1 Rezeptoren<br />
<strong>und</strong> 4. »endokrin« ( = hormonal) über den Blutkreislauf.<br />
Meerrettichperoxidase. Aus dem Meerrettich isolierbares<br />
Enzym, das in der Nervenforschung als histochemischer<br />
Marker benützt wird (die z. B. von einem peripheren<br />
Nervenaxon aufgenommene Meerrettichperoxidase<br />
wird an die entsprechenden zentralen Terminals transportiert).<br />
Mega. Abk. »m«, dezimales Vielfaches der Ordnung 106•<br />
Melkersson-Rosenthal-Syndrom. Bezeichnet nach dem<br />
schwedischen Arzt Ernst G. Melkersson (1898-1932)<br />
<strong>und</strong> dem dem Breslauer Arzt Curt Rosenthal. Bei<br />
Erkrankungen des Ganglion geniculi auftretendes idiopathisches<br />
klinisches Syndrom mit Fazialislähmung,<br />
Cheilitis granulomatosa (Lippenschwellung), Gesichtsschwellung<br />
(»Tapirmaul«), Zungenschwellung (Lingua<br />
plicata), Parästhesien, Hyperakusis, Migräneanfälle etc.<br />
Melzack, Robert (Montreal *1929). B.Sc. (1950), M.Sc.<br />
(1951), Ph.D. (1954), Weiterbildung in Psychologie University<br />
College London, Universität Pisa sowie Mass.<br />
Institute of Technology (1959 ), danach ab 1967 Professur<br />
an der McGill-Universität (Montreal) für Psychologie<br />
mit besonderer Gewichtung der Schmerzforschung.<br />
Direktor des Pain Center Montreal General Hospital.<br />
Zusammenarbeit mit dem am. Schmerzpionier William<br />
K. Livingston in Oregon. Autor des Buches: »Puzzles of<br />
Pain« (1973). Mitbegründer mit ---1 Wall der ---1 Gate<br />
Control-Theory of Pain (1965). Der McGill-Pain-Questionnaire<br />
wurde durch Melzack <strong>und</strong> W. Torgerson entwickelt.<br />
Mitgründer der ---1 IASP (deren Präsident<br />
1984-1987). Koautor mit P. Wall von: »The challenge of<br />
pain
834 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Kuren« vor <strong>und</strong> beschrieb einen »animalischen Magnetismus«.<br />
Der »Mesmerismus« hatte v. a. in der Romantik<br />
einen großen Einfluss auch auf die Literatur. Siehe auch<br />
Anästhesie/Elliotson: »mesmeric-state« = Hypnose.<br />
mesolimbisches Belohnungssystem. Der v. a. dopamingesteuerte<br />
mesolimbisehe Anteil (mit Nucleus accumbens)<br />
wird als Belohnungssystem bezeichnet, weil er<br />
Stimmung <strong>und</strong> Antrieb moduliert. jl-Agonisten (Morphin)<br />
aktivieren das Belohnungssystem <strong>und</strong> erzeugen<br />
in Konditionierungsversuchen ein sogenanntes Präferenzverhalten,<br />
K-Agonisten (Dynorphin) dagegen eher<br />
Aversionsver halten.<br />
metabotropische Rezeptoren. Rezeptoren, die mit dem<br />
intrazellulären G-Proteinsystem gekoppelt sind <strong>und</strong> bei<br />
Konformationsänderung sog. Zweitboten (second messengers)<br />
wie zyklische Nukleotide, CaH etc. aktivieren.<br />
Miasmen. Nach Hahnemann, »Gr<strong>und</strong>schwäche«, auch<br />
aufgr<strong>und</strong> »unterdrückender« Behandlungen der<br />
»Schulmedizin«.<br />
Migräne. --7 Buch A. Attackenweise auftretende, sich<br />
periodisch wiederholende meist pulsierende <strong>und</strong><br />
pochende Kopfschmerzen, die meist einseitig, manchmal<br />
auch beidseitig auftreten. Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen,<br />
Licht- <strong>und</strong> Lärmempfindlichkeit sowie Geruchsüberempfindlichkeit<br />
sind typische Begleitsymptome einer<br />
Migräneattacke. Vor <strong>und</strong> nach der Attacke kann es zu<br />
Stimmungsschwankungen <strong>und</strong> Veränderungen von<br />
Appetit, Magen-Darmfunktion <strong>und</strong> Flüssigkeitshaushalt<br />
kommen.<br />
Mikro. Abk. Jl: dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />
10-6 = 0,000001.<br />
Mikrodialyse. Die atraumatische Einführung von semipermeablen<br />
Membranen in den extrazellulären Raum<br />
von Geweben zur nachträglichen Untersuchung von<br />
Mikrodialysaten (z. B. Entzündungsfaktoren wie Prostanoide,<br />
Ionen etc.).<br />
Mikroporefilter. Rückenmarknahe Kathetertechniken,<br />
bakterielle Schutzfilter mit Porengröße um 15-20 Jlm.<br />
mikrovaskuläres Kompressionssyndrom. Syn.: idiopathische<br />
Neuralgie, bei Trigeminusneuralgie vorkommende<br />
Krankheitsursache. Durch dauernde Gefäßpulsationen<br />
induzierte Nervenschädigung (Demyelinisierung)<br />
mit konsekutiven ephaptischen Kurzschlüssen<br />
etc. <strong>und</strong> daraus resultierenden neuropathischen<br />
Schmerzen.<br />
mild analgesics. Syn.: --7 antipyretische Analgetika.<br />
Milli. Abk. »m«, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />
10-3 = 0,001.<br />
Mini-Mental-State. Abk. MMS, durch Polstein et al. 1983<br />
eingeführte einfache Bestimmung kognitiver Leistungen<br />
im Kontext der Palliativmedizin.<br />
Missbrauch. Die unkoutrollierte Einnahme eines Wirkstoffes<br />
(z. B. Opioide, antipyretische Analgetika etc.)<br />
ausserhalb medizinischer Indikationen.<br />
Mitchell, Silas Weir (1829-1914). Bedeutender am. Neurologe<br />
schottischer Abstammung. Studien bei --7 Claude<br />
Bernard. Klassische Beschreibungen der Kausalgien<br />
etc., Erythromelalgie (Weir-Mitchell-Erkrankung).<br />
Ebenfalls bedeutender Schriftsteller (Kurzgeschichten,<br />
Essays, Dramen etc.).<br />
Mitchell-Syndrom. Syn.: Akromegalie, schmerzhaftes<br />
( --7 Kausalgie) Syndrom der unteren Extremitäten mit<br />
Beteiligung des autonomen Nervensystems, mit lokaler<br />
Hyperthermie bzw. Erythrodermie, Schweißsekretion<br />
usw. Benannt nach dem amerikanischen Kriegschirurg<br />
Silas Weir --7 Mitchell (1829-1914), der während des<br />
Sezessionskrieges (1861-1864) v.a. periphere traumatische<br />
Nervenläsionen untersuchte. Als sog. Mitchell<br />
Haut werden die dystrophen Hautveränderungen bei<br />
Kausalgien bezeichnet.<br />
Mixturae. Syn.: Mixturen, flüssige Arzneipräparate zur<br />
peroralen Applikation in Form von Lösungen, Emulsionen<br />
oder Suspensionen (vgl. »Mixtura morib<strong>und</strong>i«: --7<br />
Brompton-Cocktail).<br />
Mohnsäure. Opiumsäure ( --7 Sertürner).<br />
Mohnträne Historische Bezeichnung für Mekonium, --7<br />
Opium.<br />
Moniz, Egas (1875-1935). Bedeutender portugiesischer<br />
Forscher ( Coimbra, Bordeaux, Paris, Pionier der zerebralen<br />
Angiographie etc.). 1918 Aussenminister Portugals.<br />
Nobelpreis 1949 für die Entwicklung der präfrontalen<br />
Leukotomie, Moniz entdeckte <strong>und</strong> entwickelte die<br />
arterielle Enzephalographie: »L'enciphalographie<br />
arterielle, son importance dans Ia localisation des<br />
tumeurs cerebra/es« (Rev Neurol1927) sowie: »Tentatives<br />
operatoires dans le traitement de certaines psychoses«<br />
(1936) u. v. a.<br />
Monoaminooxidase. Abk. MAO, v. a. in ZNS, Leber <strong>und</strong><br />
Niere in den Membranen von Mitochondrien vorhandenes,<br />
für die oxidative Desaminierung natürlich vorkommender<br />
Monoamine verantwortliches, Flavin enthaltendes<br />
Enzym (Bernheim 1928). Die zentrale MAO<br />
ist wichtig für die Homöostase zentraler Neurotransmitter<br />
vom Typ Monoamin (z. B. Serotonin), die hepatische<br />
MAO für die Inaktivierung von aus dem Darmtrakt<br />
resorbierter Monoamine (z.B. Tyramin). Entsprechend<br />
können zentralgängige MAO-Hemmer therapeutische<br />
eingesetzt werden, um entsprechende Neuratransmitterdefizite<br />
zu korrigieren.<br />
Monro, A. (1733-1817). Schottischer Anatom, nach ihm<br />
wird das Foramen interventriculare Monro[i] benannt.<br />
Als Monro[i]-Block wird eine das Foramen verschließende<br />
Liquorblockade bezeichnet, als Monro[i]-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 835<br />
Schmerzpunkt wird ein Punkt zwischen Nabel <strong>und</strong><br />
Spina ischiadica majorbezeichnet (vgl. mit McBurney<br />
Aaron-Punkt).<br />
Moore, James (Glasgow 1762-1860). Chirurg, Dichter<br />
(Novellen) etc. in London, Pionier (Impfungen, W<strong>und</strong>heilung,<br />
Schmerzbehandlung, Anästhesiemethoden).<br />
Publizierte 1784: »Method of preventing or diminishing<br />
pain in several operations«, London.<br />
Moore-Epilepsie. Von T.M. Moore 1944 beschriebenes<br />
Syndrom nach posttraumatischen Temporal- <strong>und</strong> Frontalhirnläsionen<br />
mit anfallsmäßigen heftigen Bauchschmerzen<br />
<strong>und</strong> vegetativer Instabilität.<br />
Moore-Syndrom. Siehe ~ Abdominalkrisen.<br />
Morbidität. Verhältnis der Erkrankungszahlen zu einer<br />
gegebenen Zahl.<br />
Morgan, Thomas Hunt (Lexington 1866-1945). Begründer<br />
der Chromosomenforschung (Nobelpreis Physiologie/Medizin<br />
1933).<br />
Morphin. Wichtigstes Alkaloid des ~ Opiums. 1805<br />
durch ~ W.F. Sertürner entdeckt, zum ersten Mal 1827<br />
in »Pharmacopoea Borussica« erwähnt, die Morphinstruktur<br />
wurde 1925 durch R. Robinson ermittelt <strong>und</strong><br />
die (komplizierte) Totalsynthese 1952 durch Gates u.<br />
Tschudin publiziert (s. BuchB<strong>und</strong> C).<br />
Morphinan. SF C, 6 H 2 ,N. Stammkörper mit sog. Viererring<br />
der ab 1947 synthetisch entwickelten Analgetika<br />
wie ~ Levorphanol, ~ Dextrorphan, ~ Butorphanol<br />
(s. Buch C).<br />
Morphinismus. Morphinsucht, »Morphinomanie«,<br />
historische Bezeichnung für Morphinmissbrauch.<br />
Morphium. Antiquierte Bezeichnung für Morphin.<br />
Morris, William (Lord Nuffield). Englischer Autohersteller<br />
(»Morris«), Patient <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong> von Robert ~<br />
Macintosh, stiftete den ersten Lehrstuhl für Anästhesie<br />
der Welt, das Nuffield Institute bzw. Nuffield Department<br />
of Anaesthetics (Universität Oxford).<br />
Mortalität. »Sterblichkeit«, das statistische Verhältnis<br />
der Letalität zu einer gegebenen Populationszahl <strong>und</strong><br />
bestimmten Zeitraum.<br />
Morton, T.G. (1835-1903). Beschrieb die Metatarsalgie<br />
oder Mortonsche Neuralgie.<br />
Morton, William Thomas Green (Charlton/Mass.<br />
1819-1868). Demonstrierte mit Erfolg Äthernarkosen,<br />
nachdem er zuerst H<strong>und</strong>e damit betäubt hatte. Nannte<br />
»sein« Narkosemittel »Letheon« <strong>und</strong> wollte es patentieren<br />
lassen. Seine am Massachusetts General Hospital<br />
durchgeführte erfolgreiche Äthernarkose an einem<br />
Patienten, der von Dr. J.C. Warren von seinem Kiefertumor<br />
befreit wurde, wird als der Anfang der modernen<br />
Anästhesiologie angesehen (16.10.1846). Die Nachricht<br />
von dieser erfolgreichen »Narkose« wurde in Windeseile<br />
bekannt. Heute im globalen praktisch zeitgleichen<br />
Informationsfluss kann dies kaum noch nachgefühlt<br />
werden, aber die Einführung von Äthernarkosen in<br />
England <strong>und</strong> wenig später auf dem europäischen Kontinent<br />
konnte in Abhängigkeit von den damaligen<br />
atlantischen Schiffsverbindungen ( Cunard-Linie etc.)<br />
in der Publikation nicht nur in ersten Fachzeitschriften,<br />
sondern auch in der Boulevardpresse nachvollzogen<br />
werden. Auf Mortons Grabstein im Mount Auburn<br />
Cemetery - Amerikas erstem Gartenfriedhof, in dem<br />
andere berühmte amerikanische Anästhesisten wie C.T.<br />
Jackson, W. Channing, H.J. Bigelow, C. Bulfinch, A.A.<br />
Gould etc. ruhen - in Boston steht:<br />
»lnventor and revealer of inhalation<br />
anesthesia: before whom, in all time, surgery<br />
was agony; by whom, pain in surgery,<br />
was averted and annulled; since whom,<br />
science has control of pain«.<br />
Moxibustion. Akupunktur, thermische Reizung bestimmter<br />
Akupunkturpunkte mittels eines nahen<br />
Glimmstengels.<br />
MR. Eng!. Kurzbezeichnung für die galenische Form<br />
»modified release« (s. ~therapeutische Systeme).<br />
Mr. Abkürzung der SI-Einheit für molare Masse, entsprechend<br />
dem Quotient aus der Masse <strong>und</strong> der Stoffmenge<br />
in kg/mol.<br />
Mugnier, Cecilie (Annecy/Hochsavoyen 1875-1962 England).<br />
Arbeitete beim berühmten frz. Neurologen Dejerine,<br />
wo sie Oskar ~ Vogt trifft. Cecilie Mugnier-Vogt<br />
war eine der ersten Frauen, die im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert in<br />
Paris zum Medizinstudium zugelassen wurde. Nach<br />
ihrer Heirat 1899 gründen sie <strong>und</strong> ihr Mann in Berlin<br />
das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung, deren<br />
Anatomische Abteilung sie ab 1931 leitete. Nach der<br />
Machtübernahme Hitlers Wegzug 1937 in die Abgeschiedenheit<br />
des Schwarzwalds (Neustadt), wo sie mit<br />
ihrem Ehemann Oscar Vogt als Protege der Familie<br />
Krupp am Dennenberg im von ihnen gegründeten<br />
»Institut für Hirnforschung <strong>und</strong> allgemeine Biologie«<br />
weiter forschen konnte, <strong>und</strong> zwar insbesondere auf dem<br />
Gebiet Hypnose <strong>und</strong> Psychotherapie sowie neurobiologischer<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung. Zu Ehren der Hirnforscherin<br />
Cecilie Vogt erschien 1989 eine deutsche Briefmarke<br />
im Rahmen der Postwertzeichen-Dauerserie<br />
»Frauen der deutschen Geschichte«.<br />
Müller, Johann Peter (Koblenz 1801-1858 Berlin). Pathologe,<br />
Anatom, Physiologe <strong>und</strong> Lehrer. »Handbuch der<br />
Physiologie des Menschen« (1833-1840). »Zur vergleichenden<br />
Physiologie des Gesichtssinns« (1826). Erforsch-
836 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
te die Entwicklungsgeschichte des Urogenitalapparates<br />
(1830 ). Postulierte, dass jede Wahrnehmung durch den<br />
erregten Sinneskanal festgelegt ist. Begründete das<br />
naturwissenschaftliche Denken <strong>und</strong> formulierte u. a.,<br />
wie äußere schädliche Energie über spezifische Afferenzen<br />
in das ZNS (Sensorium commune) gelangt <strong>und</strong><br />
vielfältig - u. a. auch durch psychische Faktoren -<br />
modifiziert wird, bevor sie als Schmerzen imponiert.<br />
Mühsam, Erich (Berlin 1878-1934 KZ Oranienburg).<br />
Apotheker, freier, pazifistischer Schriftsteller, bedeutender<br />
Expressionist, weigerte sich, im KZ das Horst-Wessei-Lied<br />
zu singen <strong>und</strong> wurde daraufhin umgebracht.<br />
Die schöne, mutige Bohemienne, Chanteuse, Schauspielerin,<br />
»Morphinistin« <strong>und</strong> Kabarettistirr (Münchner<br />
Künstlerkabarett Simplicissimus, ab 1916 Zürcher Kabarett<br />
Voltaire) - spätere Frau von Hugo Ball - Emmy<br />
(Ball) Hennings (Flensburg 1885-1948 Exil in Magliaso/<br />
Tessin) versuchte, ihren jüdischen Fre<strong>und</strong> Mühsam zu<br />
retten, scheiterte aber vor den Toren des KZ Oranienburg.<br />
Musiktherapie. Form von Psychotherapie zur Entspannung<br />
(z. B: während kontinuierlicher Epiduralanästhesie<br />
zur Ablenkung <strong>und</strong> Entspannung des Patienten).<br />
Muskarinrezeptoren. Rezeptorensubgruppe ( Subtypen<br />
M 1 -, M 2 -, M 3 -, M 4 - R) des cholinergen Systems, nach dem<br />
Gift »Muscarin« des Fliegenpilzes <strong>und</strong> anderer Pilze,<br />
einer quaternären Ammoniumbase, benannt. Muscarin<br />
induziert ein parasympathikomimetisches Intoxikationsbild<br />
mit negativer Ino- <strong>und</strong> Chronotropie, Miosis,<br />
peripherer Vasodilatation, Bronchokonstriktion, Tonussteigerung<br />
im MD-Trakt, Speichel- <strong>und</strong> Tränenfluss<br />
(durch Atropin antagonisierbar).<br />
Mutagenität. Potenzial eines Wirkstoffs: Änderungen in<br />
der Basensequenz der DNS (Mutationen) auszulösen.<br />
Man unterscheidet Punkt-, Deletions-, Insertions- <strong>und</strong><br />
Rastermutationen.<br />
MVD. Abk. für mikrochirurgische vaskuläre Dekompression<br />
(z.B. vaskuläre Dekompressionen bei Trigeminusneuralgie,<br />
Gardner u. Miklos 1959).<br />
Myalgie. Akute oder chronische Muskelschmerzen mit<br />
verschiedenster benigner <strong>und</strong> maligner Ätiologie. Oft<br />
assoziiert mit lokaler Schmerzempfindlichkeit sowie<br />
Steifheit, fakultativ von Muskelkrämpfen sowie chronischem<br />
Myofaszialsyndrom begleitet.<br />
Myasthenia gravis. Durch Auto-AK induzierte Schädigung<br />
der ACh-Rezeptoren an den motorischen Endplatten.<br />
Mydriasis. Extreme Pupillenerweiterung, klinisch bei<br />
Atropinmedikation, bei komatösen Patienten Zeichen<br />
der zerebralen Sauerstoffunterversorgung oder zu tiefem<br />
Narkosestadium (Guedel-Stadium III.3).<br />
Myelopathie. Nach Bestrahlung oder zytotoxischer<br />
Behandlung auftretende Schädigung des Rückenmarks.<br />
Es werden 4 Typen unterschieden: 1. akute Para- bis<br />
Tetraplegie (seltenste Form), 2. akute Parästhesien, ~<br />
L'hermitte-Zeichen etc. (häufig), J. chronisch-progressive<br />
Formen von Parästhesien, Hypalgesie etc., Sphinkterschwächen<br />
(häufig) <strong>und</strong> 4. motorische Schwäche der<br />
unteren Extremitäten wegen spezifischer Schädigung<br />
der vorderen Rückenmarkwurzeln.<br />
Myogelose. Knotige, druckschmerzhafte Muskelverhärtung<br />
irrfolge kolloidchemischer Veränderung, eine Art<br />
Muskelhartspann, der einzelne Muskelfasern <strong>und</strong> nicht<br />
einen ganzen quergestreiften Muskel betrifft <strong>und</strong> elektromyographisch<br />
stumm ist.<br />
my-Rezeptor, }!-Rezeptor. Syn.: MOR, OR-3, eine der 3<br />
Subtypen der~ Opioidrezeptoren (s. Buch B). Affinität<br />
für Endorphine > Dynorphine > Met-Enkephalin ><br />
Leu-enkephalin <strong>und</strong> Morphin.<br />
NACA-Score. Abk. für »National Advisory Committee<br />
for Aeronautics«, Score für die Lufttransportbeurteilung<br />
von Kranken <strong>und</strong> Verletzten.<br />
Nano. Abk »n«, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />
w-9 = o,ooo.ooo.om.<br />
Narcotin. Syn.: Narkotin, Noscapin ~ Opiumalkaloide<br />
(s. Buch B/C).<br />
N aristillae. Nasentropfen.<br />
»Narkose <strong>und</strong> Anästhesie«. 1928 gegründet durch den<br />
Gynäkologen H. Franken, die Chirurgen H. Killian<br />
(Freiburg i. Br.) <strong>und</strong> H. Schmidt (Hamburg) sowie den<br />
Pharmakologen H. Schlossmann (Düsseldorf); fusionierte<br />
1992 mit ~ »Der Schmerz«.<br />
Narkolepsie. Trias pathologischer Schlafanfall, pathologischer<br />
Tonusverlust, pathologischer WachanfalL Diskutierter<br />
Mechanismus, eine Störung der Schlaf-Wach<br />
Zentrums (s. Buch A, Formatio reticularis).<br />
Narkologie. Historische deutsche Bezeichnung für das<br />
Fach Anästhesiologie. Erstes dt. Lehrbuch 1913 über<br />
»Narkologie« durch von Brunn.<br />
Nathan, Peter (London *1914). Sprachstudien in Europa,<br />
nach einem Klinikbesuch in München Medizin- <strong>und</strong><br />
Psychiatriestudium. Unter Samson Wright in London<br />
Weiterbildung in Neurophysiologie. Treffen mit Hitler<br />
1932; Buch: » The psychology of fascism«. Betreuung von<br />
Schädel-Hirn-Verletzten im 2. Weltkrieg. Sein Handbuch<br />
(1969) »The nervaus system« ist in mehreren Auflagen<br />
erschienen.<br />
Naunyn, B. (Berlin 1839-1925 Baden-Baden). Forscher<br />
<strong>und</strong> Internist ( u. a. Bern, Dorpat, Königsberg, Straßburg).<br />
Begründete 1872 mit E. Klebs <strong>und</strong> 0. Schmiedeberg<br />
das danach benannte Naunyn-Schmiedeberg-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 837<br />
Archiv für experimentelle Pathologie <strong>und</strong> Pharmakologie,<br />
sowie zusammen mit J. von Mikulicz-Radecki die<br />
»Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin <strong>und</strong><br />
Chirurgie« (1896). 1892 »Klinik der Cholelithiasis«, 1898<br />
»Der Diabetes mellitus«, 1921 »Die Gallensteine, ihre<br />
Entstehung <strong>und</strong> ihr Bau«. 1925 »Erinnerungen, Gedanken<br />
<strong>und</strong> Meinungem
838 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
tranquilizers). Pharmakologisch folgende Gruppen:<br />
Phenothiazinderivate (Beispiel: Chlorpromazin);Thioxanthinderivate<br />
(Beispiel: Chlorprothixen); Aminobutyrone<br />
(Beispiel: Droperidol); Diphenylbutylpiperidine<br />
(Beispiel: Pimozid) <strong>und</strong> Indolderivate (Beispiel: Reserpin).<br />
Neuroleptika sind im Prinzip hypnotikafreie<br />
Beruhigungsmittel mit »antipsychotischer« Wirkung<br />
(s. auch~ Tranquilizer).<br />
Neurolyse. In der Schmerzpraxis reversible bis irreversible<br />
Zerstörung eines Nerven durch Kälte, Alkoholapplikation<br />
etc.<br />
Neuromodulation. Der Begriff Neuromodulation<br />
umfasst verschiedene, reversible, nichtdestruktive,<br />
schmerztherapeutische Techniken wie elektrische Stimulation<br />
der nozizeptiven Neuraxis (periphere Nerven,<br />
Trigeminuswurzel <strong>und</strong> -ganglion, Rückenmark, Thalamus,<br />
motorischer Kortex). Die häufigsten Techniken<br />
sind ~ TENS, ~ »peripheral nerve Stimulation« PNS<br />
<strong>und</strong> »spinal cord stimulation« ~ SCS.<br />
Neuron.1891 von Gottfried Wilhelm von Waldeyer-Hartz<br />
eingeführte Bezeichnung für eine Nervenzelle (bei<br />
Braunschweig 1836-1921; Anatom in Breslau, Straßburg<br />
<strong>und</strong> Berlin; führte ebenfalls die Bezeichnung Chromosom<br />
in die med. Nomenklatur ein).<br />
Neuropeptid Y. Ein 1982 entdecktes Peptid mit einer 36-<br />
Aminosäuresequenz. Vorkommen u.a. in autonomen<br />
noradrenergen Neuronen, mitverantwortlich für Vasekonstriktion,<br />
Na-Ausscheidung, lokale Perfusion, Drüsensekretion,<br />
glatte Muskulatur, Nahrungs- <strong>und</strong> Flüssigkeitsaufnahme,<br />
sowie Hypophysenhormone. Moduliert<br />
über NPY-Rezeptoren neuronale K+- <strong>und</strong> Ca2+-Kanäle.<br />
Neuropil. Sog. Nervenfilz, aus makroskopisch grau<br />
erscheinenden Geflechten von Dendriten, Axonen, Gliafortsätzen<br />
bestehend.<br />
Neurotensin. Ein biologisch aktives aus dem Hypothalamus<br />
isoliertes Peptid. Wirkungen: Hypotension,<br />
Ileumkontraktionen, Duodenalrelaxation im Tierversuch.<br />
Physiologische Funktion als peripherer <strong>und</strong> zentraler<br />
Neurotransmitter. Induziert dosisabhängig probis<br />
antinozizeptive Wirkungen bei Mikroinjektion in<br />
die mediane Medulla oblongata. Neurotensin-Antagonisten<br />
haben entsprechend den umgekehrten Effekt.<br />
Diese unterschiedliche Wirkung wird mit der Präsenz<br />
von (bislang putativen) Rezeptorsubtypen erklärt.<br />
Neurotizismus. Psychologie, neurotisches Persönlichkeitsmustermit<br />
»neurotischem Trias« Hysterie, Depression,<br />
Hypochondrie.<br />
Neurotoxine. Gifte, die das Nervensystem schädigen.<br />
Neurotoxisch. In der Schmerzpraxis auftretende Schädigung<br />
eines Nerven durch Medikamente, z.B. intrathekale<br />
Verabreichung von neurotoxischen Lokalanästhetika,<br />
neurotoxischen Beimischungen zu Schmerzmittelzubereitungen.<br />
Viele ~ Designerdrogen sind neurotoxisch.<br />
Neurotransmitter. Von Nerven synthetisierte, aus präsynaptischen<br />
Vesikeln bei Eintreffen eines Aktionspotentials<br />
sowie Ca2+-Ionen-Influx in die Synapse freigesetzte<br />
Substanzen. Induzieren an postsynaptischen<br />
Membranrezeptoren sog. Konformationsveränderungen.<br />
Neurotripsie. Durch operative Quetschung erfolgte<br />
temporäre Nervenschädigung.<br />
Neurotrop. Die Nerven betreffend (z. B. neurotrope<br />
Vitamine).<br />
Neurotrophine. Eine Superfamilie von endogenen Stoffen,<br />
die für das Überleben, Ausdifferenzieren etc.<br />
sowohl für das periphere als auch zentrale NS wichtig<br />
sind (BDNF, »brain-derived-neurotrophic-factor«, NGF,<br />
NT-3, NT-6, »neurotrophin-3/-6«, GDNF, »glial-cellline-derived-neurotrophic-factor«).<br />
In Diskussion in<br />
Bezug auf neurodegenerative Erkrankungen, Nervenläsionen<br />
sowie in Kombination mit anderen trophischen<br />
Faktoren (CNTF, FGF etc.). Entsprechende Rezeptoren<br />
sind p75NTR (p75) sowie p140trk (trkA, s. Tyrosinkinase-Rezeptor)<br />
für NGF. Nach Ligandenbindung wird der<br />
Neurotrophin-Rezeptorkomplex ins Innere des Neurons<br />
verschoben <strong>und</strong> zum Stoma transportiert. Die auslösbaren<br />
intrinsischen Wirkungen betreffen komplizierte<br />
neurotrophe Effekte, die das neuronale Überleben,<br />
Migration <strong>und</strong> Zellausdifferenzierung ( Zellproliferation<br />
bis zur Zellorganellbildung etwa von Synapsen)<br />
betreffen. Proinflammatorische Zytokine können von<br />
Makrophagen <strong>und</strong> Monozyten freigesetzt werden <strong>und</strong><br />
für Immunreaktionen wie die Akutphase-Reaktion,<br />
aber auch für allgemeine Körperreaktionen wie Schlaf<br />
etc. mitverantwortlich sein. Nach traumatischen, infektiösen<br />
oder degenerativen ZNS-Läsionen sind sie im<br />
ZNS nachweisbar. Potentiell könnte die Bekämpfung<br />
entsprechender Zytokine (mit Antikörper oder Rezeptorantagonisten)<br />
entsprechende Zytokin-induzierte<br />
Reaktionen blockieren.<br />
NGF. Abk. für »nerve growth factor«, s. Wachstumsfaktoren,<br />
»growth factors«.<br />
Nicholas, George Richard Rieb (Majorca/Vic-Australia<br />
1884-1960 ). Australischer Pharmazeut, entwickelte Verfahren<br />
zur Herstellung von Acetylsalicylsäure. Gründer<br />
der Smiths, Niebolas & Co. (1915), später Niebolas Proprietary<br />
Ltd.<br />
Nicolau-Syndrom. Typische Hautveränderungen nach<br />
akzidenteller intra- oder periarterieller Injektionstechnik<br />
mit Nekrosen, ähnliches ist nach i.m.-Applikationen<br />
bekannt (s. Buch Applikation).<br />
nichtsaure Pyrazolone. Ein Isomer der Kernsubstanz<br />
Imidazol ist Pyrazol, das durch eine Oxo- bzw. Keto-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 839<br />
gruppezum Pyrazolon wird, aus dem sich die Analgetika<br />
---7 Phenazon sowie ---7 Metamizol (Aminophenazol)<br />
ableiten lassen.<br />
Niere <strong>und</strong> Prostaglandinsystem. Das renale Prostaglandinsystem<br />
(COX-1 <strong>und</strong> COX-2) ist mitbeteiligt an der<br />
Autoregulation, d. h. am Selbstschutz der Nieren, die<br />
renale Perfusion, tubuläre Transportmechanismen,<br />
renale Hormonausscheidung umfassend. Im Nierenkortex<br />
werden offenbar v. a. Prostaglandine (PGE2,<br />
PGI2) zur dortigen Glomeruli- <strong>und</strong> Arteriolenregulation<br />
sowie Reninherstellung synthetisiert. Die renale<br />
Reninsekretion wird über Katecholamine <strong>und</strong> Prostaglandine<br />
reguliert. Im Nierenmarkbereich scheint das<br />
PGE2 eine wichtige Rolle zu spielen (Markperfusion,<br />
Elektrolytreabsorption, Arginin-Vasopressin-Synthese).<br />
Hormone wie Renin, Angiotensin, Noradrenalin<br />
<strong>und</strong> Vasopressin induzieren über die systemische durch<br />
diese Hormone ausgelöste Vasokonstriktion eine kompensatorische<br />
Erhöhung von renalen vasodilatierenden<br />
PG über den Phospholipaseweg. Eine iatrogene Hemmung<br />
durch PG-Hemm er kann die Nierenfunktion<br />
beeinträchtigen, v. a. bei Vorliegen begünstigender<br />
Kofaktoren wie (prä-, peri- oder postoperative) Hypovolämie,<br />
Hypotension, vorliegender Nierenschaden bei<br />
Hypertension, Arteriosklerose, Alter etc., s. auch ---7<br />
Prostaglandinrezeptoren.<br />
Nikolski-Zeichen. Pathognomisches Zeichen toxischer<br />
Hautreaktionen im Rahmen von UAW (s. Lyell-Syndrom,<br />
s. Tabelle Pathognomie kutane UAW, BuchE). Auf<br />
seitlichen Fingerdruck kann im Bereich der ges<strong>und</strong>en<br />
Haut die Hautschicht bzw. oberste Epidermislagen<br />
(Akantholyse) abgelöst werden. Nach dem russischen<br />
Hautarzt P. N. Nikolski (1858-1940) benannt.<br />
Nikotinrezeptoren. Neben der Muskarinklasse eine<br />
Hauptrezeptorenfamilie des cholinergen Rezeptorsystems<br />
mit Subtypen für Muskel- sowie neuronale Funktionen.<br />
NIPS. Engl. Abk. für »Neonatal Infant Pain Score« Im<br />
kanad. Ontario entwickelter Schmerzerfassungsskore<br />
( ---7 PIPP) für Neugeborene anband von Gesichtsausdruck,<br />
Weinen, Atmung, Haltung der Arme <strong>und</strong> Beine<br />
<strong>und</strong> Gemütszustand.<br />
Nissl, Franz (1860-1919). Bedeutender dt. Neurologe:<br />
Neuropathologie, Neurozytologie etc., thalamokortikale<br />
Verbindungen etc.<br />
NK. Abk. für Neurokine.<br />
NMDA-Antagonisten. Wirkstoffe, die kompetitiv<br />
NMDA-Rezeptoren besetzen <strong>und</strong> den natürlichen exzitatorischen<br />
Neurotransmitter ( Glu) verdrängen <strong>und</strong><br />
somit eine Sensibilierung bzw. Depolarisation der Postsynapse<br />
verhindern. Siehe ---7 Ketamin, ---7 Dextromethorphan<br />
<strong>und</strong> Dextrorphan, Felbamat, ---7 Amantadin<br />
<strong>und</strong> Memantin.<br />
NMDA-Rezeptor. Abk. für N-M ethyl-D-Aspartat-Rezeptor,<br />
bestehend aus Untereinheiten NR1, NR2A-D. Funktion:<br />
postsynaptischer Ca2+-Ionenkanal mit Bindungsstellen<br />
für Glutamat <strong>und</strong> Glycin (s. Buch A). Im depolariSierten<br />
Ruhezustand durch MgH-Ionenkanäle<br />
geblockt. Eine Membrandepolarisierung entfernt die<br />
Mg-Kanalblockade <strong>und</strong> erlaubt den Einstrom von Ca2+<br />
Ionen (abhängig auch von Zn2+ -Ionen). Ein Kationenfluss<br />
kann durch eine im Kanal befindliche Phencyclidinandockstelle<br />
geblockt werden. Eine Bindung zu dieser<br />
Andockstelle ist gesteigert bei aktiviertem Kanal<br />
(z. B. durch Ketamin, einen offenen Kanalblocker bzw.<br />
NMDA-Antagonisten). Andere Rezeptorstellen interferieren<br />
mit dem NO-System etc.<br />
NO. Syn.: Stickstoffmonoxid, Stickoxid, multifunktionelles<br />
nitroses Biogas, früher als Koregulator des Dialogs<br />
zwischen Endothel <strong>und</strong> glatten Gefässmuskelzellen<br />
als ED RF (»endothelium-derived-relaxing-factor«)<br />
bezeichnet. Funktionen: Regulation von Vasodilatation!Vasokonstriktion,<br />
Hemmung von Plättchenaggregation<br />
<strong>und</strong> -adhäsion, Plättchenaktivation, wobei NO<br />
sowohl vom Endothel als auch von Plättchen synthetisiert<br />
wird, Leukozytenaktivierung, Proliferation glatter<br />
Muskelzellen, Neurotransmitter. Biosynthese: aus L<br />
Arginin via konstitutive <strong>und</strong> induktive NO-Synthase<br />
bzw. via 0 2 - Aufnahme <strong>und</strong> Rezyklierung über L-Citrullin.<br />
Das NO-System kann Ca-abhängig oder Ca-unabhängig<br />
aktiviert werden, beispielsweise kann das Gefässendothel<br />
über entsprechend aktivierte Acetylcholin-<br />
oder Bradykininrezeptoren einen Kalziumioneninflux<br />
induzieren, eine erhöhte intrazelluläre Ca-Konzentration<br />
stimuliert die konstitutive NO-Synthase, die<br />
über L-Arginin NO de novo in Picomolquantitäten freisetzt<br />
<strong>und</strong> in glatten Muskelzellen die lösliche Guanylatezyklase<br />
(SGC) mit entsprechender Erhöhung des<br />
zyklischen Guanosinmonophosphats (aus GTP) stimuliert<br />
- mit dem Ergebnis einer Muskelrelaxation. Kalziumunabhängig<br />
können Endothel <strong>und</strong> glatte Muskelzellen<br />
durch zellmembranagierende Zytokine mit einer<br />
kontinuierlichen NO-Synthaseproduktion reagieren.<br />
Diese Reaktion ist durch Kortikosteroide hemmbar -<br />
zytokininduzierter septischer Schock - <strong>und</strong> kann entsprechend<br />
über kontinuierliche Aktivierung der löslichen<br />
Guanylatzyklase kontinuierlich eine längerdauernde<br />
Relaxation induzieren. Diese Reaktionen können<br />
durch NO-abgebende Wirkstoffe imitiert werden. Das<br />
endogene Nitrosystem umfasst verschiedene NO-Formen,<br />
so mit freiem Elektron (NO-), Nitrosoniumion<br />
(NO+): ---7 Redoxfunktionen. Endogene Nitrate wie<br />
N0 3 - werden mehr ausgeschieden als eingenommen.<br />
Bei Fieber beispielsweise ist die renale Ausscheidung<br />
von endogenen Nitraten vervielfacht. Link Immunsystem:<br />
stimulierte Makrophagen produzieren Nitrite,<br />
N0 3 -, N-Nitrosamine, wobei das Intermediärprodukt<br />
NO zytotoxische Eigenschaften aufweist. Link Nozizeptionssystem:<br />
bei starker synaptischer Nazitransmission
840 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
bzw.Aktivierung der postsynaptischen NMDA-Rezeptoren<br />
erfolgt ein intrazellulärer Kalziumionenstrom. Eine<br />
intrazelluläre Kalziumionenkonzentrationserhöhung<br />
aktiviert die konstitutive NO-Synthase der Sek<strong>und</strong>ärafferenz;<br />
das aus L-Arginin postsynaptisch gebildete NO<br />
rediff<strong>und</strong>iert nun als »retrograder Transmitter« in die<br />
Präsynapse der Primärafferenzen, wo es die Freisetzung<br />
des rapiden Transmitters ~ Glutamat fördert. Somit<br />
schaukelt sich eine pronozizeptiver synaptischer Nazitransmissionsmechanismus<br />
auf. NO ist möglicherweise<br />
für zelluläre Lernfunktionen sowie ~ Plastizität des<br />
nozizeptiven Systems mitverantwortlich. Therapeutisch<br />
sind NO-Donatoren wie Trinitrate einsetzbar (z. B. »chemische<br />
Sphinkterotomie«, s. BuchF<strong>und</strong> G). Ebenfalls in<br />
Diskussion sind ~ Hemmer der iNO-Synthase. Für die<br />
Entdeckung des NO-Systems erhielten 1998 die amerikanischen<br />
Forscher Robert F. Furchgott, Ferid Muard<br />
<strong>und</strong> Louis J. Ignarro den Nobelpreis für Medizin.<br />
NOA. In Deutschland gebräuchliche Abk. für »Nicht<br />
Opioidanalgetika ohne antiphlogistische Eigenschaft«,<br />
betrifft nichtsaure antipyretische Analgetika, wie ~<br />
Paracetamol, ~ Metamizol, ~ Phenazon <strong>und</strong> ~ Propyphenazon.<br />
NOAM. Abkürzung für in Deutschland gebräuchliche<br />
Bezeichnung »Nicht-Opioidanalgetika ohne antiphlogistische<br />
sowie muskelrelaxierenden Eigenschaften«, s. ~<br />
Flupirtin (Wirkstoffprofil Buch B).<br />
Nobelpreis. Für Physiologie <strong>und</strong> Medizin vom schwedischen<br />
Industriellen Alfred Nobel (1833-1896) eingeführter<br />
Wissenschaftspreis. In seinem Testament von 1895<br />
sind Richtlinien für die Preisverleihung zu finden.<br />
Nobel, unter dem damaligen Zeiteindruck der »Physiologie<br />
als F<strong>und</strong>ament der Medizin«, beschäftigte sich als<br />
Amateur u. a. mit physiologischen Experimenten zur<br />
Bluttransfusion. Aus dieser Sichtwarte ist der Preis <strong>und</strong><br />
die bezeichnende Namengebung »für die bedeutendste<br />
Entdeckung im Bereich von Physiologie oder Medizin«<br />
zu verstehen. Nobel war mit der Österreichischen Pazifistirr<br />
Bertha von Suttner (geb. Gräfin Kinsky Prag<br />
1843-1914 Wien; s. auch Henri Dunant) befre<strong>und</strong>et, die<br />
ihn zur Stiftung eines Friedensnobelpreises bewegen<br />
konnte, den sie selbst 1905 für ihre weltbekannten pazifistischen<br />
Aktionen erhielt. Ihr Buch »Die Waffen nieder«<br />
(Dresden 1889) wurde auf »Bücherverbrennungen«,<br />
so am 10.05.1933- durchgeführt durch dem nationalsozialistischen<br />
deutschen Studentenb<strong>und</strong> »Wider<br />
den <strong>und</strong>eutschen Geist« ( Originalzitat) - bzw. vom<br />
30.04.1938 nach dem Anschluss auf dem Salzburger<br />
Residenzplatz mit einem Grossteil der deutschen Literatur<br />
(Heine, Mann, Zweig, Remarque, Roth, Tucholsky,<br />
Renn, von Ossietzsky etc.) eingeäschert.<br />
NO-Syntethase. Enzym, dass die Konversion von L<br />
Arginin, NADPH <strong>und</strong> Sauerstoff zu Citrullin, NO <strong>und</strong><br />
NADP+ im Beisein von Kalziumionen katalysiert.<br />
Noceboeffekt. 1961 durch Kennedy beschriebener Konditionsreflex,<br />
der durch negative Erwartungen aktiviert<br />
wird <strong>und</strong> Antagonist zum ~ Placeboeffekt ist. Nocebostimuli<br />
wie Angst, Misstrauen, Zweifel können aversive,<br />
paradoxe Effekte auslösen, Hyperalgesie statt Analgesie.<br />
Als extremer Noceboeffekt gilt der bei Primitiven durch<br />
Angst auslösbarer Voodoo-Tod. In der moderen Gesellschaft<br />
wird der Noceboeffekt an Bedeutung gewinnen:<br />
soziapolitische »Aufklärung« gegenüber »allem Chemischen«<br />
vs. » nichtchemische Heilkraft des zunehmenden<br />
Schamanentums« im Kontext der Umweltveränderung<br />
etc. Der Kopfwehtest bei Probanden (Schweiger u. Parducci<br />
1981: s. ~ negativer Placeboeffekt) wird regelmäßig<br />
in der Presse beschrieben im Kontext »elektrisch-magnetischer«<br />
Schäden <strong>und</strong> Gefahren in der<br />
Nähe von Hochspannungsleitungen (elektromagnetische<br />
Pollution).<br />
Nociception. Lat. Nocere, noceo: schädigen, noxa,<br />
noxae: der Schaden <strong>und</strong> capere: erfassen, Syn. Nozizeption.<br />
Das Warn- <strong>und</strong> Abwehrsystem der thermischen,<br />
chemischen <strong>und</strong> mechanischen Schadenerfassung<br />
(s. auch Schmerz, Buch A).<br />
Nociceptin. Syn.: Nozizeptin, s. Buch B, endogener Peptidligand<br />
für ~ Orphan-ähnlichen Opioidrezeptor.<br />
Noda Hiroharu (Kyoto/Japan 1936-1991 Indiana/USA)<br />
bedeutender Neurophysiologe (ZNS).<br />
Nonresponder. Patient, der auf einen Wirkstoff »nicht<br />
anspricht« (z. B. langsamer Verstoffwechsler metabolisiert<br />
Prodrug Kodein nicht zu Morphin mit dem Resultat:<br />
keine Analgesiewirkung, s. auch Checklisten zentrale<br />
Schmerzmittel Buch C).<br />
Noradrenalin. Norepinephrin INN; Abk. NA. Formel:<br />
(H0) 2 C 6 H 3 -CH(OH)-CH 2 NH 2 • Hormon des Nebennierenmarks,<br />
peripherer Neurotransmitter (postganglionär<br />
adrenerge bzw. sympathische Synapsen), zentraler<br />
Neurotransmitter im ZNS (s. Buch A: retikuläres<br />
Systemm, Hypothalamus, Locus coeruleus). Die NA<br />
Synthese erfolgt über Tyrosin (Hydroxylase) ::::> DOPA<br />
(Decarboxylase) ::::> Dopamin (Dopamin-ß-Hydroxylase)<br />
::::> Noradrenalin {N-Methyltransferase) ::::> Adrenalin.<br />
Die NA-Speicherung erfolgt in synaptischen Vesikeln;<br />
die Freisetzung <strong>und</strong> der »Reuptake« über aktive<br />
Transportsysteme (abhängig von MgH, ATP) in Quanten<br />
bei Eintreffen eines Aktionspotential in Anwesenheit<br />
von Ca2+-Ionen. Die physiologische NA-Wirkung<br />
ist kurz <strong>und</strong> wird durch »Reuptake« (ca. 8oo/o) durch<br />
postanglionäre Nervenendigung oder (zu einem kleinen<br />
Teil) enzymatischen Abbau ( ~ MAO <strong>und</strong> ~<br />
COMT) beendet. Die NA-Elimination erfolgt in einer<br />
täglichen Menge von 2-4 g renal in der Form der Vanillinmandelsäure.<br />
NA wie Adrenalin ermöglichen die<br />
sympathischen Kampf- <strong>und</strong> Fluchtfunktionen mit entsprechend<br />
erhöhter Herzleistung (positive Ino- <strong>und</strong><br />
Chronotropie, Hypertension), erhöhtem Glykogen-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 841<br />
bzw. Energieumsatz, Bronchodilatation, Perfusionsänderung<br />
zuungunsten der Peripherie, zugunsten der<br />
Muskulatur. Der Ire Robert Ford Whelan (Belfast<br />
1922-1984) inf<strong>und</strong>ierte sich in einem Selbstexperiment<br />
eine Mischung von Noradrenalin <strong>und</strong> Adrenalin 1949<br />
mit der Folge von irren Kopfschmerzen, BD<br />
235/150 mmHg, Hirnödem, schweren Abdominal- <strong>und</strong><br />
Thoraxkrämpfen, die zur Notfalleinweisung führten.<br />
Die Kopfschmerzattacken hielten noch 12 Tage an.<br />
Nordenboos, N. (?-?). Bedeutender holländischer<br />
Schmerzphysiologe, beschrieb die polysynaptische<br />
Afferenzbahn Tractus spinothalamicus <strong>und</strong> verwies auf<br />
die Möglichkeit der Signalmodulation an Synapsen:<br />
»Pain: problems pertaining to the transmission of nerve<br />
impulses which give rise to pain« (1959).<br />
NOS. Abk. für NO-Syntethase, der ultrakurze, multipotente,<br />
ubiquitäre gasförmige Neurotransmitter ---+ NO<br />
wird u. a. im schmerzverarbeitenden Hinterhorn u. a.<br />
postsynaptisch über eine konstitutionelle sowie induktive<br />
(i) NOS produziert (s. Buch A, sowie Buch F).<br />
Noskapin. Syn.: Noscapin, Narkotin,---+ Opiumalkaloide<br />
(Buch B/C).<br />
Nosomanie. Wahn <strong>und</strong> Angst, an einer körperlichen.<br />
Erkrankung zu leiden.<br />
Nosophobie. Pathologische Angst vor Erkrankung (z. B.<br />
Beispiel: Karzinophobie =Angst vor Krebs).<br />
Nostalgie. Griech.: n6stos: Heimkehr, durch den Basler<br />
Arzt J. Hofer in seiner »Dissertatio medica de Nostalgia<br />
oder Heimweh« 1678 beschriebener seelischer Schmerz<br />
der Sehnsucht nach Heimat.<br />
Notalgie. Rückenschmerz.<br />
Notker Balbulus (ca. 840-912). »Der Stammler«, Benediktiner<br />
im Kloster St. Gallen (das mit dem Kloster der<br />
Insel Reichenau einen engen Kulturaustausch pflegte),<br />
Lehrer, Bibliothekar, Dichter <strong>und</strong> Vorgänger der heutigen<br />
Schmerz-Tod-Philosphie.<br />
»Media vita in morte sumus«.<br />
Nozizeption. Lat. nocere: Schaden zufügen, capere: erfassen.<br />
Schadenerfassung, neurophysiologischer Begriff,<br />
der alle Mechanismen, mit denen schädigende Reize<br />
erkannt <strong>und</strong> verarbeitet werden, bezeichnet. Als Antinozizeption<br />
wird die Unterdrückung der Prozessierung von<br />
noziven Reizen durch körpereigene Mechanismen<br />
(s. Endorphinsystem) oder iatrogen (pharmakologische<br />
Antinozizeption: ---+ Antinozizeptiva) beschrieben.<br />
Nozizeptor. Ein---+ Sensor (Nozisensor), der schädigende<br />
Reize erkennen <strong>und</strong> in ein spezifisches Nervensignal<br />
transduzieren kann (A 6 -, C- Nozisensoren, s. Buch A).<br />
Nozizeptorschmerz. Schmerz, der durch Stimulation<br />
von ---+ Nozizeptoren entsteht. (s. ---+Schmerzeinteilung<br />
BuchA).<br />
NSAID. Abk. für »non-steroidal anti-inflammatory<br />
drugs«, s. ---+ saure antipyretische Analgetika (sAA).<br />
NSAR. Abk. für nicht-steroidale Antirheumatika ---+<br />
saure antipyretische Analgetika (sAA) mit antiphlogistischer<br />
Eigenschaft bezeichnet (s. Buch D/E/F).<br />
NT. Abk. für Neurotrophine.<br />
Nucleus accumbens. Kernsystem des Mittelhirns, »Zentrum<br />
für das sogenannte Belohnungssystem«, s. Buch A.<br />
Nussbaum, Felix (Osnabrück 1904-verschollen). Bedeutender<br />
Maler, Ausbildung in Harnburg <strong>und</strong> Berlin, wo er<br />
die Malerin Felka Platek kennenlernt, Arbeiten in Rom<br />
(Villa Massimo, als Studiengast der Deutschen Akademie),<br />
Paris, Ostende, Brüssel, wo er 1940 verhaftet wurde.<br />
Internierungslager Saint Cyprien (s. auch A. ---+ Schweitzer).<br />
Flucht über Bordeaux nach Brüssel. Im Juli 1944<br />
zusammen mit seiner Frau Felka verhaftet <strong>und</strong> über das<br />
Sammellager Mechelen zum KZ Ausschwitz gebracht,<br />
dort wo auch sein Bruder sowie seine Eltern hingeführt<br />
worden waren. Verschollen bzw. 1946 aus dem belgiseben<br />
Judenregister gestrichen. 1998 wurde in Osnabrück ein<br />
von Daniel Libeskind konzipiertes Felix-Nussbaum<br />
Museum als Raum gegen das Vergessen eröffnet.<br />
Nussbaum, Johann Nepomuk (1829-1890). Chirurgieprofessor<br />
in München; führte in Deutschland die chirurgische<br />
Antisepsis sowie Prämedikation ein, indem er<br />
durch die Gabe von 1 g Morphinacetat den perioperativen<br />
Chloroformbedarf verringern konnte.<br />
Nyktalgie. Nur nachts auftretende Schmerzen.<br />
Obdormition. Parästhesie im Sinne des »Einschlafens«<br />
von Extremitäten.<br />
Oberflächenanästhesie. Auschatten der Schmerzempfindung<br />
an Oberflächen (Hautorgan, Schleimhäute).<br />
Oberflächenschmerzen. An Hautoberfläche empf<strong>und</strong>ene<br />
Schmerzen (vgl.---+ Tiefenschmerzen).<br />
Oberflächensensibilität. Thermische <strong>und</strong> mechanische<br />
Sensibilität an der Hautoberfläche (Berührungssinn,<br />
Wärmesinn).<br />
Oberst, M.A. (1849-1925). Nach ihm wird die Oberst<br />
Leitungsanästhesie an Finger <strong>und</strong> Zehen benannt.<br />
ODA. Abk. für »On demand analgesia«.<br />
Okzipitalneuralgie. Hinterhauptsneuralgie (z. B. als<br />
Folge einer Zervikalspondylose ).<br />
Okzipitalstich. Ältere Bezeichnung für Zugang zur zerebellomedullären<br />
Zisterne, z. B. für supraspinale intrathekale<br />
Wirkstoffapplikation.
842 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Ommaya-Reservoir. Nach A.K. Ommaya <strong>und</strong> R.A. Ratcheson,<br />
1968, sowie A.K. Ommaya 1984:«Implantable<br />
devices for chronic access and drug delivery to the central<br />
nervaus system« im Bereich des ZNS stereotaktisch<br />
implantierbares Reservoir, das als therapeutisches<br />
System (früher hauptsächlich zur Liquordrainage) eingesetzt<br />
werden kann.<br />
Omodynie. Syn.: Omalgie, Schmerzen im Schulterbereich.<br />
Onkogen. »Geschwulst erzeugend«, Gensequenzen die<br />
zur Eiweißbiosynthese von Proteinen führen. Protoonkogene<br />
wie c-fos, c-jun sind zuerst im Tierversuch mit<br />
Retroviren nachgewiesen worden, sie werden zu den<br />
sog. Transskriptionsfaktoren gezählt. Protoonkogene<br />
sind instabil <strong>und</strong> werden über multiple proteolytische<br />
Abbauwege degradiert.<br />
Opioid-rotating. Wechsel von einem Opioid auf ein anderes<br />
Opioid gleicher Dynamik innerhalb der gleichen<br />
Stufentherapie, Indikation: bei unzureichender Analgesie<br />
nach einer gewissen Zeit, wegen Vorkommen<br />
einer inkompletten Kreuztoleranz, wird in der Regel<br />
die Dosis des Zweitopioids um ca. 30-50% reduziert<br />
<strong>und</strong> entsprechend mögliche Analgesielücken durch<br />
nichtretardierte, raschwirksame Opioide geschlossen<br />
(s. Buch C).<br />
Opiat. Natürliche Wirkstoffe, die eine selektive Affinität<br />
zu Opioidrezeptoren aufweisen.<br />
Opiattrias. Opiattypische Nebenwirkungen: Atemdepression,<br />
Koma, Miosis.<br />
Opioidligand. Ligand mit hoher, selektiver Affinität zu<br />
einem der Opioidrezeptoren. Man kann zwischen<br />
natürlichen (Opiat) sowie synthetischen Endo- <strong>und</strong><br />
Exoliganden unterscheiden.<br />
Opioidrezeptoren. Rezeptoren, die eine pharmakologisehe<br />
Affinität zu opioidergen Exo- <strong>und</strong> Endoliganden<br />
haben. Man unterscheidet 3 Subtypen, nämlich j.l<br />
Rezeptor (MOR bzw. Opioidrezeptor-3), K-Rezeptor<br />
(KOR bzw. Opioidrezeptor-2) <strong>und</strong> 6-Rezeptor (DOR<br />
bzw. Opioidrezeptor-1). Daneben werden putative<br />
Rezeptoren wie Orphan-like-OR diskutiert (s. Buch<br />
B).<br />
Opium. Eingetrockneter Milchsaft der unreifen Früchte<br />
von Schlafmohn. Besteht zu ca. 75% aus inerten Stoffen<br />
(Kautschuk, Pektin, Harze, Wachse etc.) <strong>und</strong> zu 25% aus<br />
Alkaloiden, die an organische Säuren (insbesondere<br />
Mekonsäure) geb<strong>und</strong>en sind. Von den Alkaloiden können<br />
2 Gruppen unterschieden werden: die Gruppe der<br />
~ Phenanthrene (auch Morphinanreihe genannt: Morphin,<br />
Codein, Thebain; s. Buch B) sowie die Gruppe der<br />
nicht analgetisch, aber spasmolytisch wirkenden Benzylisochinoline<br />
(Papaverin, Narcotin). Wahrscheinlich<br />
aus Zypern während der 18. Dynastie (1551-1436 v. Chr.)<br />
nach Ägypten importiert (aufgef<strong>und</strong>en wurden u. a.<br />
Töpfe mit Papaver-somniferum-Samen) <strong>und</strong> damit im<br />
Mittelmeerraum verwendet.<br />
Opium concentratum. Opiumkonzentrat (enthält ca.<br />
so% Morphin).<br />
Opium crudum. Rohopium.<br />
Orchialgie. Testikuläre akute oder chronische primäre<br />
<strong>und</strong> sek<strong>und</strong>äre Schmerzzustände.<br />
Organon. Durch durch Salomon van Zwanenberg <strong>und</strong><br />
Professor Ernst Laqueur 1923 in Oss, Niederlande,<br />
gegründetes pharmazeutisches Unternehmen. Der<br />
Organonforscher Tausk arbeitete u.a. mit T. ~Reichstein<br />
zusammen.<br />
Organum vasculosum laminae terminalis. Syn.supraoptische<br />
Krete, prächiasmatische Drüs. Zirkumventrikuläres<br />
Organ mit fenestrierten Kapillaren, weitem,<br />
flüssigkeitsgefülltem Perivaskularraum <strong>und</strong> Neuronen<br />
mit Projektion in supraoptische Kerngebiete. Putative<br />
Funktion: Sensorfunktion für das ZNS, z. B. Detektion<br />
im Blut zirkulierender Immunsignale wie IL-1 <strong>und</strong><br />
sek<strong>und</strong>äre Aktivatierung des zentralen induzierbaren<br />
präoptischen COX-2 Systems (z. B. Fieberreaktion).<br />
OROS. Abk. für orale osmotische Systeme ( ~ therapeutische<br />
Systeme).<br />
orphan drugs. Umsatzschwache, deshalb in den USA<br />
durch einen Spezialstatus unterstützte, oft lebensrettende<br />
Medikamente, die im Rahmen der von Markenherstellern<br />
getätigten Forschung anfallen, bezeichnenderweise<br />
nie von sogenannten (forschungsfremden)<br />
Generikaherstellern.<br />
Orphan-like-Rezeptor. In die Koregulation der Freisetzung<br />
von Methionin-Enkephalin involviert, bei Aktivierung<br />
kann eine Naloxon-unabhängige Hyperalgesie<br />
(wahrscheinlich über G-Protein -aktivierte K+-Kanäle)<br />
bis opioid-abhängige Hypoalgesie induziert werden. Da<br />
seine Affinität für die 3 klassischen Opioidrezeptoren<br />
].l-!K-!6- niedrig ist, gilt er nicht als eigentlicher Opioidrezeptor<br />
(s. Buch B). Protein von 370 Aminosäuren,<br />
G-Protein-gekuppelt, 7 Membrandomainen, strukturmässig<br />
mit Dynorphin A verwandt. Im ZNS v. a. im limbisehen<br />
System (Mandelkern, Hippocampus, Septum,<br />
Habenula) sowie Hypothalamus <strong>und</strong> Rückenmark<br />
nachweisbar. Endoligand ~ Nociceptin, hohe Affinität<br />
auch für ~ Etorphin <strong>und</strong> ~ Lofentanil.<br />
Ossietzky, Carl von (Hamburg 1889-1938 Berlin). Einer<br />
der engagiertesten deutschen Republikaner (»Das freie<br />
Volk«) <strong>und</strong> Pazifisten (»Deutsche Friedensgesellschaft«,<br />
1919). Publizist der Weltbühne, als Nachfolger von Siegfried<br />
Jacobsohn <strong>und</strong> Kurt Tucholsky. 1933 durch die<br />
Gestapo verhaftet <strong>und</strong> im KZ Sonnenburg inhaftiert.<br />
Wegen seiner Nomination zum Friedensnobelpreis auf
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 843<br />
Anweisung Hitlers 1936 entlassen. An den Folgen der<br />
KZ-Haft frühzeitig in Berlin verstorben.<br />
Ostealgie. Knochenschmerz.<br />
Osteodynie. Knochenschmerz.<br />
Osteopathia idiopathica Albright-Reifenstein-Forbes.<br />
Generalisierte, schubweise auftretende Knochenschmerzen<br />
unbekannter Genese (Hyperkalziurie,<br />
Hyperkalzämie, Asthenie).<br />
Otalgie. Syn.: Otagra, Otodynie, Schmerzzustände im<br />
Ohrbereich.<br />
OTC. Engl. Abk. für »Over the counter« (»Über die<br />
Theke«), nicht der Rezeptpflicht oder aus der Rezeptpflicht<br />
entlassene Arzneimittel zur Selbstmedikation.<br />
Overton, C.E. (Cheshire 1865-1933 L<strong>und</strong>). In England als<br />
fernerVerwandter Darwins geborener <strong>und</strong> im schwedischen<br />
L<strong>und</strong> verstorbener Universalforscher (Botanik,<br />
Anästhesiologie, Pharmakologie, Physiologie). Veröffentlichte<br />
1899 u. a.: Ȇber die allgemeinen osmotischen<br />
Eigenschaften der Zelle: ihre vermutlichen Ursachen<br />
<strong>und</strong> ihre Bedeutung für die Physiologie«, Zürich, sowie<br />
Monographie 1901 »Studien über die Narkose, zugleich<br />
ein Beitrag zur allgemeinen Pharmakologie«, Jena,<br />
heute Gr<strong>und</strong>lage der sogenannten ~ Overton-Meyer<br />
Narkosetheorie. Overton zitiert im Einführungsteil seiner<br />
schon im Aufbau beispielhaften Schrift u. a. die<br />
Odyssee, wo Helena dem Telemachus einen Leiden <strong>und</strong><br />
Schmerz vergessenden Trank zubereitet <strong>und</strong> verweist<br />
auf das Interesse von Berichten über Opium- <strong>und</strong><br />
Cannabis-indica-Erlebnissen <strong>und</strong> zitiert schlussendlich<br />
den Beginn der Narkoseära mit Borace Wells sowie<br />
Humphrey Davies. U. a. verweist Overton auf die Arbeiten<br />
der bedeutenden frz. Schule (A. Dastre, R. Dubois, P.<br />
Bert), v. a. Claude ~ Bernard (»Lecons sur les effets des<br />
substances toxiques et medicamenteux«, 1857), die versuchte,<br />
zwischen Anästhetika <strong>und</strong> Narkotika zu unterscheiden<br />
<strong>und</strong> entsprechende Tierversuche mit Chloroform<br />
oder Morphin unternahm. In Overtons Narkosestudien<br />
wurden u. a. methodisch die Wirkstoffe ~Antipyrin,<br />
~ Nikotin, ~ Morphin <strong>und</strong> ~ Thebain auf ihre<br />
Wirkung am Frosch untersucht. Auch erwähnte der<br />
Autor in seinen Schlussfolgerungen die Möglichkeit,<br />
durch direkte Applikation am Nerven eine reversible<br />
Transmissionshemmung erzeugen zu können. Overton<br />
unterschied spezifische <strong>und</strong> unspezifische Narkotika. Er<br />
beschrieb die transzelluläre Passage dieser Stoffe <strong>und</strong><br />
die passive Elimination, sobald die Wirkstoffkonzentration<br />
in der extrazellulären Flüssigkeit abnimmt. Er<br />
postulierte eine reversible chemische Interferenz dieser<br />
Stoffe mit der neuronalen Lipidmembran <strong>und</strong> beschrieb<br />
die Relation zwischen Partitionskoeffizient <strong>und</strong><br />
Potenz sowie die Relationen zwischen chemischen<br />
Struktureigenschaften <strong>und</strong> Wirkung. Im Appendix<br />
beschrieb er mögliche Detoxifikationsverfahren mittels<br />
Dialyse: in aufsteigender Konzentration wird die Intoxikationsphase<br />
am Versuchstier induziert, danach durch<br />
Eintauchen in Lösungen bzw. Lösungskammern entgiftet.<br />
Die präzisen Versuchsanordnungen führten zur<br />
Erweiterung dieser Methode (Peritonäalspülungen,<br />
Intestinalspülungen etc.). Overton weist u. a. auf die<br />
Bedeutung der Serumkonzentration des Wirkstoffes,<br />
auf die Ionenzusammensetzung der Spülflüssigkeit, auf<br />
die Relation Ionisierung <strong>und</strong> Membranpenetrationsfähigkeit,<br />
auf die künstliche Ansäuerung <strong>und</strong> forcierte<br />
Diurese als Eliminationsmechanismus etc. hin.<br />
Owen, Wilfred (1893-1918). Brit. Literat, mehrfach verw<strong>und</strong>et,<br />
starb 1 Woche vor Kriegsende in einem<br />
Gefecht.<br />
OWS. Abk. für »Opiate withdrawal syndrome«.<br />
P.ae. Abk. für »partes aequales«: zu gleichen Teilen.<br />
Pacchionische Granulationen. Nach dem röm. Anatomen<br />
A.P. Pacchioni (1665-1726) benannte arachnoidale<br />
Granulationen zur Liquorresorption.<br />
Pacini, F. (1812-1883). Florenzer Anatom, veröffentlichte<br />
1849 in Pistoia Arbeiten u. a. über die Corpuscula lamellosa<br />
(Vibrationsrezeptoren): »Nuovi organi scoperti nel<br />
corpo umano«.<br />
PAG. Abk. für periaquäduktales Grau. Die elektrische<br />
Stimulation des PAG, die eine zentrale Analgesie auslöst,<br />
wurde 1969 durch D.V. Reynolds zum ersten Mal<br />
beschrieben (s. Buch A).<br />
Pages, Mirave Fidel (Huesca 1886-1923 Autounfall).<br />
Span. Chirurg, gründete 1919 »Revista Espanola de Cirurgia«,<br />
sowie »Anestesia metamerica« (1921). Ihm (<strong>und</strong><br />
nicht~ Dogliotti) wird von span. Seite die Begründung<br />
der Epiduralanästhesie zugeschrieben.<br />
Pagni, Carlo Alberto (La Spezia *1931). Professur/Direktion<br />
des Departements für Neurochirurgie der Universität<br />
Torino {Turin/Piemont). Publizierte 1969 mit Cassinari:<br />
»Central pain. A neurosurgical survey«, Harvard<br />
Univ.-Press, Cambridge/Mass. Weitere Buchpublikationen<br />
u. a. mit ~ Bonica <strong>und</strong>~ Ventafridda 1974 »Recent<br />
advances on pain. Pathophysiology and clinical aspects«<br />
{Thomas, Springfield Ill) <strong>und</strong> 1982 »Advances in pain<br />
research and therapy« (Vol. 4, Raven Press, New York).<br />
Gründungsmitglied ~ IASP sowie AISD (Italian Association<br />
for the Study of Pain).<br />
Pain. Das englische Wort hat seinen Ursprung im lateinischen<br />
Wort poena <strong>und</strong> im griechischen Wort poine.<br />
Poena kann mit Strafe übersetzt werden, das griechische<br />
Wort poine lässt sich mit Pein umschreiben. Penalty,<br />
dt. Strafstass (s. Buch H-J}.
844 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Pain. Publikationsorgan der~ IASP (1975).<br />
Painfui-arm-and-moving-fingers-Syndrom. Sehr seltenes<br />
Schmerzsyndrom mit kontinuierlichen unwillkürlichen<br />
(schmerzhaften) Kontrakturen der Handmuskeln.<br />
Pallästhesie. Vibrationsgefühl, Tiefensensibilität, kann<br />
bei Polyneuropathien verändert sein.<br />
palliativ. Lat. pallium, dt. der Mantel. Im Gegensatz zu<br />
»kurativ« (lat. curare, dt. heilen) nur symptombehandelnd,<br />
z.B. Befreiung <strong>und</strong> Linderung von lebensvergällenden<br />
Symptomen wie Schmerz, Angst, Nausea <strong>und</strong><br />
Emesis etc.<br />
Panizza, Oskar (Bad Kissingen 1853-1921 Würzburg).<br />
Studium der Medizin, Philosophie <strong>und</strong> Literatur. Nach<br />
Promotion Arzt in einer Münchner Irrenanstalt. Wurde<br />
wegen »Vergehens wider die Religion« zu einem Jahr<br />
Gefängnis verurteilt. Verfiel im späteren schweizer Exil<br />
dem Wahnsinn. 1886 »Düstere Lieder«, 1893 »Die unbefleckte<br />
Empfängnis der Päpste«.<br />
Papez, James (1883-1958). Bedeutender am. Neurologe.<br />
»Comparative neurology« (1929). Postulierte Funktionskreise<br />
zwischen Hippocampus ~ Thalamus Kortex<br />
Cingulatum Hippocampus (s. Buch A).<br />
Pappelsalbe. Enthält Salicin, Populin, Gerb- <strong>und</strong> Aromastoffe<br />
etc. In der Volksmedizin als antiphlogistischanalgetische<br />
Salbe verwendet.<br />
Paracelsus, Phitipp Theophrastus Bombastus von<br />
Hohenheim (1493-1541). Arzt <strong>und</strong> Naturforscher;<br />
schrieb über Opium:<br />
»Ich habe ein Arcanum, beiße ich Laudanum,<br />
ist über alle, wo es zum Tode weichen<br />
will4C.<br />
Paracelsus erwähnte als erster die Sage der Wassernymphe<br />
Undirre (s. Buch B: ~ Undines Fluch).<br />
paradoxe Analgesie. Das Phänomen, dass durch minimale<br />
Gabe von spezifischen Opioidantagonisten (Naloxon)<br />
ein analgetischer Effekt ausgelöst werden kann.<br />
Parästhesie. Missempfindungen, z. B. Kribbeln, Ameisenlaufen<br />
etc.<br />
Pan!, Ambroise (ca. 1510-1590). Barbier, Königs- <strong>und</strong><br />
Kriegschirurg. Behandelte als erster Schussw<strong>und</strong>en mit<br />
kühlenden Salben (statt siedendem Öl) <strong>und</strong> erfand<br />
lokale Nervenkompression zu Analgesiezwecken. Beschrieb<br />
nach peripherer Nervenläsion auftretende<br />
(neuropathische) Schmerzzustände von brennendem<br />
Charakter bei König Charles IV.<br />
Parenteralia. Arzneitmittel für parenterale Anwendung,<br />
Iniectabilia (Injektionsflüssigkeiten), Inf<strong>und</strong>ibilia<br />
(Infusionsflüssigkeiten). Zu den Parenteralia werden<br />
auch entsprechende Injektionspulver (Pulveres solvendi<br />
parenterales) <strong>und</strong> Injektionstabletten (Compressi<br />
solvendi) gerechnet, die entsprechend fachgerecht (steril,<br />
blutverträglich etc.) in Lösungen aufgelöst werden<br />
müssen.<br />
Parese. Unvollständige Paralyse.<br />
Parkinson, James P. (1755-1824 Hoxton/England). Chirurg,<br />
postulierte, dass Kenntnisse in den klassischen<br />
Sprachen, Philosophie sowie Stenographie Voraussetzungen<br />
für das Arzstudium seien. Daneben auch Sozialkritiker,<br />
Hobby-Geologe <strong>und</strong> Paläontologe. Nach ihm<br />
wird der Morbus Parkinson sowie das Parkinson-Syndrom<br />
benannt. 1817: »An essay of the shaking palsy«<br />
(ebenfalls nach P. Ausdruck: Paralysis agitans). Als Parkinsonoid<br />
wird die medikamentös (s. Dopaminantagonisten)<br />
induzierte Symptomatik mit Rigor, Tremor, Akinese<br />
etc. bezeichnet.<br />
paroxysmal. In Anfällen auftretend.<br />
PASS. Abk. für »Pain Anxiety Symptoms Scale« (s. Buch<br />
A).<br />
Pastae Pasten, hochkonzentrierte Suspensionen, die aus<br />
unlösliche Pulvern, flüssigen oder salbenartigen Vehikeln<br />
bestehen.<br />
Pasternak, Gavril W. (Brooklyn/New York *1947). Ausbildung<br />
<strong>und</strong> später Lehre <strong>und</strong> Forschung in Neurologie,<br />
Pharmakologie, Chemie, Algesiologie an führenden<br />
Instituten (Johns Hopkins University, Memorial Sloan<br />
Kettering Cancer Center, Cornell University, The New<br />
York Hospital), mehr als 270 wissenschaftliche Publikationen<br />
<strong>und</strong> Bücher: »Analgesics: neurochemical, behavioral<br />
and clinical perspectives« zusammen mit J.M.<br />
Kuhar (Raven Press, New York 1984); » The opiate receptors«<br />
(Raven Press, New York 1988), editoriale Tätigkeiten<br />
( u. a. Life Sciences, Molecular Pharmacology, J Pharmacol<br />
Exp Ther, Cell Mol Neurobiol, Synapse, Neuropharmacol<br />
etc.). Erhielt diverse akademische Ehrungen.<br />
Pathos. Griech. seelischer Schmerz ( ~ Tschaikowski<br />
hat Pathos musikalisch in seiner 6. Sinfonie, der<br />
»Pathetique«, zum Ausdruck gebracht bzw. »übersetzt«).<br />
Patterntheorie. Nach G.C. Weddell (1955) benannte<br />
Theorie, nach der die Qualität einer Schmerzempfindung<br />
nicht von der Aktivierung spezifischer Rezeptoren<br />
<strong>und</strong> damit spezifischer Fasern abhängt, sondern<br />
von zeitlichen Erregungsmuster (engl.: »pattern«) in<br />
einer Faser <strong>und</strong> von der räumlichen Erregungsverteilung<br />
in mehreren Fasern. Dagegen spricht, dass spezifische<br />
Nozizeptoren, d. h. Rezeptoren, die auf bestimmte<br />
Reize eine niedrige Reizschwelle besitzen, nachgewiesen<br />
wurden.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 845<br />
Pauling, Linus (Portland/Oregon 1901-1994). Sohn<br />
eines eingewanderten dt. Apothekers, Studium der<br />
Mathematik, Physik <strong>und</strong> Chemie. Nobelpreis 1954 für<br />
Chemie für die» Molekularstruktur der Proteine«. Aktivist<br />
gegen Atomtests, 1958 Übergabe einer - u. a. auch<br />
von Pablo Casals, Bertrand Russe! <strong>und</strong> Albert Schweitzer<br />
- unterzeichneten Liste von 13.000 Wissenschaftern<br />
an die »Vereinten Nationen«. Nobelpreis für Frieden<br />
1962, nachträglich, nachdem das Moskauer Atomteststopabkommen<br />
1963 unterzeichnet worden war. Pauling<br />
erarbeitete persönliche Ideen über Zusammenhänge<br />
zwischen Wirkstoffen <strong>und</strong> Krankheiten (z. B. Vitamin C<br />
<strong>und</strong> Krebs). Pauling schuf <strong>und</strong> definierte den, unterdessen<br />
leider von vielen, alternativen Quacksalbern missbrauchten,<br />
Begriff einer »orthomolekularen Medizin«<br />
in den Jahren 1967/68 wie folgt:<br />
»Orthomolecular medicine is the preservation<br />
of health and the treatment of<br />
disease by the provision of the optimum<br />
molecular constitution of the body, especially<br />
the optimum concentration of substances<br />
that are normally present in the<br />
human body and are required for life. The<br />
adjective orthomolecular is used to<br />
express the idea of the right molecules in<br />
the right concentration.«<br />
Pawlow, I.P. (1849-1936). Nobelpreis für Medizin 1904,<br />
bedeutender russischer Forscher in der Herzphysiologie,<br />
Verdauung, ZNS <strong>und</strong> Psychophysiologie. Militanter<br />
Gegner des Kommunismus. Nach ihm wird der bedingte<br />
Pawlow-Reflex (1911) benannt.<br />
PBU. Abk. für psychobiologische Untersuchung.<br />
PCA. Engl. Abk. für »patient-controlled-analgesia«, Syn.<br />
»on-demand analgesia«.<br />
PCINA. Abk. für patientenkontrollierte intranasale<br />
Analgesie (s. Buch Kinetik).<br />
PDP. Abk. für Pachydermoperiostosis, einer pnmar<br />
hypertrapbischen Osteoartropathie mit Klumpfinger,<br />
Arthritis <strong>und</strong> Pachydermie. Ein seltenes Krankheitsbild,<br />
das mit erheblichen Gelenkschmerzen verb<strong>und</strong>en<br />
ist.~ Colchicin (Buch F<strong>und</strong> G).<br />
Peak. Engl., Kinetik: der Gipfel; Plasmakonzentrationsmaximum.<br />
Peguy, Charles (1873-1914). Bedeutender frz.-katholischer<br />
Literat ( » Jeanne d' Are«) <strong>und</strong> Poet von hoher<br />
Moralität (unterstützte Dreifus, sozialistische Manifeste<br />
für eine bessere Welt etc.).<br />
Pelipathia vegetativa. Syn.: Plexalgia dolorosa, Beckenneuralgie<br />
etc. Unklar definierte schmerzhafte Unterleibsbeschwerden.<br />
Periaquäduktales Grau.~ PAG, Syn. Höhlengrau, Substantia<br />
grisea centralis, Substantia grisea, PNA.<br />
Perikaryon. Im Gegensatz zum Zytoplasma der Fortsätze<br />
der um den Zellkern herumgelagerte Zellleib.<br />
Periodisches familiäres Mittelmeerfieber. Intermittierende<br />
periodische Anfälle von Fieber, Ödeme, Arthralgie,<br />
Magenschmerzen, Nausea <strong>und</strong> Emesis ~ Colchicin<br />
(Buch F<strong>und</strong> G).<br />
perkutane Chemonukleolyse. Gezielt dosierte neurolytische<br />
therapeutische Schädigung über transkutan<br />
applizierte chemische Stoffe, z. B. des Ganglion Gasseri.<br />
perkutane Mikrokompression. Gezielte mechanische<br />
therapeutische Nervenschädigung durch Kompression,<br />
z. B. mittels perkutan unter Bildwandlerkontrolle eingeführten<br />
Ballonkatheters im Cavum Meckeli.<br />
perkutane Thermonukleolyse. Syn.: Thermoläsion, z. B.<br />
gezielte <strong>und</strong> dosierte Thermoläsion über Radiofrequenzsonde<br />
bei Erkrankungen des Ganglion Gasseri.<br />
Perthes, Georg (Moers/Rheinland 1869-1927 Arosa).<br />
Medizinstudium in Freiburg, Berlin <strong>und</strong> Bonn. Assistent<br />
von Friedrich von Trendelenburg. Pionier der<br />
Lokalanästhesie mittels elektrischer Stimulation.<br />
Erfand die Perthes-Staubinde (»Kompressor«) zur<br />
künstlichen Blutleere, eine bipolare Elektrode zur intraoperativen<br />
Nervenstimulation, Absaugpumpen <strong>und</strong><br />
schrieb 1912: »Über Leitungsanästhesie unter Zuhilfenahme<br />
elektrischer Reizung« (entspricht der modernen<br />
peripheren Nervenstimulation).<br />
Pertussistoxin. Aus Bordetella pertussis gewonnnes<br />
biologisch aktives, toxisches, in der Forschung eingesetztes<br />
Protein.<br />
Perzeption. Wahrnehmung bzw. »Translation zentraler<br />
neuronaler Aktivitätsmuster in die bewusste Empfindung<br />
<strong>und</strong> Wahrnehmung« (z. B. Nozitranslation, Buch<br />
A).<br />
PET. Abk. für Positronenemissionstomographie (s.<br />
Buch A). Unter Verwendung kurzlebiger Radioisotope<br />
kann über die Quantifizierung der damit verb<strong>und</strong>enen<br />
y-Strahlung die Lokalisation, Blutflussänderungen wie<br />
rCBF, »regional cerebral blood flow«, die Aktivierung<br />
von Hirnabschnitten bei experimentellen Reizen, die<br />
Kinetik von zentralgängigen Wirkstoffen etc. ermittelt<br />
werden.<br />
Pfeffer, Wilhelm (Grebenstein 1845-1920 Leipzig). Botaniker<br />
<strong>und</strong> Apotheker. 1877 Gr<strong>und</strong>lagenforschung über<br />
osmotische Untersuchungen, 1881 »Pjlanzenphysiolo-
846 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
gie«. Nach ihm wird die sog. Pfeffersehe Zelle für Osmobestimmungsmessungen<br />
genannt.<br />
Pfotentests. Die experimentelle Reizung der Pfote von<br />
Versuchstieren mit Entzündungsmediatoren (Fre<strong>und</strong>s<br />
Adjuvans, Irländisches Moos etc.), mechanischen oder<br />
thermischen Reizen.<br />
Phantomschmerz. Nach Amputation auftretende ~<br />
neuropathische Schmerzen, die im Bereich des amputierten<br />
Gliedes empf<strong>und</strong>en werden, entsprechend auch<br />
Phantomsensationen, s. Buch A.<br />
Pharmakopoe. Siehe Arzneibuch.<br />
Pharmakopoenamen. Je nach nationaler Pharmakopoe<br />
von der INN-Nomenklatur abweichende, nationale<br />
Namengebung für Wirkstoffe.<br />
Phase I, II, III, IV. Die 4 Phasen der klinischen Prüfung<br />
eines neuen Wirkstoffs, wobei die Phase I vereinfacht<br />
ein Toleranztest an ges<strong>und</strong>en Probanden, die Phase II<br />
ein Test auf diee Therapiewirkung an stationären Patienten,<br />
die Phase III eine klinische Prüfung in Bezug auf<br />
Interaktionen, Langzeitanwendung <strong>und</strong> die Phase IV<br />
die Nachprüfung eines registrierten <strong>und</strong> klinisch eingeführten<br />
Wirkstoffs auf auffällige Nebenwirkungen bei<br />
Langzeiterfahrung im Sinne des sogenannten ~ »drug<br />
safety monitoring« umfasst.<br />
Phenacetin-Niere. Spezifische Schädigung der Nieren<br />
(Kapillarsklerose) durch jahrelangen Abusus von<br />
Phenacetin-haltigen Arzneimitteln in hohen Dosen.<br />
Der Begriff »Phenacetin-Niere« wurde zur »Analgetika<br />
Niere« verallgemeinert, obwohl es nach neuesten<br />
Ergebnissen keine überzeugende Evidenz dafür gibt,<br />
dass die Einnahme von antipyretischen Analgetika in<br />
Form von Mono- oder Kombinationsanalgetika (mit<br />
<strong>und</strong> ohne Coffein) zu einer chronischen Nierenerkrankung<br />
vom Typ einer »Phenacetin-Niere« führen kann.<br />
Phencyclidin. Chem. 1-(1-Phenylcyclohexyl)-piperidin,<br />
ein Halluzinogen (als Anästhetikum in der Veterinärmedizin<br />
eingesetzt), mit~ Ketamin verwandt, ähnliche<br />
klinische Wirkungen, NMDA-Antagonist, Katecholamin-uptake-Hemmer,<br />
o- Wirkungen. Als PCP <strong>und</strong><br />
Angel Dust in der Drogenszene missbraucht.<br />
PHI. Abk. für peptide histidin isoleucin, ein 27 Aminosäurenpeptid<br />
mit Histidin am N-Terminal bzw. Isoleucin<br />
am C-Terminal. Im GI-Trakt sezerniert aber an<br />
multiplen bioaktiven neuronalen Prozessen beteiligt,<br />
peripher kardiovaskulären, im GI- <strong>und</strong> Atemwegsystem<br />
sowie ZNS). Genaue biologische Funktion unklar.<br />
Phosphorylierung. Die Veresterung von Ortho- <strong>und</strong><br />
Pyrophosphorsäure mit organischen Verbindungen, die<br />
OH-Gruppen enthalten. Der »Phosphorylierungstrick«<br />
erlaubt, die Funktion von Rezeptoren <strong>und</strong> Messenger zu<br />
verändern; z.B. Untereinheiten der~ ACh-Rezeptoren<br />
-durch Enzymsysteme (cAMP-abhängige Proteinkinase<br />
A <strong>und</strong> Proteinkinase C) phosphoryliert - verändern<br />
ihre intrinsische Aktivität, d. h. die Regulation der Sensitivität.<br />
Piko. Abk. pn, dezimales Vielfaches in der Ordnung<br />
10- 12 = 0,000.000.000.001.<br />
PIPS. Schmerzpraxis, engl. Abk. für premature infant<br />
pain score. Schmerzindex, der den Gesichtsausdruck,<br />
das Weinen, die Atmung, die Haltung der Arme <strong>und</strong><br />
Beine sowie den Gemütszustand des Frühgeborenen<br />
berücksichtigt.<br />
Piria, Raffaele (1815-1865). In Turin <strong>und</strong> Pisa tätig, stellte<br />
1838 Salicylsäure aus dem natürlichen Glykosid Salicin<br />
der Weidenbaumrinde (Salix) dar (s. Wirkstoffprofil<br />
Salicylsäure Buch E).<br />
Piriformis-Syndrom. Schmerzhaftes Syndrom nach<br />
Traumatisierung des M. piriformis.<br />
pK.-Wert. Gibt den pH-Wert an, bei welchem der Wirkstoff<br />
zur Hälfte ionisiert ist. Bei schwachen Säuren<br />
induziert eine pH-Erhöhung (gegen die basische Seite)<br />
eine logarithmische Zunahme des Ionisationsgrads ab<br />
dem wirkstoffeigenen sog. pK.-Wert. Im sauren Magenmilieu<br />
sind schwache Säuren (z. B. antipyretische Analgetika)<br />
weniger ionisiert <strong>und</strong> werden deshalb besser<br />
resorbiert, im Gegensatz zu basischen Wirkstoffen.<br />
Aspirin (tiefer pK.-Wert 3,4) wird im Dünndarm (pH<br />
basisch) schlechter als im Magen resorbiert. Diese<br />
Resorptionseinbusse wird quantitativ durch die viel<br />
größere Dünndarmresorptionsoberfläche wettgemacht.<br />
Placebo. Auch: Plazebo, wirkstofffreies, vom Original<br />
äußerlich nicht unterscheidbares Falsumpräparat (lat.<br />
>>Ich werde zufrieden sein«). Placebopräparate sind seit<br />
uralter Zeit beschrieben, so die von Thomas Jefferson<br />
(1743-1826) beschriebenen gefärbten Wassertropfen,<br />
Brotkrümelpillen oder Hickoray-Holz-Pülverchen, die<br />
bei vielen Patienten eine gute Wirkung ergaben <strong>und</strong><br />
sozusagen einen »pious fraud« darstellten. Ähnliches<br />
berichtete Richard Cabot (1868-1939). Die systematische<br />
Auswertung solcher Erfahrungen wurde erst nach<br />
dem 2. Weltkrieg im Rahmen epidemiologischer Überlegungen<br />
Routine. Siehe auch~ Blindversuch, ~ Nocebo,<br />
~Henry K Beecher, ~ Cochranebewegung, ~ Statistik.<br />
Placeboeffekt Durch Placebogabe auslösbarer suggestiver<br />
Effekt (kann bis 40% ausmachen, deshalb offene<br />
Studien weniger aussagefähig als ~ geblindete oder ~<br />
doppelt geblindete). Der Placeboeffekt gleicht einer<br />
Pawlowschen Konditionierung bzw. psychischen Aktivierung<br />
verschiedenster endogener Schmerzsysteme.<br />
Ein solcher Placeboeffekt kann durch Naloxon antagonisiert<br />
werden, wobei aber Gracely <strong>und</strong> Duhner auch<br />
bei naloxongeblindeten Probanden - bei Blockierung
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 847<br />
des endogenen Opioidsystem - den Placeboeffekt auslösen<br />
konnten. Die exakten chemophysischen wie auch<br />
psychosozialen Wirkmechanismen sind noch nicht<br />
vollständig erforscht. Gegenteil: ~ Noceboeffekt, entsprechend<br />
dem negativen Placeboeffekt Beispiel: 2/ 3<br />
von Probanden entwickelten milde Kopfwehschmerzen,<br />
wenn ihnen gesagt wurde, (nichtexistierende) elektrische<br />
Ströme würden auf dem Kopf appliziert.<br />
Pleurodynie. Bei der Bornhomer Krankheit auftretende<br />
heftige, muskuläre Schmerzen in der unteren Thoraxgegend.<br />
Pohl, Julius (Prag 1861-??). Studium <strong>und</strong> Promotion der<br />
Medizin 1884, Assistent Hofmeisters in Prag. Habilitation<br />
1892 für experimentelle Pharmakologie. Ab 1911<br />
Direktor des pharmakologischen Instituts der Universität<br />
Breslau. Beschrieb schon 1915 den Einsatz des,<br />
heute als partiellen Antagonisten eingeteilten <strong>und</strong> nicht<br />
mehr verwendeten, N-Allyl-Codein bei Morphinvergiftung.<br />
Polymyalgia rheumatica. Ein Krankheitssyndrom bei<br />
älteren, v. a. weiblichen, kaukasischen Patienten mit<br />
Muskel- <strong>und</strong> Gelenkschmerzen, hoher Blutsenkung <strong>und</strong><br />
spontanem Ausheilen. Klinisch <strong>und</strong> pathophysiologisch<br />
mit Horton-Syndrom in Zusammenhang gebracht.<br />
Polyneuritis. Entzündliche Erkrankung mehrerer Nerven.<br />
Populin. Das 5-Benzoylderivat des Salicin. In der Rinde<br />
von Pappelarten enthalten. Als Extrakt in Pappelsalbe<br />
enthalten.<br />
Port. Implantierbare, in der Regel subkutan, mit dem<br />
entsprechenden rückenmarknahe Katheter fest verb<strong>und</strong>ene<br />
Injektionskammern für kontinuierliche sowie<br />
Bolusgabe im Sinne einer mittelfristigen Therapie<br />
(s. auch Pumpen). Der Wirkstoff wird über atraumatische,<br />
nichtstanzende Huber-Nadeln zugefügt. Je nach<br />
Hersteller verfügen Ports über Partikelfilter (Porendurchmesser<br />
- so pm) sowie eigentliche Bakterienfilter<br />
(Porendurchmesser 15-20 J.lm), um das Einspülen von<br />
Partikeln (Kautschukabrieb, Kunststoffspäne etc.) bzw.<br />
Bakterien zu vermindern. Diese Filter sind in der Regel<br />
am Reservoirausgang angebracht. Als sog. side-port<br />
wird der vor dem Filter gelegene Apparatabschnitt<br />
bezeichnet, der vor iatrogenen Infektionen wenig<br />
geschützt ist.<br />
Port-Pumpen. Port mit in der Regel zentralem Pumpenseptum,<br />
einem zentralen Pumpenreservoir sowie<br />
durch Ventile untereinander getrennten kleinen Injektionskammern,<br />
die über Druckknopf eine definierte<br />
Wirkstoffmenge an das anschliessende Kathetersystem<br />
abgeben. Möglichkeit von Repetitionsdosen, aber kein<br />
kontinuierliche Abgabe. Wegen einfacher Bauweise sind<br />
Port-Pumpen preisgünstig <strong>und</strong> klein, keine Energiequelle<br />
notwendig etc.<br />
Potenzen. Nach~ Hahnemann, da nach~ Avogadro in<br />
Verdünnungen >C12 oder > D23 kein Molekül des<br />
ursprünglichen Arzneistoffes mehr vorhanden sein<br />
kann, wird postuliert, die »Information des Heilmittels«<br />
werde auf den Trägerstoff »übertragen« (Potenzierung<br />
bzw. »Dynamisierung«).<br />
Potenzierung. Nach dem Homöopatischen Arzneibuch<br />
(1978) die stufenweise Verdünnung fester oder flüssiger<br />
Zubereitungen nach der jeweils angegebenen Vorschrift.<br />
Das Zeichen »D« kennzeichnet Verdünnungen<br />
im Verhältnis 1:10; »C« im Verhältnis 1:100. Die Angaben<br />
»im Verhältnis 10:10« bedeutet das Verarbeiten von 1<br />
Teil mit 9 Teilen; die Angabe »im Verhältnis 1:100« das<br />
Verarbeiten von 1 Teil mit 99 Teilen. Eine den Zeichen D<br />
oder C hinzugefügte Zahl kennzeichnet in der Regel die<br />
Anzahl der Verdünnungsschritte. Zur Potenzierung<br />
wird nach der jeweiligen Vorschrift verdünnt <strong>und</strong> jedesmal<br />
mindestens 10-mal kräftig geschüttelt. Beim Einsatz<br />
mechanischer Schüttelmaschinen ist darauf zu achten,<br />
dass »der Bewegungsablauf der manuellen Verschüttelung<br />
hinsichtlich Frequenz <strong>und</strong> Strecke entspricht«.<br />
In der schweiz. Ärztezeitung werden homöopatische<br />
Mittel auch mit dem Prädikat »handgeschüttelt«<br />
angeboten.<br />
Prädiktoren. Zum Beispiel Schmerzprädikatoren, die<br />
Wahl einer minimalinvasiven Technik ist ein Prädiktor.<br />
Aus der Statistik entlehnter Begriff: ein »predictive<br />
value« ist ein Vorhersagewert<br />
präsystemische Biotransformation. Die Biotransformation<br />
auf dem Weg des Applikationsortes zum Zielargen<br />
(z. B. Darmwand, erste Leberpassage, Pulmonalpassage<br />
etc.). Die präsystemische Biotransformation kann die<br />
Bioverfügbarkeit eines Wirkstoffes erheblich reduzieren,<br />
eine präsystemische Biotransformation kann auch<br />
ausgenutzt werden, um eine Prodrug in die aktive Form<br />
zu überführen.<br />
Pravaz, Charles Gabriel (Le Pont-de-Beauvoisin<br />
1791-1853 Lyon). Französischer Chirurg (Orthopädie,<br />
Aneurysmenchirurgie), verbesserte 1853 die ~ Woodsehe<br />
Hohlnadel, publiziert 1855: »Sur un nouveau moyen<br />
d'operer la coagulation du sang dans les arteres applicable<br />
a la guerison des anevrismes«.<br />
pre-emptive analgesia. Im engeren Sinne die therapeutische<br />
spinale, spezifische <strong>und</strong> komplette Barrage vor<br />
jeglichem nozizeptivem Influx (s. Buch A). Präemptive<br />
antiemetische Therapie: die spezifische therapeutische<br />
Gabe von Antiemetika vor der emetogenen Exposition<br />
reduziert das Auftreten antizipatorischer Nausea <strong>und</strong><br />
Emesis.<br />
Prix-Galien. Durch Roland Mehl 1970 in Frankreich<br />
begründeter Preis für Verdienste im Bereich der Pharmazeutik.<br />
1995 z. B. für die Entwicklung von ~ EMLA;
848 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
in Deutschland 1985 als Claudius-Galenus-Preis, heute<br />
Galenus-von-Pergamon-Preis gegründet (Stifter ist die<br />
»Ärzte-Zeitung«).<br />
Procacci, Paolo (Florenz *1932). Professor für Innere<br />
Medizin der Universität Florenz. Schüler von Ugo ~<br />
Teodori. Eminenter Schmerzforscher mit Tätigkeit in<br />
England, Schweden, Frankreich <strong>und</strong> USA. »A survey of<br />
modern concepts on pain. Handbook of clinical neurology.<br />
Vol. 1« (North Holland Publishing Company, 1969),<br />
»Rhythmic changes of the cutaneous pain threshold in<br />
man« (1974), »Pain threshold measurement in man«<br />
(1974), »Cutaneous pain threshold changes after sympathetic<br />
block in reflex dystrophies« (1975), »Clinical<br />
approach to visceral sensation« (1986) sowie Mitarbeit<br />
an Bonicas » The management of pain« (1992, Lea &<br />
Febiger, Philadelphia) <strong>und</strong> Wall <strong>und</strong> Melzacks »Textbook<br />
of pain« (1994, Churchill Livingstone, Edinburgh).<br />
Gründungsmitglied der IASP sowie deren italienischer<br />
Branche.<br />
Prodrug. Syn.: Propharmakon, Vorstufe, inaktive Vorstufen<br />
von Wirkstoffen, die in der Regel dann nach<br />
Resorption entweder spontan (pB-abhängig) oder<br />
durch Biotransformation in die aktive Wirkstoffform<br />
überführt werden.<br />
Proktalgie. Neuralgische Schmerzen im Analbereich.<br />
Proktodynie. Chronische Schmerzen im rektoanalen<br />
Bereich, auch paroxysmal-akut als~ Proctalgia fugax<br />
beschrieben.<br />
Proopiomelanocortin. Im vorderen Hypophysenlappen,<br />
Hypothalamus, ZNS <strong>und</strong> peripheren Geweben synthetisiertes<br />
Präkursorprotein (MW 30.000 ), das u. a. die<br />
Aminosäurensequenz von ACTH, ß-Lipotropin ( ~<br />
Endorphine, Metenkephalin, ß- Endorphin; s. Buch B)<br />
<strong>und</strong> a-MSH enthält.<br />
Propionsäure. CH 3 -CH 2 -COOH. Propionsäurederivate<br />
sind ~ Flurbiprofen, ~ Ibuprofen etc. (Wirkstoffprofile<br />
s. Buch E).<br />
Prosopalgie. Gesichtsnervenneuralgie.<br />
Prostadynie. Persistierende, klinisch <strong>und</strong> äthiologisch<br />
unklare Beschwerden im Zusammenhang mit Urinlassen<br />
inkl. perinäalen Schmerzsymptomen ( exkl. akute<br />
Prostatitis).<br />
Prostaglandine. Abk. PG, nach ~ von Euler benannter<br />
ungenauer Sammelbegriff für aus Arachidonsäure<br />
stammenden Gewebshormone (heute ~ Prostanoide).<br />
Für die Entdeckung der PG erhielten 1982 Bengt Ingemar<br />
Bergstrom, John Robert Vane <strong>und</strong> Surre K. Bergstrom<br />
den Nobelpreis.<br />
Prostaglandinismus. Pathologisch vermehrte Prostaglandinbildung<br />
beim ~ Bartter-Syndrom.<br />
Prostaglandinrezeptoren. Zelloberflächenrezeptoren<br />
mit hochspezifischer Affinität für die entsprechenden,<br />
endogenen Prostaglandin-Populationen PGD2, PGE2,<br />
PGF2a, PGI2 (Prostacyclin) <strong>und</strong> TXA2. PGD2-Rezeptor<br />
(DP-Rezeptoren), PGE2-Rezeptoren (mit Subtypen<br />
EP1,EP2,EP3, EP4), PGF2-a (FP-Rezeptor) sowie<br />
Prostacyclin-Rezeptor (IP-Rezeptoren). Schmerzklinik:<br />
EP-1 Rezeptor (schmerzvermittelnd); EP-3 Rezeptor<br />
(gastrische Homöoastase, s. sAA).<br />
Prostanoide. Sammelbegriff für die Gruppe der ~Arachidonsäureabkömmlinge<br />
(Prostaglandine, Endoperoxide,<br />
Prostacycline, Thromboxane; s. Buch A <strong>und</strong> DIE;<br />
früher Synonym für Prostaglandine).<br />
Protein. Peptid mit mehr als 50 Aminosäuren.<br />
Proteinkinasen. Enzyme, die an bestimmten Aminosäuren<br />
von Proteinen gezielt ein Phosphatatom<br />
ankoppeln <strong>und</strong> damit deren Funktion beeinflussen.<br />
Protein-Tyrosin-Kinase-Rezeptor. Eine zytoplasmatisehe<br />
Rezeptordomaine für Wachstums- <strong>und</strong> Ausdifferenzierungsfaktoren.<br />
Siehe auch NGF, Buch A.<br />
protopathisch. In der Physiologie »zur vitalen Sphäre<br />
gehörend«. Protopathische Schmerzen signalisieren<br />
»vitale Signale«, s. auch ~ epikritische Schmerzen.<br />
Pruritus Syn.: Juckreiz, man unterscheidet zwischen<br />
Pruritus cum materia, Juckreiz bei klar definierten<br />
Hauterkrankungen: entzündliche Dermatosen, Ektoparasitosen,<br />
Infektionen etc., <strong>und</strong> Pruritus sine materia<br />
bei Niereninsuffizienz, Cholestase, Malignomen, Diabetes,<br />
Depression, s. auch ~ zentraler Pruritus UAW<br />
Opioide.<br />
PSART. Engl. Abk. für »Quantitative Sudomotor Axon<br />
Reflex Test«, ein Testverfahren, um das autonome Nervensystem<br />
bei Schmerzkranken zu testen (s. auch ARS).<br />
Pseudotumor cerebri. Seltenes Syndrom mit Kopfschmerzen,<br />
erhöhtem intrakraniellem Druck, Nausea<br />
<strong>und</strong> Emesis, Papillenödem. Vorkommen in 90% bei<br />
Frauen mit Obesitas im Alter von 20-44 Jahren, auslösende<br />
Faktoren u. a. sAA, Fallberichte bei Patienten mit<br />
~ Bartter-Syndrom <strong>und</strong> Therapie mit Indometacin,<br />
Ketoprofen.<br />
Psycholeptika. Älterer Sammelbegriff für psychotrope<br />
Wirkstoffe, heute Psychopharmaka.<br />
Psychopharmaka Der relativ neue Begriff Psychopharmaka<br />
wird verschieden definiert, Psychopharmaka sind<br />
im weiteren Sinne: Hypnotika, Sedativa, Antiepileptika,<br />
Psychostimulanzien; Psychopharmaka im engeren<br />
Sinne: ~ Neuroleptika,~ Tranquilizer, Antidepressiva.<br />
Eine weitere Unterteilung definiert Psychopharmaka<br />
als psychotrope Substanzen mit den Untergruppen 1.<br />
Ataraktika (minor tranquilizer, z. B. Benzodiazepine), 2.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 849<br />
Neuroleptika, 3· Antidepressiva, 4· Lithiumsalze, 5· Psychostimulanzien,<br />
6. Psychotomimetika (Wirkstoffe, die<br />
beim Ges<strong>und</strong>en abnorme Zustände hervorrufen).<br />
Ptyalismus. Salivation.<br />
Pulveres. Pulver, trockene, feste Teilchen von Wirkstoffen,<br />
die je nach Applikation als sog. Pulveres adspergendi<br />
(Streupulver), Pulveres perorales sowie Pulveres solvendi<br />
parenterales eingesetzt werden können.<br />
Pumpen. Wirkstoffreservoirs, auch implantierbare, je<br />
nach Hersteller 40-200 g Gewicht, 1,5-2,85 cm Höhe,<br />
6,5-10 cm Durchmesser ergibt ein Volumina von<br />
20-50 ml. Sie erlauben über Ventil- oder Durchflusssysteme<br />
dank Gasdruck (Konstantfluss) oder elektrischmechanischem<br />
Minirollerpumpensystem (steuerbarer,<br />
programmierbarer <strong>und</strong> telemetrisch beeinflussbarer<br />
Fluss) einen Konstantfluss aus der Medikamentenkammer<br />
in das Kathetersystem. Für das s.c.<br />
Kompartiment oder rückenmarknahe Kompartimente,<br />
nicht alle Pumpen sind für intrathekale Systeme zugelassen.<br />
Pumpeneigene Nebenwirkungen können durch<br />
Verstopfung des Systems- durch Ampulle/Spritze/Nadel<br />
eingeschleuste Stanzen, Glaspartikel - mechanische<br />
Fehlfunktionen, elektrische Fehlfunktionen oder<br />
Batterieerschöpfung sowie Programmierfehler, Leckagen,<br />
aber auch durch externe Faktoren, z. B. Luftdruckveränderungen<br />
während langer Flugzeugreisen, Temperaturveränderungen<br />
während Hitzeexposition<br />
bedingt sein.<br />
Pyrazol. Isomer von Imidazol, einer in natürlichen <strong>und</strong><br />
synthetischen Stoffen vorkommenden Kernsubstanz<br />
(Histamin, Histidin, Pilocarpin). Aus Pyrazol entstehen<br />
durch Reduktion Pyrazoline. Ein weiteres Derivat von<br />
Pyrazol ist das Pyrazolon, aus dem die nichtsauren<br />
Pyrazolone sowie Farbstoffe gewonnen werden.<br />
PZN. Abk. für postzosterische Neuralgie.<br />
Q.s. Rezeptur, lat. Abk. für quantum satis, soviel wie notwendig<br />
ist.<br />
QSART. Engl. Abk. für »Quantitative Sudomator Axon<br />
Reflex Test«: ein Testverfahren zur Prüfung des autonomen<br />
Nervensystems bei Schmerzkranken (s. auch ARS).<br />
Questionnaire. Fragebogen, z. B. ---7 Schmerzskalenfragebogen.<br />
Queckenstedt, Hans Heinrich (1876-1918). Bedeutender<br />
dt. Neurologe (Liquor, Queckenstedt-Test bei Intrathekalanästhesie,<br />
Rostock).<br />
Quincke, Heinrich (1842-1922). Bedeutender dt. Neurologe,<br />
Schüler ---7 von Kölliker, Helmholtz, Virchow, führte<br />
die diagnostische ( paramediane) Lumbalpunktion<br />
ein (1891), beschrieb u. a. die Möglichkeit unterhalb L 2<br />
zu punktieren, um das Mark nicht zu verletzen. Nach<br />
ihm wird das Quincke-Ödem (angioneurotisches<br />
Ödem) benannt. Arbeiten über zentrale Thermoregulation.<br />
Sein Bruder G.H. Quincke (1834-1924) war Physiker<br />
(Erfinder des Quincke-Rohrs) <strong>und</strong> erforschte Oberflächenspannungen,<br />
in diesem Zusammenhang Arbeiten<br />
über ---7 Zelltheorie.<br />
Quisqualat. Chem. a-Amino-3,5-dioxo-1,2,4-oxadiazolidin-2-propansäure.<br />
Ein experimentell eingesetzter Agonist<br />
von spezifischen Subrezeptoren der EAA-Rezeptoren<br />
(s. Buch A). Die Substanz wird aus einer Pflanze<br />
( Quisqualis chinensis) gewonnen.<br />
Rai, Phulchand Prithvi (Bagri Sajjanpur/Indien *1931).<br />
Nach Schulbesuch in Madras Medizinstudium mit Promotion<br />
(1958 Mysore), Weiterbildung in Chirurgie (v. a.<br />
orthopädische Chirurgie), ab 1964 Anästhesiologie<br />
(Texas, Norwegen, England). Professuren an führenden<br />
amerikanischen Anästhesieabteilungen, ab 1991 Weiterbildung<br />
Schmerzmedizin, v. a. diagnostische <strong>und</strong> therapeutische<br />
Lokalanästhesie. Vielfältige Ehrungen, an<br />
mehreren führenden Editorials beteiligt, Autor <strong>und</strong><br />
Koautor hervorragender schmerzmedizinischer<br />
Büchern. Kadirektor der Schmerzdienste der technischen<br />
Universität Houston/Texas.<br />
Räder-Syndrom. Syn.: paratrigeminale Neuralgie (s. ---7<br />
Clusterkopfschmerz ).<br />
Rarnon y Cajal (Santiago 1852-1934). Bedeutender spanischer<br />
Neurohistologe (Valencia, Barcelona, Madrid,<br />
Arbeiten über Nervendegeneration <strong>und</strong> -regeneration,<br />
Einführung von Färbedarstellungstechniken etc.). Mit<br />
Camillo ---7 Golgi Nobelpreis 1904 für die Einführung<br />
der Silberchromatfärbung von Nervenzellen. Daneben<br />
auch Einführung von Goldchlorid-Quecksilber-Färbungen<br />
von Astrozyten.<br />
Ramsay-Hunt-Syndrom. Neuralgie, ausgelöst durch<br />
Erkrankung des Ganglion geniculi (N. facialis-Knie mit<br />
peripheren Fortsätzen u. a. zu den Geschmackszellen<br />
der Papillae fungiformes). Siehe ---7 Melkersson-Rosenthal-Syndrom.<br />
Randomisierung. Aufteilung einer homogenen Patientenpopulation<br />
in Untergruppen (Behandlungsgruppen)<br />
nach dem Zufallsprinzip.<br />
RANTES. Abk. für »regulated on activation, normal r<br />
eell expressed and secreted«, chemokiner <strong>und</strong> zytokiner<br />
Faktor für Eosinophile <strong>und</strong> ---7 Lymphozyten.<br />
Ranvier-Schnürringe. Nach dem Lyoner Anatomen<br />
Louis-Antoine Ranvier (1835-1922) im Jahre 1871<br />
beschriebene Abschnitte der Schwaunsehen Scheide,<br />
wo in einer Länge bis 5 J.lffi <strong>und</strong> einem Abstand von<br />
1-3 mm die Myelinisolationsschicht unterbrochen ist.<br />
Dies ermöglicht das Phänomen der »Saltation«.<br />
Rating scale. Engl. Schätzskala.
850 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Rauschgift. Substanz, die Rauschzustände hervorruft.<br />
Rawal, Narinder (Risalpur/Indien *1940) Anästhesist<br />
am Örebro Medical Center, Schweden. Setzt sich erfolgreich<br />
für die Organisation von akuten Schmerzservicen<br />
sowie die Qualitätskontrolle ein (Schmerzmessung,<br />
Schmerzdokumentation).<br />
»Make pain visible.«<br />
reaktive Sauerstoffverbindungen. Beispiel: 0 2 - , werden<br />
durch neutrophile Leukozyten am Entzündungsort zur<br />
Zerstörung exogener Mikrorganismen bzw. im Rahmen<br />
der Körperabwehr hergestellt. Die gleichen reaktiven<br />
Moleküle greifen aber auch körpereigene Zellen bzw.<br />
Gewebe oder chemische nozizeptive Verbindungen an<br />
(z. B. HO Cl bzw. Hypochlorsäure). Als protektiver<br />
Gegenmechanismus unterhält der Körper gewebeschützende<br />
Makromoleküle (z.B. Protease-Inhibitor Alpha 1 -<br />
Trypsin). Siehe auch Radikalfänger bzw. Scavengereffekt<br />
(Buch A).<br />
Reck-Malleczewen, Friedrich (Gut Malleczewen/Ostpreussen<br />
1884-1945 KZ Dachau). Arzt <strong>und</strong> Verfasser<br />
von Jugenderzählungen <strong>und</strong> Romanen. Wegen »staatsfeindlicher<br />
Gesinnung« eliminiert.<br />
Reclus, P. (1847-1914). Frz. Chirurg, führte 1890 (unabhängig<br />
von Schleich) die ---7 Infiltrationsanästhesie ein.<br />
Sein Bruder E. Reclus (1830-1905) war Begründer der<br />
modernen Geographie mit seinem zum Klassiker<br />
gewordenen Lehrbuch »Geographie universelle«.<br />
Reflexbogen. Impulsweg bei Reflexen vom peripheren<br />
Signalrezeptor über zentripetale Afferenzen in zentrale<br />
Umschaltstellen <strong>und</strong> via zentrifugale Efferenzen zum<br />
Effektororgan.<br />
Reflexdystrophie Syn.: RSDS, chronisches, komplexdeskriptives<br />
Schmerzsyndrom der Extremitäten, das<br />
aufgr<strong>und</strong> klinischer Anamnese <strong>und</strong> Diagnostik gestellt<br />
wird. Auftreten in der Regel nach Gewebeschädigungader<br />
Immobilisation, aber auch nach viszeralen<br />
Erkrankungen, ohne offensichtliche Nervenschädigung.<br />
Im Vordergr<strong>und</strong> stehen kontinuierliche Schmerzen<br />
oder ---7 Allodynie oder ---7 Hyperalgesie, Störungen<br />
der oberflächlichen <strong>und</strong> tiefen Gewebetrophik, Ödem<strong>und</strong><br />
Erythembildung, Perfusionsänderungen <strong>und</strong><br />
abnorme Schweißfunktion.<br />
Regeneration. In der Biologie benutzter Ausdruck für<br />
die Wiederbildung bzw. Ergänzung verlorengegangener<br />
Zellen. Die über 10 1 3 Zellen des menschlichen Körpers<br />
sind in über 200 Zelltypen differenziert <strong>und</strong> bilden<br />
Funktionseinheiten wie Nervensystem, Immunsystem,<br />
endokrines System, Lokomotionssystem, Herz-Kreislauf-System,<br />
Verdauungssystem <strong>und</strong> Urogenitalsystem.<br />
Regenerationssystem. Nach Taban u. Cathieni (1993)<br />
postuliertes physiologisches System mit der Aufgabe -<br />
im Rahmen der genetisch zellulären Gegebenheiten -<br />
der Zellerneuerung bzw. Wiederherstellung <strong>und</strong> Ergänzung<br />
verlorengegangener Zellen. Dieses Regenerationssystem<br />
erkennt das Ausmaß der Regeneration, delegiert<br />
<strong>und</strong> mobilisiert Regenerationszellen, stimuliert deren<br />
Arbeit sowie die mitotische Vermehrung, reorganisiert<br />
die durch die Regeneration wiederhergestellten Zellfunktionen<br />
<strong>und</strong> stoppt schlussendlich den Regenerationsprozess<br />
nach Wiedergutmachung des Zell- bzw.<br />
Gewebeschadens.<br />
Registrierte Handelsnamen. Syn. Registrierte Warenzeichen.<br />
Engl. »Registered trade names«, Handelsnamen,<br />
die nur von dem Hersteller genutzt werden dürfen,<br />
der dieses Warenzeichen besitzt. Registrierte<br />
Warenzeichen sind durch das Symbol ® gekennzeichnet.<br />
REM-Schlaf. Engl. Abk. für »Rapid-eye-movement«<br />
Schlaf (Aserinski u. Kleitman, 1953).<br />
Resorption. Engl. absorption: Aufnahme, Übertritt<br />
(passiv, aktiv) eines Wirkstoffes von einem extrakorporellen<br />
Applikationsort in ein korporelies Kompartiment.<br />
Die Resorptionsphase kann quantitativ durch<br />
ihre Geschwindigkeit (T max' CmaJ <strong>und</strong> qualitativ durch<br />
ihre Komplettheil ( ---7 Bioverfügbarkeil in% der Dosis)<br />
beschrieben werden (s. auch ---7 AUC). Die Resorptionsrate<br />
kann durch ---7 präsystemische Biotransformation<br />
(z. B. durch die Intestinalschleimhaut) reduziert sein.<br />
Retardformen. Orale therapeutische Systeme, die durch<br />
eine gesteuerte Wirkstofffreisetzung an einem Bestimmungsort<br />
(Magen, Dünndarm), um über längere Zeit<br />
eine annähernd konstante Blutkonzentration zu erreichen.<br />
Bei Retardkapseln beispielsweise löst sich die<br />
Kapselhülle im Magen mit Freisetzung von wirkstoffgefüllten<br />
Perlen, die Perlwand hat Mikroporen <strong>und</strong> lässt<br />
Wasser durch. Im Inneren der Perlen geht der Wirkstoff<br />
in Lösung. Der gelöste Wirkstoff wird nun entsprechend<br />
der Perlenmembranporen während ca. 24 h kontinuierlich<br />
abgegeben.<br />
Rexed-Schichten. Nach dem skand. Neuropathologen<br />
Bror Rexed (1952, Uppsala) benannte zytoarchitektonische<br />
Unterteilung des Rückenmarks in Schichten bzw.<br />
Laminae (s. Buch A).<br />
Reye-Morgan-Baral-Syndrom. »Hepatozerebrales Syndrom«,<br />
schwerste, oft tödliche Allgemeinerkrankung v.<br />
a. bei Kindern im Rahmen einer viralen Erkrankung<br />
<strong>und</strong> der Einnahme von Salicylaten mit Hyperpyrexie,<br />
Enzephalopathie (diffuse ZNS-Dysfunktion mit profusem<br />
Erbrechen, Bewusstseinstörungen, Irritabilität,<br />
Agitation, Konfusion etc.) <strong>und</strong> akuter Leberverfettung,<br />
Gerinnungsstörungen. Sporadisch seit 1929 (Brain et<br />
al.) bekannt, als klinisch-pathophysiologische Einheit
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 851<br />
1963 angenommen (Reye et al.). Klinische ProdromaHa<br />
sind leicht übersehbar (z. B. Erbrechen <strong>und</strong> Kopfschmerz,<br />
Ursache möglicherweise intrakranielle Druckerhöhung<br />
durch toxisches Hirnödem). Labor: Lebertransaminasen<br />
1', Harnstoffwerte 1', Hypoglykämie,<br />
metabolische Azidose, Gerinnungsstörungen. Nach<br />
symptomfreiem Intervall schwere, oft letale Hepatoenzephalopathie.<br />
Diskutierte Kofaktoren sind: viraler<br />
Infekt - Kind - Salicylat. Inzidenz ca. 0,7 Kind/pro<br />
100000 behandelte Kinder, Mortalität: 10-41%. Wirkstoffwahl<br />
beim grippösen Kind --1 Paracetamol, Wirkstoffwahlschwierig<br />
bei Kindern unter antiphlogistischanalgetischer<br />
Langzeittherapie (z. B. chronisch-rheumatoide<br />
Arthritis) <strong>und</strong> akuter Grippe (keine Empfehlungen<br />
aufgr<strong>und</strong> fehlender Daten <strong>und</strong> Fakten). Seit der<br />
Assoziation mit der Einnahme von Salicylaten ist die<br />
Anzahl der jährlichen Fälle drastisch zurückgegangen<br />
(USA: Übersicht vorher ca. >500 Fälle/Jahr, nachher<br />
< 36 Fälle/Jahr, Belay et al. 1999). In diesen letzten Fällen<br />
war das Kind zu 93% vorher erkrankt (Atemwegserkrankungen,<br />
Varizellen, Diarrhö, Rash), in 82% wurden<br />
im Blut Salicylate nachgewiesen, die Mortalitätsrate<br />
betrug ca. 30%, wobei v. a. Kinder unter 5 Jahren gefährdet<br />
sind (Kofaktoren: Serumharnstoff > 26 11mol/l bzw.<br />
> 45}lg/dl, Diarrhö, Hypoglukosämie). Nach der NRSSS<br />
(US-am. »National Reye Syndrome Surveillance<br />
System«) unterscheidet man folgende klinische Stadien:<br />
o = wach, munter.<br />
1 = schläfrig, schwierig zu wecken, lethargisch.<br />
2 = delirös, motorische ungezielte Unruhe, angriffig.<br />
3 = nicht weckbar, v. a. motorische Flexorreflexe, dekortikales<br />
Stadium.<br />
4 = nicht weckbar, v. a. motorische Extensorreflexe,<br />
dezebriertes Stadium.<br />
5 = nicht weckbar, flazzide Paralyse, Areflexie, Pupillenstarre.<br />
6 = Patient nicht klassifizierbar (weil z. B. unter Muskelrelaxation).<br />
Rezept. Anweisung zur Herstellung oder Abgabe einer<br />
Arznei (Magistralrezept, Offizinalrezept, Spezialitätenrezept).<br />
Rezeptor: Pharmakologie: spezifische Proteinstruktuen<br />
der Zellmembran, auch intrazellulär vorkommend ( z. B.<br />
intrazelluläre Steroidrezeptoren), mit hoher Affinität zu<br />
spezifischen Molekülen bzw. Liganden. Zelloberflächenrezeptoren<br />
binden Signalmoleküle mit hoher<br />
Affinität <strong>und</strong> induzieren durch die reversible Rezeptor<br />
Ligand-Bindung intrazelluläre Reaktionen. Die Zellmembranrezeptoren<br />
enthalten typische transmembranäse<br />
<strong>und</strong> zytosolische Bestandteile (z. B. extrazelluläres<br />
N-Terminal, 7 hydrophobe, transmembrane<br />
Aminosäurenhelices etc.). Die reversible Rezeptor<br />
Ligand-Bindung induziert eine sog. Konformationsänderung<br />
(z. B. ionotropische Rezeptoren: K+, Cl-, Na+,<br />
Ca2+), lonenkanalaktivitätsänderungen, metabotropi-<br />
sehe Rezeptoren über zwischengeschaltete Proteinsysteme<br />
(G-Protein) bzw. Aktivierung von intrazellulären<br />
Effektorsystemen. Rezeptorenpopulationen können<br />
sich quantitativ <strong>und</strong> qualitativ verändern (Populationengröße:<br />
»up-« <strong>und</strong> »down-regulation« etc.). Zu den<br />
Charakteristika von Nervenzellen gehört u. a. ihre<br />
Rezeptordichte sowie ihre Rezeptorreserve. Gewisse<br />
Krankheiten (z. B. Myasthenia gravis) sind auf<br />
immunologische Zerstörung entsprechender Rezeptorpopulationen<br />
zurückzuführen.<br />
Physiologie: Zellempfangseinrichtung für spezifische<br />
Reizaufnahme (z.B. --1 Nozizeptoren). Heute durch die<br />
Bezeichnung Sensor (z.B. Nozisensor) abgelöst, um den<br />
Begriff von Membranrezeptoren zu unterscheiden.<br />
Rezeptorfunktionen. Erkennung - physikalisch-reversible<br />
Bindung eines Signalstoffes - einer Konformationsänderung,<br />
diese führt zu Transducer- oder Umwandlerfunktionen<br />
(z. B: Öffnung eines Ionenkanals).<br />
Rhizolyse. Operative Demyelinisierung von Spinalnervenwurzelfasern<br />
z. B. durch thermische Schädigung<br />
(Thermorhizolyse).<br />
Rhizotomie. Syn.: für Radikulotomie.<br />
Richet, C.R. (1850-1935). Nobelpreis 1913 für die<br />
Erklärung der Anaphylaxie.<br />
Rigidität. Rigor: gesteigerter Gr<strong>und</strong>tonus der quergestreiften<br />
Muskulatur bis zur Muskelstarre. Typische<br />
UAW von schnell i.v.-applizierten potenten 11-Agonisten<br />
(z. B. Anilinopiperidine).<br />
Robinson, V. Anästhesist schrieb 1946: » Victory over<br />
pain« (Schumann, New York), eines der ersten Bücher<br />
über Schmerzmanagement<br />
Robiquet, P.J. (1780-1840). Isolierte 1832 Codein aus<br />
Opium.<br />
Rolando, L. (1809-1829). Professor im sardinischen Sassari,<br />
untersuchte u. a. histologische Schichten des ZNS,<br />
die er mit Volta-Batterie-Schichten verglich. Nach<br />
Rolando bezeichnet die (Rexed)-Lamina II (wegen ihrer<br />
Schnittfläche auch als gallertig-gelatinös bezeichnet)<br />
mit Synapsen Primäfafferenz <strong>und</strong> Zweitneuron sowie<br />
Interneurane (s. Buch A).<br />
Romberg, Moritz Heinrich (1795-1873). Nach dem aus<br />
Thüringen stammenden <strong>und</strong> in Berlin wirkenden Anatomen<br />
<strong>und</strong> Neurologen werden u. a. der M. Romberg,<br />
das Romberg-Parry-Syndrom, das Rombergsehe Zeichen<br />
sowie der Rombergsehe Versuch (Gleichgewichtssinn-Prüfung)<br />
bezeichnet, der Begriff »Tabes dorsalis«<br />
stammt ebenfalls von ihm. Zwischen 1840 <strong>und</strong> 1846<br />
beschreibt er in seinem Werk u. a. Sensibilitätsstörungen<br />
(Dysästhesien, Hyperästhesien, Neuralgien etc.).<br />
Beschreibt 1853 den sog. Kremasterreflex <strong>und</strong> bestätigt<br />
Prichards Konzept der epileptischen »Aura«.
852 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Rosenberg, Isaac (1890-1918). Brit. Poet russisch-jüdischer<br />
Abstammung.<br />
Rote Liste. Arzneimittelverzeichnis in Deutschland;<br />
jährlich herausgegeben durch den BPI (B<strong>und</strong>esverband<br />
der Pharmazeutischen Industrie).<br />
Roussy-Cornil-Zeichen. Beim Ischiassyndrom durch<br />
Rumpfvor- oder Seitwärtsbeugen auslösbare Ischialgie<br />
mit gleichzeitiger Entlastungsbeugung des Unterschenkels<br />
auf der kranken Seite.<br />
Rovsings-Zeichen. Chirurgisches Zeichen, nach dem<br />
Kopenhagener Chirurgieprofessor Niels Thorkild Rovsing<br />
I862-I927. Bei Appendicitis acuta kann mit manuellem<br />
Druck auf die linke Fossa iliaca (bzw. Colon descendens)<br />
ein Schmerz in der rechten Fossa iliaca ausgelöst<br />
werden. Gr<strong>und</strong>: wahrscheinlich wird Koloninhalt<br />
retrograd auf die entzündete Appendixstelle verschoben.<br />
Rp. Abk. Rezeptur, recipe (lat.: »nimm«) auch für<br />
»rezeptpflichtig«. Früher »sinnvoller« Weise mit dem<br />
Anhängsel »cum Deo« angewandt.<br />
RSDS. Engl. Abk. für » reflex sympathetic dystrophy syndrome«<br />
Siehe --7 Reflexdystrophie.<br />
RSO. Engl. Abk. für »resting sweat sudomotor output«.<br />
Test des autonomen NS bei Schmerzkranken (Typ --7<br />
CRPS) in Bezug auf die Sudomotorfunktion, z. B. durch<br />
intradermale iontophoretische ACh-Applikation, wobei<br />
der Neurotransmitter zuerst antidromal an das postganglionäre<br />
Terminal <strong>und</strong> dann wieder orthodromal an<br />
den betroffenen autonomen Hautnerven transportiert<br />
wird <strong>und</strong> dort eine Sudemotorreaktion (pathologisch<br />
vermindert oder pathologisch erhöht) auslösen sollte.<br />
RCT. Engl. Abk. für »randomised controlled trials
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 853<br />
Hypothermie), vielfältige Ehrungen, so Dr. med. h.c.<br />
mult. (Johannes-Gutenberg-Universität Main 1971, Universität<br />
Campinas/Brasilien 1996, Universität Magdeburg<br />
1997), 3 mal zusammen mit Vladimir Negovsky<br />
(Moskau) zum Nobelpreis vorgeschlagen (1990, 1992,<br />
1994). 1998 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft<br />
<strong>und</strong> Kunst erster Klasse.<br />
Sahli, Hermann (1857-1933) Leiter der Medizinischen<br />
Universitätsklinik Bern, befasste sich intensiv mit<br />
Opium- <strong>und</strong> Morphintherapien. Auf Anregung von ihm<br />
entwickelte Carl Schaerges, erster Forschungsleiter in<br />
der Geschichte der Firma Hoffmann-LaRoche, das<br />
Medikament --1 Pantopon.<br />
SAIS. Abk. für »State Anxiety Inventory Scale«, s. Buch<br />
A.<br />
Sakralanästhesie. Epiduralanästhesie mit sakralem<br />
Zugang.<br />
Salat, Hans (Sursee/Luzern 1498-1561 Freiburg im<br />
Uechtland). Reisläufer, Chronist <strong>und</strong> W<strong>und</strong>arzt.<br />
Salicin. Natürliches Glykosid, aus Weidenbaumrinde<br />
extrahiert; ehern. 2-( H ydroxymethyl) p henyl-b eta-D<br />
Glucopyranose. Weidenbaumrindenextrakt wurde<br />
früher als topisches antiphlogistisches Analgetikum<br />
eingesetzt. 1838 isolierte R. Piria aus dem Sahein die<br />
Salicylsäure. Der im alten Ägypten bekannte Weidenbaum<br />
wurde vom schwedischen Botaniker Pehr Forsskal<br />
nach seinem arabischen Namen »safsaf« Salix safsaf<br />
genannt. Die in nassen Gegenden heimische Pflanze<br />
wurde im arabisch-hebräischen Sprachraum (»safsafa«,<br />
fließend) mit Flüssen in Verbindung gebracht.<br />
Wie im Wirkstoffprofil Buch E im Abschnitt Salicylsäure<br />
erwähnt, später als die Wirkung von Weideubaumrinde<br />
wiederentdeckt.<br />
Salizylismus. Toxisches Multiorganerscheinungsbild<br />
bei akuter oder subakuter Salicylatvergiftung. Mit neurotoxischen<br />
Symptomen wie Kopfweh, Schwindel, Seh<strong>und</strong><br />
Hörstörungen (Tinnitus), zentraler Hyperventilation<br />
<strong>und</strong> Hyperpyrexie, Durst, Konfusion, Koma; mit allergisch-toxischen<br />
Manifestationen wie Urtikaria,<br />
Hautausschläge, Petechien, Gerinnungsstörungen,<br />
Thrombozytopenie, Wasser- <strong>und</strong> Elektrolytstörungen,<br />
pH-Homöostaseentgleisung sowie gastrointestinalen<br />
Beschwerden wie Emesis, Diarrhö. Siehe auch Cinchomsmus.<br />
Sandoz. 1886 wurde an der Gasstrasse die chemische<br />
Fabrik Kern & Sandoz mit Ziel der Anilinfarbenproduktion<br />
gegründet. 1921 wurde die Fabrik mit der Produktion<br />
von Pharmazeutika <strong>und</strong> 1937 von Schädlingsbekämpfungsmitteln<br />
ausgebaut.<br />
Sandoz, Edouard (1853-1928). Aus dem Neuenburgischen<br />
stammender Kaufmann, gründete mit Alfred<br />
Kern die chemische Fabrik Kern & Sandoz, nachmalig<br />
Sandoz (jetzt zu Novartis fusioniert). Sein Sohn<br />
Edouard Marcel Sandoz (1881-1971) wurde Maler <strong>und</strong><br />
Bildhauer (heute noch zu sehen im ehemaligen Familiengut<br />
des »Parc Denantou« in Lausanne).<br />
Sandoz-Institut für Medizinische Forschung. Abk.<br />
SIMR, 1985 eröffnetes Institut für präklinische Forschung<br />
der Mechanismen <strong>und</strong> Bekämpfung von<br />
Schmerzen. Das SIMR arbeitet eng mit dem University<br />
College of London zusammen. Forschungsmittelpunkte<br />
sind: Bradykinin, Tachykinine, Nervenwachstumsfaktoren.<br />
SANZ. Abk. für Schweizerische Arzneimittel-Nebenwirkungszentrale.<br />
Beruht auf einer Stiftung, die Ende 1979<br />
von der Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH) sowie<br />
der Schweizerischen Gesellschaft für Chemische Industrie<br />
(SGCI) gegründet wurde. Bezweckt in Zusammenarbeit<br />
auch mit Apothekern, --1 IKS (Interkantonale<br />
Kontrollstelle für Heilmittel der Schweiz) die Einrichtung<br />
<strong>und</strong> den Betrieb einer Sammel- <strong>und</strong> Dokumentationsstelle<br />
für in der Schweiz beobachtete, im Zusammenhang<br />
mit einer medikamentösen Therapie aufgetretene<br />
Nebenwirkungen, die auch als Auskunftsstelle<br />
funktioniert. Eigene Publikation: »Streiflichter«. Sitz<br />
der SANZ ist Chur (CH).<br />
SAPHO. Abk. für schmerzhafte Synovitis, Akne, palmoplantäre<br />
Pustulosis, Hyperostosis oder Thorax-Arthro<br />
Osteitis <strong>und</strong> multifokaler aseptischer Osteomyelitis<br />
bzw. muskulo-skeleto-kutane Symptomgruppe, seit<br />
1987 als klinische Einheit zusammengefasst (Kahn et<br />
al.).<br />
SAS. Abk. für Smiley-Analogskala, eine für Kinder<br />
bestimmte, mehrstufige Schmerzschätzskala mit<br />
Gesichtern, andere Namen für Gesichterskala: »Üucher<br />
Scale«, »Faces Rating Scale«.<br />
Sättigungsdosis. Syn.: Initialdosis, Loading-dosis, Priming,<br />
die als Bolus zugefügte Dosis, die mit minimal<br />
effektiver Wirkstoftkonzentration (MEAC) eine optimale<br />
Wirkung induziert. Dies entspricht einer entsprechenden<br />
Auffüllung im bestperf<strong>und</strong>ierten Kompartiment<br />
(Herz, ZNS, Nieren). Die sog. Erhaltungsdosis<br />
gleicht Eliminationsverluste aus, entsprechend entspricht<br />
die Sättigungsdosis dem Produkt von initialem<br />
Verteilungsvolumen V d initial * MEAC <strong>und</strong> die Erhaltungsdosis<br />
dem Produkt Clearance * MEAC (s. auch<br />
Buch B <strong>und</strong> K).<br />
Sauerstoffradikale. Sauerstoffatome mit freien Elektronen<br />
(Quelle: Mitochondrien). Sauerstoffradikale sind<br />
hoch zytotoxisch <strong>und</strong> greifen v. a. Lipidstrukturen an.<br />
S. auch --1 Entzündungskaskade-Arachidonsäureabbau.<br />
Sa<strong>und</strong>ers, Dame Cicely (geb. 1918; geadelt 1980) Nach<br />
Schulbildung in Oxford, Schwesternausbildung am St.<br />
Thomas's Hospital Nightingale School (1944), Bachelor
854 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
of Medicine 1957. Gründerin der modernen Hospizbewegung,<br />
die auf mittelalterliche karitative Instutionen<br />
zurückgeführt werden kann, <strong>und</strong> der Palliativmedizin<br />
<strong>und</strong> Sterbebegleitung (St. Christopher's Hospice<br />
1967-1985). Dame Sa<strong>und</strong>ers wurde beeinflusst durch<br />
das irische Hospiz der Mutter Mary Aikenhead (mit<br />
Erzbischof Murray Mitgründerin der Irish Sisters of<br />
Charity, 1811 in Dublin). Order of Merit 1989.<br />
Dame Cicely Sa<strong>und</strong>ers: • You matter to the<br />
last moment of your life, and we will do all<br />
we can, not only to help you die peacefully,<br />
but to live until you die.«<br />
SBT. Abk. für Schmerzbewältigungstraining.<br />
SCARED. Abk. für »Scale of Child Anxiety-Related<br />
Emotional Disorders«, s. Buch A.<br />
Schaible, Hans-Georg (Rottweil *1952). Nach Abitur<br />
(1971 Schwenningen) Studium der Humanmedizin<br />
(Tübingen, Hamburg); 1978 Promotion Dr. med. (Universität<br />
Tübingen); wissenschaftliche Weiterbildung in<br />
Physiologie (Uni Kiel, Würzburg) mit Habilitation 1986.<br />
1988-1991 Reisenberg-Stipendiat der DFG am Department<br />
of Preclinical Veterinary Seiences der Universität<br />
Edinburgh (--t Ainsley Iggo ), danach Professuren in<br />
Würzburg <strong>und</strong> Jena (ab 1997). Erforschung neurobiologischer<br />
Gr<strong>und</strong>lagen von Nozizeption <strong>und</strong> Schmerz,<br />
Gelenkschmerz, Entzündungsschmerz, synaptische<br />
Übertragung im Rückenmark, Neuropeptidrezeptoren,<br />
zentralnervöse Wirkmechanismen von Analgetika.<br />
Autor von Kapiteln über Nozizeption <strong>und</strong> Schmerz in<br />
mehreren Lehrbüchern. 1986 Verleihung des ersten<br />
deutschen Förderpreises für Schmerzforschung <strong>und</strong><br />
Schmerztherapie.<br />
Scharrer-Vogel, Berta (München 1906-1995 N.Y.) <strong>und</strong><br />
Scharrer Ernst Albert (1905-1965 Florida). Forscherehepaar<br />
(Zoologen), Begründer der Neuroendokrinologie.<br />
Ernst Scharrer wies 1928 an der Universität München<br />
neurosekretorische Prozesse von Neuralzellen am<br />
Fisch nach; bis dato galt die Regel, dass eine Zelle entweder<br />
nur elektrische, aber nicht zugleich sekretorische<br />
Funktionen haben könne. Berta Scharrer, Schülerin des<br />
späteren Nobelpreisträgers Karl von Frisch, pflegte mit<br />
beiden Händen mit Dokumenten belastet Hörsäle etc.<br />
zu betreten, um den »Heil-Hitler-Gruss« zu vermeiden.<br />
Beide emigrierten 1937 aufgr<strong>und</strong>politischen Protests in<br />
die USA. Ernst Scharrer starb 1965 bei einem Schwimmunfall<br />
in Florida. Viele akademische Ehren.<br />
Schaumann, Otto (Innsbruck 1891-1977). Chemie-Studium<br />
an der Universität Wien mit Promotion 1914,<br />
1921-1945 Leiter des pharmakologischen Labors der IG<br />
Farbenindustrie Höchst. Habilitation 1941. Miterfinder<br />
von --t Pethidin. Wies auf die Zusammenhänge zwisehen<br />
Schmerz <strong>und</strong> Krankheit bzw. optimaler Analgesie<br />
<strong>und</strong> optimalen Heilvorgängen hin ( --t »Heilanalgesie«).<br />
In Innsbruck als Professor für »Pharmakognosie«<br />
publizierte er Arbeiten über Ephedrin, Lokalanästhetika,<br />
Hypophysenhormone <strong>und</strong> Analgetika, so 1956 eine<br />
Monographie über Morphin <strong>und</strong> morphinähnliche Verbindungen.<br />
Schenzinger, Karl Aloys (Neu-Ulm 1886-??). Arzt <strong>und</strong><br />
Schriftsteller (»Anilin«, Atom«, »Hitlerjunge Quex«).<br />
Schild-Regression. Pharmak. Schild-Plot -pA 2 - Wert, ein<br />
Maß für die Rezeptoraffinität eines Antagonisten bzw.<br />
der negative dekadische Logarithmus der Bindungskonstante<br />
KB( = Konzentration des Antagonisten, bei<br />
der das Konzentrationsverhältnis = 2 ist, d. h. ein Agonist<br />
in doppelter Konzentration eingesetzt werden<br />
muss, um die gleiche Wirkung auszulösen, wie in Abwesenheit<br />
des Antagonisten).<br />
Schlafzentrum. Von --t W.R. Hess 1931 postulierte Region<br />
an der Wand des 3. Ventrikels <strong>und</strong> Aquaeductus Sylvii<br />
(Regio subthalamica), bei der im Tierexperiment<br />
durch elektrische Stimulation Schlaf ausgelöst werden<br />
kann.<br />
Schleich, Carl Ludwig (1859-1922). Begründer der Infiltrationsanästhesie.<br />
»Die Infiltrations-Anästhesie (lokale<br />
Anästhesie) <strong>und</strong> ihr Verhältnis zur allgemeinen Narkose<br />
(Inhalationsanästhesie)« (1892). Schleich wurde 1892<br />
von den anwesenden Chirurgen, die nicht an schmerzlose<br />
Eingriffe ohne Narkose glauben konnten, die Tür<br />
gewiesen.<br />
Schleicher, Mattias Jacob (Hamburg 1804-1881 Frankfurt).<br />
Jurist, Botaniker, russischer Staatsrat in Dorpat.<br />
Mit --t Schwann zusammen Begründer der Zelltheorie.<br />
Schlesischer Bote (Angelus Silesius,Johannes Scheffler,<br />
Breslau 1624-1677). Medizinstudium in Straßburg <strong>und</strong><br />
Leyden. Franziskanermönch, Hofmedikus zu Breslau,<br />
bedeutender Barockmystiker u. a. »Die heilige Seelenlust<br />
oder geistliche Hirtenlieder der in ihrem Jesum verliebten<br />
Psyche«.<br />
Schmerz. Im engl. »smart« erahnbar, skandinavisch<br />
»smjaerte«, die subjektive Empfindung des Schmerzsinnes.<br />
Schmerz wird im Gegensatz zu anderen allgemeinen<br />
affektiven oder körperlichen Gefühlen wie Traurigkeit,<br />
Hunger, Durst oder Hitzegefühl in einer speziellen<br />
Körperregion als solcher wahrgenommen <strong>und</strong> erlitten<br />
(Kopfschmerzen, Bauchschmerzen - es gibt keine »allgemeinen<br />
Schmerzen«). Schmerz wird als »unangenehmes<br />
Sinnes- <strong>und</strong> Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder<br />
potentieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit<br />
den Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben<br />
wird« definiert (nach Mersky; IASP; Buch A).<br />
Schmerzchirurgie. Älterer, schlecht definierter Begriff<br />
chirurgischer Interventionen im Bereich des ZNS (z. B.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 855<br />
Unterbrechung von Schmerzbahnen wie Chordotomie<br />
etc., s. auch: zentraler Schmerz, Buch A).<br />
Schmerzdermatom. Umschriebener Hautbezirk der<br />
entsprechenden Hautnerven (scharf begrenzt, keine<br />
Überlappung) bzw. Spinalnerven (unscharf begrenzt,<br />
überlappend entsprechend der Umbündelung peripherer<br />
Nerven).<br />
Schmerzkomponenten. Die Schmerzen beschreibende<br />
sensorische, affektive (z. B: Unlust), vegetative (z. B.<br />
Nausea) <strong>und</strong> motorische (z. B. Muskelabwehrspannung)<br />
Komponenten.<br />
Schmerzkorrelat. Auf Schmerz kann ein Proband mit<br />
einer Blutdruckerhöhung reagieren. Diese durch Messung<br />
objektivierbare Reaktion kann in der objektiven<br />
Algesimetrie sowie der Nozizeptiometrie als ein<br />
Schmerzkorrelat interpretiert werden (s. Buch A).<br />
Schmerzpunkte. Nervendruckpunkte, nach dem frz.<br />
Neurologen <strong>und</strong> Pädiater F.L.I. Valleix (1807-1855)<br />
benannte umschriebene Hautregionen, die auf Druckreiz<br />
mit heftigen Schmerzen reagieren können (1841<br />
» Traite des nevralgies« ).<br />
Schmerzsinn. Schmerz als Sinn wurde aufgr<strong>und</strong> von<br />
Tierversuchen von M.S. Schiff (1823-1896) erkannt.<br />
Schmerztherapieführer. Von der ~ »Gesellschaft zum<br />
Studium des Schmerzes« erarbeitete praktische Riebtlinien<br />
für die Schmerztherapie.<br />
Schmidt, Robert Franz (Ludwingshafen *1932). Nach<br />
Gymnasium (Frankenthal!Pfalz) Studium der Humanmedizin<br />
(Promotion 1959, Heidelberg), danach Forschungsassistent<br />
in Physiologie an der Australian<br />
National University Canberra 1960-1962 unter ~ Sir<br />
John C. Eccles mit Abschluss 1963 (Ph.D.), sowie am<br />
Physiologie-Institut Heidelberg (1962-1966 unter W.<br />
Trautwein) mit Habilitation 1964. 1971-1982 Professur<br />
<strong>und</strong> Leitung des Physiologischen Instituts der Universität<br />
Kiel. Gastprofessuren in Buffalo, Galveston (Texas,<br />
unter W.D. Willis), Tokio (unter Akio Sato), Kensington<br />
(New South Wales, unter Mark Rowe). Mehrere »Editorial<br />
Boards« in namhaften Physiologie-, ZNS-Forschungs-<br />
sowie Schmerz-Journals. Vielfache Ehrungen<br />
wie Hartmann-Müller-Preis, Max- Planck-Forschungspreis<br />
(zusammen mit Akio Sato), Deutscher Schmerzpreis,<br />
Dr. med. h.c. Universität New South Wales (Sidney)<br />
etc.<br />
Schmiedeberg, Oswald (Laidsen/Kurland 1838-1921<br />
Baden-Baden). Promotion 1866 in Dorpat (heute:<br />
Tartu/Estland), Habilitation <strong>und</strong> Ordinarius für Pharmakologie.<br />
Schnitzler, Artbur (Wien 1862-1931). Sohn einer Medizinerfamilie,<br />
gab seine Praxis auf, um im Kreis des» Jungen<br />
Wien« als freier Schriftsteller zu arbeiten.<br />
Schullern, Heinrich von (Innsbruck 1865-1949 Innsbruck).<br />
Medizinstudium, bis 1918 Generalstabsarzt,<br />
Schriftsteller (historische Romane), Herausgeber des<br />
»Musenalmanach ]ungtirol« (1899).<br />
Schwangerschaftskategorie. In der Schweiz gemäß<br />
Richtlinien der ~ IKS {Interkantonale Kontrollstelle<br />
für Heilmittel der Schweiz) eingeführte Klassifizierung<br />
von Wirkstoffen in die von der ~ FDA erstellten Kategorien<br />
A, B, C, D <strong>und</strong> X (s. unten). In Deutschland<br />
werden entsprechende Risikoklassen ~ Gr (Abk. für<br />
Gravidität) 1-11 <strong>und</strong> Stillzeitklassen ~ La (Abk. für<br />
Laktation) 1-5 definiert (s. unten). In Österreich sind<br />
zzt. keine gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf<br />
Schwangerschaftskategorien eingeführt. FDA-Schwangerschaftskategorien:<br />
A: aufgr<strong>und</strong> von kontrollieren<br />
Studien keine fetalen Risiken in Bezug auf das erste<br />
Trimenon, keine Anzeichen für fetale Schädigung für<br />
Trimenon li <strong>und</strong> III. B: aufgr<strong>und</strong> von Tierversuchen<br />
keine Anhaltspunkte für fetale Schädigungen; jedoch:<br />
kontrollierte Studien bei schwangeren Frauen nicht<br />
vorhanden oder Tierversuche haben eine gewisse Toxizität<br />
ergeben, welche durch kontrollierte Studien an<br />
Schwangeren jedoch nicht bestätigt worden sind. C: Im<br />
Tierversuch sind teratogene oder embryotoxische<br />
Effekte an Feten beobachtet worden oder keine kontrollierten<br />
Tier- oder Humanversuche vorhanden. D:<br />
Eindeutige Hinweise für fetales Schädigungsrisiko vorhanden.<br />
Evt. indiziert für vitale Indikationen bei der<br />
Mutter (relative Kontraindikation). X: wie D, wobei<br />
aber diese Risiken mögliche therapeutische Effekte bei<br />
der Mutter nicht kompensieren können (formelle Kontraindikation).<br />
Graviditätsrisikoklassen: Gr 1: Bei<br />
umfangreicher Anwendung am Menschen kein Verdacht<br />
auf eine embryotoxische/teratogene Wirkung, im<br />
Tierversuch keine Hinweise auf eine solche Wirkung.<br />
Gr 2: Bei umfangreicher Anwendung am Menschen<br />
kein Verdacht auf eine embryotoxische/teratogene Wirkung.<br />
Gr 3: Wie Gr 2, im Tierversuch jedoch Hinweise<br />
auf eine embryotoxische/teratogene Wirkung. Gr 4:<br />
Keine ausreichenden Erfahrungen beim Menschen.<br />
Tierversuche: keine Hinweise auf embryotoxische/teratogene<br />
Wirkungen. Gr s: Keine ausreichenden Erfahrungen<br />
beim Menschen. Gr 6: Wie Gr 5; jedoch Hinweise<br />
auf embryotoxische/teratogene Wirkungen im<br />
Tierversuch. Gr 7: Embryotoxisches/teratogenes Risiko<br />
Trimenon I. Gr 8: Fetetoxisches Risiko Trimenon IIIIII.<br />
Gr 9: Risiko perinataler Komplikationen oder Schädigungen.<br />
Gr 10: Risiko bornonspezifischer UAW beim<br />
Menschen. Gr 11: Risiko mutagener/karzinogener Wirkungen<br />
besteht. Laktationsrisikoklassen: La 1: translaktale<br />
Passage unbekannt. La 2: TransJaktale Passage,<br />
bislang keine Daten über Schädigungen des Säuglings.<br />
La 3: translaktale Passage, in Abhängigkeit der Dosis,<br />
Art der Anwendung, Dauer sind UAW beim Säugling<br />
möglich. La 4: translaktale Passage, in Abhängigkeit
856 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
der Dosis etc. sind ernsthafte UAW beim Säugling zu<br />
erwarten. Las: Milchproduktion geschädigt.<br />
Schwann, Theodor (Neuss 1810-1882 Köln). Anatom,<br />
Physiologe, Forschung über Verdauung, Muskeln, Nerven.<br />
Entdeckte 1836 Pepsin sowie das nach ihm benannte<br />
Neurolemm. Erkannte das Prinzip der pflanzlichen<br />
<strong>und</strong> menschlichen Zelle, mit ~ Schleicher Begründer<br />
der modernen Zelltheorie.<br />
Schweitzer, Albert (Kaysersberg 1875-1965 Lambarene).<br />
Jugend in Günsbach, Studium der Philosophie<br />
(1898 erstes Staatsexamen), Theologie (1900 Promotion),<br />
Musiktheorie (großer Orgelinterpret mit Konzertreisen<br />
in ganz Europa; Buch über J.S. Bach etc), 1902<br />
Professur der Theologie in Strassburg, 1905-1913 Studium<br />
der Medizin mit Promotion:<br />
Schon seit meinen ersten Universitätsjahren<br />
hatte ich angefangen, der Meinung,<br />
dass die Menschheit in einer sicheren Entwicklung<br />
zum Fortschritt begriffen sei,<br />
mit Bedenken zu begegnen. Bei so <strong>und</strong> so<br />
viel Gelegenheiten musste ich feststellen,<br />
dass die öffentliche Meinung öffentlich<br />
k<strong>und</strong>gegebene Inhumanitätsgedanken<br />
nicht mit Entrüstung ablehnte, sondern<br />
hinnahm. Jetzt wütete der Krieg als Ergebnis<br />
des Niedergangs der Kultur.« (1915,<br />
Ehrfurcht vor dem Leben)<br />
Ausreise nach Lambarene. Als feindlicher Ausländer<br />
nach Kriegsausbruch 1914-1917 in Lambarene (Westafrika),<br />
danach in Lagern von Garaison (Pyrenäen) <strong>und</strong><br />
St. Remy (Provence) mit seiner Frau interniert. Rückkehr<br />
ins Elsaß 1918. 1928 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt<br />
a.M., 1952 Friedensnobelpreis, als Aktivist gegen<br />
Atomwaffentests ( u. a. 1957: »Appell an die Menschheit«)<br />
von bürgerlicher Seite heftig kritisiert.1965 Tod in Lambarene.<br />
Schweitzer war seit 1912 verheiratet mit der in<br />
Berlin als Tochter des Historikers Harry Bresslau <strong>und</strong><br />
seiner Frau Caroline (*Isay) 1879 geborenen Helene<br />
Bresslau, viel gereiste Lehrerin <strong>und</strong> eine der ersten Waiseninspektorinnen<br />
der Stadt Strassburg, die 1957 verstarb.<br />
Zu Weihnachten 1957 predigte Schweitzer:<br />
Was wir um uns sehen, ist das Chaos der<br />
neuen Welt. Aber dieses Chaos wandelt,<br />
klärt <strong>und</strong> formt sich, wenn die wirkenden<br />
Kräfte da sind. Darum ist das Wort aus<br />
dem vierten Evangelium ein rechtes Weihnachtswort:<br />
»Bleibt in meiner Liebe« [Job.<br />
15,9 ]. Es heißt: Seid wirkende Kräfte in der<br />
Welt- <strong>und</strong> Menschheitserneuerung durch<br />
die Liebe. Fühlt ihr das Gebieten <strong>und</strong> Flehen,<br />
das darin liegt? Ohne wirkende Kräfte,<br />
in denen die Liebe Jesu fortlebt, bleibt<br />
das Chaos Chaos. Wenn aber Kräfte da<br />
sind, mag es noch so trostlos erscheinen,<br />
es wandelt sich, es gärt <strong>und</strong> arbeitet darin.<br />
Schweizerische Rezeptpflicht. Gr<strong>und</strong>sätze über die<br />
Abgrenzung der Rezeptpflicht der Heilmittel vom<br />
10.06.1960: unterschieden werden die Kategorien A, B,<br />
C, D, E. Kategorie A: verschärfte Rezeptpflicht Kategorie<br />
B: ärztliches Rezept notwendig. Kategorie C: Apotheke,<br />
ohne ärztliches Rezept. Kategorie D: Apotheken/<br />
Drogerien: »erleichterte« Selbstmedikation. Kategorie<br />
E: freie Selbstmedikation, ohne erforderliche Beratung,<br />
keine »Heilanpreisungen« enthaltend.<br />
Scopoli, J.A. (1723-1788).Ital. Arzt (heutiges Slowenien),<br />
nach ihm benannt wurde das Nachtschattengewächs<br />
»Scopolia« sowie das von Schmidt 1892 identifizierte<br />
Scopolamin (L-Hyoscin).<br />
Score. Engl. numerisches Bewertungssystem, das den<br />
Zustand eines Patienten (z. B. Schmerzzustand) mittels<br />
Punktwerten für ausgewählte Kriterien <strong>und</strong> einer daraus<br />
resultierenden Gesamtpunkzahl zu einem<br />
bestimmten Zeitpunkt beschreiben soll.<br />
Scott-Huskisson-VAS (Schmerzmessung nach Huskisson<br />
1983). Numerisch auswertbare visuelle Analogskala,<br />
bestehend aus einem 10 cm langen Strich mit vorgegebenen/markierten<br />
Endpunkten.<br />
SCI. Engl. Abk. für »specific cyclooxygenase inhibitors«,<br />
von der WHO 1998 neu vorgeschlagene Wirkstoffgruppe<br />
der spezifischen COX-2-Hemmer. Im Gegensatz zu<br />
den selektiven COX-2-Hemmern haben die SCI in therapeutischer<br />
Dosierung keine Wirkung auf die COX-1<br />
(s. BuchF<strong>und</strong> G).<br />
SCS. Engl. Abk. für »spinal cord stimulation«, therapeutische,<br />
invasive, neuromodulatorische Rückenmarkstimulation<br />
bei ~ Stumpfschmerzen, ~ CRPS-Typ-II<br />
Schmerzen, Mischschmerzen (z. B. »failed back surgery<br />
syndrome«, FBSS), therapieresistenter Angina pectoris<br />
(Klasse III-IV der New York Heart Association) <strong>und</strong>~<br />
Syndrom X (s. Buch A).<br />
Seeger, Alan (1888-1916, Belloy-en Santerre). Bedeutender<br />
am. Poet (Klassenkamerad von T.S. Eliot an der<br />
Harvard-Universität). Starb als Freiwilliger der frz.<br />
Fremdenlegion (»I have a rendez-vous with death ... «).<br />
Sek<strong>und</strong>enphänomen. Bei Injektion in ein »Störfeld« im<br />
Laufe einer Neuraltherapie auftretende plötzliche,<br />
reproduzierbare Besserung; ähnliche Phänomene werden<br />
auch unter Akupunktur beobachtet.<br />
Selbstmedikation. Die Selbstversorgung des Patienten<br />
mit rezeptfreien Arzneimitteln, die dieser entweder in
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 857<br />
Apotheken (bei apothekenpflichtigen) oder außerhalb<br />
(z. B. in Reformhäusern - bei nicht-apothekenpflichtigen)<br />
erwerben kann (OTC' = over the counter, engl.,<br />
ähnlicher Begriff).<br />
Selectine. Bei Entzündungen ad hoc gebildete Haftmoleküle<br />
des Gefäßendothels, sie erlauben die Leukozytenmigration<br />
(Extravasation). Selectinhemmer sind<br />
putative antiinflammtorische Therapeutika.<br />
Sellheim, Hugo (Biblis 1871- 1936 Leipzig). Professur für<br />
Gynäkologie 1902-1905 Freiburg, Tübingen (1907-1917),<br />
Halle <strong>und</strong> Leipzig. Führte 1905 zum ersten Mal einen<br />
thorakalen Paravertebralblock durch. Diese Technik<br />
wurde vom Leipziger Artbur ~ Läwen weiter zu einem<br />
therapeutischen (chirurgische Anästhesie, Analgesietechnikper<br />
se) <strong>und</strong> differentialdiagnostischen (!)Werkzeug<br />
ausgebaut.<br />
Selye, Hans Janos (Komarno 1907-1982 Kanada). Studium<br />
in Wien <strong>und</strong> Prag, Psychologe <strong>und</strong> Biochemiker.<br />
Emigration. Ab 1934 McGill Universität in Montreal,<br />
beobachtete 1936, dass die Injektion eines Ovarialextraktes<br />
beim Versuchstier eine Hypertrophie der Nebennieren,<br />
eine Atrophie des thymolymphatischen Gewebes<br />
sowie gastroduodenale Ulzerationen induziert <strong>und</strong> allgemein<br />
auf verschiedenste Reize Abwehrkräfte mobilisiert.<br />
Selye benutzte 1950 den Ausdruck »general adaptation<br />
syndrome«, »Eustress« <strong>und</strong> definierte sogenannte<br />
Stressfaktoren. U.a. auch: »The stress of life« (1956).<br />
Siehe auch: W.B. ~ Cannon. Selye ist Begründer der<br />
Theorie des Stresses (s. auch Buch H-J).<br />
Seneca, Ludus Annaeus (Cordoba 4 v. Chr. bis 65<br />
n. Chr.). Röm. Politiker, Philosoph, Dichter, u. a. Erzieher<br />
von Nero.<br />
Senecas Trias: Triae haec in omni morbo<br />
gravia sunt:.<br />
1. Metus mortis (die Todesfurcht).<br />
2. Dolor corporis<br />
(der körperliche Schmerz).<br />
3.lntermissio voluptatum (das Nachlassen<br />
der Lebenslust).<br />
Sensibilisierung. Nozizeption, vereinfacht kann die<br />
Nazitransduktion durch Veränderung des peripheren<br />
Milieus im Sinne von Entzündungsreaktionen gefördert<br />
werden (= periphere Sensibilisierung, s. Buch A); eine<br />
zweite wichtige Ebene der Sensibilisierung stellt das<br />
spinale synaptische Netzwerk dar, hier wird der physiologische<br />
noxische Input in der Regel durch deszendierende,<br />
opioiderge <strong>und</strong> monoaminerge Systeme gefiltert.<br />
Bei erhöhtem noxischem Input kann dieses Hemmsystem<br />
überfordert werden, <strong>und</strong> es kommt zur Enthemmung<br />
des Zweitafferenz (= zentrale Sensibilisierung;<br />
s. auch Buch A).<br />
Sensorik. Funktion des sensorischen Systems. Beinhaltet<br />
die --tTransduktion, ~Transmission, --t Modulation<br />
<strong>und</strong> --t Perzeption der gesamten neuralen Signale aus<br />
der Umwelt im Sinne einer Sensibilität, d. h. physiologischen<br />
Fähigkeit des Nervensystems, äußerliche Reize<br />
aufzunehmen <strong>und</strong> zu interpretieren.<br />
Sequentialanalgesie. Auch Sequentialanästhesie, die<br />
partielle Antagonisierung von p-Agonisten durch<br />
Wirkstoffe mit agonist-agonistischem Dynamikprofil<br />
mit dem theoretischen Ziel, gewisse p-inhärente UAW<br />
(z. B. Atemdepression) zu minimalisieren (nach De<br />
Castro u. Viars 1968, s. Buch B).<br />
Serotonin 5-Hydroxytryptamin, 5-HT. 1948 aus Rinderblut<br />
(»Sero-tonin«) isoliert <strong>und</strong> durch Rapport M.M.,<br />
Green A.A. <strong>und</strong> Page I.H. dargestellt. Serotonin ist ein<br />
aus L-Tryptophan biosynthetisiertes Monoamin; durch<br />
Mastzellen, enterochromaffine Zellen <strong>und</strong> Thrombozyten<br />
freigesetzt. Je nach Aktivierung der multiplen 5-<br />
HAT-Subrezeptoren induziert Serotonin verschiedenste<br />
Wirkungen, im ZNS Neurotransmitter <strong>und</strong> involviert in<br />
die --t serotoninerge zentrale Schmerzmodulation<br />
(s. Buch A). In der Peripherie u. a. verantwortlich für<br />
die--t periphere Transduktion emetogener Reize (5-<br />
HT3-R). Entsprechende serotoninerge Therapeutika<br />
sind Antiemetika ( --t Setronreihe). --t Migränetherapeutika<br />
(Triptane). Serotoninsubrezeptoren: 5-HT<br />
IA,s,oi 5-HT-2A,B + 5-HT,6 5-HT-3; 5-HT-4. Ligandengated<br />
Ionenkanäle: 5-HT 3<br />
-Rezeptoren. übrige: G-proteingekuppelte<br />
Rezeptoren. Bedeutende Serotoninforscher<br />
waren: Page, Nachmansohn, Erspamer (»Enteramin«).<br />
Sertürner, F.W.A. (1783-1841). Untersuchte als Pharmazeut<br />
das Opium <strong>und</strong> beschrieb das Morphin: »Darstellung<br />
der reinen Mohnsäure nebst einer chemischen<br />
Untersuchung des Opiums mit vorzüglicher Hinsicht auf<br />
einen darin neu entdeckten Stoff <strong>und</strong> die dahingehörenden<br />
Bemerkungen« (1817).<br />
SES. Abk. für Schmerzempfindlichkeitsskala.<br />
Setrone. Wirkstoffgruppe mit 5-HT3-antagonistischem<br />
Wirkprofil (Antiemetika): Ondansetron, Granisetron,<br />
Dolasetron etc.<br />
Sham. Engl. die Täuschung, Scheinoperation in der<br />
Experimentalmedizin. Die Kontrollgruppe, an der zu<br />
Vergleichszwecken bis zur testender Intervention die<br />
gleiche Operation, das gleiche Prozedere etc. durchgeführt<br />
wird.<br />
Sherrington, Charles Scott Sir (London 1857-1952 Eastbourne).<br />
Hervorragender eng!. Physiologe (Schwerpunkt:<br />
ZNS; beeinflusst u. a. durch --t Langley), stellte<br />
1906 die Theorie der ordnenden Wirkung des ZNS auf<br />
»The integrative action of the central nervous system«.<br />
Er postulierte, dass Rezeptoren die Schwelle für einen
858 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
bestimmten physikalischen Reiz erniedrigen <strong>und</strong> für<br />
andere erhöhen können. Damit werde eine spezifische<br />
Erregung möglich. Die Bezeichnung Nozizeptor ist<br />
nach Sherrington benannt. Siehe auch ~ Spezifitätstheorie<br />
<strong>und</strong> Rene Descartes. 1922 geadelt <strong>und</strong> 1932<br />
zusammen mit ~ E.D. Adrian Nobelpreis für Medizin/Physiologie<br />
erhalten.<br />
SIA. Engl. Abk. für »stress-induced-analgesia« (s. Buch<br />
A).<br />
SIA. Engl. Abk. für »algology für suckling-inducedanalgesia«,<br />
Beobachtung, dass Neugeborene durch<br />
Saugen insbesondere zuckerhaltiger Flüssigkeiten<br />
weniger Schmerzen erleiden bzw. weniger Schmerzkorrelate<br />
wie Weinen, Grimassieren etc. aufweisen,<br />
impliziert scheinen Geschmacksfunktionen (offenbar<br />
opioiderg gesteuert) sowie orotaktile Mechanismen<br />
(nichtopioiderg) zu sein.<br />
Signaltransduktionskette. Die nach kompetitiver <strong>und</strong><br />
reversibler Ligand-Rezeptor-Bindung auslösbare Reaktionskette<br />
(vgl. metabotrope Rezeptoren).<br />
Signatura. Die ärztliche Rezepturanweisung.<br />
signetur. Rezeptur, es möchte bezeichnet werden.<br />
Simon, Eric (Wiesbaden *1924). Besuch des Gutenberg<br />
Gymnasium bis zur Wiesbadener Kristallnacht am<br />
9./10.11.1938, Emigration im Dezember 1938. Gymnasium<br />
in eleveland ZU Ende geführt, danach Studium der<br />
Naturwissenschaften am Institute of Technology (B.S.<br />
1944). Weiterbildung an der Universität Chicago (M.S.<br />
1947; Ph.D. in organischer Chemie 1951). Biochemie mit<br />
David Shemin an der Columbia Universität. 1953 am<br />
Cornell Medical College in der Arbeitsgruppe über<br />
Muskeldystrophie, hier Entdeckung der nach Sirnon<br />
benannten Vitamin-E-Metaboliten Tocopheronolactone<br />
<strong>und</strong> Tocopheronsäure. Seit 1959 Fakultät New York<br />
University Medical School. Arbeiten über Coenzymsysteme,<br />
über Vitamin-E-Metabolismus, über Muskelstoffwechsel,<br />
über Cholintransport. Opioide, 1973 zusammen<br />
mit Edelman <strong>und</strong> Hiller Nachweis stereospezifischer<br />
Opioid-Bindungen bzw. -Rezeptoren (H3-<br />
Etorphin) in Hirnhomogenaten, parallel zu Pert <strong>und</strong><br />
Snyder sowie Lars Terenius. Vielfältige Ehrungen ( u. a.<br />
Dr. med. h.c. Sorbonne, Paris).<br />
Simpson, James Young (bei Edinburg 1811-1870). Pionier<br />
der Chloroformnarkose (1847), geburtshilflieber<br />
Ätheranästhesie (1847), daneben hochgeehrter<br />
Antiquar <strong>und</strong> Archäologe.<br />
Sirupi. Sirupe, dickflüssige, gesüßte <strong>und</strong> aromatisierte<br />
Arzneipräparate, die Wirkstoffe in Form von Lösungen,<br />
Emulsionen oder Suspensionen enthalten. Der Wirkstoffgehalt<br />
wird meistens pro 10 ml = 1 Kaffeelöffel<br />
angegeben.<br />
Sluder-Neuralgie. Durch Beteiligung des Ganglion<br />
sphenopalatinum bedingte Gesichts-/Gaumenschmerzen.<br />
Smiley-Analog-Skala. Abk. SAS, Analogschmerzskala<br />
für Kinder im Alter von 5-7 Jahren (»Gesichterabbildungen«).<br />
Snow, John (York 1813-1858). Epidemiologe (1958: »On<br />
the mode of communication of cholera«) <strong>und</strong> Anästhesist<br />
(1847: »On the inhalation of chloroform and ether«<br />
<strong>und</strong> 1849: »On the inhalation of vapour of ether in<br />
surgical operations«). Als Privatanästhesist der Königin<br />
Victoria applizierte Snow für die Geburt von Prinz<br />
Leopold eine analgetische Chloroforminhalation<br />
(gemäß anonymem Zeitungsartikel in der Times vom<br />
8.04.1853, S. 5 »Birth of a prince« - im Lancet heftig<br />
kritisiert!), die geburtshilfliehe Analgesie (»a la reine«)<br />
war geboren.<br />
Solutio. Lösung.<br />
Solvay, Ernest (1838-1922). Begründete 1863 mit einer<br />
Sodafabrik im belgiseben Couillet eine heute weltumfassende<br />
Industriegruppe (Alkali, Kunststofferzeugung<br />
<strong>und</strong> -Verarbeitung, Peroxide, Arzneimittel, Kali-Chemie,<br />
Duphar, Giulini, Lyssia).<br />
Somatostatin. Ein peripher <strong>und</strong> zentral synthetisiertes<br />
biologisch aktives 14-Aminosäuren-Polypeptid mit verschiedensten<br />
Funktionen (s. Buch A, F).<br />
Somnolenz. Pathologische Schläfrigkeit.<br />
Sonophorese. Einschleusung von Wirkstoffen ins Gewebe<br />
mittels Ultraschall.<br />
Sorge, Reinhard Johannes (1892-1916). Dt. Literat.<br />
SP.Abkürzung für Substanz P. ~ Neuropeptid, Tachykinin.<br />
Spannungskopfschmerz. ~ Buch A. Früher Muskelkontraktionskopfschmerz,<br />
engl. tension type headache.<br />
Kopfschmerzen, die - dumpfdrückend bis ziehend, nicht<br />
pulsierend - ohne Prodrome, bilateral, variabel in Bezug<br />
auf Schmerzcharakter, Rhythmus - episodisch bzw.<br />
seltener als 180 Tage/Jahr oder chronischer dann häufiger<br />
als 180 Tage/Jahr - <strong>und</strong> Dauer - St<strong>und</strong>en bis Tage<br />
dauernd - <strong>und</strong> mit Begleitsymptomen -Angst, Nausea,<br />
Erschöpfung - assoziiert sind (gemäß HS' Klassifikation).<br />
Es werden zzt. 2 Gruppen unterschieden: mit<br />
oder ohne Störung der perikranialen Muskeln, bzw.<br />
episodisch oder chronisch. Ursache: zentrale Faktoren -<br />
Dysfunktion serotoninerger Relais Kortex, Raphekerne,<br />
PAG - <strong>und</strong> periphere Faktoren - Dysfunktion quergestreifter<br />
perikranialer <strong>und</strong> oromandibulärer Muskulatur,<br />
myofasziale Sensibilität mit »tenderness«, »hardness«<br />
im Bereich M. trapezius, Nackenmuskeln.<br />
Spantide. In der Physiologie eingesetzte Substanz, P<br />
Antagonist.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 859<br />
Spasmoanalgesie. In Deutschland v. a. von Urologen<br />
gebrauchter Ausdruck für die Kombination von Analgetika<br />
mit Spasmolytika zur Spasmolyse <strong>und</strong> Dämpfung<br />
viszeraviszeraler Reflexe.<br />
Species. Teemischungen, Gemenge von entsprechend<br />
zerkleinerten Arzneidrogen, die fakultativ Drogenextrakte,<br />
ätherische Öle oder Wirkstoffe enthalten.<br />
Spemann, Hans (1869-1941). Nobelpreis 1935 für<br />
embryologische Forschung. Pionier der ~ Ontogenetik.<br />
Spencer, Herbert (Derby 1820-1903 Brighton). Philosoph<br />
<strong>und</strong> Soziologe.<br />
Spiersäure. Von dem dt. Pharmazeuten Löwig in Zürich<br />
aus der Sumpfmädesüß (Spierstaude) gewonnener<br />
Stoff, den Dumas 1839 als identisch mit der Salicylsäure<br />
identifizierte.<br />
Spinalanästhesie. Von Corning 1885 eingeführt: »spinal<br />
anaesthesia and local medication of the cord«. Corning<br />
führte den Wirkstoff allerdings nicht in den intrathekalen<br />
Raum ein, sondern subkutan in das interligamentäre<br />
Gewebe der unteren thorakalen Wirbelfortsätze -<br />
in der vagen Hoffnung, den Wirkstoff über Gefäßabsorption<br />
kleinster Gefäße direkt dem Gefäßsystem des<br />
Rückenmarks zuzuführen (vgl. auch:~ Bier).<br />
Spinalnerven. Syn.: Nervi spinales, Rückenmarknerven,<br />
symmetrisch aus dem Rückenmark austretende Nervenpaare<br />
(Nn cervicales C,-C 8 , Nn thoracici Th,-Th, 2 ,<br />
Nn lumbales L,-L 5 , Nn sacrales S,-S 5 ) sowie der hochgradig<br />
rückgebildete N. coccygeus. Man unterscheidet<br />
eine Radix dorsalis <strong>und</strong> Radix ventralis, die aus Bündeln<br />
(Fila radicularia) bestehen. Die dorsale Radix enthält<br />
das Ganglion spinale. Die Wurzelfila treten durch<br />
die Pia mater in das Cavum subarachnoidale. Auf Höhe<br />
des Austritts aus dem Wirbelkanal kommen sie durch<br />
die Arachnoidea <strong>und</strong> Dura. Distal vom Ganglion spinale<br />
bilden die beiden Radices den Spinalnervenstamm,<br />
bevor sie sich in die dorsalen, ventralen <strong>und</strong> rückläufige<br />
meningealen Äste (Rami) aufteilen. Die Spinalnerven<br />
sind gemischte Nerven <strong>und</strong> enthalten somatornotorische<br />
(efferente), afferente <strong>und</strong> autonome Fasern.<br />
Spitexbewegung. Behandlung im angestammten Raum<br />
(also: zu Hause) von chronisch Kranken (inklusive<br />
Schmerzklinikpatienten) durch mobile Einrichtungen<br />
(spezialisierte Krankenschwestern, speziell eingerichtete<br />
Ambulanzen etc.) zur Kostensenkung <strong>und</strong> zur Wahrung<br />
des sozialen Umfelds der Kranken. Schweizerisches<br />
Korrelat zur National Hospice Association.<br />
Spörry, Anne (Mülhausen 1918-1999 Nairobi; in Lamu<br />
begraben). Aus Mülhauser Industriellen-Familie, Medizinstudium<br />
in Paris, als Mitglied der »Resistance« (Mitglied<br />
des S.O.E. Special Operation Executive) 1943 in<br />
Paris verhaftet <strong>und</strong> ins Frauen-KZ Ravensbrück ge-<br />
bracht, durch die Intervention des schwedischen Roten<br />
Kreuzes bzw. durch Graf Bernadotte entlassen. 1948<br />
Promotion in Medizin (Sorbonne, Paris) <strong>und</strong> Emigration<br />
nach Ostafrika (Äthiopien, Kenya)., wo sie als fliegende<br />
»Mama Daktari« seit 1964 dem vom Chirurgen<br />
Michael Wood gegründeten AMREF (»African medical<br />
and research fo<strong>und</strong>ation«, im Rahmen der »Flying Doctors«,<br />
erste <strong>und</strong> suksessive erfahrenste Pilotin) angehörte<br />
<strong>und</strong> bei der einheimischen, verarmten Bevölkerung<br />
ein Begriff für menschliche Hilfe <strong>und</strong> Mitleiden<br />
wurde. Nachzulesen auch ihre Biographie 1994/1997<br />
»Mama Daktari« (editions Jean-Claude-Lattes) bzw.<br />
»Man nennt mich Mama Daktari« (Quellverlag, Stuttgart).<br />
Spritzen. Technische Voraussetzung für invasive Wirkstoffanwendung<br />
(Ausnahme: in klinischem Versuch<br />
befindliche nadel- <strong>und</strong> spritzenfreie Hochdruckinjektoren).<br />
Als Vorläufermodelle können die schon im 17. Jh.<br />
in Frankreich auch zur invasiven Wirkstoffanwendung<br />
benutzten Klistiere (die in jeder Komödie von Moliere<br />
vorkommen) gelten. Verbesserungen erzielten u. a. der<br />
Ire Francis Rynd (Hohlnadel; Dublin 1845: für Morphinanwendung!),<br />
Ferguson in England bis Alexander Wood<br />
(1817-1884; Morphinanwendung 1855: »A new method<br />
of treating painful neuralgias by the direct application<br />
of opiates to painful points«), der die von C.-G. Pravaz<br />
(1791-1853) erf<strong>und</strong>enen Glaskörper mit einer anschraubbaren<br />
Hohlnadel kombinierte. Vor der Erfindung<br />
der Hohlnadel durch Francis Rynd wurden Akupunkturnadeln<br />
verwendet, der Wirkstoff floss entlang<br />
der Nadel zum Einsatzort Die Ganzglasspritze wurde<br />
durch Luer entwickelt. Der Lausanner Erfinder Max<br />
Roth entwickelte 1915 erste kompakte Injektionsspritzen<br />
» Tubunics« mit spritzfertigem Medikament, diese<br />
(erste Einwegspritzen) wurden von der Firma Hoffmann-LaRoche<br />
u. a. auch als Pantopon-Tubunk ab 1918<br />
auf den Markt gebracht <strong>und</strong> hatte sofort einen riesigen<br />
kommerzialen Erfolg, indem beispielsweise die Schweizer<br />
Armee im Herbst 1918 wegen der grassierenden<br />
Grippe uo.oo Tubunics bestellte.<br />
Sprotte, Günther (Heigenbrücken *1945). Nach humanistischem<br />
Gymnasium in Wertheim, Studium der Medizin<br />
in Würzburg. Nach Medizinalassistentenausbildung<br />
in verschiedenen klinischen Fächern 1971 Promotion<br />
<strong>und</strong> 1982 Habilitation in Anästhesiologie: »Klinische<br />
Studie zum Differentialblock«. Ludwig-Schleich-Preisträger<br />
1982. Leiter der Schmerzambulanz der Klinik für<br />
Anästhesiologie Universität Würzburg seit 1989. Sprotte<br />
hat die nach ihm benannte Sprotte-Nadel für intrathekale<br />
<strong>und</strong> epidurale Techniken entwickelt.<br />
SRD. Abk. für sympathische Reflexdystrophie.<br />
Stadler, Ernst Maria Richard (Colmar/Elsass 1883-1914<br />
Ypern/Belgien). Prof. Dr., Schriftsteller, international<br />
berühmter Literaturkritiker, Expressionist, Kunstkreis
86o<br />
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
»Jüngstes Elsaß« (u.a. Georges Ritling, Otto Flake, Hermann<br />
Wendel, Hans Koch, Bernd Semann, Otto Dressler,<br />
Salomon Grumbach, Hanns Holzschuh er, Fritz Höpfinger<br />
<strong>und</strong> Pranz Arp ). Verfechter einer frz.-deutschen<br />
Fre<strong>und</strong>schaft.<br />
STAI. Abk. für Spielherger State Trait Anxiety Jnventory<br />
(s. Buch A).<br />
stalked cells. Nach eng!. Stalk: Stiel, Halm. Im Rückenmark<br />
(Hinterhorn Laminae-II-III, Dendritenbaum<br />
bis III-IV) von S. Gobel1978 beschriebene Neurone<br />
mit halmartig verästelten Dendriten, deren Funktion<br />
nicht klar ist (je nach Forscher Exzitation oder Hemmung).<br />
startle reaction. Eine komplexe, unwillkürliche Antwort<br />
auf nichterwartete starke (auditorische) Stimuli.<br />
Statistik. Das zahlenmäßige, analytische Erfassen von<br />
Masseneinheiten zur Erkennung von Regelhaftigkeiten.<br />
Ausgangspunkt waren Arbeiten von ~ Bayes <strong>und</strong> Marquis<br />
de Laplace (1749-1827). Etwa 1820 Pierre-Charles<br />
Alexandre Petit (Charite, Paris) erste Arbeiten wie<br />
»analyse« <strong>und</strong> »methode numerique«. 1840 »Principes<br />
generaux de statistique medicale« sowie »arithmetische<br />
Observationen« (Jules Gavarret). ~ Billroth Theodor<br />
(1829-1894) schrieb das vielzitierte Bonmot:<br />
»So ist die Statistik wie ein Weib, ein Spiegel<br />
reinster Thgend <strong>und</strong> Wahrheit, oder<br />
eine Metze für Jeden, zu Allem zu brauchen«.<br />
Selten zitiert ist jedoch seine über Statistik in einer<br />
retrospektiven Arbeit über Pyämie, W<strong>und</strong>fieber gemachten<br />
Aussage (Band IX, Archiv für klinische<br />
Chirurgie, Rechenschaftsbericht Zürcher Chirurgie<br />
1860-1867).<br />
»Ich hätte viel lieber andere Dinge gearbeitet,<br />
doch ich habe mir eingebildet, es sei<br />
meine Pflicht, als Lehrer zu meiner eigenen<br />
Belehrung mich aufzuklären, wie ich<br />
mit meiner Erfahrung stehe.«<br />
Der dt. Chirurg Ernst Julius Gurlt publizierte schon 1895<br />
eine »Zur Narkotisirungsstatistik« von 78 deutschen<br />
Krankenhäusern bzw. mehr als 50.000 Allgemeinanästhesien.<br />
Sir A.B. Hili publizierte 1952 im British<br />
Medical Journal die erste »RCT« (randomised controlled<br />
trial), d. h. die heute noch gültige Form zur Effektivitätsprüfung.<br />
Die Bedeutung klarer Konzepte durch<br />
wissenschaftliche Effektivitätsprüfungen wurde durch<br />
die Publikationen von A.L. ~ Cochrane (Nuffield, 1972)<br />
verbreitet:<br />
»It is surely a great criticism of our profession<br />
that we have not organised a critical<br />
summary, by specialty or subspecialty,<br />
adapted periodically, of all relevant randomised<br />
controlled trials«.<br />
Publikation 1972 von »Effectiveness and Efficiency:<br />
Random Reflections on Health Services« ~ Cochrane<br />
Bewegung.<br />
Steady state. Fließgleichgewicht, bei repetierter Wirkstoffzufuhr<br />
der Moment, wo sich Zufuhr <strong>und</strong> Elimination<br />
die Waage halten <strong>und</strong> eine konstante Plasmakonzentration<br />
erreicht ist. Ziel einer optimalen Dosierung<br />
<strong>und</strong> Applikation ist es, den Wirkstoff in ein ziemlich<br />
konstantes Fließgleichgewicht im sog. therapeutischen<br />
Fenster zu halten.<br />
Sternbach, A. Richard (New York *1930). Zeitgenössischer<br />
Psychologe <strong>und</strong> Schmerzforscher in La Jolla<br />
(Kalifornien), betonte die Eigenständigkeit chronischer<br />
Schmerzsyndrome als eigenständige Krankheit ( ~<br />
Leriche, Rene). Mitbegründer der ~ IASP.<br />
Stevens-Johnson Syndrom Syn.: Ectodermosis pluriorificalis,<br />
Typ-IV-Reaktion bzw. UAW nach Gabe u.a. von<br />
antipyretischen Analgetika. Fiebrige Allgemeinerkrankung<br />
mit dermatologischen Manifestationen im Sinne<br />
von landkartenartigem Hautexanthem mit blasigen<br />
Schleimhaut-Effloreszenzen. Typisch sind Cheilitis, Stomatitis,<br />
Konjunktivitis, Vulvitis, Urethritis <strong>und</strong> Proktitis.<br />
stimulation produced analgesia. Durch Stimulation<br />
von Hirnabschnitten auslösbare zentrale Analgesie<br />
(Reynolds 1969, s. Buch A). Therapeutische~ Neurostimulation<br />
kann mittels partiell- (radiofrequenzgesteuerte)<br />
oder vollimplantierte (telemetrische) Systeme<br />
erfolgen.<br />
Stöcke!, W. (1871-1961). Hervorragender dt. Gynäkologe<br />
<strong>und</strong> Geburtshelfer, führte die Sakralanästhesie zur<br />
geburtshilfliehen Analgesie ein: »Über sakrale Anästhesie«<br />
(1909 ).<br />
Stoll, Artbur (Schinznach 1887-1971). Industrieller <strong>und</strong><br />
bedeutender Forscher: nach seinem Studium der Chemie<br />
an der ETH Zürich <strong>und</strong> 1909 auf Einladung R. ~<br />
Willstätters Zusammenarbeit über Chlorophyllase.<br />
Folgte danach Willstätter nach Berlin <strong>und</strong> München mit<br />
dem Forschungsziel der Isolierung <strong>und</strong> Reindarstellung<br />
hochwirksamer Naturstoffe (Digitalis, Sennoside etc.).<br />
Ab 1917 Eintritt in die Fa. ~ Sandoz.<br />
Storm, Theodor (Husum 1817-1888 Hademarschen).<br />
Bedeutenden Novellist (»Der Schimmelreiter«). Erkrankte<br />
an einem Magenkarzinom <strong>und</strong> schrieb das folgende<br />
Gedicht - ohne die Krankheit, deren Diagnose<br />
ihm nicht eröffnet worden war, zu kennen:
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 861<br />
Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz,<br />
nur ein Gefühl empf<strong>und</strong>en eben,<br />
<strong>und</strong> dennoch spricht es stets darein,<br />
<strong>und</strong> dennoch stört es Dich zu leben.<br />
Wenn Du es andern klagen willst,<br />
so kannst Du es nicht in Worte fassen,<br />
Du sagst Dir selber, es ist nichts.<br />
Und dennoch will es Dieb nicht lassen.<br />
So seltsam fremd wird Dir die Welt<br />
Und leis' verllsst Dieb alles Hoffen,<br />
bis Du es endlich, endlieb weißt,<br />
daß Dich des Todes Pleil getroffen.<br />
Stramm, August (Münster 1874- 1915 bei Gorodec).<br />
Bedeutender Literat (Gedichte).<br />
Stress. Von lat. stringere, drücken, pressen. Zuerst von<br />
~ Selye (1950) benutzter Ausdruck für die körperliche<br />
<strong>und</strong> psychische Anpassung an die Integrität des Organismus<br />
bei Überbeanspruchung durch »attakkierende«<br />
körperliche, geistige oder seelische Reize.<br />
Stress-induzierte Analgesie. Von den Autoren M.D.<br />
Triekleband <strong>und</strong> G. Curzon in ihrem Buch »Stress induced<br />
analgesia« (Wiley, New York 1984) gebrauchter Ausdruck<br />
für die v. a. von Feldchirurgen <strong>und</strong> Feldanästhesisten<br />
im 2. Weltkrieg ( ~ Beecher; aber auch schon<br />
während des Russlandfeldzugs von Napoleon!)<br />
beschriebenen Erfahrungen, dass gestresste Menschen<br />
oder Tiere weniger Schmerz verspüren, wahrscheinlich<br />
über stressinduzierte Aktivation endogener antinozizeptiver<br />
Abwehrsysteme ( ~ Endorphinsystem).<br />
Stricker, S. (??-??).Führte 1876 an der Berliner Charite<br />
die Salicylsäure als spezifisches Therapeutikum (Antirheumatikum)<br />
für die Behandlung akuter rheumatischer<br />
Gelenkerkrankungen ein.<br />
Substitutionsprogramme. Kostenlose kontrollierte<br />
Abgabe von Ersatzdrogen (z. B. Methadon, Heroin) <strong>und</strong><br />
Instrumenten (Injektionsmaterialien) mit dem Zweck<br />
der Entkriminalisierung <strong>und</strong> Risikoverminderung<br />
(gleiche Qualität, keine Streckmittel, Verminderung der<br />
Infektionskrankheiten wie Hepatitis, Aids).<br />
Sucht. ~ Substanzabhängigkeit (s. Buch B).<br />
Sudeck, P. (1866- 1945). Chirurg in Hamburg-Eppendorf,<br />
befasste sich u.a. auch mit Narkosetechniken<br />
{Publikationen 1902 <strong>und</strong> 1909 über »Ätherrausch«; entwickelte<br />
u.a. Masken mit Exspirationsventil). Lehrer<br />
von ~ Ernst von der Porten. Beschrieb 1900 das nach<br />
ihm benannte Dystrophiesyndrom (heute:~ »Complex<br />
regional pain syndroroe Typ 1«, »Reflex sympathetic<br />
dystrophy«, RDS, Algodystrophie, Sudecks Dystrophie),<br />
die Osteoporose (1900) sowie 1909 das Narkosestadium<br />
»Stadium analgeticum«.<br />
SUNCT-Syndrom. Klinisches Kopfschmerzensyndrom<br />
mit einseitigen neuralgieformen Kopfschmerzattaken<br />
sowie autonomer Symptomatik: Konjunktivitisreaktion,<br />
Tränenfluss, Rhinorrhö. Nach engl. Abk. syndrome<br />
of unilateral neuralgiform headache attacks, with conjunctival<br />
injection, tearing and rhinorrhöa).<br />
S<strong>und</strong>erland, Sidney (Brisbane 1910-1993). Schon als<br />
Schüler hervorragend <strong>und</strong> Gewinner verschiedenster<br />
Preise <strong>und</strong> Ehrenstipendien, die ihm das Medizinstudium<br />
im weiten Melbourne erlaubten (Promotion 1935).<br />
Weiterbildung in Anatomie inklusive Hirn- <strong>und</strong> Nervenforschung,<br />
mit 27 Jahren Professur für Anatomie an<br />
der Universität Melbourne (1938). Studienreisen u. a. in<br />
die USA sowie nach Oxford (Neurochirurgie mit Sir<br />
Hugh Cairns): Anfcinge seiner neuroanatomischen Studien.<br />
Fre<strong>und</strong>schaft mit dem politischen Flüchtling Pio<br />
del Rio-Hortega (einem Schüler von~ Rarnon y Cajal),<br />
der ihm in die Geheimnisse von Nervenfärbungen einführte.<br />
Kurze Zusammenarbeit in Montreal mit dem<br />
Nobelpreisträger Wilder Penfield, dem Pionier der kortikalen<br />
Reizung am wachen Patienten (Lokalanästhesie;<br />
Patienten mit Hirntumoren etc.). Während des Krieges<br />
Untersuchungen von im Weltkrieg verw<strong>und</strong>eten australischen<br />
Soldaten (Nervenläsionen, Nervenregeneration,<br />
neuropathische Schmerzzustände ... mit Mitchell vergleichbar!<br />
etc.), vielfache Ehrungen; u. a. Sidney S<strong>und</strong>erland<br />
Gesellschaft.<br />
Suppositorien. Suppositoria, galenisch so zubereitete<br />
Wirkstoffpräparate, dass sie bei Einführung ins Rektum<br />
bzw. bei Körpertemperatur schmelzen, zerfallen oder<br />
sich lösen. Ebenfalls: Rektaltabletten, Rektalgelatinekapseln,<br />
Rektallyophilisate.<br />
Suspensiones. Suspensionen, »disperse« galenische<br />
Systeme, bestehend aus Vehikel (Flüssigkeit) <strong>und</strong> darin<br />
zerteilter Phase (unlösliche Wirkstoffpulver). Bei sog.<br />
Trockensuspensionen (»Suspensiones siccae«) werden<br />
entsprechende Wirkstoffpulver nach Schütteln mit dem<br />
in Bezug auf Volumen, Gewicht definierten Vehikel<br />
kurzfristig in Suspensionen übergeführt.<br />
Sweet, Williaro (Kerriston/Washington *1910). Harvard<br />
Medical School mit MD 1936, bedeutender Neurochirurg,<br />
schrieb mit }ames C. White das Standardwerk:<br />
»Pain and the neurosurgeon« (1955, 1969). Gründungsmitglied<br />
!ASP. Mit Gordon Brownell Miterfinder der<br />
»Positron Emission Tomographie«, PET. Begründer der<br />
endovaskulären Chirurgie für a.v.-Malformationen,<br />
entdeckte die antikonvulsive Wirkung von Diphenylhydantoin<br />
(1937) <strong>und</strong> führte 1958 osmotische Diuretika<br />
zur Behandlung des Hirnödems ein.<br />
SWS-Schlaf. Engl. Abk. für »slow wave sleep«, Langsame-Wellen-Schlaf.<br />
Sydenham, T. (1624-1689). Beschrieb die Gicht <strong>und</strong><br />
Gichtschmerzen, entdeckte die Wirkung der Chinarin-
862 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
de gegen Malaria, nach ihm wird die Chorea minor oder<br />
Veitstanz benannt (1686) Er erfand die Safranopiumtinktur<br />
(Tinctura opii crocata), eine mit Safran- <strong>und</strong><br />
Gewürznelken optisch <strong>und</strong> geschmacklich verbesserte<br />
Opiumtinktur, ein Vorläufer des ~ Brompton Cocktails.<br />
Schrieb über Opium:<br />
»Among the remedies which it has pleased<br />
Almighty God to give man to relieve bis<br />
sufferings none is so universal and so efficacious<br />
as opium«,<br />
Sympsychalgie. Schmerzexazerbation durch psychische<br />
Reize.<br />
Synalgie. Mitempfinden von Schmerzen in einem nicht<br />
erkrankten Körperteil.<br />
Synapse. Kontaktstelle zwischen Neuronen <strong>und</strong> Neuronen<br />
(interneuronale Synapsen, vgl. auch interzelluläre<br />
Informationssysteme) oder Neuronen <strong>und</strong> Nicht-Neuronen<br />
mit speziellen Organellen (Transmittervesikeln,<br />
Membrane, Rezeptoren etc.) zur (chemischen) Erregungsübertragung.<br />
Die Namengebung Synapse erfolgte<br />
durch~ Sir Charles Scott Sherrington (1897). Vgl. auch<br />
interzelluläre Informationssysteme oder Neuronen <strong>und</strong><br />
Nicht-Neuronen mit speziellen Organellen (Transmittervesikeln,<br />
Membrane, Rezeptoren etc.) zur (chemischen)<br />
Erregungsübertragung der spinalen ~ Nazitransformation.<br />
Synapsine. Proteinfamilie, die synaptische Funktionen<br />
(Transmittervesikel; Freisetzung von Neurotransmittern<br />
etc.) koreguliert. Synapsine können reversibel ~<br />
phosphoryliert bzw. moduliert werden.<br />
Synaptosom. Für biologische Untersuchungen aus<br />
homogenisiertem Tierhirn (Ratte) gewonnene Synapse<br />
bzw. Nervenendigung.<br />
Synästhesalgie. Das Auftreten von Schmerzen in der<br />
erkrankten Extremität durch Berührung der ges<strong>und</strong>en<br />
kontralateralen Extremität (Klinik der~ Kausalgie).<br />
Synästhesie. Begleitempfindung, abnorme Missempfindung<br />
eines Sinnesorganes bei Reizung eines anderen<br />
(z. B. Synalgesie, Schmerzempfindung fern vom Krankheitsherd).<br />
synergistisch. Potenzierend, Zusammenwirken von<br />
Substanzen mit Wirkungsverstärkung.<br />
Tachykinine. Biologisch aktive, weitverbreitete Peptidfamilie<br />
mit gemeinsamem C-Terminal: -Phe-X-Gly<br />
Leu-Met-NH2, zu denen die Substanz P, die Neurokinirre<br />
A (NKA) <strong>und</strong> B (NKB) gezählt wird. Die verschiedenen<br />
biologischen Wirkungen dieser Peptide werden über 3<br />
Rezeptorsubtypen, nämlich NK,-R (SP), NK 2 -R (NKA)<br />
sowie den NK 3 -R, vermittelt (s. Buch A).<br />
Tachyphylaxie. Pharmakologisch rasch auftretende<br />
Wirkungsabschwächung (s. akute Toleranz, Buch B).<br />
Tagesklinik. Zuerst in der Psychiatrie ( oberitalienische<br />
Psychiatrieschule), jetzt zunehmend auch in chirurgischen<br />
Kliniken geübte ambulante Behandlung zur<br />
Kostendeckung <strong>und</strong> zur Aufrechterhaltung der sozialen<br />
Kontakte; s. auch Spitex.<br />
tail-electric-stimulation-test. Von Caroll <strong>und</strong> Lim 1960<br />
eingeführt. Am Schwanz des Versuchstiers werden elektrisehe<br />
Elektroden befestigt <strong>und</strong> mit einer zunehmenden,<br />
standardisierten elektrischen Reizung die Anzeichen<br />
von Schmerzen (motorische Spinalreflexe, Vokalisation<br />
während <strong>und</strong> nach Reizung) beobachtet.<br />
tail-flick-test. Von d' Amour <strong>und</strong> Smith 1941 eingeführt,<br />
ein thermisch fokaler Stimulus der auf die Schwanzbasis<br />
des Versuchstiers gerichtet wird <strong>und</strong> die nach Reizung<br />
beobachtbaren Schwanzreaktion aufzeichnet<br />
( Tail-flick-Analgesimeter).<br />
taktile Hyperästhesie. Störung der Oberflächensensibilität<br />
mit Überempfindlichkeit gegenüber taktilen<br />
Stimuli, auch oft mit dysästhetischem Charakter, Berührung<br />
wird als »unangenehm« empf<strong>und</strong>en.<br />
Talalgie. Fersenbeinneuralgie.<br />
Tarsalgie. Schmerzen im Tarsus, Fusswurzel.<br />
Taxonomie. Systematische, standardisierte Klassifikation<br />
mit Beschreibung <strong>und</strong> Einteilung der klinischen<br />
Schmerzphänomene.<br />
TCI. Eng!. Abk. für »target-controlled infusion«, zielkontrollierte<br />
Infusion, das Ziel eine Plasmakonzentration<br />
X mit dem Wirkstoff optimal <strong>und</strong> konstant zu halten.<br />
Wird mit computergesteuerten Pumpen, prozessierte<br />
pharmakakinetische Daten zur optimalen Infusion,<br />
erreicht. Die TCI-Technik geht auf Arbeiten um J.<br />
Schüttler, H. Schwilden <strong>und</strong> H. Stoeckel zurück (1983).<br />
Teichopsie. »Zackensehen«, Prodromie bei Migräneattacken.<br />
Telae. Verbandgazen.<br />
TENS. Abk. für »transkutane elektrische Nervenstimulation«,<br />
daneben auch SCS, »spinal cord Stimulation«,<br />
sowie DBS, »deep brain Stimulation«, über invasive<br />
Elektrodensysteme.<br />
Tension Type Headache. Engl. Bezeichnung für ~<br />
Kopfschmerz vom Spannungstyp ~ Buch A.<br />
Teodori, Ugo (1911-1993). Gründer der modernen<br />
Horentinischen Schmerzschule. Ehrenmitglied der<br />
IASP. Mit R. Galletti zusammen »>I dolore nelle affezioni<br />
degli organi interni del torace« (Pozzi, Roma 1962).<br />
Herausgaber 1982 von«Fisiopatologia e terapie medica<br />
del dolore«(Pozzi, Roma). Lehrer von~ Paolo Procacci.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 863<br />
Tera. Abk. T, dezimales Vielfaches in der Ordnung 10 12 •<br />
terminale Krankheit. Endphase einer normalerweise<br />
tödlich verlaufenden Krankheit.<br />
Tetrodotoxin. Ein ultrapotentes Fischtoxin der Klasse<br />
Aminoperhydrochinazolin, u. a. aus dem japanischen<br />
(gastronomisch geschätzten) Kugelfisch ( ~ Fugu)<br />
gewonnen. Tetrodotoxin blockiert relativ selektiv<br />
Na+ Ionenkanäle <strong>und</strong> wird deshalb experimentell in der<br />
Rezeptorforschung eingesetzt. Tetrodotoxin wird auch<br />
in der tierexperimentellen Anästhesiologie/Schmerzforschung<br />
als ultralangwirksames Lokalanästhetikum<br />
diskutiert, »therapeutisches Fenster« minimal, s. Buch F.<br />
Teutschländer-Syndrom. Syn.: Lipoidocalcinosis progrediens,<br />
»Lipoidkalkgicht«, nach dem Heidelberger<br />
Pathologen Otto Teutschländer (1874-1950) bezeichnete<br />
Erkrankung mit schubweise auftretenden, schmerzhaften<br />
Gewebe-Nekrosen, -Kalzinosen.<br />
Teweldeberhan, Kessete (Harien/Eritrea *1946). Nach<br />
dem Abitur Ausbildung in Krankenpflege in Asmara.<br />
Ausbildung zum Anästhesiepfleger 1974-1976 Addis<br />
Abeba. Danach engagierter Leiter dieser einzigen, offiziellen<br />
1974 (durch den Autoren) gegründeten Anästhesiepflegerschule<br />
Äthiopiens, die den gesamten Landesbedarf<br />
an Anästhesiepflegepersonal liefert. Weiterbildung<br />
in Pittsburg. Wegen seiner eritreischen Abstammung<br />
im Herbst 1998 als äthiopischer Staatsbürger verhaftet<br />
<strong>und</strong> nach Eritrea deportiert.<br />
TGF-a, ß 1 ,2 Abk. für »transforming growth factor«, werden<br />
in verschiedenen Geweben <strong>und</strong> Zellen synthetisiert.<br />
Multiple Funktionen: phänotypische Transformation,<br />
embryonale Entwicklung, Zelldifferenzierung,<br />
Hormonsekretion, Immunfunktionen etc.<br />
Thalamus. Ganglienanhäufung zu beiden Seiten des 3·<br />
Ventrikels im Dienzephalon, die Verbindung mit dem<br />
Hypothalamus beschrieb 1895 William His. Der Thalamus<br />
funktioniert als eine Art Umschaltstation, indem er<br />
spinale <strong>und</strong> andere Afferenzen in die entsprechenden<br />
kortikalen Gebiete umlenkt. Endstation des Tractus spinothalamicus.<br />
Kann bei inkurablen Schmerzzuständen<br />
stereotaktisch angegangen werden. Bei Erkrankung der<br />
thalamisehen Region kann es zu schweren, zentralen<br />
Schmerzzuständen kommen, dem Schmerzsyndrom<br />
»Dejerine-Roussy« 1906, s. Buch A.<br />
Thebain. Paramorphin. C, 9 H 2 ,N0 3 , Bestandteil von ~<br />
Opium zu nur 0,2%. Das konvulsiv <strong>und</strong> ähnlich wie<br />
Strychnin toxisch wirkende Thebain kann therapeutisch<br />
nicht genutzt werden, ist aber Ausgangspunkt therapeutisch<br />
eingesetzten Opioiden wie ~ Oxycodon, ~<br />
Naloxon, ~ Nalbuphin, ~ Etorphin (s. Buch C).<br />
Theophrastus ([Tyrtamo] Eresos - 372-287 Athen).<br />
Schüler von Plato ( -428-348) <strong>und</strong> Aristoteles (384-322),<br />
Philosoph <strong>und</strong> Botaniker, er beschrieb u. a. Alraune-<br />
<strong>und</strong> Mohnsaft in seinem ausführlichen Werk über<br />
Natur- <strong>und</strong> Kulturpflanzen.<br />
Theorell, Hugo (1903-1982). Schwed. Nobelpreisträger<br />
1956, Erforschung oxidativer Enzymsysteme.<br />
therapeutische Breite (therapeutischer Index). Relation<br />
zwischen~ DL 50 <strong>und</strong>~ DE 50 • Bei gewissen Stoffen wie<br />
i.v.-Barbituraten ist sie niedrig (ca. 7), bei anderen hoch<br />
(BZ-Antagonist Flumazenil >2oo.ooo ). Die therapeutische<br />
Breite wird im Tierversuch bestimmt, speziesgegebene<br />
Eigenheiten, wie z. B. relative Absenz von tödlicher<br />
opioidinduzierbarer Atemdepression im Tierversuch,<br />
relativieren diesen Wert.<br />
therapeutisches System. Siehe A. Zaffaroni, eine arzneistoffenthaltende<br />
Vorrichtung oder Darreichungsform,<br />
die einen Arzneistoff oder mehrere in vorausbestimmter<br />
Rate kontinuierlich über einen festgelegten Zeitraum<br />
an einen festgelegten Anwendungsort abgibt<br />
(s. Buch K).<br />
Thermalgesie. Polymodal durch extreme thermische<br />
Reize ausgelöster Schmerz.<br />
Theta-Wellen. EEG: F: ca. 4-7/s. Unter Schlaf- (Kinder)<br />
<strong>und</strong> Narkosebedingungen vorkommend.<br />
Thomas, Edward (1878-1917). Brit. Literat, ließ sich mit<br />
37 Jahren noch als Freiwilliger anwerben (weil- verheirateter<br />
Vater mit 2 Kindern - er nicht abseits stehen<br />
wollte).<br />
Thoraeie-outlet -Syndrom. Nervenkam pressionsyndrom<br />
des Plexus brachialis, oft mit Kompression der<br />
subklavischen Gefässe verb<strong>und</strong>en mit verschiedenster<br />
Äthiologie: erste Rippe, M. scalenus, Tumoren, SAPHO<br />
etc.<br />
Thudichum, Johann Ludwig (1829-1901). Bedeutender<br />
dt. Forscher, gilt als Begründer der Neurochemie.<br />
Timofeev, Dimitry (Penza/Russland 1859--1915). Medizinstudium<br />
an der Universität Kasan, wo 10 Jahre später<br />
auch Lenin studierte; Embryologe <strong>und</strong> Histologe;<br />
1897-1898 in Bonn (Zusammenarbeit mit Schiefferdecker)<br />
<strong>und</strong> Tübingen (Lenhossek), beschrieb 1894 »<br />
Zur Kenntis der Nervenendigungen in den männlichen<br />
Geschlechtsorganen« <strong>und</strong> 1896 »Über eine besondere<br />
Art von eingekapselten Nervenendigungen in den<br />
männlichen Geschlechtsorganen bei Säugetieren«, die<br />
heute noch in Frankreich als das Timofeev-Organ<br />
bezeichnet werden <strong>und</strong> möglicherweise mit freien C<br />
Faserendigungen identisch sind.<br />
Tincturae. Tinkturen, dünnflüssige Wirkstoffpräparate.<br />
TIVA. Abk. für »Total(e) intravenous (intravenöse)<br />
Anaesthesia (Anästhesie)«, die gänzliche i.v.-Narkoseführung.<br />
Der Begriff wird fälschlicherweise leider oft<br />
gebraucht, wenn neben Luft/Sauerstoff/Heliumgasgemischen<br />
auch zusätzlich N 2 0 verwendet wird.
864 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
TMD. Abk. für die in Deutschland gesetzlich festgelegte<br />
Tagesmaximaldosis.<br />
TNF. Abk. für »Tumor necrosis factora. u. p«, Tumornekrosefaktor,<br />
ein von aktivierten Makrophagen <strong>und</strong><br />
Monozyten synthetisiertes Glykoprotein (MG ><br />
70.ooo.ooo) mit gegenüber Tumor- <strong>und</strong> Fremdzellen<br />
(Transplantaten) nekrotisierenden, endatoxischen<br />
Eigenschaften. Durch Lipopolysaccharide aktivierte<br />
Makrophagen setzen TNF frei. TNF-Rezeptoren sind<br />
ubiquitär, über 55.000- <strong>und</strong> 75.ooo-Rezeptoren werden<br />
multiple Reaktionen induziert (Apoptosis, Tumorzelllysis,<br />
T-Zellproliferation, Gewebenekrosen, Fieber etc.).<br />
Eine massive TNF-Freisetzung führt zu Koagulopathie,<br />
Aktivierung von Leukozyten mit Freisetzung proinflammatorischer<br />
Zytokine sowie kardiavaskulärem<br />
Schock. Die chronische Freisetzung von TNF wird mit<br />
chronischen Entzündungen, Knochenresorptionen,<br />
Anämie etc. in Verbindung gebracht. In der Rheumatologie<br />
sind Anti-TNF-Therapeutika in der klinischen<br />
Prüfung (s. BuchF<strong>und</strong> G,Antirheumatika).<br />
TNF-Rezeptor-Familie. Verwandte Rezeptoren, die<br />
immunologisch Zellproliferation <strong>und</strong> Zelltod steuern<br />
(55.000-TNF-Rezeptor, 75.000-TNF-Rezeptor, Lymphotoxinrezeptor,<br />
»Nerve growth factor receptor« etc.).<br />
Toleranz. In der Pharmakologie auch Gewöhnung, Wirkungsabschwächung.<br />
Wirkstoffe (z.B. Morphin) können<br />
nach repetierten Dosen eine akute (akute Toleranz;<br />
Tachyphylaxie) oder langsam auftretende Wirkungsabnahme<br />
aufweisen. Der Patient muss die Dosis erhöhen,<br />
um die gleiche Wirkung zu erzielen.<br />
Toller, Ernst (Samotschin bei Bromberg/preussische<br />
Provinz Posen 1893-1939 New York, Exil <strong>und</strong> Suizid).<br />
Zunächst begeisterte Teilnahme als Freiwilliger am<br />
ersten Weltkrieg, dann allmählich Pazifist (»Die Wandlung«).<br />
1917 Bekanntschaft mit Kurt Eisner. Festungshaft<br />
in Bayern wegen Beteiligung an der Münchner<br />
Räterepublik 1919-1924, während der er bedeutende<br />
dramatische Werke der dt. Literatur schuf (»Requiem<br />
den gemordeten Brüdern« 1920, »Gedichte der Gefangenen«<br />
1921 etc.). 1933 Zwangsemigration. Kommentierte<br />
in London die olympischen Spiele 1936: »Der Diktator,<br />
der den Frieden von heute preist, tut es, um den Krieg<br />
von morgen vorzubereiten.« Rastlose Tätigkeit: Pazifismus,<br />
Hilfsprojekte für die vom spanischen Bürgerkrieg<br />
betroffene Zivilbevölkerung. Nahm sich 1939 in New<br />
York aus Verzweiflung das Leben. Siehe auch Günther<br />
Weisenborn.<br />
Tourette-Syndrom. Nach dem Pariser Neurologen G.G.<br />
de la Taurette (1857-1904) benanntes seltenes Krankheitsbild,<br />
das sich u. a. mit motorischer Dysfunktion<br />
(Tics etc.) manifestiert <strong>und</strong> möglicherweise durch eine<br />
pathologische Funktion zentraler Neurotransmittersysteme<br />
bedingt ist (DA, 5-HT, NA; Opioidrezeptoren).<br />
Tourniquettest Durch Tourniquet (z. B. Blutdruckmanschette)<br />
durchführbare Prüfung von Schmerzschwellen<br />
(ischämischer Schmerz).<br />
totale Spinal- bzw. Epiduralanästhesie. In der Regel<br />
»akzidentell«, historisch gesehen aber auch therapeutisch<br />
induzierte rückenmarknahe Anästhesie im<br />
gesamten Bereich des Rückenmarks (s. Buch Kinetik).<br />
Tragusschmerz. Bei Mastoiditis etc. auftretender<br />
Schmerz der mit Borstenhaaren besetzten äußeren<br />
Gehörgangsregion.<br />
Tranquanalgesie. v. a. in Skandinavien gebräuchliches<br />
Modewort für Kombination von Analgetikum ( v. a. auch<br />
Ketamin) <strong>und</strong> Tranquilizer (v.a. Diazepam). Siehe auch<br />
-7 Ataranalgesie.<br />
Tranquilizer. Nach dem engl. »to tranquil(l)ize«, beruhigen;<br />
Syn. Ataraktika (griech. ataraxia = Seelenruhe).<br />
Hypnotikafreie Psychopharmaka im engeren<br />
Sinne, ohne antipsychotisch-antischizophrene Wirkung.<br />
Hauptgruppe: Benzodiazepine, durch Forschungsgruppen<br />
um Sternbach <strong>und</strong> Haefely (Roche)<br />
zum ersten Mal synthetisiert.<br />
Transduktion. Phys. die Umwandlung körperfremder<br />
chemischer, thermischer, mechanischer etc. Energie in<br />
eine spezifische neuronale Signalsprache.<br />
Transskription. Lat. transscribere. Molekularbiologie:<br />
die Kopie einer einsträngigen Ribonukleinsäure (RNA)<br />
entlang der Mutter-DNA innerhalb des Zellkern durch<br />
RNA-Polymerasen. Der Transskriptionsvorgang läuft<br />
an der Seite des abzulesenden DNA-Strangs. Die Transkriptionskaskade<br />
nach extrazellulärer Signalstimulation<br />
wird in der molekulären Schmerzforschung mehr<br />
<strong>und</strong> mehr als Diskussionsgr<strong>und</strong>lage für die Entstehung<br />
pathologischer chronischer Schmerzleiden diskutiert<br />
(s. Genablesung, Buch A).<br />
Transskriptionsfaktor. Zelluläres Proteinsystem, das<br />
die Transskription induziert, stimuliert <strong>und</strong> beendet (z.<br />
B. NFAT = nuclear factor of activated T-cells).<br />
Translation. Aus der Genetik übernommener Ausdruck<br />
der »Übersetzung« einer neuronalen Information ins<br />
Bewusste (Perzeption).<br />
Transmission. Die neuronale Erregungsübertragung,<br />
z.B. Nozitransmission, die neuronale Übertragung von<br />
schädlichen Signalen.<br />
Transmitter. Engl.-lat. Überträgerstoff.<br />
transplazentäre/ diaplazentäre Barriere. Folgende<br />
histologische Barrieren trennen das mütterliche vom<br />
intervillösen Blut des Feten: Synzytiotrophoblast, plazentäres<br />
Bindegewebe, fetales Kapillarendothelium<br />
(mütterlichwärts <strong>und</strong> fetalwärts), Kapillarbett im terminalen<br />
fetalen Villus.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 865<br />
Traum. Unwillkürliche seelische Tätigkeit, Phantasieerlebnisse<br />
während des Schlafs (vgl. Forschungsarbeiten<br />
z. B. von C.G. Jung).<br />
Trendelenburg, Friedrich (Berlin 1844-1924 Berlin).<br />
Bedeutender Chirurg (Rostock, Bonn, Leipzig), Sohn<br />
des Philosophen Trendelenburg (Kritiker des Hegeischen<br />
Systems). Führte 1869 Chloroformnarkosen über<br />
selbst entwickelte Tracheotomie-Tubus-Sets (bestehend<br />
aus Tubus mit Blockmanschette <strong>und</strong> Narkosetrichter)<br />
durch, erste ähnliche Versuche am Kaninchen gehen auf<br />
John --7 Snow 1858 zurück. Nach Trendelenburg wird<br />
die Trendelenburg-Lagerung (Becken-Bein-Hochlagerung<br />
beim Schock etc.) <strong>und</strong> die sog. Trendelenburg<br />
Operation, erstmals 1924 durchgeführt, benannt.<br />
Trichlorethylen. Trilene®, früher in der Anästhesie<br />
gebrauchtes flüssiges Anästhetikum mit niedriger Verdampfungsdruck.<br />
Das heute als Reinigungsmittel in der<br />
Industrie eingesetzte Trichlorethylen wird zum »Sniffling«<br />
(»Schnüffeln«) missbraucht.<br />
Triggerpunkte. Körperpunkte, die spontan oder auf<br />
Reizung, z. B. durch Druck, Schmerzen, eingeschränkte<br />
Muskeldehnbarkeit, autonome Gewebsfehlregulation<br />
etc. auslösen können. Cornelius publizierte 1926 (Thieme,<br />
Leipzig) ein Lehrbuch über »Die Nervenpunktlehre«.<br />
Triptane. Wirkstoffgruppe mit 5-HT,-agonistischer<br />
Wirkung, Migränemittel: z. B. Sumatriptan, Naratriptan,<br />
Zolmitriptan etc. (s. Buch F).<br />
Troxler, Ignaz Vitalis Paul (Münster/Luzern 1780-1866<br />
Aarau). Wird zu den führenden --7 Ärzteanthropologen<br />
gezählt. Versuchte in seiner »Anthroposophie« empirisch<br />
geistige Wirkprinzipien - als Pendant zu den<br />
materiellen Prinzipien in der Naturwissenschaft - zu<br />
erforschen. Unbequemer, »störender« <strong>und</strong> engagierter<br />
»Frühdemokrat«. Geschichtslehrer am Luzerner Lyzeum,<br />
aus politischen Gründen nach kurzer Zeit aus verschiedenen<br />
Lehraufträgen entlassen (vgl. moderne<br />
»Berufsverbote«), bis er endlich 1834-1850 eine Professur<br />
an der Universität Bern erhielt.<br />
Tyrosinkinase. Eine Rezeptordomäne (sog. ß-Einheit),<br />
die auf multiplen Rezeptoren der Wachstumsfaktoren<br />
Familie vorhanden ist. Die über diese Domäne irrduzierbaren<br />
Signaltransduktionen betreffen Effektorreaktionen<br />
der Mitogenese, Zelldifferenzierung <strong>und</strong> des<br />
Zellwachstums.<br />
Tschaikowski, Pyotr Il'yich (1840-1893; s. auch --7<br />
Pathos). Nach Ansicht moderner Musikologen soll<br />
Tschaikowksi nicht an Cholera gestorben sein ( orthodoxe<br />
Todesversion), sondern auf Druck eines zaristischen<br />
Ehrenkommitees, das ihm am 31.10.1893 seine<br />
Aufwartung machte <strong>und</strong> ihn zwang, Arsen zu nehmen.<br />
Gr<strong>und</strong> dafür waren homosexuelle Beziehungen Tschaikowskis,<br />
so zu seinem Neffen Vladimir Davidov, der seinerseits<br />
später (1906) im Hause von Tschaikowski in<br />
Klin Selbstmord verübte.<br />
Tschechow, Anton Pawlowitsch (Taganrog 1860-1904<br />
[während eines Tbc-Kuraufenthaltes in Badenweiler/<br />
Schwarzwald]). Arzt, danach bedeutenden Schriftsteller,<br />
1890 Reise nach Sachalin, 1895 »Russlands Schreckeninsel«.<br />
TST. Engl. Abk. für »thermoregulatory sweat test«, Testverfahren<br />
bezüglich des autonomen peripheren Nervensystems<br />
in Bezug auf die Sudomotorfunktion. Der<br />
Patient wird in einer Infrarotwärmekammer auf eine<br />
erhöhte Kerntemperatur aufgeheizt <strong>und</strong> hinsichtlich<br />
einer entsprechenden Schweißreaktion (Hypo/Anhidrosis<br />
bis Hyperhidrosis) im Gebiet des neuropathisch<br />
geschädigten Nerven (fokal, distal von der Schädigung,<br />
segmental, regional, global etc.) getestet. Ähnliche, aber<br />
auf einzelne Nerven gerichtete Testverfahren sind der<br />
QSART bzw. stimulierter postganglionärer Sudomotortest.<br />
Tuffier, T. (1867-1929). Frz. Chirurg, publizierte fast zeitgleich<br />
mit --7 A. Bier 1891 Arbeiten über Spinalanästhesie.<br />
Wandte 1899 intrathekales Kokain zur Schmerzlinderung<br />
bei therapieresistenden Malignomschmerzen<br />
an. Nach ihm wurde die von ihm für die lumbale Spinalpunktion<br />
vorgeschlagene Linie zwischen den Darmbeinkämmen<br />
benannt. Er betonte, dass der Wirkstoff<br />
niemals intrathekal anzubringen sei, ohne dass über die<br />
Punktionsnadel Liquor abgeflossen sei.<br />
Tuohy, E.B. Entwickelte spezielle Nadelschliffe für kontinuierliche<br />
Spinal- <strong>und</strong> Epiduralanästhesien mittels<br />
Kathetern, damals Ureterkatheter; 1944/45.<br />
Tussis. Lat. Husten, daher werden z. B. Hustenmittel als<br />
Antitussiva bezeichnet.<br />
UAW. Abk. für unerwünschte Arzneimittelwirkungen.<br />
UCS. Engl. Abk. für »unconditioned stimulus«, im<br />
Gegensatz dazu s. auch --7 CS.<br />
Ullmann, Viktor (Teschen 1898-1944 Ausschwitz). Aus<br />
großbürgerlicher Familie der Donaumonarchie stammend,<br />
Musikstudium, 1917-1918 wegen Tapferkeit an<br />
der italienischen Front zum Leutnant der Reserve<br />
geschlagen, erfasste musikalisch in seiner Oper »Der<br />
Sturz des Antichrist« (1936) die Schrecklichkeit des<br />
nationalsozialistischen Totalitarismus im Voraus. 1942<br />
ins KZ Theresienstadt zur »Arbeitsgruppe Freizeitgestaltung«<br />
überführt, wo er die Oper »Der Kaiser (Hitler)<br />
von Atlantis« zusammen mit Petr Kein, seinem Librettisten,<br />
komponierte. Beide, Ullmann <strong>und</strong> Kein, wurden<br />
1944 im KZ Auschwitz ermordet. Die Oper »Der Kaiser<br />
von Atlantis« wurde 1992 in Saarbrücken uraufgeführt.
866 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
UNFDAC. Abk. für »UN f<strong>und</strong> for drug abuse control«<br />
bzw. Internationaler Suchtstoff-Kontrollfond der UN.<br />
Unguenta. Salben, thixotrope Gele zur Anwendung von<br />
Wirkstoffen auf Haut oder Schleimhäute.<br />
Untertunnelung. Rückenmarknahe Langzeitkatheter<br />
können durch subkutane Untertunnelung in Bezug auf<br />
Fixationsqualität sowie Infektionsgefahr geschützt werden<br />
(s. ~ rückenmarknahe Techniken).<br />
UROD. Engl. Abk. für» ultrarapid opiate detoxification«,<br />
dt. ~ AINOS, s. Buch B).<br />
USP. Abk für » The United States Pharmacopeia«.<br />
Valleix-Druckpunkte. Siehe Schmerzpunkte.<br />
Vanilloidrezeptoren. Abk. VR-Rezeptoren, die Wirkstoffe<br />
wie~ Capsaicin erkennen. Subtypen: VR-R1 <strong>und</strong><br />
VR-R2 (s. Buch A).<br />
Vanzetti-Zeichen. Nach dem ital. Chirurgen T. Vanzetti<br />
(1809-1888) benannt, die reflektorisch-entlastende Skoliosehaltung<br />
beim Ischiassyndrom.<br />
Varolio, Costanzo (Bologna 1543-1575 Rom). Medizin<br />
(Anatomie) <strong>und</strong> Philosphiestudium in Bologna (1567),<br />
entwickelte neue Hirndissektionstechniken. Danach in<br />
Rom Arzt (nicht belegbar, ob er der päpstlicher Hausarzt<br />
war). Publizierte 1573: »De nervis opticis« <strong>und</strong><br />
posthum: »Anatomiae libri« (1591). Entdecker der<br />
»Pons«.<br />
VAS. Engl. Abk. für » Visual Analogue Scale«.Visuelle<br />
Analog-Skalen.<br />
Velpeau, Louis (La Breche 1795-1867). Frz. Chirurg,<br />
schrieb 1840 einen viel zitierten Unsinn: »Eviter la douleur<br />
par des moyens artificiels est une chimere!«. Velpeau<br />
- beeindruckt durch die Fortschritte der Äthernarkose<br />
- revidierte dieses Zitat aber innerhalb weniger<br />
Jahre.<br />
Ventafridda, Vittorio (*1927). Medizinstudium in Pavia<br />
mit Abschluss 1952. Weiterbildung in Anästhesiologie<br />
1953-1958 Research and Educational Hospital University<br />
of Illinois (Chicago). In Mailand Anästhesist am<br />
nationalen Krebszentrum, ab 1970 Direktor des dortigen<br />
Schmerztherapie-Rehabilitationszentrums. Mitgründer<br />
der IASP. 1984 Vater der WHO-Schmerztherapiepromotion<br />
(»Dreistufentherapie«).1987 Gründer der<br />
italienischen Gesellschaft für Palliativmedizin. 1988<br />
Gründer der »European Association for Palliative Care«<br />
(EAPC). Über 250 Publikationen über Schmerzkontrolle,<br />
Messung der Lebensqualität sowie Palliativmedizin.<br />
Vielfältige Tätigkeiten als Herausgeber, Autor etc.,<br />
Direktor des »WHO Collaborating Centre in Cancer<br />
Control and Palliative Care« (European Institute of<br />
Oncology, Milano). Präsident der italienischen Schule<br />
für Palliativmedizin.<br />
Verfügbarkeit. Bioverfügbarkeit, der Anteil eines Wirkstoffes,<br />
der am Zielorgan (Zielrezeptor) zur Verfügung<br />
steht.<br />
Verschreibungspflicht. Syn. ~ Rezeptpflicht verschreibungspflichtig.<br />
Syn. ~ rezeptpflichtig.<br />
Verteilungsvolumen. Fiktives kinetisches Volumen,<br />
Vd = Gesamtmenge des Wirkstoffs im Körper/Plasmakonzentration.<br />
Es wird unterschieden zwischen initialem<br />
Verteilungsvolumen <strong>und</strong> Verteilungsvolumen im<br />
Gleichgewicht (V dsteady state). Das Verteilungsvolumen<br />
wird wie folgt ermittelt: nach i.v.-Gabe eines radioaktiv<br />
markierten Wirkstoffs werden laufend Konzentrationsmessungen<br />
vorgenommen. Verbleibt der Wirkstoff im<br />
intravasalen Kompartiment, wird eine entsprechend<br />
hohe Konzentration gemessen. Sein Verteilungsvolumen<br />
entspricht demjenigen des Intravasalvolumens<br />
<strong>und</strong> ist extrem klein. Verteilt sich der Wirkstoff weiter<br />
auf das extrazelluläre Kompartiment (15-27%/KG bzw.<br />
ca. 15 l) oder sogar in das intrazelluläre Volumen<br />
(6oo/o/KG oder ca. 42l), wird die entsprechend i.v. oder<br />
i.a. gemessene Wirkstoffkonzentration fallen. Da das<br />
Verteilungsvolumen nur indirekt über Plasmakonzentrationsmessungen<br />
ermittelt wird, ist es »fiktiv«. So<br />
können Wirkstoffe ein Verteilungsvolumen aufweisen,<br />
das einem Mehrfachen des Körpergewichts entspricht.<br />
Dasinitiale Verteilungsvolumen (entspricht dem Intravasalvolumen)<br />
kann multipliziert werden mit der<br />
Größe der »minimalen effektiven Wirkstoffkonzentration«<br />
( ~ MEAC). Das Produkt dieser 2 Größen ergibt<br />
rein rechnerisch die sog. Sättigungsdosis (bei i.v. applizierten<br />
Wirkstoffen; D =V d * C).<br />
vertigo. Lat. Schwindel.<br />
Verum. Lat. >>das Wahre«, Gegenteil ~ Placebo, ~<br />
Nocebo.<br />
Vicq d' Azyr, Felix (1748-1794). Beschrieb zum ersten<br />
Mal den Locus coeruleus (1786).<br />
Vidianus, Guido (1500-1569). Arzt <strong>und</strong> Anatom in Florenz,<br />
Pisa <strong>und</strong> Paris. Nach ihm wird der Canalis<br />
pterygoideus (Vidianuskanal) sowie die Vidianus-Sluder-Neuralgie<br />
( Gesichtsneuralgie infolge Reizung des<br />
Ganglion pterygopalatinum) benannt.<br />
Vincent, Clois (1879-1947). Mit~ de Martel Begründer<br />
der frz. Neurochirurgie.<br />
VIP. Engl. Abk. für »vasoactive intestinal peptide«, s. ~<br />
Apudzellen.<br />
Virchow, Rudolf (1821-1902). Schüler des Sinnesphysiologen<br />
Johannes Müller (1801-1858), Begründer der Zellpathologie<br />
(Cellularpathologie 1858), lehnte allerdings<br />
Louis Pasteurs (1822-1895) revolutionäre Theorien der<br />
Keime bzw. Infektionen ab. In späteren Lebensjahren
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 867<br />
archäologische Tätigkeiten <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaft mit<br />
Schliemann (Ausgrabungen von Troya!).<br />
Viszeralneuralgie. Älterer <strong>und</strong> ungenauer Ausdruck<br />
von neuralgieformen Schmerzen aus dem Viszeralbereich.<br />
Vogt, Oscar (Husum 1870-1959). Studium der Medizin<br />
<strong>und</strong> Naturwissenschaften in Kiel <strong>und</strong> Jena mit Promoti~n<br />
in Mediz~n 1894. Klinische Ausbildung in Psychiatne,<br />
Neurologie, Neuropathologie, Hirnpathologie, Psychotherapie,<br />
Neurobiologie unter Ernst Häckel, Otto<br />
Binswanger, Theodor Ziehen (Jena), August Fore!<br />
(Zürich), PierreMarie (Paris). In Paris lernte er die 23-<br />
jä~rige Medizinstudentin Cecile --1 Mugnier kennen,<br />
m1t der ihn über 6o Jahre gemeinsamen Lebens <strong>und</strong><br />
engster wissenschaftlicher Zusammenarbeit verbinden<br />
sollte. Als 28-jähriger Gründer der privaten, eigenen<br />
»Neurologischen Zentralstation«, die 1902 der Universität<br />
Berlin angeschlossen wurde. Auf Initiative von<br />
Vogt wurde 1914 das Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung<br />
gegründet. Vogt war u. a. einer der führenden<br />
Hirnmorphelogen der Wissenschaft ( u. a. Einführung<br />
von Serienschnitten etc.). Unter anderem: 1924 in<br />
Moskau zur Untersuchung des Gehirns des am<br />
21.01.1924 verstorbenen Lenin zusammen mit --1<br />
Otfried Förster, Oswald Bumke, Klemperer, Borchardt,<br />
Nonne, Minkowski, Strümpell. Aufbau - als indirekte<br />
Konsequenz des Rapallo-Vertrages -eines sowjetischen<br />
Hirnforschungsinstitut (1926 eröffnet). Nach Hitlers<br />
Machtübernahme vom »Der Stürmer« diffamiert <strong>und</strong><br />
vom Kaiser-Wilhelm-Institut entlassen. Als Protege u. a.<br />
der Industriellen-Familie Krupp in Neustadt (Schwarzwald)<br />
privates Hirnforschungsinstitut, ab 1937 (s. oben<br />
--1 Mugnier Cecilie). »Sitz <strong>und</strong> Wesen der Krankheiten«<br />
(1937, 1938), »Thalamusstudien« (1941), »Die Sondergestaltung<br />
verschiedener Hirnbezirke« (1941), »Morphologische<br />
Gestaltungen« (1942), »Überfunktionelle <strong>und</strong><br />
genetische Harmonien« <strong>und</strong> »Die anatomische Vertiefung<br />
der menschlichen Hirnlokalisation« (1951). Viele<br />
Ehrungen so Dr. med. h.c. Universität Freiburg, Porto,<br />
Kiel, Wilna, Zürich, Jena etc. Eine Arbeitshypothese von<br />
Vogt war u. a. » Jungbleiben durch geistige Tätigkeit«. Im<br />
Vogtsehen Institut am Neustädter Denneuberg war<br />
auch damals die größte Hummel- <strong>und</strong> Laufkäfersammlung<br />
der Welt untergebracht. Nach Vogts Tod siedelte<br />
das Institut nach Düsseldorf über. Aus dem Neustädter<br />
Institut wurde eine nach Vogt benannte Fachklinik für<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie.<br />
Volkmann, Richard (Pseudonym Richard Leander,<br />
Leipzig 1830-1889 Jena). Generalarzt der preussischen<br />
Armee, Lyriker <strong>und</strong> bedeutender Märchenerzähler.<br />
Vomitio. Syn.: Vomitus (lat. ), Erbrechen. Als Vomitivum<br />
wurde früher ein Brechmittel bezeichnet. Vom Kliniker<br />
differenzierte Bezeichnungen sind u. a. Vomitus biliosus<br />
(»Galle-Erbrechen«), V. cruentus (»Bluterbrechen,<br />
Hämatemesis«), V. faeculentus oder stercoralis (»Miserere«),<br />
V. gravidarum (Schwangerschaftserbrechen), V.<br />
infantinus (Pädiatrie), V. matutinus (morgendliches<br />
Erbrechen), Vomito negro (blutiges Erbrechen bei<br />
Gelbfieber).<br />
Von der Porten, Ernst (Hamburg 1879-1940 Südfrankreich).<br />
Praktischer Arzt, Anästhesist, Pionier der<br />
modernen interdisziplinären Schmerztherapie bzw.<br />
Algesiologie (s. Buch A, Einführung). Sein Bruder P.M.<br />
war während des 1. Weltkriegs dt. Militärarzt an der<br />
Ostfront Ein andrer Bruder, Richard, fiel1916 in Russland.<br />
Seine Schwester, A.J., heiratete den Hamburger<br />
Staatsrat für Finanzdeputation Dr. Leo Lippmann,<br />
beide schieden als Verfolgte des Naziterrors 1943 aus<br />
dem Leben. Zuerst chirurgischer Medizinalassistent<br />
unter --1 Sudeck (der die »Eppendorfer Narkosemaske«<br />
entwickelte <strong>und</strong> in Deutschland die sog. N 2 0/0 2 -Narkose<br />
sowie das Kreissystem einführte). Während des 1.<br />
Weltkrieges beschäftige sich von der Porten als Sanitätsoffizier<br />
mit der Schmerztherapie, forderte Narkoseunterricht,<br />
entsprechende Fachprüfungen für Medizinstudenten,<br />
sowie eine Facharztausbildung <strong>und</strong>-titelfür<br />
Narkoseärzte. Von der Porten unternahm 1923 Studienreisen<br />
in England zur Erlernung neuer Narkoseverfahren<br />
<strong>und</strong> besuchte als einziger nichtangelsächsischer<br />
!eilneh.mer den 1. Internationalen »Narkosekongress«<br />
m Nottmgham. Treffen <strong>und</strong> Informationsaustausch mit<br />
dem amerikanischen Anästhesisten F.H. McMehan<br />
(seit 1922 Herausgeber der Zeitschrift Curr Res Anesth<br />
Analg) sowie H.M. Cohen (seit 1923 Herausgeber des Br<br />
J Anaesth). Zusammen mit dem Würzburger Ordinarius<br />
C.J. Gauß <strong>und</strong> dem Heidelberger Lehrstuhlinhaber<br />
für Pharmakologie H. Wieland gab von der Porten 1928<br />
Der Schmerz - Deutsche Zeitschrift zur Erforschung<br />
des Schmerzes <strong>und</strong> seiner Bekämpfung heraus<br />
(zugleich Zentralorgan für Narkose <strong>und</strong> Anästhesie).<br />
Diese Fachzeitschrift fusionierte mit Killians Narkose<br />
<strong>und</strong> Anästhesie 1929 zu Schmerz, Narkose <strong>und</strong><br />
Anästhesie. Aufgr<strong>und</strong> der sog. »Reichsverordnung« des<br />
Naziregimes erhielt von der Porten 1938 Berufsverbot,<br />
wurde 1939 noch im »International Directory of<br />
Anesthetists« als »Certified as specialist in anesthesia<br />
and fellow in the international college of anesthetists«<br />
erwähnt (eine Spezialistenbezeichnung, die nur 7 von<br />
damals 16 führenden deutschen »Narkose-Ärzten« teilten!).<br />
Flucht vor dem Naziterror über Belgien, interniert<br />
<strong>und</strong> nach Südfrankreich verschleppt. Dort nahm<br />
sich von der Porten zusammen mit seiner Frau Josphine,<br />
die auf beschwerlichen Umwegen zum ihm gelangt<br />
war, am 13.12.1940 das Leben. Der »Berufsverband<br />
Deutscher Anästhesisten« würdigte den Pionier durch<br />
die Stiftung der »Ernst-von-der-Porten-Medaille«<br />
(1987).<br />
Von-Frey-Haare. Nach dem Würzburger Physiologen<br />
Max von --1 Frey 1852-1921 feine Haare/Borsten, nume-
868 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
riert je nach Kraftanwendung W1 ( 0,98 mN) bis W7<br />
(221 mN), mit denen man Druckpunkte der Haut aufsuchen<br />
<strong>und</strong> sie auf Schmerzschwellenwerte untersuchen<br />
kann. In der Klinik als Pinsel verwendet zur klinischen<br />
Prüfung der Hautsensibilität<br />
Von Heyden. Schüler des Marburger Gelehrten Kolbe,<br />
entwickelte Syntheseverfahren zur billigen Großherstellung<br />
von ~ Salicylsäure <strong>und</strong> gründete 1874 bei<br />
Radeheul (Dresden) die chemischen Werke Heyden, die<br />
nach dem 2. Weltkrieg nach München <strong>und</strong> Regensburg<br />
verlegt wurden. Seit 1956 in Verbindung mit der Fa.<br />
Squibb, seit 1989 mit Bristol-Myers-Squibb.<br />
vulnus. Vulnera, die W<strong>und</strong>e(n).<br />
Vulvodynie. Chronische, dysästhetische Sensationen in<br />
der Vulvagegend (International society for the study of<br />
vulvar disease task force, 1984), multifaktoriell bedingt<br />
(z. B. zyklische Vulvovaginitis, Vestibulitis, Dermatosis,<br />
Papillomatosis etc., aber auch ))essentiell«).<br />
Wachstumsfaktoren. Syn.: Wuchsstoffe, engl. 11growth<br />
factors«, Superfamilie von Signalmolekülen, die das<br />
Zellwachstum <strong>und</strong> die Zelldifferenzierung steuern.<br />
Wadell-Tests. Unspezifische Schmerztests (Ablenkmanöver<br />
etc.) zur Differenzierung von spezifischen <strong>und</strong><br />
unspezifischen Rückenschmerzen (Wadell1980 ).<br />
Waldeyer, W. (1836-1921). Anatom, begründete die sog.<br />
Neuronentheorie, s. auch ~ Cajal/Golgi.<br />
Wall, Patrick (Nottingham *1925). Engl. Schmerzforscher,<br />
»Bachelor of Medicine« 1948. Ausbilder in Anatomie,<br />
Physiologie, Biologie (Yale, Chicago, Mass. Inst. of<br />
Technology), Anatomielehrstuhlinhaber der Universität<br />
London bis 1990. Mit ~ Melzack Erarbeitung der ~<br />
Gate-control-Theorie. Mitgründer der~ IASP. Seit 1975<br />
Herausgeber des Schmerzjournals »Pain«. Von ihm<br />
stammt:<br />
»So long as one person remains<br />
in pain and we cannot help, our knowledge<br />
of pain remains inadequate.«<br />
Wallenberg, Adolf (1862-1949). Bedeutender dt. Neurologe,<br />
erforschte u. a. die Blutversorgung des verlängerten<br />
Marks (nach ihm benannt Wallenberg-Syndrom<br />
[1895], s. ~neurogene Schmerzen, Buch A).<br />
Walthers-Ganglion. Syn.: »Ganglion impar«, auf Höhe<br />
Sakrokokkyks gelegenes Ganglion des paravertebralen<br />
Sympathikusstrangendes mit Funktion der Innervation<br />
des Beckens <strong>und</strong> Perineums. Möglicherweise involviert<br />
bei neurogenen Schmerzbildern dieser Regionen.<br />
Wang, S.C. Erforschte zusammen mit ~ Borison den<br />
Zusammenhang zwischen klinischer Nausea <strong>und</strong><br />
Erbrechen <strong>und</strong> entsprechenden Regionen des ZNS<br />
(1949, 1952), s. ~ Chemotriggerzone Area Borison <strong>und</strong><br />
Wang.<br />
Warburg, Otto Heinrich (Freiburg 1883-1970). Aus der<br />
deutschjüdischen »Warburg-Dynastie« stammend (die<br />
Warburgs waren über Italien im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert in<br />
Norddeutschland, v.a. bei »Cassel« <strong>und</strong> in »Warburg«,<br />
Zuflucht findende Ashkenazis). Chemiestudium bei<br />
Emil Fischer in Berlin <strong>und</strong> Promotion in Medizin in<br />
Heidelberg 1911. Im 1. Weltkrieg als Preussischer Kavallerist<br />
kriegsverletzt <strong>und</strong> mit dem »Eisernen Kreuz« ausgezeichnet.<br />
Forschung im Kaiser-Wilhelm-Institut<br />
(später Max-Planck-Institut) Berlin, gegenüber dem<br />
Naziregime eigentümlich blind (wahrscheinlich einziger<br />
»Warburg«, der in Deutschland verblieb <strong>und</strong> heil<br />
überlebte). 1931 Nobelpreis (Entdeckung der Atmungsenzyme),<br />
1944 2. Nobelpreisvorschlag, den er aber im<br />
politischen Umfeld Hitlers refusieren musste. Schüler<br />
von Warburg waren u. a. die Nobelpreisträger Otto<br />
Meyerhof <strong>und</strong> Hans Adolf Krebs; nach Besetzung Berlins<br />
durch die sowjetische Armee kurzer Aufenthalt in<br />
den USA, wo er sich offenbar mit seinen nächsten Verwandten<br />
zerstritt, zurück nach Berlin, wo er 1970 verstarb.<br />
Zu lesen: Sir Siegm<strong>und</strong> G. Warburg (1902-1982)<br />
11Un homme d'influence« von Jacques Attali (Fayard,<br />
Paris 1985). In diesem faszinierenden Buch wird Otto<br />
Warburg am Rande erwähnt. Zu besuchen: das 11dem<br />
guten Europäer gewidmete«, 1995 wiedereröffnete Warburg-Haus<br />
in Harnburg (Aby-Warburg-Stiftung).<br />
Wartenberg-Syndrom. Neuro!. nach dem amer. Neurologen<br />
Wartenberg (1887- 1956) benanntes Syndrom<br />
einer im Schlaf auftretenden, auf Bewegung abnehmenden<br />
Akroparästhesie im ellenseitigen Handbereich<br />
(Syn. nokturnale idiopathische Brachialgie).<br />
Waters, Ralph Milton (N Bloomfield/Ohio 1883-1979).<br />
Am. Anästhesist, Inhaber einer eigenen Privatklinik mit<br />
Tageschirurgietätigkeit, führte 1928 an der Universitätsklinik<br />
Wisconsin erste Kurse in Anästhesiologie ein.<br />
Nach ihm wird das »To-and-fro-System« benannt.<br />
Erster Lehrstuhl der Anästhesiologie in Madison 1938.<br />
Lehrer u. a. von ~ Gordh, ~ Apgar, Neff, Rovenstine<br />
etc. Waters prägte zusammen mit Rovenstine <strong>und</strong> ~<br />
Guedel die amerikanische Anästhesie in der ersten<br />
Hälfte des Jahrh<strong>und</strong>erts massgeblich.<br />
Weber-Fechner-Gesetz. Nach dem Leipziger Anatomen<br />
<strong>und</strong> Physiologen Weber 1795-1878 <strong>und</strong> G.T. Fechner -<br />
der 188o Webers Arbeiten von 1843 sowie eigene Arbeiten<br />
in einem Gesetz zusammenfasste - benannt. Das<br />
Gesetzt formuliert mathematisch den Reiz-Sinnesempfindungs-Zusammenhang.<br />
Die Änderung der Empfindungsstärke<br />
(L'l E) == logarith.-proport. Reizstärkenverhältnisse.<br />
Das Gesetz wird vielfach in seiner Gültigkeit<br />
relativiert. Eine Verbesserung bringt das Gesetz nach<br />
Stevens (1970 ): Empfindungsstärke == k * Reizstärke (in<br />
Exponentialfunktion). Anwendbar in der Schmerzfor-
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 869<br />
schung mit dem Ziel, Schmerzreize zu standardisieren<br />
<strong>und</strong> sie anderen Sinnesreizen gegenüber zu vergleichen<br />
(sog. »Cross modality matching«) - in der Hoffnung,<br />
subjektive Schmerzwahrnehmungen zu quantifizieren.<br />
Wedell, G.C. Postulierte die sog. ~ Patterntheorie<br />
(1955).<br />
Weese, Helmut (München 1897-1954). Bedeutender dt.<br />
Anästhesist <strong>und</strong> klinischer Pharmakologe, Pionier der<br />
i.v.-Narkoseeinleitung mit der Einführung von Hexobarbiton<br />
1932 (Evipan) <strong>und</strong> beim Einsatz vom Plasmaexpander.<br />
Weinstein, Tadeus (Wloclawek 1897-1996 Basel). Studium<br />
der Chemie, u. a. als Assistent von Ruzicka (ETH<br />
Zürich), ab 1946 Aufbau des Institutes für organische<br />
Chemie der Universität Basel. Synthetisierte 1933 das<br />
Vitamin C <strong>und</strong> später Nebennierenhormone (Aldosteron,<br />
Cortison). 1950 mit E.C. Kendall (»Compo<strong>und</strong> E« =<br />
Cortison) <strong>und</strong> P.S. ~ Herreh Nobelpreis in der Medizin.<br />
Weisenborn, Günther (Velbert/Rheinland 1902-1969<br />
Berlin). Studium der Germanistik <strong>und</strong> Medizin. Dramaturg<br />
in Berlin. Seine Bücher wurden 1933 verboten <strong>und</strong><br />
verbrannt. Emigration nach den USA, 1938 in den deutschen<br />
Untergr<strong>und</strong> zurück (u.a. Flugblätter für »Rote<br />
Kapelle«), 1942-1945 im Gestapogefängnis. Schrieb u. a.<br />
»Der lautlose Aufstand: Berichte über die Widerstandsbewegung<br />
des deutschen Volkes 1933-1945 (basierend auf<br />
einer von Ricarda Huch [Braunschweig 1864-1947<br />
Schönberg im Taunus, als erste Frau mit Doktorat der<br />
Philosophie, Mitgründerirr der Kleistgesellschaft <strong>und</strong><br />
1926 als erste Frau in die Preußische Akademie der<br />
Künste berufen- aus der sie 1933 demonstrativ austrat]<br />
angelegten Sammlung von Dokumenten). Mitbegründer<br />
des Hebbel-Theaters. Mitherausgeber des »Uhlenspiegels«.<br />
Weiss, Ernst (Brünn 1884-1940 Paris). Nach dem Studium<br />
der Medizin weltreisender Schiffsarzt <strong>und</strong> Schriftsteller,<br />
Flucht 1933 nach Österreich, 1938 nach Prag, 1939<br />
nach Paris. 1940 beim Einzug der deutschen Truppen<br />
bzw. der Gestapo Selbstmord.<br />
Weisse Rose. Vornehmlich aus Medizinstudenten wie<br />
Hans Scholl (Forchtenberg, später Ludwigsburg, dann<br />
Ulm 1918-1943), Sophie Scholl (1921-1943, Biologie <strong>und</strong><br />
Philosophiestudentin, Schwester von Hans), Christoph<br />
Probst (1919-1943), Alexander Schmoreil (1917-1943),<br />
Willi Graf (1918-1943) sowie dem Philosphieprofessor<br />
Karl Huber (1893-1943) gegründete Widerstandsgruppe<br />
gegen den totalitären Geist des »Dritten Reiches«. Die<br />
meisten Mitglieder erkannten progressiv, zuerst als Mitglieder<br />
der Hitlerjugend, dann als Eingezogene einer<br />
Studentenkompanie an der Ostfront den wahren Charakter<br />
des Nazitotalitarismus (z. B. Sophie, die vom Vergasen<br />
»unwerten Lebens« durch SS-Mitglieder erfuhr;<br />
Hans an der Ostfront, Massenhinrichtungen). Hans <strong>und</strong><br />
Sophie wurden vom Hausmeister der Universität, Herrn<br />
Jakob Schmid, bei einer Flugblattaktion ergriffen <strong>und</strong><br />
»ordnungsgemäss« der Gestapo übergeben. Eintägiges,<br />
nicht öffentliches »Gerichtsverfahren« unter dem<br />
eigens aus Berlin eingeflogenen » Volksgerichtspräsidenten«<br />
Roland Freisler. Hans, Sophie <strong>und</strong> Christoph<br />
wurden im Vollstreckungsgefängnis München-Stadelheim<br />
durch die Guillotine hingerichtet <strong>und</strong> heimlich<br />
auf dem Perlacher Friedhof beerdigt. Alexander, Willi<br />
<strong>und</strong> Karl Huber wurden einige Tage später verhaftet<br />
<strong>und</strong> hingerichtet. Heute u. a. »Geschwister-Scholl-Platz«<br />
vor der Ludwig-Maximilians-Universität in München.<br />
Ebenfalls seit 1980 »Geschwister-Scholl-Preis«, Preisträger<br />
bislang: Rolf Hochhuth 1980, Reiner Kunze 1981,<br />
Franz Fühmann 1982, Walter Dirks 1983, Anja Rosmus<br />
Wennirrger 1984, Jürgen Habermas 1985, Cordelia<br />
Edvardson 1986, Christa Wolf 1987, Grete Weil1988, Helmuth<br />
J. Moltke 1989, Lea Rosh/Eberhard Jäckel 1990,<br />
Georges-A. Goldschmidt 1991, Barbara Distell Wolfgang<br />
Benz 1992, Wolfgang Sofsky 1993, Heribert Prantl1994,<br />
Victor Klemperer 1995, Hans Deichmann 1996, Ernst<br />
Klee 1997 (»Auschwitz, die NS-Medizin <strong>und</strong> ihre<br />
Opfer«), Saul Friedländer 1998.<br />
Wells, Borace (Hartford/Vermont 1815-1848). Führte im<br />
Januar 1845 die analgetische Wirkung von N 2 0 zum<br />
Zahnziehen an der Harvard Medical School im Beisein<br />
von ~ Morton <strong>und</strong> ~ Charles T. Jackson vor, nachdem<br />
er bei einer öffentlichen »Lachgas-Budenshow« zu<br />
einem Eintrittspreis von 25 Cents des unbekannt gebliebenen<br />
»Prof.« Colton am 10.12.1944 den analgetischen<br />
Effekt hatte beobachten können. Der Versuch war aber<br />
ein Fiasko <strong>und</strong> Wells wurde aus dem Saal gebuht. Wells<br />
publizierte noch 1847 »A history of the discovery of the<br />
application of nitrous oxide gas, ether, and other<br />
vapours to surgical operations«, verkraftete aber seinen<br />
Misserfolg nie, gab seinen Zahnarztberuf auf <strong>und</strong> verkam<br />
regelrecht »im Sumpf«, wurde eingekerkert, nachdem<br />
er eine Prostitutierte mit Schwefelsäure attackiert<br />
hatte, <strong>und</strong> nahm sich dann das Leben durch Aufschlitzen<br />
der Femoralarterie.<br />
Weltschmerz. Sog. existentieller Pessimismus, der das<br />
seelische Leiden beschreibt, ausgelöst durch Verzweiflung,<br />
Negierung am Sinn der Welt <strong>und</strong> Resignation.<br />
Wenner-Gren, Axel Leonard (Uddevalla 1881-1961).<br />
Schwed. Industrieller (Gründer des Electrolux-Konzerns),<br />
rief die bedeutende Wenner-Gren-Fo<strong>und</strong>ation<br />
ins Leben ( ~ Zotterman).<br />
Werner, Alfred (Mülhausen/Elsass 1866-1919). Bedeutender<br />
Chemiker, Nobelpreis 1913, Arbeiten über Stereokonfigurationen.<br />
Wernicke, Carl (1848-1904). Bedeutender dt.-poln. Forscher<br />
u. a. über sensorische Aphasie, zentrale Poliomyelitis,<br />
Erkrankungen der inneren Kapsel etc.
870 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
Westphal, Alexander (1863-1941 Neurologe, Greifswald<br />
<strong>und</strong> Bonn). Siehe Edinger-Westphal-Kern.<br />
WHYMPI. Engl. Abk. für »West Haven- Yale muldidimensional<br />
pain inventory«, ein in der Schmerzpraxis<br />
eingesetztes psychometrisches Testverfahren nach Kern<br />
et al. (1985).<br />
Widal-Syndrom. Syn.: »ASS-Trias«, Acetylsäureintoleranzsyndrom,<br />
s.---? »Aspirin-induced asthma« (AIA).<br />
Wiesenfeld-Hallin, Zsuzsanna (Budapest *1946).<br />
Ungar.-schwed. Schmerzforscherin, nach Ausbildung in<br />
Physiologie in Cambridge sowie Arbeiten an der Cornell<br />
Universität Professur am ---? Karolinska Institut für<br />
»Basic and Clinical Neurophysiology«.<br />
Willer, Jean-Claude (Toulouse *1944). Medizinstudium<br />
in Paris mit Promotion 1970, danach Studium der Physiologie<br />
mit Promotion (Dr. sei es nat. 1982) unter der Leitung<br />
von---? Denise Albe-Fessard. Forschung in Nozizeption<br />
<strong>und</strong> Schmerz; zusammen mit---? Daniel LeBars Konzept<br />
der ---? DNIC. Viele internationale Ehrungen. Gegenwärtig<br />
Direktor des Instituts für Physiologie <strong>und</strong> Neurophysiologie,<br />
Chefarzt der Abt. für Neurophysiologie des<br />
Service d'Explorations Fonctionnelles Neurologiques am<br />
berühmten Krankenhaus Pitie-Salpetriere in Paris.<br />
Willstätter, Richard (1872-1942 Locarno/Exil). Eminenter<br />
dt. Chemiker in München, v. a. Erforschung von<br />
Naturstoffen, syntethisierte 1901 Atropin <strong>und</strong> 1902 das<br />
Hauptalkaloid Kokain, 1859 durch Albert Niemann<br />
rein dargestellt. Nobelpreis 1915 für Forschungen im<br />
Bereich Anthocyane <strong>und</strong> Chlorophyll. Aus Protest<br />
wegen des zunehmenden Antisemitismus an der<br />
Münchner Universität Demission 1924. Entzog sich<br />
seiner Verhaftung durch NS-Schergen durch Emigration<br />
in die Schweiz.<br />
»wind-up«-Phänomen. Mendell 1966: »Uhrmäßiges<br />
Aufziehen der nozizeptiven Vorgänge auf zentraler (---?<br />
spinaler) Ebene » (s. Buch A, s. auch ---? »preemptiveanalgesia«).<br />
Zu hoher spinaler nozizeptiver C-Input<br />
induziert über Freisetzung pronozizeptiver Neurotransmitter<br />
wie Substanz P (via NK-1 Rezeptoren) <strong>und</strong><br />
Glutamat (via NMDA-Rezeptor) eine erhöhte, tonische<br />
Exzitabilität der Zweitafferenz (erhöhte Spontanaktivität,<br />
progressive Erhöhung der evazierbaren Potentiale,<br />
Nachentladungen, Vergrößerung der rezeptiven<br />
Felder, Geninduktion etc.) im Sinne einer »spinalen<br />
Sensibilisierung« (s. auch »periphere Sensibilisierung«<br />
bzw. Mikromilieu, Buch A).<br />
Winnie, A.P. Bedeutender am. zeitg. Anästhesist. Gründer<br />
der amerikanischen Gesellschaft für Lokoregionalanästhesie<br />
1976. Entwickelte u. a. den interskalenischen<br />
Zervikalplexusblock (1975).<br />
Wintergrünöl. In der älteren Volksmedizin für rheumatische<br />
Beschwerden empfohlenes Öl, den 1843 aus der<br />
Gaultheria procumbens isolierten toxischen ---? Salicylsäuremethylester<br />
enthaltend.<br />
Wittgenstein, Ludwig Josef Johann (Wien 1989-1951<br />
Cambridge). Eminenter Denker. Repräsentant der nie<br />
mehr erreichten Blüte großbürgerlich-deutschjüdischer<br />
Kultur. Palais Wittgenstein an der früheren Alleegasse,<br />
heute: Argentinergasse, die Wittgensteins gaben musikalische<br />
Familienabende mit Brahms, Mahler, Bruno<br />
Walter, unterstützten Klimt (Portrait Madame Wittgenstein!),<br />
Moser, Rodin etc. Ludwigs Bruder Karl verlor<br />
während des 1. Weltkriegs an der Ostfront seinen rechten<br />
Arm, für ihn komponierte Maurice Ravel u. a. das<br />
»Konzert für die linke Hand«. Nach 1929 in Cambridge,<br />
nachdem er schon 1908 in Manchester Flugtechnik(!)<br />
lernte. Seit 1911 war er Protege <strong>und</strong> Gesprächspartner<br />
von Bertrand Russel, publizierte u. a. Tractus logicophilosophicus.<br />
Wittmaack-Ekbom-Syndrom. Nach dem dt. Arzt T.<br />
Wittmaack <strong>und</strong> dem schwed. Neurologen Ekbom<br />
benanntes Syndrom unklarer Genese mit v. a. nachts<br />
auftretenden schmerzhaften Dys- <strong>und</strong> Parästhesien in<br />
den Beinen.<br />
WLM. Abk. für Wood Library Museum of Anesthesiology,<br />
nach Paul M. Wood ([1894-1963) im Staate Illinois<br />
1987 gegründetes Anästhesiologie-Museum, organisierte<br />
u. a. Pavillon am Chicagoer Flughafen: »Sieg über den<br />
Schmerz« (»Conquest of Pain«).<br />
Wood, John. Miterfinder der Hohlnadel (1853). Die<br />
Erfindung der Hohlnadel sowie der Glasspritze durch<br />
Pravaz ergab die technische Voraussetzung der ---? invasiven<br />
Anwendung - engl. »circumneural application« -<br />
von Schmerzmitteln. Die Publikation im Edinburgher<br />
Chirurgie-Journal von 1985 »New method of treating<br />
neuralgia by the direct application of opiates to the<br />
painful points« stellt historisch auch die erste Publikation<br />
einer peripheren Applikationsweise von Opioiden<br />
zu analgetischen Zwecken dar.<br />
Wolfskehl, Karl (Darmstadt 1869-1948 Auckland/NZ).<br />
Alias »Schwabinger Zeus«, Lyriker um den Kreis von<br />
Stefan George, musste 1933 emigrieren.<br />
Wright. Stellte Heroin durch Semisynthese aus Morphin<br />
dar (1874).<br />
Writhing-Test. (Koster 1959) Nach i.p.-Applikation von<br />
Formalin wird die Schmerzantwort (Kontraktionen der<br />
Abdominalmuskulatur bei ausgestreckten Pfoten) aufgezeichnet<br />
(writhing, sich winden).<br />
W<strong>und</strong>erlich, K.R.A. (Sulz/Neckar 1815-1877 Leipzig).<br />
Internist, Mitbegründer einer physiologisch-orientierten<br />
Medizin. Hauptwerk: »Arbeiten über klinische<br />
Thermometrie« (1868).<br />
W<strong>und</strong>stupor. Kurzdauernde, temporäre Schmerzlosigkeit<br />
im Bereich einer W<strong>und</strong>e.
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 871<br />
W<strong>und</strong>t, Wilhelm (Neckarau 1832-1920). Nach Gymnasium<br />
in Bruchsal Medizinstudium in Tübingen ( u. a.<br />
Hirnanatomie unter Leitung seines Onkels Friedrich<br />
Arnold) mit Abschluss 1855 in Heidelberg. Nach einem<br />
Berliner Jahr ab 1857 Dozent für Physiologie in Heidetberg<br />
(Helmoltzs Assistenz). In Leipzig 1879/1880 Leiter<br />
des ersten Forschungslaboratoriums für experimentelle<br />
Psychologie, wo auch - wahrscheinlich zum ersten Mal<br />
überhaupt - psychephysikalische Apparate eingesetzt<br />
wurden.<br />
Wurzelneuralgie. Syn.: Radikulalgie, neuropathische,<br />
segmentär in entspechende Dermatome ausstrahlende<br />
Schmerzsymptomatik bei Schädigung/Reizung (hinterer)<br />
Spinalnervenwurzeln.<br />
Wüsten, Johannes (Heidelberg 1896-1942 Gollnow/<br />
Pommern). Kupferstecher, Literat. Aus politischem Protest<br />
Emigration nach Prag, dann Paris, wo er an Tuberkulose<br />
erkrankt, verarmt <strong>und</strong> der Gestapo in die Hände<br />
fiel. Vom Volksgerichtshof zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.<br />
Genaues Todesdatum unbekannt.<br />
Xenoliganden. Körperfremde Liganden, Gegenteil:<br />
Endoliganden.<br />
Xerosalgie. Schmerzverstärkung bei trockener Haut.<br />
Xerostomie. Trockenheit der M<strong>und</strong>schleimhaut bei<br />
anticholinergischer Medikation oder Opioidmedikation,<br />
die bei chronischen Schmerzzuständen den Patienten<br />
schwer beeinträchtigen kann, u. a. orale Nahrungsaufnahme<br />
wegen beeinträchtigter Schluckfunktion<br />
usw.<br />
Yaksh, Tony L. (San Angelo/Texas *1944). Bedeutender<br />
am. Schmerzforscher, 1966 Diplom der augewandten<br />
Psychologie am Georgia Institute of Technology, Doktorat<br />
in Neurobiologie. Erforschte u. a. Neurotransmitter<br />
<strong>und</strong> spinale Schmerzmodulation (Yaksh u. Rudy 1976),<br />
was zur Einführung der rückenmarksnahen Opioidapplikation,<br />
zur »selective spinal analgesia
872 <strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong><br />
oblongata, Nucleus tractus solitarii, Nucleus parabrachachialis,<br />
PAG, sowie den zirkumventrikulären Organen<br />
( ---7 Buch A).<br />
zentripetal. Zum Zentrum führend, z. B. die orthodrome<br />
neuronale Signalmeldung ist zentripetal; die antidrome<br />
neuronale Ausschüttung von Mediatoren wie<br />
Substanz P ist zentrifugal, d. h. vom Nervenganglion<br />
peripherwärts gerichtet.<br />
Zenz, Michael (Minden *1945). Direktor der Universitätsklinik<br />
für Anästhesiologie, Intensiv- <strong>und</strong> Schmerztherapie,<br />
Klinikum Bergmannsheil, Ruhr-Universität<br />
Bochum, mehrfach ausgezeichnet, vielfältige wissenschaftliche<br />
Publikationen, Mitherausgeber von<br />
Büchern.<br />
Zephalgia. Syn.: Cephalgia, Kopfschmerz.<br />
Ziliarneuralgie. Neuralgie im Bereich der Ziliarnerven,<br />
---7 Charlin-Syndrom.<br />
Zimmermann, Manfred (Herxheim bei Landau, Pfalz<br />
*1933). Prof. Dr.-Ing., Dr. med. h.c. (Universität Siena),<br />
nach Studien in Physik <strong>und</strong> Neurophysiologie (Karlsruhe,<br />
Heidelberg 1953-1964) Professur für Physiologie an<br />
der Universität Heidelberg 1973. Zahlreiche wissenschaftliche<br />
Publikationen über das ZNS, periphere <strong>und</strong><br />
zentrale Schmerzmechanismen, im besonderen Plastizität,<br />
Transskriptionsmechanismen etc .. 1973 Gründungsmitgliedder<br />
---7 IASP; Gründungsmitglied 1975/76<br />
der ---7 DGSS (urspr. Gesellschaft zum Studium des<br />
Schmerzes für Deutschland, Österreich <strong>und</strong> der<br />
Schweiz) <strong>und</strong> bis jetzt Vorstandsmitglied- unter seiner<br />
Präsidialzeit 1985-1996 Einführung von Lehreinheiten<br />
wie »Therapie chronischer Schmerzen« ins Medizinstudium,<br />
Erleichterung des ---7 BtM-Gesetzes sowie Einführung<br />
der ärztlichen Zusatzbezeichnung »Spezielle<br />
Schmerztherapie«. Gründungsmitglied der ENA (European<br />
Neuroscience Association), Gründungsvorsitzender<br />
1989-1992 der ENC (European Neuropeptide Club),<br />
vielfältige internationale Editorialaufgaben (Neuroscience<br />
Letters, Pain, Human Neurobiology, The Clinical<br />
Journal of Pain, Der Schmerz). Autor <strong>und</strong> Herausgeber<br />
des ersten deutschsprachigen Textbuches über<br />
Schmerz: »Schmerz- Konzepte <strong>und</strong> ärztliches Handeln«<br />
(<strong>Springer</strong> 1984). Viele internationale Ehrungen (u.a.<br />
Rene-Leriche-Preis), Gastprofessuren in China, Australien,<br />
Italien. Seit 1996 Präsident der »European Federation<br />
of IASP Chapters« - EFIC.<br />
Zipf, Hans Friedrich (Oberkirch/Baden 1911-1969<br />
Köln). Lehrstuhl für veterinäre Pharmakologie FU Berlin<br />
(1954-1959), danach Lehrstuhl für Pharmakologie<br />
Universität Köln (1959-1969), Pionier der sog. »Ende<br />
Anästhesie« (1953) bzw. systemische i.v.-Verabreichung<br />
von Lokalanästhetika zu Analgesie- bzw. Anästhesiezwecken<br />
( ---7 Buch F).<br />
zirkadianer Rhythmus. Syn.: 24-h-Biorhythmus.<br />
zirkumventrikuläre Organe. In unmittelbarer Nachbarschaft<br />
von Hirnventrikel befindliche, erstaunlicherweise<br />
noch sehr schlecht erforschte Organe mit alterierter<br />
Blut-Hirn-Schranke, u. a. durch fenestrierte Kapillaren.<br />
Putative Funktion: ZNS-Sensoren für ---7 zentrales autonomes<br />
Nervensystem bzw. für im Blut zirkulierende<br />
Substanzen bzw. potentielle Toxine, ---7 Chemotrigger<br />
zone Area postrema (Blutsensor für Toxine usw.), Glandula<br />
pinealis ( ca.diane Rhytmik inkl. Nozizeption-Antinozizeption),<br />
Neurohypophyse, Eminentia mediana des<br />
Hypothalamus, ---7 Organum vasculosum laminae terminalis<br />
(Blutsensor für pyrogene IL-Immunsignale ---7<br />
Buch EID).<br />
Zönästhesie Abnorme, oft bizarre, fremdartige, oft<br />
umschriebene (z. B. Eingeweidebereich), vom Patienten<br />
nicht einfühlbare Körperempfindungen - auch: Zönästhesiopathie<br />
-, die oft mit psychotischen Erkrankungen<br />
in Zusammenhang gebracht werden, aber<br />
durchaus somatischen Ursprungs sein können, z. B.<br />
neuropathische Zönästhesie bei Malignomen oder Entzündungen.<br />
Nicht zu verwechseln mit Zenästhesie =<br />
GürtelgefühL<br />
Zona algetica. »Schmerzzone«<br />
Zona ignea. Herpes zoster.<br />
Zonästhesie. »Gürtelgefühl«<br />
Zoster. Syn.: Herpes Zoster, virale, neurotrope Erkrankung<br />
- generalisiert inkl. ZNS oder regionalisiert z. B.<br />
im Bereich von Spinalnerven - mit entsprechenden<br />
Hautmanifestationen, sowie oft schweren Formen von<br />
(postherpetischen) ---7 neuropathischen Schmeren.<br />
Zotterman, Yngve Gulle (Vadstena/Oster Gottland<br />
1898-1982). In Cambridge 1925-1926 Arbeiten mit Adrian,<br />
u. a. » The impulses produced by sensory nerve<br />
endings. Part 111. Impulses set up by touch and pressure«<br />
(J. Phys. 1926; 61: 465-483.). Medizinstudium mit<br />
Abschluss 1933 am ---7 Karolinska Institut, von 1946-1965<br />
Professur für Physiologie <strong>und</strong> Pharmakologie an der<br />
Kung. Vet. Hogskolan (königl. Veterinäre Hochschule)<br />
in Stockholm. Zotterman wies spezifische nozizeptive<br />
Funktionen der A 6 - <strong>und</strong> C-Fasern nach (»Touch, pain<br />
and tickling: An electrophysiological investigation on<br />
cutaneous sensory nerves«, 1939). Später Arbeiten für<br />
die Wenner-Gren-Fo<strong>und</strong>ation in Stockholm.<br />
Zweih<strong>und</strong>ert Ärzte. Nahmen schätzungsweise an der<br />
nationalsozialistischen Medizin (Pflichtfach: Volkshygiene)<br />
teil. So wurden am anatomischen Institut der<br />
Universität Strassburg »jüdisch-bolschewistische«<br />
Schädel von KZ-Inhaftierten »wissenschaftlich« ausgemessen<br />
( ---7 Phrenologie). Die folgenden 7 Ärzte wurden<br />
am Nürnberger Gericht wegen Verbrechen an der<br />
Menschheit zu Tode verurteilt <strong>und</strong> 1948 in Landsberg
<strong>Lexikon</strong> <strong>und</strong> <strong>Glossar</strong> 873<br />
durch den Strang hingerichtet: Karl Brandt, Karl Gebhardt,<br />
Rudolf Brand, Joachim Mrugowsky, Wolfgang<br />
Sievers, Waldmar Hoven, Viktor Brack. Der Todesengel<br />
von Ausschwitz, Dr. Joseph Mengele - berüchtigt für<br />
seine »medizinische Forschung an Kindern« - wanderte<br />
unbehelligt über die Schweiz - zur gleichen Zeit<br />
beherbergte der Schweizerische Geheimdienstchef<br />
Masson Herrn Schellenberg -, wo sein Stiefsohn im<br />
mondänen Waadtländer Kurort Montreux-Territtet das<br />
Abitur machte, nach Südamerika aus.<br />
ZweikompartimentmodelL Kinetisches Denkmodell,<br />
wonach ein Wirkstoff auf 2 Körperkompartimente, ein<br />
peripheres (schlechtperf<strong>und</strong>ierte Gewebe <strong>und</strong> Organe)<br />
<strong>und</strong> ein zentrales (Intravasalvolumen, bestperf<strong>und</strong>ierte<br />
Organe wie Herz, ZNS, Leber, Nieren), verteilt wird.<br />
Nach i.v.-Applikation eines Wirkstoffes, ist ein rascher<br />
Anstieg der Wirkstoffkonzentration im bestperf<strong>und</strong>ierten<br />
Kompartiment, z. B: ZNS - entspricht der Einschlafphase<br />
bei i.v.-Bolusgabe von Barbituraten- festgestellt.<br />
Gefolgt von einem durch den Verteilungsprozess<br />
bedingten raschen Konzentrationsabfall, z. B. ZNS -<br />
entspricht der Aufwachphase bei einmaliger i.v.- Barbituratgabe-<br />
= a-Phase, sowie der gleichzeitig anlaufenden<br />
Eliminationsphase (ß-Phase). Das Zweikompartimentmodell<br />
kann mit einer biexponentiellen Kurve<br />
(Plasmakonzentration vs. Zeitachse) mit entsprechender~<br />
a-(Verteilungs-) sowie~ ß-(Eliminations )phase<br />
dargestellt werden.<br />
Zytokine. Heterogene Familie von bioaktiven Polypeptiden<br />
(Immunologie, Entzündungsprozesse), die von<br />
T-, B-Zellen, Monozyten etc. synthetisiert werden. ~lnterleukine<br />
IL, ~ Chemokine (NAP-1, NAP-2, Abk. für<br />
»neutrophil attractant protein«), MIP-1 a <strong>und</strong> ß, Abk.<br />
für »macrophage inflammatory protein«, MCAF/MCP<br />
I, Abk. für »monocyte chemotactic and activating fac-<br />
tor«/«monocyte chemoattractant protein«, MGSA, Abk.<br />
für »melanoma growth stimulating activity«, RANTES,<br />
Abk. für »regulated upon activation normal T expressed<br />
and secreted«, ~ Tumor-Nekrosis-Faktoren (TNFa<br />
<strong>und</strong> -ß), ~Interferone (INF-a,ß,y), ~ Colony-stimulating-Faktoren<br />
(G-CSF, M-CSF, GM-CSF, IL-3 etc.), ~<br />
Wachstumsfaktoren (EGF, FGF, PDGF, TGF-a <strong>und</strong> -ß,<br />
ECGF), ~ Neuropoietine (MIF, Abk. für »migration<br />
inhibitory factor«, CNTF, Abk. für »ciliary neurotrophic<br />
factor«, OM, Abk. für »human oncostatin M«, IL-6), ~<br />
Neurotrophine (BDNF, NGF, NT-3-NT-6, GDNF). Zytokine<br />
wie IL-Iß (partiell über ~ Bk,-Rezeptoren), IL-8,<br />
TNF-a haben hyperalgetische, proinflammatorische<br />
Eigenschaften, andere wiederum antiinflammatorische<br />
(z.B. IL-4, IL-10, IL-13). Zytokine funktionieren auch als<br />
»Botschafter« zwischen Immunsystem <strong>und</strong> ZNS (z.B.<br />
periphergeneriertes IL-1 induziert über den zentralen<br />
Sensor OVLT die Aktivierung der iCOX-2 bzw. eine zentrale<br />
pyrogene Reaktion (~Buch D/E).<br />
Zytokinsturm, posttraumatischer. Beim multiplen<br />
Organdysfunktionssyndrom (MODS, Abk. für »multiple<br />
organ dysfunction syndrome«, chirurgische<br />
Großeingriffe, ausgedehnte Verbrennungen, Sepsis)<br />
auftretend. Postulierte Wirkmechanismen sind: makrophageninduzierte<br />
Zytokinkaskade (TNF-a, IL-1) =><br />
Zytokine IL-6, IL-8 etc. =>Wachstumsfaktoren, Adhäsionsmoleküle,<br />
Komplementreaktionen, NO, Eikosanoide<br />
etc. mit Resultat einer entgleisten generalisierten Entzündungsreaktion<br />
mit Organversagen.<br />
Noch nie haben wir soviel gewusst ... aber<br />
sind wir dadurch weiser geworen? Vielleicht<br />
bescheidener, nachdenklicher? Dem<br />
Patienten wär's zu gönnen!.<br />
Postscripturn<br />
Das vorliegende <strong>Glossar</strong> soll informieren <strong>und</strong> irritieren.<br />
Die hier bewusst auch fremden Akzente sind in völliger<br />
Unabhängigkeit <strong>und</strong> Abgeschiedenheit gesetzt worden<br />
<strong>und</strong> so soll jegliche Kritik nur <strong>und</strong> ausschließlich den<br />
<strong>Glossar</strong>verfasser treffen.
8. Zernikow,<br />
Universität Witten/Herdecke, Datteln (Hrsg.}<br />
Schmerztherapie bei Kindern<br />
2001 . 384 5. 20 Abb., 48 Tab. Brosch.<br />
DM 59,-; sFr 52,-<br />
ISBN 3-540-67324-5<br />
Schmerztherapie bei Kindern erfordert besonderes<br />
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wurde die Erläuterung zur Tabelle weggelassen. Nachstehend finden Sie die Tabelle vollständig<br />
dargestellt.<br />
Tabelle B-3. Die Diagnosen der verschiedenen Substanzklassen<br />
Alkohol X X X X I E p p 1/E 1/E 1/E I 1/E<br />
Amphetamine X X X X I 1/E I I 1/E<br />
CannabiJ X X X<br />
Halluzinogene X X X I I• I I<br />
Inhalantien X X X I p I I I<br />
Koffein X I I<br />
Kokain X X X X I I 1/E I/E I 1/E<br />
N"akotin X X<br />
Opiate X X X X I I I I UE<br />
Phencydidine X X X I I I I<br />
Sedativa, Hyp- X X X X I E p p 1/E 1/E E I 1/E<br />
notiboder<br />
Anxiolytika<br />
Multiple Sub- X<br />
stanzen<br />
Andere X X X X I E p •p I/E UE 1/E I UE<br />
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Beachte: X, I, E, l/E oder P zeigen an, daß diese Kategorie im DSM-lV berücksichtigt wird. Zusätzlich zeigt I an, daß die Zusatzcodierung Mit Beginn<br />
Während der Intoxikation bei _dieser Kategorie (Ausnahme ist das Intoxikation~delir) ergänzt werden kann. E zeigt an, daß die Zusat~codierung Mit B_egin_n<br />
Während des Entzugs für doese Kategone (mot Ausnahme des Entzugsdehrs) verwendet werden kann. I/E zeogt an, daß beo doeser Kategone doe<br />
Zusatzcodierung Mit Beginn Während der Intoxikation oder Mit Beginn Während des Entzugs gewählt werden kann. P zeigt an, daß es sich um eine persistierende<br />
Störung handelt.<br />
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