ad marginem Nr. 78/79 - Humanwissenschaftliche Fakultät ...
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der sich bei der Buchpräsentation als „leidenschaftlicher Koch“ geoutet hat, profitiert<br />
hierbei von den Erfahrungen und Kenntnissen der Botanikerin Dagmar<br />
Wienrich, die Mitherausgeberin und -bearbeiterin ist.<br />
Nach der Straße hat Hinze in der Küche ein weiteres Zentrum der menschlichen<br />
Begegnung entdeckt: die Küche, die lange Zeit als Hauptaufenthaltsraum im<br />
Haus diente. Hier wurden nicht nur Nahrung zubereitet, Hausarbeiten erledigt,<br />
die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen, sondern auch Neuigkeiten ausgetauscht:<br />
Sog. „Küchenlieder“, die schaurige, sensationelle Geschichten von<br />
Verbrechen und unglücklicher Liebe erzählen, zeugen davon. Pflegeleichte<br />
„Einbauküchen“ seit den 1950er Jahren und die Verlagerung des Wohnungsmittelpunkts<br />
in andere (inzwischen ebenfalls beheizte) Räume haben der Küche<br />
ihre zentrale Stellung längst streitig gemacht, doch lässt sich ein Gegentrend beobachten<br />
zur geräumigen Wohnküche, in der man sich gern aufhält. Hier – so<br />
die Herausgeber – „kann vielleicht auch der Gesang, sei es beim Kochen oder<br />
nach dem Tafeln, (wieder) seinen Platz finden, zu dem das vorliegende Liederbuch<br />
anregen möchte“ (S. 6). Der Band enthält bekannte und unbekanntere, alte<br />
und neue Lieder, die nach zwölf inhaltlichen Kategorien geordnet sind; Lieder,<br />
die Speisen und Zutaten (Gemüse, Obst, Fleisch, Kräuter und Gewürze), Getränke<br />
(Wasser, Bier, Wein, Punsch, Kaffee) oder Personen (Köche, Kleingärtner,<br />
Metzger, verschiedenartigste Besucher der Küche) zum Thema haben. Dass<br />
die Küche auch ein gruseliger Ort sein kann, zeigen nicht nur die sensationellen<br />
Geschichten, die den Küchenliedern zugrunde liegen (hier die letzte Themengruppe),<br />
sondern auch Lieder über „Gift“: Da werden Zyankali, Rattengift und<br />
Tabak in einer Rubrik vereint – wer denkt da nicht an die aktuellen Diskussionen<br />
über die Schädlichkeit des Rauchens? Und das Schlaraffenland, das in einigen<br />
Liedern dargestellt wird, war eher ein jenseitiges Par<strong>ad</strong>ies und entsprach<br />
selten der Realität, die von Armut und Mangel geprägt war: So ist einleuchtend,<br />
dass im Zusammenhang leiblicher Genüsse auch Entbehrung und Hunger thematisiert<br />
werden.<br />
Das auch diesem Liederbuch beigefügte Lexikon informiert über einzelne Lieder,<br />
Liedgenres, über Kulturgeschichtliches, botanische Details, Genussmittel<br />
etc. Texte und Noten werden ergänzt und belebt durch vielerlei Illustrationen,<br />
darunter zahlreiche Fotos; einige davon zeigen den Herausgeber Hinze als „Leierkastenmann“.<br />
P.-E.<br />
Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes. Redigiert von Eva Maria<br />
Hois unter Mitarbeit von Michaela Brodl und Sepp Gmasz. Band 53/54<br />
(2004/05). Wien: Mille Tre Verlag<br />
2004 feierte das Österreichische Volksliedwerk seinen einhundertsten Geburtstag.<br />
1904 hatte das damalige k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht<br />
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