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Skript zur Vorlesung „Differentielle Psychologie“ (Prof. Dr. Jutta Stahl ...

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Weder die Autorin noch der Fachschaftsrat Psychologie übernimmt<br />

Irgendwelche Verantwortung für dieses <strong>Skript</strong>.<br />

Das <strong>Skript</strong> soll nicht die Lektüre der Prüfungsliteratur ersetzen.<br />

Verbesserungen und Korrekturen bitte an fs-psycho@uni-koeln.de mailen.<br />

Die Fachschaft dankt der Autorin im Namen aller Studierenden!<br />

Version 1.0 (2011)<br />

<strong>Skript</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> <strong>„Differentielle</strong> <strong>Psychologie“</strong><br />

(<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Jutta</strong> <strong>Stahl</strong>)<br />

Wintersemester 2010/2011<br />

verfasst von<br />

Kim K.


2<br />

1. <strong>Vorlesung</strong><br />

Jeder Mensch ist in gewisser Hinsicht...<br />

a) wie jeder andere Allgemeine Psychologie<br />

b) wie mancher andere Differentielle Psychologie<br />

c) wie kein anderer Individuelle Persönlichkeitspsychologie<br />

Persönlichkeitspsychologie ist eine empirische Wissenschaft, die sich mit überdauernden, verhaltensrelevanten<br />

individuellen Besonderheiten des Menschen befasst.<br />

Differentielle Psychologie ist eine empirische Wissenschaft, die sich mit verhaltensrelevanten interindividuellen<br />

Unterschieden des Menschen befasst.<br />

Begriffe: Merkmale, Eigenschaften, Dispositionen, Traits & States<br />

Beispiele für Persönlichkeitsmerkmale: Extraversion, Impulsivität, Intelligenz, Ängstlichkeit (Angst), Optimismus,<br />

Aggressivität, Empathie…<br />

Traits = stabile Eigenschaften, z.B. Ängstlichkeit<br />

States = vorübergehende Zustände, z.B. Angst<br />

Implizite Persönlichkeitstheorie (IPT) = intuitive Theorie, die wir über Verhaltensweisen von Menschen bilden, um<br />

uns selbst und andere zu verstehen (ohne wissenschaftliche Basis)<br />

Verhalten Warum? IPT Erklärung für Verhalten Folgen<br />

IPT scheinen zu funktionieren, um sich in der Umwelt <strong>zur</strong>echtzufinden! Aber mögliche Fehleinschätzungen aufgrund<br />

mangelnder Informationen evtl. schwerwiegende Folgen!<br />

Persönlichkeit (lat. persona, Maske)<br />

‐ Laiendefinition oft ähnlich, aber nicht identisch mit psychologischer Definition<br />

‐ Problem: Beschreibung und Erklärung in einem<br />

‐ Psychologische Definition:<br />

‐ Allport (1961): „Persönlichkeit ist die dynamische Organisation derjenigen psychophysischen Systeme im<br />

Individuum, die dessen charakteristisches Verhaltensmuster, Denken & Fühlen determinieren.“<br />

‐ Persönlichkeit ist ein Konstrukt (d.h. ein mentales Konzept), dass Verhalten durch Seele‐Körper‐Interaktion<br />

erklärt<br />

‐ Aktives, responsives System; jedoch gewisser Grad an Stabilität ( „typisch für die Person“)<br />

Ziele persönlichkeitspsychologischer Fragestellungen:<br />

‐ 1. die Suche nach der motivationalen Basis von Verhalten<br />

‐ 2. „Natur des Menschen“: Positives vs. negatives Menschenbild<br />

‐ 3. Beschreibungen bzw. Kategorisierung individuellen Verhaltens:<br />

‐ Menschen mit ähnlicher Persönlichkeit zeigen ähnliche Verhaltensmuster (Grundannahme)<br />

‐ 4. Klassifikation von Persönlichkeitstypen macht Messung der „Persönlichkeit“ erst möglich<br />

‐ Fragebogen mit vielen Items (= Frage im Fragebogen)<br />

‐ 5. Persönlichkeitsentwicklung (Veränderung der Persönlichkeit über Zeit/ Lebensalter/ Situationen): Ist<br />

Persönlichkeit veränderbar?<br />

‐ 6. tieferes Verständnis des menschlichen („normalen“) Verhaltens Interventionen (z.B. Psychotherapie),<br />

die dabei helfen, Persönlichkeitsveränderungen zu erleichtern<br />

‐ 7. Erbe (Gene) vs. Umwelt (Erziehung)<br />

Ansätze der Persönlichkeitserforschung:<br />

‐ Idiographisch vs. nomothetisch<br />

‐ Idiographisch: Individuum & dessen Persönlichkeitsvariablen; Einzigartigkeit des Individuums; Unterschiede<br />

zwischen Individuen größer als Gemeinsamkeiten;


‐ Nomothetisch: begrenzte Zahl an Eigenschaften, die Persönlichkeit beschreiben können; Gruppierungen der<br />

Individuen über Gemeinsamkeiten; Durchschnittswerte einer Eigenschaft (Normen), indem große Gruppen<br />

untersucht werden; grundlegende Basis‐Struktur der Persönlichkeit<br />

Merkmal Idiographisch Nomothetisch<br />

Strategie Einzigartigkeit des Individuums Gemeinsamkeiten verschiedener Individuen (nu<br />

Kombination von Eigenschaften ist verschieden<br />

Ziel<br />

Tiefgehendes Verständnis des Indiv Identifikation der Basisstruktur der Persönlichke<br />

mit wenigen Merkmalen eine Person beschreib<br />

können<br />

Methoden Qualitativ (single case studies) Quantitativ<br />

Datensammlung Interview, Tagebücher, Erzählungen Selbstbericht in Persönlichkeitsfragebögen<br />

Aufzeichnungen<br />

von Therapiesitzungen<br />

Vorteile Tiefes Verständnis Allgemeine Prinzipien<br />

Nachteile Keine Generalisierung Oberflächliches Verständnis einer Person<br />

‐ Von den meisten Persönlichkeitsmerkmalen nimmt man an, dass sie<br />

normalverteilt sind, d.h. bei der Erfassung eines Merkmales über die<br />

gesamte Population sollte theoretisch jede Ausprägung möglich sein<br />

‐ Die Verteilung der Ausprägungen variiert: extreme Ausprägungen sind<br />

selten wohingegen um den Mittelwert (0 +/‐ 1ơ ) 68% aller<br />

Ausprägungen liegen<br />

3 Arten von Normen nach Allport (1970)<br />

‐ 1) Universelle Normen = Vergleich mit der allg. Bevölkerung menschlicher Wesen<br />

‐ 2) Gruppen‐Normen (Population) = universelle Normen gehen fließend in Gruppen‐Normen über (typischer<br />

Jurist, typischer Intellektueller,…)<br />

‐ 3) Individuelle Normen = Vergleich der Person mit sich selbst über bestimmte Zeitpunkte (Er ist heute nicht<br />

er selbst!)<br />

Persönlichkeitsmerkmal: relativ stabil (über die Zeit), andauernd (unterschiedliche Situationen), bedeutend<br />

(grundlegend (in Sprache verankert: psycholexikalischer Ansatz))<br />

Unterscheidungen von Merkmalen:<br />

‐ Beobachtbare vs. nicht beobachtbare Aspekte der Persönlichkeit<br />

‐ Bewusste vs. unbewusste Aspekte der Persönlichkeit<br />

‐ Private und öffentliche Persönlichkeit<br />

Verhalten als Resultat von Persönlichkeit und Situation<br />

‐ Anlage („die Gene“)<br />

‐ Umwelt<br />

‐ Anlage‐Umwelt‐Interaktion<br />

Messung von Persönlichkeit<br />

‐ Fragebögen (Persönlichkeit im engeren Sinne)<br />

‐ Tests (Leistungsaspekte)<br />

‐ nicht in unqualifizierte Hände!<br />

‐ andere Methoden (Interview, Verhaltensbeobachtung…)<br />

Beurteilung/Evaluation von Persönlichkeitstheorien nach Maltby:<br />

‐ Kriterien einer Theorie (Was leistet sie?):<br />

‐ Beschreibung: Wichtige Aspekte vereinfachen, identifizieren, klären, ordnen<br />

‐ Erklärung: „Warum“ und „Wie“ des Verhaltens<br />

‐ Empirische Validität (Gültigkeit): Generalisierbarkeit der Vorhersagen<br />

‐ Prüfbarkeit der Konstrukte: Operationalisierung möglich?<br />

3


4<br />

‐ Reichhaltigkeit: vielseitige Erklärungen von normalem & anormalem Verhalten<br />

‐ Sparsamkeit: ökonomisch, genug Variablen untersuchen, aber nicht zu viele<br />

‐ heuristischer Wert: weckt Interesse und weitere Forschung mit wissenschaftlichem Inhalt<br />

‐ Anwendungswert: Theorie im Kontext; praktische Anwendbarkeit<br />

Geschichte:<br />

‐ Philosophie als „Mutter“ der Psychologie<br />

Temperamenten‐ bzw. Charakterlehre von Hippokrates (460‐377 v. Chr.):<br />

‐ Vier Persönlichkeitsstrukturen<br />

‐ 1) Choleriker: zornig, bitter, reizbar, erregbar<br />

‐ 2) Sanguiniker: lebhaft, emotiv, heiter, aktiv<br />

‐ 3) Phlegmatiker: langsam, kalt, passiv, schwerfällig<br />

‐ 4) Melancholiker: düster, pessimistisch, traurig, nachdenklich<br />

Experimentelle / naturwissenschaftliche Ära der Psychologie:<br />

‐ Helmholtz, Fechner, Darwin, Wundt, Müller: Experimentell arbeitende<br />

Psychologen (allgemeine Psychologie)<br />

‐ Galton (1822‐1911): Gründer der Forschung zu individuellen Unterschieden; interindividuelle Unterschiede<br />

und Entwicklung (Fragebögen und Test); Frage nach der Vererbung geistiger Fähigkeiten (Zwillingsforschung)<br />

‐ Stern (1871‐1938): gilt als Begründer der wissenschaftlichen Differentiellen Psychologie; Intelligenzquotient<br />

Phrenologie & Physiognomik (nach Lavater & Gall)<br />

‐ Craniometrie: Schädelvermessung liefert Schlüsse bezüglich der Gehirnform


‐ Phrenologie: Zusammenhang zwischen Schädel‐ & Gehirnform einerseits und Charakter & Geistesgaben<br />

andererseits<br />

‐ Physiognomie: persönliche Charakterzüge bzw. Eigenschaften im Gesicht über die Mimik abzulesen<br />

‐ fMRI als moderne Phrenologie?<br />

2. <strong>Vorlesung</strong>: Persönlichkeit I: Freud<br />

Inhalt: Freud<br />

‐ Biographie & Geschichte<br />

‐ Persönlichkeitsstrukturmodell<br />

‐ Menschliche Motivation und Psychoanalyse<br />

‐ Persönlichkeitsentwicklung<br />

‐ Persönlichkeitstypen<br />

‐ Abwehrmechanismen<br />

Sigmund Freud (1856 ‐1939):<br />

- Medizinstudium; Habilitation in Neuropathologie<br />

- Fall „Anna O.“ von Josef Breuer „Studien der Hysterie“<br />

- „Zur Ätiologie der Hysterie“<br />

- 1900: „Beginn“ der Psychoanalyse durch das Werk "Die Traumdeutung“<br />

- „Psychopathologie des Alltagslebens"<br />

- <strong>Dr</strong>ei „Abhandlungen <strong>zur</strong> Sexualtheorie“<br />

- "Jenseits des Lustprinzips"<br />

Fall Anna O. ‐ Bertha Pappenheim (1859 ‐ 1936): jüdische Frauenrechtlerin, erst posthum „enttarnt“ (1953)<br />

Symptome der damals so bezeichneten „Hysterie“ (heute: histrionische Persönlichkeits‐ & Konversionsstörung)<br />

- Sprachstörungen (Aphasien), Nervenschmerzen (Neuralgien), Lähmungserscheinungen (Paresen) &<br />

Taubheitserscheinungen, Sehstörungen, Stimmungsschwankungen (Angstzuständen, Depressionen,<br />

entspannte Zustände), Amnesien, Essstörungen, Veränderte Bewusstseinslagen, Dissoziative<br />

Identitätsstörungen<br />

Freuds Persönlichkeitstheorie:<br />

- Psychoanalytischer Ansatz: meisten unserer Verhaltensweisen sind von Motiven getrieben, derer wir uns<br />

nicht bewusst sind<br />

- Motive sind unbewusste Kräfte schwer, uns selbst zu kennen wir zeigen ab und zu Verhalten, das wir<br />

nicht erklären können<br />

- Theorie beinhaltet Stufen des Bewusstseins, Natur des Menschen, Quelle der menschlichen Motivation,<br />

Struktur der Persönlichkeit und Entwicklung der Persönlichkeit<br />

Persönlichkeitsstrukturmodell nach Freud:<br />

Stufen des Bewusstseins:<br />

- Bewusstsein: (Consciousness) = Gedankeninhalte sind zu jederzeit bewusst<br />

- Vorbewusstsein: (Preconsciousness) = Inhalte, die nicht unmittelbar im Bewusstsein sind. Es ist aber<br />

jederzeit möglich sie bewusst zu machen<br />

- Unbewusstes: (Unconsciousness) = Inhalte werden aktiv „<strong>zur</strong>ückgehalten“<br />

und sind auch nicht direkt „abrufbar“, weil inakzeptabel (Verdrängung =<br />

repression)<br />

Bewusstes<br />

Vorbewusstes<br />

- Übergänge zwischen Stufen sind fließend<br />

- Eisbergmetapher des Unbewussten<br />

- Zugriff auf Unbewusstes: unter Alkoholeinfluss, in Träumen, Fehlleistungen,<br />

Kunst, Neurosen/Psychosen, Rituale, Hypnose, freie Assoziation<br />

- Träume:<br />

Unbewusstes<br />

- Direkter Weg zum Unbewussten<br />

- Manifester Inhalt: Beschreibung des Traumes , die vom<br />

Träumer abgerufen werden kann (aber: Zensur durch<br />

5


Träumer, deshalb keine wahre Repräsentation des Unbewussten!)<br />

- Latenter Inhalt: wahre Bedeutung des Traumes; kann nur von geschicktem Analysten „gefunden“<br />

werden<br />

- Verschiedene Denkarten stehen in Zusammenhang mit verschiedenen Stufen des Bewusstseins:<br />

- Primäres Prozessdenken (primary process thinking): irrationale mentale Aktivität; z.B. Träume;<br />

getrieben durch Lustprinzip (pleasure principle; angeborener primitiver Instinkt) Unbewusstes<br />

- Sekundäres Prozessdenken (secondary process thinking): rationales Denken (logisch, organisiert),<br />

getrieben vom Realitätsprinzip (reality principle; erlernt) Bewusstsein & Vorbewusstsein<br />

Der „psychische Apparat“:<br />

3 Systeme (entwickeln sich in dieser Reihenfolge):<br />

Es (Id):<br />

- Elementare, nicht sozialisierte, innere motivierende Kräfte<br />

- angeborene Triebe<br />

- Psychische Grundenergie/‐motivation = Instinkte oder Impulse<br />

- Grundlegendes Prinzip: Lustprinzip (Libido)<br />

- Reduktion von innerer Spannung (Triebbefriedigung)<br />

- Reflexe, Primärprozess<br />

- Lokalisation im Unbewussten<br />

- Belohnungsaufschub nicht möglich unmittelbare Befriedigung nötig<br />

- Bsp: Nahrungsaufnahme beim Säugling, (Sexualtrieb)<br />

Ich (Ego):<br />

- Realitätsprinzip<br />

- Sekundärprozess (d.h. erlernt)<br />

- Vollstrecken (Umsetzen) der Triebe in der realen Welt (Triebreduktion)<br />

- Belohnungsaufschub möglich (Lustbefriedigung „<strong>zur</strong> richtigen Zeit“)<br />

- Hat eine exekutive Funktion in der Persönlichkeit: Vermittler zwischen Forderungen des ES &<br />

Beschränkungen der externen Welt<br />

- Lokalisation zwischen Bewusstsein & Unbewusstem<br />

- Bsp: Nahrungsaufnahme beim Erwachsenen, (Sexualtrieb)<br />

Über‐Ich (Super‐Ego):<br />

- Kind lernt durch Eltern<br />

- Internalisierung von traditionellen Werten und Idealen (Introjektion)<br />

- Um Liebe der Eltern zu erhalten ‐ den Wünschen der Eltern genügen<br />

- Perfektionsstreben statt Vergnügen<br />

- Gewissen und Ich‐Ideal (Regeln über gutes Verhalten vs. Regeln über schlechtes Verhalten)<br />

- (Selbst‐)Bestrafung bei Verletzung der Moral (Schuldgefühle, Unfälle...)<br />

- Belohnung bei regelkonformem Verhalten (Stolz)<br />

- Teile des Über‐Ichs sind unbewusst<br />

Erklärung von Abweichungen in der Persönlichkeit Konflikte<br />

- Es vs. Ich<br />

- Über‐Ich vs. Ich (z.B. moralisches Dilemma)<br />

- Über‐Ich vs. Es<br />

- z.B. durch Realitätsbeschränkungen<br />

Systeme stehen immer im Konflikt miteinander „Grundangst“ (da man immer eine Anforderung enttäuscht)<br />

Ziel eines gesunden Zustandes (Persönlichkeit): Balance zwischen den Systemen<br />

Ich‐Stärke in unterschiedlicher Ausprägung und die Auswirkungen<br />

Ungelöste Konflikte Neurosen<br />

Negatives Menschenbild Freuds (Mensch als Sklave seiner Triebe)<br />

Die menschliche Natur und Quellen der Motivation<br />

- Libido (Lustprinzip, Eros)<br />

- Interpretationen im Laufe der Jahre unterschiedlich<br />

6


- Sexualtriebe aber noch mehr, d.h. Lebenserhaltung (Fortpflanzung, Vergnügen, Hunger &<br />

Schmerzvermeidung)<br />

- Thanatos (Todestrieb)<br />

- Trieb nach Selbstzerstörung<br />

- auch zellinterne Suizidprozesse (Apoptosis)<br />

- Aggression als Folge von unterdrücktem Thanatos<br />

- Mensch = Energiesystem „Dampfkessel“<br />

- Psychohydraulisches Prinzip<br />

- nicht ausgelebte Triebe stauen sich an (im Unbewussten) & „wollen raus“ (Fehlleistungen, Träume)<br />

Mittel, Ziele und Probleme der Psychoanalyse<br />

Als Therapieform: Über das Prinzip der Katharsis: „durchspülen“, „reinigen“ Abreagieren (abreaction)<br />

- Emotionen zum Konflikt in Sitzung frei werden lassen<br />

- Zur Erlangung Verständnis des Konfliktes<br />

- Methode: Freies Assoziieren<br />

- Mögliche Folgen: Abwehr/ Widerstand<br />

- Wichtiges Prinzip: zunächst Abhängigkeit, dann Lösung vom Therapeut<br />

Übertragung (transference) = Therapeut als „Projektionsfläche“ für Klient (erwünscht!)<br />

Gegenübertragung (counter‐transference) = Klient als „Projektionsfläche“ für Therapeut (z.T. unerwünscht!) <br />

Gegenmaßnahme (Selbstanalyse & Supervision)<br />

Häufiges Vorgehen: Regression bzgl. der Phase (s. unten)<br />

Psychosexuelle Entwicklungsphasen<br />

- Instanzen (Es, Ich & Über‐Ich) bilden sich heraus<br />

- Entfaltung kindlicher & jugendlicher Sexualität<br />

- Sexuell sind Aktivitäten dann, wenn diese körperliche Lust entwickeln (nicht nur genital)<br />

- Unterschiedliche Partialtriebe (PT, einzelne Elemente der Libido) an unterschiedlichen erogenen<br />

Körperzonen<br />

- Vereinfachte Darstellung: PT1 + PT2 + … = Gesamttrieb<br />

Phasen der Entwicklung nach Freud<br />

Nicht alle der 3 Instanzen sind angeboren & entwickeln sich von 0 ‐18 Jahren:<br />

(Vorgeburtlich)<br />

Orale Phase (Ich)<br />

- 0 ‐ 1 Lebensjahr<br />

- Mund als erogene Zone (Lustgewinn und Befriedigung z.B. durch Lutschen)<br />

- Dient der Selbsterhaltung (Nahrung, etc.), aber auch unabhängig davon<br />

- Prozess vom Objekt „an mütterlicher Brust“ zum Subjekt: Unterscheidungsfähigkeit „Ich“<br />

Anale Phase (Ich)<br />

- 1.‐3. Lebensjahr<br />

- Anus als erogene Zone (Lustgewinn durch Ausscheidung; Beherrschung des Sphinktermuskels)<br />

- Sauberkeitserziehung<br />

- Aufschub von Befriedigung mit Kontrolle von triebhaften Bedürfnissen<br />

- Weiterentwicklung des „Ich“<br />

- Realitätsprinzip<br />

- (Erleben der Wechselwirkung: Ich und Umwelt)<br />

Phallische Phase (Über‐Ich)<br />

- 4.‐6. Lebensjahr<br />

- Genitale als erogene Zone: Phallus<br />

- Penisstolz (♂) vs. Penisneid (♀)<br />

- Ödipuskomplex bzw. Elektrakomplex (geschlechtsspezifisch):<br />

- ♂: Mutter als Libido‐Objekt vs. Vater als Autorität und Rivale; Lösung: Identifikation mit Vater<br />

- ♀: Vater als Libido‐Objekt (Penisneid) vs. Mutter als Rivalin; Lösung: Identifikation mit Mutter<br />

- Verdrängung des Konflikts Neurose<br />

7


8<br />

- Über‐Ich (Außenwelt Innenwelt)<br />

Latenzphase (Ich & Über‐Ich)<br />

- 6.‐12. Lebensjahr<br />

- Sublimierung von Sexual‐ und Aggressionstrieben<br />

- freigewordene Energie Umlenkung auf Wissenserwerb<br />

- Libibo: Ideen oder sachliche Objekte (Desexualisierung)<br />

- Aufhebung des Ödipuskomplexes<br />

- Ich und Über‐Ich werden „verfeinert“<br />

- Abwehrmechanismen, um Grundangst entgegenzutreten, entwickeln sich (siehe unten!)<br />

Genitale Phase (Ich & Über‐Ich)<br />

- > 13. Lebensjahr (Pubertät) bis Vollendung der Sozialisation (Ehe, Beruf…)<br />

- Von kindlicher <strong>zur</strong> „normalen“ Sexualität<br />

- Sexualtrieb nicht mehr autoerotisch, sondern auf Sexualobjekt abgezielt<br />

- Genitalzone als wichtigste erogene Zone<br />

- Zusammenwirken aller Partialtriebe<br />

- Ich und Über‐Ich<br />

Beispiele für unbearbeitete Phase:<br />

- Mangelnde Verarbeitung des Ödipuskomplex: Verdrängung Unbewusste Verarbeitung<br />

- Kastrationskomplex: Angst vor Kastration(♂) vs. Folge einer Kastration (♀)<br />

- ♂ = durch Vater Identifikation<br />

- ♀ = Akzeptanz der Penislosigkeit und Kompensation durch Wunsch nach Kind<br />

Persönlichkeitstypen nach Freud<br />

Fixierung vs. Regression<br />

- Phasenübergang wichtig für Persönlichkeitsentwicklung Einfluss auf Verhaltensweisen<br />

- Zu wenig Lustgewinn in einer Phase Fixierung („Verbleiben in der Phase“)<br />

- Zu viel Lustgewinn in einer Phase Regression („Zurückfallen in eine Phase“)<br />

- Prägung der Persönlichkeitstypen nach Freud<br />

Orale Persönlichkeit<br />

- Fixierung in oraler Phase<br />

- Eigenschaften: still, selbstbezogen/narzistisch, eifersüchtig, aufbrausend, keine Wahrnehmung anderer (nur<br />

deren „Fütterungsnutzen“)<br />

- Ursache: Nicht genug „gefüttert“ oder zu viel<br />

- Suche nach oraler Stimulation: Rauchen, Alkohol, Kaugummi…<br />

- Neurosenbild: schizoid, depressiv<br />

Anale Persönlichkeit<br />

- Fixierung in analer Phase:<br />

- Anal‐retentiv (Fixierung): ordentlich, sparsam, geizig, trotzig, pedantisch, ehrgeizig, nach Macht &<br />

Kontrolle, streben, beschäftigt sich entweder mit Zustimmung oder Ablehnung<br />

- Ursache: Misslungenes Sauberkeitstraining<br />

- Neurosenbild: zwanghaft<br />

- Regression in analer Phase:<br />

- Anal‐expulsiv (grausam, selbstbewusst, künstlerisch, rebellisch, sorgenfrei… )<br />

Phallischer Charakter<br />

- Frauen: naiv, exhibitionistisch, kokett, verführerisch<br />

- Männer: kämpferisch, freiheitsdurstig, rücksichtslos, exhibitionistisch, Betonung der Männlichkeit<br />

- Ursache: Misslungene Lösung des Ödipus‐/Elektrakomplexes<br />

- Neurosenbild: hysterisch


9<br />

Abwehrmechanismen<br />

- Verzerrung der Realität, um das Ich vor schmerzlichen Erfahrungen zu schützen, die vom Es kommen<br />

- Dauerhafte Präferenzen für bestimmte Mechanismen als Teil der Persönlichkeit<br />

- 1. Verdrängung<br />

- 2. Reaktionsbildung<br />

- 3. Verleugnung<br />

- 4. Projektion<br />

- 5. Verschiebung<br />

- 6. Sublimierung<br />

- 7. Regression<br />

- 8. Rationalisierung<br />

Verdrängung (repression)<br />

- bedrohliche oder unerwünschte Gedanken/ Triebimpulse werden ins Unbewusste geschoben & können<br />

nicht mehr erinnert werden<br />

- Bsp.: Erinnerung an Mordfall nach 21 Jahren<br />

- Belege für Verdrängungen: posttraumatische Belastungen, Flashbacks von Kriegsveteranen,<br />

Vergewaltigungsopfer<br />

- Problem der falschen Erinnerungen<br />

- Nach Freud: kaum Missbrauch durch Eltern; „nur Fantasie“ (Ödipus/Elektra)<br />

Reaktionsbildung<br />

- Prozess, bei dem Handlungen & Denkweisen übermäßig betont werden, die genau entgegengesetzt zu den<br />

bedrohlichen/unbewussten Impulsen des Individuums stehen<br />

- Bsp.: Homophobe Aktivitäten, aber unbewusste homosexuelle Neigungen; Monica von Friends (nach außen<br />

hin übertrieben ordentlich, hat aber verschlossenen, unordentlichen Schrank)<br />

- Belege: Untersuchung <strong>zur</strong> Homophobie (Adams et al., 1996)<br />

- Im Extremfall kann dies zu Zwangsneurosen führen<br />

Verleugnung<br />

- Strikte Weigerung, Angst erregende Stimuli anzunehmen;<br />

- unerwünschte Tatsachen werden durch Wunschvorstellungen ersetzt<br />

- Bsp.: 11. September 2001 (vermisste Leichen); Amnesie nach Trauma<br />

- Schmerzlosigkeit nach schweren Verletzungen<br />

- Schutzmechanismus<br />

Projektion<br />

- Angst auslösende Impulse werden auf andere externalisiert (Zuschreibung auf andere Personen)<br />

- Bsp.: Vorwurf Freundin sei in verheirateten Mann verliebt, obwohl sie es selber ist….<br />

- Belege z.T. aus Vorurteilsforschung<br />

- Im Extremfall kann dies zu Paranoia führen<br />

Verschiebung<br />

- Triebimpulse, die nicht am Original befriedigt werden können, werden bei anderen befriedigt<br />

- „Verlagerung des Ziels der eigenen unbewussten Ängste oder Wünsche“


10<br />

- Bsp.: seinen Hund treten – wenn eigentlich der Chef gemeint ist<br />

- Kann zu Einschränkungen in zwischenmenschlichen Beziehungen führen<br />

Sublimierung<br />

- bedrohliche Triebimpulse werden in positive, sozial akzeptierte Motive gewandelt<br />

- Bsp.: Kunst, Wissenschaft, Sexuelle Revolution = Untergang der Kreativität?!;<br />

Regression<br />

- Rückzug auf eine frühere sichere psychosexuelle Phase des Lebens<br />

- Bsp.: Schulkind zeigt kleinkindliches Verhalten; Kind, das schon <strong>zur</strong> Toilette ging, wird wieder zum<br />

Bettnässer, wenn es Geschwister bekommt; in Urlaub fahren<br />

Rationalisierung<br />

- Verhalten, welches durch unbewusste bedrohliche Triebimpulse hervorgerufen wurde, wird im Nachhinein<br />

logisch erklärt, anstatt sich mit den Ängsten auseinander zu setzen<br />

- Bsp.: Umzug wegen Partner/in andere Stadt: „das mache ich nicht aus Liebe, sondern weil es für meine<br />

berufliche Entwicklung wichtig ist“; nachdem man Job, den man haben wollte, nicht bekommen hat, redet<br />

man ihn schlecht<br />

- unlogisches Verhalten<br />

- hilft uns dabei, unser Gesicht zu wahren & unseren Selbstwert zu schützen & macht so erneute Versuche<br />

möglich<br />

Evaluation der Theorie von Freud:<br />

- Beschreibung: keine qualitativ guten Daten (Validität?); revidierte viele seiner Theorien ( schwer zu<br />

folgen); beschrieb große Bandbreite an Phänomenen; Konzepte & Theorien zwar gut erklärt, jedoch nur auf<br />

Basis von Beobachtungen neurotischer Menschen entwickelt; Komplexität des menschlichen Verhaltens<br />

angesprochen; Originalität? (viele Ideen wurden nur von ihm popularisiert!)<br />

- Erklärung: einige vage Aussagen darüber, was für gesunde Entwicklung nötig ist; Gründe für pathologische<br />

Entwicklung werden besser erklärt; zu große Betonung auf Sexualtrieben; Abwehrmechanismen: wichtigster<br />

Beitrag Freuds; tautologisch!!!; reduktionistische Sichtweise<br />

- Empirische Validität (Gültigkeit): wissenschaftstheoretisch fragwürdige Methodik<br />

- Prüfbarkeit der Konstrukte: einige Konstrukte konnten operationalisiert werden (hier konnten auch Belege<br />

für Freuds Theorien gefunden werden), andere Konstrukte waren nicht zu operationalisieren & müssen<br />

erneuert bzw. verändert werden<br />

- Reichhaltigkeit: recht breite Theorie; beschreibt normales & anormales Verhalten<br />

- Sparsamkeit: recht sparsam; allerdings nicht bei Erklärung der motivationalen Basis von Verhalten (nur<br />

sexuelle & aggressive Instinkte als ursächliche Motive allen Verhaltens zu wenig, um Komplexität des<br />

menschlichen Verhaltens zu erklären)<br />

- heuristischer Wert: erfuhr große Resonanz; auch heute noch viele Debatten & Forschung; stellte neue,<br />

aufregende Ideen vor; viele neue Therapieansätze auf Basis seiner Theorie; beeinflusste sogar Literatur &<br />

Kunst<br />

- Anwendungswert: große Fortschritte in Behandlungsmethoden (Freuds Theorie als Basis für viele Ansätze <br />

noch heute sehr bedeutsam); jedoch starke Modifikationen von der Psychoanalyse nach Freud; bezieht<br />

Umwelt nicht mit ein; sehr pessimistische, einseitige Sichtweise der menschlichen Natur<br />

3. <strong>Vorlesung</strong>: Persönlichkeit II: Freud, Adler, Jung<br />

Alfred Adler (1870‐1937)<br />

‐ Zweitgeborener von 6 Kindern, leidete an Rachitis und erlebte 2 Unfälle; Medizinstudium<br />

‐ 1902: erste Begegnung mit Sigmund Freud<br />

‐ 1907: „Studie über die Minderwertigkeit von Organen“<br />

‐ 1911: Bruch mit Freud & Austritt aus der „Psychoanalytischen Vereinigung“; gründet den „Verein für freie<br />

Psychoanalyse“, später Umbenennung in „Individualpsychologie“<br />

‐ 1912: „Über den nervösen Charakter“<br />

‐ 1934: Übersiedlung in die USA


Wie kam es zum Bruch mit Freud?<br />

‐ zu negatives/deterministisches Menschenbild von Freud<br />

‐ Adler: Beschäftigung mit vorbeugenden Maßnahmen, um Persönlichkeitsstörungen zu vermeiden (Freud<br />

nahm an, dass alle Menschen Neurosen haben)<br />

‐ sehr unterschiedliche Einstellung <strong>zur</strong> menschlichen Motivation<br />

‐ Nach Adler: Motivation ist einzigartig, d.h. individuell; es besteht nicht rein sexuelle (libidinöse) Motivation;<br />

auch Teil des sozialen Kontexts (v.a. Familie: Geschwisterreihung)<br />

‐ Dominante Persönlichkeit von Freud<br />

Der Minderwertigkeitskomplex (inferiority complex)<br />

‐ Nur eine Motivation: Mensch strebt nach Überlegenheit (Perfektionismus)<br />

‐ kann bei Nicht‐Erreichen dazu führen, dass man sich minderwertig fühlt<br />

‐ kann somatische und/oder psychische Ursachen haben (z.B. Organschwäche, anderes Handicap,…)<br />

‐ Kompensation u.a. durch:<br />

‐ Verstecken der Minderwertigkeit (z.B. Rückzug)<br />

‐ Überdecken der Minderwertigkeit (z.B. Überheblichkeit, Arroganz & Prahlerei…)<br />

‐ das kann wiederum <strong>zur</strong> Ablehnung führen (Teufelskreis)<br />

Lebensstil<br />

‐ gleichmäßige, zielgerichtete Bestrebung<br />

‐ individuelle Auseinandersetzung in der frühen Kindheit mit den angeborenen Anlagen & den<br />

umweltbedingten Anforderungen des Lebens; entsteht in den ersten 4‐5 Jahren der Kindheit<br />

‐ wie wir unsere Minderwertigkeit angehen, bestimmt unseren Lebensstil (Einstellung, die unser gesamtes<br />

Verhalten leitet)<br />

‐ Aspekte, die Lebensstil beeinflussen:<br />

‐ Grad: je stärker das Minderwertigkeitsgefühl, desto stärker der <strong>Dr</strong>ang <strong>zur</strong> Kompensation<br />

‐ Bereich: worin sie Minderwertigkeitsgefühle erleben<br />

‐ Mittel: akzeptierte Mittel einsetzen oder nicht<br />

‐ Nur akzeptierte Mittel führen auf Dauer zu einem integrierten Lebensstil<br />

‐ Wenn ein Lebensstil ausgebildet worden ist, wird das Lernen aus neuen Erfahrungen erschwert (Stil wirkt<br />

wie ein Filter)<br />

‐ Neurotischer Lebensstil: Kind hat seine Umwelt verzerrt wahrgenommen oder fehlinterpretiert<br />

‐ 3 grundlegende Anliegen, mit denen man sich beschäftigen muss: Arbeit, Freundschaft und Liebe<br />

Aspekte von Adlers Theorie<br />

‐ Aggressionstrieb:<br />

‐ umgewandelter Trieb<br />

‐ Reaktion auf Hilflosigkeit oder Minderwertigkeit<br />

‐ Männlicher Protest:<br />

‐ Versuch eines Individuums, kompetent & unabhängig zu sein<br />

‐ Handeln, als wäre man überlegen (superior), um Minderwertigkeit zu kompensieren<br />

‐ gilt für beide Geschlechter<br />

‐ Weigerung des Individuums, das Stereotyp der weiblichen Rolle (Schwäche) anzunehmen<br />

‐ Weiblicher Protest:<br />

‐ Wenn typisch weibliche Verhaltensweisen im sozialen Umfeld als erstrebenswert gelten, werden besonders<br />

diese Eigenschaften angeeignet (Kulturabhängig)<br />

‐ Teleologie:<br />

‐ Ziel der Überlegenheit (superiority oder mastery) als Motivation dafür, unser Potential in jedem Abschnitt<br />

unseres Lebens zu optimieren (zielorientiertes Handeln Maximierung des eigenen Potentials)<br />

‐ Fiktives Ziel (kann nie vollständig erreicht werden)<br />

‐ ↔ Determinismus (Freud): Verhalten kann nicht frei gezeigt werden, sondern ist das Resultat anderer<br />

Ereignisse<br />

Geburtenfolge und Entwicklung der Persönlichkeit<br />

‐ Erstes Kind:<br />

11


‐ zunächst Einzelkind, dann kommt „Konkurrent“ (Prinzip „entthronter Monarch“), ab dann muss es Vorbild<br />

sein<br />

‐ versteht Wichtigkeit von Macht und Autorität am besten, da es sie erfahren & verloren hat<br />

‐ leistungs‐ und machtorientiert, pflichtbewusst, konservativ, unterstützen Autorität, behalten Status quo bei,<br />

hervorragend in intellektuellen Aktivitäten<br />

‐ Zweites Kind:<br />

‐ Rivalität zum 1. („überrunden“ wollen)<br />

‐ Entwicklung abhängig von Behandlung durch Älteren<br />

‐ Wenn dieser unterstützend ist, ist gesunde Entwicklung wahrscheinlicher<br />

‐ Minderwertigkeitsgefühl<br />

‐ schwaches Selbstbewusstsein mit unrealistischen Zielen (wenn sie scheitern, enttäuschen sie den Älteren<br />

nicht), hohe Erwartungen an sich selbst<br />

12<br />

‐ Jüngstes Kind:<br />

‐ Verwöhntes Nesthäkchen, erhält viel Aufmerksamkeit<br />

‐ erlebt <strong>Dr</strong>uck, muss auf allen Gebieten erfolgreich sein<br />

‐ später kreativ, rebellisch aber immer Bedürfnis nach Lob & Einzigartigkeit<br />

‐ Einzelkind:<br />

‐ Extrem verwöhntes Nesthäkchen<br />

‐ ohne <strong>Dr</strong>uck von bzw. Verantwortung für Geschwister<br />

‐ nicht kritikfähig, hohes Bedürfnis nach Beifall, intellektuell begabt<br />

‐ Dabei ist nicht die Geburtenfolge selbst, sondern die damit verbundene unterschiedliche Motivation<br />

entscheidend<br />

Persönlichkeitstypologie nach Adler<br />

‐ 2 Dimensionen: Energie (aktiv, passiv) & Sozial/emotional (sozial, unsozial)<br />

‐ Daraus resultierende Typologie (vgl. Hippokrates)<br />

‐ Herrschender Typ (Choleriker): aktiv & unsozial<br />

‐ Mangelndes soziales Interesse, dominierend , Wunsch nach Macht, Überlegenheit, andere <strong>zur</strong> eigenen<br />

Zielerreichung benutzen, emotional manipulativ, tyrannisch<br />

‐ Bsp.: <strong>Dr</strong>ogensüchtige, jugendliche Delinquenten, erfolgreiche Personen<br />

‐ Vermeidender Typ (Melancholiker): passiv & unsozial<br />

‐ Keine Vertrauen eigene Probleme lösen zu können, Verleugnen, Probleme behandeln, als existierten sie<br />

nicht (Vogelstrauß‐Taktik: Kopf in den Sand stecken), Schuld auf andere schieben<br />

‐ Annehmender Typ (Phlegmatiker): passiv & sozial<br />

‐ Passiv, machen nichts selber, um ihre Probleme zu lösen, Parasitär (sehr ungesund), da sie andere mit ihrem<br />

Charme dazu bringen, Dinge für sie zu erledigen<br />

‐ Sozial nützlicher Typ (Sanguiniker): aktiv & sozial<br />

‐ Zuversichtlich, problemlösend, positives soziales Interesse (social interest), kooperativ, für andere nützlich,<br />

hilft anderen (sehr gesund)<br />

Evaluation der Theorie von Adler:<br />

‐ Beschreibung: gute Beschreibung der Persönlichkeitsentwicklung, normalen & anormalen Verhaltens<br />

‐ Erklärung: gute & einfache Erklärungen von Überlegenheit & Minderwertigkeit, Einfluss von Eltern &<br />

Geschwistern, Eltern‐Kind‐Interaktionen; aber nicht sehr detailliert bei Entwicklung & Psychopathologie<br />

‐ Empirische Validität (Gültigkeit) & Prüfbarkeit der Konstrukte: Lebensstil, soziales Interesse & Kooperation<br />

messbar; einige Belege für Geburtenfolge‐Effekte<br />

‐ Reichhaltigkeit: sehr reichhaltig; aber (wie Freud) nur ein (zu wenig!) Motiv für Verhalten (soziales Interesse)<br />

‐ Sparsamkeit: sehr globale Theorie; wenig Konstrukte, sehr generelle & unpräzise Anwendung dieser<br />

‐ heuristischer Wert: Wichtigkeit des Selbst, frühe humanistische Theorie (ihm folgten Maslow & Rogers)<br />

‐ Anwendungswert: effektive Elternschulungen; frühe Interventionen (schon im Kindesalter); Therapiekonzept<br />

Carl Gustav Jung (1875‐1961)<br />

‐ Ab 1906 Briefwechsel mit Freud; 1909 gemeinsame Reise in USA zu einer <strong>Vorlesung</strong>sreihe


13<br />

‐ 1910: wird erster Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft<br />

‐ 1913 wird die Korrespondenz mit Freud langsam eingestellt<br />

‐ 1914: tritt von seiner Präsidentschaft <strong>zur</strong>ück & kündigt seine Mitgliedschaft<br />

Unterschiede zwischen Jung & Freud<br />

Jung<br />

Verhalten Folge von individueller Geschichte & seiner<br />

„Stammesgeschichte“<br />

(schöpferische) Entwicklung, Suche nach Ganzheit &<br />

Vollkommenheit, Sehnsucht nach Wiedergeburt<br />

Freud<br />

Ursprünge der Persönlichkeit & des Verhaltens liegen in d<br />

Kindheit<br />

Endlose Wiederholung der Triebproblematik (bis zum<br />

unausweichlichen Tod)<br />

Bedeutung der Menschheitsgeschichte für Jung<br />

‐ individuelle Persönlichkeit als Ergebnis & Behältnis der Ahnengeschichte<br />

‐ jeder Mensch wird mit Prädispositionen geboren, die ihm von seinen Vorfahren vermacht wurden<br />

‐ Steuert Selektion der Erfahrungen – Prägung der Wahrnehmungen<br />

‐ Wechselwirkung zwischen Prädispositionen (durch Erfahrungen früherer Generationen) & eigenen<br />

Erfahrungen<br />

Struktur der Persönlichkeit nach Jung<br />

‐ Psyche als komplexes Netzwerk entgegengesetzter Kräfte, in dem das Ziel der Entwicklung darin besteht,<br />

Harmonie zwischen den Strukturen der Persönlichkeit herzustellen<br />

‐ Aus Konflikten zwischen Kräften entsteht Lebensenergie (life‐process energy; vergleichbar mit Freuds Libido<br />

als psychischer Kraft, aber in weiterem Sinne, nicht nur sexuelle & aggressive Triebe) Prinzip der<br />

Gegensätze<br />

‐ Ich (Bewusstsein) = bewusste Wahrnehmungen, Erinnerungen,<br />

Gedanken & Gefühle; Zentrum des Bewusstseins; vermittelt inneres<br />

Gefühl der eigenen Persönlichkeit<br />

‐ Persönliches Unbewusstes = Elemente innerhalb des persönlichen<br />

Unbewussten = „Komplex“; Kernelement wirkt wie ein Magnet;<br />

Komplexe können Ich kontrollieren; beinhalten persönliche<br />

Erfahrungen, die dem Bewusstsein vorenthalten bleiben, da sie<br />

inakzeptabel sind (vgl. Freud: Unbewusstes)<br />

‐ Kollektives Unbewusstes = Erfahrungen der früheren Generationen<br />

‐ Sammlung der „Stammesgeschichte“ (nicht nur menschliche, sondern auch vormenschliche Evolution)<br />

‐ losgelöst von persönlichen Erinnerungen beinhaltet es Erfahrungen, die ganze Generationen von Menschen<br />

vor uns gemacht haben jeder Mensch hat das gleiche kollektive Unbewusste (angeboren)<br />

Archetypen im kollektiven Unbewussten<br />

‐ „Uridee“ innerhalb des kollektiven Unbewussten, die eine bestimmte Bildvorstellung erzeugt<br />

‐ Entstehen durch wiederkehrende, einschneidende Erfahrungen der Menschen/‐heit<br />

‐ prägen das Erleben dieser Ereignisse & werden wiederum von diesen beeinflusst<br />

‐ Entstanden aus Beobachtungen fremder Kulturen, Film, Literatur …<br />

Die Persona (lat. Maske)<br />

‐ nach außen getragene Seite der Persönlichkeit, die sich nach den gesellschaftlichen Konventionen & nach<br />

der Rolle, die von einer Person erwartet wird, ausrichtet; für jede Rolle haben wir eine Persona<br />

‐ Gefahr der Scheinpersönlichkeit & Stereotypisierungen<br />

‐ Entstanden aus dem Archetyp der Notwendigkeit sozialer Beziehungen<br />

Die Anima und der Animus<br />

‐ Anima = feminine Seite der männlichen Persönlichkeit<br />

‐ Animus = maskuline Seite der weiblichen Persönlichkeit<br />

‐ Durch Zusammenleben von Männern & Frauen wechselseitig geprägt<br />

‐ ermöglicht Verständnis für anderes Geschlecht, kann aber auch für Missverständnisse sorgen, da diese<br />

Archetypen sehr stark das darstellen, was wir als „stereotpyisches“ Männer‐ oder Frauenbild sehen


14<br />

Der Schatten<br />

‐ Tierische Instinkte, die sich im Laufe der Evolution im Menschen erhalten haben („animalische“ Seite des<br />

Menschen)<br />

‐ Archetypus für die Vorstellung der Ursünde<br />

‐ Besteht aus Material, das Repression im Unbewussten hält; wir sind uns dessen nie ganz bewusst (zu<br />

angsteinflößend, unser Potential, Böses zu tun, zu kennen)<br />

‐ Aber auch diese leidenschaftlichen, instinktiven Komponenten gehören zum Charakter des Menschen!<br />

Das Selbst<br />

‐ Archetypus für das Streben des Menschen nach Einheit, nach dem Ganzen<br />

‐ Selbst ist das Ziel des Lebens, nach dem die Menschen ständig streben<br />

‐ Selbst kann erst entstehen, wenn die anderen Komponenten der<br />

Persönlichkeit voll entwickelt sind<br />

‐ zwischen Bewusstsein & Unbewusstem<br />

8 Persönlichkeitstypen aus 4 Grundfunktionen (Denken, Fühlen, Empfinden,<br />

Intuieren) und 2 Einstellungsformen (extravertiert vs. introvertiert):<br />

Denken<br />

Fühlen<br />

Empfinden<br />

Intuieren<br />

Extravertiert<br />

Extravertierter Denktypus<br />

orientiert sich an Tatsachen<br />

als richtig gilt, was einer Formel entspricht<br />

Reformatoren, Kritiker, Propagandisten<br />

Extravertierter Fühltypus<br />

strahlt gefühlsmäßig Sicherheit aus<br />

ist taktvoll & hilfsbereit<br />

Vorsitzende, Fürsorger<br />

Extravertierter Empfindungstypus<br />

orientiert sich an „sinn“‐haften Tatsachen ge<br />

das Leben<br />

ästhetisch hochdifferenzierte Menschen<br />

Extravertierter Intuitionstypus<br />

deutet die Wirklichkeit immer wieder neu<br />

greift viel auf & führt wenig zu Ende<br />

Diplomaten, Spekulanten<br />

Introvertiert<br />

Introvertierter Denktypus<br />

orientiert sich an eigenen Ideen & seiner „inneren Re<br />

„Zerstreuter <strong>Prof</strong>essor“<br />

Introvertierter Fühltypus<br />

wirkt nach außen hin kühl, innen glüht aber eine<br />

Leidenschaft<br />

Personen, die sich z.B. für Religion einsetzen<br />

Introvertierter Empfindungstypus<br />

erlebt die Welt höchst subjektiv, hat aber Schwierigke<br />

innere Erlebnisse auszudrücken<br />

Musiker und Maler des Abstrakten<br />

Introvertierter Intuitionstypus<br />

träumt & phantasiert gerne<br />

Künstler, Seher, Propheten<br />

Evaluation der Theorie von Jung:<br />

‐ Beschreibung: beschreibt Entwicklung nicht; Therapieziel: Selbstrealisation finden (Endstadium der<br />

Persönlichkeitsentwicklung); komplexe Verhaltensbeschreibungen; mystische Elemente (kollektive<br />

Unbewusstes, Archetypen); z.T. verwirrend & komplex;<br />

‐ Erklärung: im Groben gute Erklärungen (z.B. Persona); im Detail oft defizitär<br />

‐ Empirische Validität (Gültigkeit) & Prüfbarkeit der Konstrukte: schwierig zu testen; Schwerpunkt auf<br />

Persönlichkeitstypen (wurden ergänzt, heute 16 verschiedene); Archetypen nicht definierbar oder messbar<br />

‐ Reichhaltigkeit: zwar viele Bereiche (Religion, Erziehung, Beziehungen, etc.) abgedeckt, aber oberflächlich<br />

‐ Sparsamkeit: nicht sparsam; riesige Bandbreite an Persönlichkeitsstrukturen; verschiedene Konzepte um<br />

ähnliches Verhalten zu erklären; unklar, ob manche Archetypen mächtiger sind als andere, etc.<br />

‐ heuristischer Wert: einflussreich in vielen Bereichen, v.a. Religion & Spiritualität (Hippies!), nicht so sehr in<br />

psychologischer Forschung (da schwer messbar)<br />

‐ Anwendungswert: viel Diskussion in versch. Bereichen (das Böse, Religion, inneres Selbst, etc.);<br />

Persönlichkeitstypen weiter erforscht & gemessen; Eysenck: Introversion & Extraversion; AA; Kunsttherapie<br />

4. <strong>Vorlesung</strong>: Persönlichkeit III: Theorien<br />

Einordnung der Persönlichkeitstheorien und Theoretiker


15<br />

Psychoanalytische Sicht Lerntheorien Humanistische Theorien Kognitive Theorien<br />

Freud<br />

Jung<br />

Adler<br />

Erikson<br />

Pawlow<br />

Skinner<br />

Bandura<br />

Rotter<br />

Maslow<br />

Rogers<br />

Kelly<br />

Maslow<br />

Ellis<br />

Kognitive Persönlichkeitstheorien<br />

‐ „Persönlichkeit“ als die Summe der Kognitionen (Denken, Aufmerksamkeit, Gedächtnis… ) einer Person<br />

George Alexander Kelly (1905‐1967)<br />

‐ 1926: Mathematik & Physik Abschluss (USA); arbeitete eine Zeit als Luftfahrtingenieur<br />

‐ 1929: Wechsel zu EZW & promoviert über Sprach‐ & Leseschwierigkeiten bei Kindern<br />

‐ 1940: <strong>Prof</strong>essor für Klinische Psychologie<br />

‐ 1955: Begründer der Psychologie der persönlichen Konstrukte<br />

‐ Vertreter des Konstruktivismus (Überschneidungen zu anderen Ansätzen, z.B. Phänomenologie)<br />

Begrifflichkeiten<br />

‐ Phänomenologisch = Alles, was sich dem Wahrnehmenden, Fühlenden oder Denkenden unmittelbar gibt,<br />

sofern er sich seinem schlichten Erleben überlässt; ein Gegenstand, eine Stimmung, ein Einfall sowie die<br />

gesamte erlebte Welt sind in diesem Sinne Phänomenologie<br />

‐ Konstruktivistisch = Welt wird nicht „gespiegelt“ abgebildet, sondern von Personen konstruiert durch<br />

Kognitionen<br />

‐ „Konstruktivismus“ oder „Theorie der persönlichen Konstrukte“ nach Kelly = aktives Bemühen der<br />

Menschen, sich durch Verstehen & Interpretieren in der Welt <strong>zur</strong>echtzufinden<br />

Theorie der persönlichen Konstrukte von Kelly<br />

‐ Ein Mensch versucht ständig herauszufinden, wie seine Welt funktioniert mittels…<br />

‐ Beobachtung Hypothesenbildung Experiment eigene Theorie<br />

‐ Die (Informations‐) Verarbeitung einer Person wird durch die Art, in der sie Ereignisse<br />

antizipiert, psychologisch kanalisiert<br />

‐ d.h. der Mensch = Wissenschaftler, der versucht der Welt einen Sinn zu verleihen, jeder auf seine eigene<br />

Weise<br />

‐ Es gibt keine objektive Realität! Nur Individualität!<br />

Entstehung und Funktion der Persönlichen Konstrukte<br />

‐ Persönliche Konstrukte = Kriterien, die der Mensch nutzt, um Ereignisse zu beobachten & zu interpretieren<br />

‐ Handlungsmotivation durch zukünftige Ziele<br />

‐ Konstrukte entstehen:<br />

‐ durch die Beobachtung von Mustern & Regeln (Schulbesuch)<br />

‐ durch viele Erfahrungen bemerkt man, dass Ereignisse Ähnlichkeit/Unähnlichkeiten haben<br />

(Kindergartenbesuch, Schulbesuch, Universitätsbesuch)<br />

‐ Interindividuelle Differenzen werden durch unterschiedliche Konstruktsysteme erklärt, d.h. unterschiedliche<br />

Ereignisse können unterschiedlich interpretiert werden unterschiedliche Persönlichkeiten<br />

‐ Strukturierung: mind. 3 Elemente sind nötig, um ein Konstrukt zu bilden, 2 müssen als ähnlich angenommen<br />

werden, das 3. als unähnlich zu den beiden anderen<br />

‐ Eigenschaften von Konstrukten:<br />

‐ Bipolarität (hilfsbereit vs. egoistisch)<br />

‐ Ähnlichkeits‐Unähnlichkeits‐Vergleich führt zum Konstrukt<br />

‐ Dichotom (!), nicht kontinuierlich<br />

‐ Verbale vs. präverbale* Konstrukte<br />

‐ *= Entweder man kann ein Konstrukt nicht in Worte fassen oder man kann keinen Gegenpol finden<br />

11 Prozesse <strong>zur</strong> Konstruktbildung: Folgerungen aus Kellys Postulat<br />

‐ Konstruktion (Konstruktion von Bedeutung hilft bei Verständnis von Ereignissen)


‐ Individualität (jeder Mensch interpretiert Ereignisse individuell, je nach Vorlieben, Interessen, etc.)<br />

‐ Organisation (jedes individuelle Konstruktsystem ist hierarchisch organisiert; Präferenzen für best.<br />

Konstrukte)<br />

‐ Dichotomie (Konstrukte sind Gegensätze; wenn etwas „gut“ ist, ist es gleichzeitig nicht „schlecht“)<br />

‐ Wahl (freie Wahl des Konstruktes, das am besten passt und zu Verständnis beiträgt)<br />

‐ Fragmentierung (erklärt Inkonsistenzen im Verhalten; übergeordnete Konstrukte können z.B. erweitert<br />

werden eigentlich inkonsistente Subkonstrukte werden integriert)<br />

‐ Sozialität (in sozialer Interaktion nutzt man Wissen über Konstrukte des Partners, um eigene Konstrukte<br />

anzupassen und somit mit Partner interagieren zu können)<br />

‐ Breite der Angemessenheit<br />

‐ Erfahrung (Veränderbarkeit der Konstrukte durch neue Erfahrungen)<br />

‐ Modulation (permeables vs. unpermeables Konstruktsystem: anpassungsfähig vs. starr & unveränderbar)<br />

‐ Kommunalität (ähnliche Konstruktsysteme ähnliches Verhalten)<br />

Konstruktarten<br />

‐ 1) Präventive (pre‐emptive) Konstrukte = nur ein Element rigide Sichtweise (aber änderbar)<br />

‐ 2) Konstellatorische (constellatory) Konstrukte = Stereotype Cluster nicht leicht änderbar<br />

‐ 3) Propositionale Konstrukte = sehr flexibles Denken nur diese Konstrukte machen Leben unmöglich, da<br />

sie ständig uminterpretiert werden müssen (ein bisschen Stabilität muss sein!)<br />

Persönlichkeitsentwicklung<br />

‐ Ziel: Maximierung des Wissens über die Welt mit Hilfe der Entwicklung von persönlichen Konstrukten<br />

‐ Entwicklung motiviert durch angeborenes Bedürfnis, Wissen über die Welt zu erlangen<br />

‐ Umwelt spielt Rolle bei Entwicklung (aber nicht so extrem wie in Lerntheorie)<br />

‐ Durch dynamische Bildung von Konstrukten (Interpretation & Re‐Interpretation von Ereignissen)<br />

‐ Folge: Verbesserung der Wahrnehmung der Umwelt: Hypothesenbildung – Prüfung<br />

‐ Ziel: ähnliche Konstrukte machen soziale Interaktionen leichter<br />

‐ Umwelt determiniert nicht zwangsläufig Verhalten (da unterschiedliche Konstrukte in gleicher Umwelt zu<br />

unterschiedlichem Verhalten führen können)<br />

‐ Kinder haben flexibleres Konstruktsystem als Erwachsene<br />

Persönlichkeitsentwicklung: Circumspection‐pre‐emption control (CPC) cycle, Kelly (1958)<br />

‐ Wenn eine Person in eine (neue) Situation kommt & diese für sich „konstruiert“:<br />

‐ 1. Zunächst alle möglichen (bekannten) Konstruktarten der Situation erfassen (Circumspection = Umsicht)<br />

‐ 2. Welches Konstrukt ist wahrscheinlich das Erfolgreichste? Untaugliche (nicht erfolgreich für Situation)<br />

entfernen (Pre‐emption = Vorwegnahme)<br />

‐ 3. Evaluation gibt es Alternativen? Welches Konstrukt bringt uns am ehesten zu gewünschter Lösung?<br />

‐ Gesundes System ist dynamisch & konstruktiv (Vermittlung zwischen Individuum & Umwelt): Lebenslange<br />

Modifikationen möglich (Control)<br />

Motivationskonzept nach Kelly<br />

‐ Motivation: zukünftige Ziele erreichen; bessere Vorhersagen treffen<br />

können<br />

‐ nicht durch Lernen in Vergangenheit oder Triebe etc.<br />

‐ "…Since we prefer to look at the nature of the animal himself [between the pitchfork and the carrot], ours is<br />

probably best called the 'jackass' theory.” (Zitat von Kelly, 1958)<br />

‐ d.h. weder „push“ (Triebe) noch „pull“ (Anreize), sondern aus sich selbst heraus motiviert<br />

Frage nach „freiem Willen“<br />

‐ Konstrukte (Interpretationen von Ereignissen) sind wandelbar frei?<br />

‐ Trotzdem sind Gedanken & Verhalten manchmal durch andere Personen/Ereignisse determinier unfrei?<br />

‐ Unterscheidung: Langfristige (übergeordnetes Konstrukt) vs. kurzfristige Ziele<br />

‐ guter vs. schlechter Abschluss (frei gewähltes Ziel); aber ausgeschlafen in VL gehen vs. abendliches<br />

Vergnügen in Kneipe (unfrei)<br />

‐ wenn eine Strategie nicht erfolgreich ist Änderung des Konstrukts<br />

16


17<br />

‐ Mensch ist zukunftsorientiert (Antizipation) Teleologie (s. Adler)<br />

Messung der Konstrukte: Repertory Grid Test (Rep Grid)<br />

‐ Erfassung des individuellen Konstruktsystems: Qualitative Auswertung (auch faktorenanalytisch)<br />

‐ Mensch mit komplexem Konstruktsystem: bessere Vorhersagen möglich (kommt besser in seiner Umwelt<br />

<strong>zur</strong>echt)<br />

‐ Klinisch‐therapeutische Implikationen<br />

‐ Entdecken des Konstruktsystems<br />

‐ Dysfunktionale Konstrukte aufdecken (kontrollierte Elaboration)<br />

‐ Oben: Elemente (z.B. Personen, Gegenstände, Produkte, Situationen, Lehrformen)<br />

‐ Seite: Konstrukte (Eigenschaften)<br />

‐ Personen/Gegenstände in 3er‐Sets vorstellen Kreis drunter Konstrukte an Seite schreiben (beide Pole,<br />

z.B. erfolgreich – nicht erfolgreich) 2 Personen/Gegenstände ankreuzen, die sich in jeweiligem Konstrukt<br />

ähneln, 3. Person ist unähnlich (kein Kreuz)<br />

‐ Bsp.: Man Selbst & Mutter haben Sinn für Humor, Vater hat keinen Sinn für Humor<br />

‐ Wenn in jeweiliger Reihe noch jemand anders (außer den 3 beachteten) z.B. einen Sinn für Humor hat, wird<br />

in dieses Kästchen ein Häkchen gesetzt<br />

‐ VP bestimmt selbst, wie viele Konstrukte es verwendet<br />

‐ Keine standardisierte Auswertung möglich! Nur Einsicht in persönliches Konstruktsystem der VP!<br />

Therapie: Induzierte Reorganisation<br />

‐ Psychische Probleme entstehen durch ein ungünstiges Konstruktsystem<br />

‐ Therapie als gesteuerte Veränderung eines „gestörten“ Konstruktsystems<br />

‐ Selbstcharakterisierungssketche, Fixed‐Role‐Therapie:<br />

‐ neue Konstrukte werden aufgebaut & in Experimenten werden Hypothesen verifiziert/falsifiziert<br />

‐ neue Elemente werden eingeführt<br />

‐ neue Datenquellen werden zugängig gemacht, um Konstrukte zu validieren<br />

Weitere Vertreter des Konstruktivismus:<br />

‐ Albert Ellis & Rational‐Emotive Verhaltenstherapie<br />

‐ Paul Watzlawick<br />

‐ Kersten Reich (Uni Köln)<br />

Evaluation der Theorie von Kelly:<br />

‐ Beschreibung: verwendet oft komplizierte Beschreibungen<br />

‐ Erklärung: klare kognitive Systeme; Rep Grid gibt wichtige Einsichten in Kognitionen & deren Einfluss auf<br />

Verhalten; Fokus zu sehr auf individuellen Gedankenprozessen; aber: trotz Fokus auf Individuum, dennoch<br />

Generalisierung der Basiskonstrukte auf alle Menschen<br />

‐ Empirische Validität (Gültigkeit) & Prüfbarkeit der Konstrukte: Kelly selbst keine Belege, aber Rep Grid von<br />

anderen bestätigt (aber keine systematische Auswertung); viel Selbstbericht, Korrelationen (!), keine<br />

experimentellen Belege für Kellys Theorie<br />

‐ Reichhaltigkeit: nicht sehr reichhaltig; Fokus auf Vorgängen im Individuum; Umweltfaktoren nicht<br />

einbezogen zugunsten der Kognitionen; vereinfacht, geht davon aus, dass Denken immer rational ist<br />

‐ Sparsamkeit: zu sparsam; wenig Konzepte, zu allgemein, zu weit/global


‐ heuristischer Wert: populärer in England als in USA; forderte Psychoanalyse & Lerntheorien heraus; klinisch<br />

relevant in England, Kanada, Israel, Holland; immer noch Therapeuten, die Konzept nutzen<br />

‐ Anwendungswert: Anwendung in Klinik; Einsichten in gestörtes Denken (z.B. Schizophrenie); Rep Grid auch<br />

in Marktforschung (Unternehmensberatung, Beziehungen in Firmen, Konsumentenerforschung, etc.)<br />

Humanistische Persönlichkeitstheorien<br />

‐ Auch in der existenzialistischen Philosophie verankert (Kieerkegrad, Camus, Sartre, Heidegger)<br />

‐ Betonung auf persönlichem Wachstum; Fokus auf Gegenwart (Vergangenheit hat zwar Einfluss, aber man<br />

kann sich ändern!); Menschliche Natur ist positiv (≠ Freud)<br />

‐ Motivation: Bedürfnis zu wachsen & sich positiv zu entwickeln<br />

‐ Freier Wille (man kann entscheiden, was man tun möchte) persönliche Verantwortung<br />

‐ Phänomenologischer Ansatz: Individuelle Erfahrung & individuelles Bewusstsein (Einzigartigkeit!)<br />

‐ Therapie: hilft dabei, Probleme zu erkennen anstatt Lösungen zu bieten<br />

Abraham Maslow (1908‐1970)<br />

‐ wichtigster Gründervater der Humanistischen Psychologie, Kind jüdisch‐russischer Immigranten<br />

‐ 1934 in Psychologie promoviert; 1937 <strong>Prof</strong>essur am Brooklyn College; 1967: „Humanist des Jahres“<br />

‐ Fokus auf positiven Möglichkeiten der menschlichen Entwicklung<br />

18<br />

Maslow und Selbstaktualisierung<br />

‐ Motivation menschlichen Handelns:<br />

‐ Instinktive Verhaltenstendenzen (instinctoid tendencies) = angeborene Tendenz zu gesundem Wachstum &<br />

Entwicklung<br />

‐ Diese sind schwach & leicht zu überwinden, z.B. durch negative Umwelteinflüsse<br />

‐ Unterschiedliche Bedürfnisse in verschiedenen Ebenen, d.h. zunächst müssen Grundbedürfnisse befriedigt<br />

sein<br />

Mangelmotive<br />

‐ Körperlicher/psychischer Mangel muss überwunden werden<br />

‐ für alle Menschen gleich; wenn erreicht, kommen andere Motive ins Spiel<br />

‐ Ziel: Überleben sichern<br />

‐ Prinzip der Homöostase<br />

‐ Bsp.: Hunger, Durst, Sicherheitsbedürfnis, Bedürfnis geliebt zu werden<br />

Wachstumsmotive<br />

‐ Auch „Being“‐Motive oder „B“‐Motive<br />

‐ Streben nach Verbesserung eines Zustandes<br />

‐ individuell verschieden; wenn erreicht, werden sie intensiver<br />

‐ entwickeln/erhöhen das Potential des Individuums (man belohnt sich selbst man will mehr)<br />

‐ Prinzip der Heterostase<br />

‐ Bsp.: uneigennützig Liebe geben, Erhöhung im Antrieb (Neugier; Wissensdurst), Entwicklung von<br />

Fertigkeiten, neue Erfahrungen sammeln<br />

Motivklassifikation nach Maslow: Bedürfnishierarchie<br />

‐ Basisbedürfnisse (Mangel‐Motive)<br />

‐ Physiologische Bedürfnisse: Hunger, Durst, Schlaf, Sauerstoff, körperliche Belastung eliminieren, Sex<br />

‐ Sicherheitsbedürfnisse: Sicherheit, sicherere<br />

Lebensumstände, Selbstschutz, Gesetzestreue,<br />

Ordnungssinn<br />

‐ Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Liebe: soziale Bindung<br />

jeglicher Art, Deficit‐ & Being‐Liebe<br />

‐ Meta‐Bedürfnisse (Wachstums‐Motive)<br />

‐ Bedürfnis nach Achtung: Durch einen selbst & durch andere<br />

‐ Bedürfnis nach Selbstaktualisation: Lebenssinn finden


19<br />

‐ Müssen von unten an erfüllt sein/werden<br />

Eigenschaften eines „Selbstaktualisierten“ Menschen<br />

‐ 1. Realistischere Wahrnehmung der Welt<br />

‐ 2. Akzeptanz der eigenen Person und anderer<br />

‐ 3. Spontaneität, Einfachheit und Natürlichkeit<br />

‐ 4. Problemorientierte Einstellung<br />

‐ 5. gute Selbstkenntnis<br />

‐ 6. eigene ethische Grundsätze befolgend<br />

‐ 7. Wohlfahrt unterstützend<br />

‐ 8. Objektivität und das Bedürfnis nach Privatheit<br />

‐ 9. Gemeinschaftsgefühl<br />

‐ 10. Tiefe interpersonelle Beziehungen<br />

‐ 11. Demokratische Charakterstruktur<br />

‐ 12. Unterscheidung zwischen „Mittel und Zweck“, „Gut und Böse“<br />

‐ 13. Sinn für philosophischen Humor<br />

‐ 14. Kreativität<br />

‐ 15. Widerstand gegen gesellschaftliche Anpassung<br />

‐ 16. Peak Experiences („Gipfel“‐Erfahrung)<br />

‐ Niemand ist immer „selbstaktualisiert“; Wachstumsbedürfnisse & nicht Mangelbedürfnisse<br />

Eigenschaften einer „Gipfel‐Erfahrung“<br />

‐ 1. Aufmerksamkeitsabsorption durch Tätigkeit<br />

‐ 2. Klare Zielsetzung der Tätigkeit<br />

‐ 3. Herausfordernd aber schaffbar<br />

‐ 4. Volle Konzentration auf Tätigkeit<br />

‐ 5. Gefühl der Kontrolle der Tätigkeit<br />

‐ 6. so einnehmend, dass man sich selbst vergisst<br />

‐ 7. Zeit vergessen machend<br />

‐ 8. Rückmeldung / Bewertung über Fortschritt<br />

Implikationen<br />

‐ Persönlichkeitsentwicklung<br />

‐ frei den Bedürfnissen nachkommen können<br />

‐ aber durch Eltern und kulturelle Einflüsse gesteuert (eingeschränkt)<br />

‐ Grenzen wichtig aber selbst gewählt (Beispiel: Summerhill School)<br />

‐ Klinische Implikationen<br />

‐ Psychische Störungen: abhängig vom Grad des nicht erfüllten Bedürfnisses<br />

‐ Verschiedene Methoden<br />

Weitere Vertreter der humanistischen Sichtweise<br />

‐ C.R. Rogers: bedingte & unbedingte positive Wertschätzung als Kernelemente der<br />

Persönlichkeitsentwicklung<br />

‐ Selbstkonzept & Real‐organismisches Selbst<br />

Evaluation der Theorie von Maslow<br />

‐ Beschreibung: nachvollziehbarer, aber auch vereinfachte Beschreibung von Verhalten; hohe face (?)<br />

Validität; extrem positive & fast zu einfache Sicht von menschlicher Natur & Menschen im Allgemeinen; zum<br />

Teil inkonsistent mit seiner Akzeptanz Freudianischer Abwehrmechanismen; Blockaden in<br />

Selbstaktualisierung als Ursprung von Verhaltensproblemen (zu vereinfacht); genetische Einflüsse werden<br />

nicht beachtet zu viel Betonung auf Umwelteinflüssen (unhaltbar!)<br />

‐ Erklärung: Motivation wird als deutlicher dargestellt, als sie tatsächlich ist, & Verbindung zwischen<br />

Bedürfnissen & Verhalten wird als offensichtlich dargestellt (Grundlage von Verhalten immer nur ein<br />

Motivator statt mehrere); Bedürfnistypen & Liebenstypen interessant (neuer, kreativer Ansatz; weniger<br />

positiv: Menschen sind manipulierbar, respektlos, sehr fordernd)


‐ Empirische Validität (Gültigkeit): nur sehr kleine Stichprobe bei Untersuchung der Selbstaktualisierung; keine<br />

randomisierte Auswahl der VP, sondern Wahl von Personen, von denen Maslow dachte, sie seien am<br />

ehesten selbstaktualisiert; keine objektiven Messungen; Mangel in Konsistenz der Untersuchungen der<br />

einzelnen VP extrem subjektiv, mehr deskriptiv als evaluativ<br />

‐ Prüfbarkeit der Konstrukte: andere Konzepte auch schwer definierbar empirische Testung schwierig;<br />

Basis der 5 Basis‐Bedürfnisse unklar; viele andere menschliche Bedürfnisse wurden identifiziert<br />

‐ Reichhaltigkeit: starker Fokus auf positivem Wachstum einseitig; keine systematische oder verständliche<br />

Diskussion von Psychopathologie; Beschreibung menschlicher Motivation ist beschränkt; starker Fokus auf<br />

Selbstaktualisierung, aber keine klare Erklärung, wie man diese erreichen kann; nur sehr generelle<br />

Ausführungen <strong>zur</strong> Persönlichkeitsentwicklung<br />

‐ Sparsamkeit: zu sparsam! Sehr knappe Persönlichkeitstheorie; Motivationskonzept beschränkt, Wahl der 5<br />

Basis‐Bedürfnisse z.T. willkürlich; Persönlichkeitsentwicklung nicht detailliert genug, Inkonsistenzen<br />

‐ heuristischer Wert: einer der ersten, die gesunde Seite der Persönlichkeitsentwicklung beschrieben; großer<br />

Einfluss auf verschiedene Disziplinen; seine Kritik an Forschung (damals v.a. Laborstudien) führte dazu, dass<br />

viele Forschungsmethoden neu bewertet wurden; lebensnahe Fragestellungen<br />

‐ Anwendungswert: größter Einfluss auf Wirtschaft; Motivationstheorie beliebt bei Managern; Betonung von<br />

Wichtigkeit von Aufstiegsmöglichkeiten; Zugehörigkeitsgefühl zu Firma schaffen; Umgang mit Angestellten;<br />

auch in Unternehmensberatung & Trainingsprogrammen & Bildung (Schüler‐zentrierter Unterricht; Bsp.:<br />

Summerhill)<br />

20<br />

5. <strong>Vorlesung</strong>: Methoden & Statistik<br />

Untersuchungsgegenstände<br />

‐ Was wird in der Differentiellen Psychologie untersucht?<br />

‐ Merkmale (j = 1..n) (auch „Variablen“): Ängstlichkeitswerte, Intelligenzwerte, Extraversionswerte,<br />

EEG‐Aktivität, Herzfrequenz, Blutdruck, Reaktionszeit…<br />

‐ Personen (i = 1..v)<br />

‐ Situationen (k = 1..m): vor dem Fernseher, im Büro, im Hörsaal, …<br />

Normalverteilung: Varianz und Streuung<br />

‐ Abweichungen der Rohwerte (x) vom Mittelwert (Mx)<br />

‐ Varianz: Summe der quadrierten Abweichungen vom Mittelwert<br />

‐ Standardabweichung SD ( Streuung): Wurzel aus der Varianz<br />

‐ SD und Varianz sind mehr im Interesse der Differentiellen Psychologie als der Mittelwert: Warum?<br />

Korrelation & Regression<br />

‐ Frage: Wie stark variieren Variablen (X, Y) miteinander?<br />

‐ keine Kausalitätsprüfung!<br />

‐ r xy = Standardisierte Kovarianz (Werte von ‐1 bis +1)<br />

‐ S x , S y = Streuung der Variablen X und Y<br />

‐ Vorsicht bei Nullkorrelationen: es kann Teil‐SP (z.B. Männer/Frauen) geben, in denen ein Zusammenhang<br />

existiert!<br />

Einfache Regressionsgleichung<br />

‐ auch ein korrelativer Ansatz (lineare Regression)<br />

‐ Ziel ist es, Beziehungen zwischen einer AV (y) und einer UV (x) festzustellen<br />

‐ z.B. zwischen Schulerfolg (y) und IQ (x): Vorhersagen möglich?<br />

‐ y = a + b yx x<br />

Multiple Regressionsgleichung


21<br />

‐ Korrelative Logik (lineare Regression)<br />

‐ Ziel ist es, Beziehungen zwischen einer AV (y) und mehreren UV (x1, x2, x3…) festzustellen<br />

‐ z.B. zwischen Schulerfolg und IQ + Motivation + Attraktivität + …<br />

‐ y = a + b 1 x 1 + b 2 x 2 + b 3 x 3<br />

Faktorenanalyse (FA)<br />

‐ Karl Pearson / Charles Spearman (Beginn des 20. Jhd.)<br />

‐ Psychologische Konstrukte als „Faktoren“<br />

‐ Intelligenz‐Faktoren (verbal, numerisch, räumlich, …)<br />

‐ Persönlichkeitsfaktoren (Extraversion, Neurotizismus, Impulsivität..)<br />

‐ Einstellungen (zu ökologischem Verhalten, <strong>zur</strong> Gesundheitsprävention, recht/links Radikalismus…)<br />

‐ Explorative FA: Frage: Welche Faktoren könnte es geben?<br />

‐ Hypothesentestende FA: Frage: Gibt es die Intelligenzfaktoren verbal, numerisch, …? (auch als<br />

konfirmatorische FA, Pfadanalyse, Strukturgleichungsmodelle bezeichnet)<br />

‐ Dichotome Antworten „ja“ oder „nein“<br />

‐ Datenreduktion (multivariat)<br />

‐ Fragebogen mit Selbsteinschätzungen zu verschiedenen Themengebieten (z.B. 100 Fragen)<br />

‐ Zu viele Infos, um eine klare Aussage zu machen (alleine 4900 Korrelationen) Daten reduzieren (wie?)<br />

‐ Korrelative Logik der Faktorenanalyse<br />

‐ Wenn von den 100 Fragen z.B. 20 Fragen gemeinsam variieren, d.h. wer hohe Werte bei Frage 1 hat auch<br />

hohe Wert bei Frage 7 (usw.), dann korrelieren sie und klären gemeinsam Varianz auf<br />

‐ Gemeinsame Varianz der Faktoren<br />

‐ Eigenschaften, Merkmale oder Fähigkeiten einer Person werden durch eine Kombination aus gewichteten<br />

Faktorwerten und einem Fehler beschrieben<br />

‐ Mathematisch betrachtet ist ein Faktor ein Vektor<br />

‐ Jedes Item (I) bildet einen Vektor, dann wird eine mathematische „Bündelung“ vorgenommen und ein<br />

„neuer“ Vektor in ein Item‐Bündel gelegt (=Faktor)<br />

‐ Reduzierung der Varianz zwischen den Items<br />

Einsatz & Grenzen<br />

‐ Intelligenzforschung<br />

‐ Persönlichkeitsforschung<br />

‐ Klinische Forschung<br />

‐ Marktforschung<br />

‐ Politikforschung<br />

‐ Meinungsforschung<br />

‐ Achtung: Man kann an vielen Parametern „drehen“ (z.B. Anzahl der Faktoren, Art der Rotation…)<br />

‐ Daher sind FA‐Ergebnisse immer mit Vorsicht zu betrachten!<br />

‐ Eysencks Persönlichkeitsmodell:<br />

Das Differentialpsychologische Experiment und Korrelationstechniken<br />

‐ Echtes Experiment<br />

‐ klare Trennung zwischen UV und AV<br />

‐ Manipulierbarkeit der UV


22<br />

‐ Zufällige Zuordnung der Probanden auf Stufen der UV<br />

‐ Quasi‐Experiment<br />

‐ klare Trennung zwischen UV und AV<br />

‐ Manipulierbarkeit der UV<br />

‐ Zufällige Zuordnung der Probanden auf Stufen der UV nicht möglich<br />

‐ Ex‐post‐facto‐Untersuchung<br />

‐ Trennung zwischen UV und AV nur scheinbar<br />

‐ Manipulierbarkeit der UV nicht gegeben<br />

‐ Zufällige Zuordnung der Probanden auf Stufen der UV nicht möglich<br />

‐ Differentialpsychologische Experimente sind idR Ex‐post‐facto‐Untersuchungen<br />

Korrelationstechnik nach Stern<br />

‐ Idiographisch vs. Vergleich zwischen 2 Personen (Korrelation)<br />

‐ Streuung vs. Korrelation<br />

Datenquader und Korrelationstechniken nach Cattell<br />

‐ Merkmale (j = 1..n): Ängstlichkeitswert, Intelligenzwert, Extraversion, EEG‐Aktivität, Herzfrequenz,<br />

Blutdruck… (Variablen)<br />

‐ Situationen (k = 1..m): vor dem Fernseher, im Büro, im Hörsaal, in der Mensa, Picknick im Grünen,…<br />

‐ Personen (i = 1..v): Anna, Bert, Claudia, Daniel, Eva… (z.B. alle Studenten)


23<br />

Korrelationstechniken nach Cattell<br />

‐ O‐Technik: Vergleich von 2 Situationen über verschiedene Merkmale bei einer Person<br />

‐ P‐Technik: Vergleich von 2 Merkmalen über verschiedene Situationen bei einer Person<br />

‐ Q‐Technik: Vergleich von 2 Personen über verschiedene Merkmale in einer Situation<br />

‐ R‐Technik: Vergleich von 2 Merkmalen über verschiedene Personen in einer Situation<br />

‐ S‐Technik: Vergleich von 2 Personen über verschiedene Situationen hinsichtlich eines Merkmals<br />

‐ T‐Technik: Vergleich von 2 Situationen über verschiedene Personen hinsichtlich eines Merkmals<br />

Verschiedene Methoden <strong>zur</strong> Messung von Differenzen<br />

‐ Q‐Sort: z.B. Ideal & Real‐Selbst (Rogers)<br />

‐ Rep‐Test: Konstruktsystem (Kelly)<br />

‐ Fragebogen / Test (Persönlichkeit, Einstellung vs. Leistungsaspekte)<br />

‐ Apparative Methoden (Reaktionszeit, EEG, fMRI, …)<br />

6. <strong>Vorlesung</strong>: Eigenschaftstheoretische Ansätze<br />

Persönlichkeit und verschiedene Ansätze<br />

- Typenansatz<br />

- Basis waren Aristoteles, Hippokrates (Melancholiker, Choleriker….), Kretschmer, Jung<br />

(Extraversion/Introversion), Adler<br />

- Individualität<br />

- Humanistische & kognitiven Theorien<br />

- Dimensionaler Ansatz<br />

- Wilhelm Wundt: Emotionalität & Stabilität (emotional vs. unemotional & veränderbar vs. nicht<br />

veränderbar)<br />

Trait‐Theorien<br />

- Nomothetischer Ansatz<br />

- Ziel: Persönlichkeitseigenschaften (Traits), die konsistent über Gruppen von Personen auftreten, und so die<br />

grundlegende Struktur der Persönlichkeit aufdecken<br />

- Trait/Eigenschaft = Persönlichkeitsdimension, die Personen nach ihrem Ausprägungsgrad bzgl. eines<br />

bestimmten Merkmals kategorisiert (Burger, 1997)<br />

- „A trait is a conditional probability of a category of behaviours in a category of contexts“ (Mischel, 1999)<br />

- Je nach Ausprägung der Eigenschaft (E), verändert sich die WS für unterschiedliche Auswahl von<br />

Verhaltenskategorien in unterschiedlichen situativen Zusammenhängen<br />

- Wichtig: Stabilität über Zeit & Situationen! (leichte Variabilität<br />

möglich, aber schon intern konsistent)<br />

- Nur wenige Aussagen <strong>zur</strong> Veränderungen in Persönlichkeit<br />

Trait‐Theorien: Lexikalischer Ansatz (Galton, Allport, Cattell)<br />

- Grundannahme: Persönlichkeitsmerkmale, die besonders wichtig für sozialen Umgang der Menschen<br />

miteinander sind & deshalb auch deutlich wahrgenommen werden, haben eine sprachliche Repräsentation


- Je wichtiger ein solches Merkmal, um so eher werden sich ein oder mehrere Synonyme dafür in der Sprache<br />

finden<br />

Gordon Allport: Lexikalischer Ansatz<br />

- Aus 550.000 Wörtern eines Lexikons extrahierte er zunächst 18.000 Wörter, die interindividuelle<br />

Unterschiede beschreiben 4500 Traits<br />

- Annahme biologischer Mechanismen, die Persönlichkeitseigenschaften bestimmen<br />

- Einzigartigkeit eines Individuums: Kombination von Traits mit unterschiedlichen Ausprägungsgraden<br />

- Unterscheidung verschiedener Traits:<br />

- Kardinaleigenschaft = einzelne Traits, die die Persönlichkeit des Individuums dominieren können &<br />

sein Verhalten stark beeinflussen; Art Obsession Bedürfnis, das befriedigt werden muss<br />

- Zentrale Eigenschaft = 5‐10 Traits, die die Persönlichkeit eines Individuums am besten beschreiben;<br />

allgemeine Anwendbarkeit (stabil über Situationen hinweg)<br />

- Sekundäreigenschaft = Traits, die Vorlieben eines Individuums widerspiegeln; keine Kernelemente der<br />

Persönlichkeit; nur in manchen Situationen erkennbar<br />

- Lebenslange Entwicklung des Selbst‐(konzepts)<br />

- Zeichnete Grenzen des Trait‐Ansatzes auf (Vorhersage des Verhaltens einer Person nur aus der Kenntnis<br />

seiner Traits fast unmöglich)<br />

- Erste Schritte zum Interaktionismus: Person x Situation<br />

- Kein Messinstrument entwickelt (4500 Traits: zu viel für praktischen Einsatz)<br />

- Positives Menschenbild (rational, kreativ, aktiv, selbstbewusst)<br />

Cattell: Trait‐Arten<br />

- Baute auf Allports Ansatz auf<br />

- identifizierte Cluster von Eigenschaften (korrelierten miteinander; z.B. „entschlossen“, „beharrlich“,<br />

„produktiv“ & „zielgerichtet“) mit Faktorenanalyse Faktoren (z.B. Leistungsorientierung)<br />

- Traits als recht stabile, dauerhafte Bausteine der Persönlichkeit<br />

- Verschiedene Unterscheidungen:<br />

- Common traits vs. unique traits: vielen gemeinsam vs. sehr individuell<br />

- Konstitutionelle Traits (genetisch) vs. umweltbedingte Traits<br />

- Test, um genetischen Anteil von Traits zu erfassen: MAVA („multiple abstract variance analysis“)<br />

- Surface vs. source traits<br />

- Trait‐Typen<br />

- Fähigkeits‐Eigenschaften (ability traits): beschreiben Umgang mit bestimmten Situationen &<br />

Zielerreichung in diesen; Bsp.: Intelligenz, Kreativität<br />

- Temperaments‐Eigenschaften: Stile, die Menschen <strong>zur</strong> Zielerreichung anwenden; Bsp.: ruhig, impulsiv,<br />

ängstlich<br />

- Dynamische Eigenschaften: motivationale Aspekte & Energiequellen des Verhaltens; Bsp.:<br />

leistungsorientiert, künstlerisch ambitioniert, sich um andere sorgend<br />

Surface vs. source traits<br />

- Surface Traits = Oberflächenwesenszüge<br />

- Verhaltensweisen, die oberflächlich zusammenpassen, aber<br />

nicht immer zusammen auftreten müssen<br />

- z.B. gesellig, sorgenfrei, hoffungsvoll, zufrieden (korrelieren<br />

miteinander)<br />

- Source Traits = Grundwesenszüge<br />

- Ausdruck von korrelierten Verhaltensweisen, die eine Einheit<br />

bilden (bildet „Basis“ für surface traits)<br />

- relativ unabhängige Persönlichkeitsdimension (ein „Faktor“)<br />

- verantwortlich für beobachtete Varianz in den surface traits<br />

- z.B. Extraversion (gemessen an surface traits: gesellig, sorgenfrei, hoffnungsvoll, zufrieden)<br />

- Fragebögen messen surface traits, die zu entsprechendem source trait gehören<br />

Cattell: Ausgangsdaten der Persönlichkeitsforschung<br />

24


- L‐Daten = life record data; Verhaltensmaße aus dem wirklichen Leben des Individuums<br />

- objektive L‐Daten (z.B. nachprüfbare biographische Angaben)<br />

- subjektive L‐Daten (z.B. Fremdbeurteilungen)<br />

- Q‐Daten = questionnaire<br />

- Selbstbeurteilungen (z.B. Antworten in Fragebögen)<br />

- T‐Daten = test; „objektive“ Testdaten<br />

- Reaktionen von Personen in kontrollierbaren Testsituationen (z.B. physiologische Maße, Reaktionszeit)<br />

- Faktorenanalytische Extraktion von 16 Grundwesenszügen (source traits; 16 Personality Factor<br />

Questionnaire (16PF))<br />

Die 16 Persönlichkeitsfaktoren (nach Potential <strong>zur</strong> Verhaltensvorhersage):<br />

- A Sachorientierung vs. Kontaktorientierung (reserved/outgoing)<br />

- B Konkretes Denken vs. abstraktes Denken (intelligence)<br />

- C Emotionale Instabilität vs. emotionale Stabilität (emotional/stable)<br />

- E Soziale Anpassung vs. Selbstbehauptung (humble/assertive)<br />

- F Besonnenheit vs. Begeisterungsfähigkeit (sober/happy‐go‐lucky)<br />

- G Flexibilität vs. Pflichtbewusstsein (expedient/conscientious)<br />

- H Zurückhaltung vs. Selbstsicherheit (shy/venturesome)<br />

- I Robustheit vs. Sensibilität (tough‐minded/tender‐minded)<br />

- L Vertrauensbereitschaft vs. skeptische Haltung (trusting/suspicious)<br />

- M Pragmatismus vs. Unkonventionalität (practical/imaginative)<br />

- N Unbefangenheit vs. Überlegenheit (forthright/shrewd)<br />

- O Selbstvertrauen vs. Besorgtheit (placid/apprehensive)<br />

- Q1 Sicherheitsinteresse vs. Veränderungsbereitschaft (conservative/experimenting)<br />

- Q2 Gruppenverbundenheit vs. Eigenständigkeit (group‐tied/self‐sufficiency)<br />

- Q3 Spontaneität vs. Selbstkontrolle (casual/controlled)<br />

- Q4 Innere Ruhe vs. Innere Gespanntheit (relaxed/tense)<br />

25<br />

Trait‐Theorien: Big‐Five<br />

- Costa & McCrae: Big 5<br />

- Offenheit für Erfahrung (Openness to experience)<br />

- Gewissenhaftigkeit (Conscientiousness)<br />

- Extraversion (Extraversion)<br />

- Verträglichkeit/Liebenswürdigkeit (Agreeableness)<br />

- Neurotizismus (Neuroticism)<br />

Messung der Big 5<br />

- Adjektiv‐Listen (lexikalischer Ansatz)<br />

- NEO‐FFI (NEO‐Fünf‐Faktoren Inventar)<br />

- NEO‐PI‐R (NEO‐Fünf‐Faktoren Persönlichkeitsinventar, revidierte Fassung)<br />

- BFI (Big Five Inventory)<br />

- Selbstbericht vs. Fremdbericht!<br />

Selbst‐ vs. Fremdbeurteilung auf den „Big Five“


26<br />

Eysenck: 3 Faktoren<br />

- Extraversion<br />

- Psychotizismus<br />

- Neurotizismus<br />

Wie viele Faktoren sind es denn nun?<br />

Evaluation der Big 5 und der Trait‐Theorien<br />

- Zunehmende Einigung auf 5 Faktoren, aber immer noch Diskussion um genaue Natur der einzelnen Faktoren<br />

- Auch muss weiterhin nach alternativen Modellen gesucht werden<br />

- Auch Diskussion um Bezeichnungen der Faktoren<br />

- Messungen der Fragebögen beeinflussen letztendlichen Faktor (z.B. wenige Items, die Offenheit erheben <br />

Beschreibung von Offenheit der Person beschränkt)<br />

- Auch Diskussion um Anzahl der Faktoren (von Eysencks 3 bis hin zu 7 Faktoren)<br />

- In 5 Faktoren Modellen: keine evaluativen Traits mit ihnen wären es um die 7 Faktoren<br />

- Einige Diskussion darum, was manche Traits genau bedeuten (z.B. bloß linguistische Kategorien, die<br />

zugrunde liegende Persönlichkeitsstruktur gar nicht wiedergeben?)<br />

- Modell basiert auf Daten wurde dafür kritisiert, keine theoretische Basis zu haben<br />

- Allgemeiner Kritikpunkt: Art & Weise, indem die verschiedenen Maße interpretiert & genutzt werden<br />

- Viele stark deskriptiv, keine gute Vorhersage von Verhalten<br />

- Dennoch werden sie weit verbreitet dazu genutzt, wichtige Entscheidungen über das Leben von Personen zu<br />

treffen & v.a. in Arbeitssituationen oft von Nicht‐Psychologen blind interpretiert (Fehlerquellen!)<br />

- Nur ca. 10% der Varianz im beobachteten Verhalten geht auf Traits <strong>zur</strong>ück 90% der Varianz durch andere<br />

Faktoren als den Effekt der Persönlichkeit beeinflusst!<br />

- Verbesserungen, die diese Kritik hervorbrachte: Assessment‐Pakete <strong>zur</strong> Erfassung der Persönlichkeit (nicht<br />

mehr nur ein Test), v.a. in Arbeitssituationen<br />

7. <strong>Vorlesung</strong>: Eysencks<br />

Persönlichkeitstheorie<br />

Hans J. Eysenck (1916‐1997)<br />

- Biologische Theorie der Persönlichkeit<br />

- 3‐Faktoren Theorie (PEN)<br />

Faktor 1: Extraversion<br />

Faktor 2: Neurotizismus<br />

Faktor 3: Psychotizismus


27<br />

- Psychotizismus<br />

- Extraversion<br />

- Neurotizismus<br />

- Introvertiert vs. extravertiert & labil vs. Stabil<br />

- Melancholiker: introvertiert & labil<br />

- Phlegmatiker: introvertiert & stabil<br />

- Choleriker: extravertiert & labil<br />

- Sanguiniker: extravertiert & stabil<br />

Eysencks Forderungen an Persönlichkeitstheorien<br />

- <strong>zur</strong> Vermeidung von Zirkularität (trotzdem aber nicht auszuschließen!):<br />

- 1. methodisch exakte Vorgehensweise bei der Messung von „Traits“<br />

- validierte Fragebögen (MMPI, EPI, EPQ)<br />

- Einsatz von sog. „Objektive Verfahren“ (Reaktionszeiten, EEG…)<br />

- 2. Entwicklung von prüfbaren Theorien (damit auch falsifizierbar!) <br />

experimentelles Vorgehen<br />

- 3. Belege einer biologischen Basis eines Traits (physiologische Korrelate)<br />

- 4. Faktorenanalyse nur hypothetico‐deduktiver Einsatz<br />

Eysencks PEN‐Modell<br />

- Psychotizismus:<br />

- Impulsiv<br />

- Aggressiv<br />

- Unempathisch<br />

- Kalt<br />

- Kreativ<br />

- Egozentrisch<br />

- Hart<br />

- Unpersönlich<br />

- Unsozial<br />

- Extraversion:<br />

- Sensation‐seeking<br />

- Sozial<br />

- Sorgenfrei/unbeschwert<br />

- Lebendig<br />

- Dominant<br />

- Aktiv<br />

- Aufgeschlossen<br />

- Bestimmend<br />

- Abenteuerlich<br />

- Neurotizismus<br />

- Angespannt<br />

- Ängstlich<br />

- Irrational<br />

- Depressiv<br />

- Schüchtern<br />

- Schuldgefühle<br />

- Launisch<br />

- Niedriges Selbstbewusstsein<br />

- Emotional<br />

- Hierarchie (gilt für alle 3 Faktoren)<br />

- Typen‐Niveau (Faktor, z.B. Extraversion)<br />

- Trait‐Niveau (Facette, z.B. Impulsivität, Aktivität, etc.)<br />

- Habit‐Niveau (z.B. Dauer der Entscheidungsfindung)<br />

- Reiz‐Reaktions‐Niveau


28<br />

Erregungs‐Hemmungs‐Theorie der Extraversion<br />

- Extraversion: gesellig, lebhaft, aktiv, durchsetzungsfähig, Erlebnis suchend,<br />

sorglos, dominant, aufgeschlossen, abenteuerlustig<br />

- Exzitatorische Potentiale:<br />

- Langsam & schwach extravertierte Verhaltensmuster (Erregung<br />

erwünscht)<br />

- Schnell & stark introvertierte Verhaltensmuster (Erregung<br />

unangenehm)<br />

- Reaktive Hemmungen:<br />

- Schnell & stark extravertierte Verhaltensmuster<br />

- Langsam & schwach introvertierte Verhaltensmuster<br />

Arousal‐Theorie der Extraversion<br />

- Arousal = allgemeine, unspezifische Aktivierung mit zentralnervösem Ursprung<br />

- Ziel: Erreichen eines wachen, aktivierten Zustandes<br />

- d.h. Bewusstsein braucht Arousal<br />

- Reduktion von Arousal Schlaf<br />

- Yerkes‐Dodson‐Gesetz: umgekehr‐U‐förmiger Zusammenhang zwischen Leistung<br />

& Arousal<br />

- Entstehungsorte & Verbreitungsorte des Arousals: Reticulär‐Kortikales System: ARAS (aufsteigendes<br />

retikuläres Aktivierungssystem) im Hirnstamm (Formatio reticularis) Thalamus, Hypothalamus, Kortex<br />

Biologische Grundlage der Variation in Extraversion<br />

- Eysenck postuliert extraversionsspezifische Unterschiede in der zentral‐nervöser Aktivität im ARAS<br />

- Extravertierte: ARAS produziert geringes kortikales Arousal<br />

- Introvertierte: ARAS produziert hohes kortikales Arousal<br />

- Frage (bisher nicht geklärt): Erregungsschwelle oder absolutes Niveau des Arousals unterschiedlich?<br />

Extraversion, Arousal und Hedonischer Tonus nach Eysenck<br />

- Basierend auf dem Yerkes‐Dodson‐Gesetz<br />

- Extravertierte: optimaler Stimulationsgrad höher<br />

- Introvertierte: optimaler Stimulationsgrad niedriger<br />

- Introvertierte reagieren auf Stimulierung mit einem stärkeren Anstieg<br />

des Arousal als Extravertierte<br />

- Introvertierte sind üblicherweise stärker „aroused“ als Extravertierte<br />

Überprüfen der Eysenckschen Arousaltheorie (z.T. + Hemmungsttheorie)<br />

- 1. Reaktionen auf Stimulierung<br />

- 2. Orientierungsreaktion (Sokolov, 1963)<br />

- 3. Vigilanz (Daueraufmerksamkeit)<br />

- 4. Pupillometrie (Größe & Reaktivität)<br />

- 5. Klassische Konditionierung, Operante Konditionierung: Introvertierte leichter konditionierbar<br />

- 6. Elektrophysiologische Daten: EEG‐Maße, Herzaktivität, Hautleitfähigkeit<br />

- 7. Verbales Lernen und Gedächtnis<br />

- 8. Psychomotorische Leistungen<br />

- 9. Wahrnehmungseffekt<br />

- 10. Unterschiedliche dopaminerge Neurotransmitter‐Systeme (mesostriatal / mesolimbocortical)<br />

- 11. Unterschiedliche Responsivität (Dopamin)<br />

- 12. Sensomotorische Verarbeitung<br />

Zu 1.: Sensorische Stimulation<br />

- Einstellen der Intensität eines Ton für ein nachfolgendes Lernexperiment<br />

- Reaktion auf den gewählten Ton in der folgenden Lernaufgabe


- Ergebnisse:<br />

- Introvertierte wählen leiseren Ton, Extravertierte wählen lauteren Ton<br />

- Leistungsabfall in Lernaufgabe bei beiden geringer, wenn sie tatsächlich mit ihrem jeweils gewählten<br />

Ton lernen<br />

- Introvertierte zeigen starken Leistungsabfall, wenn sie mit lautem Ton der Extravertierten lernen<br />

- Extravertierte zeigen Leistungsabfall, wenn sie mit leisem Ton der<br />

Introvertierten lernen<br />

Zu 6.: Elektrophysiologische Daten<br />

- Ereigniskorrelierte Potentiale (gemittelte EEG Kurven)<br />

- N1 = Negative Komponente im ereignis‐korrelierten Potential ca. 100 ms nach<br />

Reizbeginn<br />

- Ergebnisse:<br />

- N1 (Introvertierte) > N1(Extravertierte) bei 80db Ton<br />

- Extravertierte: SCR (Hautleitfähigkeit) bei 80dB sehr gering, bei 100dB extrem<br />

hoch<br />

- Introvertierte: SCR bei 80dB mittel, bei 100dB leicht erhöht<br />

Zu 7.: Gedächtnis<br />

- Introvertierte: Je länger das Retentionsintervall, umso mehr Wörter erinnern sie<br />

durchschnittlich<br />

- Extravertierte: Je länger das Retentionsintervall, umso weniger Wörter erinnern<br />

sie durchschnitlich<br />

Zu 9.: Spiralnacheffekt<br />

- Vorhersage:<br />

- Extravertierte: größerer Effekt, kurze Adaptation<br />

- Introvertierte: kleinerer Effekt, längere Adaptationsphase<br />

Zu 12.: Sensomotorische Verarbeitungsgeschwindigkeit und Extraversion<br />

- Extravertierte verarbeiten schneller motorisch<br />

- Introvertierte verarbeiten schneller sensorisch<br />

Alltagsbeobachtungen und Arousal‐Theorie<br />

Extravertierte<br />

Schmerzunempfindlicher<br />

Langsamer müde<br />

Aufregung erhöht Leistung<br />

Berufswahl: Interaktionen mit Menschen<br />

Sucht Zerstreuung der Berufsroutine<br />

Expliziter sexueller, aggressiver Humor<br />

Sexuell aktiver<br />

Leicht beeinflussbar<br />

Laute Musik, „Lärm“ beim Lernen in Bibliothek<br />

In Schule schlechter (aber nicht unintenlligenter!)<br />

Bewertung der Arousal‐Theorie<br />

- einfach, klare Hypothese ableitbar<br />

- Viel Forschung, aber inkonsistente Befundlage<br />

- Theorie falsch oder nur falsche Operationalisierung?<br />

- Spezifizierungen erforderlich?!<br />

- Interaktionen zu anderen Persönlichkeitsmerkmalen<br />

- Einfluss des experimentellen Settings<br />

Neurotizimus<br />

Introvertierte<br />

Schmerzempfindlicher<br />

Schneller müde<br />

Aufregung wirkt leistungsmindernd<br />

Wahl einsamer Berufe (geringer Bedarf an neuen<br />

Erlebnissen)<br />

Bevorzugt intellektuelle Formen von Humor<br />

(Wortspiele, subtile Witze)<br />

Sexuell <strong>zur</strong>ückhaltender<br />

Nicht so leicht beeinflussbar<br />

Ruhige Plätze zum Lernen<br />

29


- Neurotizismus: ängstlich, niedergeschlagen, voller Schuldgefühle, niedriges Selbstwertgefühl, angespannt,<br />

irrational, schüchtern, launisch, emotional<br />

- Biologische Grundlage: Limbische System (Viszerales System; Amygdala, Hippocampus, Parahippocampal<br />

gyrus, Cingulum (Gyrus), Fornix, Hypothalamus, Thalamus,…)<br />

- nicht im pathologischen Sinne zu verstehen!<br />

- Personen mit hohen Neurotizismuswerten (N+) reagieren stärker auf emotionale Stimuli als emotional<br />

stabile Personen (N‐), insbesondere in Stresssituationen<br />

- „Aktivierung“ bzw. Activation („Arousal“ ist hier nicht richtig!)<br />

- Interaktion neuronaler Korrelate<br />

- Retikuläres Arousal (FR) beeinflusst nicht notwendigerweise limbische Aktivation (z.B. laute Musik)<br />

- Limbisches System beeinflusst aber immer FR und damit kortikales Arousal (Freude, Trauer)<br />

- Erklärung von Verknüpfung von N & E<br />

- Weniger Untersuchungen zu N als zu E<br />

Psychotizismus<br />

- Psychotizismus: aggressiv, kalt, egozentrisch, unpersönlich, impulsiv, antisozial, uneinfühlsam, kreativ,<br />

hartherzig<br />

- Benannt in Anlehnung an psychopathologische Phänomene der Psychose (insbesondere der Schizophrenie/<br />

Schizotypie) durch Eysencks Beobachtungen entwickelt)<br />

- aber nicht psychopathologisch zu verstehen!!<br />

- Linksschiefe Verteilung: konfundiert mit „Sozialer Erwünschtheit“<br />

- Kalte vs. warme Aggression?<br />

- wenig untersuchtes Konstrukt<br />

- Zusammenhänge mit anderen Persönlichkeitsmerkmalen<br />

- Impulsivität vs. Impulskontrolle<br />

- Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit (Big 5) … „Über‐Ich“<br />

- Zuckermann, 1991: P‐ImpUSS (Psychotizismus,<br />

Impulsivität, unsoziales Sensation Seeking)<br />

- Dopaminerges System (indirekte Belege): Amphetamine,<br />

Cortisol<br />

Messung der Faktoren<br />

- Deutsche Fassung der Eysenck‘s Personality Questionnaire<br />

- 102 Item‐Fragebogen <strong>zur</strong> Erfassung der 3 Eigenschaften<br />

Verfahren <strong>zur</strong> Erfassung der Konstrukte nach Eysenck<br />

- 1. MMQ (Maudsley Medical Questionaire): Erfassung von N<br />

- 2. MPI (Maudsley Personality Inventory): Erfassung von N & E, dt. Version eine Lügenskala aus MMPI<br />

beigestellt<br />

- 3. EPI (Eysenck Personality Inventory): Parallelskalen: A & B erfassen jeweils N & E + L‐ Skala<br />

- 4. EPQ (Eysenck Personality Questionaire): Erfassung von P, E, N, L<br />

- Übersetzung in viele Sprachen <strong>zur</strong> Prüfung der Universalität der Konstrukte & Adaptation in<br />

verschiedenen Ländern<br />

- 5. EPQ‐R (revidierte Form des EPQ): Vor allem Verbesserung der P‐Skala durch Austausch von Items<br />

- 6. EPQ‐RK (Kurzfassung)<br />

30<br />

Evaluation der Theorie von Eysenck<br />

- Gut verständlich<br />

- Nicht alle Aspekte sind gleich gut entwickelt (v.a. Entwicklung, biologische Basis)<br />

- Stark auf genetische Faktoren fokussiert, sozialer Kontext wird weitaus weniger beachtet Eysenck dazu:<br />

Persönlichkeit bestimmt in gewisser Hinsicht die Situationen, die sich das Individuum aussucht (fragwürdig!)<br />

- Hoher heuristischer Wert: Vertreter des Behaviourismus (Verhaltenstherapie) übte starke Kritik an allen<br />

anderen Therapieformen Evaluationswelle in Therapie


31<br />

- Hoher Anwendungswert: nicht nur Beschreibung von Persönlichkeit, sondern auch Erklärung für<br />

Persönlichkeitsunterschiede (genetische Studien, biologische Theorie)<br />

- Außerdem: recht robustes Maß für Persönlichkeit<br />

- Seinem Ansatz folgte viel Forschung!<br />

- Zu sparsam, da nur 3 Faktoren (siehe Evaluation der Trait‐Theorien)<br />

8. <strong>Vorlesung</strong>: Genetik<br />

Biologische Persönlichkeitsansätze ‐ Genetik<br />

- 1. Genetik<br />

- 2. Verhaltensgenetik<br />

- 3. Erblichkeit und/oder Umgebung<br />

- 4. Molekulargenetik<br />

DNA (Desoxyribonukleinacid)<br />

- Gen: Abschnitt auf der Desoxyribonukleinsäure,Erbanlage mit spezifischer Funktion<br />

- Allel: mögliche Ausprägungen eines Gens, das sich an einem bestimmten Ort auf einem Chromosom<br />

befindet<br />

- Hier sind Variationen möglich! (z.B. Augenfarbe) über Menge der Basenpaare (bp): Adenin ‐ Thymin &<br />

Cytosin ‐ Guanin; kurze & lange Basenpaare<br />

- ca. 99.9% des menschlichen Genoms ist identisch!<br />

Gene und Co.<br />

- Genotyp = Genetischer Code (auf DNA), individueller Zusammenstellung der Gene im Zellkern<br />

- Phänotyp = Erscheinungsbild, Summe aller äußerlich<br />

feststellbaren Merkmale eines Individuums; Gene & Umwelt<br />

- Wozu gehören die Persönlichkeitseigenschaften?<br />

Heritabilität (Erblichkeit, h²)<br />

- h² = Maß für mittleren Varianzanteil für ein bestimmtes<br />

Verhalten, das auf Gene <strong>zur</strong>ückgeführt werden kann<br />

- Erblichkeitsschätzung eines Verhaltens in einer Population<br />

Additivitätsannahme<br />

- In diesem einfachen Modell wird angenommen, dass der<br />

Phänotyp eines Merkmals (z.B. Intelligenz, Persönlichkeit) additiv<br />

zusammengesetzt ist & sich zu 100% aus Genen & Umwelt ergibt<br />

- Es kann individuell variieren, daher „mittlerer Varianzanteil“!<br />

- Erblichkeitsschätzungen nie auf Individualebene (s.u.)<br />

Verhaltensgenetik<br />

- Methoden <strong>zur</strong> Erhebung der genetischen Erblichkeit:<br />

- Familienstudien<br />

- Zwillingsstudien<br />

- Adoptionsstudien<br />

- Basierend auf der Annahme „gemeinsamer Gene“<br />

- 50% mit jedem Elternteil<br />

- 50% mit Geschwistern<br />

- aber auch bei Geschwistern nur als geschätztes Mittel, denn:<br />

Entwicklung ein‐ und zweieiiger Zwillinge & Idee der Zwillingsstudien


32<br />

- MZ: d.h. identisches Genmaterial = 100%<br />

- DZ: d.h. nicht identisches Genmaterial = im Mittel 50% (wie „normale“ Geschwister)<br />

Annahmen der Studienarten (vereinfacht)<br />

- Vergleich Zwillinge (MZ/DZ), normale Geschwister (NG), Adoptivkinder<br />

(AK) & Eltern im Verhalten (Persönlichkeit)<br />

- Zusammen aufgewachsen (A; 100% gleiche Umwelt) oder getrennt aufgewachsen<br />

(B: 0% gleiche Umwelt)<br />

Zwillingsforschung erstmal intuitiv!<br />

- Korrelationen zwischen Geschwistern (MZ/DZ) werden erhoben<br />

- (Korrelationen zwischen MZ – Korrelationen zwischen DZ) x 2 = Erblichkeit h 2 (z.B.<br />

von Extraversion)<br />

Erblichkeitsschätzung für Persönlichkeit aus Zwillingsstudien<br />

- z.B. getrennt lebende Zwillinge (MZ): Neurotizismuswerte korrelierten zu rMZ = .70<br />

- hohe Korrelation erlaubt aber zunächst keine Rückschlüsse hinsichtlich der<br />

Genetik Warum?<br />

Korrelationen zwischen ein‐ und zweieiigen Zwillingen (gemeinsam<br />

aufgewachsen)<br />

- Annahmen: Umwelt jeweils 100%, Gene 100 bzw. 50%<br />

- Korrelationen ergeben: rMZ > rDZ Erblichkeit<br />

- Erste Evidenz: Big Five Eigenschaften scheinen genetisch<br />

determiniert zu sein<br />

- Replikation über verschiedene Nationen ergeben: rMZ > rDZ<br />

Erblichkeitsschätzung (h²)<br />

- h ² soll Varianz, die auf genetische Unterschiede rückführbar ist, schätzen!<br />

- Es gibt unterschiedliche Schätzer (mathematisch überführbar):<br />

Erblichkeitsschätzung (h²) aus unterschiedlichen Zwillingsstudien


33<br />

Zusammenfassung aus Zwillingsstudien<br />

- Ergebnisse implizieren Erblichkeit der grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften (3 bzw. 5‐Faktoren)<br />

beträgt ca. 29 – 58%<br />

- Entscheidende Frage: Kann man das so sagen?<br />

- Antwort: Zwillingsstudien reichen nicht aus, weitere Perspektiven erforderlich! Wie helfen<br />

Adoptionsstudien?<br />

Adoptiertes Kind, biologische (BE) bzw. Adoptiveltern (AE)<br />

- BE: Gemeinsame Gene, aber keine gemeinsame Umwelt<br />

- AE: Gemeinsame Umwelt, aber keine gemeinsamen<br />

Gene<br />

- Korrelationen (r) für extraversionsverwandte<br />

Eigenschaften ergeben: rBE > rAE<br />

- Weitere Evidenz: Persönlichkeit scheint genetisch<br />

determiniert zu sein<br />

Eineiige bzw. zweieiige Zwillingen (je getrennt & zusammen aufgewachsen)<br />

- Für E & N: Gene wichtiger als Umwelt; für Offenheit nicht!<br />

Probleme und Grenzen der Verhaltensgenetik<br />

- Maß für Umwelteinflüsse:<br />

- 70% genetisch d.h. 30% Umwelt?! NEIN!<br />

- Additivitätsannahme zu einfach! Nicht: Gene + Umwelt (.70 + .30 = 1.0) Das würde bedeuten, es kann<br />

immer nur ein Aspekt einen sehr hohen Wert annehmen (oder beide mittel)<br />

- Sondern eher: Gene x Umwelt (.8 x .9 = .72) Hier können beide Aspekte eine wichtige Bedeutung haben<br />

Interaktion!<br />

Erblichkeit und Umgebung<br />

- „Gene“ & „Umwelt“ sind hier abstrakte Größen, daher schwer numerisch ausdrückbar<br />

- Populationsabhängige Größen nur im Mittel (s.o.) & nicht individuell übertragbar<br />

- Sind Schätzer wirklich sinnvolle Größen für so spezifische Aspekte?


34<br />

Unterschiedliche genetische Varianz (GV)<br />

- 1) Additive GV (enge Erblichkeit): genetische Varianz im<br />

Verhalten, von Eltern geerbt (=h 2 )<br />

- 2) Dominante GV (breite Erblichkeit): nicht additiv<br />

- dominante Gene<br />

- rezessive Gene<br />

- 3) Epistatische (interaktive) GV (breite Erblichkeit): nicht additiv<br />

- ein Gen kann die Unterdrückung der phänotypischen Ausprägung eines anderen Gens bewirken<br />

- Bsp.: Merkmal A (schwarz/braun (A, a)) kann sich nur ausprägen, wenn Merkmal B (farbig/nicht‐farbig<br />

(B, b)) vorhanden ist<br />

- Alle 3 GV ergeben die totale genetische Varianz der Persönlichkeit<br />

- Für Zwillingsstudien könnte das bedeuten:<br />

- MZ = 1 x Additive GV + 1 x Nicht‐Additive GV (anstatt nur 1 x<br />

additive GV)<br />

- DZ = 0.5 x Additive GV + 0.25 x Nicht‐Additive GV (anstatt nur 0,5 x additive GV)<br />

- Somit sind die bisherigen Erblichkeitsschätzungen (h²) viel zu ungenau, da diese sich nur auf additive GV<br />

beziehen!<br />

Geteilte und nicht‐geteilte Umwelt<br />

- 2 Arten, wie nicht‐geteilte Umweltfaktoren entstehen: innerhalb der Familie & außerhalb der Familie<br />

- 3 Wege, wie geerbte Gene den Phänotyp beeinflussen, basierend auf der familiären Umwelt:<br />

- 1) passives Modell: Persönlichkeit lässt sich aus den 50% der Überlappung zwischen Kind & Elternteil<br />

erklären; geteilte Gene beeinflussen Verhalten des Kindes<br />

- 2) Kind‐Effekt Modell: Gene (und nur diese!) verursachen Verhalten beim Kind, das wiederum<br />

ähnliches oder gleiches Verhalten beim Elternteil hervorruft<br />

- 3) Eltern‐Effekt Modell: Verhalten des Kindes verursacht Antwort beim Elternteil, die wiederum<br />

Antwort des Kindes hervorruft; Verhalten des Elternteils hat Einfluss auf Entwicklung des Kindes!<br />

- können zu Über‐ oder Unterschätzungen der Erblichkeit führen<br />

- Bsp.: Zwillinge, einer aktiv, einer ruhig<br />

- Eltern bestärken beider in ihren natürlichen Tendenzen größere Unterschiedlichkeit <br />

Unterschätzung der Erblichkeit<br />

- Eltern bestärken beide in entgegengesetzter Tendenz größere Ähnlichkeit Überschätzung der<br />

Erblichkeit<br />

- Was in den Studien „geteilt“ heißt, ist nicht gleich „geteilt“!<br />

- Umwelt außerhalb der Familie (sehr wichtig für Persönlichkeitsentwicklung)<br />

- Kontext‐spezifische Sozialisation (zu Hause, im Unterricht, mit Freunden, mit „Feinden“)<br />

- Soziale Gruppen: Peers, Vereine…<br />

- Kulturelle Einflüsse<br />

Weitere Grenzen der Verhaltensgenetik<br />

- Repräsentativität Zwillings‐ und Adoptionsstudien<br />

- Adoptionsfamilien nicht repräsentativ („Mittelschicht“ oder besser, bzw. ähnliche Schicht)<br />

- MZ werden oft ähnlicher behandelt als andere Geschwister (also mehr gemeinsame Umgebung als DZ)<br />

- soziökonomischer Status von Adoptionsfamilien mittel bis hoch<br />

- Assortatives Mating (gesteuerte Partnerwahl)<br />

- Bsp.: schlau sucht schlau (positiver Zusammenhang), introvertiert sucht extravertiert (negativer<br />

Zusammenhang) keine zufällige Auswahl des Partners Einfluss auf Erblichkeitsschätzungen<br />

Somit weitere Varianzanteile<br />

- a² = h² = additive genetische Varianz<br />

- d² = nicht‐additive genetische Varianz<br />

- c² = geteilte Umgebungsvarianz<br />

- e² = nicht geteilte Umgebungsvarianz<br />

- Dominanzabweichung, Epistase, nicht selektive Partnerwahl


35<br />

- Sowie:<br />

- Kovarianz: Umwelt und Gene (COV U,G )<br />

- Interaktion zwischen Umwelt und Genen (U x G)<br />

- Phänotypische Varianz = a² + d² + c² + e² + (U x G) + Fehlervarianz<br />

- Fehlervarianz = nicht erklärte Varianz (z.B. Messfehler)<br />

Molekulargenetik<br />

- Quantitative Trait Loci (QTL): Phänotypische Eigenschaften, die zu unterschiedlichem Ausmaß variieren<br />

aufgrund der Interaktion zwischen 2 oder mehr Genen und ihrer Umgebung (multiple Gensysteme)<br />

Ethik und Molekulargenetik<br />

- Rasanter Fortschritt in Genetik!<br />

- Moralischer Fortschritt ebenso schnell?<br />

- Zukunft: Eignungsdiagnostik mittels Gentest?<br />

- Pro und Contra<br />

9. <strong>Vorlesung</strong>: Evolution<br />

Biologische Persönlichkeitspsychologie: Perspektiven<br />

- Biologischer Determinismus I: „Biologie“ des Menschen (Gene) beeinflusst Persönlichkeit<br />

- Gene Persönlichkeit<br />

- Biologischer Determinismus II: Psychologische Betrachtungsweise<br />

- Umwelt ↔ Physiologische Mechanismen ↔ Persönlichkeit<br />

- Auf der Suche nach physiologischen Korrelaten (und Indikatoren) der Persönlichkeit<br />

- Genetische Einflüsse nicht ausgeschlossen!<br />

Faktorenanalytische Trait‐Modelle mit biologischer Perspektive<br />

- Eysencks PEN‐Modell<br />

- Zuckermans Sensation‐Seeking‐Modell<br />

Biologische Persönlichkeitstheorien<br />

- Grays BIS/BAS‐Theorie<br />

- Cloningers Modell der Persönlichkeit<br />

Definitionen der Persönlichkeitsmerkmale von Gray<br />

- Ängstlichkeit<br />

- Persönlichkeitsmerkmal, das die intra‐individuelle, relativ stabile, aber interindividuell variierende<br />

Tendenz beschreibt, Situationen* als bedrohlich wahrzunehmen & hierauf mit einem erhöhten<br />

Angstzustand zu reagieren<br />

- *(selbstwertbedrohliche, physisch bedrohliche Situationen und durch soziale Interaktion)<br />

- Hochängstliche tendieren dazu, mehr Situationen als bedrohlich einzustufen als Niedrigängstliche<br />

- Abgrenzung zu Angst!<br />

- Impulsivität<br />

- stabiles Persönlichkeitsmerkmal, das bei hoher Ausprägung mit mangelnder Verhaltenskontrolle<br />

verbunden ist, d.h. Handeln ohne nachzudenken. Dies führt häufig zu schnellem, aber auch<br />

fehlerhaftem Verhalten (Dickman, 1990).<br />

- Kann unterschiedliche Ursachen und auf unterschiedliche Funktionen Auswirkungen (z.B. kognitiv,<br />

motorisch, Aufmerksamkeit) haben<br />

Grays BIS – BAS Theorie<br />

- Entwickelt an Tiermodellen<br />

- Biologische Mechanismen bewegen sich auf Dinge zu, die sie begehren<br />

- 3 Systeme:<br />

- 1. Behavioural Approach (Activation) System (BAS):


Verhaltensannäherung Belohnungsensitive Personen<br />

- 2. Behavioural Inhibition System (BIS): Verhaltensmeidung Bestrafungssensitive Personen<br />

- (3. Fight‐and‐Flight‐System)<br />

- Interaktion zwischen BIS & BAS im Gehirn ist Basis der Persönlichkeit<br />

- Verbindung der Theorie mit 2 Persönlichkeitsmerkmalen: Impulsivität (BAS) & Ängstlichkeit (BIS)<br />

Grays BAS/BIS Theorie: Reinforcement Sensitivitätstheorie/Modell <strong>zur</strong> Sensitivität des Verstärkungslernen<br />

- Hoch‐Impulsive: Suche nach Belohnung bzw. Ereignissen, die Belohnung versprechen<br />

- Niedrig‐Impulsive: keine Suche nach Belohnung und solchen Ereignissen<br />

- mehr oder weniger BAS‐Aktivität<br />

- Hoch‐Ängstliche: Vermeidung von Strafe und Situationen, die Strafen beinhalten könnten<br />

- Niedrig‐Ängstliche: Keine Vermeidung von Strafe und Situationen, die Strafen beinhalten könnten<br />

- mehr oder weniger BIS‐Aktivität<br />

36<br />

Methoden <strong>zur</strong> Überprüfung biologischer Theorien<br />

- Neurotransmitter<br />

- Gen‐Analysen<br />

- Pharmakologische Untersuchungen<br />

- Blut‐/ Liquoruntersuchungen<br />

- Hirnaktivität: Elektroencephalogramm (EEG)<br />

- Roh‐EEG (Frequenzbänder)<br />

- Ereigniskorrelierte Potentiale<br />

- Quellenanalyse<br />

- Peripher‐physiologische Aktivität:<br />

- Elektrodermale Aktivität (EDA)<br />

- Blutdruck & Puls & EKG<br />

- Bildgebende Verfahren<br />

- Funktionelle Magnet‐Resonanz‐Tomographie (fMRI)<br />

- Positronen Emissionstomograph (PET)<br />

- Optical Imaging<br />

- Verhaltensgenetik, Molekulargenetik<br />

Evolutionstheorien<br />

Darwin und die natürliche Selektion<br />

- Ziel evolutionärer Prozesse: Anpassung an die entsprechende Lebenssituation<br />

- individuelles Überleben & Überleben der eigenen Art<br />

- Spezifizierung<br />

- Domäne: Lösung spezifischer Probleme (z.B. opponierbare Daumen)<br />

- Funktionalität: Ziel einer Entwicklung ist die Funktion<br />

- Vielfältigkeit: mehrere adaptive Mechanismen, die ein Ziel haben<br />

- Persönlichkeitseigenschaften / Verhalten im Interesse von Soziobiologen<br />

- Bindung <strong>zur</strong> Mutter<br />

- Territorialverhalten, Aggression<br />

- Partnerwahlverhalten<br />

- Attraktivität & gleiche Gene


37<br />

- Altruismus<br />

- Entwicklung von unterschiedlicher Intelligenz/Persönlichkeit?!<br />

Partnerwahl und Geschlechtsunterschiede<br />

- Evolutionsbiologische Vorhersagen: Unterschiede in sexuellen Strategien<br />

Frauen<br />

Männer<br />

Reproduktive Beschränkungen Zeitlich und „räumlich“ begrenzt Ohne Grenzen lebenslang möglich<br />

Optimale Strategie<br />

Suchen & halten des qualitativ besten So viele wie möglich<br />

Partners<br />

Gesuchte Qualität beim Ressourcen Schutz & Unterstützung Gebärfähigkeit<br />

Anderen<br />

des Nachwuchses<br />

Bewertungsmaßstäbe des<br />

Anderen<br />

Verdienstmöglichkeiten, Status,<br />

Besitztümer, Großzügigkeit<br />

Körperliche Attraktivität,<br />

Gesundheit, Jugend<br />

Eifersucht Emotional Sexuell<br />

- Evolutionsbiologische Erklärung: sexuelle Strategien<br />

Männer<br />

Frauen<br />

Wenig Aufwand in Elternschaft<br />

Suche nach Männern mit unmittelbaren Ressourcen (Macht, Sta<br />

Mehr Kurzzeitbeziehungen (KZB)<br />

Geld, >Alter)<br />

Mehr Interesse an KZB<br />

Suche nach gutem Langzeitpartner (Stabilität, keine Promiskuitä<br />

Identifikation sexuell „williger“ Frauen; „prüde Fr<br />

sind doof“<br />

Kein hoher sozialer/emotionaler Einsatz für Bezie Ökonomische Präferenzen<br />

nötig<br />

Bei KZB nicht nötig, fruchtbare Frau zu finden<br />

In LZB reproduktionsfähige Frau<br />

Sexuelle Eifersucht in LZB (Vaterschaft?)<br />

Ähnlichkeit in der Persönlichkeit zwischen Partnern<br />

Spezies & Persönlichkeit<br />

- Mating‐Effort (Anstrengung bei der Partnerwahl) vs. Parental Investment (Aufwand in der Kindererziehung)<br />

- K‐Faktor: je mehr Mating‐Effort, desto weniger Anstrengung in der Kindererziehung notwendig (kleines K,<br />

eher bei Männern) ‐ und umgekehrt (großes K; eher bei Frauen)<br />

- Modell für Zwischenspezies‐Vergleich Anwendung auf Humanbereich<br />

Modell für Persönlichkeitsentwicklung aus einer evolutionären Perspektive<br />

- Neurotizismus, Extraversion & Verträglichkeit können auch bei Tieren gefunden werden wahrscheinlich<br />

früh im Evolutionsprozess entstanden niedrigere Stufe der evolutionären Persönlichkeitsentwicklung<br />

- Offenheit & Gewissenhaftigkeit reflektieren höhere evolutionäre Persönlichkeitsentwicklung<br />

- Spezies formen Gruppen & zeigen Anpassungen in ihrer Persönlichkeit, um ihre Überlebens‐ &<br />

Reproduktionschancen zu steigern


38<br />

Biologische Persönlichkeitspsychologie: Perspektiven<br />

10. <strong>Vorlesung</strong>: Intelligenztheorien<br />

Inhalt Intelligenztheorien:<br />

- Implizite Theorien (Laientheorien) der Intelligenz<br />

- Geschichte der Intelligenzmessung & des „Intelligenzquotienten“<br />

- Francis Galton, Alfred Binet<br />

- Intelligenzquotient<br />

- Erstes Intelligenzmodell und Intelligenzmessung<br />

- Charles Spearman<br />

- Wechsler Test: Messung von allgemeiner Intelligenz<br />

- Abweichungsquotient<br />

- Differenziertere Strukturmodelle der Intelligenz<br />

- Thurstones 7 Primärfaktoren<br />

- Raymond Cattell: Multiple‐Faktoren Modell<br />

- Guilfords Strukturmodell der Intelligenz<br />

- hierarchische Intelligenz‐Modelle<br />

Implizite Theorien (Laientheorien) der Intelligenz<br />

- Ideen von Intelligenz im Alltagsleben (wichtiger Aspekt im alltäglichen Leben, z.B. für Beruf, Alltag, Kinder)<br />

- Beeinflussen, wie Menschen ihre eigene Intelligenz und die anderer wahrnehmen & beurteilen <br />

Schlussfolgerungen & Bewertungen von alltäglichen Situationen<br />

- Ebnen den Weg für formellere Intelligenztheorien, die wissenschaftlich erforscht werden können<br />

- Bieten nützliche Zugänge <strong>zur</strong> Forschung, wenn explizite Theorien für falsch gehalten werden<br />

- Dienen als Informationsquelle über die vorherrschenden Ideen von Intelligenz im jeweiligen Land <br />

länderübergreifende Erforschung möglich<br />

Interkulturelle Unterschiede impliziter Intelligenztheorien<br />

- Westliche Kulturen (Individuum): kognitive Fähigkeiten, Gedächtnis, Schnelligkeit mentaler Prozesse,<br />

adäquater sprachlicher Ausdruck<br />

- Östliche Kulturen (Individuum, Familie, Freunde): soziale, historische & spirituelle Aspekte von<br />

Interaktionen, Kenntnissen und Problemlösen<br />

- China:


- Konfuzianisten: Nächstenliebe, Elternehrung, das tun, was richtig ist; Gutmütigkeit (benevolence)<br />

- Taoisten: Ordnung der Dinge, Ying‐Yang, Bescheidenheit, responsiv auf Veränderungen reagieren,<br />

Wissen und Verständnis von sich selbst & anderen<br />

- Indianische Kultur: Selbstbewusstheit (self awareness), Gewissenhaftigkeit, Wertschätzung anderer,<br />

Freundlichkeit, Interesse für andere, Bescheidenheit<br />

- Taiwan: kognitiver Intelligenzfaktor, interpersonelle Intelligenz, intrapersonelle Intelligenz, intellektuelle<br />

Selbstbehauptung, intellektuelle Selbstauflösung<br />

39<br />

Meinungen psychologischer Experten <strong>zur</strong> Intelligenz<br />

- Binet: Gut urteilen, gut verstehen, gut denken<br />

- Wechsler: Fähigkeit des Individuums, zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken & sich mit seiner<br />

Umgebung wirkungsvoll auseinanderzusetzen<br />

- Asendorpf: Fähigkeit zu hoher Bildung<br />

- Stern: personale Fähigkeit, sich unter zweckmäßiger Verfügung der Denkmittel auf neue Forderungen<br />

einzustellen<br />

- Boring: Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst!<br />

- Thorndike: Kraft guter Antworten vom Blickpunkt der Wahrheit oder Fakten aus<br />

- Terman: Fähigkeit zu abstraktem Denken<br />

- Thurstone: Kompetenz, eine instinktive Anpassung zu inhibieren, diese im Licht denkbarer „trial and error“<br />

neu zu definieren & die modifizierte instinktive Anpassung in offenem Verhalten zu realisieren (zum Vorteil<br />

des Individuums als sozialem Wesen)<br />

- Übergreifend: Anpassung an Umwelt, grundlegende mentale Prozesse, Aspekte von hochrangigem Denken<br />

(logisches Denken, Problemlösen, Entscheidungsfindung)<br />

- Uneinigkeit: Nur ein Aspekt oder Mehrzahl verschiedener Qualitäten/Fähigkeiten?<br />

- Beschreibung der „idealen intelligenten Personen“ variieren stark (je nachdem, was für eine Gruppe man<br />

fragt; Bsp.: Kunst‐, Wirtschafts‐, Philosophie‐ & Physikprofessoren)<br />

Geschichte der Intelligenzmessung & des „Intelligenzquotienten“ (IQ):<br />

Sir Francis Galton<br />

- 1822‐1911; England; Darwins Cousin<br />

- Annahme I: Intelligenz ist erblich<br />

- Erste Feststellung & Untersuchung von Intelligenzunterschieden<br />

- Annahme II: Intelligente sind gute Informationsverarbeiter (verschiedene Sinnesmodalitäten)<br />

- Sensorische Diskriminationsleistung (Temperatur, Schmerz) & Responsivität auf Stimulation<br />

(Reaktionszeit, Sehschärfe, Hörschärfe, Farbdiskrimination) bei geringerer Intelligenz vermutlich<br />

geringer/schlechter<br />

- Intelligenzmaße: Reaktionszeit, Sehschärfe, Hörschärfe, Farbdiskrimination, einfache Gedächtnisaufgaben,<br />

etc.<br />

- bezeichnet als Anthropometrie<br />

- Auch wenn heute Reliabilität & Validität einiger Maße fast lächerlich klingen, so unternahm er doch die<br />

ersten Versuche, Intelligenz zu messen & einige Maße werden auch heute noch verwendet (z.B.<br />

Reaktionszeiten)<br />

Alfred Binet<br />

- 1857‐1911; Frankreich<br />

- Entwickelte 1. Intelligenztest (Binet‐Simon‐Test, 1905)<br />

- 30 Aufgaben: für jede Altersstufe 5 Aufgaben, die von 50‐75% der Kinder der betreffenden Altersstufe<br />

gelöst werden konnten)<br />

- Von 3‐10 Jahren, später auch von 12‐15 Jahren & für Erwachsene<br />

- Modifikation des Binet‐Simon‐Tests (Terman, 1916): 1000 Kinder statt 50 von 4‐14 Jahren; Übertragung auf<br />

amerikanische Kinder<br />

- alltagsrelevante Aufgaben: Licht mit Augen folgen, Händeschütteln, Zählen von Münzen, Wortbedeutungen,<br />

Objektbenennung in Bild, Gedächtnisaufgaben, … (entsprechend dem Entwicklungsstand)


- Frage: Ist Kind besser/schlechter als sein biologisches Alter (Lebensalter; LA) erwarten lässt? Berechnung<br />

des mentalen Alters (Intelligenzalter; IA)<br />

- Ziel & Problem: Vergleichbarkeit nur zwischen Kindern gleichen Lebensalters<br />

40<br />

- (schafft alle Aufgaben des Tests für 7‐Jährige, 3 des Tests für 8‐Jährige, 3 des Tests für 9‐Jährige & 1 des<br />

Tests für 10‐Jährige)<br />

- Vergleich von Kindern zum Standard & untereinander<br />

Stern: Intelligenzquotient (1912)<br />

- Beobachtung an Binets Test, dass das Intelligenzalter mit dem Lebensalter proportional variiert<br />

- IQ = IA/LA x 100<br />

- Vergleich zwischen unterschiedlichen Altersgruppen möglich<br />

Yerkes: Army Alpha und Beta Test<br />

- 1. Weltkrieg: Suche nach guten Soldaten durch psychologisches Know‐How<br />

- viele Probanden mussten vermessen werden Gruppentestung erforderlich (war bisher nicht möglich, da<br />

pro VP ein VL benötigt wurde, der durch die Aufgaben führt)<br />

- Entwicklung der Testbatterien (Alpha‐Test & Beta‐Test)<br />

- Alpha Test:<br />

- Für gebildete Personen geeignet<br />

- Mündliche & schriftliche Aufgaben<br />

- 8 Aufgabentypen: Mündliche Anweisungen verstehen & befolgen, Arithmetische Probleme, praktische<br />

Beurteilungen, Synonyme‐Antonyme, vertauschte Sätze, unvollendete Zahlenreihen, Analogien,<br />

Alltagwissen<br />

- Beta Test:<br />

- Für weniger gebildete und fremdsprachige Personen geeignet<br />

- Kein Verständnis der englischen Sprache oder hohe Bildung (Lesen!) nötig<br />

- 7 Aufgabentypen: Labyrinth‐Aufgabe, Würfel zählen, X‐O Serien, Zahlen‐Symbole Zuordnung, Symbol‐<br />

Zahlen Zuordnung, Puzzle (Bild vervollständigen), Geometrische Konstruktionen<br />

- Bewertung über Buchstaben (Noten): A, B, C+, C, C‐, D, D‐<br />

- A = überdurchschnittlich<br />

- B, C+, C = durchschnittlich<br />

- C‐, D, D‐ = unterdurchschnittlich<br />

- 1,75 Millionen Personen wurden mit diesen Tests untersucht<br />

Intelligenzmodelle und Intelligenzmessung<br />

Charles Spearman: Zwei‐Faktoren Theorie<br />

- Basis: Faktorenanalyse


- Beobachtung: Korrelationen zwischen unterschiedlichen Intelligenztests wer gut in einem Intelligenztest<br />

abschneidet, tut dies auch bei anderen intellektuellen Tests, egal ob Mathe, Vokabular oder räumliches<br />

Vorstellungsvermögen<br />

- positive Mannigfaltigkeit (positive manifold)<br />

- Zwei‐Faktoren‐Theorie (allgemeine Intelligenz & spezifische Fähigkeiten)<br />

- g‐Faktor = Allgemeine Intelligenz<br />

- s‐Faktor = spezifische Fähigkeiten (z.B. Wortschatz, mathematische oder räumliche<br />

Fähigkeiten)<br />

- Alles mehr oder weniger intelligente Verhalten wird durch die Ausprägung einer<br />

Fähigkeit erklärt<br />

- Allgemeine Intelligenz als Art mentale Energie, die spezifischen Faktoren von<br />

Intelligenz zu Grunde liegt für jede Art von Intelligenztests nötig<br />

- Messung von “g”: über Wechsler‐Test & Raven Matrizen<br />

Wechsler Test: Messung von allgemeiner Intelligenz (g)<br />

- Hamburg‐Wechsler Intelligenztest für Erwachsene/Kinder (HAWIE/HAWIK)<br />

- Wechsler Adult Intelligence Scale (WAIS/WISC)<br />

- Wechsler Intelligenztest für Erwachsene (WIE)<br />

- Für alle Menschen jeglichen Alters geeignet (≠ Binet)<br />

- Aufgabenarten:<br />

- Arithmetik (verbal)<br />

- Block Design (Handlung)<br />

- Textverständnis (verbal)<br />

- Zahlenspanne (verbal)<br />

- Zahlen‐Symbole (Handlung)<br />

- Allgemein/Alltagswissen (verbal)<br />

- Objekte zusammensetzen (Handlung)<br />

- Bilderreihenfolgen (Handlung)<br />

- Bildervervollständigen (Handlung)<br />

- Ähnlichkeiten finden (verbal)<br />

- Wortschatz (verbal)<br />

- Beispiele: Bilderreihenfolgen (a), Block Design (b), Buchstaben‐Zahlen‐Sequenzen (c); logisches Denken:<br />

Matrizen (d) & Bildervervollständigung (e); Alltagswissen, Verständnis, Objektzusammensetzen, Arithmetik,<br />

Ähnlichkeiten finden, Wortschatz<br />

41<br />

Wechsler: Abweichungsquotient<br />

- Problem von Sterns IQ: bei Kindern enormer Intelligenzanstieg in wenigern Jahren ( deshalb hier noch<br />

geeignet), aber nicht tauglich für Erwachsene (mehr Jahre, weniger starker Zuwachs)<br />

- fairere Variante des Abweichungs‐IQ<br />

- IQ = (individueller Testwert / altersgemäß erwarteter Wert) x 100<br />

- Voraussetzungen: zu erwartende Werte („Intelligenznormen“) für jede Altersstufe herausfinden &<br />

Standardisierung<br />

- Mentales Alter (IA) schwankt im Vergleich zum Lebensalter (LA)!<br />

- 100 als durchschnittlicher IQ beibehalten<br />

- Abweichungs‐IQ: Abweichung vom Durchschnitts‐IQ von 100


42<br />

Raven: Progressive Matrizen<br />

- Messung von allgemeiner Intelligenz (g)<br />

- Raven’s Colored Progressive Matrices (CPM) (a)<br />

- Raven’s Standard Progressive Matrices (SPM) (b)<br />

- Raven’s Advanced Progressive Matrices (APM) (c)<br />

- Nonverbale Probleme (abstraktes logisches Denken) Frei von kulturellen Einflüssen & Sprachbarrieren<br />

- Für Kinder ab 6 Jahren & bis ins Erwachsenenalter zu gebrauchen<br />

- 60 items (5 Sets mit steigendem Schwierigkeitsgrad)<br />

- Gutes Maß für g (allgemeine Intelligenz), da abstrakte (theoretische) Fähigkeit erhoben wird<br />

Normalverteilung der Intelligenzwerte<br />

- Eine Standardabweichung = 15 IQ Punkte!<br />

- Mittelwert immer 100<br />

- 68% zwischen 85 & 115 (+ bzw. – eine<br />

Standardabweichung vom Mittelwert)<br />

- 95% zwischen 70 & 130 (+ bzw. – zwei<br />

Standardabweichungen vom Mittelwert)<br />

Traditionelle „Labels“ für IQ‐Punkte<br />

- Normen (bezogen auf Population)<br />

- Subgruppen (z.B. Alter, Geschlecht)<br />

- Stichproben: Soziodemographisch, soziale Klasse,<br />

Geschlecht, Regionen (Stadt, Land)<br />

Differenziertere Strukturmodelle der Intelligenz<br />

- Faktorenanalytisch belegte Intelligenztheorien<br />

- (Zwei‐Faktoren Theorie: ein Intelligenz‐Faktor <br />

Spearmans „g“‐Faktor)<br />

- Mehrfaktoren Theorien (Basis: Faktorenanalyse)<br />

- Thurstones sieben Primärfaktoren<br />

- Cattells: Fluide vs. Kristaline Intelligenz<br />

- Guilford: Würfelmodell<br />

- Hierarchische Intelligenz‐Modelle<br />

- Vernon<br />

- Cattell, Horn & Carroll<br />

- Jäger<br />

Thurstones 7 Primärfaktoren<br />

- Widersprach Spearman: „g“ beeinflusst nicht die spezifischen<br />

Fähigkeiten, sondern resultiert aus ihnen<br />

- Multifaktorieller Ansatz, Basis: Faktorenanalyse<br />

- Allgemeine Intelligenz resultiert aus 7 primären, mentalen Fähigkeiten:<br />

- 1. Verbal Comprehension (Wortschatz & Verständnis)<br />

- 2. Word Fluency (große Anzahl von Wörtern/Buchstaben generieren & effektiv nutzen)


- 3. Number (Geschwindigkeit & Präzision bei einfachen Rechenaufgaben)<br />

- 4. Space (räumliches Vorstellen)<br />

- 5. Memory (behalten paarweise gelernter Assoziationen)<br />

- 6. Perceptual Speed (Geschwindigkeit beim Vergleich oder Identifizieren visueller Konfigurationen)<br />

- 7. Reasoning (schlussfolgerndes Denken; Auffinden von Regeln); nimmt in Intelligenzforschung<br />

meisten Raum ein & wird von vielen Laien am ehesten als Intelligenzfaktor gesehen)<br />

- Erst 9, später 7 unabhängige Faktoren konnten von Thurstone bestätigt werden<br />

- Mehr oder weniger intelligentes Verhalten als Summe der Einzelausprägungen<br />

- Tests <strong>zur</strong> Erfassung der Primärfaktoren (erfassen nicht alle 7):<br />

- Intelligenzstrukturtest (IST2000)<br />

- Wilde Intelligenztest (WIT)<br />

- Leistungs‐Prüfsystem (LPS)<br />

- Kritik & Grenzen des Primärfaktoren‐Modells<br />

- Korrelation zwischen den als separat angenommenen Faktoren<br />

- Keine repräsentative SP für die Faktorenanalyse<br />

- Keine einheitlichen Replikationen<br />

Cattell: Fluide & Kristalline Intelligenz<br />

- Allgemeine Intelligenz („g“) beinhaltet 2 verschiedene Komponenten:<br />

- Fluide Intelligenz (gf)<br />

- aktive, geistige Aktivität bzw. Energie<br />

- erblicher Anteil der Intelligenz (beruht nicht auf Lernerfahrungen)<br />

- unabhängig von kulturellen Einflüssen<br />

- Fähigkeit, abstrakte Vergleichsprobleme zu lösen; Erlernen neuer Dinge; neue Beziehungen,<br />

Muster & Analogien verstehen<br />

- Von Geburt an vorhanden; stabilisiert sich im Erwachsenenalter<br />

- Voraussetzung für die kristalline Intelligenz<br />

- Kristalline Intelligenz (gc)<br />

- durch Umwelteinflüsse geprägt<br />

- erworbenes Wissen & Fähigkeiten (z.B. Faktenwissen)<br />

- von kulturellen Einflüssen abhängig<br />

- verbales & numerisches Problemlösen; Vokabelwissen, Verständnis, Allgemeinwissen<br />

- steigt mit dem Alter (kumulative Lernerfahrungen)<br />

- dynamische Beziehung zwischen diesen beiden Komponenten<br />

- Wechsler Tests messen z.T. kristalline Intelligenz (Verständnis, Wissen, Vokabular)<br />

- Ravens progressive Matrizen messen eher fluide Intelligenz (abstraktes Denken)<br />

- Eindeutige empirische Belege für diese Annahmen fehlen bisher!<br />

Guilfords Strukturmodell der Intelligenz (Würfelmodell)<br />

- Nahm allgemeine Intelligenz „g“ nicht an (≠ Spearman, Thurstone, Cattell)<br />

- Structure of Intellect (SI) Theorie<br />

- Intelligenz als Resultat von 150 (5x5x6) unabhängigen Fähigkeiten (3 Gruppen):<br />

- Operations (Vorgänge)<br />

- Mentale Prozesse<br />

- 5 Typen: Kognition, Gedächtnis, divergente & konvergente Produktion, Evaluation<br />

- Contents (Inhalte)<br />

- Mentales Material, auf dem Operations ausgeführt werden<br />

- 5 Typen: visuell, auditiv, symbolisch, semantisch, behavioral<br />

- Products (Produkte)<br />

- Form, in der Information aufbewahrt, verarbeitet & verwendet<br />

wird<br />

- 6 Typen: Einheiten, Klassen, Beziehungen, Systeme,<br />

Transformationen, Implikationen<br />

- Vorteile:<br />

- Hoher heuristischer Wert – erleichterte Entdeckung neuer Fähigkeiten<br />

43


- Einschluss kreativer Fähigkeiten & sozialer Intelligenz<br />

- Ansatzmöglichkeiten, musikalische & kinästhetische Fähigkeiten zu integrieren<br />

- Probleme:<br />

- Keine Unabhängigkeit der meisten Faktoren<br />

- Replizierbarkeit & Interpretierbarkeit der Faktoren<br />

- Psychometrisch kein Fortschritt <strong>zur</strong> Vorhersage schulischer Leistungen im Vergleich zu allgemeinen<br />

Intelligenztests<br />

Hierarchische Intelligenz‐Modelle<br />

- beinhalten einzelne Faktoren & nehmen g‐Faktor an<br />

- Basis: Faktorenanalyse<br />

Vernons hierarchische Theorie der Intelligenz<br />

- Verschiedene Stufen von Intelligenz<br />

- Spearman & Thurstone: keine Gruppenfaktoren, die “g” mit<br />

spezifischen Fähigkeiten verbinden<br />

- Intelligenz beinhaltet verschiedene Sets von Fähigkeiten, die auf verschiedenen Stufen beschrieben werden<br />

können (z.B. von spezifisch nach gruppiert nach allgemein)<br />

- verschiedene Gruppenfaktoren zwischen „g“ & „s“<br />

- 1. Stufe: „g“ als höchste Intelligenzstufe (wichtigster Faktor, der Intelligenz zu Grunde liegt; für größten<br />

Anteil der Varianz zwischen Menschen verantwortlich)<br />

- 2. Stufe: 2 Hauptgruppenfaktoren<br />

- verbal/educational (v:ed)<br />

- kinaesthetical/mechanical (k:m)<br />

- 3. Stufe: untergeordnete Gruppenfaktoren (von Hauptgruppenfaktoren abgeleitet)<br />

- V:ed: Kreativität, verbale, numerische, bildende& mathematische Fähigkeiten<br />

- K:m: praktische, mechanische, räumliche & physikalische Fähigkeiten<br />

- 4. Stufe: spezifische Intelligenzfaktoren (von untergeordneten Gruppenfaktoren abgeleitet)<br />

- z.B.: lesen, buchstabieren, Grammatik, Zeichensetzung; Objekte aus verschiedenen Blickwinkeln<br />

erkennen, Bewegungsvorstellung, räumliches Vorstellungsvermögen, …<br />

Jäger: Berliner Intelligenzstrukturmodell<br />

- allgemeine Intelligenz (g): 2 Komponenten<br />

- Denkoperationen (Verarbeitungskapazität, Einfallsreichtum, Gedächtnis,<br />

Bearbeitungsgeschwindigkeit)<br />

- Denkinhalte (numerisch, verbal, figural‐bildhaft)<br />

Andere Modelle mit anderer Pespektive<br />

- Sternbergs Triarchisches Model<br />

- Gardners Theorie der multiplen Intelligenzen<br />

Intelligenz und interessante „Effekte“<br />

- Mozart‐Effekt:<br />

- Verbesserung der räumlich‐zeitlichen Intelligenz‐Leistung durch das Hören einer Mozart‐Sonate<br />

- Flynn‐Effekt:<br />

- Kontinuierliche Zunahme der Werte in Intelligenztests überall auf der Welt über die Jahre hinweg<br />

- Größerer Anstieg fluider (nonverbaler) Intelligenz als kristalliner (verbaler) Intelligenz<br />

- 5 Hauptgründe aufgedeckt: Bildung, Erfahrenheit mit Testsituationen, Erziehungsstil & Frühförderung,<br />

visuelle & technische Umwelt, Ernährung<br />

- Savants: spezifische Hochbegabung mit ungewöhnlichen sozialen und/oder sonstigen Fähigkeiten<br />

44


45<br />

11. <strong>Vorlesung</strong>: Intelligenz: Erbe, Umwelt, Geschlechtsunterschiede<br />

Erblichkeit und Intelligenz<br />

- Erbe‐Umwelt‐Debatte zum Thema Intelligenz ist alt!<br />

- z.B. Galton (1865): Familienstudien Intelligenz ist erblich; „nature“ vs. „nurture“?; Zwillingsstudien<br />

- Methoden:<br />

- Zwillings‐ & Adoptionsstudien (siehe Persönlichkeitsforschung)<br />

- Erblichkeitsschätzung (h²): durchschnittliche Schätzung des Varianzanteils (von Intelligenz), der durch<br />

genetische Faktoren erklärt werden kann<br />

- Umweltschätzung: gemeinsame Umwelt (c²)<br />

- Aber auch hier gilt:<br />

- Additive & nicht additive genetische Varianz (Epistase, Dominanz)<br />

- Repräsentativität der Studienarten, gesteuerte Partnerwahl, nichtgeteilte/geteilte Umwelt<br />

Zwillingsstudien:<br />

- Newman et al. (1937)<br />

- 19 Paare getrennt aufgewachsener MZ: Rekrutierung über Radio & Zeitung<br />

- Zygositätsdiagnose: „Fern‐“diagnose (psych. Ähnlichkeit, Handlinien)<br />

- Trennung: 12 Paare im 1. LJ, 4 Paare im 2. LJ & 3 Paare später (Trennungsperiode: 11‐53 Jahre)<br />

- IQ‐Diagnostik: Stanford‐, Binet‐ & Otis‐Test<br />

- Ergebnisse: h² = .70; c² = .22<br />

- Selektionsproblem: Nähe zum Untersuchungsort, nicht immer vollständige Separierung (z.B. wohnten in<br />

Nähe)<br />

- Shields<br />

- N = 44 Paare; Rekrutierung über Radio<br />

- IQ‐Diagnostik: Domino‐Test, Mill‐Hill‐Vocabulary‐Scale<br />

- Zygositätsdiagnose: z.T. Blutuntersuchung, Handlinien, äußere Erscheinung<br />

- h² = .77<br />

- Problem: alle in naher Umgebung, große Altersschwankung<br />

- Loehlin & Nichols


46<br />

- N = 3014 Paare<br />

- Leistungsdiagnostik: Englisch, Mathematik, Sozial‐ & Naturwissenschaften, Wortschatz<br />

- h² = .48; c² = .38<br />

Bouchard: Minnesota‐Studie<br />

- Beginn der Studie: ab 1979 mehr als 100 Paare<br />

- 56 getrennt aufgewachsene, eineiige Mehrlingspaare (50 MZ & 2 <strong>Dr</strong>illingsgruppen mit je 3 Vergleichen)<br />

- 19‐68 Jahre (Mittleres Trennungsalter: 5M, mittleres Wiedersehensalter: 30 Jahre)<br />

- IQ‐Diagnostik: Raven‐Test; Wechsler‐Intelligenztest; Mill‐Hill‐Vocabulary‐Test<br />

- Korrelationen<br />

- Wechsler: r = .69; Kombination aus Raven & Mill‐Hill: r = .78<br />

- Zusätzlich auch Einschätzung des Umweltanteils durchgeführt<br />

- h² = .70, wobei immer noch prä‐ & perinatale Einflüsse mit hineinwirken!<br />

Konkordanzraten (Übereinstimmung) der Intelligenz: Ridley (1999)<br />

gleiches Intelligenzlevel bei 2 Individuen<br />

Nicht‐genetische Erklärungen<br />

- Ernährung (vgl. Flynn‐Effekt)<br />

- Bleiintoxikation während Schwangerschaft bzw. nach der Geburt<br />

- andere pränatale Faktoren: Rauchen, Alkohol<br />

- Geteilte/ungeteilte Umwelt: familienspezifische Aspekte, Schule, Freunde<br />

- Sozioökonomischer Status (r = .30 ‐ .40): IQ‐Punkterhöhung bei Familienwechsel<br />

- Familiengröße & Geburtenfolge (Belmont & Marolla)<br />

- Je größer die Familie, desto geringer der IQ: Mittelwert(1., 2. , 3. , 4. , 5) < Mittelwert(1., 2., 3.)<br />

- Geburtenfolge: 1. > 2. > 3<br />

- nicht repliziert von Rodgers et al. (2000): 11.406 Personen im Alter von 14‐22<br />

- Erklärungen<br />

- Ressourcen‐Verdünnung (erstmals von Galton): Ressourcen der Eltern (Zeit, Energie, Finanzen) nehmen mit<br />

steigender Kinderzahl ab<br />

- Konfluenz‐Modell (Zajonc): Tutoraufgaben der älteren Geschwister<br />

- Erziehung & Frühförderung<br />

- Kulturelle Einflüsse<br />

(Falsche) Implikationen der hohen Erblichkeitsschätzung<br />

- Weiss (2001): über die Vererbung von Intelligenz & die gesellschaftlichen Folgen: Deutschland in der<br />

Intelligenzfalle Wird unser Volk dümmer, weil die Hochbegabten immer weniger Kinder bekommen?<br />

- The Bell‐Curve (kognitive Elite, Zusammenhang zwischen „Rasse“ & Intelligenz, soziale Implikationen)<br />

- Sarrazin‐Diskussion: „Deutschland schafft sich ab“<br />

- Geschlechtsunterschiede<br />

Geschlechtsunterschiede & Intelligenz<br />

Historisches<br />

- Möbius (1900): „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“


- Schopenhauer (1831): „Sie sind sexus sequior (geringeres Geschlecht), das in jedem Betracht<br />

<strong>zur</strong>ückstehende, zweite Geschlecht, dessen Schwäche man demnach schonen soll, aber welchem Ehrfurcht<br />

zu bezeugen über die Maßen lächerlich ist und uns in ihren eigenen Augen herabsetzt.“<br />

- Mit der feministische Bewegung Gender‐Forschung & Intelligenz<br />

Geschlechtsunterschiede und Intelligenz: Allgemeine Intelligenz<br />

- meisten Studien zeigten keine Unterschiede (oder leichte Unterschiede in die eine oder andere Richtung)<br />

- Meta‐Analyse (Irwing & Lynn, 2005):<br />

- 57 Studien von 1939 – 2002 aus 30 Länder<br />

- 195 Stichproben mit insgesamt 80.000 Personen<br />

- Unterschiede in Abhängigkeit vom Alter: Mit Zunahme des Alters prägt sich der Geschlechtsunterschied in<br />

der allgemeinen Intelligenz zugunsten der Männer aus<br />

- Positive Werte des d: Männer haben höhere Werte<br />

- Aber: d‐Werte klein bis mittel Effekte nicht sehr<br />

groß!<br />

Ergebnisse einiger Metaanalysen: Spezifische Aspekte der<br />

Intelligenz<br />

- Geschlechtsunterschiede und Intelligenz in der Adoleszenz:<br />

- M > F: Mechanisches Denken, Naturwissenschaftliches Denken, mentale Rotation, räumliche Wahrnehmung<br />

- F > M: Buchstabieren, Sprachverständnis, Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Sprachproduktion<br />

47<br />

Biologische Erklärungen<br />

- Lynn & Irwin (2005)<br />

- Allgemeine Intelligenz: F < M<br />

- Gehirngröße & Intelligenz (r = .33‐.43)<br />

- Männer haben im Durchschnitt 10% größere Gehirne<br />

- Warum nicht als Kinder & Jugendliche? unterschiedliche Entwicklungsrate (Mädchen entwickeln sich<br />

schneller als Jungs ähnliche Gehirngrößen ähnliche Intelligenzwerte)<br />

- Aber: nur geringe Effektgrößen!<br />

- Räumliche Intelligenz: F < M<br />

- Evolutionäre Hypothesen: Nahrungssuche, Spannweite der Partnersuche, Kriegsführung<br />

- Hypothesen zu Hirnfunktionen und Hirnareale (ff) & zu Testosteron (ff)<br />

Hirnareale & Geschlechtsunterschiede (Haier et al. 2005)<br />

- 14 Frauen & 9 Männer (mittleres Alter 27)<br />

- 12 Frauen & 13 Männer (mittleres Alter 59)<br />

- Wechsler‐Test & MRI‐Untersuchung<br />

- Männer<br />

- Graue Substanz in bilateralem LF (Areale 8, 9) & linkem LP (Areale 39, 40, Wernicke)<br />

- Sprachverständnis, Sprache mit natürlichem Rhythmus<br />

- Mehr Areale mit grauer Substanz, die mit IQ zusammenhängen<br />

- Intelligenz hängt bei Männern mit grauer Substanz zusammen<br />

(Informationsverarbeitung)<br />

- Frauen<br />

- Graue Substanz in rechtem LF (Areale 10, 44, 45; Broca)


- Interpretation von Stimuli, verbale Prozesse, Koordination der Sprachorgane (Sprachproduktion &<br />

Grammatik)<br />

- Mehr Areale mit weißer Substanz, die mit IQ zusammenhängen<br />

- Intelligenz hängt bei Frauen mit weißer Substanz zusammen (Informationsübertragung)<br />

- Hemisphärenunterschiede<br />

- Lateralisierungsunterschiede & Hormon‐Zyklus<br />

Testosteron‐Hypothese<br />

- Aufgabe: Routen finden geschlechtsspezifische Strategie‐Arten<br />

- Frauen: Relative Richtungen, Landmarken, Regeln lernen<br />

- Männer: Streckenlänge, Maßeinheiten, Himmelsrichtungen<br />

- Östrogen kein Zusammenhang <strong>zur</strong> Leistung<br />

- Testosteronspiegel (nur bei Männern): positive Korrelation <strong>zur</strong> Strategie<br />

- Testosteronspiegel & mentale Rotation (bei Männern)<br />

Nicht‐biologische Erklärungen<br />

- Stereotype außerhalb der Schule<br />

- Intelligenzentwicklung & Spielzeug (Präferenzen bereits mit 9 Monaten)<br />

- Spielzeugpräferenz bei Affen auch geschlechtsabhängig<br />

- auch untypischen Präferenzen, aber typische werden verstärkt durch Eltern & andere Kinder<br />

- Spielorte (drinnen vs. draußen)<br />

- Übertragene „Selbsterfüllende Prophezeiung“ der Eltern (Identifikation mit gleichgeschlechtlichem<br />

Elternteil)<br />

- Stereotype innerhalb der Schule<br />

- Ähnliche Leistungen, aber unterschiedliche Fächerwahl<br />

- Mathematik & Naturwissenschaften (Suche/Vermeidung der Fächer) Räumliche Fähigkeiten (allg.<br />

Intelligenz)<br />

- Selbsterfüllende Prophezeiung<br />

- Lehrer, Eltern, andere Schüler/innen<br />

- Stereotype (Be‐)<strong>Dr</strong>ohung (sich unter Beobachtung fühlen; Bestätigungssuche, dass man „dumm“ ist)<br />

- Mathetest (Spencer et al., 1999) mit und ohne „Stereotypen Bedrohung“<br />

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