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Zunkunftsmodell Inklusion - Humanwissenschaftliche Fakultät

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Carolin Schwack unter Supervision von Karl J. Kluge<br />

Ein Leitfaden zur Vorbereitung für<br />

Lehrerinnen und Lehrer.<br />

©Carolin Schwack & Karl J. Kluge, 01.07.2013


Inhalt<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................................... 4<br />

TABELLENVERZEICHNIS ......................................................................................................... 4<br />

VORWORT: „WIE ICH ZUR INKLUSION KAM – EIN AUFRICHTIGES BEKENNTNIS!“<br />

.............................................................................................................................................. 5<br />

EINLEITUNG ..................................................................................................................... 9<br />

1.“INKLUSION GELINGT WENN MAN SIE WILL“ (KARL JOSEF KLUGE) – SCHRITT 1:<br />

INKLUSION IN DER THEORIE ..................................................................................... 12<br />

1.1 „INKLUSION ALS MEHRWERT VON INTEGRATION“ – INKLUSION UND ANDERE WICHTIGE<br />

BEGRIFFLICHKEITEN UND STANDPUNKTE .............................................................................. 12<br />

1.2 GESCHICHTLICHER HINTERGRUND – WIE ALLES BEGANN… ............................................ 19<br />

1.3 BEDEUTSAME DOKUMENTE: „SCHRIFTLICHES“ FESTHALTEN AN INKLUSION .................. 21<br />

1.3.1 Salamanca Erklärung ............................................................................................... 21<br />

1.3.2 UN Konvention ......................................................................................................... 22<br />

1.3.3 KMK ......................................................................................................................... 24<br />

1.3.4 NRW-Änderung des Schulgesetzes .......................................................................... 26<br />

1.4 BLICK ÜBER DEN ZAUN - INKLUSION IM INTERNATIONALEN VERGLEICH ........................ 27<br />

1.5 INDEX FÜR INKLUSION – EIN ERSTER WEG ZUR UMSETZUNG ........................................... 30<br />

1.5.1 Loslegen!! – Mit dem Index für <strong>Inklusion</strong> ................................................................. 31<br />

2. GELINGENSFAKTOREN FÜR INKLUSION – SCHRITT 2: DEN BEDARF<br />

ERKENNEN… .................................................................................................................. 34<br />

2.1 INHALTLICHE FORMEN – INKLUSION IN ALLEN FACETTEN ............................................... 35<br />

2.1.1 Ethnokulturelle Unterschiede .................................................................................. 36<br />

2.1.2 Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts ......................................... 36<br />

2.1.3 Unterschiede in den sozialen Lebensformen ........................................................... 36<br />

2.1.4 Sozio- ökonomische Unterschiede ........................................................................... 37<br />

2.1.5 Ausgrenzung aufgrund von Behinderung ................................................................ 37<br />

2.2 ORGANISATIONSFORMEN – THEORETISCHE FORMEN DER UMSETZUNG ........................... 38<br />

2.2.1 <strong>Inklusion</strong>splanung – verpflichten, vernetzen und los geht’s! ................................... 40<br />

2.2.2 Ressourcenmanagement – den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern gerecht<br />

werden .............................................................................................................................. 40<br />

2.2.3 Kommunikative Strukturen – ohne Kommunikation läuft nichts!............................ 42<br />

2.2.4 Lehreraus- und Fortbildungen – Ressourcen schaffen durch Fortbildungen............ 43<br />

2.2.5 Lerninhalte und inklusive Didaktik – Fächerübergreifende Kompetenzen und individuelle<br />

Förderung, statt einer übertriebenen Ausrichtung auf die Fachwissenschaften .............. 45<br />

2.2.6 Individualisierung – Eigenständigkeit im Lernprozess vermitteln ............................ 46<br />

2.2.7 Evaluieren – Erfolge und Hindernisse offenlegen .................................................... 47<br />

3. ZUKUNFTSMODELL INKLUSION – SCHRITT 3: INKLUSION IN DER PRAXIS 48<br />

3.1 UNTERRICHTSPLANUNGEN – MÖGLICHKEITEN, IDEEN, VISIONEN, UMSETZUNG!?! ......... 50<br />

3.1.1 PLANUNG IM TEAM – KOOPERATION IM KOLLEGIUM ALS ENTLASTUNG IM UNTERRICHT51<br />

3.1.2 Umgang mit heterogenen Lerngruppen – Verschiedenheit im Unterricht .............. 53


3.1.3 Delegation von Aufgaben – Ideen zur Entlastung der Lehrperson im inklusiven Unterricht<br />

.......................................................................................................................................... 56<br />

3.1.3.1 Nonpersonale Hilfen – Entlastung durch Aufgaben und Methoden .................... 56<br />

3.1.3.2 Personale Hilfen – Entlastung durch Schülerinnen und Schüler ............................ 58<br />

3.1.4 Weitere Möglichkeiten – Handlungsorientierter Unterricht: “vom Tun im Unterricht“ 63<br />

3.2 CLASSROOM MANAGEMENT – ORGANISATIONSSTRUKTUREN ALS MÖGLICHKEITEN ZUR<br />

VERBESSERUNG DER UNTERRICHTSKULTUR ......................................................................... 66<br />

3.3 LEISTUNGSBEWERTUNGEN – WIE KÖNNEN LEHRPERSONEN, SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER IN<br />

IHRER VIELFALT GERECHT BEWERTEN? ................................................................................. 70<br />

3.3.1 Lernentwicklungsberichte – schriftliche Beurteilung statt Ziffernnoten .................. 71<br />

3.3.2 Portfolioarbeit – Transparenz in der Beurteilung .................................................... 72<br />

3.3.3 Leistungsmessung nach Maria Montessori – Im Mittelpunkt das Kind ................... 74<br />

3.3.4 Vereinbarung von <strong>Inklusion</strong> und Notengebung - Mit vielen Teilnoten zu einer Gesamtnote<br />

.......................................................................................................................................... 75<br />

3.4. Empfehlungen zur Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> – ein weiterer Leitfaden für die Praxis 77<br />

3.4.1 VORSCHLÄGE UND IDEEN NEHMEN KEIN ENDE – INKLUSION WIRD GREIFBAR .............. 78<br />

4. PRAXISBEISPIEL BERG FIDEL – SCHRITT 4: DIE KONKRETE UMSETZUNG VON<br />

INKLUSION ...................................................................................................................... 81<br />

4.1 DIE SCHULE - GRUNDVORAUSSETZUNGEN ...................................................................... 81<br />

4.2 EINBLICKE IN DEN SCHULALLTAG ................................................................................... 82<br />

4.3 WERTSCHÄTZUNG DER KINDER - HALTUNG IM KOLLEGIUM .......................................... 83<br />

4.4 PRAKTISCHE IDEE FÜR DEN UNTERRICHT ........................................................................ 84<br />

AUSBLICK – INKLUSION: EIN RIESE IN DER BILDUNGSLANDSCHAFT ............ 86


Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Darstellung der Themenschwerpunkte ....................................... 11<br />

Abbildung 2: Der Index-Prozess und der Planungskreislauf der Schulentwicklung<br />

(Boban/Hinz 2003, S.19) ............................................................. 32<br />

Abbildung 3: Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong> (Reich 2012, S.104ff) ............. 35<br />

Abbildung 4: Sonderpädagogische Förderquoten nach Ländern und Förderort<br />

(Reich 2012, S.83) ....................................................................... 38<br />

Abbildung 5: Schulentwicklung durch Gemeinsamen Unterricht (Düring 2003, S.63)<br />

..................................................................................................... 48<br />

Abbildung 6: Faktoren im Unterricht (Von der Groeben 2008, S.14ff.) .......... 54<br />

Abbildung 7: Faktoren im Unterricht (erweitert).............................................. 55<br />

Abbildung 8: Unterstützung für die Lehrperson ............................................... 63<br />

Abbildung 9: Vorschläge Klemm, Preuss-Lausitz im Überblick ..................... 78<br />

Abbildung 10: Prozessverlauf freier Froscherclub (ebd. S.53) ......................... 85<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Tabelle1 ............................................................................................ 57<br />

Tabelle 2: Tabelle2 ............................................................................................ 60<br />

Tabelle 3: Transformation von Lehrfunktionen des Lehrers in Lerntätigkeiten der<br />

Schüler (Wocken 2011, S.148) ......................................................... 61<br />

Tabelle 4: Tabelle4 ............................................................................................ 65<br />

Tabelle 5: Proaktive und Reaktive Kriterien (Vgl. Hennemann/Hillenbrandt 2010,<br />

S.25) .................................................................................................. 69<br />

Tabelle 6: Morgendlicher Ablauf (Vgl. Stähling/Wenders 2012, S.20ff.) ....... 83


Vorwort: „Wie ich zur <strong>Inklusion</strong> kam – ein aufrichtiges Bekenntnis!“<br />

In meiner Lebensgeschichte finde ich schon im Grundschulalter Anknüpfungspunkte<br />

für meine Begeisterung für pädagogische <strong>Inklusion</strong>. Damals in den 90er Jahren,<br />

besuchte ich „eine integrative Klasse.“ Wir waren eine der ersten Klassen, in der<br />

Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam lernten. In unserer<br />

Klassengemeinschaft wurde jeder so wertgeschätzt wie er kam. Ich weiß noch, wie<br />

sehr wir uns an der ersten Beteiligung eines Mitschülers erfreuten. André, ein<br />

Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, hatte sich zuvor selten in<br />

das Unterrichtsgeschehen eingebracht. Eines Montag morgens im Stuhlkreis meldete<br />

er sich zum aller ersten Mal. Er hob seinen Daumen nach oben. Sofort wurde er von<br />

einer Mitschülerin „drangenommen“, alle hörten gespannt zu, was André von seinem<br />

Wochenende berichtete.<br />

Schon im Alter von 10 Jahren wurde mir klar, dass es kein besser oder schlechter<br />

zwischen Menschen in ihrer Entwicklung geben kann, weil jeder Mensch etwas zu<br />

einer Gemeinschaft beiträgt. Deshalb fasste ich den Entschluss,<br />

Sonderschulpädagogin zu werden. In den vielen Praktika im Verlauf meines<br />

Studiums erfuhr ich, welche Einschränkungen Kinder und Jugendliche erfahren,<br />

wenn sie nicht die Möglichkeit finden in eine Regelschule integriert zu werden.<br />

Schüler berichteten mir von ihren Erfahrungen mit Ausgrenzung. Viele von ihnen<br />

fühlten sich gesellschaftlich nicht akzeptiert. Auf eine Sonderschule gehen zu<br />

müssen empfanden sie als soziale Ausgrenzung von der Gesellschaft. Ich erschrak<br />

bezüglich ihrer Einstellung zum Leben, da viele zutiefst daran glaubten, „nichts wert<br />

zu sein“, weil sie eine Sonderschule besuchten. „Ich finde später sowieso keine<br />

Arbeit, warum soll ich dann für die Schule lernen?“, ist eine Aussage zu der ich oft<br />

nicht wusste, was ich sagen sollte, weil ich den Frust der Schülerinnen und Schüler<br />

auf das Schulsystem verstehen konnte.<br />

Im Studium hörte ich von <strong>Inklusion</strong> zum ersten Mal. Bis dahin hatte ich mich mit<br />

Integration von Menschen mit Behinderung beschäftigt. Als ich von dem<br />

grenzenlosen Denken durch <strong>Inklusion</strong> in einer Einführungsveranstaltung aufgeklärt<br />

wurde, war es um mich geschehen. <strong>Inklusion</strong> war der Anfang und das Ziel meiner<br />

beruflichen Karriere. Ich trat der „Fachschaft für <strong>Inklusion</strong>“ bei, um weitere<br />

Mitstreiter kennen zu lernen, wir tauschten uns aus und diskutierten über<br />

Veränderungen im Schulsystem. Außerdem planten wir regelmäßig Veranstaltungen,


um auch andere Menschen für <strong>Inklusion</strong> zu begeistern. Ich beschäftigte mich mit<br />

vielen Theoretikern der <strong>Inklusion</strong> wie Hans Wocken oder Georg Feuser. So fand ich<br />

heraus, wie weitreichend sich „inklusives Denken“ zurückverfolgen lässt. Besonders<br />

beeindruckt hat mich die Reformpädagogik, unter anderem Maria Montessori, die<br />

schon 1890 Ideen zur Vielfältigkeit von Schule entwickelte, die bis heute an<br />

Aktualität nicht verloren haben. Auch mein Austauschjahr in Schweden bekräftigte<br />

meine Euphorie für schulische <strong>Inklusion</strong>. Im letzten Jahr begann ich mit der<br />

Entwicklung eines Schulkonzeptes für eine inklusive Montessori Schule in<br />

Sendenhorst. Ich erklärte mich deshalb für diese Aufgabe bereit, weil ich es als eine<br />

erste Chance wahrnahm, meine Ideen von <strong>Inklusion</strong> in der Praxis umzusetzen.<br />

Diesen Sommer, besuchen die ersten Schülerinnen und Schüler eine Schule, die den<br />

Anspruch der <strong>Inklusion</strong> in ihrem Schulkonzept verankert hat. Dort heißt es:<br />

Die Gedanken der Vielfalt werden in der Montessori Sekundarschule<br />

Sendenhorst kontinuierlich und beharrlich organisatorisch, strukturell und vor<br />

allem weltanschaulich verankert. Eines der obersten Ziele dieser Schule ist es,<br />

allen Kindern ein erfolgreiches Lernen zu ermöglichen, um somit allen<br />

Kindern den Weg in eine gelingende Zukunft zu ebnen (Pädagogisches<br />

Konzept der Montessori Sekundarschule Sendenhorst 2012, S.23).<br />

Für die Zukunft wünsche ich mir die Gründung weiterer „Schulversuche“, die den<br />

Anspruch der <strong>Inklusion</strong> in ihr Konzept mit aufnehmen und in der Bildung und<br />

Erziehung von Kindern und Jugendlichen verwirklichen.<br />

Obwohl ich mich, in den letzten Studienjahren, sehr mit dem Thema <strong>Inklusion</strong><br />

beschäftigt habe, erhielt ich nicht auf alle Fragen eine Antwort. Es gibt Dinge, die<br />

nur durch Erfahrungen beantwortet werden können, zum Beispiel das Inkludieren<br />

von Schülerinnen und Schülern mit Schwerstmehrfachbehinderungen. Ich verstehe<br />

insofern Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie nicht weiter wissen, weil <strong>Inklusion</strong> sie<br />

überfordert. Ich weiß, dass der Beruf der Lehrerinnen und Lehrer stets eine große<br />

persönliche Herausforderung darstellt. Deswegen sind vielen Lehrpersonen<br />

Veränderungen nicht immer willkommen. Dennoch glaube ich nicht daran, dass das<br />

Schulsystem, so wie es jetzt ist, richtig ist.<br />

An der Rosenmaarschule in Köln sammelte ich erste praktische Erfahrungen, wie<br />

<strong>Inklusion</strong> pädagogisch und beziehungspsychologisch „funktionieren“ kann. Zum<br />

Ende meines Studiums der Sonderpädagogik erlaube ich mir Studierenden und<br />

Lehrerinnen und Lehrern an Regelschulen, sowie Sonderpädagoginnen und<br />

Sonderpädagogen Mut zu machen, Ja zur <strong>Inklusion</strong> zu sagen. In einem Gespräch


eröffnete mir Karl-J. Kluge: „Wir haben mehr Möglichkeiten, wenn wir die innere<br />

Einstellung zur Schule ändern“, Und daran glaube ich fest.<br />

Sonderschule kann nicht das Ziel sein!<br />

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass diese Arbeit nicht dem Anspruch<br />

gerecht werden kann, alle Förderschwerpunkte mit einzubeziehen. Mir ist bewusst,<br />

dass sich die einzelnen Förderschwerpunkte im Hinblick auf <strong>Inklusion</strong> stark<br />

unterscheiden, um dies mit Stephan Ellinger und Roland Stein auszudrücken:<br />

Die Situation von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf im Bereich<br />

Geistiger Entwicklung stellt sich […] völlig anders dar als diejenige von<br />

Schülerinnen und Schülern mit Körper- oder Sinnesbehinderungen oder auch<br />

mit Lernbeeinträchtigungen. Wiederum völlig anders dürfte die Lage für den<br />

Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sein (Ellinger; Stein<br />

2012, S.86).<br />

Und so versuche ich in dieser Arbeit mögliche Hinweise und Ideen zu sammeln, die<br />

mit den unterschiedlichen Förderschwerpunkten vereinbar werden könnten. Es<br />

müssen in Zukunft weitere Erfahrungen aus der Praxis und Ergebnisse der<br />

empirischen Forschung darüber mitentscheiden, wie sinnvoll die vorgestellten<br />

Maßnahmen sind. Außerdem ist das Mitdenken von allen Beteiligten eine<br />

Grundvoraussetzung, um die Ideen und den Traum vom Inkludieren<br />

menschengerecht umsetzen zu können.<br />

Ich erlaube mir all jenen Dozenten und Dozentinnen der <strong>Humanwissenschaftliche</strong>n<br />

<strong>Fakultät</strong> an der Universität zu Köln zu danken, die mir ihre Vorstellungen und<br />

Visionen der <strong>Inklusion</strong> vorlebten und mich befähigten, in <strong>Inklusion</strong>sklassen zu<br />

arbeiten.


Jedem meiner Dozentinnen und Dozenten gilt mein Dank!<br />

Außerdem danke ich den Kommilitonen, die mich auf meinem Weg begleitet haben<br />

und mich durch ihre Disskusionsfreude in meinem Standpunkt bestärken konnten.<br />

Mai 2013 Carolin Schwack


Einleitung<br />

Am 20.12.2012 entschied die NRW Landesregierung, dass <strong>Inklusion</strong> an<br />

Regelschulen erst ein Jahr später beginnt (Vgl. Kellers 2012, S.1). Bis 2014 muss<br />

von der Landesregierung geklärt sein, wie die gewünschte <strong>Inklusion</strong> finanziert und in<br />

der Schulwirklichkeit umgesetzt wird. Bisher fühlen sich viele Lehrerinnen und<br />

Lehrer an Regelschulen mit dem politischen Anspruch der schulischen <strong>Inklusion</strong><br />

überfordert. Diese müssen auf den Prozess der <strong>Inklusion</strong> vorbereitet werden. Die Not<br />

von Lehrerinnen und Lehrer wird in dieser Arbeit aufgegriffen, weil ohne<br />

„erziehungspsychologische Stabilität“, schulische <strong>Inklusion</strong> in Frage gestellt werden<br />

muss. Die Arbeit befasst sich deshalb mit Grundvoraussetzungen für das Gelingen<br />

von <strong>Inklusion</strong> in der Schule. Die grundlegende Fragestellung lautet: Wie können sich<br />

RegelschullehrerInnen und FörderschullehrerInnen wirksam und nachhaltig auf die<br />

geforderte <strong>Inklusion</strong> vorbereiten? Vielfältige Antworten auf vielfältige Themen, die<br />

damit in Verbindung stehen, werden beleuchtet und diskutiert. Die Arbeit gliedert<br />

sich in vier Teile: In den ersten beiden Teilen wird <strong>Inklusion</strong> von der Theorie her<br />

vorgestellt. Die letzten beiden Teile befassen sich mit Umsetzungsideen.<br />

Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem theoretischen Hintergrund vom<br />

humanitären Wert der <strong>Inklusion</strong>. Dazu gehören der Versuch einer Definition von<br />

<strong>Inklusion</strong>, <strong>Inklusion</strong> und deren Abgrenzung zu anderen bereits vorgegebenen<br />

Begrifflichkeiten, der geschichtliche Hintergrund und wichtige Dokumente, die die<br />

Prozesse der <strong>Inklusion</strong> vorangetrieben haben. Ein internationaler Vergleich mit den<br />

Schulsystemen in Deutschland, Schweden und Kanada, verdeutlicht<br />

Denkunterschiede einzelner Länder im Hinblick auf <strong>Inklusion</strong>. Am Ende des ersten<br />

Kapitels wird der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ von Tony Booth und Mel Ainscow<br />

beleuchtet. Dieser darf als einer der ersten Leitfäden betrachtet werden, der es<br />

Lehrerkollegien ermöglicht, sich intensiv mit <strong>Inklusion</strong> und dem Standpunkt der<br />

eigenen Schule zu beschäftigen.<br />

Im zweiten Teil dieser Arbeit geht es um „Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong>“. Dazu<br />

zählen inhaltliche Faktoren, wie zum Beispiel ethnokulturelle Unterschiede oder<br />

unterschiedliche soziale Lebensformen. Aufgrund von solchen Unterschieden kommt<br />

es zur Ausgrenzung von Menschen in unserer Gesellschaft. Der Prozess der<br />

<strong>Inklusion</strong> beansprucht Menschen in ihrer Toleranz zu befördern, um Ausgrenzung zu<br />

verringern. Deswegen werden mögliche Organisationsformen analysiert, die nach


Meinung von Kersten Reich, das Planen von <strong>Inklusion</strong> erleichtern und Ausgrenzung<br />

verringern. Zu den erwünschten Organisationsformen zählen laut Reich:<br />

<strong>Inklusion</strong>splanung, Ressourcenmanagement, kommunikative Strukturen, Lehrerausund<br />

-fortbildungen, Lerninhalte, sowie inklusive Didaktik, Individualisieren und<br />

Evaluieren. Alle diese Organisationsformen müssen gefördert und von Lehrerinnen<br />

und Lehrern garantiert werden, um <strong>Inklusion</strong> sinnvoll umsetzen zu können.<br />

Im dritten Teil der Arbeit werden direkte Chancen der Umsetzung vorgestellt. Die<br />

konkreten Umsetzungen sind teilweise Folgerungen aus den beiden ersten Kapiteln<br />

und teilweise erste Antworten auf konkrete Fragestellungen, die in der Literatur<br />

immer wieder auftauchen. Zu Beginn dieses Kapitels, geht es um<br />

Unterrichtsplanung. Es werden Vorschläge und mögliche Hilfestellungen vorgestellt,<br />

die das Unterrichten für heterogene Lerngruppen ermöglichen. Anschließend wird<br />

Evertson´s Prinzip des „Classroom-Management“ beleuchtet, welches genutzt<br />

werden kann, um Störungen im Unterricht vorzubeugen. Darauf folgen<br />

Möglichkeiten zur Leistungsbewertung, deren Umsetzung es ermöglicht, einen<br />

„gerechten“ Weg der Beurteilung für heterogene Lerngruppen zu finden. Zum<br />

Abschluss des Kapitels, wird ein Leitfaden zur <strong>Inklusion</strong> von Ulf Preuss-Lausitz und<br />

Klaus Klemm vorgestellt, dessen Inhalte vorangegangene Vorschläge aufgreift, und<br />

sie in die Praxis einbettet.<br />

Im letzten Kapitel wird die Schule Berg Fidel und ihre Ansätze zum inklusiven<br />

Unterricht präsentiert. In dieser Schule wird schon seit Jahren inklusiv pädagogisch<br />

gearbeitet, sie gilt nach vielen <strong>Inklusion</strong>sforschern wie Hans Wocken oder Ines<br />

Boban als Beispiel für gelungene schulische <strong>Inklusion</strong> (Vgl. Stähling; Wenders 2012,<br />

S.215). Das Kollegium dieser Schule möchte <strong>Inklusion</strong> nicht mehr nur in der<br />

Primarschule umsetzen, sondern fordert die Erweiterung ihrer Schule auf die<br />

Sekundarbereiche eins und zwei, um <strong>Inklusion</strong> auch im Sekundarbereich zu<br />

etablieren.


<strong>Inklusion</strong> gilt als ein Prozess, der es ermöglicht, Ausgrenzung in den<br />

unterschiedlichsten Bereichen zu verringern und Teilhabe zu verwirklichen. Die<br />

Persönlichkeitsvielfalt von Schülerinnen und Schülern muss in einer guten Schule<br />

Anerkennung finden, weil jeder einzelne Schüler und jede einzelne Schülerin mit<br />

seinen und ihren einzelnen Begabungen, Beachtung finden muss. Dafür braucht<br />

<strong>Inklusion</strong> menschliche und professionelle Lehrerinnen und Lehrer mit<br />

leidenschaftlichem Engagement und Know-How, die individuelle Leistungen stärken<br />

und individuelle Grenzen respektieren. Ziel dieser Arbeit ist es, das Engagement und<br />

das Know-How von Lehrerinnen und Lehrern zu erweitern und zu unterstützen. In<br />

Abbildung eins ist eine Zusammenfassung der Themenschwerpunkte in dieser Arbeit<br />

dargestellt. Theorie und Praxis werden in dieser Arbeit aufgegriffen, um Vorschläge<br />

für eine mögliche Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> auswerten zu können.<br />

<strong>Inklusion</strong><br />

Theorie<br />

Praxis<br />

- Definition<br />

- Geschichte<br />

- Dokumentation<br />

- Gelingensfaktoren<br />

Umsetzung<br />

Abbildung 1: Darstellung der Themenschwerpunkte<br />

- Unterrichtsplanungen<br />

- Classroom- Management<br />

- Leistungsbewertung<br />

- Praxisbeispiel


1.“<strong>Inklusion</strong> gelingt wenn man sie will“ (Karl Josef Kluge) – Schritt<br />

1: <strong>Inklusion</strong> in der Theorie<br />

Seit die UN-Konvention 2009 für alle Vertragsstaaten in Kraft trat, sind die<br />

Bestrebungen in Richtung <strong>Inklusion</strong> in Deutschland aufgenommen und teilweise<br />

realisiert worden. Vorträge und Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer<br />

werden durch verschiedene Bildungsangebote mehr und mehr angeboten. Ein<br />

Beispiel sind die Vorträge und Angebote auf der diesjährigen „didacta 2013“ in<br />

Köln. Zahlreiche Referenten beschäftigten sich mit <strong>Inklusion</strong>, Möglichkeiten der<br />

individuellen Förderung und neuen Herausforderungen für Lehrerinnen und Lehrer.<br />

„Das Thema <strong>Inklusion</strong> ist das bildungspolitische Thema der Stunde und einer der<br />

Schwerpunkte der didacta 2013“(Kölner Stadtanzeiger 2013, S. 2). Doch bevor<br />

solche praktischen Angebote vorgestellt werden, ist es unverzichtbar, sich mit der<br />

Theorie von <strong>Inklusion</strong>, deren Hintergründe und Ideen zu beschäftigen.<br />

Im Jahr 2009 lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit<br />

„sonderpädagogischem Förderbedarf“, die inklusiv beschult wurden, bei 20,1% (Vgl.<br />

Klemm 2011, S.59). Im Gegensatz zu diesen waren es im Jahr 2000 nur 12,1%<br />

Schülerinnen und Schüler, die inklusiv beschult wurden. Trotz eines Anstiegs um 8%<br />

liegt Deutschland noch immer weit hinter anderen Ländern Europas, wie Schweden<br />

und Finnland, zurück. Das folgende Kapitel setzt sich mit den verschiedenen<br />

Beschlüssen und Gesetzesänderungen zum Prozess <strong>Inklusion</strong> auseinander, um den<br />

Lesenden in die Hintergründe und in die Theorie von <strong>Inklusion</strong> einzuführen. Nach<br />

einer Definition und der geschichtlichen Einbettung, werden wichtige Dokumente im<br />

Hinblick auf <strong>Inklusion</strong> erörtert. Dazu gehören: „Salamanca-Erklärung“, „UN-<br />

Konvention“, ein „Beschluss der Kultusministerkonferenz“ und die<br />

„Gesetzesänderung des Schulministeriums NRW“ von 2011. Einzelne Debatten und<br />

Beschlüsse zeigen auf, wie der Prozess der inklusiven Bildung bis heute verlief. Um<br />

den Wert der erbrachten <strong>Inklusion</strong> in Deutschland am internationalen Standard<br />

messen zu können, werden anschließend inklusive Bestrebungen aus dem<br />

internationalen Kontext präsentiert.<br />

1.1 „<strong>Inklusion</strong> als Mehrwert von Integration“ – <strong>Inklusion</strong> und andere wichtige<br />

Begrifflichkeiten und Standpunkte<br />

<strong>Inklusion</strong> kann als eine weitergedachte Integration definiert werden, weil sie als<br />

umfassender angesehen werden kann (Vgl. Reich 2012, S.39). Dieser


Definitionsversuch von Kersten Reich, wagt die Abgrenzung zwischen den<br />

Begrifflichkeiten <strong>Inklusion</strong> und Integration zu verdeutlichen. Integration ermöglicht<br />

Menschen mit Behinderung an der Institution Schule teilzunehmen, während<br />

<strong>Inklusion</strong> sich an den Bedürfnissen jeder Schülerin und jedes Schülers orientiert. Es<br />

kommt nicht mehr darauf an, ob ein Mensch „sonderpädagogischen Förderbedarf“<br />

beansprucht oder nicht, sondern auf die Individualität jedes Einzelnen mit seinen<br />

Stärken. Neben der Abgrenzung zur Integration, gibt es noch weitere pädagogische<br />

Phasen der Förderung. Hinz unterscheidet insgesamt fünf Phasen<br />

(sonderpädagogischer) Förderung: „Extinktion, Exklusion, Segregation, Integration<br />

und <strong>Inklusion</strong>“ (Vgl. Hinz 2007, S.23ff.). Diese Phasen sind für ihn keine<br />

aufeinanderfolgenden Phasen, sondern jede Phase steht für sich und kann getrennt<br />

von den anderen Phasen stattfinden.<br />

In der Phase der Extinktion wird Menschen mit Behinderung ihr Lebensrecht<br />

abgesprochen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Extinktion vernichtender<br />

Weise von Nationalsozialisten praktiziert. Millionen Juden und Menschen mit<br />

Behinderungen wurden um ihr Lebensrecht gebracht.<br />

In der Phase der Exklusion entwickeln sich zwei Gruppen: die eine findet Zugang zur<br />

Bildung und der anderen wird der Zugang zur Bildung verwehrt. In dieser Phase<br />

werden Menschen mit Behinderung als nicht bildungsfähig betrachtet bzw. von der<br />

Gesellschaft ausgeschlossen. Die Zustände für Menschen mit geistiger Behinderung<br />

Anfang des 19.Jahrhunderts, erweisen sich als ein Beispiel für „gesellschaftliche<br />

Exklusion“. Das gesellschaftliche Dasein von Menschen mit geistiger Behinderung<br />

in dieser Zeit beschreibt Barbara Fornefeld wie folgt: „Meist aber fristeten sie ein<br />

elendes gesellschaftliches Randdasein, angewiesen auf Almosen und abgeschoben in<br />

Klöstern, Armenhäusern […] oder verblieben in den Familien“( Fornefeld 2004,<br />

S.29).<br />

Auch in der Phase der Segregation bilden sich wiederum zwei Gruppen, dies wird in<br />

dieser Phase mit dem Begriff der „Zwei-Gruppen-Theorie“ beschrieben. Die „Zwei-<br />

Gruppen-Theorie“ teilt Menschen mit und Menschen ohne „sonderpädagogischen<br />

Förderbedarf“ in unterschiedliche Gruppen ein. Aus diesem Grund folgt die<br />

Beschulung der jeweiligen Gruppe in unterschiedlichen Institutionen. Diese Situation<br />

findet sich in Deutschland bis heute: dem Sonderschulsystem steht ein<br />

Regelschulsystem gegenüber. Schülerinnen und Schüler mit und ohne Förderbedarf<br />

werden größtenteils getrennt voneinander beschult, nur ca. 18% der Schülerinnen


und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in so genannten<br />

„integrativen“ Schulen unterrichtet (Vgl. Stähling; Wenders 2012, S.8).<br />

„Bei der Integration wird das segregative Gruppieren relativiert und punktuell<br />

durchbrochen […]“(Hinz 2007, S.26). Die Phase der Integration gilt als die erste<br />

Phase, bei denen es Schülerinnen und Schülern mit „sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf“ möglich wird, eine Regelschule zu besuchen. Jedoch hat in dieser<br />

Phase nicht jede Schülerin/jeder Schüler Anspruch auf einen Platz in der<br />

Regelschule, sondern „nur“ solche, die trotz ihres „sonderpädagogischen<br />

Förderbedarfs“ anpassungsfähig erscheinen. Hat ein Kind zum Beispiel eine<br />

Schwerstmehrfachbehinderung diagnostiziert, bleibt es oft in der Sonderschule, weil<br />

sich die Regelschulen auf „ein solches Kind“ nur schwer einstellen können bzw.<br />

wollen.<br />

<strong>Inklusion</strong> ist ohne Exklusion nicht zu haben, das bedeutet: in dem Maße in<br />

dem inklusive Bildungsangebote geschaffen werden, müssen für die, die nicht<br />

einbezogen werden können, für die sog. „Systemsprenger“, partielle<br />

<strong>Inklusion</strong>smöglichkeiten entwickelt werden( Fornefeld 2011, S.171).<br />

Derzeit ist es nicht möglich, für jedes Kind eine gelungene inklusive Lernlandschaft<br />

zu kreieren, die an die Bedürfnisse des Kindes angepasst sind, weil die dafür<br />

benötigten finanziellen Mittel fehlen. Das hat zur Folge, dass Kinder die<br />

anpassungsfähig erscheinen, eine Regelschule besuchen dürfen, alle anderen aber im<br />

System der Sonderschule verharren müssen. Diese Folgerung wird den Ansprüchen<br />

der <strong>Inklusion</strong> nicht gerecht, sondern bezieht sich auf die Forderungen der Integration,<br />

die aus den 80er Jahren stammen.<br />

Integration in Deutschland begann in den 80er Jahren, mit der Einführung von<br />

Integrationsklassen (Vgl. Antor 2006, S.77f.). Mit dieser Einführung wurde dem<br />

Grundrecht von Menschen mit Behinderung nach gleichberechtigter Teilhabe<br />

nachgegangen. Kinder mit und ohne Behinderung lernten berechtigt gemeinsam in<br />

einer Klasse. Die schulische Integration findet auch heute noch in verschiedenen<br />

Organisationsformen statt. Häufig werden Schülerinnen und Schüler mit<br />

„sonderpädagogischem Förderbedarf“ in sogenannten „integrativen Klassen“ oder<br />

auch „Integrationsklassen“ beschult, weil die bisherigen Möglichkeiten der<br />

individuellen Förderung an Regelschulen, aufgrund fehlender Sonderpädagogen, nur<br />

begrenzt möglich sind.


Die eine Seite fordert eine Doppelbesetzung in inklusiven Klassen, um allen Kindern<br />

gerecht werden zu könne. Die andere Seite argumentiert dagegen, dass eine<br />

Doppelbesetzung die Gefahr birgt, die Schülerinnen und Schüler in Förderkinder<br />

und Regelkinder zu teilen, statt gemeinsamen Unterricht zu ermöglichen (Vgl.<br />

Greiner 2013, S.2).<br />

Schülerinnen und Schüler mit „sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf“ werden aus dem Klassenkontext heraus genommen, um dem Schüler<br />

oder der Schülerin ein spezifisches sonderpädagogisches Setting zur Verfügung zu<br />

stellen. Diese Form von Integration beinhaltet nach Wocken ein „didaktisches<br />

Grundproblem“ (Wocken 2011, S.9), weil in jedem Klassenkontext unterschiedliche<br />

Kinder mit unterschiedlichem Material versorgt werden müssten. Kinder mit<br />

„sonderpädagogischem Förderbedarf“, die getrennt von ihrer Stammklasse<br />

unterrichtet werden und andere Materialien bearbeiten, als die „nichtbehinderten“<br />

Schülerinnen und Schüler, können in Schwierigkeiten geraten, den Anschluss an die<br />

Klassengemeinschaft zu finden. Durch Einzelintegration in einem separaten<br />

Lernraum, bekommen diese Schüler den Eindruck ein Alleinstellungsmerkmal zu<br />

haben, was dazu führen kann, dass die „zwei-Gruppen-Theorie“ auch in einem<br />

integrativen Kontext bestehen bleibt. Eine Studie aus Norwegen hat sich dieser<br />

Thematik angenähert und zwei Schülergruppen miteinander verglichen. In der einen<br />

Gruppe wurden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf<br />

innerhalb der Klasse gefördert und in der zweiten Gruppe fand für diese<br />

Schülerinnen und Schüler eine Förderung außerhalb der Klasse statt (Vgl. Myklebust<br />

2002, S.251). Das Ergebnis der Studie lautet:<br />

Specially adapted teaching in ordinary classes during the first school year<br />

results in the best progress, but also the highest dropout. Specially adapted<br />

programmes outside ordinary classes result in the poorest progress […] but<br />

here the dropout is distinctly lower (ebd. S.261).<br />

Auf der einen Seite belegt dieses Ergebnis, dass Schülerinnen und Schüler in<br />

inklusiven Settings zu sehr guten Ergebnissen kommen, auf der anderen Seite steht<br />

diesem positiven Ergebnis eine hohe „Dropout-Rate“ gegenüber. Dies ist bei der<br />

Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> zu beachten.<br />

Um <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen, muss es als eine weitergedachte Integration betrachtet<br />

werden. <strong>Inklusion</strong> kann als ein „gesellschaftliches Denkmodell“ gelten, indem alle<br />

Kinder angenommen werden wie sie sind, ohne sich an ein Schulsystem anpassen zu<br />

müssen. Nach Andreas Hinz beabsichtigt <strong>Inklusion</strong> ein selbstverständliches


willkommen heißen aller Kinder und Jugendlichen im allgemeinen Schulsystem<br />

(Vgl. Hinz 2007, S.29).<br />

Mit der Idee <strong>Inklusion</strong> fallen die gedachten Grenzen zwischen normal und behindert<br />

weg. Es gibt kein normal und behindert mehr, sondern eine Gemeinschaft, dessen<br />

Mitglieder individuell gefördert werden. Nicht nur das Kind mit Behinderung wird<br />

individuell betrachtet und nach seinen Bedürfnissen gefördert, sondern alle Kinder<br />

sollen das Privileg individueller Förderung erhalten. Das Aktionsbündnis<br />

Kinderrechte fordert aktuell in diesem Jahr einen neuen Artikel im Grundgesetz zu<br />

verankern, der die Rechte der Kinder nach inklusiver Bildung verstärkt. Dabei steht<br />

im Vordergrund, Kindern das Recht auf Förderung zur Entfaltung ihrer<br />

Persönlichkeit zu gewährleisten und die Meinung der Kinder angemessen zu<br />

berücksichtigen (Vgl. UNICEF 2013, S.1). Kinder mehr Selbstbestimmung und<br />

Förderung zukommen zu lassen, ist ganz im Sinne von <strong>Inklusion</strong>. Zwar ist diese<br />

Änderung im Grundgesetz zurzeit nur ein formulierter Vorschlag des Aktionsbündnis<br />

für Kinderrechte, der aber dennoch als eine ernstgemeinte Veränderung des<br />

gesellschaftlichen Denkens verstanden werden kann. Es tut sich was!<br />

Das zeigt auch der „kommunale Index für <strong>Inklusion</strong>“, der seinen Schwerpunkt auf<br />

den gesellschaftlichen Anspruch von <strong>Inklusion</strong> legt. Nach dem „kommunalen Index<br />

für <strong>Inklusion</strong>“, wird <strong>Inklusion</strong> von einem gesellschaftlichen Anspruch getragen, der<br />

besagt, dass allen Menschen eine chancengerechte Entwicklung ermöglicht und<br />

gewährleistet werden muss. „Lokal denken, global wirken“ lautet das Motto des<br />

kommunalen Index, dessen Ziel es ist, die Politik von <strong>Inklusion</strong> mit den<br />

umfangreichen gesellschaftlichen Aspekten zu verknüpfen (Vgl. Reich 2012,<br />

S.216f.). Um Chancengleichheit zu gewährleisten, müssen Menschen in unserer<br />

Gesellschaft umdenken, in Richtung <strong>Inklusion</strong>. In den <strong>Inklusion</strong>sdebatten geht es<br />

nicht mehr um die Sortierung nach Leistung, <strong>Inklusion</strong> ist eine gewollte<br />

Heterogenität (Wocken 2011, S.10ff.). Menschen mit verschiedenen Stärken und<br />

Schwächen lernen und leben gemeinsam. Es geht dabei um die Anerkennung jedes<br />

Einzelnen, um seine Stärken und Schwächen.<br />

Das Ziel schulischer <strong>Inklusion</strong> ist ein schulisches System, welches so flexibel<br />

ausgelegt werden kann, dass es die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen mit<br />

einbeziehen und auf sie reagieren kann. Kinder mit „sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf“ verlieren ihren „besonderen“ Status, weil es nicht mehr darum geht,


auf die Behinderung oder den Förderbedarf zu reagieren, sondern auf die Stärken und<br />

Schwächen die ein Kind mitbringt (Vgl. ebd. S.72). Die ersten Evaluationsergebnisse<br />

des „Rügener <strong>Inklusion</strong>smodells“ machen Mut, an einer Realisierung von <strong>Inklusion</strong><br />

im Schulsystem festzuhalten. Dabei wurden die Effekte von Unterricht und<br />

Förderung in der Schuleingangsphase an einer Regelschule und einer inklusiven<br />

Schule untersucht und miteinander verglichen (Vgl. Voß 2012, S.7). Die<br />

Grundschule auf Rügen kann als inklusive Schule bezeichnet werden, da an dieser<br />

Schule nach dem „Rügener <strong>Inklusion</strong>smodell“ auf Diagnoseförder- und<br />

Sprachheilklassen verzichtet wurde (Vgl. ebd. S.7). Die Grundschule in Stralsund ist<br />

eine Regelschule, die sich als Vergleichsschule bereit erklärt hat, an der Studie<br />

teilzunehmen. Die ersten Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass durch das „Rügener<br />

<strong>Inklusion</strong>smodell“ ein weitgehend inklusives Schulsystem zu realisieren ist (Vgl.<br />

ebd. S.99). Weitere Ergebnisse bleiben noch abzuwarten. Leider ist es in dieser<br />

Arbeit nicht möglich, auf das „Rügener <strong>Inklusion</strong>smodell“ weiter einzugehen, die<br />

Ergebnisse zu der Studie und eine umfangreiche Erläuterung finden sich im Internet.<br />

Weitere empirische Ergebnisse befassen sich mit der Realisierbarkeit und Effektivität<br />

von <strong>Inklusion</strong> an der Regelschule. Geoff Lindsay setzt sich in seiner Studie mit der<br />

Effektivität von <strong>Inklusion</strong> auseinander. Seine Antwort lautet:<br />

„Overall,the weight of evidence reviewed in this paper cannot be said to provide a<br />

clear endorsement for the positive effects of inclusion […] these studies were only<br />

marginally positive overall” (Lindsay 2007, S.16).


Es gibt noch zu wenig empirische Befunde, die sich mit schulischer <strong>Inklusion</strong><br />

beschäftigen. Das Forschungsfeld um <strong>Inklusion</strong> muss in Zukunft weiter untersucht<br />

werden, um eine präzisere Antwort auf die Frage nach der Effektivität von <strong>Inklusion</strong><br />

zu finden. Außerdem weist Lindsay darauf hin, dass die Forschung nur einen Faktor<br />

in der politischen Auseinandersetzung um <strong>Inklusion</strong> bildet: „It is important to<br />

recognize that research evidence is only one factor in policy formulation“ (Lindsay<br />

2007, S.2). Als weitere wichtige Faktoren für <strong>Inklusion</strong> benennt er Werte, Ideologie<br />

und den Zweck von <strong>Inklusion</strong> (Vgl. ebd. 2007, S.2). Die folgende Sichtweise von<br />

Georg Feuser kann als eine ideologische Sichtweise betrachtet werden, weil sie zum<br />

Umdenken auffordert.<br />

Der Gewinn einer schulischen <strong>Inklusion</strong> liege nach Feuser darin, die Behinderung als<br />

Teil eines Menschen anzusehen und nicht als ein Defizit, welches behoben werden<br />

muss. Ein bekanntes Zitat von Georg Feuser lautet: „Geistige Behinderung gibt es<br />

nicht“ (Feuser 1996, S. 1). Er<br />

Wahrnehmung jedes Menschen.<br />

begründet seine Aussage mit der persönlichen<br />

Es gibt Menschen die WIR aufgrund UNSERER Wahrnehmung ihrer<br />

menschlichen Tätigkeit im Spiegel der Normen, in dem WIR sie sehen, einem<br />

Personenkreis zuordnen, den WIR als „geistigbehindert“ bezeichnen (ebd. S.<br />

11).<br />

Dieses Zitat auf den Unterricht angewandt, setzt eine neue Ideologie von<br />

Behinderung und Begabung voraus. Weil jeder Mensch seine eigenen Vorstellungen<br />

und Wahrnehmungen hat und niemand behaupten kann, dass seine Wahrnehmung<br />

die Richtige ist, ist es für das Verständnis von Begabung und Behinderung schwierig<br />

sich zu verändern. Fragt man Menschen mit einer Behinderung, ob sie sich als<br />

behindert wahrnehmen, würde dies von vielen vermutlich verneint werden, denn die<br />

Behinderung ist für betroffene Menschen meistens etwas ganz Normales, was zu<br />

ihrem Leben dazu gehört. Dieser Ansatz kann auf viele Bereiche übertragen werden,<br />

in denen Diskriminierung stattfindet. Kersten Reich hat eine Liste zusammengestellt,<br />

in denen er die Diskriminierung in ihren unterschiedlichen Bereichen aufzählt, dazu<br />

zählen:<br />

Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnizität, Kultur, Sprache, Dialekt,<br />

sozioökonomischer Status, Herkunft, Alter, Nationalität, Herkunftsland,<br />

Religion, Glaube, Sexualität, sexuelle Orientierung, Gender, Familienstatus,<br />

Verheiratetenstatus und Behinderung (Reich 2012, S.40).


Auch wenn diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, können all diese<br />

Benachteiligungen auch aus der Sicht von Feuser betrachtet werden.<br />

Unvoreingenommenheit kann Diskriminierung stoppen und ist ein Ziel von<br />

<strong>Inklusion</strong>.<br />

Diesem Ansatz steht eine Aussage von Kenneth Kavale und Mark Mostert<br />

gegenüber:<br />

In our view the question really is whether the idea of disability in assisting<br />

people with disability is more useful than its observe: assuming that it does<br />

not exist in any real sense. We think disability is a useful idea, because failure<br />

to do implies that other social constructions are also fabrications that can be<br />

ignored if convenient (Kavale; Mostert 2003, S.193).<br />

Kavale und Mostert stellen sich die Frage, was in dieser Gesellschaft nicht<br />

konstruiert ist. Damit kann Feusers Aussage in Frage gestellt werden. Außerdem<br />

muss auf die Konsequenzen aufmerksam gemacht werden, die durch eine fehlende<br />

Zuschreibung des Förderbedarfs entstehen. Ohne eine Zuschreibung von<br />

Behinderung, gibt es derzeit keine staatliche Hilfeleistung. Hans Wocken beschreibt<br />

dies an einem Beispiel: „Voraussetzung für zusätzliche Lehrerstunden ist das<br />

Erkennen und Feststellen von Förderbedarfen […]“ (Wocken 2011, S.11).<br />

Wie diese Vorstellungen der Zuschreibungen durchbrochen werden können, kann<br />

nicht beantwortet werden. Kersten Reich geht davon aus, dass „je mehr sich eine<br />

Gesellschaft in Richtung Diversität und Vielfalt entwickelt, desto stärker rücken<br />

Vorstellungen der <strong>Inklusion</strong> all dieser unterschiedlichen Menschen in den<br />

Vordergrund“ (Reich 2012, S. 32). <strong>Inklusion</strong> kann nur gelingen, wenn sich die<br />

Gesellschaft verändert, die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> in der Schule ist nur ein Teil<br />

des Ganzen.<br />

1.2 Geschichtlicher Hintergrund – wie alles begann…<br />

Es kann für ein Denkkonstrukt wie <strong>Inklusion</strong> keinen festgelegten historischen<br />

Moment geben, weil mit <strong>Inklusion</strong> auch ein sich entwickelnder Prozess gemeint ist.<br />

Dennoch gibt es bedeutende Dokumente, die die Sicht auf Teilhabe in der<br />

Gesellschaft verändert haben. Die Salamanca Erklärung und auch die UN-<br />

Konvention gelten für die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> als bedeutsame Dokumente.<br />

Gerade die Unterzeichnung der UN-Konvention führt in nächster Zeit dazu, dass<br />

<strong>Inklusion</strong> gesetzlich festgelegt und für alle Schulen gelten soll. Sowohl auf die<br />

Salamanca Erklärung, als auch auf die UN-Konvention wird noch einzeln<br />

eingegangen. Der geschichtliche Hintergrund beginnt mit der Geschichte der


Sonderpädagogik und ihren einzelnen Förderschwerpunkten. Jeder der<br />

Förderschwerpunkte hat eine eigene Geschichte. Die geschichtliche Aufarbeitung<br />

jedes Förderschwerpunktes ist in dieser Arbeit nicht möglich, weil die Geschichte<br />

der Sonderpädagogik ein eigenes Schwerpunktthema darstellt. Um dennoch einen<br />

Einblick in die Geschichte der Sonderpädagogik geben zu können, soll beispielhaft<br />

die Geschichte des Förderschwerpunktes „emotionale und soziale Entwicklung“<br />

vorgestellt werden.<br />

Im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung entstanden die ersten<br />

Sonderklassen 1945/46 aus den Klassen für kriegsgeschädigte Kinder (Vgl.<br />

Hillenbrand 1999, S.47). Diese nahmen schon bald auch Kinder auf, die in ihrem<br />

Verhalten auf der Volksschule eine Belastung für die Lehrerinnen und Lehrer<br />

darstellten. Aus den Sonderklassen entstand in Bremen die erste Sonderschule für<br />

Kinder mit Verhaltensstörungen. Der Ausbau von Schulen für Kinder mit<br />

Verhaltensstörungen traf schon bald auf Kritik, weil die unklaren Diagnosen und die<br />

negative Stigmatisierung der Kinder nicht gut geheißen werden konnte. Dennoch<br />

wurde 1972 von der Kultusministerkonferenz ein Ausbau der Schulen für<br />

Verhaltensgestörte beschlossen (Vgl. ebd. S.47). Fast zur gleichen Zeit entwickelte<br />

sich ein Jahr später die Integrationsbewegung, dessen Idealvorstellungen, die<br />

Einrichtung eines kooperativen Schulzentrums war.<br />

Seit 1980 wurden in einzelnen Bundesländern auch ambulante Formen der<br />

Erziehungshilfe ausprobiert. Durchgesetzt hat sich bis heute jedoch keine Form<br />

ambulanter Betreuung, für Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und<br />

soziale Entwicklung. Heinrich Ricking beschäftigt sich mit der <strong>Inklusion</strong> des<br />

Förderschwerpunktes emotionale und soziale Entwicklung durch soziale Dienste.<br />

Diese sollen das Bereitstellen von Personen ermöglichen, um die Förderung eines<br />

Kindes an der Regelschule gewährleisten zu können (Vgl. Ricking o.J. S.10). Diese<br />

Arbeit benötigt ein gutes Netzwerk zwischen den einzelnen Schulen und anderen<br />

mitverantwortlichen Institutionen. Neben der Förderung von Kindern sollte das Ziel<br />

von mobilen Diensten sein, die Grundkompetenzen der einzelnen Lehrkräfte zu<br />

stärken (Vgl. ebd. S.11). Das bedeutet, Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit der<br />

Arbeit des mobilen Dienstes auseinandersetzen und lernbereit sein, für neues Wissen.<br />

Da sich solche Ideen wie die der mobilen Dienste bis heute nicht durchgesetzt haben,<br />

ist der Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung bis heute in der<br />

<strong>Inklusion</strong> schwer umstritten: „[…] erziehungsbedürftige Schüler stellen stets eine


esondere Herausforderung für die Lehrkraft und die Schule dar und formulieren<br />

spezifische Ansprüche an die Pädagogik und Didaktik der Förderung“ (ebd. S.3).<br />

Christoph Michael Müller hat sich mit der <strong>Inklusion</strong> dieses Förderschwerpunkts<br />

auseinandergesetzt und dazu empirische Literatur ausgewertet. Er kommt zu dem<br />

Ergebnis, dass die Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit dem<br />

Förderschwerpunt emotionale soziale Entwicklung auf einer Sonderschule<br />

Risikofaktoren beinhaltet. […] attending special needs classes, in terms of negative<br />

peer influence can risk a worsening of individual problem behavior“(Müller 2010,<br />

S.437). Das Verhalten der Mitschüler ist für Schülerinnen und Schüler von großer<br />

Bedeutung, treffen Schülerinnen und Schüler mit aggressiven Verhaltensweisen<br />

aufeinander, besteht das Risiko, dass sich ihr Verhalten potenziert (Vgl. ebd. S.439).<br />

Es fehlen jedoch weitere Forschungsergebnisse, um dieses Ergebnis zu bekräftigen.<br />

In Zukunft muss entschieden werden, welche Förderungen angemessen und<br />

bezahlbar sind und wie <strong>Inklusion</strong> für Schülerinnen und Schüler mit dem<br />

Förderschwerpunkt emotionale, soziale Entwicklung ermöglicht werden kann, bzw.<br />

wie mit sogenannten „Grenzfällen“ umgegangen wird, bei denen <strong>Inklusion</strong> nicht<br />

möglich erscheint.<br />

Im geschichtlichen Verlauf überschneiden sich die Geschichten der einzelnen<br />

Förderschwerpunkte an dem Punkt der Integration/<strong>Inklusion</strong>. 1973 fordert der<br />

Bildungsrat mehr Integration im Bildungssystem, worauf 1994 die Salamanca<br />

Erklärung und 2009 die UN-Konvention folgen (Vgl. Hillenbrand 2010, S.3). Auch<br />

Dokumente der Kultusministerkonferenz (KMK) belegen Bestrebungen Richtung<br />

<strong>Inklusion</strong>. Eines der aktuell diskutierten Dokumente, ist die Veränderung des<br />

Schulgesetztes in NRW. Diese Dokumente sollen im nachfolgenden Kapitel einzeln<br />

beschrieben werden.<br />

1.3 Bedeutsame Dokumente: „schriftliches“ Festhalten an <strong>Inklusion</strong><br />

1.3.1 Salamanca Erklärung<br />

Über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tagten vom 7. - 10. Juni 1994 in<br />

Salamanca, Spanien unter der Themenstellung: „Pädagogik für besondere<br />

Bedürfnisse: Zugang und Qualität.“ 92 Regierungen und 25 internationale<br />

Organisationen nahmen an diesem Treffen teil, mit dem Ziel „Bildung für alle“ zu<br />

ermöglichen. Die Zielsetzung der Salamanca Erklärung besteht darin, jedes


Schulsystem an die Bedürfnisse jedes Kindes anzupassen und allen Kindern,<br />

unabhängig von ihren Fähigkeiten, den Zugang zur Regelschule zu ermöglichen.<br />

„Schulen müssen Wege finden, alle Kinder erfolgreich zu unterrichten, auch jene, die<br />

massive Benachteiligungen und Behinderungen haben“ (Salamanca Erklärung 1994,<br />

S.4). Zugleich wurde zum Ziel erklärt „Bildung für alle“ voran zu treiben und die<br />

Richtlinien zu beachten, die einen Vorschlag für mögliche Veränderungen in<br />

Bildungssystemen darstellen sollen. Die Richtlinien der Salamanca Erklärung gehen<br />

auf die Bereiche: Lehrplanflexibilität, Schulmanagement, Information und<br />

Forschung, Ausbildung von pädagogischem Personal, externe unterstützende<br />

Systeme und erforderliche Mittel ein (UNESCO 1994). Diese sechs<br />

Themenschwerpunkte geben einen Überblick über das, was pädagogisch angegangen<br />

werden muss, wenn gerechte Bildung verwirklicht werden soll.<br />

Erst 14 Jahre nach der Salamanca Erklärung tritt die UN-Konvention in Kraft. Die<br />

Grundsätze der Salamanca Erklärung, finden sich auch in ihr wieder.<br />

1.3.2 UN- Konvention<br />

Am 26. März 2009 trat die Konvention der Vereinten Nationen über die „Rechte<br />

behinderter Menschen“ in Kraft (Wocken 2011, S.91). Die UN-Konvention will<br />

sicher stellen, dass Menschen mit und ohne Behinderung einen gleichberechtigten<br />

Zugang zu Bildung erhalten (Reich 2012, S.37). Das heißt auf die Schulbildung<br />

bezogen, dass die Schulen dazu befähigt werden, Teilhabe von Menschen mit<br />

sonderpädagogischem Förderbedarf am allgemeinen Schulsystem zu ermöglichen. In<br />

der Formulierung der UN-Konvention heißt es:<br />

Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der<br />

Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein<br />

integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen […]<br />

(Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008, S.1436).<br />

Es fällt auf, dass in der UN-Konvention statt eines inklusiven Bildungssystems, ein<br />

integratives Bildungssystem gefordert wird. In der Literatur gibt es unterschiedliche<br />

Ansichten über die Wahl der Begrifflichkeit in diesem Gesetz, dessen Ausführung<br />

den Rahmen dieser Arbeit sprengt. Es ist jedoch festzuhalten, dass die Auswahl des<br />

Begriffes „integrativ“ nicht unbegründet erfolgte, da in der englischen Fassung ein<br />

„inclusive education system“ gefordert wird. Dennoch können die Forderungen der<br />

UN-Konvention auf den Begriff der <strong>Inklusion</strong> bezogen werden.


Die UN-Konvention fordert die Anpassung des Bildungssystems an die Bedürfnisse<br />

und Eigenschaften von Schülerinnen und Schülern. War es vorher die Eingliederung<br />

von Menschen mit Behinderung in ein Bildungssystem bzw. die Überweisung auf<br />

Sonderschulen, so ist es jetzt das Bildungssystem welches sich an die Eigenschaften<br />

der Menschen anpassen muss. Wie sich dieses Vorhaben ermöglichen lässt, ist in der<br />

UN- Konvention nicht aufgeführt. Sie beschreibt ein Zielvorhaben, welches in ihren<br />

Aussagen verschieden aufgefasst werden kann. Bis heute wird in vielen Institutionen<br />

und unter Pädagogen und Wissenschaftlern diskutiert, wie sich <strong>Inklusion</strong> in der<br />

Gesellschaft und vor allem in der Schule umsetzen lässt. Das Thema <strong>Inklusion</strong><br />

erweist sich auf diesem Hintergrund als ein „brennendes“ Thema, was sich in der<br />

Literatur, durch unzählige Werke über <strong>Inklusion</strong> bemerkbar macht. Einzelne<br />

Schulen, wie zum Beispiel die Münsteraner Schule „Berg Fidel“, machen sich auf<br />

den Weg, <strong>Inklusion</strong> in die Praxis umzusetzen. Die Unterzeichnung der UN-<br />

Konvention kann als ein großer Schritt in Richtung <strong>Inklusion</strong> bezeichnet werden. Sie<br />

erhöht den Druck auf die Bildungspolitik, ein System zu verwirklichen, welches<br />

Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, gerecht wird.<br />

Dennoch sprechen sich viele Sonderpädagogen und Regelschullehrer gegen<br />

<strong>Inklusion</strong> an Schulen aus, weil sie Überforderung und mehr Arbeit befürchten. Auch<br />

der Verband der Sonderpädagogen hält an der Sonderbeschulung fest (Vgl. Wocken<br />

2011, S.244). Dabei spricht sich der Verband der Sonderpädagogen für ein „sowohl<br />

als auch“ aus (Vgl. Wocken 2010, S.1). Hans Wocken sieht in dieser „gespaltenen<br />

Antwort“ zwei Folgeprobleme (Vgl. ebd. S.3). Erstens würden Sonderschulen<br />

schlimmer als bisher den Status der „Restschulen“ einnehmen, wenn davon<br />

auszugehen ist, dass die Hälfte der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in<br />

die Regelschule integriert werden würde. Zweitens würde ein Aufrechterhalten der<br />

Sonderbeschulung zu einer gravierenden Belastung für den öffentlichen Haushalt<br />

werden. Neben diesen zwei Folgeproblemen käme noch ein Streit um die<br />

Ressourcenverteilung hinzu, weil sowohl Regelschulen als auch Sonderschulen,<br />

Ressourcen für die Umsetzung von Förderungen benötigen. Hans Wocken<br />

bezeichnet aus diesen Gründen den Verband der Sonderpädagogen nicht als Gegner<br />

von <strong>Inklusion</strong>, sondern als Widersacher:<br />

„Als Widersacher der <strong>Inklusion</strong> sind all diejenigen anzusehen, die zwar für <strong>Inklusion</strong><br />

ein höfliches Lippenbekenntnis erübrigen können, aber an der weiteren Existenz von<br />

Sonderschulen unverbrüchlich festhalten“ (ebd. S.1).


Die wörtliche Stellungnahme des Verbandes für Sonderpädagogen zu <strong>Inklusion</strong><br />

lautet wie folgt:<br />

<strong>Inklusion</strong> ist ein langfristiger Prozess mit dem Ziel des Verzichts auf<br />

Isolierung einzelner Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Hierfür müssen in<br />

Kindertageseinrichtungen, in allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, in<br />

Hochschulen sowie in allen Einrichtungen der Erwachsenenbildung die<br />

Organisationsformen entsprechend weiter entwickelt, Strukturen angepasst<br />

und Konzepte modifiziert werden, ohne die beteiligten Menschen zu überoder<br />

zu unterfordern (Verband der Sonderpädagogen e.V. 2009, S.2).<br />

Der Verband der Sonderpädagogen lässt in dem Dokument ebenfalls offen, wie die<br />

Strukturen modifiziert werden müssen, um <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen. Die<br />

Unterzeichnung der UN-Konvention hat den Prozess der <strong>Inklusion</strong> beschleunigt.<br />

Wäre die UN-Konvention nicht unterzeichnet worden, muss davon ausgegangen<br />

werden, dass der Begriff <strong>Inklusion</strong> heute eher als ein „toter“ Begriff in der<br />

Bildungslandschaft schweben würde.<br />

Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) reagiert auf die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong><br />

an Schulen.<br />

1.3.3 KMK<br />

Der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011: „Inklusive Bildung von<br />

Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“, setzt sich mit<br />

Zielsetzungen, Voraussetzungen und Bestrebungen inklusiver Bildung auseinander.<br />

Die Empfehlungen der KMK definieren <strong>Inklusion</strong> wie folgt: „<strong>Inklusion</strong> in diesem<br />

Sinne bedeutet für den Bereich der Schule einen gleichberechtigten Zugang zu<br />

Bildung für alle und das Erkennen und Überwinden von Barrieren“<br />

(Kultusministerkonferenz 2011, S.3). Die Schulen müssen sich auf den Weg machen,<br />

um allen SchülerInnen einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung zu verschaffen.<br />

Die Kultusministerkonferenz sieht es als eine wichtige Aufgabe der Schulen an,<br />

Bildung für alle zu gewährleisten. Sie geht davon aus, dass Teilhabe, inklusive<br />

Bildungs-, Beratungs-, und Unterstützungsangebote, professionelles Personal und<br />

Kooperationen mit Partnern, die Grundvoraussetzungen für <strong>Inklusion</strong> darstellen.<br />

All diese Angebote der oberen Behörden sollen am Kindeswohl orientiert stattfinden,<br />

weswegen Vertrauen in die Kinder und ihre Fähigkeiten und die Beobachtung der<br />

individuellen Entwicklungsprozesse von Kindern eine Voraussetzung bilden (Vgl.<br />

ebd. S.5ff.). Der Begriff der Behinderung wird auch in der Kultusministerkonferenz


als ein offener, an Teilhabe orientierter Begriff verstanden. Jedes Kind wird die<br />

Möglichkeiten finden, die ihm durch seine individuellen Entwicklungen und<br />

Bedürfnisse zustehen.<br />

Die Voraussetzung für ein Gelingen von <strong>Inklusion</strong>, sind inklusive Bildungsangebote<br />

an Schulen. Ziel der inklusiven Bemühungen im Bereich der inklusiven Bildung soll<br />

sein: „die optimale Form der selbstbestimmten Lebensführung zu ermöglichen und<br />

die persönliche Entscheidungskompetenz zu stärken“ (ebd. S.8). Das Vertrauen in<br />

die Persönlichkeit der Kinder, gilt dafür als Grundvoraussetzung. Werden die<br />

individuellen Kompetenzen der Kinder beachtet und in den Unterricht mit<br />

einbezogen, ist inklusiver Unterricht möglich.<br />

Der Unterstützungsbedarf der Schülerinnen und Schüler ist individuell<br />

unterschiedlich und muss deswegen durch verschiedene Lehr-Lern-Angebote<br />

ermöglicht werden (Vgl. ebd. S.14). Neben der Vernetzung von Lehr-Lern-<br />

Angeboten gehört die Prävention zur Aufgabe schulischer Bildung. Frühzeitiges<br />

Handeln, kann sich positiv auf Entwicklungsprozesse der Schülerinnen und Schüler<br />

auswirken und die Kinder für ihr zukünftiges Leben stärken.<br />

Die Gestaltung einer inklusiven Bildungslandschaft ist nur durch ein professionelles<br />

Personal möglich. Der Einsatz von Lehrerinnen und Lehrer sowie<br />

SozialpädagogInnen und weiteren Menschen mit unterschiedlichen Professionen ist<br />

für eine inklusive Schule von größter Bedeutung, weil unterschiedliche Bedürfnisse<br />

vielseitig ausgebildete Lehrkräfte und ihre Professionen erfordern. Dabei liegt die<br />

Verantwortung für das Gelingen einer inklusiven Schule nicht bei Einzelpersonen,<br />

sondern in der Haltung eines Kollegiums. Die KMK benennt die Bedingung der<br />

Bereitschaft „[…] sich selbst gleichzeitig gestaltend und lernend in diesen Prozess<br />

einzubringen“ (ebd. S.19). Das Personal einer Schule muss durch gemeinsame<br />

Verantwortung, didaktische Kenntnisse, Zusammenarbeit und gegenseitiger<br />

Hilfestellung an einem Strang ziehen. Dies erhofft sich die Kultusministerkonferenz,<br />

durch das Zusammenwirken von allgemeinpädagogischem und<br />

sonderpädagogischem Wissen. Die Rolle der Lehrperson verändert sich vom<br />

Einzelkämpfer zum flexiblen Teamworker. Soll inklusive Bildung möglich sein,<br />

müssen sich Lehrkräfte mit dem Thema <strong>Inklusion</strong> auseinandersetzen und sich zu<br />

diesem Thema positionieren.<br />

Die KMK hält in ihrer Empfehlung von 2011 bereits konkrete Vorschläge und<br />

Haltungsänderungen für Lehrerinnen und Lehrer bereit. Dennoch ist auch dieses


Dokument lediglich eine Empfehlung, dessen Umsetzung für Lehrerinnen und<br />

Lehrer nicht als verpflichtend angesehen werden muss. Konkrete Veränderung<br />

können erst mit einem neuen Schulgesetz angestrebt werden.<br />

1.3.4 NRW-Änderung des Schulgesetzes<br />

Die Änderung des NRW-Schulgesetztes, kann als logische Schlussfolgerung der<br />

Unterzeichnung der UN-Konvention verstanden werden, bei der sich Deutschland zu<br />

einer Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> verpflichtet hat. Ab August 2013 sollten die<br />

Veränderungen im Schulgesetz in Kraft treten, dies ist jedoch, wie bereits in der<br />

Einleitung beschrieben, erst kürzlich um ein Jahr nach hinten verschoben worden.<br />

Ein Großteil des Schulgesetzes bleibt in seiner Formulierung von 2005 bestehen, die<br />

Neuerungen beziehen sich ausschließlich auf den Ansatz der <strong>Inklusion</strong>.<br />

In § 2 Absatz 5 heißt es:<br />

In der Schule werden Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung in<br />

der Regel gemeinsam unterrichtet und erzogen (inklusive Bildung).<br />

Schülerinnen und Schüler, die auf sonderpädagogische Unterstützung<br />

angewiesen sind, werden nach ihrem individuellen Bedarf besonders<br />

gefördert, um ihnen ein möglichst hohes Maß an schulischer und beruflicher<br />

Teilhabe und selbstständiger Lebensgestaltung zu ermöglichen (Änderung<br />

des Schulgesetz 2013, S.1).<br />

Es wurde ebenfalls festgelegt, dass die gesonderte Förderung nach bestimmten<br />

Förderschwerpunkten nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt werden soll, was<br />

umfassende Veränderungen des deutschen Schulsystems nach sich zieht. Für die<br />

Regelschulen bedeutet dies, eine Umstellung. Allgemeine Regelschulen müssen sich<br />

auf neue Berührungspunkte mit der Sonderpädagogik einlassen, um jedem Kind eine<br />

bestmögliche Förderung zu ermöglichen. Jedes Kind hat nach dem neuen<br />

Schulgesetz das Recht, eine Regelschule besuchen zu dürfen, deswegen laufen<br />

integrative Lerngruppen und Kompetenzzentren aus.<br />

Unklar bleibt jedoch, wie die Ressourcen durch die Schließungen von Sonderschulen<br />

und Kompetenzzentren, auf die allgemeinen Schulen verteilt werden. Diese<br />

Unklarheit soll der Grund dafür sein, weswegen die Einführung des neuen<br />

Schulgesetzes auf 2014 „verschoben“ wurde. Eine Doppelbesetzung von Klassen zu<br />

bestimmten Zeiten wurde gesetzlich nicht vorgesehen, könnte aber den Schulalltag in<br />

der Praxis vereinfachen und das Lernen aller Schülerinnen und Schüler verbessern.<br />

Innere und äußere Differenzierung hingegen ist gesetzlich vorgesehen in §20 Absatz<br />

1 heißt es:


In der allgemeinen Schule wird der Unterricht als Gemeinsames Lernen für<br />

Schülerinnen und Schüler mit und ohne Bedarf an sonderpädagogischer<br />

Unterstützung im Klassenverband oder in der Lerngruppe erteilt. Er erstreckt<br />

sich auf alle Unterrichtsvorgaben nach § 19 Absätze 3 und 4. Hierbei sind<br />

Formen innerer und äußerer Differenzierung möglich (Änderung des<br />

Schulgesetz 2013, S.7).<br />

Bis jetzt ist allerdings unklar, ob Sonderpädagogen oder Regelschullehrer diese<br />

Differenzierungen ermöglichen sollen, weswegen eine Auseinandersetzung mit<br />

<strong>Inklusion</strong> für alle Lehrpersonen von großer Bedeutung ist.<br />

Alle hier nur ansatzweise angesprochenen Dokumente und Beschlüsse setzen sich für<br />

ein inklusives Schulsystem ein und fordern ein gleiches Bildungsrecht für alle<br />

Schülerinnen und Schüler, an den allgemeinbildenden Schulen. Bedenkt man jedoch,<br />

dass die Salamanca-Erklärung schon 1994 verabschiedet wurde, ist es bereits jetzt<br />

schon ein langer Weg, bis <strong>Inklusion</strong> in die Schullandschaft angekommen und<br />

umgesetzt werden kann.<br />

Andere Länder arbeiten schon viele Jahre mit den Grundsätzen von <strong>Inklusion</strong>. Im<br />

nächsten Abschnitt wird schwerpunktmäßig auf <strong>Inklusion</strong> in Kanada und Schweden<br />

eingegangen. In beiden Ländern wird <strong>Inklusion</strong> schon seit langem und mit<br />

praktischer Erfahrung praktiziert.<br />

1.4 Blick über den Zaun - <strong>Inklusion</strong> im internationalen Vergleich<br />

Kersten Reich führt in seinem Buch: „<strong>Inklusion</strong> und Bildungsgerechtigkeit“ immer<br />

wieder die Stadt Toronto, Kanada als federführendes Beispiel für inklusive Bildung<br />

auf. Deren inklusives Schulsystem ist abgesichert durch verbindliche<br />

Vereinbarungen (Vgl. Reich 2012, S.45). Kersten Reich argumentiert, dass diese<br />

verbindlichen Vereinbarungen ausschlaggebend für die erfolgreiche inklusive<br />

Bildung in Toronto sind. Die Vereinbarungen befassen sich unter anderem mit dem<br />

Verhalten der Lehrkräfte gegenüber einer heterogenen Schülerschaft (Vgl. ebd.<br />

S.46). Es wird eine Haltungsänderung gefordert, um alle Menschen chancengerecht<br />

zu behandeln.<br />

Deswegen kann Toronto ein zielführendes und inspirierendes Beispiel für die<br />

Gestaltung einer Bildungslandschaft in Deutschland sein (Vgl. ebd. S.46).<br />

Zielführende Vereinbarungen für die „tatsächliche“ Gestaltung von <strong>Inklusion</strong> im<br />

Schulalltag fehlen in Deutschland vollkommen. Zwar gibt es eine Vorstellung von<br />

<strong>Inklusion</strong>, die zum Beispiel durch Dokumente, wie dem neuen Schulgesetz oder


Schriften der Kultusministerkonferenz, vorgegeben werden, jedoch liegt das<br />

Problem, welches viele Lehrpersonen immer wieder beschreiben, in der Angst der<br />

Umsetzung. In Kanada wird der Umgang mit Heterogenität als eine Grundhaltung<br />

betrachtet (Vgl. Stein 2011, S. 93). Der Grund liegt darin, dass Kanada als ein<br />

traditionelles Einwanderungsland gilt und Heterogenität von daher, wie<br />

selbstverständlich gelebt wird. Die Behindertenbewegung in Kanada hat sich schon<br />

1981 in dem „Obstacle Report“ mit den Bedürfnissen von Menschen mit<br />

Behinderungen auseinandergesetzt und erreicht, dass Gleichberechtigung zu einem<br />

gesellschaftlichen Thema wird. Es wurde speziell die Gleichberechtigung von<br />

Bürgern mit Behinderung angestrebt. Das Gesetz auf Nichtdiskriminierung fordert:<br />

Every individual is equal before and under law and has the right to the equal<br />

protection and equal benefit of the law without discrimination and, in<br />

particular, without discrimination based on race, national or ethnic origin,<br />

colour, sex or mental or physics disability (Garton 2005, S. 1).<br />

Mit diesem Gesetzesentwurf wird das Verständnis von <strong>Inklusion</strong> in Kanada deutlich.<br />

<strong>Inklusion</strong> in Kanada ist nicht nur eine schulische Herausforderung, sondern wird als<br />

eine gesellschaftliche Herausforderung angenommen (Vgl. Stein 2011, S.98).<br />

<strong>Inklusion</strong> bezieht sich nicht nur auf einen bestimmten Personenkreis, sondern auf die<br />

Gestaltung einer nicht ausgrenzenden Gesellschaft, die alle Menschen mit einbezieht.<br />

Systematisch wurden durch die kanadische Forschung Indikatoren gesucht, die<br />

Auswirkungen auf <strong>Inklusion</strong> haben können. Auf Schule bezogen sind Indikatoren<br />

zum Beispiel: Zufriedenheit der Lehrer, Schüler, Eltern, Kooperationen mit anderen<br />

Institutionen, Lernleistungen in der PISA-Studie und viele weitere, die Einfluss auf<br />

<strong>Inklusion</strong> haben. Nachdem diese Indikatoren identifiziert wurden, kam es zu<br />

weiteren Überlegungen, die mit der Frage: „Was braucht die Schule, um diese<br />

Indikatoren positiv beeinflussen zu können?“, zusammengefasst wurden.<br />

Durch diesen gesellschaftlichen und politischen Prozess hat das kanadische<br />

Schulsystem dem deutschen sehr viel voraus, weil in Deutschland die<br />

Organisationsstrukturen für eine solche Herangehensweise fehlen. Einzelne Schulen<br />

haben es sich zur Aufgabe gemacht, sich solche Strukturen selbst anzueignen, um<br />

Bildung inklusiv werden zu lassen, diese gelten jedoch als Ausnahme. Eine dieser<br />

Schulen ist „Berg Fidel“ in Münster, auf die im letzten Kapitel noch konkret<br />

eingegangen wird.<br />

Neben Kanada gelten vor allem die skandinavischen Länder als Beispiel für die<br />

Bildungspolitik in Deutschland. Annemarie von der Groeben beschreibt in ihrer


Monographie, „Verschiedenheit nutzen“ das Bildungssystem in Schweden. Ihre<br />

Folgerungen für das funktionierende System in Skandinavien, sieht sie in der<br />

Gelassenheit, die in der Schulwelt gelebt wird. „Der überwältigende Eindruck war<br />

die Gelassenheit der Jugendlichen und Erwachsenen, die Ruhe, der freundliche,<br />

höfliche und dabei lockere Umgangston […]“ (von der Groeben 2008, S.18). Gerade<br />

diese Gelassenheit fehlt im deutschen Bildungssystem. Lehrerinnen und Lehrer<br />

sehen sich beim Thema <strong>Inklusion</strong> unter einem wachsenden Druck. Die Gedanken<br />

vieler Lehrkräfte an <strong>Inklusion</strong> sind negativ geprägt, weil sie <strong>Inklusion</strong> als<br />

Mehrbelastung sehen und die derzeitigen Belastungssituationen in der Schule sie<br />

bereits überfordern: immer größere Klassen, Schwierigkeiten in der Kooperation mit<br />

Eltern, fehlende gesellschaftliche Anerkennung.<br />

Es drängt sich die Frage auf, wie <strong>Inklusion</strong> in den skandinavischen Ländern<br />

funktioniert. Von der Groeben sieht die Antwort im Vertrauen von Lehrerinnen und<br />

Lehrern gegenüber Schülerinnen und Schülern. Die Schule ist 24 Stunden für alle<br />

geöffnet. Schülerinnen und Schüler haben Zugang zu ihrer Schule und können sich<br />

hier auch in ihrer Freizeit treffen (Vgl. ebd. S. 18). Obgleich Schülerinnen und<br />

Schüler stets Zugang zur Schule haben, gibt es in den Gebäuden kaum Vandalismus,<br />

weil die Schule von den Schülerinnen und Schülern wertgeschätzt wird. Ihnen wird<br />

Vertrauen entgegengebracht, was dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler sich<br />

selbst für ihre Schule und das Gebäude verantwortlich fühlen.<br />

Obwohl noch Schüler […], werden sie zugleich so sehr für voll genommen,<br />

dass man ihnen auch die volle Verantwortung (symbolisiert durch den<br />

Schulschlüssel) überträgt und andererseits vollen Einsatz und volle Leistung<br />

von ihnen erwartet (ebd. S.18).<br />

Schülerinnen und Schülern wird vertraut und ein Teil der Verantwortung der Schule<br />

übertragen. Dadurch entsteht eine Idee von Schule, die von allen getragen wird. Die<br />

Fronten zwischen Lehrern und Schülern kommen erst gar nicht auf. Schule ist für<br />

alle ein Ort, an dem Bildung und Freizeitgestaltung stattfindet. Neben der Basis,<br />

Schülerinnen und Schüler zu vertrauen, lautet die oberste Maxime an allen Schulen<br />

in Schweden, kein Kind im Schulsystem zu verlieren. (Vgl. ebd. S.19). In Schweden<br />

gehen Kinder von der ersten bis zur neunten Klasse auf eine Gesamtschule, die<br />

sogenannte „Grundskola“. Erst ab der achten Klasse werden Schülerinnen und<br />

Schüler mit Noten konfrontiert, die jedoch nicht dazu genutzt werden, Schülerinnen<br />

und Schüler mit einer schlechten Bewertung abschieben zu können. Das<br />

Sitzenbleiben ist im schwedischen Schulsystem nicht möglich, genauso wenig wie


der Schulwechsel aufgrund von schlechten Leistungen (Vgl. Koch 2011, S.152ff.).<br />

Nach Abschluss der neunjährigen „Grundskola“ ist der Wechsel auf eine dreijährige<br />

„Gymnasieskola“ möglich. Mehr als 90% der Schülerinnen und Schüler wechseln<br />

nach der neunten Klasse auf eine weiterführende Schule (Vgl. ebd. S.154). Diese<br />

Schulen sind wiederum mit individuellen Programmen auf die Bedürfnisse der<br />

Schülerinnen und Schüler ausgerichtet. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten,<br />

wie: Berufe kennen zu lernen, Schule und Ausbildung miteinander zu verkoppeln,<br />

berufsvorbereitende Bildungsgänge zu besuchen und den Abschluss zur<br />

Berechtigung an einer Hochschule zu erwerben. Das schwedische Schulsystem<br />

verdeutlicht, mit diesem differenzierten Angebot, wie <strong>Inklusion</strong> in der Praxis<br />

aussehen kann.<br />

In Deutschland wäre ein erster Schritt das mehrgliedrige Schulsystem aufzulösen.<br />

Die Bildungspolitik in Hamburg hat 2010 gezeigt, wie schwer es sein wird diesen<br />

Schritt zu gehen. Durch einen Volksentscheid wurde deutlich, dass Bürgerinnen und<br />

Bürger in Hamburg am Gymnasium festhalten (Vgl. Süddeutsche Zeitung 2010, S.1).<br />

Die Einführung einer sechs jährigen Grundschulzeit wurde verhindert. Eine<br />

Begründung kann darin liegen, dass homogene Lerngruppen vielfach als der beste<br />

Weg gesehen werden. Es wird an alten Mustern festgehalten und argumentiert, dass<br />

auch aus diesen Schülerinnen und Schülern etwas geworden ist. Nach dem Motto:<br />

So wie es ist kann es bleiben. Für die „begabungsgerechte“ Schule werden die<br />

passenden Schüler gesucht. Das System Schule steht unveränderlich fest, die<br />

zu lösende Aufgabe ist die Auswahl („Selektion“) der passenden Schüler.<br />

(Vgl. Wocken 2010, S.2)<br />

Um den Forderungen der <strong>Inklusion</strong> gerecht zu werden, kann es so nicht bleiben.<br />

Deswegen soll zum Abschluss dieses einführenden Kapitels, eine Handreichung<br />

vorgestellt werden, die die praktische Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> an Schulen anstrebt.<br />

1.5 Index für <strong>Inklusion</strong> – ein erster Weg zur Umsetzung<br />

Der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ wurde im Jahr 2000 von Toni Booth und Mel Ainscow<br />

entwickelt. Durch den „Index für <strong>Inklusion</strong>“ werden Schulen in dem Prozess<br />

angeleitet, sich zu einer inklusiven Schule zu entwickeln. Vorarbeiten für den „Index<br />

für <strong>Inklusion</strong>“ fanden in Australien und den USA an der Masquarie Universität in<br />

New South Wales, wie auch an der Universität Syracuse in den 80er Jahren statt<br />

(Vgl. Boban; Hinz S.43). Eine Gruppe von Wissenschaftlern entwickelte daraufhin,<br />

in Großbritannien, eine Sammlung von Materialien, die das Bestreben von <strong>Inklusion</strong>


an Schulen vereinfachen und anregen sollte. 1997 und 1998 fanden die ersten<br />

Erprobungen dieses Index in Grund- und Sekundarschulen statt. Mit dem „Index für<br />

<strong>Inklusion</strong>“ wird die Lernqualität in Schulen nicht über die Leistungen von<br />

Schülerinnen und Schülern definiert, sondern über eine Auseinandersetzung mit dem<br />

Geschehen, welches an der Schule stattfindet. Barrieren, Kulturen und Strukturen<br />

einer Schule werden durch den „Index für <strong>Inklusion</strong>“, als Instrument einer Anleitung,<br />

kritisch überprüft (Vgl. Reich 2012, S.159). Dafür enthält der „Index für <strong>Inklusion</strong>“<br />

sechs Bereiche, 44 Indikatoren und insgesamt 560 Fragen, die genutzt werden, um<br />

sich kritisch mit dem auseinanderzusetzen, was für eine inklusive Schule notwendig<br />

ist. Mit diesen Fragestellungen und Indikatoren schlägt der „Index für <strong>Inklusion</strong>“<br />

Themenschwerpunkte, anhand von Fragestellungen vor, die im Lehrerkollegium<br />

diskutiert werden können. Durch die Diskussionen sollen Ziele im Kollegium<br />

festgelegt werden, um die übergeordnete Zielsetzung der „inklusiven Schule“<br />

erreichen zu können.<br />

1.5.1 Loslegen!! – Mit dem Index für <strong>Inklusion</strong><br />

Möchten Schulen mit dem „Index für <strong>Inklusion</strong>“ arbeiten, ist als erster Schritt eine<br />

Koordinationsgruppe einzurichten (Vgl. ebd. S.44). Die KoordinatorInnen sind<br />

verantwortlich für den Prozessverlauf. In Projekttreffen und Arbeitssitzungen<br />

beschäftigt sich das Kollegium einer Schule mit den Inhalten des „Index für<br />

<strong>Inklusion</strong>“. Es ist wichtig sich als TeilnehmerIn dieser Treffen, schon im Vorhinein<br />

Gedanken über die Zielsetzung gemacht zu haben und sich zum Beispiel mit der<br />

Fragestellung: Was erhoffe ich mir persönlich von dem Einsatz des „Index für<br />

<strong>Inklusion</strong>“ und was erhoffen sich die Beteiligten von dem Prozess insgesamt?<br />

auseinanderzusetzen.<br />

Die erarbeiteten Ziele müssen anhand von Indikatoren überprüfbar sein, dafür gibt<br />

der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ Vorgaben, die Überprüfbarkeit und die Realisierung eines<br />

Ziels zu erreichen (Vgl. Reich 2012, S.155). Drei Dimensionen lassen sich im<br />

Kollegium diskutieren (Vgl. Boban; Hinz 2003, S. 44). Die Dimension: „Inklusive<br />

Kulturen schaffen“ befasst sich mit der Entwicklung inklusiver Werte: Schüler und<br />

Schülerinnen, Eltern und das Kollegium der Schule setzen sich mit den<br />

Begrifflichkeiten der <strong>Inklusion</strong> inhaltlich auseinander und entwickeln ein eigenes<br />

Verständnis von inklusiven Werten. Dies schafft eine Grundlage um sich weiterhin<br />

mit <strong>Inklusion</strong> beschäftigen zu können. Ziel dieser Dimension ist es, dass jeder an der<br />

Schule wissen muss, was mit <strong>Inklusion</strong> gemeint ist und welche Veränderungen auf


die Schule zukommen, zum Beispiel der gemeinsame Unterricht oder die<br />

Doppelbesetzung durch zwei Lehrkräfte in einer Klasse, zu festgelegten Zeiten.<br />

Transparenz und Zusammenhalt ist gerade am Anfang eines solchen<br />

Entwicklungsprozesses wichtig, damit alle Kollegen und alle Eltern wissen, was auf<br />

sie zukommt. Mit der ersten Dimension „inklusive Kulturen schaffen“, soll eine<br />

sichere, akzeptierende und zusammen arbeitende Gemeinschaft entstehen, die Lust<br />

auf Veränderung entwickelt (Vgl. Reich 2012, S.164).<br />

In der zweiten Dimension: „Inklusive Strukturen etablieren“ werden zentrale<br />

Aspekte der Schulentwicklung, in derselben Schule, aufgegriffen, mit dem Ziel<br />

Partizipation für alle zu ermöglichen. Alle Strukturen von der gesamten<br />

Schulgemeinschaft bis zur kleinsten Fördergruppe, über die Schulküche und den<br />

Pausenhof bis zum Unterrichten einer heterogenen Schülergruppe müssen bedacht<br />

und durchdrungen werden. Diese Dimension erfordert von allen Beteiligten eine<br />

Reflexionsbereitschaft.<br />

„Inklusive Praktiken entwickeln“ lautet die dritte Dimension. Die zuvor theoretisch<br />

erarbeiteten Inhalte der beiden ersten Dimensionen, sollen auf die Praxis angewendet<br />

werden. Ressourcen der Schule müssen mobilisiert werden, um „die Teilhabe aller“<br />

zu ermöglichen (Vgl. Boban; Hinz 2003, S.45).<br />

Mit diesen drei Dimensionen des Index lassen sich Möglichkeiten fokussieren, die<br />

zur Unterstützung des Lernens und der Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler der<br />

Phase 1<br />

Mit dem Index<br />

beginnen<br />

Phase 2<br />

Die Schulsituation<br />

beleuchten<br />

Phase 5<br />

Den Index-Prozess<br />

reflektieren<br />

Phase 3<br />

Ein inklusives Schulprogramm<br />

entwerfen<br />

Phase 4<br />

Die Prioritäten<br />

umsetzen


Schule dienen (Vgl. Reich 2012, S.167). Das Kollegium setzt sich mit dem<br />

jeweiligen Stand der Schule konstruktiv-kritisch auseinander und wird dazu<br />

angeregt, Veränderungen zu wagen. Die Umsetzung erfolgt in insgesamt fünf<br />

Phasen, die nachfolgend kurz erläutert werden. Abbildung 2 zeigt den Prozessverlauf<br />

und die einzelnen Phasen der Umsetzung für den „Index für <strong>Inklusion</strong>.“ Die<br />

Abbildung verdeutlicht, wie die einzelnen Phasen untereinander agieren. Der<br />

entstehende Kreislauf veranschaulicht den immer wieder angesprochenen „Prozess“<br />

durch den <strong>Inklusion</strong> ermöglicht werden kann.<br />

In der ersten Phase wird, wie bereits erwähnt, eine Koordinationsgruppe gebildet, die<br />

die Belange aller Beteiligten an der Schule mit berücksichtigt (Vgl. ebd. S.168). In<br />

Phase zwei wird die Situation der Schule analysiert. Konkrete Probleme und<br />

Missstände in der Schule werden besprochen, sowie mögliche Lösungsansätze und<br />

Verbesserungen fokussiert. Erst in Phase drei kommt der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ zur<br />

Sprache und das dahinterstehende Grundverständnis wird erklärt. Das Ziel ist es,<br />

Möglichkeiten und Lösungen im Kollegium hervorzubringen, die die Missstände<br />

einer Schule beheben können. Die Umsetzung dieser Prioritäten ist der Phase vier<br />

vorbehalten. Unvermeidbar ist ein Dokumentationsprozess für diese Phase, damit in<br />

Phase fünf Evaluierungen und Reflektionen stattfinden können, die dazu verhelfen<br />

die Lösungswege zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Durch die Arbeit<br />

mit einem solchen Modell muss sich ein Kollegium immer wieder mit der aktuellen<br />

Entwicklung ihrer Schule auseinandersetzen, um dem Prozess der <strong>Inklusion</strong> gerecht<br />

werden zu können.<br />

Kritik in der Umsetzung des „Index für <strong>Inklusion</strong>“ wird vor allem an der Menge an<br />

Fragestellungen geübt, die der Index beinhaltet. Mit 560 Fragen befasst sich dieser<br />

intensiv mit dem Verständnis von Schule und <strong>Inklusion</strong>. Gleichzeitig stellt die<br />

Beantwortung von 560 Fragen auch einen hohen Arbeits- und Zeitaufwand dar. Für<br />

die parktische Umsetzung in der Schule kann es LehrerInnenkollegien helfen,<br />

einzelne Fragestellungen lokalisiert zu beantworten. Die Vielzahl an Fragen braucht<br />

Kollegien nicht davon abzuhalten, den „Index für <strong>Inklusion</strong>“ als Ansatz für<br />

schulische Veränderungen zu nutzen. Die freie Verfügbarkeit im Internet, macht den<br />

„Index für <strong>Inklusion</strong>“ zu einem schulischen Werkzeug, welches jedem zugänglich<br />

ist. Dadurch hat der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ eine hohe Verbreitung gefunden, die


isherigen 6000 Exemplare reichten nicht aus, sodass immer wieder nachgedruckt<br />

werden musste (Vgl. Reich 2012, S.174). Die Verbreitung im Internet kann nicht<br />

überschaut werden. Festzuhalten ist, dass der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ nicht nur für die<br />

Umstrukturierung von Schulen genutzt werden kann, das Spektrum reicht vom<br />

Elementarbereich bis zur Hochschule über Kitas, Altenheime, Jugendhilfe usw. (Vgl.<br />

Reich 2012, S.174).<br />

Nach dieser Einführung in die Theorie, die von der Klärung der Begrifflichkeiten,<br />

über wichtige Dokumente, den internationalen Vergleich zu einem schulischen<br />

Werkzeug der praktischen Umsetzung führte, geht es im nachfolgenden Kapitel um<br />

die Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong>. Die Fragestellung: „Welche Faktoren müssen<br />

für die theoretische Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> beachtet werden?“, werden in diesem<br />

Kapitel ausführlich beantwortet. Für die Beantwortung der Frage müssen als erstes<br />

die inhaltlichen Formen von <strong>Inklusion</strong> beleuchtet werden. Diese setzen sich aus den<br />

fünf Faktoren der Ausgrenzung zusammen, die inhaltlich kurz beschrieben werden.<br />

Danach folgen Organisationsformen für die Implementierung von <strong>Inklusion</strong>.<br />

Anschließend werden Bedingungen und Ansätze dargelegt, die in der theoretischen<br />

Planung von <strong>Inklusion</strong> mit bedacht werden müssen. Dazu gehört die Planung von<br />

<strong>Inklusion</strong>, ein Ressourcenmanagement, kommunikative Strukturen, eine<br />

professionelle Lehreraus- und Fortbildung, inklusive Lerninhalte und eine inklusive<br />

Didaktik sowie ein Verständnis von Individualisierung und Evaluation. All diese<br />

Ansätze und Vorschläge haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weil sich die<br />

Ideen und Ansätze um das Thema <strong>Inklusion</strong> in einem stetigen Prozess befinden.<br />

Dennoch soll in dem folgenden Kapitel ein Überblick über die aktuellsten und<br />

bedeutsamsten Dokumente und Vorschläge gegeben werden, um zu einem<br />

erweiterten Verständnis von <strong>Inklusion</strong> zu gelangen.<br />

2. Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong> – Schritt 2: Den Bedarf<br />

erkennen…<br />

Um die Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong> zu erfassen, stellt Kersten Reich inhaltliche<br />

Formen von <strong>Inklusion</strong> und im Anschluss die sich daraus ergebenen<br />

Organisationsformen vor. Wie in Abbildung 3 dargestellt, bedingen sowohl das<br />

Wissen um die inhaltlichen Formen, als auch das Wissen um die<br />

Organisationsformen, das Gelingen von <strong>Inklusion</strong>.


Gelingensfaktoren<br />

Inhaltliche Formen<br />

- Ethnokulturelle Unterschiede<br />

- Unterscheidung aufgrund des<br />

biologischen Geschlechts<br />

- Unterschiede in den sozialen<br />

Lebensformen<br />

- sozio-ökonomische<br />

Unterschiede<br />

- Ausgrenzung aufgrund von<br />

Behinderung<br />

Abbildung 3: Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong> (Reich 2012, S.104ff)<br />

Organisationsformen<br />

- <strong>Inklusion</strong>splanung<br />

- Ressourcenmanagement<br />

- Kommunikative Strukturen<br />

- Lehreraus- und -fortbildung<br />

- Lerninhalte<br />

- Didaktik<br />

- Individualisierung<br />

- Evaluation<br />

2.1 Inhaltliche Formen – <strong>Inklusion</strong> in allen Facetten<br />

Inhaltlich geht es bei <strong>Inklusion</strong> um die gleichwertige Teilhabe von Menschen in allen<br />

Bereichen. Diese Teilhabe wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst, die<br />

Menschen aufgrund von bereits benannten Merkmalen ausgrenzen.<br />

Zu diesen Faktoren gehören:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ethnokulturelle Unterschiede<br />

Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts<br />

Unterschiede in den sozialen Lebensformen<br />

sozio-ökonomische Unterschiede<br />

Ausgrenzung aufgrund von Behinderung (Vgl. Reich 2012, S.54ff.).<br />

Diese Formen von Ausgrenzung müssen in der Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> im<br />

Unterricht berücksichtigt werden, damit <strong>Inklusion</strong> gelingen kann. Es ist wichtig zu<br />

beachten, dass Ausgrenzen sowohl im Hinblick auf die Gesellschaft, als auch im<br />

Hinblick auf die Schule, als ein Teil der Gesellschaft anzunehmen ist. Im Anschluss<br />

sollen die fünf Dimensionen der Ausgrenzung und ihre Bedeutung für Gesellschaft<br />

und Schule einzeln beleuchtet werden.


2.1.1 Ethnokulturelle Unterschiede<br />

Als ersten Faktor benennt Kersten Reich ethnokulturelle Unterschiede, mit der<br />

Forderung: „[…]radikal gedacht, dass es kein Besser oder Schlechter zwischen den<br />

Eigenen und dem Fremden im Blick auf die gemeinsame Demokratie geben sollte“<br />

(ebd. S.55). Dennoch werden immer noch Menschen aufgrund ihrer Herkunft<br />

ausgegrenzt. Ethnokulturelle Gerechtigkeit bedeutet, ein Recht darauf zu besitzen,<br />

dass ethnische Zugehörigkeit in Erziehungs- und Bildungssystemen als irrelevant<br />

gelten (Vgl. ebd. S.57). Es darf in der Erziehung und Bildung von Menschen, einzig<br />

und allein um die Einzigartigkeit jedes Individuum gehen. Ethnokulturelle<br />

Unterschiede lassen sich nur überwinden, wenn alle Menschen, egal welche<br />

Hautfarbe oder welche ethnokulturelle Zugehörigkeit sie haben, gerechte Chancen<br />

für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe eröffnet bekommen.<br />

2.1.2 Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts<br />

Auch das Unterscheiden aufgrund des biologischen Geschlechts erhöht die<br />

Bereitschaft der Ausgrenzung. Deswegen müssen sich Entscheidungsträger für<br />

Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, um eine Chancengleichheit für alle ermöglichen<br />

zu können. Reich definiert Geschlechtergerechtigkeit folgendermaßen:<br />

Geschlechtergerechtigkeit bedeutet vielmehr, dass jede/r eine individuelle<br />

und sich auch verändernde, veränderbare und sich wandelnde Persönlichkeit<br />

besitzt, die nicht auf Dauer nur eine Identität dokumentieren wird, sondern in<br />

dieser Identität stets auch Entwicklungen, Veränderungen, Widersprüche und<br />

Ambivalenzen eingeschlossen hat, die für eine freie Entwicklung zur<br />

Verfügung stehen“(ebd. S.61).<br />

Zur Anerkennung der Geschlechtergerechtigkeit gehört es, die unterschiedlichen<br />

sexuellen Orientierungen zu akzeptieren. Die Gesellschaft sieht rechtlich ein<br />

Festlegen auf das eine oder das andere Geschlecht vor (Vgl. ebd. S.58). Inklusive<br />

Settings müssen darauf ausgerichtet sein, dass Geschlechtergerechtigkeit angestrebt<br />

wird und die Zusammensetzungen von Gruppen immer wieder in einem reflexiven<br />

Prozess aufgewickelt werden, damit Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts<br />

verhindert wird.<br />

2.1.3 Unterschiede in den sozialen Lebensformen<br />

Neben der sexuellen Gleichberechtigung müssen auch andere soziale Lebensformen<br />

gleichwertig anerkannt werden. Lebensformen und Lebensläufe sind in der heutigen<br />

Gesellschaft vielseitiger und plural (Vgl. ebd. S. 68). Niemand hat das Recht, einen<br />

anderen Menschen in eine Richtung zu drängen. Dies gilt zum Beispiel für die Wahl


der Religion, der sexuellen Orientierung und der Wahl des Berufs bzw. der<br />

persönlichen Verwirklichung im Leben. Jeder Mensch besitzt das Recht, das für ihn<br />

persönlich Bedeutsame aus seinem Leben herauszufiltern.<br />

2.1.4 Sozio- ökonomische Unterschiede<br />

Der vierte Faktor bezieht sich auf die sozio-ökonomischen Unterschiede zwischen<br />

den unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten. Gerade der Bildungsstatus ist<br />

sehr von ökonomischen Unterschieden abhängig. In Deutschland ergeben sich<br />

weitreichende ökonomische Unterschiede. PISA hat mehrere Jahre hintereinander<br />

aufgezeigt, dass die sozio-ökonomischen Unterschiede sich auf die Bildung in<br />

Deutschland ausüben. Diese Ergebnisse bedeuten eine Chancenungerechtigkeit, die<br />

abhängig ist von dem ökonomischen Status (Vgl. ebd. S.75). Schulische Bildung hat<br />

den Auftrag, sich mit diesem Problem weitreichend auseinanderzusetzen, weil jedem<br />

Schüler und jeder Schülerin ein gleichwertiges Angebot zu unterbreiten ist, um die<br />

Unterscheidung des sozio-ökonomischen Status aufzuheben. In Deutschland ist der<br />

Bildungserfolg immer noch an die soziale Herkunft eines Schülers oder einer<br />

Schülerin gekoppelt (Vgl. Ruta 2012, S.1). Sozio-ökonomische Unterschiede dürfen<br />

an Schulen keine weiteren Unterschiede verursachen. <strong>Inklusion</strong> hat den Auftrag, die<br />

Unterscheidung der sozio-ökonomischen Unterschiede aufzubrechen und jedes Kind<br />

in seinen individuellen Fähigkeiten zu fördern, unabhängig vom sozialen Status oder<br />

der Herkunft der Eltern.<br />

2.1.5 Ausgrenzung aufgrund von Behinderung<br />

Der letzte Faktor, beschäftigt sich mit Behinderungen von Menschen. „Als<br />

Behinderung wird meist eine schwere und dauerhafte Beeinträchtigung der Teilhabe<br />

am gesellschaftlichen Leben einer Person gesehen […]“ (Reich 2012, S.78). Die<br />

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wird Menschen mit Behinderung erschwert,<br />

weil sich viele Menschen mit Behinderung in ihren Verhaltensweisen, ihrer<br />

Kommunikation und im Aussehen von der „Norm“ unterscheiden können.<br />

Ausbildung und Teilhabe in der Arbeitswelt und in der Freizeit ist für Menschen mit<br />

Behinderung daher häufig nur schwer umzusetzen (Vgl. ebd. S.78). Gleichzeitig<br />

können Hilfeleistungen, wie zum Beispiel eine persönliche Assistenz, zu Barrieren<br />

werden, weil sie die Teilhabe von Menschen mit Behinderung einschränken.<br />

Unterschiedliche Formen der sonderpädagogischen Förderung finden in<br />

unterschiedlichen Schulformen statt. In Deutschland werden Schülerinnen und


Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, überwiegend an Sonderschulen<br />

unterrichtet, gleichzeitig ist die Quote der gemeinsamen Beschulung am niedrigsten<br />

(Vgl. ebd. S.83). Abbildung vier verdeutlicht die hohen sonderpädagogischen<br />

Förderquoten der einzelnen Länder in Deutschland und zeigt zugleich auf, dass in<br />

allen Bundesländern die Förderung von Kindern mit einem sonderpädagogischen<br />

Förderbedarf vorherrschend in Sonderschulen stattfindet. Daraus kann geschlossen<br />

werden, dass sowohl Integration als auch <strong>Inklusion</strong> an Regelschulen in Deutschland<br />

noch nicht weit verbreitet ist.<br />

Abbildung 4: Sonderpädagogische Förderquoten nach Ländern und Förderort (Reich 2012, S.83)<br />

Durch <strong>Inklusion</strong> und professionelle Lehrpersonen kann es gelingen, die Quote der<br />

gemeinsamen Beschulung an Regelschulen zu erhöhen und gleichzeitig die Teilhabe<br />

in der Gesellschaft zu verbessern.<br />

Alle Faktoren der Ausgrenzung spielen auch in den Organisationsformen von<br />

<strong>Inklusion</strong> eine bedeutende Rolle. Ohne das Beachten von ausgrenzenden Faktoren,<br />

kann die Teilhabe von Menschen in der Gesellschaft und in der Schule nicht<br />

wachsen.<br />

Im folgenden Abschnitt wird untersucht, was in der schulischen Bildung verankert<br />

werden muss, um Ausgrenzung zu verhindern und <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen.<br />

2.2 Organisationsformen – theoretische Formen der Umsetzung<br />

In den letzten Jahren widmeten sich unzählige Autoren und Autorinnen der<br />

inklusiven Schulentwicklung in Deutschland. Leitfäden wurden entwickelt und<br />

Standards zur Verwirklichung von <strong>Inklusion</strong> aufgestellt. Immer wieder stellt sich die<br />

Frage: Wie kann ein Kollegium es schaffen, sich von dem bisherigen ausgrenzenden


Schulsystem abzugrenzen und ihre Schule, zu einer inklusiven Schule zu gestalten?<br />

Kersten Reich nähert sich einer Antwort auf diese Fragestellung. Für ihn gibt es drei<br />

Vorgehensweisen, die als erste Impulse helfen könnten, <strong>Inklusion</strong> in Schulen zu<br />

verankern. Ein erster Schritt liegt in der Verpflichtung der Entscheidungsträger, sich<br />

mit von Diskriminierung bedrohten Gruppen auseinanderzusetzen (Vgl. Reich 2012,<br />

S.92ff.). Entscheidungsträger müssen überlegen, wie es Schulen ermöglicht werden<br />

kann, alle Kinder in einem Haus zu unterrichten. Die Verpflichtung, Schulstrukturen<br />

verändern zu wollen, darf nicht nur von den Lehrerkollegien angenommen werden.<br />

Auch die Träger der Schulen, die Eltern, die Schüler selbst müssen an einem<br />

Konzept der <strong>Inklusion</strong> interessiert sein und mitarbeiten wollen. Die Verpflichtung<br />

gilt als ein großer Schritt auf dem Weg der Verwirklichung von <strong>Inklusion</strong>. Wenn<br />

Entscheidungsträger den erforderlichen Schritt wagen, und beginnen sich mit<br />

<strong>Inklusion</strong> auseinanderzusetzten, ist schon etwas erreicht. Dieses<br />

Verpflichtungsbekenntnis muss in einer gemeinsamen Sitzung beschlossen und<br />

öffentlich sichtbar dokumentiert werden, damit alle Beteiligten sich über den<br />

derzeitigen Standpunkt informieren können (ebd. S.93). Im zweiten Schritt müssen<br />

die Planungen umgesetzt und regelmäßig evaluiert werden. Als dritter und letzter<br />

Schritt in dieser Vorgehensweise empfiehlt es sich, ein langfristig angelegtes<br />

Programm zur Entwicklung eines <strong>Inklusion</strong>splans für die Schule auszuarbeiten.<br />

Hierzu hilft auch die Veröffentlichung von Jutta Schöler zum Thema: Inklusive<br />

Schulentwicklung (Vgl. Schöler 2005). In ihrem Herausgeberwerk geht es um die<br />

Vorbereitung von Schulen auf <strong>Inklusion</strong>. Themen wie: Leitbilder, Unterrichtspraxis,<br />

Koordination und Zusammenarbeit sowie Elternarbeit und Personalentwicklung<br />

werden vorgestellt und diskutiert.<br />

Das Implementieren von <strong>Inklusion</strong> im Schulkonzept als erster Schritt, zieht<br />

weitreichende zukünftige Planungen nach sich. Die Planung eines solchen Prozesses<br />

muss bestimmte Punkte mit berücksichtigen (Vgl. Reich 2012, S.91ff.):<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<strong>Inklusion</strong>splanung<br />

Ressourcenmanagement<br />

Kommunikative Strukturen<br />

Lehreraus- und Fortbildung<br />

Lerninhalte<br />

Didaktik<br />

Individualisierung


Evaluation<br />

Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, kann jedoch als<br />

Hilfestellung betrachten werden, eine erste Orientierung zu geben, was bei der<br />

Umstellung auf <strong>Inklusion</strong> an Schulen beachtet werden muss. Im Folgenden werden<br />

die einzelnen Planungspunkte vorgestellt.<br />

2.2.1 <strong>Inklusion</strong>splanung – verpflichten, vernetzen und los geht’s!<br />

Die Planung einer Implementierung von <strong>Inklusion</strong> wurde schon einleitend kurz<br />

angesprochen. Nachdem sich ein Kollegium und alle weiteren Mitglieder und Träger<br />

einer Schule für die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> an ihrer Schule verbindlich<br />

verpflichtet haben, beginnt die Planungsphase. Auseinandersetzungen, Diskussionen<br />

und erste Schritte müssen an einem „Runden Tisch“ mit möglichst vielen Beteiligten<br />

stattfinden. Ressourcen und Möglichkeiten für <strong>Inklusion</strong> werden abgewogen, sowie<br />

Aufgaben verteilt. Auf Seiten der Schulleitung ist es wichtig, eine klare<br />

Erwartungshaltung der Mitarbeit zu zeigen und das Ziel im Hinterkopf zu wahren um<br />

das Kollegium anzuleiten (Vgl. Reich 2012, S.97). Ziele werden meistens schneller<br />

durch organisierte Hilfestellungen erreicht. Es ist wichtig, dass sich Lehrerinnen und<br />

Lehrer und die Schulleitung über organisierte Hilfen informieren. Regionale<br />

<strong>Inklusion</strong>sbüros oder ein <strong>Inklusion</strong>srat könnten Anlaufstellen sein, die bei der<br />

Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> entscheidend sein könnten (Vgl. ebd. S.101). Solche<br />

Einrichtungen sind in Deutschland leider noch sehr wenig vertreten, weswegen ein<br />

weiterer Vorschlag die Vernetzung mit anderen Schulen ist. Durch die Vernetzung<br />

mit anderen Schulen können Erfahrungen auf dem Weg zur <strong>Inklusion</strong> ausgetauscht<br />

werden. Wenn Schulen vor den gleichen Problemen stehen, kann sich gegenseitig<br />

Mut gemacht werden, dennoch weiter an der Sache zu arbeiten. Mehr Menschen<br />

bieten eine größere Ideenvielfalt, die es zu nutzen gilt.<br />

Zuletzt kann auch hier wieder auf den „Index für <strong>Inklusion</strong>“ verwiesen werden, der<br />

eine große Hilfestellung sein kann. Wichtig bei der Planung einer inklusiven<br />

Schulstruktur ist die Beachtung von Ressourcen.<br />

2.2.2 Ressourcenmanagement – den Bedürfnissen der Schülerinnen und<br />

Schülern gerecht werden<br />

Ohne Ressourcen wird <strong>Inklusion</strong> von Schülerinnen und Schülern nicht gelingen.<br />

Schulträger müssen sich im Klaren darüber werden, dass <strong>Inklusion</strong> kein<br />

„Sparmodell“ ist (Vgl. Verband der Sonderpädagogen 2009, S.4). <strong>Inklusion</strong> braucht


für eine gelungene Umsetzung eine deutlich bessere Ausstattung, die sich innerhalb<br />

der Architektur der Schule, der Fördermöglichkeiten und der Klassengröße<br />

wiederspiegeln sollte.<br />

Dafür ist die Architektur von Schulen zu überarbeiten, weil „Barriere-freies- Lernen“<br />

nur in einer barrierefreien Schule für alle möglich ist (Vgl. Kegler 2009, S.61).<br />

Fahrstühle, Möblierung, Größe der Klassenzimmer und weitere Räumlichkeiten,<br />

müssen an die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schüler angepasst werden. Für<br />

diese Veränderungen fordert Ulrike Kegler die Mitsprache von Schülerinnen und<br />

Schüler:<br />

Eine bewusste Schulraumästhetik braucht die Mitsprache der Schülerinnen<br />

und Schüler und schränkt sie gleichzeitig ein. Kinder und Jugendliche sollten<br />

nach ihren Ideen und Wünschen befragt werden (ebd. S. 67).<br />

Eine Berücksichtigung der Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern ist allein<br />

durch die Klassengröße nur schwer zu ermöglichen. Lehrpersonen können bei einer<br />

Klassengröße von über 25 Kindern, nur schwer auf die Bedürfnisse jedes einzelnen<br />

Schülers und jeder einzelnen Schülerin eingehen, auch die individuelle Förderung<br />

von Schülerinnen und Schülern ist nur schwer umzusetzen.<br />

Neben kleineren Klassen könnte eine Doppelbesetzung, das bedeutet zwei<br />

Lehrpersonen unterstützen sich in einer Klasse, im Unterricht genutzt werden, um<br />

jeden Schüler individuell zu fördern. Dadurch können individuelle Förderbedarfe<br />

ihre Berücksichtigung im Klassenzimmer finden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass<br />

die Idee der Doppelbesetzung als „pädagogische Feuerwehr“ sich überwiegend den<br />

Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf annimmt, um diese mit<br />

Einzelförderungen außerhalb des Unterrichts zu fördern (Vgl. Schwager 2011, S.50).<br />

Eine äußerliche Differenzierung führt jedoch im Umkehrschluss wieder zu<br />

Aussonderungen der „Schwächeren“, was mit dem Ziel der <strong>Inklusion</strong> nicht vereinbar<br />

ist. Deswegen kommt es im gemeinsamen Unterricht viel mehr darauf an, dass sich<br />

zwei Lehrpersonen ihre Aufgaben aufteilen und sich im Unterricht gegenseitig<br />

unterstützen. Die Planung des Unterrichts, das gemeinsame Leiten einer Klasse und<br />

auch die gemeinsame Bewertung von Schülerinnen und Schülern ist ein gutes Mittel,<br />

um der Überforderung von Lehrpersonen entgegenzuwirken. Neben der<br />

Barrierefreiheit eines Schulgebäudes und dem gemeinsamen Lernen im Unterricht,<br />

verantwortet von zwei Lehrpersonen, hat es sich insofern als erfolgreich erwiesen,<br />

die Schule offen werden zu lassen zu seiner Nachbarschaft, um die


nachbarschaftlichen Ressourcen mit einbeziehen zu können (Vgl. Reich 2012, S.98).<br />

Zu den nachbarschaftlichen Organisationen gehören lokale Organisationen und<br />

Vereine (Vgl. ebd. S.100). Neben organisatorischen und architektonischen<br />

Veränderungen brauchen die Lehrerkollegien einer Schule Supervision und<br />

Coaching (Vgl. ebd. S.107). Diese müssen von Schulträgern und Kommunen<br />

finanziert werden, um die Lehrpersonen bestmöglich auf die neuen Situationen<br />

vorzubereiten.<br />

2.2.3 Kommunikative Strukturen – ohne Kommunikation läuft nichts!<br />

Durch Supervision können die kommunikativen Strukturen eines Kollegiums<br />

verbessert werden, weil zum Beispiel Verantwortlichkeiten im Kollegium aufgeteilt<br />

werden. Kommunikative Strukturen erleichtern die Arbeit miteinander, weil<br />

Absprachen getroffen werden und dadurch eine Arbeitsaufteilung erreicht wird. Das<br />

Evaluieren des <strong>Inklusion</strong>sprozesses an einer Schule, ist in einem<br />

kommunikationsbereiten Kollegium erfolgreicher. Innerhalb des Kollegiums ist ein<br />

Austausch über den <strong>Inklusion</strong>sprozess mit dessen unterschiedlichen Auswirkung von<br />

großer Bedeutung, um Zielsetzungen gemeinsam festlegen zu können. Lehrerinnen<br />

und Lehrer untereinander, sowie die Schulleitung, müssen an den gleichen Zielen<br />

arbeiten und gegenseitig wissen, was sich in der Praxis ereignet (Vgl. ebd. S.96). Die<br />

Leitung einer Schule hat die Aufgabe, die Ziele und Vorstellungen von <strong>Inklusion</strong><br />

voranzutreiben. Eine regelmäßig angebotene Sprechstunde für das Kollegium kann<br />

insgesamt und im Einzelnen, eine gute Hilfestellung sein, den Austausch<br />

voranzutreiben (Vgl. ebd. S.98). Innerhalb dieser Sprechstunde kann sich jede<br />

Zielgruppe an die Schulleitung mit Fragen und Problemen wenden, sowie Lob und<br />

Kritik aussprechen.<br />

Ein weiterer Vorschlag kann die Inanspruchnahme von lokalen oder überregionalen<br />

Hilfen sein. Kersten Reich beschreibt in seiner Monographie zum Beispiel die Idee<br />

eines <strong>Inklusion</strong>sbüros, welches eine Anlaufstelle für Eltern, LehrerInnen und alle<br />

anderen <strong>Inklusion</strong>sinteressierte werden kann. Unterstützungsmöglichkeiten und<br />

Antragsverfahren könnten mit einer solchen Einrichtung zentral überblickt werden<br />

(Vgl. ebd. S.101). Innerhalb dieser kommunikativen Struktur müssen Fortbildung<br />

und weitere Maßnahmen zur Implementierung von <strong>Inklusion</strong> besprochen und<br />

angegangen werden.


2.2.4 Lehreraus- und Fortbildungen – Ressourcen schaffen durch<br />

Fortbildungen<br />

Wie im Abschnitt Ressourcenmanagement bereits angesprochen, brauchen<br />

Lehrerinnen und Lehrer einer inklusiven Schule Einführungen in <strong>Inklusion</strong>,<br />

Fortbildungen und Trainings, um den Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft<br />

zu erlernen. Empirische Studien belegen, dass fast 60% der Lehrpersonen ihr<br />

theoretisches Wissen über <strong>Inklusion</strong> als unzureichend empfinden (Vgl. Ziemen 2011,<br />

S.128ff.). 80% der Befragten fürchten eine höhere zeitliche Belastung. Nur 15% der<br />

Lehrerinnen und Lehrer schätzen die allgemeine Fortbildungssituation zum Thema<br />

<strong>Inklusion</strong> als positiv ein.<br />

Für die Zukunft der Lehrerinnen und Lehrer, erscheint es daher sinnvoll, eine<br />

Auseinandersetzung mit <strong>Inklusion</strong> schon in die universitäre Ausbildung zu<br />

integrieren. Lehramtsstudierende müssen sich mit dem Thema <strong>Inklusion</strong> intensiv<br />

auseinandersetzen.<br />

Lehrerausbildung<br />

Ursula Böing hat sich mit der Professionalisierung von Lehrpersonen<br />

auseinandergesetzt. Verschiedene Untersuchungen belegten, dass nur ein Drittel der<br />

Lehrpersonen bereit waren, sich mit Schulentwicklungsprozessen<br />

auseinanderzusetzen (Vgl. Böing 2011, S.60). Diese Ausgangslage zeigt ein<br />

herausforderndes Bild, das es gilt aufzuarbeiten. Eine Handlungsmöglichkeit wäre,<br />

den Ansatz der (Sonderschul-) Lehrerausbildung zu verbessern. In Nordrhein-<br />

Westfalen gliedert sich die Ausbildung des Lehrerberufes in einen „theoretischen“<br />

und einen „praktischen Teil“ (Vgl. ebd. S.61). Das im Studium gelernte Wissen soll<br />

in der Zeit des Referendariats, in praktisches Handeln umgesetzt werden. Doch<br />

pädagogisches Handeln kann nach Ursula Böing, immer als ungewisses Handel<br />

umschrieben werden, weil unterrichtliche Situationen durch Ungewissheit und<br />

spontanes Handeln gekennzeichnet sind (Vgl. ebd. S.64). Aus diesem Grund, kann<br />

sich keine Lehrperson in ihrem Handeln jemals sicher sein. Deswegen muss es zur<br />

Ausbildung von Lehrpersonen gehören, den Handlungsprozess in der Praxis zu<br />

begleiten. Sowohl das theoretisch erworbene Wissen, als auch die Praxisphase<br />

müssen sich in Zukunft aufeinander beziehen, um die Professionalisierung von<br />

LehrerInnen zu verbessern.<br />

Andreas Köpfer hat aus diesem Grund das „Theorie-Praxis Seminar“ mit dem Titel:<br />

„Inklusive Schulentwicklung in Köln“, an der Universität zu Köln entwickelt (Vgl.


Köpfer 2011, S.139). In einem Zeitraum von zwei Semestern finden Studierende der<br />

Universität zu Köln die Möglichkeit, gezielte Einblicke in die Praxis des<br />

Gemeinsamen Unterrichts zu bekommen, der mit theoretischen Modellen und<br />

Reflexion im Seminar untermauert wird (Vgl. ebd. S.139). Durch diese Vernetzung<br />

wird Studierenden ein theoretisches Wissen vermittelt, welches sie direkt in der<br />

Praxis anwenden können. Leider findet ein solches Theorie-Praxis Seminar zunächst<br />

nur für Studierende der Sonderpädagogik statt. In Zukunft wäre es erforderlich,<br />

Angebote dieser Art, für alle Lehramtsstudiengänge zu entwickeln, sowie die Anzahl<br />

solcher Angebote auszuweiten.<br />

Lehrerfortbildungen<br />

Lehrerinnen und Lehrer scheinen ihren Erfolg in einer „integrativen Lerngruppe“<br />

daran zu messen, inwieweit es ihnen gelingt, alle Schülerinnen und Schüler zum<br />

selben Lernziel zu führen (Vgl. Amrhein 2011, S.130). Dieses Ziel kann für eine<br />

inklusive Schule nicht gelten, weil das Ziel von schulischer <strong>Inklusion</strong>, die<br />

bestmögliche Förderung jedes Einzelnen ist. Das bedeutet jeder Schüler und jede<br />

Schülerin verfolgt individuelle, persönliche Lernziele. Diese Zielsetzung ist für viele<br />

Lehrerinnen und Lehrern unbekannt und muss in Weiterbildungen erlernt werden. Da<br />

für Veränderungen in Richtung <strong>Inklusion</strong> weniger Bereitschaft da zu sein scheint, als<br />

notwendig, vollzieht sich der Wandel sehr langsam.<br />

Die „Forschungswerkstatt“ bietet sich als ein mögliches Konzept an, die<br />

Professionalisierung eines Lehrerteams voranzutreiben. Ursula Böing beschreibt in<br />

ihrem Artikel das Vorgehen einer „Forschungswerkstatt“, die sich sowohl für<br />

Veränderungen auf der „Mikroebene“ einer Schule, als auch auf der „Mesoebene“<br />

von verschiedenen Schulen positiv auswirken kann (Vgl. Böing 2011, S.66). Das<br />

Prinzip der „Forschungswerkstatt“ basiert auf dem Konzept der Handlungsforschung,<br />

in der sich Aktion und Reflexion im Prozess abwechseln. Zu Beginn werden Fragen<br />

aus der unterrichtlichen Praxis, in der sogenannten „Fallarbeit“, aufgegriffen. Durch<br />

die Arbeit an konkreten Fällen aus der Praxis werden von Lehrerinnen und Lehrern,<br />

gemeinsam Lösungsstrategien entwickelt, die im Unterricht von denselben<br />

ausprobiert werden. Nach der Erprobung erfolgt dann wiederum ein Reflektieren,<br />

welches innerhalb der Gruppe besprochen und ausgewertet wird. Die Arbeit in der<br />

„Forschungswerkstatt“, sollte mindestens ein Schuljahr durchgeführt werden, um<br />

nachhaltig Erfolge zu erzielen. Es empfiehlt sich, für den gesamten Lehr-Lern-<br />

Prozess eine Moderation zu installieren, die den methodischen Verlauf der


Forschungswerkstatt überwacht (Vgl. ebd. S.68). Durch diese Bearbeitung an<br />

konkreten Fallsituationen kann die Selbstmotivation von Lehrerinnen und Lehrern,<br />

als hoch eingeschätzt werden, in einer solchen Forschungswerkstatt mitarbeiten zu<br />

wollen. Auf der Mesoebene lässt sich die „Forschungswerkstatt“ auch mit Kollegien<br />

anderer Schulen vernetzen. Es arbeiten dabei mehrere Kollegien gemeinsam an<br />

unterschiedlichen Fragestellungen. Diese Fragestellungen können sich unter anderem<br />

auf die Didaktik und Lerninhalte beziehen, um Lehrerinnen und Lehrer auf eine<br />

inklusive Didaktik vorzubereiten.<br />

2.2.5 Lerninhalte und inklusive Didaktik – Fächerübergreifende Kompetenzen<br />

und individuelle Förderung, statt einer übertriebenen Ausrichtung auf die<br />

Fachwissenschaften.<br />

In deutschen Schulen werden fächerbezogenen Curricula ein hoher Stellenwert<br />

zugeschrieben (Vgl. Reich 2012, S.101). Schon im Lehramtsstudium werden die<br />

Fachinhalte von den<br />

pädagogischen Inhalten getrennt studiert. Wie bereits<br />

angesprochen setzen sich nur wenige Veranstaltungen mit der Kopplung von<br />

Pädagogik und Fachdidaktik auseinander. 4/5 der Studienzeit werden fachliche<br />

Inhalte studiert gegenüber 1/5 Pädagogik (Vgl. ebd. S.102). Das hat zur Folge, dass<br />

an den Schulen, ein sehr fächerzentriertes Curriculum entsteht. Diese<br />

Fächerzentriertheit hat Auswirkungen auf das Lernen innerhalb der Schule.<br />

[…] die übertriebene Ausrichtung an den Fachwissenschaften, die zukünftige<br />

Lehrer/innen mit reinen Fachstudierenden oft in gleichen Seminaren erfahren,<br />

führt zu einer falschen Einschätzung der späteren beruflichen Tätigkeit und<br />

nicht selten zu Frustrationen, dass das im Studium erworbene Wissen später<br />

nicht zu den Schülerinnen und Schülern passt (ebd. S.103).<br />

Auf die Schule bezogen bedeutet das, dass SchülerInnen im Sekundarbereich mit<br />

hohen Stoffmengen konfrontiert werden, die nur wenig Platz für persönliche<br />

Interessensgebiete zulassen (Vgl. ebd. S.102ff.). Fachübergreifender Unterricht wird<br />

an wenigen Schulen praktiziert. Auch im Abitur wird die Wahlfreiheit der<br />

Schülerinnen und Schüler durch Vorgaben hinsichtlich der Fächerzusammenstellung<br />

eingeschränkt. Die inklusive Schule, muss fächerübergreifende Kompetenzen<br />

berücksichtigen, um allen Schülerinnen und Schülern ausreichend Möglichkeiten zur<br />

persönlichen Weiterentwicklung zu gewährleisten.<br />

Zu den notwendigen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, zählen vor allem<br />

Grundfertigkeiten in Mathematik und Deutsch, wie Lesen und Rechtschreibung,


sprachliche Kompetenzen, Zahlenverständnis aber auch soziale Kompetenzen und<br />

Kompetenzen im Umgang mit Heterogenität (Vgl. ebd. S.103).<br />

Lehrerinnen und Lehrer sind mitverantwortlich, jeden Schüler und jede Schülerin in<br />

ihren Entwicklungen im Blick zu behalten und die methodischen Vorhaben gezielt zu<br />

koordinieren und an die Schülerinnen und Schüler anzugleichen. Dafür ist es zum<br />

Beispiel wichtig, Unterricht gezielt zu planen. Deswegen muss, neben der<br />

Vernetzung von allgemeinen und fachlichen Kompetenzen, um eine Stoffentlastung<br />

gekämpft werden.<br />

Die Lerninhalte müssen über eine inklusiv angelegte Didaktik vermittelt werden,<br />

damit jedem Schüler und jeder Schülerin die Teilnahme am Unterricht ermöglicht<br />

wird. Kerstin Ziemen spricht von einer „allgemeinen Didaktik und Pädagogik“, die<br />

niemanden ausschließt: „Die inklusive Schule als eine alle Kinder und Jugendliche<br />

(bzw. deren Eltern) willkommen heißende Schule […] betrachtet die Heterogenität,<br />

die Differenz als Chance bzw. als Ressource“ (Ziemen 2011, S.11). Ihre Vorstellung<br />

baut auf der Idee von Georg Feuser auf, dass nur eine „allgemeine“ angelegte<br />

Pädagogik und Didaktik es schafft, Ausgrenzung innerhalb des Schulsystems zu<br />

verhindern. Eine „allgemeine Didaktik“ passt sich den Bedürfnissen und der<br />

Entwicklung der Schülerinnen und Schüler an. Jedes Kind wird in seinem „So-Sein“<br />

angenommen (Vgl. ebd. S.15). Um diesem Ziel gerecht zu werden, bewährten sich<br />

offene Lernformen, sowie das Lernen in Kurssystemen und Lehrgängen und<br />

individuelle Arbeitsformen (Vgl. ebd. S.16). Wie solche Lernformen aussehen, wird<br />

im dritten Kapitel ausführlich behandelt, wo Beispiele für die praktische Umsetzung<br />

ausgeführt werden, um passende Möglichkeiten für den Unterricht zu entdecken und<br />

sich Unterricht in einer inklusiven Schule konkret vorstellen zu können. Viele<br />

Lerninhalte werden an inklusiven Schulen durch das Prinzip der Individualisierung<br />

umgesetzt.<br />

2.2.6 Individualisierung – Eigenständigkeit im Lernprozess vermitteln<br />

„Individualisierung geschieht im Rahmen einer Gemeinschaft und führt wieder zu ihr<br />

zurück“ (von der Groeben 2008, S.41). Mit der Individualisierung verfolgen<br />

Lehrpersonen das Ziel, einen Schüler/eine Schülerin in seiner/ihrer persönlichen<br />

Entwicklung mit für ihn/sie ausgewählten Aufgaben zu unterstützen. Dies geschieht<br />

im Rahmen einer Schülergemeinschaft. Stellt man sich die Individualisierung als<br />

Pendelbewegung vor, so pendelt sie vom Schüler zur Gemeinschaft und zurück. Der<br />

Schüler arbeitet auf der einen Seite an individuellen Aufgaben, die gleichzeitig einen


Stellenwert in dem gemeinschaftlichen Geschehen im Klassenzimmer haben (Vgl.<br />

ebd. S.65).<br />

Für <strong>Inklusion</strong> ist es unentbehrlich Schülerinnen und Schüler individuell zu<br />

betrachten. Wie bereits angesprochen geht es um die Teilhabe aller am gemeinsamen<br />

Lernstoff. Durch eine Individualisierung können Lerninhalte auf die jeweiligen<br />

Schülerinnen und Schüler zugeschnitten werden. Das Prinzip der Individualisierung<br />

beinhaltet, die Schwächen und Stärken eines jeden zu erkennen und den<br />

Schülerinnen und Schülern zur Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zu führen<br />

(Vgl. Ziemen 2008, S.161).<br />

2.2.7 Evaluieren – Erfolge und Hindernisse offenlegen<br />

Bei all diesen notwendigen Voraussetzungen und Vorschlägen für <strong>Inklusion</strong> ist es<br />

unbedingt anzustreben, diese zu evaluieren. Haben sich Lehrerkollegien, für<br />

bestimmte Umsetzungen und Planungen entschieden, empfiehlt es sich, diese<br />

mindestens einmal im Jahr zu evaluieren (Vgl. Reich 2012, S.113). Durch eine<br />

Evaluation werden Erfolge und Hindernisse offengelegt, die im weiteren<br />

Prozessverlauf berücksichtigt werden können, um die Schulentwicklung zu einem<br />

noch positiveren Verlauf zu führen. Zielvereinbarungen können sich durch Prozesse<br />

der Evaluation verändern, wenn Ziele erneut gesteckt werden müssen, bevor andere<br />

Ziele erreicht werden können. Auch bei der Evaluation empfehlen sich<br />

Schulpartnerschaften, die einen Austausch zwischen mehreren Schulen bzw. neue<br />

Ressourcen durch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ermöglichen.<br />

Bisher haben sich die einzelnen Kapitel einer „theoretischen“ Vorstellung von<br />

<strong>Inklusion</strong> angenähert, weswegen zu prüfen ist, ob und wie die Theorie in die Praxis<br />

umgewandelt werden kann. In Kapitel drei soll deshalb aufgezeigt werden, wie die<br />

verschiedenen angesprochenen Bereiche in der Praxis verwirklicht werden können.<br />

Dafür werden vier Bereiche der Unterrichtspraxis näher beleuchtet: Unterricht,<br />

Classroom-Management, Umgang im Kollegium, Leistungsbewertung. Die zuvor<br />

behandelte Theorie findet sich in der praktischen Umsetzung wieder, so muss das<br />

bisher Gelesene mit dem folgenden Kapitel zusammenhängend, in einem „inklusiven<br />

Verbund“ betrachtet werden, weil Theorie und Praxis voneinander abhängig sind.


3. Zukunftsmodell <strong>Inklusion</strong> – Schritt 3: <strong>Inklusion</strong> in der Praxis<br />

Das Zukunftsmodell <strong>Inklusion</strong> beabsichtigt Veränderungen in mehreren Bereichen,<br />

die vor allem den Beruf als Lehrer und Lehrerin vor neue Herausforderung stellt.<br />

Lehrpersonen müssen sich auf andere Voraussetzungen einstellen, wenn jeder<br />

Schüler und jede Schülerin Zugang zur Regelschule bekommen wird. „Die Kinder<br />

lernen nicht mehr allein vom Lehrer, sondern vor allem voneinander. Die Lehrkraft<br />

tritt in den Hintergrund und wirkt vor allem als Organisator“ (BLLV 2013, S.1). Der<br />

Unterricht muss sich den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler anpassen. Es<br />

müssen Unterrichtsinhalte von Lehrpersonen ausgewählt werden, die jedem Schüler<br />

passend erscheinen. In Abbildung 5 stellt Katrin Düring die einzelnen Bereiche vor,<br />

sich als Person verändern<br />

(Werte, Einstellungen und Verhalten)<br />

den eigenen<br />

Unterricht<br />

verändern<br />

(lernwirksamer,<br />

schülerorientierter<br />

Unterricht<br />

Felder der<br />

Veränderung<br />

ddddss durch<br />

gemeinsamen<br />

Unterricht<br />

Die Schule<br />

verändert sich<br />

(Konzept,<br />

Struktur,<br />

Management,<br />

Partizipation)<br />

sich verändernde Arbeitsbedingungen<br />

(Rollenklarheit, Aufgaben-bezogenheit u.<br />

Kooperation)<br />

die sich durch die Einführung eines gemeinsamen Unterrichts verändern.<br />

Ein Bereich bezieht sich auf die Lehrperson in ihrer Persönlichkeit. Lehrerinnen und<br />

Lehrer müssen ihre Werte, Einstellungen und ihr Verhalten ändern, um <strong>Inklusion</strong> zu<br />

ermöglichen, sie müssen offen sein für Veränderungen. Als weiteren Bereich muss


sich die Schule verändern. Eine inklusive Schule kann nur gelingen, wenn Schule<br />

sich verändert, wozu Veränderungen im Konzept, Management und in der<br />

Partizipation von allen Beteiligten zählen, viele dieser Veränderungen wurden bereits<br />

in Kapitel zwei behandelt. Außerdem ändern sich durch <strong>Inklusion</strong> die<br />

Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern. Gerade auf diesen Bereich geht<br />

das Kapitel 3.1 ein, wenn es um die Vorbereitung von Unterricht im Team geht. Als<br />

letzten Bereich spricht Düring den eigenen Unterricht an, der sich verändern muss.<br />

Eine Schule, die in ihrem Konzept die Grundsätze der <strong>Inklusion</strong> festhält, braucht<br />

Lehrerinnen und Lehrer, die bemüht sind, diese auch in ihren eigenen Unterricht zu<br />

integrieren.<br />

Viele Lehrkräfte fühlen sich unter diesen Voraussetzungen überfordert und nicht<br />

ausgebildet. Der Umgang mit Kindern mit Behinderung ist ihnen fremd. Sie wissen<br />

nicht, wie sie den Zugang zu diesen Schülerinnen und Schülern herstellen und wie<br />

sie ihnen mit ihrem Unterricht weiterhelfen können. „Ich bin als „normaler“ Lehrer<br />

auf den Umgang mit behinderten Kindern doch überhaupt nicht vorbereitet!“,<br />

(Schöler 2009, S.27) ist eine Aussage, die aus den Lehrerzimmern der Regelschulen<br />

zu hören ist.<br />

Der Beruf des Lehrers war schon vor der Idee und Philosophie der <strong>Inklusion</strong> vom<br />

Burnout bedroht, weil Lehrerinnen und Lehrer vielen Ansprüchen gerecht werden<br />

müssen, nebenbei steigt der Leistungsdruck an Schulen weiter an (Vgl. Didacta<br />

2013, S.2). Mit der politischen Forderung nach <strong>Inklusion</strong> werden weitere Ansprüche<br />

an Lehrpersonen herangetragen, denen sie gerecht werden müssen. Es ist wichtig<br />

angehende Lehrerinnen und Lehrer auf diese Anforderungen bereits im Studium<br />

vorzubereiten, um alternative Wege des Umgangs aufzeigen zu können. Marion<br />

Dunkel sieht die „Akutmaßnahme“ in der Supervision (Vgl. ebd. S.2). <strong>Inklusion</strong> in<br />

Deutschland bedeutet zurzeit noch, mit wenig Ressourcen und wenig ausgebildeten<br />

Lehrkräften alle Schüler gleich gut zu fördern. Deswegen wünschen sich Lehrerinnen<br />

und Lehrer in Zukunft die Möglichkeiten sich weiterzubilden, wie bereits in Kapitel<br />

zwei angesprochen. Supervision gilt als ein Setting das Problem anzugehen. Im<br />

Internet finden sich einige Fortbildungsangebote und Tagungsthemen, die sich mit<br />

unterschiedlichen Schwerpunkten der <strong>Inklusion</strong> beschäftigen.


Universität Hildesheim: 28.2.2013 – 01.03.2013 12. Bundesweite<br />

Expertentagung „Lehrerbildung zwischen Unterrichtsforschung und<br />

Unterrichtsentwicklung“.<br />

Universität zu Köln: 04.02.2013 UK-Fortbildungen Entwicklung von<br />

Handlungsstrategien im inklusiven Unterricht<br />

Schulministerium NRW: 10.04.2013 Gemeinsamer Mathematikunterricht<br />

Schulministerium NRW: 17.04.2013 Basiswissen „Kooperativen Lernens“<br />

– Methoden und Möglichkeiten<br />

Schulministerium NRW: 04.07.2013 Auf dem Weg zur inklusiven Schule<br />

Integrales Zentrum Möhnesee: Fortbildung Changemanagement zum<br />

Thema <strong>Inklusion</strong><br />

Fortbildungen zum Thema <strong>Inklusion</strong>spädagogik in der Schule unter:<br />

www.bildungsserver.de<br />

…<br />

Diese Fortbildungen stellen einen Teil der Ressourcen dar, die für <strong>Inklusion</strong><br />

erforderlich sind. 2014 tritt die Gesetzesänderung zur <strong>Inklusion</strong> in NRW in Kraft, bis<br />

dahin muss von Seiten der Regierung geklärt sein, aus welchen Mitteln die<br />

Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> finanziert wird.<br />

Um Lehrerinnen und Lehrer die Angst zu nehmen, mit schulischer <strong>Inklusion</strong> käme<br />

eine Last auf sie zu, welche sie nicht bewerkstelligen können, sollen nachfolgend<br />

Hinweise und Anregungen gegeben werden, die Lehrerinnen und Lehrer auf<br />

<strong>Inklusion</strong> vorbereiten. Die bereits angesprochenen Bereiche Unterrichtsplanung,<br />

Kooperation im Kollegium, Classroom-Management und Leistungsbewertung<br />

werden in diesem Kapitel beschrieben. Anschließend wird auf eine Empfehlung von<br />

Ulf Preuss-Lausitz und Klaus Klemm eingegangen. In dieser Empfehlung für die<br />

Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> werden verschiedene dieser Bereiche miteinander vernetzt,<br />

um ein umfassendes Bild von inklusivem Unterricht und inklusiver Schulkultur<br />

entstehen zu lassen. Zunächst folgen Ideen zur Unterrichtsplanung.<br />

3.1 Unterrichtsplanungen – Möglichkeiten, Ideen, Visionen, Umsetzung!?!<br />

Planung von Unterricht beschäftigt sich mit der Planung von Unterrichtseinheiten<br />

und der Durchführung dieser. Das Vor- und das Nachbereiten einer Einheit sind für<br />

nachhaltigen Unterricht entscheidend. Unter Punkt 3.1 sollen verschiedene Ideen<br />

vorgestellt werden, die bei der Planung für den Unterricht einer heterogenen Gruppe


helfen. Punkt 3.1.1. beschäftigt sich mit der Vorbereitung von Unterricht im Team.<br />

Danach steht der Umgang mit heterogenen Gruppen im Mittelpunkt. Gerade die<br />

Heterogenität im Klassenzimmer ist eine der größten Barrieren der <strong>Inklusion</strong> und<br />

muss daher gesonderte Aufmerksamkeit bekommen. Unter Punkt 3.1.3 wird eine<br />

Möglichkeit aufgezeigt mit heterogenen Gruppen pädagogisch umzugehen. Die<br />

Delegation von Aufgaben durch „Nonpersonale“ oder „Personale Unterstützung“<br />

kann eine der Möglichkeiten sein, sich als Lehrkraft zu entlasten und gleichzeitig<br />

jedem Schüler und jeder Schülerin im Unterricht individuell, pädagogisch, „gerecht“<br />

zu werden. Als letzten Punkt wird auf den „handlungsorientierten Unterricht“<br />

eingegangen. Auch dieser lässt sich auf die inklusive Praxis übertragen, weil<br />

Schülerinnen und Schüler durch handlungsorientierten Unterricht vielfältige<br />

Möglichkeiten haben sich individuell zu entfalten. Es gibt noch unzählige weitere<br />

Ideen und Handlungsansätze, mit heterogenen Lerngruppen umzugehen. Täglich<br />

kommt neue Literatur zur praktischen Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> auf den Markt.<br />

Deswegen können hier nur einige ausgewählte Ideen vorgestellt werden.<br />

Wie bereits angesprochen kann Unterrichten und die Vorbereitung des Unterrichts<br />

im Team eine Hilfestellung für die Planung von Unterricht sein. Die<br />

Herausforderungen einer Doppelbesetzung wurden bereits im Kapitel 2.2.2<br />

angesprochen. Bereitet man den Unterricht aber als „wirkliches“ Team vor, haben<br />

viele Köpfe mehr Ideen als ein Kopf und kennen sich dabei gleichzeitig in<br />

unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich gut aus. Heterogenität im Kollegium<br />

kann genutzt werden, um lernwirksamen Unterricht an Schulen anbieten zu können,<br />

sowie die einzelnen Kollegen und Kolleginnen organisatorisch zu entlasten.<br />

3.1.1 Planung im Team – Kooperation im Kollegium als Entlastung im<br />

Unterricht<br />

Marianne Wilhelm bewertet Teamarbeit als eine der Grundvoraussetzung, für<br />

wirksamen Unterricht (Vgl. Wilhelm 2005, S.67). Auch empirische Befunde<br />

belegen, dass die Planung im Team eine wichtige Ressource für schulische <strong>Inklusion</strong><br />

bildet (Vgl. Lindsay 2007, S.12). Durch Teamarbeit ist es möglich, jedem Kind die<br />

Aufmerksamkeit zu schenken, die es braucht um sich gut entfalten zu können. Zum<br />

ersten Schritt einer Teamarbeit zählt die Aufgabenverteilung untereinander. Wer<br />

fühlt sich für was verantwortlich? Sind die Rollen unter den Lehrpersonen abgeklärt<br />

und sind die Aufgaben untereinander gleichmäßig verteilt, kann die Arbeit im Team<br />

gelingen. Dabei ist zwischen der Teamarbeit als „Doppelbesetzung“ in einer Klasse


und der Teamarbeit im Kollegium allgemein zu unterscheiden. Die<br />

„Doppelbesetzung“ einer Klasse, betrifft zwei KollegInnen, die sich die<br />

Verantwortung für eine Klassengemeinschaft teilen. Jedem der beiden Lehrkräfte<br />

wird empfohlen, auch einmal die Aufgaben des anderen zu übernehmen (Vgl.<br />

Schöler 2009. S.32). Wenn Zuständigkeiten im Team regelmäßig wechseln, kann auf<br />

der einen Seite Verständnis füreinander aufgebaut werden, auf der anderen Seite<br />

werden die eigenen Stärken und Schwächen erkannt. Zu Beginn einer gemeinsamen<br />

Klassenleitung empfiehlt Jutta Schöler, sich intensiv kennen zu lernen: „Gönnen Sie<br />

sich die Zeit, um diese zweite Lehrerin/den zweiten Lehrer in Ihrer Klasse auch<br />

privat kennen zu lernen“ (ebd. S.33).<br />

Das Gestalten von Unterricht im Team kann unter diesen Voraussetzungen für alle<br />

als Entlastung empfunden werden, weil der tägliche Austausch untereinander für eine<br />

Verbesserung der Förderung im Unterricht sorgt, auch hier gilt wieder, viele Köpfe<br />

sehen und denken mehr.<br />

Die Teamarbeit im Kollegium allgemein, betrifft alle Kollegen und Kolleginnen<br />

einer Schule. An der Montessorischule in Potsdam funktioniert die Teamarbeit, nach<br />

Aussage der Direktorin Ulrike Kegler, seit Jahren gut. Die Teams sind nach<br />

Schuljahren aufgeteilt, das heißt Lehrerinnen und Lehrer der Klassen eins bis drei<br />

bilden das erste Team, die Klassen vier bis sechs werden von einem weiteren Team<br />

betreut, die letzten beiden Teams betreuen die siebten und achten Klassen und die<br />

neunten und zehnten Klassen (Vgl. Kegler 2009, S.159). Durch festgelegte Treffen,<br />

wird die Teamarbeit an dieser Schule beständig. Jeden Mittwochnachmittag treffen<br />

sich alle Teams zur Besprechung. Die Besprechungen sind für zwei Stunden<br />

angesetzt, diese zeitliche Begrenzung wird eingehalten, um eine begrenzte Auswahl<br />

an Themen intensiv behandeln zu können, anstatt viele Themen unkonzentriert zu<br />

bearbeiten. Abwechselnd treffen sich in der einen Woche die Lehrerteams und in der<br />

anderen Woche das ganze Kollegium. Durch solche Strukturen kann der Unterricht<br />

gemeinsam vorbereitet werden. Der Mittwoch als feststehender Termin, ermöglicht<br />

einen geregelten Austausch, was das gemeinsame Vorbereiten des Unterrichts<br />

erleichtert. Erfolge und Probleme mit einzelnen Schülerinnen und Schülern finden<br />

durch eine solche Struktur ebenfalls Platz. Das Einführen von Lehrerteams in<br />

Schulen, stellt auch für den Umgang mit heterogenen Lerngruppen eine<br />

Arbeitsvereinfachung dar, weil ein regelmäßiger Austausch stattfindet und<br />

Möglichkeiten und Probleme besprochen werden kann. Der regelmäßige Austausch


im Kollegium und eine gelungene Teamarbeit, sind für <strong>Inklusion</strong> unverzichtbar, weil<br />

es dadurch möglich ist, allen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Förderbedarf<br />

im Unterricht gerecht zu werden. Gleichzeitig ist Teamarbeit arbeitsentlastend, weil<br />

Lehrpersonen nicht alleine für die Lerngruppe und den Ablauf des Unterrichts<br />

verantwortlich sind.<br />

Eine weitere Möglichkeit der Entlastung besteht darin, Heterogenität im<br />

Klassenzimmer als Ressource zu nutzen. Im nachfolgenden Abschnitt wird erläutert,<br />

wie diese Ressource genutzt werden kann. Dazu werden zunächst „allgemeine“<br />

didaktische Grundlagen vermittelt, um danach gezielte Hilfen vorstellen zu können.<br />

3.1.2 Umgang mit heterogenen Lerngruppen –<br />

Verschiedenheit im Unterricht<br />

Das Wort „heterogen“ stammt ursprünglich von dem griechischen Wort „heteros“,<br />

was so viel bedeutet wie: anders, abweichend (Vgl. Trautmann; Wischer 2011, S.38).<br />

Im schulischen Kontext ist mit „heterogenen Lerngruppen“ eine hohe<br />

Verschiedenheit/Unterschiedlichkeit der Schülerprofile gemeint. Schülerinnen und<br />

Schüler mit unterschiedlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten besuchen eine Klasse.<br />

Darunter befinden sich auch Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf. Für den Umgang mit heterogenen Lerngruppen müssen sich die<br />

Einstellungen vieler Lehrerinnen und Lehrer ändern. Die TIMSS-Studie hat bestätigt,<br />

dass 63% der deutschen Lehrerinnen und Lehrer, Heterogenität in der Klasse als<br />

starke Berufserschwernis empfinden (Vgl. ebd. S.109). Um diesen Prozentsatz zu<br />

verringern, erwarten Lehrpersonen Hilfestellungen. Die Angst vor<br />

Unterschiedlichkeit muss verringert werden, wenn <strong>Inklusion</strong> an Schulen umgesetzt<br />

werden soll. Dies kann durch das Bereitstellen von didaktisch-methodischen<br />

Kompetenzen geschehen. Unter Punkt 2.2.7 wurde bereits das „Prinzip der<br />

Individualisierung“ erklärt. Dieses Prinzip ist für heterogene Lerngruppen, und damit<br />

für alle nachfolgenden Überlegungen zur Umsetzung, von Bedeutung, weil es im<br />

inklusiven Unterricht immer darum geht, jeden einzelnen Schüler und jede einzelne<br />

Schülerin zu berücksichtigen und gleichzeitig die gesamte Klasse an einem Thema<br />

arbeiten zu lassen.<br />

In den folgenden Abschnitten werden Vorschläge diskutiert, die ein Umdenken für<br />

den Umgang mit Heterogenität im Klassenzimmer erlauben. In all diesen<br />

Unterrichtsvorschlägen kommt es immer darauf an, dass die Passung zwischen den<br />

Lernvoraussetzungen und dem Lernangebot stimmt (Vgl. ebd. S. 120). Sind die


Lernvoraussetzungen und das Lernangebot nicht aufeinander abgestimmt, fehlen<br />

Schülerinnen und Schülern die Voraussetzungen, sich mit dem Lernangebot<br />

angemessen zu beschäftigen.<br />

Deswegen muss man als Lehrperson der Verantwortung gerecht werden,<br />

Schülerinnen und Schüler nicht zu unterfordern und nicht zu überfordern. Unterricht<br />

muss immer im Hinblick auf die Vielfalt der Schüler geplant werden (Vgl. mittendrin<br />

e.V. 2011, S.54).<br />

Annemarie von der Groeben setzte sich mit der Thematik der Verschiedenheit im<br />

Unterricht auseinander. In ihrer Monographie bringt sie viele praktische Beispiele<br />

zur Umsetzung eines Unterrichtes, in heterogenen Lerngruppen. Um Lernen für alle<br />

zu ermöglichen, muss ihrer Meinung nach die Balance im Unterricht stimmen. Die<br />

Balance entsteht zwischen dem Individuum, der Sache und der Gruppe (Vgl. von der<br />

Groeben 2008, S.14ff.) Damit ist die Balance zwischen den einzelnen Schülerinnen<br />

und Schülern, dem Lerngegenstand und der Gemeinschaft innerhalb der Klasse<br />

gemeint.<br />

Individuum<br />

Sache<br />

Gruppe<br />

Abbildung 6: Faktoren im Unterricht (Von der Groeben 2008, S.14ff.)<br />

Das Schaubild verdeutlicht diese Balance anhand eines gleichseitigen Dreiecks.<br />

Schülerinnen und Schüler, die Gemeinschaft und der Lerngegenstand müssen im<br />

Unterricht berücksichtigt werden. Dabei steht der Schüler (hier benannt mit<br />

Individuum) im Mittelpunkt und bekommt eine individuelle Berücksichtigung im<br />

Unterricht. Schülerinnen und Schüler reagieren auf Inhalte im Unterricht, sie zeigen<br />

durch ihre Motivation, ob ihnen der Unterricht Spaß macht oder nicht.<br />

Auch die Gemeinschaft in einer Klasse spielt eine wichtige Rolle für das Lernen,<br />

Streitigkeiten innerhalb der Klasse wirken sich auf die Stimmung der Schülerinnen<br />

und Schüler und damit auch auf den Unterricht aus. Lehrerinnen und Lehrer haben<br />

die Aufgabe dies im Unterricht zu berücksichtigen.


Gleichzeitig fehlt in diesem Schaubild eine wichtige Komponente: die Lehrperson. In<br />

Abbildung sieben wurde das gleichseitige Dreieck durch ein Viereck ersetzt, um die<br />

Lehrperson als weitere wichtige Komponente mit aufnehmen zu können.<br />

Individuum<br />

Sache<br />

Gruppe<br />

Abbildung 7: Faktoren im Unterricht Lehrperson<br />

(erweitert)<br />

Die viel diskutierte „Hattie Studie“ bestätigt, dass guter Unterricht von der<br />

Lehrperson abhängig ist. In einem Interview erklärt John Hattie, dass Schülerinnen<br />

und Schüler auf Feedback angewiesen sind (Vgl. Berger 2012, S.1). Hattie empfiehlt<br />

Lehrkräften, bei den Schülerinnen und Schülern nachzufragen und sich von ihnen ein<br />

Feedback über den eigenen Unterricht geben zu lassen. Andererseits sollen sich auch<br />

Schülerinnen und Schüler von der Lehrperson Feedback geben lassen: „sie brauchen<br />

Anleitung auf unterschiedlichen Ebenen, tiefer und weniger tief gehend“ (ebd. S.2).<br />

Weitere empirische Befunde weisen ebenfalls auf die Wichtigkeit der Lehrperson<br />

hin: „Teachers attitudes, as well as their behaviors have been proposed as a key<br />

factor in successful inclusive education“(Lindsay 2007, S.13). Deshalb ist es für die<br />

Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> wichtig, Lehrerinnen und Lehrer mit <strong>Inklusion</strong> vertraut zu<br />

machen. Auch ein inklusiver Unterricht kann nicht ohne die Instruktionen von<br />

Lehrpersonen stattfinden.<br />

Von der Groeben sieht Schulentwicklung als Gemeinschaftsleistung aller. Nach<br />

ihrem Verständnis verläuft die Schulentwicklung durch das Mitwirken aller in<br />

kleinen Schritten (Vgl. von der Groeben. S.11). Die Umgestaltung des eigenen<br />

Unterrichts, kann daher als ein erster Schritt gesehen werden, die eigene Schule zu<br />

einer inklusiven Schule umzugestalten.<br />

Von der allgemeinen Didaktik im Unterricht wird im Folgenden auf konkrete<br />

Vorschläge eingegangen, die Lehrerinnen und Lehrer auf der einen Seite entlasten


und auf der anderen Seite einen hohen Lerncharakter für Schülerinnen und Schüler<br />

aufzeigen. Das Unterrichten in heterogenen Lerngruppen steht dabei im Mittelpunkt.<br />

3.1.3 Delegation von Aufgaben – Ideen zur Entlastung der Lehrperson im<br />

inklusiven Unterricht<br />

Hans Wocken stellt in seinem Buch „das Haus der inklusiven Schule“ eine Idee vor,<br />

Lehrerinnen und Lehrer vor mehr Arbeit durch <strong>Inklusion</strong> zu entlasten. Nach Wocken<br />

ist die Delegation von Aufgaben an „personale und nonpersonale Hilfen“ eine<br />

Möglichkeit, inklusives Lernen zu gestalten. Unter „nonpersonalen“ Hilfen versteht<br />

Wocken, die Delegation von Lehrfunktionen an Aufgaben und Aufträge im offenen<br />

Unterricht (Vgl. Wocken 2011, S.150ff.). Zum offenem Unterricht zählen<br />

verschiedene Methoden: Stationenlernen, Wochenplanunterricht, Projektunterricht,<br />

Freiarbeit, Werkstattarbeit, Portfolioarbeit. Durch diese Methoden können im<br />

offenen Unterricht Schülerinnen und Schüler an differenzierten Lerngegenständen<br />

lernen. Die Aufgaben und Aufträge, die im „offenen Unterricht“ verteilt werden, sind<br />

das Medium des Unterrichts: „Man kann guten Unterricht in gewisser Weise als<br />

Arbeiten an Aufgaben verstehen“ (ebd. S.151). Unter „personalen Hilfen“ versteht<br />

Wocken vor allem die Personen der Schülerinnen und Schüler selbst: „Schüler sind<br />

kostbare und zugleich auch kostengünstige Ressourcen in einem inklusiven<br />

Unterricht“ (ebd. S.162). Im kooperativen Lernen können sich Schülerinnen und<br />

Schüler austauschen und gegenseitig helfen, was wiederum eine Entlastung der<br />

Lehrperson nach sich zieht. Die Delegation an nonpersonale und personale Hilfen<br />

soll im Folgenden ausführlich beleuchtet werden.<br />

3.1.3.1 Nonpersonale Hilfen – Entlastung durch Aufgaben und Methoden<br />

Die Arbeit im offenen Unterricht an ausgewählten Arbeitsmaterialien, lässt<br />

Schülerinnen und Schüler selbstständig werden, wenn sie sich mit dem<br />

Aufgabenmaterial auch selbstständig auseinandersetzen können. Dabei darf jedoch<br />

nicht davon ausgegangen werden, dass die Delegation an nonpersonale Hilfsmittel<br />

eine Beschäftigungstherapie darstellt. Es kommt nicht darauf an, den Schülerinnen<br />

und Schüler viele Arbeitsblätter bereit zu stellen, sondern auf deren Qualität. Gute<br />

Arbeitsblätter sind nach Wocken produktive Arbeitsblätter, die Schülerinnen und<br />

Schüler zu vielschichtigem Denken auffordern (Vgl. ebd. S.151).


Die bereits genannten Settings Offenen Unterrichts sind richtungsweisend für die<br />

Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler (Vgl. ebd. S.150f.).<br />

Neben der Methode ist für Wocken die Wahl des Materials von zentraler Bedeutung<br />

im inklusiven Unterricht. Aufgabentypen, die sich für offenen Unterricht eignen,<br />

erfüllen bestimmte Merkmale (Vgl. ebd. S.160ff.). Sie bieten den Schülerinnen und<br />

Schülern an, selbstständig zu arbeiten, bzw. in Kleingruppen knifflige Aufgaben zu<br />

lösen. Als Merkmal zählt die Selbstkontrolle. Aufgabentypen im inklusiven<br />

Unterricht können von Schülerinnen und Schülern, selbst kontrolliert werden. Die<br />

Selbstkontrolle fördert auf der einen Seite die Selbstständigkeit der Schülerinnen und<br />

Schüler, und entlastet auf der anderen Seite die Lehrperson. Außerdem bieten<br />

Aufgabentypen im offenen Unterricht, Möglichkeiten zur Differenzierung, ein<br />

Vorschlag von Wocken sind offene Rechenaufgaben z.B.:„Finde viele<br />

Rechenaufgaben mit dem Ergebnis 1000“ (ebd. S.152). Diese Differenzierung bietet<br />

Kindern die Möglichkeit, eine Aufgabe durch unterschiedliche Lernwege zu lösen.<br />

Weitere offene Aufgabenstellungen in anderen Fachbereichen könnten sein:<br />

Deutsch<br />

Schreibe eine Geschichte zu einem Thema deiner Wahl.<br />

Englisch<br />

Biologie<br />

Chemie<br />

Schülerinnen und Schüler lernen mit ihren Karteikästen Vokabeln.<br />

Dabei lernt jeder Schüler und jede Schülerin die Vokabeln, die für<br />

ihn oder sie gerade anstehen.<br />

Erstelle ein Plakat zu einem Tier deiner Wahl. Überlege dir zu<br />

deinem ausgewählten Tier einen Kurzvortrag, den du vor der<br />

Klasse halten kannst.<br />

Das Buch der Experimente: Suche dir ein Experiment aus, und<br />

stelle es der Klasse vor.<br />

Sachunterricht Das Wassertagebuch: wie viel Wasser verbrauchst du am Tag?<br />

Erstelle ein Wassertagebuch, in dem du festhältst wie viel Wasser<br />

du am Tag verbrauchst.<br />

Tabelle 1: Tabelle1<br />

Es gibt unzählige Möglichkeiten für Aufgabenstellungen in den verschiedensten<br />

Bereichen, die den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zur selbstständigen


Bearbeitung und Auseinandersetzung bieten. Nicht alle müssen das Merkmal der<br />

Selbstkontrolle erfüllen. Bei manchen steht am Ende eine Präsentation oder der<br />

Vergleich innerhalb der Klasse, wie zum Beispiel bei dem Vorschlag im<br />

Sachunterricht ein Wassertagebuch zu führen. Für das Zukunftsmodell <strong>Inklusion</strong>,<br />

haben solche Ideen einen präventiven Charakter vor der Überforderung von<br />

Lehrpersonen. Als Lehrperson im inklusiven Unterricht ist es bedeutsam diese<br />

Vorschläge auf den eigenen Unterricht anzuwenden, um sich selbst zu entlasten und<br />

den Schülerinnen und Schülern einen bestmöglichen Unterricht zu gewährleisten.<br />

Neben den nonpersonalen Hilfen durch Aufgaben, geht Wocken auf personale Hilfen<br />

ein, die direkt durch Schülerinnen und Schüler übernommen werden können.<br />

3.1.3.2 Personale Hilfen – Entlastung durch Schülerinnen und Schüler<br />

„In der Tat kann man das kooperative Lernen als den Königsweg eines inklusiven<br />

Unterrichts ansehen“(Wocken 2011, S.63). Wocken verdeutlicht, dass das<br />

selbständige Arbeiten von Schülerinnen und Schülern in einer Gruppe, eine<br />

hochbedeutsame Ressource im (inklusiven) Unterricht ist. Kooperative Lernformen<br />

bieten Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler in Teams selbstständig arbeiten zu<br />

lassen. Kooperatives Lernen beinhaltet folgende Grundmerkmale: ein Schülerteam<br />

besteht aus drei bis fünf Schülerinnen und Schülern, diese Teams gelten<br />

grundsätzlich als heterogen, die Zusammensetzung der Teams erfolgt mit Hilfe der<br />

Lehrperson, die Gruppen bleiben für mehrere Monate und Projekte ein Team (Vgl.<br />

ebd. S.163f.). Für den inklusiven Unterricht sind nach Wocken vor allem<br />

Heterogenität und die zufällige Zusammenstellung der Gruppe von Bedeutung. Es<br />

geht im kooperativen Lernen nicht darum, Schülerinnen und Schüler mit denselben<br />

Interessen und Stärken zu bündeln. Stattdessen empfiehlt es sich, Schülerinnen und<br />

Schüler mit ungleichen Interessen und Fähigkeiten in einer Gruppe zusammen<br />

arbeiten zu lassen, um sich gegenseitig zu ergänzen. Wockens Ansatz zur<br />

Gruppenfindung erfolgt nach dem „Prinzip des Zufalls“. Nicht die Lehrperson<br />

überlegt, welche Schülerinnen und Schüler in welche Gruppe passen, sondern der<br />

Zufall entscheidet. Der Ansatz der zufälligen Gruppenfindung ermöglicht es<br />

Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite, von den Stärken der Schülerinnen und<br />

Schüler überrascht zu werden, auf der anderen Seite zeigen Beispiele aus der Praxis,<br />

dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die mit bestimmten Klassenkameraden<br />

konfliktfrei arbeiten können und mit anderen nicht. Es kann deshalb in Frage gestellt<br />

werden, ob zufällige Gruppenkonstellationen für alle Schülerinnen und Schüler die


este Methode ist. Neben den Gruppenkonstellationen geht Wocken auf weitere<br />

Ziele ein, die durch kooperatives Lernen erreichet werden sollen.<br />

Ziele kooperativen Lernens<br />

1. Positive Interdependenz<br />

Positive Interdependenz kommt zustande, wenn alle Schülerinnen und Schüler einer<br />

Gruppe gemeinsam auf ein Ziel hin arbeiten (Vgl. ebd. S.164ff.). Am Ende einer<br />

gemeinsamen Gruppenphase wird nicht festgelegt, welche Gruppe sich am besten<br />

geschlagen hat, sondern hervorgehoben, dass alle gemeinsam für das Gelingen des<br />

Projektes verantwortlich sind. Dafür ist es unvermeidbar, die Strukturen der Projekte<br />

transparent zu halten. Lehrkräfte sind aufgefordert, vor einer Gruppenphase ihre<br />

persönlichen Erwartungen an die Schülerinnen und Schüler zu richten. Gleichzeitig<br />

erfragen sie, welche Erwartungen die Schülerinnen und Schüler an ihr eigenes<br />

Projekt und an die Gruppe haben. Der Austausch von Erwartungen untereinander,<br />

ermöglicht jedes Mal eine hohe Transparenz, die für das Erreichen einer Zielsetzung<br />

von Bedeutung sein kann.<br />

2. Persönliche Verantwortlichkeit<br />

Kooperatives Lernen ist dann erfolgreich, wenn jedes Mitglied der Gruppe etwas auf<br />

dem Weg zum Ziel beigetragen hat (Vgl. ebd. S.165). Jeder Schüler und jede<br />

Schülerin der Gruppe muss einen Beitrag zum Projekt geleistet haben. Lehrpersonen<br />

haben die Aufgabe Schülerinnen und Schüler zur Aufgabenverteilung anzuregen.<br />

3.Direkte und förderliche Interaktionen<br />

Interaktionen innerhalb der Gruppe, machen kooperatives Lernen aus. In der Gruppe<br />

achtet jeder, auf einen freundlichen, sachlichen Umgang. Lehrerinnen und Lehrer<br />

haben die Aufgabe die Gruppen in ihrer Kommunikation zu unterstützen, wenn es<br />

nötig ist (Vgl. ebd. S.165).<br />

4. Kooperative Arbeitstechniken und soziale Kompetenzen<br />

Kooperative Arbeitstechniken und soziale Kompetenzen ergänzen den Punkt drei der<br />

direkten und förderlichen Interaktionen. Auch hier kann die Lehrperson Gruppen<br />

helfen, indem sie kooperative Arbeitstechniken vorstellt und vorschlägt. Die sozialen<br />

Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern werden innerhalb des kooperativen<br />

Lernens immer wieder auf die Probe gestellt. Schülerinnen und Schüler müssen sich<br />

aufeinander einstellen, das fordert von dem einen viel Eingewöhnung für die andere<br />

gilt dies als eine Selbstverständlichkeit (Vgl. ebd. S.165).


5. Reflexion und Evaluation der Gruppenprozesse<br />

Am Ende einer Gruppenarbeitsphase ist es wichtig, die getroffenen Zielsetzungen<br />

und den Arbeitsprozess zu überprüfen. Lehrerinnen und Lehrer können die<br />

Schülerinnen und Schüler anleiten bzw. Hilfestellungen zur eigenen Evaluation in<br />

Form von Fragebögen anbieten (Vgl. ebd. S.165).<br />

Tabelle 2: Tabelle2<br />

Durch kooperatives Lernen verändert sich sowohl die Haltung der Lehrperson, als<br />

auch die Haltung der Schülerinnen und Schüler zum Unterricht. Als Lehrperson ist es<br />

nicht mehr entscheidend an der Tafel stehend guten Unterricht zu halten. Es geht<br />

darum, die Schüler und Schülerinnen zu selbstständigen Lernern auszubilden und als<br />

Lehrerin und Lehrer die Lernenden zu begleiten. Das bedeutet auf keinen Fall, dass<br />

eine Lehrerin oder ein Lehrer keine Verantwortung für die Gruppe tragen muss, die<br />

Verantwortung liegt aber zu einem großen Teil auch bei den Schülern und<br />

Schülerinnen, was in inklusiven Settings viele Vorteile hat, weil dadurch z.B.<br />

individuelle Förderung ermöglicht werden kann. Auch hier hat die Berücksichtigung<br />

von Schülerinnen und Schülern als personelle Ressourcen für die Lehrperson eine<br />

entlastende Funktion, zugleich lernen die Schülerinnen und Schüler ihre soziale<br />

Kompetenzen auszubauen.<br />

Die folgende Tabelle verdeutlicht, wie die Lehrfunktionen des Lehrers auf der einen<br />

Seite und die Lernfähigkeit der Schüler auf der anderen Seite den Unterricht<br />

gegenseitig beeinflussen. Beides muss in Abhängigkeit voneinander gesehen werden.<br />

Wenn eine Lehrperson ihren Unterricht vorbereitet, bestimmt sie die Lernziele und<br />

begründet diese. Dennoch bestimmen im Unterricht die Schülerinnen und Schüler,<br />

was sie aus dem Lerngegenstand machen. Auch sie haben eigene Lernziele und<br />

davon ausgehend eine eigene Motivation. Die Eigenmotivation von Schülerinnen<br />

und Schülern muss bei der Unterrichtsgestaltung mit beachtet werden. Auch bei der<br />

Steuerung der Lerntätigkeit, der Leistungsbeurteilung und der Motivation und<br />

Konzentration, gibt es immer die Seite der Lehrkräfte und die Seite der Schülerinnen<br />

und Schüler. Werden beide Seiten beachtet, entsteht eine geteilte Verantwortung für<br />

den Unterricht zwischen Lehrerinnen/Lehrern und Schülerinnen/Schülern, was<br />

inklusive Unterrichtsgestaltung ausmacht.


Lehrfunktionen des Lehrers Lernfähigkeit der Schüler<br />

1.Vorbereitung des Lernens 1.Selbstbestimmung des<br />

Lernprogramms<br />

-Bestimmen der Lernziele<br />

-Begründen der Lernziele<br />

-Motivieren zum Lernen<br />

-Planung und Organisation des<br />

Lernprozesses<br />

-Aktivierung des Vorwissens<br />

-Selbstbestimmung der Lernziele<br />

-Selbstbewusstsein über Relevanz der<br />

Lernziele<br />

-Eigenmotivation zum Lernen<br />

-Selbstorganisation des Lernprozesses<br />

-Rückbesinnung auf das Vorwissen<br />

2. Steuerung der Lerntätigkeiten 2. Selbstregulierung des Lernens<br />

-Lerninhalte darbieten und erklären<br />

-Lernfortschritte überprüfen<br />

-Anleitung und Transfer des Gelernten<br />

-Lerninhalte selbst erarbeiten<br />

-Lernfortschritte selbst beurteilen<br />

-Selbstständiges Anwenden<br />

-Anleitung zur Reflektion der Lernprozesse -Selbstständige Reflektion der<br />

Lernerfahrungen<br />

3. Leistungsbeurteilung 3.Selbstbeurteilung<br />

-Feedback über das Lernen geben<br />

-Lernprozesse und –Ergebnisse beurteilen<br />

-Sich selbst Feedback geben<br />

-Lernergebnisse selbst realistisch beurteilen<br />

4. Motivation und Konzentration 4. Motivation und Konzentration<br />

-Motivieren zum Lernen<br />

-Eigenmotivation zum Lernen<br />

-Konzentriertes Lernen sicherstellen -Selbst konzentriertes Lernen anstreben<br />

Tabelle 3: Transformation von Lehrfunktionen des Lehrers in Lerntätigkeiten der Schüler (Wocken 2011,<br />

S.148)<br />

Als Lehrerin/Lehrer in einem inklusiven Kontext muss ich mich mit solchen<br />

Unterrichtskonstrukten, wie in der Tabelle dargestellt, auseinandersetzen. Ich muss<br />

den Wechsel zwischen meiner eigenen Herangehensweise an Unterricht und der<br />

persönlichen Meinung und den Austausch der Schülerinnen und Schüler<br />

untereinander, in einen günstigen Zusammenhang bringen. Durch diese Einsicht,<br />

können Lehrerinnen und Lehrer im inklusiven Unterricht für alle Schülerinnen und<br />

Schüler Lerngelegenheiten schaffen. Aus dieser Herangehensweise von Unterricht


und mit diesen Ideen kann eine zentrale Fragestellung formuliert werden, die eine<br />

Zielsetzung im inklusiven Unterrichts beschreibt: Wie kann ich Schüler und<br />

Schülerinnen motivieren, sich selbstständig mit einem bestimmten Thema<br />

auseinanderzusetzen? Um diese Fragestellung zu beantworten muss ich als<br />

Lehrerin/Lehrer meine Schülerinnen und Schüler kennen. Ich muss mich mit ihnen<br />

persönlich auseinanderzusetzen und ihnen individuelle Lerngelegenheiten im<br />

Unterricht zur Verfügung zu stellen, ohne sie aus dem Kontext der Gemeinschaft zu<br />

nehmen. Hier kann wieder das Prinzip der Individualisierung aufgegriffen werden.<br />

Ein weiterer Vorschlag berücksichtigt die gegenseitige Unterstützung von<br />

Schülerinnen und Schülern untereinander. Beim tutoriellen Lernen arbeiten jeweils<br />

zwei Schüler/Schülerinnen gemeinsam an einem Lerngegenstand (Vgl. ebd.<br />

S.171ff.). Es bilden sich Lerntandems, die in der Regel leistungsheterogen und/oder<br />

altersheterogen zusammengesetzt sind. Ein Schüler/eine Schülerin übernimmt die<br />

Rolle des Tutors, der oder die andere übernimmt die Rolle des Schülers. Dabei<br />

profitieren die Lernpartner in beiden Rollen (Vgl. ebd. S.172). Als „Lehrer“<br />

wiederholt man den Stoff und setzt sich nochmal intensiver mit diesem auseinander,<br />

um ihn vermitteln zu können. Als „Schüler“ ist es hilfreich sich das zu Erlernende<br />

noch einmal von jemand anderem erklären zu lassen. Schüler und Schülerinnen<br />

untereinander finden oft einen anderen Zugang zum Lerngegenstand als Lehrerinnen<br />

und Lehrer, weswegen die Hilfestellungen sehr gezielt sein können. Im inklusiven<br />

Setting erleichtert das tutorielle Lernen in heterogenen Gruppen die Aufgabe der<br />

Lehrperson, wobei es gleichzeitig einen Lerneffekt für alle Beteiligten hat. Nicht nur<br />

der Lernstoff wird wiederholt bzw. vermittelt, sondern soziale Faktoren wie Geduld,<br />

Zuhören usw. werden eingeübt, wenn sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig<br />

unterrichten.<br />

Durch die Delegation von Aufgaben kann es Lehrpersonen gelingen einen inklusiven<br />

Unterricht zu gestalten, ohne die Angst vor Überforderung zu entwickeln. Der<br />

Unterricht muss von direktem Unterricht zu indirektem Unterricht verändert werden.<br />

Es geht nicht darum, sich als Lehrperson in Szene zu setzten und an der Tafel<br />

vorzurechnen. Es geht vielmehr darum, eine Lernumgebung zu schaffen, die indirekt<br />

die Kinder dazu auffordert sich mit einem Lerngegenstand beschäftigen zu wollen.<br />

„Der inklusive Lehrer ist der Innenarchitekt einer Lernlandschaft, die für<br />

selbstständige differenzierte Arbeitsprozesse von heterogenen Gruppen vorbereitet


sein will“ (ebd. S. 186). Diese Lernlandschaft kann durch die Unterstützung von<br />

nonpersonalen und personalen Hilfen gelingen.<br />

In Abbildung 8 sind die nonpersonalen und personalen Hilfen zusammengefasst<br />

dargestellt. Durch das Zusammenspiel von diesen beiden Hilfestellungen, wird es für<br />

Lehrerinnen und Lehrer einfacher, „inklusiven“ Unterricht vorzubereiten und<br />

durchzuführen, weil diese Möglichkeiten vielfältige Chancen schaffen, Schülerinnen<br />

und Schüler in ihrem selbstständigen Arbeiten zu fördern.<br />

Unterstützung für<br />

die Lehrperson<br />

Personale Hilfen<br />

Nonpersonale Hilfen<br />

- kooperatives Lernen<br />

- tutorielles Lernen<br />

Abbildung 8: Unterstützung für die Lehrperson<br />

- produktive Arbeitsblätter<br />

- Methoden offenen Unterrichts<br />

3.1.4 Weitere Möglichkeiten – Handlungsorientierter Unterricht: “vom Tun im<br />

Unterricht“<br />

Eine weitere Idee wirkungsvollen Unterricht für heterogene Lerngruppen zu<br />

arrangieren ist der Handlungsorientierte Unterricht. Durch diesen ist die individuelle<br />

Förderung jedes Einzelnen möglich, weil jeder in seinem Ermessen mit einem<br />

Lerngegenstand lernen kann (Vgl. von der Groeben. S.29). Der Unterricht wird nicht<br />

allein von der Lehrperson gehalten, sondern die Lehrperson gibt das verantwortliche<br />

Lernen der Schülerinnen und Schüler, an einen Lerngegenstand ab. Schülerinnen und<br />

Schüler haben im handlungsorientierten Unterricht die Aufgabe, sich allein oder in<br />

einer Gruppe mit einem Lerngegenstand zu beschäftigen. Als wichtiges Merkmal des<br />

handlungsorientierten Unterrichts gilt das Lernen mit allen Sinnen.<br />

Als „handlungsorientiert“ bezeichnen wir einen Unterricht, in dem die<br />

Schülerinnen und Schüler nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit den<br />

Händen und Füßen, mit dem Herzen und allen Sinnen lernen können (Jank;<br />

Meyer 1991, S.315).


Dabei ist der handlungsorientierte Unterricht als ganzheitlicher und schüleraktiver<br />

Unterricht zu verstehen (Vgl. ebd. S.315). Schülerinnen und Schüler nähern sich<br />

durch eigenes „Tun“ einem Lerngegenstand. Für den Geschichtsunterricht bedeutet<br />

das zum Beispiel, Werkzeuge aus der Steinzeit selbst herzustellen. Die Herstellung<br />

von Werkzeugen wird von den Schülerinnen und Schülern gern und wirksam mit<br />

dem geschichtlichen Kontext in Verbindung gebracht, wodurch sich der Schüler/die<br />

Schülerin aktiv mit dem Lerngegenstand auseinandersetzt<br />

Hilbert Meyer und Werner Jank beschreiben fünf weitere Merkmale von<br />

Handlungsorientiertem Unterricht.<br />

Merkmale im Handlungsorientierten Unterricht<br />

1.Interessenorientierung<br />

Die Interessen von Schülerinnen und Schülern stehen im Mittelpunkt des<br />

Unterrichts. Schülerinnen und Schüler sollen sich ihren eigenen<br />

Interessen bewusst werden, und lernen diese kritisch zu reflektieren und<br />

weiterzurentwickeln (Vgl. ebd. S.316).<br />

2. Selbsttätigkeit und Führung<br />

Schülerinnen und Schüler nehmen die Chance war, sich den<br />

Lerngegenstand selbst zu erarbeiten. Meyer und Jank weisen darauf hin,<br />

dass diese Selbstständigkeit erst durch einen gezielten Aufbau der<br />

Handlungskompetenzen von den Schülerinnen und Schülern erlernt<br />

werden muss (Vgl. ebd. S.316). Das bedeutet, dass es wichtig ist,<br />

Schülerinnen und Schüler im Unterricht langsam an ihre Selbsttätigkeit<br />

heranzuführen und ihnen Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, durch<br />

die sie ihre Selbsttätigkeit verbessern können.<br />

3. Verknüpfungen von Kopf- und Handarbeit<br />

Eine „dynamische Wechselwirkung“ zwischen Kopf- und Handarbeit<br />

ermöglicht lerngerechten Unterricht (Vgl. ebd. S. 317).<br />

Handlungsorientierter Unterricht verbindet Theorie und Praxis<br />

miteinander. Wie das Beispiel im Geschichtsunterricht bereits<br />

verdeutlicht hat.<br />

4.Einübung in solidarisches Handeln<br />

<strong>Inklusion</strong> realisiert sich beinahe nahtlos, wenn die Arbeit im Unterricht


von solidarischem Handeln geprägt ist. Die Arbeit im solidarischen<br />

Handeln zu vollziehen bedeutet, diese „[…]nicht am persönlichen<br />

Vorteil, sondern am gemeinsamen Nutzen […]“ (ebd. S.319) zu<br />

vollziehen. Gruppenarbeiten stehen im handlungsorientierten Unterricht<br />

im Vordergrund. Schülerinnen und Schüler können sich aber auch dafür<br />

entscheiden, in Einzelarbeit zu arbeiten.<br />

5. Produktorientierung<br />

„Handlungsprodukte sind die veröffentlichungsfähigen materiellen,<br />

szenischen und sprachlichen Ergebnisse der Unterrichtsarbeit“ (ebd.<br />

S.319). Am Ende einer Unterrichtseinheit ist in allen Schülergruppen ein<br />

Produkt zustande gekommen, welches den Lernerfolg von Schülerinnen<br />

und Schülern bestätigt. Ein solches Produkt kann ein Rollenspiel, ein<br />

Kunstwerk, ein Vortrag usw. sein.<br />

Tabelle 4: Tabelle4<br />

Die fünf Merkmale verdeutlichen, was im Handlungsorientierten Unterricht wichtig<br />

ist. Für <strong>Inklusion</strong> kann handlungsorientierter Unterricht eine Chance sein, Schüler<br />

individuell zu fördern. Das Interesse jedes Einzelnen wird in den Mittelpunkt des<br />

Unterrichtsgeschehens gerückt. Gerade für inklusive Settings, ermöglicht diese Art<br />

zu unterrichten eine gezielte Förderung jedes Einzelnen in seinen Interessen. Vor<br />

allem das Endprodukt, was Schülerinnen und Schüler zur Arbeit mit Kopf und Hand<br />

anregt, verspricht ein Erfolgserlebnis, welches sich positiv auf die Motivation jedes<br />

Einzelnen ausüben kann. Alle Schülerinnen und Schüler können sich im<br />

handlungsorientierten Unterricht mit ihren Fähigkeiten und Interessen einbringen.<br />

Der Unterschied zum kooperativen Lernen liegt in der Auswahl des Lerninhaltes.<br />

Handlungsorientierter Unterricht berücksichtigt vor allem, dass der Lerninhalt die<br />

Schülerinnen und Schüler zum Handeln auffordert. Schülerinnen und Schüler sollen<br />

im handlungsorientierten Unterricht zum Ausprobieren und Experimentieren<br />

aufgefordert werden, anstatt ihre Zeit mit dem Ausfüllen von Arbeitsblättern zu<br />

verbringen.<br />

Um sich selbst ausprobieren zu können, brauchen Kinder Zeit, die in deutschen<br />

Schulen nur knapp bemessen ist (Vgl. von der Groeben 2008, S.32). Lernen als<br />

„dramatischer Wettlauf“ mit der Zeit, ist seit der Verkürzung des Abiturs auf 12<br />

Jahre, für viele Schülerinnen und Schüler ein Problem. Es wird häufig nicht darauf<br />

geachtet, Nachhaltigkeit im Lernen anzustreben, sondern eher wird davon


ausgegangen, dass möglichst viel Wissen für einen begrenzten Zeitraum<br />

„eingetrichtert“ wird. Eine „verkopfte Paukschule“ benennt Annemarie von der<br />

Groeben das derzeitige Schulsystem. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen<br />

Ressourcen zu nutzen, um schlechte vorhandene Strukturen zu ändern. Kooperative<br />

Lernformen, Tutorieller Unterricht, Delegation von Aufgaben und<br />

handlungsorientierter Unterricht müssen in inklusiven Schulen als Chance genutzt<br />

werden, Unterricht zu gestalten.<br />

Wenn Schulen sich verändern, geben Lehrerinnen und Lehrer ihre Rolle des<br />

einsamen (Unter-)Richtens und (Be-)Urteilens auf. Sie treten in einen<br />

gemeinsamen Dialog über ihre Schülerinnen und Schüler und über ihren<br />

Unterricht (Kegler 2009, S.159).<br />

Durch dieses Zitat greift Ulrike Kegler auf, was am Anfang dieses Kapitels der<br />

Unterrichtsgestaltung erläutert wurde. Der Austausch im Team ist eine wichtige<br />

Ressource, um mit inklusiver Unterrichtsgestaltung zu beginnen. Beginnen Schulen<br />

in Teams zu arbeiten und ihren Unterricht vorzubereiten, ist die Grundlage für<br />

inklusiven Unterricht geschaffen. Die präsentierten Lernformen: kooperative<br />

Lernformen, handlungsorientierter Unterricht und Delegation von Aufgaben, müssen<br />

in diesen Teams diskutiert werden. Durch diese Diskussionen werden<br />

Entscheidungen getroffen, welches Thema über welchen Vermittlungsweg am besten<br />

unterrichtet bzw. von den Schülerinnen und Schülern selbst erarbeitet wird.<br />

Im nächsten Abschnitt wird das so genannte „Classroom Management“ erläutert,<br />

welches einen weiteren Vorschlag zur inklusiven Unterrichtgestaltung darstellt, weil<br />

durch das Prinzip des „Classroom Managements“ Störungen im Unterricht verringert<br />

werden können, um mehr effektive Lernzeit zu gewinnen.<br />

Dazu arbeiten Lehrerinnen und Lehrer mit Strukturen, die den Tagesablauf und das<br />

Verhalten von Schülerinnen und Schülern regeln.<br />

3.2 Classroom Management – Organisationsstrukturen als Möglichkeiten zur<br />

Verbesserung der Unterrichtskultur<br />

Carolyn Evertson gilt als eine der führenden Forscherinnen auf dem Gebiet des<br />

Classroom Managements. Der Begriff des Classroom Management wird von der<br />

Autorin selbst als sehr umfassend und gleichzeitig auch schwammig aufgefasst.<br />

Lehrpersonen fassen Classroom Management teilweise als „bag of tricks“ auf,<br />

teilweise zählt Classroom Management zu einer Möglichkeit „negative“<br />

Verhaltensweisen im Unterricht zu regulieren.


Because Classroom Management is neither content knowledge, nor<br />

psychological foundations, nor pedagogy, nor pedagogical content<br />

knowledge, it seems to slip through the cracks“( Evertson; Simon 2006, S.4).<br />

Evertson definiert Classroom Management “as the actions teachers take to create an<br />

environment that supports both academic and social-emotional learning” (ebd. S.4).<br />

In Deutschland dürfte eine mögliche Übersetzung von Classroom Management<br />

Klassenführung lauten (Vgl. Hennemann; Hillenbrandt (2010), S.256). Ziel von<br />

Classroom Management ist es, Störungen im Unterricht präventiv vorzubeugen (Vgl.<br />

ebd. S.255). Das grundlegende Prinzip besteht in klaren Abläufen und Routinen, die<br />

den Unterricht für Schülerinnen und Schüler transparent machen sollen (Vgl. ebd.<br />

S.255).<br />

Thomas Hennemann und Clemens Hillenbrandt benennen drei zentrale Dimensionen<br />

von Classroom Management.<br />

Die erste Dimension beschäftigt sich mit den Handlungsmöglichkeiten, die eine<br />

Lehrperson bei unerwarteten Störungen anwenden kann, auf diese wird im<br />

Folgenden noch genauer eingegangen (Vgl. ebd. S.256).<br />

In der zweiten Dimension erkennt eine Lehrperson an, dass Verhalten und Lernen<br />

eines Schülers untrennbar miteinander verknüpft sind. Wenn Schülerinnen und<br />

Schüler ihrer Arbeit konzentriert nachgehen, kann davon ausgegangen werden, dass<br />

sie etwas lernen. Schülerinnen und Schüler, die den Unterricht stören, lernen indes<br />

viel weniger. Als Lehrerin/Lehrer muss ich mich mit dem Verhalten meiner Schüler<br />

und Schülerinnen auseinandersetzen, um guten Unterricht zu ermöglichen.<br />

Eine dritte Dimension befasst sich mit dem pädagogischen Handeln in Bezug auf die<br />

Gruppe. Das bedeutet, dass im Classroom Management das pädagogische Handeln<br />

auf die Gruppe wichtiger eingestuft wird, als das pädagogische Handeln, welches auf<br />

den Einzelnen bezogen ist. Zum Beispiel wird auf Schülerinnen und Schüler die den<br />

Unterricht stören, persönlich nur wenig eingegangen, stattdessen wird auf das Wohl<br />

der Gruppe geachtet. Empirische Befunde belegen, dass durch routinierte Abläufe,<br />

Klarheit und die präventive Vorbeugung von Störungen, mehr Zeit für den<br />

eigentlichen Unterricht gewonnen werden kann (Vgl. ebd. S.258). Für ein effektives<br />

Classroom Management ist es maßgeblich, reflexionsbereit und<br />

verantwortungsbewusst zu sein, um aus Situationen lernen zu können (Vgl. ebd.<br />

S.257).


Zur Umsetzung von Classroom Management werden proaktive und reaktive<br />

Kriterien voneinander unterschieden (ebd. S.259). Diese beziehen sich auf die bereits<br />

genannte erste Dimension der Handlungsmöglichkeiten im Unterricht. Mit<br />

proaktiven Kriterien sind präventive Kriterien gemeint, die schon vor dem Einsetzen<br />

einer Störung effektiv genutzt werden können. Reaktive Kriterien beschreiben eine<br />

Reaktion auf ein aufgetretenes Verhalten.<br />

Störendes Verhalten soll vor allem präventiv unterbunden werden, weswegen die<br />

proaktiven Kriterien beim Classroom Management überwiegen (ebd. S. 259). Die<br />

folgende Tabelle listet die proaktiven und reaktiven Kriterien auf:


Proaktive Kriterien<br />

Reaktive Kriterien<br />

Vorbereitung des Klassenraums Unangemessenes Schülerverhalten<br />

unterbinden<br />

Planung und Unterrichtung von Regeln Strategien für potenzielle Probleme<br />

und unterrichtlicher Verhaltensweisen<br />

Festlegung von Konsequenzen<br />

Schaffen eines positiven (Lern-)<br />

Klimas im Klassenraum<br />

Beaufsichtigung der Schüler<br />

Unterricht angemessen vorbereiten<br />

Festlegung<br />

von<br />

Schülerverantwortlichkeiten<br />

Unterrichtliche Klarheit<br />

Kooperative Lernformen<br />

Tabelle 5: Proaktive und Reaktive Kriterien (Vgl. Hennemann/Hillenbrandt 2010, S.25)<br />

Auch wenn ein deutlicher Überhang von proaktiven Kriterien zu verzeichnen ist, ist<br />

es das Zusammenspiel von proaktiven und reaktiven Kriterien, welches das<br />

„Gesamtpaket“ von Classroom Management ausmacht (ebd. S. 259). Lehrerinnen<br />

und Lehrer müssen sich mit den Kriterien von Classroom Management<br />

auseinandersetzen und Strategien mit dem Kollegium diskutieren und vereinbaren,<br />

um mit transparentem Unterricht, Störungen vorzubeugen und effektive Lernzeit zu<br />

gewinnen. Im inklusiven Unterricht kann Classroom Management helfen, Störungen<br />

im Unterricht zu unterbinden. Gerade für Schüler/Schülerinnen mit dem<br />

Förderschwerpunkt emotionale soziale Entwicklung, sind Klarheit und Rituale im<br />

Unterricht Maßnahmen, durch die es Schülerinnen und Schülern leichter fällt, sich<br />

angemessen zu verhalten (Vgl. Braun, Schmischke 2006, S.49). Werden die<br />

Prinzipien des Classroom Managements im (inklusiven) Unterricht genutzt, erfahren<br />

Schülerinnen und Schüler einen transparenten, klaren und gut aufgebauten<br />

Unterricht, bei dem es ihnen leichter fällt, sich auf den Inhalt und die Aufgaben im<br />

Unterricht einzustellen. Für inklusiven Unterricht ist Classroom Management<br />

bedeutsam, weil Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und<br />

Zielen eine Klasse besuchen, sie erfahren durch das Classroom Management<br />

Strukturen, die sie in ihren Lernleistungen bestärken können, weil zu jedem


Zeitpunkt klar ist, welche Erwartungen, Ziele und welches Verhalten im Unterricht<br />

erwartet wird.<br />

Auch von der Leistungsbewertung der Schülerinnen und Schüler, kann eine solche<br />

Transparenz in inklusiven Settings erwartet werden. Das Thema Leistungsbewertung<br />

im inklusiven Unterricht erfordert einen Austausch im Kollegium, weil es<br />

unterschiedliche Möglichkeiten gibt, heterogenen Lerngruppen gerecht zu bewerten.<br />

Einige dieser Möglichkeiten werden im Folgenden vorgestellt, um eine Diskussion<br />

im Kollegium anzuregen.<br />

3.3 Leistungsbewertungen – Wie können Lehrpersonen, Schülerinnen und<br />

Schüler in ihrer Vielfalt gerecht bewerten?<br />

Gerade die Forderung nach einer gerechten Leistungsbewertung, ist für einige<br />

Lehrerinnen und Lehrer das Thema, an dem sie im inklusiven Unterricht zu scheitern<br />

glauben. Das Regelschulsystem vertritt ein Leistungsverständnis, welches sich an<br />

Selektion und Wissensmenge festhält (Vgl. Meisterjahn-Knebel, S.1). Das bedeutet,<br />

dass Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Schulzeit, möglichst ein<br />

vergleichbares Wissen präsentiert bekommen haben. Wie gut sie dieses Wissen<br />

verstanden haben, soll ihr Notenspiegel aufzeigen. Die Individualität der<br />

Schülerinnen und Schüler, wird nicht berücksichtigt. Schulische <strong>Inklusion</strong> hat aber<br />

den Anspruch, jeden einzelnen Schüler und jeder einzelnen Schülerin in ihren/seinen<br />

Leistungen gerecht zu bewerten.<br />

Ziffernnoten lassen eine gerechte Bewertung von schulischen Leistungen nur schwer<br />

zu, da sie häufig die Schülerinnen und Schüler in einer Klasse miteinander<br />

vergleichen, anstatt die Leistungen der Schülerinnen und Schüler individuell zu<br />

bewerten. Klaus Wenzel sieht die Grundproblematik der Notengebung in der<br />

Schulpolitik, die wenig Förderung zulässt, dafür aber viele Selektionsmechanismen<br />

beinhaltet. „Wie soll ich ein Kind trösten, das zwar Lernfortschritte macht, aber<br />

immer noch eine Fünf in Deutsch hat, weil die Fehler, die es macht, immer noch zu<br />

viele sind?“ (Wenzel 2013, S.1). Die einfachste und zugleich radikalste Lösung wäre<br />

die Abschaffung von Zensuren. (Vgl. von der Groeben 2008, S.88). Um noch einen<br />

Schritt weiter gehen zu wollen, muss in diesem Rahmen auch die Überlegungen zur<br />

Verabschiedung des mehrgliedrigen Schulsystems angesprochen werden. Das<br />

derzeitige Schulsystem orientiert sich nicht an den Bedürfnissen junger Menschen,<br />

sondern führt zu Ungerechtigkeiten und zu Problemen, statt diese lösen zu wollen<br />

(Vgl. Wenzel 2013, S.1). Man darf nicht zulassen, dass Generationen von


Schülerinnen und Schülern unter dem derzeitigen Leistungsdruck an Schulen<br />

systematisch demotiviert werden und die Lust am Lernen verlieren (Vgl. ebd. S.1).<br />

Die Pro- und Contra Argumente der Notengebung und die unterschiedlichen<br />

Möglichkeiten der Bewertung, müssen im Kollegium einer Schule diskutiert werden.<br />

In diesem Abschnitt werden vier Vorschläge vorgestellt, wie Ziffernnoten durch<br />

andere Beurteilungsmaßnahmen ersetzt bzw. erweitert werden können. Als erstes<br />

wird die Einführung von Lernentwicklungsberichten vorgestellt, diese können die<br />

Ziffernnoten durch sogenannte Berichtzeugnisse abschaffen. Der zweite Vorschlag<br />

bezieht sich auf die Idee der Portfolioarbeit. Durch Portfolios bekommen Lehrkräfte<br />

einen umfassenden Durchblick über das Leistungsspektrum ihrer Schüler und<br />

Schülerinnen. Gleichzeitig kann das Kind eine hohe Transparenz der Benotung oder<br />

Beurteilung erwarten. Eine dritte Möglichkeit setzt sich mit dem Verständnis von<br />

Maria Montessori und ihrer Vorstellung von Notengebung auseinander. Dahinter<br />

verbirgt sich die Idee einer anderen Sichtweise auf das Arbeiten und Lernen von<br />

Schülerinnen und Schülern. Da sowohl bei den Lernentwicklungsberichten, als auch<br />

bei der Notengebung nach Montessori die Voraussetzung besteht, Ziffernnoten<br />

abzuschaffen, bezieht sich der letzte Vorschlag auf die Vereinbarung von<br />

Ziffernnoten und <strong>Inklusion</strong>.<br />

3.3.1 Lernentwicklungsberichte –<br />

schriftliche Beurteilung statt Ziffernnoten<br />

Die Lernentwicklungsberichte sind Berichtzeugnisse, die den genauen<br />

Entwicklungsstand eines Schülers/ einer Schülerin angeben. Diese Idee setzt bei der<br />

Beurteilung von Klassenarbeiten an. Anstatt einer Ziffernnote erhalten die<br />

Schülerinnen und Schüler einen Rückmeldebogen, an dem sie genau sehen, ob und<br />

inwieweit sie das Lernziel der Klassenarbeit erreicht haben (Vgl. mittendrin e.V.<br />

2011, S.213). Die Lernziele sind für die Schülerinnen und Schüler von vornherein<br />

transparent. So genannte Checklisten werden vor jeder Klassenarbeit besprochen,<br />

damit sich jeder individuell auf die Klassenarbeit vorbereiten kann (Vgl. ebd. S.213).<br />

Die Checklisten beinhalten die genauen Schwerpunkte, die die Schülerinnen und<br />

Schüler zu beachten haben, um eine gute Beurteilung zu bekommen. Im Zeugnis<br />

werden dann die Lernziele und Kompetenzen des Schülers oder der Schülerin<br />

aufgezählt. Neben der schriftlichen Rückmeldung ist es von Bedeutung als<br />

Lehrperson den Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern, sowie mit den Eltern zu<br />

halten. Dafür bieten sich Schüler- und Elternsprechtage an, an dem sich die


Lehrperson mit dem Schüler und oder den Eltern zu einem beratenden Gespräch trifft<br />

(Vgl. ebd. S.215). Gerade die Schülersprechtage können von Lehrpersonen als<br />

Anlass wahrgenommen werden den Grund für schlechte Leistungen eines Schülers<br />

ausfindig zu machen bzw. den Schüler in seiner Leistung zu bestärken.<br />

Lernentwicklungsberichte ermöglichen eine gezieltere Rückmeldung für<br />

Schülerinnen und Schüler. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit ihren<br />

Schülerinnen und Schülern auseinandersetzen, um ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und<br />

Schwächen zu kennen, damit gezielte Rückmeldungen für ein Zeugnis verfasst<br />

werden können. Für Schülerinnen und Schüler im inklusiven Kontext bieten<br />

Berichtzeugnisse die Möglichkeit, einer individuellen Beurteilung, statt eines<br />

ungerechten Vergleichs durch Ziffernnoten.<br />

3.3.2 Portfolioarbeit – Transparenz in der Beurteilung<br />

Ein Portfolio ist die Form einer individuellen Leistungspräsentation, die von den<br />

Schülerinnen und Schülern selbst zusammengestellt und vorgelegt wird (Vgl. von der<br />

Groeben 2008, S.79ff). Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich einen<br />

festgelegten Zeitraum mit einem vereinbarten Thema. Die bearbeiteten Materialien<br />

(z.B. Arbeitsblätter, Skizzen, Fotografien usw.) werden von den Schülerinnen und<br />

Schülern in Form einer Mappe gesammelt. Neben der Auseinandersetzung mit einem<br />

bestimmten Thema, lernen die Schülerinnen und Schüler auch das Erstellen eines<br />

Inhaltsverzeichnisses und Deckblatts.<br />

Die Bewertung des Portfolios wird am Anfang einer neuen Arbeitsphase mit der<br />

ganzen Klasse besprochen. Die vorgegebenen Leistungskriterien, wie zum Beispiel<br />

Umfang der Arbeit oder bestimmte Aufgabenstellungen die zu bearbeiten sind,<br />

werden transparent gemacht, dabei kann, wie schon bei den<br />

Lernentwicklungsberichten angesprochen, eine Checkliste helfen. Die Checkliste<br />

ermöglicht dem Schüler oder der Schülerin genau zu überprüfen, ob alle Kriterien<br />

eingehalten wurden. Durch diese Transparenz können sich die Schülerinnen und<br />

Schüler in ihrer Arbeit immer wieder selbst überprüfen. Am Ende entsteht ein<br />

Gesamtprodukt, auf das viele Schülerinnen und Schüler stolz sind. Die<br />

Gesamtprodukte werden am Ende der Arbeitsphase der gesamten Klasse vorgestellt.<br />

Dadurch entsteht ein intensiver Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern<br />

(Vgl. ebd. S.79). Portfolioarbeiten bieten sich vor allem in den Bereichen: Deutsch,<br />

Geschichte, Sachunterricht, Naturwissenschaften, Kunst und Handwerk an. In<br />

Bereichen in denen Wissenserwerb aufeinander aufbaut, wie in Mathematik oder


Sprachen, können Portfolioarbeiten nur in Ausnahmen eine gute Lösung des Lernens<br />

sein, weil die individuelle Themenfindung durch einen aufeinander aufbauenden<br />

Wissenserwerb schwer ist.<br />

Die Freiheit, die den Kindern durch das Erstellen eines Portfolios gegeben wird, ist<br />

positiv und negativ zugleich. Auf der einen Seite lernen Schülerinnen und Schüler,<br />

das selbstständige Erstellen einer Arbeit, unter Berücksichtigung verschiedener<br />

Kriterien. Auf der anderen Seite kann Unterricht nicht nur durch die Arbeit an<br />

Portfolios gestaltet sein, dafür geben die Lehrpläne der Kultusministerkonferenz zu<br />

strenge Vorgaben. Es ist gut, sich mit der Portfolioarbeit auseinanderzusetzen, der<br />

komplette Unterricht kann aber nicht ausschließlich durch Portfolioarbeit<br />

gewährleistet werden. Für inklusive Leistungsbewertung bieten Portfolios eine<br />

gezielte Auseinandersetzung mit einem Thema und eine transparente Beurteilung des<br />

Endprodukts. Mit den Schülerinnen und Schülern wird im Arbeitsprozess<br />

besprochen, welche Erwartungen sie erfüllen müssen, um eine gute<br />

Leistungsbeurteilung zu bekommen. Portfolioarbeit kann nicht als alleinige Methode<br />

zur Beurteilung von Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden, bietet aber eine<br />

Abwechslung im Unterricht und ist dabei gleichzeitig eine richtungsweisende Idee<br />

für mehr Transparenz in der Beurteilung von Schülerinnen und Schülern.


3.3.3 Leistungsmessung nach Maria Montessori – Im Mittelpunkt das Kind<br />

In der Pädagogik nach Maria Montessori steht immer das Kind im Mittelpunkt des<br />

pädagogischen Geschehens (Vgl. Meisterjahn-Knebel, S.2). Die Entwicklung des<br />

Kindes als ganze Person, war für Maria Montessori das Entscheidende in ihrer<br />

Pädagogik. Das spiegelte sich auch in der Leistungsbewertung wieder. Zensuren<br />

werden noch heute in der Montessori Pädagogik kritisch gesehen. Stellt man sich<br />

eine inklusive Schule vor, ist die Schülerschaft sehr heterogen. Auf den ersten Blick<br />

scheint die Beurteilung durch Ziffernnoten gerecht zu sein. Doch das Verteilen von<br />

Zensuren ist nur auf den ersten Blick objektiv. Noten suggerieren lediglich<br />

Objektivität. Lehrerinnen und Lehrer denken, sie können durch Noten die Leistungen<br />

von Schülerinnen und Schüler messbar werden lassen, doch die Verteilung kann<br />

nicht objektiv sein, weil schulische Leistung von unterschiedlichen Lehrpersonen<br />

unterschiedlich „gemessen“ wird (Vgl. ebd. S.6). Das bedeutet, dass Lehrerinnen und<br />

Lehrer unterschiedliche Noten für die gleiche Leistung verteilen. Ein weiterer<br />

Kritikpunkt gegen Ziffernnoten beinhaltet, dass die Leistungsfeststellung in Form<br />

einer Ziffernnote, in der Regel nicht dem Entwicklungsstand des Schülers / der<br />

Schülerin gerecht werden kann (Vgl. ebd. S.8). In den meisten Schulen werden<br />

Leistungen noch immer mit der sozialen Bezugsnorm gemessen, anstatt die<br />

individuelle Bezugsnorm anzuerkennen, die wirkliche Aussagen über den einzelnen<br />

Schüler oder die einzelne Schülerin zulässt. In der Montessori Pädagogik ist genau<br />

dieser Grundsatz vertreten, die individuelle Entwicklung des Kindes soll unterstützt<br />

werden. Die Freude „am Tun“ soll erhalten bleiben, indem Kinder sich in der<br />

Freiarbeit mit Material auseinandersetzen, was sie selbst wählen. Die Fehlerkontrolle<br />

bekommen die Kinder dabei nicht durch eine Note suggeriert, sondern das Material<br />

selbst beinhaltet eine Fehlerkontrolle, die den Schülerinnen und Schülern eine<br />

Bestätigung gibt, wenn eine Aufgabe richtig gelöst wurde (Vgl. ebd. S.11). Neben<br />

den typischen Montessori Materialien werden an vielen Schulen so genannte<br />

„Pensenbücher“ oder „Logbücher“ eingeführt, die ein bestimmtes Pensum an<br />

Aufgaben für eine vereinbarte Zeit vorgeben. Durch die Arbeit mit Pensenbüchern<br />

werden Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Lernen angeregt und die zu<br />

erbringenden Leistungen sind transparent.<br />

An vielen Montessori Schulen werden aber dennoch Noten gegeben, weil sie sich an<br />

die Standards der Regelschulen anpassen müssen, um ihrer Schülerschaft dieselben<br />

Chancen bieten zu können. Doch auch wenn viele Montessori-Schulen sich dem


Standard beugen und Noten vergeben, geht es darum die Leistung und die<br />

Entwicklung des Kindes in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen (Vgl. ebd.<br />

S.13). Dieser sinnvolle Zusammenhang kann durch eine vorbereitete Umgebung, die<br />

den Leistungsanforderungen der Schülerinnen und Schüler entgegenkommt,<br />

unterstützt werden. Die Schule muss in ihren Anforderungen schülergeeignet sein,<br />

nur dann können Schülerinnen und Schüler gute Leistungen erbringen, genau das ist<br />

der Grund, warum diese Idee auch für das Zukunftsmodell <strong>Inklusion</strong> mit bedacht<br />

werden muss.<br />

Ein letztes Beispiel zeigt, wie die Vergabe von Ziffernnoten, schülergeeignet und<br />

inklusiv sein kann.<br />

3.3.4 Vereinbarung von <strong>Inklusion</strong> und Notengebung - Mit vielen Teilnoten zu<br />

einer Gesamtnote<br />

Heinz Kumetat führte schon Mitte der 80er Jahre an der Hauptschule<br />

Ferdinandstraße in Köln, ein Benotungssystem ein, welches heute für die gerechte<br />

Notenverteilung hoch interessant wird. Am Beispiel des Mathematikkurses zeigt<br />

Kumetat auf, wie viele Teilnoten zu einer Gesamtnote führen, die für Schüler und<br />

Schülerinnen als gerecht empfunden werden.<br />

Wie auch in den anderen Vorschlägen angesprochen ist es wichtig, bei der<br />

Durchführung von Inhalten den Schülerinnen und Schülern transparent zu machen,<br />

was von ihnen verlangt wird (Vgl. Kumetat 1985, S.93). Dies soll am Beispiel eines<br />

Mathematikkurses verdeutlicht werden. In der Hauptschule Ferdinandstraße wurde<br />

der Mathematikkurs in mehrere Teilkurse eingeteilt. Der gesamte Rechenstoff vom<br />

4. bis 9. Schuljahr wurde in 12 Mathematikkurse aufgeteilt, für jeden Kurs ist jeweils<br />

ein Lehrer hauptverantwortlich. Jeder Schüler und jede Schülerin arbeitet sich<br />

individuell von Kurs zu Kurs. Die Lehrperson ist überwiegend zur Beratung und<br />

Hilfestellung im Kurs anwesend. Arbeiten sollen die Schülerinnen und Schüler<br />

selbstständig. Nach Abschluss eines Kurses bekommt der jeweilige Schüler<br />

Materialien für den darauf folgenden Kurs. Begleitend zu allen Kursen erhalten alle<br />

Schülerinnen und Schüler zu Beginn ihren Rechenpass. Auf diesem werden alle<br />

Inhalte, die vom Schüler erarbeitet wurden, vermerkt. Der Rechenpass bietet dem<br />

Schüler eine Transparenz, zugleich sind Eltern und andere Lehrer über den<br />

Kenntnisstand des Schülers informiert. Mit dem Rechenpass und den einzelnen<br />

Mathematikkursen wird es dem Schüler ermöglicht, individuell zu arbeiten und im


eigenen Lerntempo das Beste zu erbringen. Die Pädagogik des Gleichschritts kann<br />

durch dieses System aufgelöst werde und der <strong>Inklusion</strong>sgedanke findet bei der<br />

Bewertung von Leistung in einer solchen Form, Berücksichtigung, das bestätigt auch<br />

der Umgang mit Klassenarbeiten.<br />

Die Klassenarbeiten werden zu dem Zeitpunkt geschrieben, wenn der einzelne<br />

Schüler, die einzelne Schülerin dazu bereit ist (Vgl. ebd. S.93). Auch dies hat den<br />

Vorteil, dass der Druck, der auf den Schülerinnen und Schülern liegt, verringert wird.<br />

Jeder und Jede lernt tatsächlich in seinem und ihrem Tempo und schreibt die<br />

Klassenarbeit dann, wenn er oder sie bereit dazu ist. Hat sich ein Schüler oder eine<br />

Schülerin im jeweiligen Können verschätzt, gibt es die Möglichkeit die Klassenarbeit<br />

mit neuen Übungen zu wiederholen. Lernen ist also nicht darauf angelegt, Wissen<br />

mittels Klassenarbeiten zu testen. Stattdessen sollen Schüler und Schülerinnen durch<br />

Klassenarbeiten, die Möglichkeit haben, sich selbst richtig einzuschätzen und sich<br />

für eine Arbeit gut vorbereiten zu können. Die Bedenken, dass Kinder sich dann gar<br />

nicht zu einer Klassenarbeit anmelden räumt Kumetat aus, in einer Schulzeitung der<br />

Schule schreibt er:<br />

„Die erforderliche Mindestanzahl von Klassenarbeiten wird so weit überschritten;<br />

wie wir meinen, eine echte Chance für Ihr Kind, eine möglichst objektive Zensur zu<br />

erhalten“ (ebd. S.94).<br />

Am Ende des Schuljahres setzt sich die Mathematiknote aus vielen Teilnoten<br />

zusammen. Das bedeutet, auch wenn ein Schüler oder eine Schülerin einmal oder<br />

mehrmals eine schlechte Note in Mathematik bekommen hat, kann sie diese<br />

problemlos wieder ausgleichen. Alle Noten zusammengerechnet ergeben am Ende<br />

eine Gesamtnote.<br />

Gerade in der Sekundarstufe werden drei Klassenarbeiten pro Halbjahr und dessen<br />

Noten, sehr schwer gewichtet. Viele Schülerinnen und Schüler können sich zum<br />

Halbjahr schon ihre Note ausrechnen, indem sie die Noten der Klassenarbeiten<br />

zusammenzählen. Diese Art von Notengebung wiederspricht dem Grundsatz von<br />

<strong>Inklusion</strong>: kein Kind zurückzulassen. Mit der Idee viele Teilnoten zu geben, kann die<br />

Gewichtung von schlechten Noten herabgesetzt werden.<br />

Außerdem kann das vorgestellte System ein Vorschlag sein, das Abschaffen von<br />

Noten zu verhindern, um stattdessen die Notengebung transparent und<br />

schülerfreundlich zu gestalten.


Die Leistungsbewertung im inklusiven Unterricht kann unterschiedliche Facetten<br />

haben. Für Lehrpersonen ist es wichtig sich über Alternativen zu der bestehenden<br />

Idee von Notengebung zu informieren. Viele inklusive Schulen haben das<br />

Notensystem komplett abgeschafft und geben stattdessen verbale Beurteilungen raus.<br />

Doch auch diese können kritisch sein, weil verbale Beurteilungen häufig in<br />

vorgefertigten Aussagen enden, die letztendlich wie Noten betrachtet werden<br />

können. Das Verständnis von Beurteilung ist im Lehrerkollegium zu diskutieren, um<br />

ein allgemeines Verständnis von gerechter Leistungsbeurteilung an einer inklusiven<br />

Schule durchzusetzen. Es muss im Kollegium der Frage nachgegangen werden: Wie<br />

schaffen wir es Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen<br />

Förderbedarf an unserer Schule gerecht zu beurteilen und ihnen einen<br />

selbstreflektierten Umgang mit Eigen-und Fremdbeurteilung zu vermitteln?<br />

Zum Abschluss soll, wie bereits erwähnt, das Gutachten von Ulf Preuss-Lausitz und<br />

Klaus Klemm erläutert werden, um einige der bereits angesprochene Ideen in einen<br />

praktischen Zusammenhang einzubetten.<br />

3.4. Empfehlungen zur Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> – ein weiterer Leitfaden für<br />

die Praxis<br />

Im Auftrag des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW untersuchten<br />

Klaus Klemm und Ulf Preuss-Lausitz mögliche Empfehlungen für die Umsetzung<br />

der UN-Konvention an den Schulen in Nordrhein-Westfalen. Daraufhin wurde 2011<br />

ein Leitfaden herausgegeben mit dem Titel: „Auf dem Weg zur schulischen<br />

<strong>Inklusion</strong> in Nordrhein-Westfalen. Empfehlungen zur Umsetzung der UN-<br />

Behindertenrechtskonventionen im Bereich der allgemeinen Schulen.“ In diesem<br />

Leitfaden wird von Klemm und Preuss-Lausitz ein <strong>Inklusion</strong>splan vorgelegt, der bei<br />

Einhaltung eine <strong>Inklusion</strong>srate von 85% bis 2020 anstrebt (Vgl. Klemm; Preuss-<br />

Lausitz 2011, S.5). Stephan Ellinger und Roland Stein betrachten den Leitfaden<br />

kritisch und weisen darauf hin, dass bedeutsame Studienübersichten ausgelassen<br />

wurden (Vgl. Ellinger; Stein 2012, S.102). Sie kritisieren insbesondere fehlende<br />

Bemühungen, die Funktion von speziellen Schulen zu reflektieren, stattdessen wird<br />

pauschal die Ablösung von Sonderschulen gefordert (Vgl. ebd. S.102).<br />

Klemm und Preuss-Lausitz argumentieren, dass inklusive Regelschulen das beste<br />

Mittel sind um diskriminierende Handlungen zu bekämpfen und Gemeinschaft zu


schaffen (Vgl. Klemm; Preuss Lausitz 2011, S.12). Sie gehen weiter davon aus, dass<br />

Fortbildungsmöglichkeiten für alle Beteiligten notwendig sind, um einen guten<br />

Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler anbieten zu können. Die Fortbildungen<br />

sollten sich mit dem Themenschwerpunkt inklusiver Unterricht und seine<br />

Gelingensfaktoren auseinandersetzen, um die Angst vor neuen Herausforderungen zu<br />

verringern (Vgl. ebd. S.34).<br />

Nachfolgend werden einige Vorschläge und Hinweise aus diesem Dokument<br />

aufgegriffen. Abbildung 9 gibt einen Überblick über die Auswahl der Vorschläge<br />

und bringt diese in einen Zusammenhang. Die ausgewählten Vorschläge beschränken<br />

sich vor allem auf die Konzeption einer inklusiven Schule: das Konzept, die<br />

Schuleingangsuntersuchung, ein Zentrum unterstützender Pädagogik und der<br />

Umgang mit schlechten Leistungen und Störungen. Lehrkräfte in der Praxis sollen<br />

durch diese Vorschläge ihrer Unsicherheit gegenüber <strong>Inklusion</strong> gegenübertreten<br />

können. Auch hier soll wieder an die Verbindung mit der Theorie angeknüpft<br />

werden.<br />

Schuleingangsuntersuchung<br />

Vorschläge von<br />

Ulf Preuss –<br />

Lausitz und Klaus<br />

Klemm<br />

Zentrum<br />

unterstützender<br />

Pädagogik<br />

Konzept<br />

Umgang mit<br />

Störungen /<br />

schlechten<br />

Leistungen<br />

Leitbild<br />

Aufgaben der<br />

Schulleitung<br />

Kein<br />

Sitzenbleiben/<br />

Wiederholen<br />

Time-Out-<br />

Räume<br />

Abbildung 9: Vorschläge Klemm, Preuss-Lausitz im Überblick<br />

3.4.1 Vorschläge und Ideen nehmen kein Ende – <strong>Inklusion</strong> wird greifbar<br />

Als eine erste Notwendigkeit, <strong>Inklusion</strong> in der Schule zu etablieren, kann die<br />

Entwicklung eines Leitbildes betrachtet werden. Diese Herangehensweise wurde in<br />

dieser Arbeit schon mehrfach angedeutet und wird in dem Leitfaden von Preuss-<br />

Lausitz und Klemm in einen konkreten Kontext gebracht. Es ist wichtig <strong>Inklusion</strong> in


das Leitbild der Schule aufzunehmen (Vgl. ebd. S.103). Das Leitbild einer Schule<br />

sollte die Meinung aller Beteiligten so gut es geht wiederspiegeln. Ist ein schulisches<br />

Leitbild fertig gestellt, ist es wichtig dieses auch im Internet für Eltern und<br />

Interessierte zugänglich zu machen. Das Leitbild sollte nämlich nicht einfach nur ein<br />

Dokument sein, sondern eine Verbindlichkeit mit sich tragen, die durch die<br />

Veröffentlichung noch stärker in den Mittelpunkt kommt.<br />

Neben einem klar positionierten Leitbild in dem <strong>Inklusion</strong> verankert sein muss,<br />

fordern Klemm und Preuss-Lausitz eine Schuleingangsuntersuchung für alle<br />

Kinder, die im Nachhinein eine individuelle Förderung ermöglicht (Vgl. ebd. S.103).<br />

Mit einer einheitlichen Schuleingangsuntersuchung soll nicht mehr nur die<br />

Schulfähigkeit eines Kindes getestet werden, sondern auch Kompetenzen und<br />

Schwierigkeiten des Kindes festgestellt werden, um diese im inklusiven Unterricht<br />

angehen zu können. Eine differenziertere Schuleingangsdiagnostik, vereinfacht das<br />

Arbeiten der Lehrerinnen und Lehrer, die sich schneller ein Bild von einem neuen<br />

Kind machen können.<br />

Weitere Empfehlungen beziehen sich auf das Zurückstellen und Sitzenbleiben von<br />

einzelnen Schülerinnen und Schülern. Dies ist nach Klemm und Preuss-Lausitz mit<br />

<strong>Inklusion</strong> nicht vereinbar (Vgl. ebd. S.103ff.). <strong>Inklusion</strong> hat den Anspruch alle<br />

Kinder in ihren Fähigkeiten zu fördern. Beim Sitzenbleiben oder Zurückstellen eines<br />

Kindes wird die Möglichkeit einer individuellen Förderung nicht mehr beachtet. Das<br />

Herausnehmen aus dem sozialen Kontext hat außerdem für viele Kinder schwere<br />

Folgen. Eine inklusive Schule folgt dem Anspruch jedes Kind mit seinen Stärken und<br />

Schwächen zu fördern und ihm einen starken sozialen Halt zu vermitteln.<br />

Diesem starken sozialen Halt wird auch durch die Empfehlung der Time-Out-<br />

Räume Rechnung getragen. Time-Out-Räume ermöglichen eine gewaltfreie Auszeit<br />

und können daher störendes Verhalten verhindern (Vgl. ebd. S.105). Gerade Kinder<br />

mit Verhaltensauffälligkeiten wird durch Time-Out Räume die Möglichkeit gegeben,<br />

ihr Verhalten zu reflektieren und sich einer Bezugsperson anzuvertrauen, die ihre<br />

Probleme ernst nimmt und sie nur mit Zustimmung auch mit weiteren Kollegen<br />

diskutiert. Für eine Schule mit dem Anspruch inklusiv zu sein, können Time-Out<br />

Räume eine wichtige Maßnahme sein, mit Störungen richtig umzugehen, weil<br />

Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit ergreifen können, an ihrem Verhalten zu<br />

arbeiten, anstatt deren Verhalten zu bestrafen.


Neben den einzelnen Empfehlungen für das Gelingen einer inklusiven Schulstruktur,<br />

gibt es weitere Vorschläge wie ein Kollegium bei der Umsetzung von <strong>Inklusion</strong><br />

unterstützt werden kann. Das Etablieren eines Zentrums unterstützender<br />

Pädagogik ermöglicht, die Stellen von Sozialarbeitern, Sonderpädagogen und<br />

Erzieherinnen fest in der Schule zu verankern (Vgl. ebd.S.105). Innerhalb der<br />

Schulen müssen diese Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen, in denen<br />

sie beratend für Lehrkräfte tätig werden und sich Eltern Rat beim „Zentrum für<br />

unterstützende Pädagogik“ holen können. Gleichzeitig ändert sich auch die Rolle der<br />

Sonderpädagogen, weil Beratung und Diagnostik die zukunftsweisenden Bereiche<br />

für Sonderpädagogen werden könnten (Vgl. ebd. S.107). Dennoch können auch<br />

Sonderpädagogen bei Bedarf, als Klassenleitung oder Fachlehrer eingesetzt werden.<br />

Am Ende gehen Preuss-Lausitz und Klemm auf die Rolle der Schulleitung ein. Sie<br />

ist für <strong>Inklusion</strong> von größter Bedeutung und muss hinter den Absichten von<br />

<strong>Inklusion</strong> stehen (Vgl. ebd. S.108). Empirische Studien belegen, zwar die<br />

signifikante Rolle der Schulleitung für Veränderungen, verdeutlichen aber auch, dass<br />

Schulleitungen der <strong>Inklusion</strong> von Menschen mit Behinderungen kritisch<br />

gegenüberstehen. „Principals, although always viewed as playing a significant role in<br />

integration efforts, also tended do demonstrate a lack of knowledge about students<br />

with disabilities […]” (Cline, 1981 zit. n. Kavale; Mostert 2003, S.199). Daraus kann<br />

geschlossen werden, dass auch Schulleitungen, Fortbildungen und Maßnahmen der<br />

Supervision benötigen.<br />

An dem Gutachten von Preuss-Lausitz und Klemm wird deutlich, welche<br />

umfassenden Veränderungen auf Schulen mit einem inklusiven Anspruch<br />

zukommen. Eine Vorbereitung der Schulen, vor allem der Lehrpersonen, ist daher<br />

maßgeblich, um schulische <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen. Rückblickend wurde in diesem<br />

Kapitel auf die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> in der Praxis eingegangen. Vor allem die<br />

Unterrichtspraxis wurde als Anknüpfungspunkt erkannt, um Lehrerinnen und Lehrer<br />

zu verdeutlichen, welche Veränderungen und welche Chancen inklusiver Unterricht<br />

ermöglichen kann. Es wurde deutlich, dass der Austausch im Lehrerkollegium, die<br />

Basis darstellt, um Veränderungen wagen zu können. Auch die Vorschläge von<br />

Klemm und Preuss-Lausitz können nur unter Zustimmung des Kollegiums etabliert<br />

werden. Daher sind Lehrerinnen und Lehrer dazu aufgefordert, sich zur vorgestellten<br />

Theorie, aber vor allem zu den vorgestellten praktischen Ideen und Vorschlägen ihre<br />

eigenen Gedanken zu machen und diese in ihrer Schule zur Diskussion zu stellen.


Die Grundschule Berg Fidel in Münster, hat viele dieser theoretischen und<br />

praktischen Erkenntnisse rund um <strong>Inklusion</strong> schon in die Praxis umgesetzt. Die<br />

Schule „Berg Fidel“ soll deshalb zum Abschluss dieser Arbeit kurz vorgestellt<br />

werden, um ein konkretes Beispiel aufzuzeigen, wie <strong>Inklusion</strong> in der Schule gelingen<br />

kann bzw. wie der Prozess <strong>Inklusion</strong> an einer Schule abläuft.<br />

4. Praxisbeispiel Berg Fidel – Schritt 4: Die konkrete Umsetzung von<br />

<strong>Inklusion</strong><br />

4.1 Die Schule - Grundvoraussetzungen<br />

„Berg Fidel“ ist eine Schule in Münster, auf die Kinder aus dreißig verschiedenen<br />

Nationen gehen (Vgl. Stähling; Wenders 2012, S.13). In jeder Klasse sind im<br />

Durchschnitt 5 bis 7 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Schule<br />

„Berg Fidel“ hat den Anspruch, alle Kinder so gut wie möglich zu fördern und<br />

koordiniert daher individuelle Hilfen für ihre Schüler und Schülerinnen. Die Stunden<br />

der Sonderpädagogen werden auf alle Klassen verteilt, dadurch hat die<br />

Klassenleitung einen „Unterstützerring“ um sich versammelt. Die pädagogische<br />

Arbeit wird in einem Team durchgeführt. Die Verantwortungsbereiche sind<br />

aufgeteilt, wodurch einer Überforderung von Lehrpersonen entgegengewirkt wird.<br />

Die Schule Berg Fidel ist eine Schule im gebundenen Ganztag, sie endet täglich um<br />

15:30 Uhr (Vgl. ebd. S.19). Schülerinnen vom ersten bis vierten Jahrgang werden<br />

altersgemischt aufgeteilt und besuchen einen jahrgangsgemischten Unterricht (Vgl.<br />

ebd. S.23). Die Schulleitung und das Kollegium fordern von der Landesregierung,<br />

die Schule in Berg Fidel auf den Sekundarbereich auszuweiten, damit Schülerinnen<br />

und Schüler von der ersten bis zur 13. Klasse die Schule besuchen können. Der<br />

Direktor der Schule, Reinhard Stähling sieht ein Schulmodell von Klasse eins bis<br />

Klasse dreizehn als Ausdruck für inklusive Schulkultur (Vgl. ebd. S. 83). Die<br />

Altersmischung soll bis zur Klasse 13 fortgeführt werden. Immer drei<br />

aufeinanderfolgende Jahrgänge könnten gemeinsam unterrichtet werden. In der<br />

Eingangsstufe kommt noch ein nullter Jahrgang hinzu und in der Schulabschlussstufe<br />

haben Schülerinnen und Schüler von der Klasse 10 bis 13 gemeinsam Unterricht<br />

(Vgl. ebd. S.87). Die Schule würde nach diesem Modell zu einem Haus des Lernens


wachsen. Schulwechsel nach der vierten Klasse wären nicht notwendig, stattdessen<br />

hätten Kinder die Möglichkeit nach der Grundschule in ihrem gewohnten sozialen<br />

Umfeld zu bleiben. Außerdem bietet dieses Modell die Chance der Zusammenarbeit<br />

von Grund- und Sekundarschullehrern, wodurch eine individuelle Förderung<br />

ermöglicht wird, weil ein Austausch der Lehrerinnen stattfinden kann. An der Schule<br />

in Berg Fidel wurde das Sitzenbleiben abgeschafft (Vgl. ebd. S.15). Den<br />

Forderungen von Klemm und Preuss-Lausitz wird an dieser Schule entsprochen.<br />

Kein Kind muss ein Schuljahr wiederholen, wodurch Kinder die Möglichkeit<br />

bekommen ihre Schulzeit in einem Klassenteam zu verbringen, wo sie nicht als<br />

Schlusslichter der Klasse behandelt werden, sondern ihnen stattdessen Hilfen<br />

angeboten werden, um ihre Leistungen zu verbessern. Diese Idee soll auch in den<br />

Sekundarbereich übernommen werden. Von der ersten bis zur dreizehnten Klasse<br />

hätten Kinder an der Schule „Berg Fidel“ die Möglichkeit sich zu entfalten und an<br />

ihren Stärken und Schwächen zu arbeiten. Im November 2012 organisierte die<br />

Schulleitung, gemeinsam mit dem Kollegium der Schule, einen Praxiskongress, der<br />

sich konkret mit dem Ausbau der Schule auf die Sekundarbereiche beschäftigte.<br />

Kongressteilnehmer arbeiteten an zwei Tagen an konkreten Themen rund um<br />

<strong>Inklusion</strong>. Dabei wurden Vorschläge gesammelt, die die Schule in ihrem Ausbau<br />

unterstützen sollen.<br />

Im nächsten Abschnitt, sollen konkrete Einblicke in den Schulalltag vermittelt<br />

werden und ein möglicher Ablauf eines Schultages dargestellt werden.<br />

4.2 Einblicke in den Schulalltag<br />

In dem Buch von Reinhard Stähling und Barbara Wenders „Das können wir hier<br />

nicht leisten“, bekommen die Leser Einblicke in den Schulalltag einer „inklusiven“<br />

Schule. Jeden Morgen kommen die Kinder zwischen 7:30 Uhr und 8:00 Uhr in den<br />

Spieleraum. (Vgl. ebd. S.20 ff.). Dieser Raum befindet sich vor jedem<br />

Klassenzimmer. Die Klassenlehrer erwarten jeden Schüler und jede Schülerin, bevor<br />

er/sie in die Klasse geht. Jeder wird persönlich begrüßt und die Eltern haben kurz<br />

Zeit vom Alltag oder auch von bestimmten Problemen zu berichten. Eine zweite<br />

Lehrkraft befindet sich bereits im Klassenzimmer. Die Schülerinnen und Schüler<br />

besprechen im Klassenraum ihre heutigen Arbeiten, mit der Lehrperson. Einzeln<br />

oder in einer Lernpartnerschaft beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler mit<br />

Mathematikaufgaben (Vgl. ebd. S.16f.). Das bereits angesprochene Prinzip nach


Wocken, die Schülerinnen und Schüler als Lernhelfer mit in den Unterricht<br />

einzubeziehen, wird im Unterricht angewandt. Die freie Arbeitsphase endet um 9:30<br />

Uhr, es folgt eine große Pause, in der die Kinder freie Zeit auf dem Schulgelände<br />

verbringen können. Nach dem Frühstück und der Pause wird jeden Tag mit der<br />

ganzen Klasse über die vergangene Freiarbeit reflektiert. In Form eines<br />

„Lernklassenrates“ kommen die Schülerinnen und Schüler mit den beiden<br />

Lehrkräften im Stuhlkreis zusammen. Ziel des „Lernklassenrates“ ist es gemeinsam<br />

über das gerade gelernte zur reflektieren und als Schüler/Schülerin benennen zu<br />

können, was ich heute alles geschafft habe (Vgl.ebd. S.41). Zusätzlich führen alle<br />

Schülerinnen und Schüler ein individuelles Lerntagebuch, in dem sie ihr geschafftes<br />

Lernpensum für den Tag eintragen (Vgl. ebd. S. 21). Lerntagebuch und<br />

Lernklassenrat wechseln sich unter der Woche ab. Dadurch lernen Schülerinnen und<br />

Schüler die schriftliche und mündliche Art, der Selbstreflektion (Vgl. ebd. S. 43). In<br />

der folgenden Tabelle ist der tägliche morgendliche Ablauf nochmal<br />

zusammengefasst dargestellt.<br />

Morgendlicher Ablauf<br />

Offener Beginn Zwischen 8:00-8:30<br />

Freiarbeit Bis 9:30<br />

Große Pause / Frühstück<br />

Lernklassenrat<br />

Schülerinnen und Schüler werden zur Selbstreflektion<br />

über ihr Arbeitsverhalten angeregt (schriftlich und<br />

mündlich im Wechsel)<br />

Tabelle 6: Morgendlicher Ablauf (Vgl. Stähling/Wenders 2012, S.20ff.)<br />

Das Ziel dieser Unterrichtsgestaltung ist: „[…] dass jedes Kind Erfolge erlebt bei der<br />

Durchdringung der Bearbeitung von „stofflichen Hürden“ und dem Verstehen einer<br />

Sache und auf diesem Weg größtmögliche individuelle Lernfortschritte macht.“ (ebd.<br />

S. 21) Für dieses Ziel ist auch die Haltung im Kollegium ausschlaggebend.<br />

4.3 Wertschätzung der Kinder - Haltung im Kollegium<br />

Im Team hat sich das Lehrerkollegium der Schule Berg Fidel auf 20 Regeln geeinigt,<br />

wie sie als Pädagogen mit den Schülerinnen und Schülern umgehen (Vgl. ebd. S. 15).<br />

Die Regeln sind eng verbunden mit dem amerikanischen Begriff der „Caring


Education“. Die Lehrerinnen und Lehrer der Schule, sollen sich persönlich mit dem<br />

Schüler/ der Schülerin auseinandersetzen, ihn/sie nach seinen/ihren Bedürfnissen<br />

fragen und auf diese eingehen. Die erste Regel lautet: „Achte die Kinder!“. Diese<br />

erste Regel an den Anfang des Regelwerkes für Lehrerinnen und Lehrer zu stellen,<br />

kann ganz im Sinne von <strong>Inklusion</strong> verstanden werden. Lerngruppen sind<br />

grundsätzlich heterogen, weswegen es wichtig ist, jedes einzelne Kind zu achten und<br />

Wertschätzung zu vermitteln. Wenn ein Schüler/eine Schülerin Wertschätzung<br />

erhält, fällt es ihm/ihr auch leichter selbst wertschätzend zu handeln. Die Regel<br />

Nummer sieben ist ebenfalls ein gutes Beispiel für die Inklusive Haltung der Schule,<br />

sie lautet: „Erwarte ihr Bestes; erwarte keine Perfektion!“ Die Haltung der<br />

Lehrerinnen und Lehrer, sollte passend auf die Schülerinnen und Schüler<br />

zugeschnitten sein. An der Schule in „Berg Fidel“ werden nicht einheitliche<br />

Standards gebildet, die von den SchülerInnen erwartet werden. Es wird individuell<br />

auf die Kinder eingegangen und mit den Kindern entschieden, was gut für sie ist.<br />

Auch die übrigen 18 Regeln befassen sich mit der Wertschätzung gegenüber<br />

Schülerinnen und Schülern. Für die Kinder bietet das Einhalten der Regelungen<br />

Sicherheit und soziale Geborgenheit (Vgl. ebd. S.16). Wenn Kinder sich sozial<br />

geborgen und sicher fühlen können sie ihre Angst in bestimmten Situationen<br />

überwinden und werden zu selbstständigen Wesen.<br />

Von den Lehrerinnen und Lehrern werden neben der Einhaltung der besagten 20<br />

Regeln weitere Kompetenzen erwartet. Hierzu zählen unter anderem:<br />

Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Geduld, Organisationsfähigkeit,<br />

Teamgeist, Freude an Zusammenarbeit, didaktische und methodische Kenntnisse<br />

(Vgl. ebd. S. 44f.).<br />

4.4 Praktische Idee für den Unterricht<br />

Nachfolgend wird der „Freie Forscherclub“ vorgestellt, als eine Idee inklusiven<br />

Unterricht zu ermöglichen. Der „Freie Forscherclub“ ist in allen Klassen an der<br />

Schule fest verankert.<br />

Freier Forscherclub<br />

An drei Tagen in der Woche haben die Schülerinnen und Schüler 60 Minuten Zeit<br />

sich mit einem Thema ihrer Wahl zu beschäftigen. An der Schule Berg Fidel wird<br />

diese Stunde mit den Buchstaben FFC abgekürzt, was so viel heißt wie: Freier<br />

Forscherclub (Vgl. ebd. S.50f.). Schülerinnen und Schüler können entscheiden, ob<br />

sie alleine oder in einer Gruppe, zu einem selbstgewählten Thema arbeiten wollen.


Meistens arbeiten zwei bis drei Schülerinnen und Schüler zusammen an einem<br />

Thema. Der FFC bietet den Schülerinnen und Schüler eine Art Projektarbeit an. Die<br />

Arbeit im Freien Forscherclub gliedert sich bei jedem Projekt in sechs Phasen, die in<br />

Abbildung 10 dargestellt werden(Vgl.ebd. S.53).<br />

Thema<br />

finden<br />

20<br />

Fragen<br />

Informations-<br />

beschaffung<br />

Experten-<br />

interview<br />

Auswertung<br />

Präsentation<br />

Abbildung 10: Prozessverlauf freier Froscherclub (ebd. S.53)<br />

In der ersten Phase finden sich Schülerinnen und Schüler zusammen und suchen sich<br />

ein Thema aus. Danach formulieren sie gemeinsam 20 Fragen zu diesem Thema,<br />

woraus eine Gliederung entsteht, was die Bearbeitung des Themas differenziert und<br />

vereinfacht. In der dritten Phase beschaffen sich die SchülerInnen die notwendigen<br />

Informationen. Nachdem sie sich einen Überblick über ihr Thema verschafft haben,<br />

müssen sie in der nächsten Phase ein Experteninterview führen. Ein Experte für das<br />

gewählte Thema muss von den Schülerinnen und Schülern besucht und interviewt<br />

werden. Das Interview findet in vielen Fällen während der Schulzeit, aber auch<br />

außerhalb der Schule statt. Lehrerinnen und Lehrer stellen sicher, dass der<br />

Anfahrtsweg von den Schülerinnen und Schülern zu den Experten ohne Gefahren<br />

bewerkstelligt werden kann und dass das Experteninterview auch sicher durchgeführt<br />

werden kann. Durch den Besuch eines außenstehenden Menschen, der hoffentlich<br />

mit Passion von dem Thema berichten kann, bekommen die SchülerInnen einen noch<br />

gezielteren Einblick. Alle Quellen und das Interview werden dann gemeinsam<br />

ausgewertet. Am Ende erfolgt die Präsentation der Ergebnisse. Die<br />

Präsentationsformen dürfen frei gewählt werden.<br />

Der FFC bietet den Schülerinnen und Schülern einer Klasse an, sich intensiv mit<br />

einem Thema auseinanderzusetzen. Das Lernen verläuft meistens hochmotiviert,<br />

weil das Thema frei gewählt werden kann. Begleitet wird die Arbeit in diesem Kurs<br />

von einer fortlaufenden Dokumentationspflicht, auf Seiten der Schülerinnen und


Schüler (Vgl. ebd. S.69). Damit ist für alle klar, in welcher Phase sich die Gruppe<br />

gerade befindet, und was der nächste Schritt sein muss, um am Ende eine<br />

erfolgreiche Präsentation halten zu können.<br />

Die Leistungsbewertung erfolgt durch individuelle Rückmeldungen, die die gesamte<br />

Bearbeitung eines Themas berücksichtigen, von der Arbeitshaltung über die Nutzung<br />

von Medien zur Präsentation.<br />

Die Idee einen Freien Forscherclub an der eigenen Schule zu etablieren, kann als<br />

eine Möglichkeit angesehen werden <strong>Inklusion</strong> im Unterricht umzusetzen. Wenn<br />

jedes Kind an seinem persönlichen Thema arbeitet, findet individuelle<br />

Differenzierung bereits statt. Diese Differenzierung muss im Freien Forscherclub<br />

nicht durch die Lehrpersonen geschehen, sondern die Kinder selbst können ihre<br />

Leistungen differenzieren. Natürlich wird es auch in diesem Unterrichtsentwurf<br />

Kinder geben, die Schwierigkeiten haben ein Thema zu finden, weil sie nicht wissen,<br />

was sie eigentlich interessiert. Doch dieser Prozess ist für Kinder in allen<br />

Altersklassen wichtig, um herauszufinden, was eigentlich die Stärken und<br />

Schwächen eines jeden Kindes sind. Im Freien Forscherclub gibt es für Schülerinnen<br />

und Schüler das Angebot, diese Stärken ausfindig zu machen bzw., die Möglichkeit<br />

herauszufinden, was die jeweiligen Schwächen sind und welche Themen der Schüler<br />

oder die Schülerin nur ungern bearbeite.<br />

Die Schule „Berg Fidel“ hat sich bereits auf den Weg zur <strong>Inklusion</strong> gemacht, arbeitet<br />

aber immer noch weiter daran, die Grundsätze der <strong>Inklusion</strong> in den Schulalltag zu<br />

integrieren. Ich wünsche mir, dass mehr Schulen sich trauen diesen Weg zu gehen,<br />

um die Bildungslandschaft zu verändern, damit ein gemeinsames Lernen möglich<br />

wird.<br />

Ausblick – <strong>Inklusion</strong>: ein Riese in der Bildungslandschaft<br />

In dieser Arbeit wurde mir immer wieder deutlich, dass eine der wichtigsten<br />

Voraussetzungen für angestrebte bzw. verordnete schulische <strong>Inklusion</strong> die<br />

Einstellungen der Beteiligten sind, und dabei insbesondere die Einstellung der<br />

Lehrerinnen und Lehrer, inklusive der Schulleitungen. Gerade für Lehrerinnen und<br />

Lehrer an einer Regelschule, bedeutet <strong>Inklusion</strong> eine Umstellung, die auf mehreren<br />

Ebenen kritisch reflektiert werden muss. Wie in der Arbeit dargestellt ist ein Bereich<br />

der sich grundlegend verändern muss der Unterricht, aber auch andere schulische


Zusammenhänge, wie schulische Architektur und Professionalisierung der<br />

Lehrerinnen und Lehrer müssen sich verändern. Eine Studie von Schumm und<br />

Vaughn belegt, dass Regelschullehrer glauben, sie könnten Schülerinnen und<br />

Schülern mit Behinderungen nicht gerecht werden, weil sie damit überfordert seien<br />

(Schumm; Vaughn 1995 zit. n. Kavale; Mostert 2003, S.202). Deswegen sind<br />

Fortbildung und die Aufklärung von Lehrerinnen und Lehrern von „allergrößter“<br />

Bedeutung. Katrin Düring fasst weitere Contra Argumente gegenüber <strong>Inklusion</strong><br />

zusammen, in denen sich die Kritik von Lehrerinnen und Lehrern, gegenüber<br />

<strong>Inklusion</strong>, äußert: das übliche Modell der LehrerInnenarbeitszeit, was bisher keine<br />

verbindlichen Zeiträume für Kooperation zulässt. Wenig Ressourcen zur<br />

Unterstützung, zusätzliche hohe Anstrengung auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer,<br />

fehlendes Basiswissen, wie ein solcher Prozess wie <strong>Inklusion</strong> gesteuert werden muss<br />

(Vgl. Düring 2003, S.61). Es wird von Lehrerinnen und Lehrern verlangt, sich mit<br />

<strong>Inklusion</strong> zu beschäftigen, die nicht vorhatten oder nicht vorhaben, Kinder mit<br />

sonderpädagogischem Förderbedarf in ihren Unterricht zu integrieren (Vgl. Preuss-<br />

Lausitz 2003 S.176). Insofern ist es für mich verständlich, dass Lehrerinnen und<br />

Lehrer einer schulischen <strong>Inklusion</strong> kritisch gegenüber stehen. Auch auf Seiten der<br />

Sonderpädagogen zeigen sich Qualifikationsdefizite in der Ausbildung (Obolenski<br />

2003, S.184). Diese Bedenken müssen von der Politik sofort und unbedingt<br />

aufgegriffen und mit bedacht werden, um schulische <strong>Inklusion</strong> umsetzten zu können.<br />

Im Februar 2012 startete eine landesweite Qualifizierungsmaßnahme, in der 200<br />

Lehrkräfte zum Ausbau des gemeinsamen Unterrichts fortgebildet werden (Vgl.<br />

Schulministerium NRW 2012, S.1). Bis 2018 sollen bis zu 2500 Lehrerinnen und<br />

Lehrer an dieser 18 monatigen Ausbildung teilnehmen. Dieses Fortbildungsangebot<br />

ist nur eines unter vielen und kann als Indikator dafür stehen, dass sich zum Thema<br />

<strong>Inklusion</strong> gerade vieles in Bewegung setzt.<br />

Maßnahmen wie Fortbildungen sind wichtig, um Lehrerinnen und Lehrer in ihren<br />

sozial- emotionalen Zweifeln zur Seite zu stehen, sie können helfen diese Zweifel zu<br />

überwinden.<br />

<strong>Inklusion</strong> ist keine einfache Veränderung im Schulsystem, sie muss als Prozess<br />

betrachtet werden, da <strong>Inklusion</strong> sich nie total erreichen lässt. <strong>Inklusion</strong> vermittelt<br />

eher eine utopische Vorstellung von Schule und Gesellschaft, wie es wäre, wenn alle<br />

Menschen in ihren individuellen Bedürfnissen von der Gesellschaft/ Schule<br />

aufgenommen und gefördert werden. <strong>Inklusion</strong> lässt sich nie ganz verwirklichen,


weil es Ausgrenzung in unserer Gesellschaft immer geben wird, was die Umsetzung<br />

von <strong>Inklusion</strong> so schwierig macht. Gleichzeitig müssen auch immer die Vor- und<br />

Nachteile von <strong>Inklusion</strong> hinterfragt werden. „Mit dem Ausschluss aus dem<br />

Regelschulsystem werden die Betroffenen zum Objekt vielfacher Beschämungen, die<br />

ihnen Anerkennung und Würde absprechen“ (Schumann 2007, S.201). argumentieren<br />

<strong>Inklusion</strong>sbefürworter. „Widersacher“ der <strong>Inklusion</strong> fordern sorgfältige empirische<br />

Untersuchungen, bevor Förderorte abgeschafft werden. (Vgl. Ellinger; Stein 2012,<br />

S.104)<br />

Ich teile die Meinung der <strong>Inklusion</strong>sbefürworter, die sich für die <strong>Inklusion</strong> von<br />

Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen einsetzen, weil<br />

ich selbst als Schülerin Erfahrungen mit Integration machen konnte, die mich in<br />

meiner Meinung bestärken. Dennoch ist es mir wichtig, auch die unzureichenden<br />

empirischen Forschungsergebnisse nicht außer Acht zu lassen, weil die<br />

Forschungslage zurzeit noch nicht ausreicht, um sich einer Meinung anschließen zu<br />

können. Ich wünsche mir für die Zukunft Überprüfungen und Evaluationen von<br />

Maßnahmen, Erfahrungen und Ideen, die sich für ein Implementieren von <strong>Inklusion</strong><br />

in Schulen einsetzen. Außerdem ist es mir ein Anliegen, Menschen für <strong>Inklusion</strong> zu<br />

begeistern, weil ich davon ausgehe, dass die theoretischen Grundlagen der<br />

Wissenschaft mit der Praxis verknüpft werden müssen, um <strong>Inklusion</strong> in die<br />

Schullandschaft zu integrieren.<br />

Deshalb ist das Ziel dieser Recherche, Lehrerinnen und Lehrer mit Theorie und<br />

Umsetzungsmöglichkeiten auf <strong>Inklusion</strong> vorzubereiten. Aus diesem Grund begann<br />

ich mit einer theoretischen Grundlage, um sich immer weiter einer praktischen<br />

Vorstellung von <strong>Inklusion</strong> zu nähern.<br />

Lehrerinnen und Lehrer müssen auf <strong>Inklusion</strong> vorbereitet werden, einige Ideen und<br />

Umsetzungsangebote sind in dieser Arbeit vorgestellt worden. Doch das Lesen dieser<br />

Arbeit reicht nicht aus. Um die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen, braucht es<br />

meines Erachtens die Kraft vieler. Die Hattie-Studie hat belegt, dass der einzelne<br />

Lehrer einer Klasse das ist, was für das Gelingen von <strong>Inklusion</strong> zählt (Vgl. Berger<br />

2012 S.1). Wir als zukünftige oder bereits amtierende Lehrer und Lehrerinnen sind<br />

es die zählen. Wir sind für die Schülerinnen und Schüler mitverantwortlich und<br />

können das bestehende System Schule verändern, wenn wir alle zusammenhalten.<br />

Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit einer Rollenveränderung in ihrem Beruf<br />

anfreunden. Auf einer <strong>Inklusion</strong>stagung in Münster, im November 2012, durfte ich


Hans Wocken persönlich eine Frage stellen. Meine Frage lautete: „Was glauben sie,<br />

ist zur Vorbereitung der Lehrerinnen und Lehrer im Hinblick auf <strong>Inklusion</strong> am<br />

Wichtigsten?“ Seine Antwort: „Hospitationen!“<br />

Lehrerinnen und Lehrer müssen die Möglichkeiten bekommen und wahrnehmen,<br />

sich andere Schulen anzusehen, um sich eine Idee davon machen zu können, was<br />

<strong>Inklusion</strong> bedeutet. Auch mir leuchtet ein, dass bloßes Zureden auf Lehrerinnen und<br />

Lehrer nicht ausreicht. Sie müssen „ersehen“ dürfen, wie es funktioniert, um aus<br />

ihrem Alltagstrott der Regelschulen herauszukommen. Wenn Lehrpersonen bei einer<br />

Hospitation verstehen, was die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> bedeutet, gehe ich davon<br />

aus, dass viele Vorbehalte gegenüber <strong>Inklusion</strong> verringert werden. Ich wünsche mir,<br />

dass viele Lehrkräfte das Angebot von Hospitationen annehmen, welches unter<br />

anderem mit dem Projekt des Schulverbundes „Blick über den Zaun“ angeboten<br />

wird. Über den eigenen Schulzaun in andere Schulen zu gucken, ist ein Geschenk,<br />

welches Lehrerinnen und Lehrer annehmen dürfen, um ihre persönliche Arbeit in der<br />

Schule zu professionalisieren. Erst wenn <strong>Inklusion</strong> in Schule und Umfeld erlebt wird,<br />

kann ich mir auch für meine eigene Schule eine Umsetzung vorstellen.<br />

Deswegen formuliere ich abschließend, meinen Wunsch an alle Lehrerinnen und<br />

Lehrer: Schaut Euch in anderen Schulen um, in denen bereits mit inklusiven<br />

Ansätzen gearbeitet wird, vernetzt Euch und seit offen für Veränderungen!


Literaturverzeichnis<br />

Antor, Georg (Hrsg.) (2006). Handlexikon der Behindertenpädagogik.<br />

Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis. 2. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.<br />

Amrhein, Bettina (2011). Lehrkräfte im Paradox zwischen Integration und<br />

Segregation- Konsequenzen für die zukünftige Aus- und Fortbildung von<br />

LehrerInnen für <strong>Inklusion</strong>. In Ziemen, Kerstin; Langner, Anke; Köpfer, Andreas;<br />

Erbring, Saskia (Hrsg.) <strong>Inklusion</strong> – Herausforderung, Chancen und Perspektiven.<br />

(o.A.) Hamburg: Verlag Dr. Kovac, S.125 – 139.<br />

Boban; Ines, Hinz;Andreas (2003).Der Index für <strong>Inklusion</strong>. In Feuser, Georg (Hrsg.)<br />

Integration heute – Perspektiven ihrer Weiterentwicklung in Theorie und Praxis.<br />

Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag, S. 39 – 47.<br />

Braun; Dorothee, Schmischke; Judith (2006). Mit Störungen umgehen. Verhalten<br />

verstehen und beeinflussen. Übungen und Materialien. Berlin: Cornelsen Verlag.<br />

Böing, Ursula (2011). Professionalisierung von Lehrpersonen und Schulentwicklung<br />

– eine effektive Wecheselbeziehung. In Ziemen, Kerstin; Langner, Anke; Köpfer,<br />

Andreas; Erbring, Saskia (Hrsg.) <strong>Inklusion</strong> – Herausforderung, Chancen und<br />

Perspektiven. (o.A.) Hamburg: Verlag Dr. Kovac, S.59-75.<br />

Düring, Katrin (2003). Gemeinsamer Unterricht braucht Schulentwicklung. In<br />

Feuser, Georg (Hrsg.) Integration heute – Perspektiven ihrer Weiterentwicklung in<br />

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9 – 21.


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zuletzt geprüft am 25.03.2013.

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