Zunkunftsmodell Inklusion - Humanwissenschaftliche Fakultät
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Carolin Schwack unter Supervision von Karl J. Kluge<br />
Ein Leitfaden zur Vorbereitung für<br />
Lehrerinnen und Lehrer.<br />
©Carolin Schwack & Karl J. Kluge, 01.07.2013
Inhalt<br />
ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................................... 4<br />
TABELLENVERZEICHNIS ......................................................................................................... 4<br />
VORWORT: „WIE ICH ZUR INKLUSION KAM – EIN AUFRICHTIGES BEKENNTNIS!“<br />
.............................................................................................................................................. 5<br />
EINLEITUNG ..................................................................................................................... 9<br />
1.“INKLUSION GELINGT WENN MAN SIE WILL“ (KARL JOSEF KLUGE) – SCHRITT 1:<br />
INKLUSION IN DER THEORIE ..................................................................................... 12<br />
1.1 „INKLUSION ALS MEHRWERT VON INTEGRATION“ – INKLUSION UND ANDERE WICHTIGE<br />
BEGRIFFLICHKEITEN UND STANDPUNKTE .............................................................................. 12<br />
1.2 GESCHICHTLICHER HINTERGRUND – WIE ALLES BEGANN… ............................................ 19<br />
1.3 BEDEUTSAME DOKUMENTE: „SCHRIFTLICHES“ FESTHALTEN AN INKLUSION .................. 21<br />
1.3.1 Salamanca Erklärung ............................................................................................... 21<br />
1.3.2 UN Konvention ......................................................................................................... 22<br />
1.3.3 KMK ......................................................................................................................... 24<br />
1.3.4 NRW-Änderung des Schulgesetzes .......................................................................... 26<br />
1.4 BLICK ÜBER DEN ZAUN - INKLUSION IM INTERNATIONALEN VERGLEICH ........................ 27<br />
1.5 INDEX FÜR INKLUSION – EIN ERSTER WEG ZUR UMSETZUNG ........................................... 30<br />
1.5.1 Loslegen!! – Mit dem Index für <strong>Inklusion</strong> ................................................................. 31<br />
2. GELINGENSFAKTOREN FÜR INKLUSION – SCHRITT 2: DEN BEDARF<br />
ERKENNEN… .................................................................................................................. 34<br />
2.1 INHALTLICHE FORMEN – INKLUSION IN ALLEN FACETTEN ............................................... 35<br />
2.1.1 Ethnokulturelle Unterschiede .................................................................................. 36<br />
2.1.2 Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts ......................................... 36<br />
2.1.3 Unterschiede in den sozialen Lebensformen ........................................................... 36<br />
2.1.4 Sozio- ökonomische Unterschiede ........................................................................... 37<br />
2.1.5 Ausgrenzung aufgrund von Behinderung ................................................................ 37<br />
2.2 ORGANISATIONSFORMEN – THEORETISCHE FORMEN DER UMSETZUNG ........................... 38<br />
2.2.1 <strong>Inklusion</strong>splanung – verpflichten, vernetzen und los geht’s! ................................... 40<br />
2.2.2 Ressourcenmanagement – den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern gerecht<br />
werden .............................................................................................................................. 40<br />
2.2.3 Kommunikative Strukturen – ohne Kommunikation läuft nichts!............................ 42<br />
2.2.4 Lehreraus- und Fortbildungen – Ressourcen schaffen durch Fortbildungen............ 43<br />
2.2.5 Lerninhalte und inklusive Didaktik – Fächerübergreifende Kompetenzen und individuelle<br />
Förderung, statt einer übertriebenen Ausrichtung auf die Fachwissenschaften .............. 45<br />
2.2.6 Individualisierung – Eigenständigkeit im Lernprozess vermitteln ............................ 46<br />
2.2.7 Evaluieren – Erfolge und Hindernisse offenlegen .................................................... 47<br />
3. ZUKUNFTSMODELL INKLUSION – SCHRITT 3: INKLUSION IN DER PRAXIS 48<br />
3.1 UNTERRICHTSPLANUNGEN – MÖGLICHKEITEN, IDEEN, VISIONEN, UMSETZUNG!?! ......... 50<br />
3.1.1 PLANUNG IM TEAM – KOOPERATION IM KOLLEGIUM ALS ENTLASTUNG IM UNTERRICHT51<br />
3.1.2 Umgang mit heterogenen Lerngruppen – Verschiedenheit im Unterricht .............. 53
3.1.3 Delegation von Aufgaben – Ideen zur Entlastung der Lehrperson im inklusiven Unterricht<br />
.......................................................................................................................................... 56<br />
3.1.3.1 Nonpersonale Hilfen – Entlastung durch Aufgaben und Methoden .................... 56<br />
3.1.3.2 Personale Hilfen – Entlastung durch Schülerinnen und Schüler ............................ 58<br />
3.1.4 Weitere Möglichkeiten – Handlungsorientierter Unterricht: “vom Tun im Unterricht“ 63<br />
3.2 CLASSROOM MANAGEMENT – ORGANISATIONSSTRUKTUREN ALS MÖGLICHKEITEN ZUR<br />
VERBESSERUNG DER UNTERRICHTSKULTUR ......................................................................... 66<br />
3.3 LEISTUNGSBEWERTUNGEN – WIE KÖNNEN LEHRPERSONEN, SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER IN<br />
IHRER VIELFALT GERECHT BEWERTEN? ................................................................................. 70<br />
3.3.1 Lernentwicklungsberichte – schriftliche Beurteilung statt Ziffernnoten .................. 71<br />
3.3.2 Portfolioarbeit – Transparenz in der Beurteilung .................................................... 72<br />
3.3.3 Leistungsmessung nach Maria Montessori – Im Mittelpunkt das Kind ................... 74<br />
3.3.4 Vereinbarung von <strong>Inklusion</strong> und Notengebung - Mit vielen Teilnoten zu einer Gesamtnote<br />
.......................................................................................................................................... 75<br />
3.4. Empfehlungen zur Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> – ein weiterer Leitfaden für die Praxis 77<br />
3.4.1 VORSCHLÄGE UND IDEEN NEHMEN KEIN ENDE – INKLUSION WIRD GREIFBAR .............. 78<br />
4. PRAXISBEISPIEL BERG FIDEL – SCHRITT 4: DIE KONKRETE UMSETZUNG VON<br />
INKLUSION ...................................................................................................................... 81<br />
4.1 DIE SCHULE - GRUNDVORAUSSETZUNGEN ...................................................................... 81<br />
4.2 EINBLICKE IN DEN SCHULALLTAG ................................................................................... 82<br />
4.3 WERTSCHÄTZUNG DER KINDER - HALTUNG IM KOLLEGIUM .......................................... 83<br />
4.4 PRAKTISCHE IDEE FÜR DEN UNTERRICHT ........................................................................ 84<br />
AUSBLICK – INKLUSION: EIN RIESE IN DER BILDUNGSLANDSCHAFT ............ 86
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Darstellung der Themenschwerpunkte ....................................... 11<br />
Abbildung 2: Der Index-Prozess und der Planungskreislauf der Schulentwicklung<br />
(Boban/Hinz 2003, S.19) ............................................................. 32<br />
Abbildung 3: Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong> (Reich 2012, S.104ff) ............. 35<br />
Abbildung 4: Sonderpädagogische Förderquoten nach Ländern und Förderort<br />
(Reich 2012, S.83) ....................................................................... 38<br />
Abbildung 5: Schulentwicklung durch Gemeinsamen Unterricht (Düring 2003, S.63)<br />
..................................................................................................... 48<br />
Abbildung 6: Faktoren im Unterricht (Von der Groeben 2008, S.14ff.) .......... 54<br />
Abbildung 7: Faktoren im Unterricht (erweitert).............................................. 55<br />
Abbildung 8: Unterstützung für die Lehrperson ............................................... 63<br />
Abbildung 9: Vorschläge Klemm, Preuss-Lausitz im Überblick ..................... 78<br />
Abbildung 10: Prozessverlauf freier Froscherclub (ebd. S.53) ......................... 85<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Tabelle1 ............................................................................................ 57<br />
Tabelle 2: Tabelle2 ............................................................................................ 60<br />
Tabelle 3: Transformation von Lehrfunktionen des Lehrers in Lerntätigkeiten der<br />
Schüler (Wocken 2011, S.148) ......................................................... 61<br />
Tabelle 4: Tabelle4 ............................................................................................ 65<br />
Tabelle 5: Proaktive und Reaktive Kriterien (Vgl. Hennemann/Hillenbrandt 2010,<br />
S.25) .................................................................................................. 69<br />
Tabelle 6: Morgendlicher Ablauf (Vgl. Stähling/Wenders 2012, S.20ff.) ....... 83
Vorwort: „Wie ich zur <strong>Inklusion</strong> kam – ein aufrichtiges Bekenntnis!“<br />
In meiner Lebensgeschichte finde ich schon im Grundschulalter Anknüpfungspunkte<br />
für meine Begeisterung für pädagogische <strong>Inklusion</strong>. Damals in den 90er Jahren,<br />
besuchte ich „eine integrative Klasse.“ Wir waren eine der ersten Klassen, in der<br />
Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam lernten. In unserer<br />
Klassengemeinschaft wurde jeder so wertgeschätzt wie er kam. Ich weiß noch, wie<br />
sehr wir uns an der ersten Beteiligung eines Mitschülers erfreuten. André, ein<br />
Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, hatte sich zuvor selten in<br />
das Unterrichtsgeschehen eingebracht. Eines Montag morgens im Stuhlkreis meldete<br />
er sich zum aller ersten Mal. Er hob seinen Daumen nach oben. Sofort wurde er von<br />
einer Mitschülerin „drangenommen“, alle hörten gespannt zu, was André von seinem<br />
Wochenende berichtete.<br />
Schon im Alter von 10 Jahren wurde mir klar, dass es kein besser oder schlechter<br />
zwischen Menschen in ihrer Entwicklung geben kann, weil jeder Mensch etwas zu<br />
einer Gemeinschaft beiträgt. Deshalb fasste ich den Entschluss,<br />
Sonderschulpädagogin zu werden. In den vielen Praktika im Verlauf meines<br />
Studiums erfuhr ich, welche Einschränkungen Kinder und Jugendliche erfahren,<br />
wenn sie nicht die Möglichkeit finden in eine Regelschule integriert zu werden.<br />
Schüler berichteten mir von ihren Erfahrungen mit Ausgrenzung. Viele von ihnen<br />
fühlten sich gesellschaftlich nicht akzeptiert. Auf eine Sonderschule gehen zu<br />
müssen empfanden sie als soziale Ausgrenzung von der Gesellschaft. Ich erschrak<br />
bezüglich ihrer Einstellung zum Leben, da viele zutiefst daran glaubten, „nichts wert<br />
zu sein“, weil sie eine Sonderschule besuchten. „Ich finde später sowieso keine<br />
Arbeit, warum soll ich dann für die Schule lernen?“, ist eine Aussage zu der ich oft<br />
nicht wusste, was ich sagen sollte, weil ich den Frust der Schülerinnen und Schüler<br />
auf das Schulsystem verstehen konnte.<br />
Im Studium hörte ich von <strong>Inklusion</strong> zum ersten Mal. Bis dahin hatte ich mich mit<br />
Integration von Menschen mit Behinderung beschäftigt. Als ich von dem<br />
grenzenlosen Denken durch <strong>Inklusion</strong> in einer Einführungsveranstaltung aufgeklärt<br />
wurde, war es um mich geschehen. <strong>Inklusion</strong> war der Anfang und das Ziel meiner<br />
beruflichen Karriere. Ich trat der „Fachschaft für <strong>Inklusion</strong>“ bei, um weitere<br />
Mitstreiter kennen zu lernen, wir tauschten uns aus und diskutierten über<br />
Veränderungen im Schulsystem. Außerdem planten wir regelmäßig Veranstaltungen,
um auch andere Menschen für <strong>Inklusion</strong> zu begeistern. Ich beschäftigte mich mit<br />
vielen Theoretikern der <strong>Inklusion</strong> wie Hans Wocken oder Georg Feuser. So fand ich<br />
heraus, wie weitreichend sich „inklusives Denken“ zurückverfolgen lässt. Besonders<br />
beeindruckt hat mich die Reformpädagogik, unter anderem Maria Montessori, die<br />
schon 1890 Ideen zur Vielfältigkeit von Schule entwickelte, die bis heute an<br />
Aktualität nicht verloren haben. Auch mein Austauschjahr in Schweden bekräftigte<br />
meine Euphorie für schulische <strong>Inklusion</strong>. Im letzten Jahr begann ich mit der<br />
Entwicklung eines Schulkonzeptes für eine inklusive Montessori Schule in<br />
Sendenhorst. Ich erklärte mich deshalb für diese Aufgabe bereit, weil ich es als eine<br />
erste Chance wahrnahm, meine Ideen von <strong>Inklusion</strong> in der Praxis umzusetzen.<br />
Diesen Sommer, besuchen die ersten Schülerinnen und Schüler eine Schule, die den<br />
Anspruch der <strong>Inklusion</strong> in ihrem Schulkonzept verankert hat. Dort heißt es:<br />
Die Gedanken der Vielfalt werden in der Montessori Sekundarschule<br />
Sendenhorst kontinuierlich und beharrlich organisatorisch, strukturell und vor<br />
allem weltanschaulich verankert. Eines der obersten Ziele dieser Schule ist es,<br />
allen Kindern ein erfolgreiches Lernen zu ermöglichen, um somit allen<br />
Kindern den Weg in eine gelingende Zukunft zu ebnen (Pädagogisches<br />
Konzept der Montessori Sekundarschule Sendenhorst 2012, S.23).<br />
Für die Zukunft wünsche ich mir die Gründung weiterer „Schulversuche“, die den<br />
Anspruch der <strong>Inklusion</strong> in ihr Konzept mit aufnehmen und in der Bildung und<br />
Erziehung von Kindern und Jugendlichen verwirklichen.<br />
Obwohl ich mich, in den letzten Studienjahren, sehr mit dem Thema <strong>Inklusion</strong><br />
beschäftigt habe, erhielt ich nicht auf alle Fragen eine Antwort. Es gibt Dinge, die<br />
nur durch Erfahrungen beantwortet werden können, zum Beispiel das Inkludieren<br />
von Schülerinnen und Schülern mit Schwerstmehrfachbehinderungen. Ich verstehe<br />
insofern Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie nicht weiter wissen, weil <strong>Inklusion</strong> sie<br />
überfordert. Ich weiß, dass der Beruf der Lehrerinnen und Lehrer stets eine große<br />
persönliche Herausforderung darstellt. Deswegen sind vielen Lehrpersonen<br />
Veränderungen nicht immer willkommen. Dennoch glaube ich nicht daran, dass das<br />
Schulsystem, so wie es jetzt ist, richtig ist.<br />
An der Rosenmaarschule in Köln sammelte ich erste praktische Erfahrungen, wie<br />
<strong>Inklusion</strong> pädagogisch und beziehungspsychologisch „funktionieren“ kann. Zum<br />
Ende meines Studiums der Sonderpädagogik erlaube ich mir Studierenden und<br />
Lehrerinnen und Lehrern an Regelschulen, sowie Sonderpädagoginnen und<br />
Sonderpädagogen Mut zu machen, Ja zur <strong>Inklusion</strong> zu sagen. In einem Gespräch
eröffnete mir Karl-J. Kluge: „Wir haben mehr Möglichkeiten, wenn wir die innere<br />
Einstellung zur Schule ändern“, Und daran glaube ich fest.<br />
Sonderschule kann nicht das Ziel sein!<br />
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass diese Arbeit nicht dem Anspruch<br />
gerecht werden kann, alle Förderschwerpunkte mit einzubeziehen. Mir ist bewusst,<br />
dass sich die einzelnen Förderschwerpunkte im Hinblick auf <strong>Inklusion</strong> stark<br />
unterscheiden, um dies mit Stephan Ellinger und Roland Stein auszudrücken:<br />
Die Situation von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf im Bereich<br />
Geistiger Entwicklung stellt sich […] völlig anders dar als diejenige von<br />
Schülerinnen und Schülern mit Körper- oder Sinnesbehinderungen oder auch<br />
mit Lernbeeinträchtigungen. Wiederum völlig anders dürfte die Lage für den<br />
Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sein (Ellinger; Stein<br />
2012, S.86).<br />
Und so versuche ich in dieser Arbeit mögliche Hinweise und Ideen zu sammeln, die<br />
mit den unterschiedlichen Förderschwerpunkten vereinbar werden könnten. Es<br />
müssen in Zukunft weitere Erfahrungen aus der Praxis und Ergebnisse der<br />
empirischen Forschung darüber mitentscheiden, wie sinnvoll die vorgestellten<br />
Maßnahmen sind. Außerdem ist das Mitdenken von allen Beteiligten eine<br />
Grundvoraussetzung, um die Ideen und den Traum vom Inkludieren<br />
menschengerecht umsetzen zu können.<br />
Ich erlaube mir all jenen Dozenten und Dozentinnen der <strong>Humanwissenschaftliche</strong>n<br />
<strong>Fakultät</strong> an der Universität zu Köln zu danken, die mir ihre Vorstellungen und<br />
Visionen der <strong>Inklusion</strong> vorlebten und mich befähigten, in <strong>Inklusion</strong>sklassen zu<br />
arbeiten.
Jedem meiner Dozentinnen und Dozenten gilt mein Dank!<br />
Außerdem danke ich den Kommilitonen, die mich auf meinem Weg begleitet haben<br />
und mich durch ihre Disskusionsfreude in meinem Standpunkt bestärken konnten.<br />
Mai 2013 Carolin Schwack
Einleitung<br />
Am 20.12.2012 entschied die NRW Landesregierung, dass <strong>Inklusion</strong> an<br />
Regelschulen erst ein Jahr später beginnt (Vgl. Kellers 2012, S.1). Bis 2014 muss<br />
von der Landesregierung geklärt sein, wie die gewünschte <strong>Inklusion</strong> finanziert und in<br />
der Schulwirklichkeit umgesetzt wird. Bisher fühlen sich viele Lehrerinnen und<br />
Lehrer an Regelschulen mit dem politischen Anspruch der schulischen <strong>Inklusion</strong><br />
überfordert. Diese müssen auf den Prozess der <strong>Inklusion</strong> vorbereitet werden. Die Not<br />
von Lehrerinnen und Lehrer wird in dieser Arbeit aufgegriffen, weil ohne<br />
„erziehungspsychologische Stabilität“, schulische <strong>Inklusion</strong> in Frage gestellt werden<br />
muss. Die Arbeit befasst sich deshalb mit Grundvoraussetzungen für das Gelingen<br />
von <strong>Inklusion</strong> in der Schule. Die grundlegende Fragestellung lautet: Wie können sich<br />
RegelschullehrerInnen und FörderschullehrerInnen wirksam und nachhaltig auf die<br />
geforderte <strong>Inklusion</strong> vorbereiten? Vielfältige Antworten auf vielfältige Themen, die<br />
damit in Verbindung stehen, werden beleuchtet und diskutiert. Die Arbeit gliedert<br />
sich in vier Teile: In den ersten beiden Teilen wird <strong>Inklusion</strong> von der Theorie her<br />
vorgestellt. Die letzten beiden Teile befassen sich mit Umsetzungsideen.<br />
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem theoretischen Hintergrund vom<br />
humanitären Wert der <strong>Inklusion</strong>. Dazu gehören der Versuch einer Definition von<br />
<strong>Inklusion</strong>, <strong>Inklusion</strong> und deren Abgrenzung zu anderen bereits vorgegebenen<br />
Begrifflichkeiten, der geschichtliche Hintergrund und wichtige Dokumente, die die<br />
Prozesse der <strong>Inklusion</strong> vorangetrieben haben. Ein internationaler Vergleich mit den<br />
Schulsystemen in Deutschland, Schweden und Kanada, verdeutlicht<br />
Denkunterschiede einzelner Länder im Hinblick auf <strong>Inklusion</strong>. Am Ende des ersten<br />
Kapitels wird der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ von Tony Booth und Mel Ainscow<br />
beleuchtet. Dieser darf als einer der ersten Leitfäden betrachtet werden, der es<br />
Lehrerkollegien ermöglicht, sich intensiv mit <strong>Inklusion</strong> und dem Standpunkt der<br />
eigenen Schule zu beschäftigen.<br />
Im zweiten Teil dieser Arbeit geht es um „Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong>“. Dazu<br />
zählen inhaltliche Faktoren, wie zum Beispiel ethnokulturelle Unterschiede oder<br />
unterschiedliche soziale Lebensformen. Aufgrund von solchen Unterschieden kommt<br />
es zur Ausgrenzung von Menschen in unserer Gesellschaft. Der Prozess der<br />
<strong>Inklusion</strong> beansprucht Menschen in ihrer Toleranz zu befördern, um Ausgrenzung zu<br />
verringern. Deswegen werden mögliche Organisationsformen analysiert, die nach
Meinung von Kersten Reich, das Planen von <strong>Inklusion</strong> erleichtern und Ausgrenzung<br />
verringern. Zu den erwünschten Organisationsformen zählen laut Reich:<br />
<strong>Inklusion</strong>splanung, Ressourcenmanagement, kommunikative Strukturen, Lehrerausund<br />
-fortbildungen, Lerninhalte, sowie inklusive Didaktik, Individualisieren und<br />
Evaluieren. Alle diese Organisationsformen müssen gefördert und von Lehrerinnen<br />
und Lehrern garantiert werden, um <strong>Inklusion</strong> sinnvoll umsetzen zu können.<br />
Im dritten Teil der Arbeit werden direkte Chancen der Umsetzung vorgestellt. Die<br />
konkreten Umsetzungen sind teilweise Folgerungen aus den beiden ersten Kapiteln<br />
und teilweise erste Antworten auf konkrete Fragestellungen, die in der Literatur<br />
immer wieder auftauchen. Zu Beginn dieses Kapitels, geht es um<br />
Unterrichtsplanung. Es werden Vorschläge und mögliche Hilfestellungen vorgestellt,<br />
die das Unterrichten für heterogene Lerngruppen ermöglichen. Anschließend wird<br />
Evertson´s Prinzip des „Classroom-Management“ beleuchtet, welches genutzt<br />
werden kann, um Störungen im Unterricht vorzubeugen. Darauf folgen<br />
Möglichkeiten zur Leistungsbewertung, deren Umsetzung es ermöglicht, einen<br />
„gerechten“ Weg der Beurteilung für heterogene Lerngruppen zu finden. Zum<br />
Abschluss des Kapitels, wird ein Leitfaden zur <strong>Inklusion</strong> von Ulf Preuss-Lausitz und<br />
Klaus Klemm vorgestellt, dessen Inhalte vorangegangene Vorschläge aufgreift, und<br />
sie in die Praxis einbettet.<br />
Im letzten Kapitel wird die Schule Berg Fidel und ihre Ansätze zum inklusiven<br />
Unterricht präsentiert. In dieser Schule wird schon seit Jahren inklusiv pädagogisch<br />
gearbeitet, sie gilt nach vielen <strong>Inklusion</strong>sforschern wie Hans Wocken oder Ines<br />
Boban als Beispiel für gelungene schulische <strong>Inklusion</strong> (Vgl. Stähling; Wenders 2012,<br />
S.215). Das Kollegium dieser Schule möchte <strong>Inklusion</strong> nicht mehr nur in der<br />
Primarschule umsetzen, sondern fordert die Erweiterung ihrer Schule auf die<br />
Sekundarbereiche eins und zwei, um <strong>Inklusion</strong> auch im Sekundarbereich zu<br />
etablieren.
<strong>Inklusion</strong> gilt als ein Prozess, der es ermöglicht, Ausgrenzung in den<br />
unterschiedlichsten Bereichen zu verringern und Teilhabe zu verwirklichen. Die<br />
Persönlichkeitsvielfalt von Schülerinnen und Schülern muss in einer guten Schule<br />
Anerkennung finden, weil jeder einzelne Schüler und jede einzelne Schülerin mit<br />
seinen und ihren einzelnen Begabungen, Beachtung finden muss. Dafür braucht<br />
<strong>Inklusion</strong> menschliche und professionelle Lehrerinnen und Lehrer mit<br />
leidenschaftlichem Engagement und Know-How, die individuelle Leistungen stärken<br />
und individuelle Grenzen respektieren. Ziel dieser Arbeit ist es, das Engagement und<br />
das Know-How von Lehrerinnen und Lehrern zu erweitern und zu unterstützen. In<br />
Abbildung eins ist eine Zusammenfassung der Themenschwerpunkte in dieser Arbeit<br />
dargestellt. Theorie und Praxis werden in dieser Arbeit aufgegriffen, um Vorschläge<br />
für eine mögliche Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> auswerten zu können.<br />
<strong>Inklusion</strong><br />
Theorie<br />
Praxis<br />
- Definition<br />
- Geschichte<br />
- Dokumentation<br />
- Gelingensfaktoren<br />
Umsetzung<br />
Abbildung 1: Darstellung der Themenschwerpunkte<br />
- Unterrichtsplanungen<br />
- Classroom- Management<br />
- Leistungsbewertung<br />
- Praxisbeispiel
1.“<strong>Inklusion</strong> gelingt wenn man sie will“ (Karl Josef Kluge) – Schritt<br />
1: <strong>Inklusion</strong> in der Theorie<br />
Seit die UN-Konvention 2009 für alle Vertragsstaaten in Kraft trat, sind die<br />
Bestrebungen in Richtung <strong>Inklusion</strong> in Deutschland aufgenommen und teilweise<br />
realisiert worden. Vorträge und Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer<br />
werden durch verschiedene Bildungsangebote mehr und mehr angeboten. Ein<br />
Beispiel sind die Vorträge und Angebote auf der diesjährigen „didacta 2013“ in<br />
Köln. Zahlreiche Referenten beschäftigten sich mit <strong>Inklusion</strong>, Möglichkeiten der<br />
individuellen Förderung und neuen Herausforderungen für Lehrerinnen und Lehrer.<br />
„Das Thema <strong>Inklusion</strong> ist das bildungspolitische Thema der Stunde und einer der<br />
Schwerpunkte der didacta 2013“(Kölner Stadtanzeiger 2013, S. 2). Doch bevor<br />
solche praktischen Angebote vorgestellt werden, ist es unverzichtbar, sich mit der<br />
Theorie von <strong>Inklusion</strong>, deren Hintergründe und Ideen zu beschäftigen.<br />
Im Jahr 2009 lag der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit<br />
„sonderpädagogischem Förderbedarf“, die inklusiv beschult wurden, bei 20,1% (Vgl.<br />
Klemm 2011, S.59). Im Gegensatz zu diesen waren es im Jahr 2000 nur 12,1%<br />
Schülerinnen und Schüler, die inklusiv beschult wurden. Trotz eines Anstiegs um 8%<br />
liegt Deutschland noch immer weit hinter anderen Ländern Europas, wie Schweden<br />
und Finnland, zurück. Das folgende Kapitel setzt sich mit den verschiedenen<br />
Beschlüssen und Gesetzesänderungen zum Prozess <strong>Inklusion</strong> auseinander, um den<br />
Lesenden in die Hintergründe und in die Theorie von <strong>Inklusion</strong> einzuführen. Nach<br />
einer Definition und der geschichtlichen Einbettung, werden wichtige Dokumente im<br />
Hinblick auf <strong>Inklusion</strong> erörtert. Dazu gehören: „Salamanca-Erklärung“, „UN-<br />
Konvention“, ein „Beschluss der Kultusministerkonferenz“ und die<br />
„Gesetzesänderung des Schulministeriums NRW“ von 2011. Einzelne Debatten und<br />
Beschlüsse zeigen auf, wie der Prozess der inklusiven Bildung bis heute verlief. Um<br />
den Wert der erbrachten <strong>Inklusion</strong> in Deutschland am internationalen Standard<br />
messen zu können, werden anschließend inklusive Bestrebungen aus dem<br />
internationalen Kontext präsentiert.<br />
1.1 „<strong>Inklusion</strong> als Mehrwert von Integration“ – <strong>Inklusion</strong> und andere wichtige<br />
Begrifflichkeiten und Standpunkte<br />
<strong>Inklusion</strong> kann als eine weitergedachte Integration definiert werden, weil sie als<br />
umfassender angesehen werden kann (Vgl. Reich 2012, S.39). Dieser
Definitionsversuch von Kersten Reich, wagt die Abgrenzung zwischen den<br />
Begrifflichkeiten <strong>Inklusion</strong> und Integration zu verdeutlichen. Integration ermöglicht<br />
Menschen mit Behinderung an der Institution Schule teilzunehmen, während<br />
<strong>Inklusion</strong> sich an den Bedürfnissen jeder Schülerin und jedes Schülers orientiert. Es<br />
kommt nicht mehr darauf an, ob ein Mensch „sonderpädagogischen Förderbedarf“<br />
beansprucht oder nicht, sondern auf die Individualität jedes Einzelnen mit seinen<br />
Stärken. Neben der Abgrenzung zur Integration, gibt es noch weitere pädagogische<br />
Phasen der Förderung. Hinz unterscheidet insgesamt fünf Phasen<br />
(sonderpädagogischer) Förderung: „Extinktion, Exklusion, Segregation, Integration<br />
und <strong>Inklusion</strong>“ (Vgl. Hinz 2007, S.23ff.). Diese Phasen sind für ihn keine<br />
aufeinanderfolgenden Phasen, sondern jede Phase steht für sich und kann getrennt<br />
von den anderen Phasen stattfinden.<br />
In der Phase der Extinktion wird Menschen mit Behinderung ihr Lebensrecht<br />
abgesprochen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Extinktion vernichtender<br />
Weise von Nationalsozialisten praktiziert. Millionen Juden und Menschen mit<br />
Behinderungen wurden um ihr Lebensrecht gebracht.<br />
In der Phase der Exklusion entwickeln sich zwei Gruppen: die eine findet Zugang zur<br />
Bildung und der anderen wird der Zugang zur Bildung verwehrt. In dieser Phase<br />
werden Menschen mit Behinderung als nicht bildungsfähig betrachtet bzw. von der<br />
Gesellschaft ausgeschlossen. Die Zustände für Menschen mit geistiger Behinderung<br />
Anfang des 19.Jahrhunderts, erweisen sich als ein Beispiel für „gesellschaftliche<br />
Exklusion“. Das gesellschaftliche Dasein von Menschen mit geistiger Behinderung<br />
in dieser Zeit beschreibt Barbara Fornefeld wie folgt: „Meist aber fristeten sie ein<br />
elendes gesellschaftliches Randdasein, angewiesen auf Almosen und abgeschoben in<br />
Klöstern, Armenhäusern […] oder verblieben in den Familien“( Fornefeld 2004,<br />
S.29).<br />
Auch in der Phase der Segregation bilden sich wiederum zwei Gruppen, dies wird in<br />
dieser Phase mit dem Begriff der „Zwei-Gruppen-Theorie“ beschrieben. Die „Zwei-<br />
Gruppen-Theorie“ teilt Menschen mit und Menschen ohne „sonderpädagogischen<br />
Förderbedarf“ in unterschiedliche Gruppen ein. Aus diesem Grund folgt die<br />
Beschulung der jeweiligen Gruppe in unterschiedlichen Institutionen. Diese Situation<br />
findet sich in Deutschland bis heute: dem Sonderschulsystem steht ein<br />
Regelschulsystem gegenüber. Schülerinnen und Schüler mit und ohne Förderbedarf<br />
werden größtenteils getrennt voneinander beschult, nur ca. 18% der Schülerinnen
und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in so genannten<br />
„integrativen“ Schulen unterrichtet (Vgl. Stähling; Wenders 2012, S.8).<br />
„Bei der Integration wird das segregative Gruppieren relativiert und punktuell<br />
durchbrochen […]“(Hinz 2007, S.26). Die Phase der Integration gilt als die erste<br />
Phase, bei denen es Schülerinnen und Schülern mit „sonderpädagogischem<br />
Förderbedarf“ möglich wird, eine Regelschule zu besuchen. Jedoch hat in dieser<br />
Phase nicht jede Schülerin/jeder Schüler Anspruch auf einen Platz in der<br />
Regelschule, sondern „nur“ solche, die trotz ihres „sonderpädagogischen<br />
Förderbedarfs“ anpassungsfähig erscheinen. Hat ein Kind zum Beispiel eine<br />
Schwerstmehrfachbehinderung diagnostiziert, bleibt es oft in der Sonderschule, weil<br />
sich die Regelschulen auf „ein solches Kind“ nur schwer einstellen können bzw.<br />
wollen.<br />
<strong>Inklusion</strong> ist ohne Exklusion nicht zu haben, das bedeutet: in dem Maße in<br />
dem inklusive Bildungsangebote geschaffen werden, müssen für die, die nicht<br />
einbezogen werden können, für die sog. „Systemsprenger“, partielle<br />
<strong>Inklusion</strong>smöglichkeiten entwickelt werden( Fornefeld 2011, S.171).<br />
Derzeit ist es nicht möglich, für jedes Kind eine gelungene inklusive Lernlandschaft<br />
zu kreieren, die an die Bedürfnisse des Kindes angepasst sind, weil die dafür<br />
benötigten finanziellen Mittel fehlen. Das hat zur Folge, dass Kinder die<br />
anpassungsfähig erscheinen, eine Regelschule besuchen dürfen, alle anderen aber im<br />
System der Sonderschule verharren müssen. Diese Folgerung wird den Ansprüchen<br />
der <strong>Inklusion</strong> nicht gerecht, sondern bezieht sich auf die Forderungen der Integration,<br />
die aus den 80er Jahren stammen.<br />
Integration in Deutschland begann in den 80er Jahren, mit der Einführung von<br />
Integrationsklassen (Vgl. Antor 2006, S.77f.). Mit dieser Einführung wurde dem<br />
Grundrecht von Menschen mit Behinderung nach gleichberechtigter Teilhabe<br />
nachgegangen. Kinder mit und ohne Behinderung lernten berechtigt gemeinsam in<br />
einer Klasse. Die schulische Integration findet auch heute noch in verschiedenen<br />
Organisationsformen statt. Häufig werden Schülerinnen und Schüler mit<br />
„sonderpädagogischem Förderbedarf“ in sogenannten „integrativen Klassen“ oder<br />
auch „Integrationsklassen“ beschult, weil die bisherigen Möglichkeiten der<br />
individuellen Förderung an Regelschulen, aufgrund fehlender Sonderpädagogen, nur<br />
begrenzt möglich sind.
Die eine Seite fordert eine Doppelbesetzung in inklusiven Klassen, um allen Kindern<br />
gerecht werden zu könne. Die andere Seite argumentiert dagegen, dass eine<br />
Doppelbesetzung die Gefahr birgt, die Schülerinnen und Schüler in Förderkinder<br />
und Regelkinder zu teilen, statt gemeinsamen Unterricht zu ermöglichen (Vgl.<br />
Greiner 2013, S.2).<br />
Schülerinnen und Schüler mit „sonderpädagogischem<br />
Förderbedarf“ werden aus dem Klassenkontext heraus genommen, um dem Schüler<br />
oder der Schülerin ein spezifisches sonderpädagogisches Setting zur Verfügung zu<br />
stellen. Diese Form von Integration beinhaltet nach Wocken ein „didaktisches<br />
Grundproblem“ (Wocken 2011, S.9), weil in jedem Klassenkontext unterschiedliche<br />
Kinder mit unterschiedlichem Material versorgt werden müssten. Kinder mit<br />
„sonderpädagogischem Förderbedarf“, die getrennt von ihrer Stammklasse<br />
unterrichtet werden und andere Materialien bearbeiten, als die „nichtbehinderten“<br />
Schülerinnen und Schüler, können in Schwierigkeiten geraten, den Anschluss an die<br />
Klassengemeinschaft zu finden. Durch Einzelintegration in einem separaten<br />
Lernraum, bekommen diese Schüler den Eindruck ein Alleinstellungsmerkmal zu<br />
haben, was dazu führen kann, dass die „zwei-Gruppen-Theorie“ auch in einem<br />
integrativen Kontext bestehen bleibt. Eine Studie aus Norwegen hat sich dieser<br />
Thematik angenähert und zwei Schülergruppen miteinander verglichen. In der einen<br />
Gruppe wurden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf<br />
innerhalb der Klasse gefördert und in der zweiten Gruppe fand für diese<br />
Schülerinnen und Schüler eine Förderung außerhalb der Klasse statt (Vgl. Myklebust<br />
2002, S.251). Das Ergebnis der Studie lautet:<br />
Specially adapted teaching in ordinary classes during the first school year<br />
results in the best progress, but also the highest dropout. Specially adapted<br />
programmes outside ordinary classes result in the poorest progress […] but<br />
here the dropout is distinctly lower (ebd. S.261).<br />
Auf der einen Seite belegt dieses Ergebnis, dass Schülerinnen und Schüler in<br />
inklusiven Settings zu sehr guten Ergebnissen kommen, auf der anderen Seite steht<br />
diesem positiven Ergebnis eine hohe „Dropout-Rate“ gegenüber. Dies ist bei der<br />
Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> zu beachten.<br />
Um <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen, muss es als eine weitergedachte Integration betrachtet<br />
werden. <strong>Inklusion</strong> kann als ein „gesellschaftliches Denkmodell“ gelten, indem alle<br />
Kinder angenommen werden wie sie sind, ohne sich an ein Schulsystem anpassen zu<br />
müssen. Nach Andreas Hinz beabsichtigt <strong>Inklusion</strong> ein selbstverständliches
willkommen heißen aller Kinder und Jugendlichen im allgemeinen Schulsystem<br />
(Vgl. Hinz 2007, S.29).<br />
Mit der Idee <strong>Inklusion</strong> fallen die gedachten Grenzen zwischen normal und behindert<br />
weg. Es gibt kein normal und behindert mehr, sondern eine Gemeinschaft, dessen<br />
Mitglieder individuell gefördert werden. Nicht nur das Kind mit Behinderung wird<br />
individuell betrachtet und nach seinen Bedürfnissen gefördert, sondern alle Kinder<br />
sollen das Privileg individueller Förderung erhalten. Das Aktionsbündnis<br />
Kinderrechte fordert aktuell in diesem Jahr einen neuen Artikel im Grundgesetz zu<br />
verankern, der die Rechte der Kinder nach inklusiver Bildung verstärkt. Dabei steht<br />
im Vordergrund, Kindern das Recht auf Förderung zur Entfaltung ihrer<br />
Persönlichkeit zu gewährleisten und die Meinung der Kinder angemessen zu<br />
berücksichtigen (Vgl. UNICEF 2013, S.1). Kinder mehr Selbstbestimmung und<br />
Förderung zukommen zu lassen, ist ganz im Sinne von <strong>Inklusion</strong>. Zwar ist diese<br />
Änderung im Grundgesetz zurzeit nur ein formulierter Vorschlag des Aktionsbündnis<br />
für Kinderrechte, der aber dennoch als eine ernstgemeinte Veränderung des<br />
gesellschaftlichen Denkens verstanden werden kann. Es tut sich was!<br />
Das zeigt auch der „kommunale Index für <strong>Inklusion</strong>“, der seinen Schwerpunkt auf<br />
den gesellschaftlichen Anspruch von <strong>Inklusion</strong> legt. Nach dem „kommunalen Index<br />
für <strong>Inklusion</strong>“, wird <strong>Inklusion</strong> von einem gesellschaftlichen Anspruch getragen, der<br />
besagt, dass allen Menschen eine chancengerechte Entwicklung ermöglicht und<br />
gewährleistet werden muss. „Lokal denken, global wirken“ lautet das Motto des<br />
kommunalen Index, dessen Ziel es ist, die Politik von <strong>Inklusion</strong> mit den<br />
umfangreichen gesellschaftlichen Aspekten zu verknüpfen (Vgl. Reich 2012,<br />
S.216f.). Um Chancengleichheit zu gewährleisten, müssen Menschen in unserer<br />
Gesellschaft umdenken, in Richtung <strong>Inklusion</strong>. In den <strong>Inklusion</strong>sdebatten geht es<br />
nicht mehr um die Sortierung nach Leistung, <strong>Inklusion</strong> ist eine gewollte<br />
Heterogenität (Wocken 2011, S.10ff.). Menschen mit verschiedenen Stärken und<br />
Schwächen lernen und leben gemeinsam. Es geht dabei um die Anerkennung jedes<br />
Einzelnen, um seine Stärken und Schwächen.<br />
Das Ziel schulischer <strong>Inklusion</strong> ist ein schulisches System, welches so flexibel<br />
ausgelegt werden kann, dass es die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen mit<br />
einbeziehen und auf sie reagieren kann. Kinder mit „sonderpädagogischem<br />
Förderbedarf“ verlieren ihren „besonderen“ Status, weil es nicht mehr darum geht,
auf die Behinderung oder den Förderbedarf zu reagieren, sondern auf die Stärken und<br />
Schwächen die ein Kind mitbringt (Vgl. ebd. S.72). Die ersten Evaluationsergebnisse<br />
des „Rügener <strong>Inklusion</strong>smodells“ machen Mut, an einer Realisierung von <strong>Inklusion</strong><br />
im Schulsystem festzuhalten. Dabei wurden die Effekte von Unterricht und<br />
Förderung in der Schuleingangsphase an einer Regelschule und einer inklusiven<br />
Schule untersucht und miteinander verglichen (Vgl. Voß 2012, S.7). Die<br />
Grundschule auf Rügen kann als inklusive Schule bezeichnet werden, da an dieser<br />
Schule nach dem „Rügener <strong>Inklusion</strong>smodell“ auf Diagnoseförder- und<br />
Sprachheilklassen verzichtet wurde (Vgl. ebd. S.7). Die Grundschule in Stralsund ist<br />
eine Regelschule, die sich als Vergleichsschule bereit erklärt hat, an der Studie<br />
teilzunehmen. Die ersten Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass durch das „Rügener<br />
<strong>Inklusion</strong>smodell“ ein weitgehend inklusives Schulsystem zu realisieren ist (Vgl.<br />
ebd. S.99). Weitere Ergebnisse bleiben noch abzuwarten. Leider ist es in dieser<br />
Arbeit nicht möglich, auf das „Rügener <strong>Inklusion</strong>smodell“ weiter einzugehen, die<br />
Ergebnisse zu der Studie und eine umfangreiche Erläuterung finden sich im Internet.<br />
Weitere empirische Ergebnisse befassen sich mit der Realisierbarkeit und Effektivität<br />
von <strong>Inklusion</strong> an der Regelschule. Geoff Lindsay setzt sich in seiner Studie mit der<br />
Effektivität von <strong>Inklusion</strong> auseinander. Seine Antwort lautet:<br />
„Overall,the weight of evidence reviewed in this paper cannot be said to provide a<br />
clear endorsement for the positive effects of inclusion […] these studies were only<br />
marginally positive overall” (Lindsay 2007, S.16).
Es gibt noch zu wenig empirische Befunde, die sich mit schulischer <strong>Inklusion</strong><br />
beschäftigen. Das Forschungsfeld um <strong>Inklusion</strong> muss in Zukunft weiter untersucht<br />
werden, um eine präzisere Antwort auf die Frage nach der Effektivität von <strong>Inklusion</strong><br />
zu finden. Außerdem weist Lindsay darauf hin, dass die Forschung nur einen Faktor<br />
in der politischen Auseinandersetzung um <strong>Inklusion</strong> bildet: „It is important to<br />
recognize that research evidence is only one factor in policy formulation“ (Lindsay<br />
2007, S.2). Als weitere wichtige Faktoren für <strong>Inklusion</strong> benennt er Werte, Ideologie<br />
und den Zweck von <strong>Inklusion</strong> (Vgl. ebd. 2007, S.2). Die folgende Sichtweise von<br />
Georg Feuser kann als eine ideologische Sichtweise betrachtet werden, weil sie zum<br />
Umdenken auffordert.<br />
Der Gewinn einer schulischen <strong>Inklusion</strong> liege nach Feuser darin, die Behinderung als<br />
Teil eines Menschen anzusehen und nicht als ein Defizit, welches behoben werden<br />
muss. Ein bekanntes Zitat von Georg Feuser lautet: „Geistige Behinderung gibt es<br />
nicht“ (Feuser 1996, S. 1). Er<br />
Wahrnehmung jedes Menschen.<br />
begründet seine Aussage mit der persönlichen<br />
Es gibt Menschen die WIR aufgrund UNSERER Wahrnehmung ihrer<br />
menschlichen Tätigkeit im Spiegel der Normen, in dem WIR sie sehen, einem<br />
Personenkreis zuordnen, den WIR als „geistigbehindert“ bezeichnen (ebd. S.<br />
11).<br />
Dieses Zitat auf den Unterricht angewandt, setzt eine neue Ideologie von<br />
Behinderung und Begabung voraus. Weil jeder Mensch seine eigenen Vorstellungen<br />
und Wahrnehmungen hat und niemand behaupten kann, dass seine Wahrnehmung<br />
die Richtige ist, ist es für das Verständnis von Begabung und Behinderung schwierig<br />
sich zu verändern. Fragt man Menschen mit einer Behinderung, ob sie sich als<br />
behindert wahrnehmen, würde dies von vielen vermutlich verneint werden, denn die<br />
Behinderung ist für betroffene Menschen meistens etwas ganz Normales, was zu<br />
ihrem Leben dazu gehört. Dieser Ansatz kann auf viele Bereiche übertragen werden,<br />
in denen Diskriminierung stattfindet. Kersten Reich hat eine Liste zusammengestellt,<br />
in denen er die Diskriminierung in ihren unterschiedlichen Bereichen aufzählt, dazu<br />
zählen:<br />
Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Ethnizität, Kultur, Sprache, Dialekt,<br />
sozioökonomischer Status, Herkunft, Alter, Nationalität, Herkunftsland,<br />
Religion, Glaube, Sexualität, sexuelle Orientierung, Gender, Familienstatus,<br />
Verheiratetenstatus und Behinderung (Reich 2012, S.40).
Auch wenn diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, können all diese<br />
Benachteiligungen auch aus der Sicht von Feuser betrachtet werden.<br />
Unvoreingenommenheit kann Diskriminierung stoppen und ist ein Ziel von<br />
<strong>Inklusion</strong>.<br />
Diesem Ansatz steht eine Aussage von Kenneth Kavale und Mark Mostert<br />
gegenüber:<br />
In our view the question really is whether the idea of disability in assisting<br />
people with disability is more useful than its observe: assuming that it does<br />
not exist in any real sense. We think disability is a useful idea, because failure<br />
to do implies that other social constructions are also fabrications that can be<br />
ignored if convenient (Kavale; Mostert 2003, S.193).<br />
Kavale und Mostert stellen sich die Frage, was in dieser Gesellschaft nicht<br />
konstruiert ist. Damit kann Feusers Aussage in Frage gestellt werden. Außerdem<br />
muss auf die Konsequenzen aufmerksam gemacht werden, die durch eine fehlende<br />
Zuschreibung des Förderbedarfs entstehen. Ohne eine Zuschreibung von<br />
Behinderung, gibt es derzeit keine staatliche Hilfeleistung. Hans Wocken beschreibt<br />
dies an einem Beispiel: „Voraussetzung für zusätzliche Lehrerstunden ist das<br />
Erkennen und Feststellen von Förderbedarfen […]“ (Wocken 2011, S.11).<br />
Wie diese Vorstellungen der Zuschreibungen durchbrochen werden können, kann<br />
nicht beantwortet werden. Kersten Reich geht davon aus, dass „je mehr sich eine<br />
Gesellschaft in Richtung Diversität und Vielfalt entwickelt, desto stärker rücken<br />
Vorstellungen der <strong>Inklusion</strong> all dieser unterschiedlichen Menschen in den<br />
Vordergrund“ (Reich 2012, S. 32). <strong>Inklusion</strong> kann nur gelingen, wenn sich die<br />
Gesellschaft verändert, die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> in der Schule ist nur ein Teil<br />
des Ganzen.<br />
1.2 Geschichtlicher Hintergrund – wie alles begann…<br />
Es kann für ein Denkkonstrukt wie <strong>Inklusion</strong> keinen festgelegten historischen<br />
Moment geben, weil mit <strong>Inklusion</strong> auch ein sich entwickelnder Prozess gemeint ist.<br />
Dennoch gibt es bedeutende Dokumente, die die Sicht auf Teilhabe in der<br />
Gesellschaft verändert haben. Die Salamanca Erklärung und auch die UN-<br />
Konvention gelten für die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> als bedeutsame Dokumente.<br />
Gerade die Unterzeichnung der UN-Konvention führt in nächster Zeit dazu, dass<br />
<strong>Inklusion</strong> gesetzlich festgelegt und für alle Schulen gelten soll. Sowohl auf die<br />
Salamanca Erklärung, als auch auf die UN-Konvention wird noch einzeln<br />
eingegangen. Der geschichtliche Hintergrund beginnt mit der Geschichte der
Sonderpädagogik und ihren einzelnen Förderschwerpunkten. Jeder der<br />
Förderschwerpunkte hat eine eigene Geschichte. Die geschichtliche Aufarbeitung<br />
jedes Förderschwerpunktes ist in dieser Arbeit nicht möglich, weil die Geschichte<br />
der Sonderpädagogik ein eigenes Schwerpunktthema darstellt. Um dennoch einen<br />
Einblick in die Geschichte der Sonderpädagogik geben zu können, soll beispielhaft<br />
die Geschichte des Förderschwerpunktes „emotionale und soziale Entwicklung“<br />
vorgestellt werden.<br />
Im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung entstanden die ersten<br />
Sonderklassen 1945/46 aus den Klassen für kriegsgeschädigte Kinder (Vgl.<br />
Hillenbrand 1999, S.47). Diese nahmen schon bald auch Kinder auf, die in ihrem<br />
Verhalten auf der Volksschule eine Belastung für die Lehrerinnen und Lehrer<br />
darstellten. Aus den Sonderklassen entstand in Bremen die erste Sonderschule für<br />
Kinder mit Verhaltensstörungen. Der Ausbau von Schulen für Kinder mit<br />
Verhaltensstörungen traf schon bald auf Kritik, weil die unklaren Diagnosen und die<br />
negative Stigmatisierung der Kinder nicht gut geheißen werden konnte. Dennoch<br />
wurde 1972 von der Kultusministerkonferenz ein Ausbau der Schulen für<br />
Verhaltensgestörte beschlossen (Vgl. ebd. S.47). Fast zur gleichen Zeit entwickelte<br />
sich ein Jahr später die Integrationsbewegung, dessen Idealvorstellungen, die<br />
Einrichtung eines kooperativen Schulzentrums war.<br />
Seit 1980 wurden in einzelnen Bundesländern auch ambulante Formen der<br />
Erziehungshilfe ausprobiert. Durchgesetzt hat sich bis heute jedoch keine Form<br />
ambulanter Betreuung, für Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und<br />
soziale Entwicklung. Heinrich Ricking beschäftigt sich mit der <strong>Inklusion</strong> des<br />
Förderschwerpunktes emotionale und soziale Entwicklung durch soziale Dienste.<br />
Diese sollen das Bereitstellen von Personen ermöglichen, um die Förderung eines<br />
Kindes an der Regelschule gewährleisten zu können (Vgl. Ricking o.J. S.10). Diese<br />
Arbeit benötigt ein gutes Netzwerk zwischen den einzelnen Schulen und anderen<br />
mitverantwortlichen Institutionen. Neben der Förderung von Kindern sollte das Ziel<br />
von mobilen Diensten sein, die Grundkompetenzen der einzelnen Lehrkräfte zu<br />
stärken (Vgl. ebd. S.11). Das bedeutet, Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit der<br />
Arbeit des mobilen Dienstes auseinandersetzen und lernbereit sein, für neues Wissen.<br />
Da sich solche Ideen wie die der mobilen Dienste bis heute nicht durchgesetzt haben,<br />
ist der Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung bis heute in der<br />
<strong>Inklusion</strong> schwer umstritten: „[…] erziehungsbedürftige Schüler stellen stets eine
esondere Herausforderung für die Lehrkraft und die Schule dar und formulieren<br />
spezifische Ansprüche an die Pädagogik und Didaktik der Förderung“ (ebd. S.3).<br />
Christoph Michael Müller hat sich mit der <strong>Inklusion</strong> dieses Förderschwerpunkts<br />
auseinandergesetzt und dazu empirische Literatur ausgewertet. Er kommt zu dem<br />
Ergebnis, dass die Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit dem<br />
Förderschwerpunt emotionale soziale Entwicklung auf einer Sonderschule<br />
Risikofaktoren beinhaltet. […] attending special needs classes, in terms of negative<br />
peer influence can risk a worsening of individual problem behavior“(Müller 2010,<br />
S.437). Das Verhalten der Mitschüler ist für Schülerinnen und Schüler von großer<br />
Bedeutung, treffen Schülerinnen und Schüler mit aggressiven Verhaltensweisen<br />
aufeinander, besteht das Risiko, dass sich ihr Verhalten potenziert (Vgl. ebd. S.439).<br />
Es fehlen jedoch weitere Forschungsergebnisse, um dieses Ergebnis zu bekräftigen.<br />
In Zukunft muss entschieden werden, welche Förderungen angemessen und<br />
bezahlbar sind und wie <strong>Inklusion</strong> für Schülerinnen und Schüler mit dem<br />
Förderschwerpunkt emotionale, soziale Entwicklung ermöglicht werden kann, bzw.<br />
wie mit sogenannten „Grenzfällen“ umgegangen wird, bei denen <strong>Inklusion</strong> nicht<br />
möglich erscheint.<br />
Im geschichtlichen Verlauf überschneiden sich die Geschichten der einzelnen<br />
Förderschwerpunkte an dem Punkt der Integration/<strong>Inklusion</strong>. 1973 fordert der<br />
Bildungsrat mehr Integration im Bildungssystem, worauf 1994 die Salamanca<br />
Erklärung und 2009 die UN-Konvention folgen (Vgl. Hillenbrand 2010, S.3). Auch<br />
Dokumente der Kultusministerkonferenz (KMK) belegen Bestrebungen Richtung<br />
<strong>Inklusion</strong>. Eines der aktuell diskutierten Dokumente, ist die Veränderung des<br />
Schulgesetztes in NRW. Diese Dokumente sollen im nachfolgenden Kapitel einzeln<br />
beschrieben werden.<br />
1.3 Bedeutsame Dokumente: „schriftliches“ Festhalten an <strong>Inklusion</strong><br />
1.3.1 Salamanca Erklärung<br />
Über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer tagten vom 7. - 10. Juni 1994 in<br />
Salamanca, Spanien unter der Themenstellung: „Pädagogik für besondere<br />
Bedürfnisse: Zugang und Qualität.“ 92 Regierungen und 25 internationale<br />
Organisationen nahmen an diesem Treffen teil, mit dem Ziel „Bildung für alle“ zu<br />
ermöglichen. Die Zielsetzung der Salamanca Erklärung besteht darin, jedes
Schulsystem an die Bedürfnisse jedes Kindes anzupassen und allen Kindern,<br />
unabhängig von ihren Fähigkeiten, den Zugang zur Regelschule zu ermöglichen.<br />
„Schulen müssen Wege finden, alle Kinder erfolgreich zu unterrichten, auch jene, die<br />
massive Benachteiligungen und Behinderungen haben“ (Salamanca Erklärung 1994,<br />
S.4). Zugleich wurde zum Ziel erklärt „Bildung für alle“ voran zu treiben und die<br />
Richtlinien zu beachten, die einen Vorschlag für mögliche Veränderungen in<br />
Bildungssystemen darstellen sollen. Die Richtlinien der Salamanca Erklärung gehen<br />
auf die Bereiche: Lehrplanflexibilität, Schulmanagement, Information und<br />
Forschung, Ausbildung von pädagogischem Personal, externe unterstützende<br />
Systeme und erforderliche Mittel ein (UNESCO 1994). Diese sechs<br />
Themenschwerpunkte geben einen Überblick über das, was pädagogisch angegangen<br />
werden muss, wenn gerechte Bildung verwirklicht werden soll.<br />
Erst 14 Jahre nach der Salamanca Erklärung tritt die UN-Konvention in Kraft. Die<br />
Grundsätze der Salamanca Erklärung, finden sich auch in ihr wieder.<br />
1.3.2 UN- Konvention<br />
Am 26. März 2009 trat die Konvention der Vereinten Nationen über die „Rechte<br />
behinderter Menschen“ in Kraft (Wocken 2011, S.91). Die UN-Konvention will<br />
sicher stellen, dass Menschen mit und ohne Behinderung einen gleichberechtigten<br />
Zugang zu Bildung erhalten (Reich 2012, S.37). Das heißt auf die Schulbildung<br />
bezogen, dass die Schulen dazu befähigt werden, Teilhabe von Menschen mit<br />
sonderpädagogischem Förderbedarf am allgemeinen Schulsystem zu ermöglichen. In<br />
der Formulierung der UN-Konvention heißt es:<br />
Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der<br />
Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein<br />
integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen […]<br />
(Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008, S.1436).<br />
Es fällt auf, dass in der UN-Konvention statt eines inklusiven Bildungssystems, ein<br />
integratives Bildungssystem gefordert wird. In der Literatur gibt es unterschiedliche<br />
Ansichten über die Wahl der Begrifflichkeit in diesem Gesetz, dessen Ausführung<br />
den Rahmen dieser Arbeit sprengt. Es ist jedoch festzuhalten, dass die Auswahl des<br />
Begriffes „integrativ“ nicht unbegründet erfolgte, da in der englischen Fassung ein<br />
„inclusive education system“ gefordert wird. Dennoch können die Forderungen der<br />
UN-Konvention auf den Begriff der <strong>Inklusion</strong> bezogen werden.
Die UN-Konvention fordert die Anpassung des Bildungssystems an die Bedürfnisse<br />
und Eigenschaften von Schülerinnen und Schülern. War es vorher die Eingliederung<br />
von Menschen mit Behinderung in ein Bildungssystem bzw. die Überweisung auf<br />
Sonderschulen, so ist es jetzt das Bildungssystem welches sich an die Eigenschaften<br />
der Menschen anpassen muss. Wie sich dieses Vorhaben ermöglichen lässt, ist in der<br />
UN- Konvention nicht aufgeführt. Sie beschreibt ein Zielvorhaben, welches in ihren<br />
Aussagen verschieden aufgefasst werden kann. Bis heute wird in vielen Institutionen<br />
und unter Pädagogen und Wissenschaftlern diskutiert, wie sich <strong>Inklusion</strong> in der<br />
Gesellschaft und vor allem in der Schule umsetzen lässt. Das Thema <strong>Inklusion</strong><br />
erweist sich auf diesem Hintergrund als ein „brennendes“ Thema, was sich in der<br />
Literatur, durch unzählige Werke über <strong>Inklusion</strong> bemerkbar macht. Einzelne<br />
Schulen, wie zum Beispiel die Münsteraner Schule „Berg Fidel“, machen sich auf<br />
den Weg, <strong>Inklusion</strong> in die Praxis umzusetzen. Die Unterzeichnung der UN-<br />
Konvention kann als ein großer Schritt in Richtung <strong>Inklusion</strong> bezeichnet werden. Sie<br />
erhöht den Druck auf die Bildungspolitik, ein System zu verwirklichen, welches<br />
Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, gerecht wird.<br />
Dennoch sprechen sich viele Sonderpädagogen und Regelschullehrer gegen<br />
<strong>Inklusion</strong> an Schulen aus, weil sie Überforderung und mehr Arbeit befürchten. Auch<br />
der Verband der Sonderpädagogen hält an der Sonderbeschulung fest (Vgl. Wocken<br />
2011, S.244). Dabei spricht sich der Verband der Sonderpädagogen für ein „sowohl<br />
als auch“ aus (Vgl. Wocken 2010, S.1). Hans Wocken sieht in dieser „gespaltenen<br />
Antwort“ zwei Folgeprobleme (Vgl. ebd. S.3). Erstens würden Sonderschulen<br />
schlimmer als bisher den Status der „Restschulen“ einnehmen, wenn davon<br />
auszugehen ist, dass die Hälfte der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in<br />
die Regelschule integriert werden würde. Zweitens würde ein Aufrechterhalten der<br />
Sonderbeschulung zu einer gravierenden Belastung für den öffentlichen Haushalt<br />
werden. Neben diesen zwei Folgeproblemen käme noch ein Streit um die<br />
Ressourcenverteilung hinzu, weil sowohl Regelschulen als auch Sonderschulen,<br />
Ressourcen für die Umsetzung von Förderungen benötigen. Hans Wocken<br />
bezeichnet aus diesen Gründen den Verband der Sonderpädagogen nicht als Gegner<br />
von <strong>Inklusion</strong>, sondern als Widersacher:<br />
„Als Widersacher der <strong>Inklusion</strong> sind all diejenigen anzusehen, die zwar für <strong>Inklusion</strong><br />
ein höfliches Lippenbekenntnis erübrigen können, aber an der weiteren Existenz von<br />
Sonderschulen unverbrüchlich festhalten“ (ebd. S.1).
Die wörtliche Stellungnahme des Verbandes für Sonderpädagogen zu <strong>Inklusion</strong><br />
lautet wie folgt:<br />
<strong>Inklusion</strong> ist ein langfristiger Prozess mit dem Ziel des Verzichts auf<br />
Isolierung einzelner Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Hierfür müssen in<br />
Kindertageseinrichtungen, in allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, in<br />
Hochschulen sowie in allen Einrichtungen der Erwachsenenbildung die<br />
Organisationsformen entsprechend weiter entwickelt, Strukturen angepasst<br />
und Konzepte modifiziert werden, ohne die beteiligten Menschen zu überoder<br />
zu unterfordern (Verband der Sonderpädagogen e.V. 2009, S.2).<br />
Der Verband der Sonderpädagogen lässt in dem Dokument ebenfalls offen, wie die<br />
Strukturen modifiziert werden müssen, um <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen. Die<br />
Unterzeichnung der UN-Konvention hat den Prozess der <strong>Inklusion</strong> beschleunigt.<br />
Wäre die UN-Konvention nicht unterzeichnet worden, muss davon ausgegangen<br />
werden, dass der Begriff <strong>Inklusion</strong> heute eher als ein „toter“ Begriff in der<br />
Bildungslandschaft schweben würde.<br />
Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) reagiert auf die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong><br />
an Schulen.<br />
1.3.3 KMK<br />
Der Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 20.10.2011: „Inklusive Bildung von<br />
Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen“, setzt sich mit<br />
Zielsetzungen, Voraussetzungen und Bestrebungen inklusiver Bildung auseinander.<br />
Die Empfehlungen der KMK definieren <strong>Inklusion</strong> wie folgt: „<strong>Inklusion</strong> in diesem<br />
Sinne bedeutet für den Bereich der Schule einen gleichberechtigten Zugang zu<br />
Bildung für alle und das Erkennen und Überwinden von Barrieren“<br />
(Kultusministerkonferenz 2011, S.3). Die Schulen müssen sich auf den Weg machen,<br />
um allen SchülerInnen einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung zu verschaffen.<br />
Die Kultusministerkonferenz sieht es als eine wichtige Aufgabe der Schulen an,<br />
Bildung für alle zu gewährleisten. Sie geht davon aus, dass Teilhabe, inklusive<br />
Bildungs-, Beratungs-, und Unterstützungsangebote, professionelles Personal und<br />
Kooperationen mit Partnern, die Grundvoraussetzungen für <strong>Inklusion</strong> darstellen.<br />
All diese Angebote der oberen Behörden sollen am Kindeswohl orientiert stattfinden,<br />
weswegen Vertrauen in die Kinder und ihre Fähigkeiten und die Beobachtung der<br />
individuellen Entwicklungsprozesse von Kindern eine Voraussetzung bilden (Vgl.<br />
ebd. S.5ff.). Der Begriff der Behinderung wird auch in der Kultusministerkonferenz
als ein offener, an Teilhabe orientierter Begriff verstanden. Jedes Kind wird die<br />
Möglichkeiten finden, die ihm durch seine individuellen Entwicklungen und<br />
Bedürfnisse zustehen.<br />
Die Voraussetzung für ein Gelingen von <strong>Inklusion</strong>, sind inklusive Bildungsangebote<br />
an Schulen. Ziel der inklusiven Bemühungen im Bereich der inklusiven Bildung soll<br />
sein: „die optimale Form der selbstbestimmten Lebensführung zu ermöglichen und<br />
die persönliche Entscheidungskompetenz zu stärken“ (ebd. S.8). Das Vertrauen in<br />
die Persönlichkeit der Kinder, gilt dafür als Grundvoraussetzung. Werden die<br />
individuellen Kompetenzen der Kinder beachtet und in den Unterricht mit<br />
einbezogen, ist inklusiver Unterricht möglich.<br />
Der Unterstützungsbedarf der Schülerinnen und Schüler ist individuell<br />
unterschiedlich und muss deswegen durch verschiedene Lehr-Lern-Angebote<br />
ermöglicht werden (Vgl. ebd. S.14). Neben der Vernetzung von Lehr-Lern-<br />
Angeboten gehört die Prävention zur Aufgabe schulischer Bildung. Frühzeitiges<br />
Handeln, kann sich positiv auf Entwicklungsprozesse der Schülerinnen und Schüler<br />
auswirken und die Kinder für ihr zukünftiges Leben stärken.<br />
Die Gestaltung einer inklusiven Bildungslandschaft ist nur durch ein professionelles<br />
Personal möglich. Der Einsatz von Lehrerinnen und Lehrer sowie<br />
SozialpädagogInnen und weiteren Menschen mit unterschiedlichen Professionen ist<br />
für eine inklusive Schule von größter Bedeutung, weil unterschiedliche Bedürfnisse<br />
vielseitig ausgebildete Lehrkräfte und ihre Professionen erfordern. Dabei liegt die<br />
Verantwortung für das Gelingen einer inklusiven Schule nicht bei Einzelpersonen,<br />
sondern in der Haltung eines Kollegiums. Die KMK benennt die Bedingung der<br />
Bereitschaft „[…] sich selbst gleichzeitig gestaltend und lernend in diesen Prozess<br />
einzubringen“ (ebd. S.19). Das Personal einer Schule muss durch gemeinsame<br />
Verantwortung, didaktische Kenntnisse, Zusammenarbeit und gegenseitiger<br />
Hilfestellung an einem Strang ziehen. Dies erhofft sich die Kultusministerkonferenz,<br />
durch das Zusammenwirken von allgemeinpädagogischem und<br />
sonderpädagogischem Wissen. Die Rolle der Lehrperson verändert sich vom<br />
Einzelkämpfer zum flexiblen Teamworker. Soll inklusive Bildung möglich sein,<br />
müssen sich Lehrkräfte mit dem Thema <strong>Inklusion</strong> auseinandersetzen und sich zu<br />
diesem Thema positionieren.<br />
Die KMK hält in ihrer Empfehlung von 2011 bereits konkrete Vorschläge und<br />
Haltungsänderungen für Lehrerinnen und Lehrer bereit. Dennoch ist auch dieses
Dokument lediglich eine Empfehlung, dessen Umsetzung für Lehrerinnen und<br />
Lehrer nicht als verpflichtend angesehen werden muss. Konkrete Veränderung<br />
können erst mit einem neuen Schulgesetz angestrebt werden.<br />
1.3.4 NRW-Änderung des Schulgesetzes<br />
Die Änderung des NRW-Schulgesetztes, kann als logische Schlussfolgerung der<br />
Unterzeichnung der UN-Konvention verstanden werden, bei der sich Deutschland zu<br />
einer Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> verpflichtet hat. Ab August 2013 sollten die<br />
Veränderungen im Schulgesetz in Kraft treten, dies ist jedoch, wie bereits in der<br />
Einleitung beschrieben, erst kürzlich um ein Jahr nach hinten verschoben worden.<br />
Ein Großteil des Schulgesetzes bleibt in seiner Formulierung von 2005 bestehen, die<br />
Neuerungen beziehen sich ausschließlich auf den Ansatz der <strong>Inklusion</strong>.<br />
In § 2 Absatz 5 heißt es:<br />
In der Schule werden Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung in<br />
der Regel gemeinsam unterrichtet und erzogen (inklusive Bildung).<br />
Schülerinnen und Schüler, die auf sonderpädagogische Unterstützung<br />
angewiesen sind, werden nach ihrem individuellen Bedarf besonders<br />
gefördert, um ihnen ein möglichst hohes Maß an schulischer und beruflicher<br />
Teilhabe und selbstständiger Lebensgestaltung zu ermöglichen (Änderung<br />
des Schulgesetz 2013, S.1).<br />
Es wurde ebenfalls festgelegt, dass die gesonderte Förderung nach bestimmten<br />
Förderschwerpunkten nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt werden soll, was<br />
umfassende Veränderungen des deutschen Schulsystems nach sich zieht. Für die<br />
Regelschulen bedeutet dies, eine Umstellung. Allgemeine Regelschulen müssen sich<br />
auf neue Berührungspunkte mit der Sonderpädagogik einlassen, um jedem Kind eine<br />
bestmögliche Förderung zu ermöglichen. Jedes Kind hat nach dem neuen<br />
Schulgesetz das Recht, eine Regelschule besuchen zu dürfen, deswegen laufen<br />
integrative Lerngruppen und Kompetenzzentren aus.<br />
Unklar bleibt jedoch, wie die Ressourcen durch die Schließungen von Sonderschulen<br />
und Kompetenzzentren, auf die allgemeinen Schulen verteilt werden. Diese<br />
Unklarheit soll der Grund dafür sein, weswegen die Einführung des neuen<br />
Schulgesetzes auf 2014 „verschoben“ wurde. Eine Doppelbesetzung von Klassen zu<br />
bestimmten Zeiten wurde gesetzlich nicht vorgesehen, könnte aber den Schulalltag in<br />
der Praxis vereinfachen und das Lernen aller Schülerinnen und Schüler verbessern.<br />
Innere und äußere Differenzierung hingegen ist gesetzlich vorgesehen in §20 Absatz<br />
1 heißt es:
In der allgemeinen Schule wird der Unterricht als Gemeinsames Lernen für<br />
Schülerinnen und Schüler mit und ohne Bedarf an sonderpädagogischer<br />
Unterstützung im Klassenverband oder in der Lerngruppe erteilt. Er erstreckt<br />
sich auf alle Unterrichtsvorgaben nach § 19 Absätze 3 und 4. Hierbei sind<br />
Formen innerer und äußerer Differenzierung möglich (Änderung des<br />
Schulgesetz 2013, S.7).<br />
Bis jetzt ist allerdings unklar, ob Sonderpädagogen oder Regelschullehrer diese<br />
Differenzierungen ermöglichen sollen, weswegen eine Auseinandersetzung mit<br />
<strong>Inklusion</strong> für alle Lehrpersonen von großer Bedeutung ist.<br />
Alle hier nur ansatzweise angesprochenen Dokumente und Beschlüsse setzen sich für<br />
ein inklusives Schulsystem ein und fordern ein gleiches Bildungsrecht für alle<br />
Schülerinnen und Schüler, an den allgemeinbildenden Schulen. Bedenkt man jedoch,<br />
dass die Salamanca-Erklärung schon 1994 verabschiedet wurde, ist es bereits jetzt<br />
schon ein langer Weg, bis <strong>Inklusion</strong> in die Schullandschaft angekommen und<br />
umgesetzt werden kann.<br />
Andere Länder arbeiten schon viele Jahre mit den Grundsätzen von <strong>Inklusion</strong>. Im<br />
nächsten Abschnitt wird schwerpunktmäßig auf <strong>Inklusion</strong> in Kanada und Schweden<br />
eingegangen. In beiden Ländern wird <strong>Inklusion</strong> schon seit langem und mit<br />
praktischer Erfahrung praktiziert.<br />
1.4 Blick über den Zaun - <strong>Inklusion</strong> im internationalen Vergleich<br />
Kersten Reich führt in seinem Buch: „<strong>Inklusion</strong> und Bildungsgerechtigkeit“ immer<br />
wieder die Stadt Toronto, Kanada als federführendes Beispiel für inklusive Bildung<br />
auf. Deren inklusives Schulsystem ist abgesichert durch verbindliche<br />
Vereinbarungen (Vgl. Reich 2012, S.45). Kersten Reich argumentiert, dass diese<br />
verbindlichen Vereinbarungen ausschlaggebend für die erfolgreiche inklusive<br />
Bildung in Toronto sind. Die Vereinbarungen befassen sich unter anderem mit dem<br />
Verhalten der Lehrkräfte gegenüber einer heterogenen Schülerschaft (Vgl. ebd.<br />
S.46). Es wird eine Haltungsänderung gefordert, um alle Menschen chancengerecht<br />
zu behandeln.<br />
Deswegen kann Toronto ein zielführendes und inspirierendes Beispiel für die<br />
Gestaltung einer Bildungslandschaft in Deutschland sein (Vgl. ebd. S.46).<br />
Zielführende Vereinbarungen für die „tatsächliche“ Gestaltung von <strong>Inklusion</strong> im<br />
Schulalltag fehlen in Deutschland vollkommen. Zwar gibt es eine Vorstellung von<br />
<strong>Inklusion</strong>, die zum Beispiel durch Dokumente, wie dem neuen Schulgesetz oder
Schriften der Kultusministerkonferenz, vorgegeben werden, jedoch liegt das<br />
Problem, welches viele Lehrpersonen immer wieder beschreiben, in der Angst der<br />
Umsetzung. In Kanada wird der Umgang mit Heterogenität als eine Grundhaltung<br />
betrachtet (Vgl. Stein 2011, S. 93). Der Grund liegt darin, dass Kanada als ein<br />
traditionelles Einwanderungsland gilt und Heterogenität von daher, wie<br />
selbstverständlich gelebt wird. Die Behindertenbewegung in Kanada hat sich schon<br />
1981 in dem „Obstacle Report“ mit den Bedürfnissen von Menschen mit<br />
Behinderungen auseinandergesetzt und erreicht, dass Gleichberechtigung zu einem<br />
gesellschaftlichen Thema wird. Es wurde speziell die Gleichberechtigung von<br />
Bürgern mit Behinderung angestrebt. Das Gesetz auf Nichtdiskriminierung fordert:<br />
Every individual is equal before and under law and has the right to the equal<br />
protection and equal benefit of the law without discrimination and, in<br />
particular, without discrimination based on race, national or ethnic origin,<br />
colour, sex or mental or physics disability (Garton 2005, S. 1).<br />
Mit diesem Gesetzesentwurf wird das Verständnis von <strong>Inklusion</strong> in Kanada deutlich.<br />
<strong>Inklusion</strong> in Kanada ist nicht nur eine schulische Herausforderung, sondern wird als<br />
eine gesellschaftliche Herausforderung angenommen (Vgl. Stein 2011, S.98).<br />
<strong>Inklusion</strong> bezieht sich nicht nur auf einen bestimmten Personenkreis, sondern auf die<br />
Gestaltung einer nicht ausgrenzenden Gesellschaft, die alle Menschen mit einbezieht.<br />
Systematisch wurden durch die kanadische Forschung Indikatoren gesucht, die<br />
Auswirkungen auf <strong>Inklusion</strong> haben können. Auf Schule bezogen sind Indikatoren<br />
zum Beispiel: Zufriedenheit der Lehrer, Schüler, Eltern, Kooperationen mit anderen<br />
Institutionen, Lernleistungen in der PISA-Studie und viele weitere, die Einfluss auf<br />
<strong>Inklusion</strong> haben. Nachdem diese Indikatoren identifiziert wurden, kam es zu<br />
weiteren Überlegungen, die mit der Frage: „Was braucht die Schule, um diese<br />
Indikatoren positiv beeinflussen zu können?“, zusammengefasst wurden.<br />
Durch diesen gesellschaftlichen und politischen Prozess hat das kanadische<br />
Schulsystem dem deutschen sehr viel voraus, weil in Deutschland die<br />
Organisationsstrukturen für eine solche Herangehensweise fehlen. Einzelne Schulen<br />
haben es sich zur Aufgabe gemacht, sich solche Strukturen selbst anzueignen, um<br />
Bildung inklusiv werden zu lassen, diese gelten jedoch als Ausnahme. Eine dieser<br />
Schulen ist „Berg Fidel“ in Münster, auf die im letzten Kapitel noch konkret<br />
eingegangen wird.<br />
Neben Kanada gelten vor allem die skandinavischen Länder als Beispiel für die<br />
Bildungspolitik in Deutschland. Annemarie von der Groeben beschreibt in ihrer
Monographie, „Verschiedenheit nutzen“ das Bildungssystem in Schweden. Ihre<br />
Folgerungen für das funktionierende System in Skandinavien, sieht sie in der<br />
Gelassenheit, die in der Schulwelt gelebt wird. „Der überwältigende Eindruck war<br />
die Gelassenheit der Jugendlichen und Erwachsenen, die Ruhe, der freundliche,<br />
höfliche und dabei lockere Umgangston […]“ (von der Groeben 2008, S.18). Gerade<br />
diese Gelassenheit fehlt im deutschen Bildungssystem. Lehrerinnen und Lehrer<br />
sehen sich beim Thema <strong>Inklusion</strong> unter einem wachsenden Druck. Die Gedanken<br />
vieler Lehrkräfte an <strong>Inklusion</strong> sind negativ geprägt, weil sie <strong>Inklusion</strong> als<br />
Mehrbelastung sehen und die derzeitigen Belastungssituationen in der Schule sie<br />
bereits überfordern: immer größere Klassen, Schwierigkeiten in der Kooperation mit<br />
Eltern, fehlende gesellschaftliche Anerkennung.<br />
Es drängt sich die Frage auf, wie <strong>Inklusion</strong> in den skandinavischen Ländern<br />
funktioniert. Von der Groeben sieht die Antwort im Vertrauen von Lehrerinnen und<br />
Lehrern gegenüber Schülerinnen und Schülern. Die Schule ist 24 Stunden für alle<br />
geöffnet. Schülerinnen und Schüler haben Zugang zu ihrer Schule und können sich<br />
hier auch in ihrer Freizeit treffen (Vgl. ebd. S. 18). Obgleich Schülerinnen und<br />
Schüler stets Zugang zur Schule haben, gibt es in den Gebäuden kaum Vandalismus,<br />
weil die Schule von den Schülerinnen und Schülern wertgeschätzt wird. Ihnen wird<br />
Vertrauen entgegengebracht, was dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler sich<br />
selbst für ihre Schule und das Gebäude verantwortlich fühlen.<br />
Obwohl noch Schüler […], werden sie zugleich so sehr für voll genommen,<br />
dass man ihnen auch die volle Verantwortung (symbolisiert durch den<br />
Schulschlüssel) überträgt und andererseits vollen Einsatz und volle Leistung<br />
von ihnen erwartet (ebd. S.18).<br />
Schülerinnen und Schülern wird vertraut und ein Teil der Verantwortung der Schule<br />
übertragen. Dadurch entsteht eine Idee von Schule, die von allen getragen wird. Die<br />
Fronten zwischen Lehrern und Schülern kommen erst gar nicht auf. Schule ist für<br />
alle ein Ort, an dem Bildung und Freizeitgestaltung stattfindet. Neben der Basis,<br />
Schülerinnen und Schüler zu vertrauen, lautet die oberste Maxime an allen Schulen<br />
in Schweden, kein Kind im Schulsystem zu verlieren. (Vgl. ebd. S.19). In Schweden<br />
gehen Kinder von der ersten bis zur neunten Klasse auf eine Gesamtschule, die<br />
sogenannte „Grundskola“. Erst ab der achten Klasse werden Schülerinnen und<br />
Schüler mit Noten konfrontiert, die jedoch nicht dazu genutzt werden, Schülerinnen<br />
und Schüler mit einer schlechten Bewertung abschieben zu können. Das<br />
Sitzenbleiben ist im schwedischen Schulsystem nicht möglich, genauso wenig wie
der Schulwechsel aufgrund von schlechten Leistungen (Vgl. Koch 2011, S.152ff.).<br />
Nach Abschluss der neunjährigen „Grundskola“ ist der Wechsel auf eine dreijährige<br />
„Gymnasieskola“ möglich. Mehr als 90% der Schülerinnen und Schüler wechseln<br />
nach der neunten Klasse auf eine weiterführende Schule (Vgl. ebd. S.154). Diese<br />
Schulen sind wiederum mit individuellen Programmen auf die Bedürfnisse der<br />
Schülerinnen und Schüler ausgerichtet. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten,<br />
wie: Berufe kennen zu lernen, Schule und Ausbildung miteinander zu verkoppeln,<br />
berufsvorbereitende Bildungsgänge zu besuchen und den Abschluss zur<br />
Berechtigung an einer Hochschule zu erwerben. Das schwedische Schulsystem<br />
verdeutlicht, mit diesem differenzierten Angebot, wie <strong>Inklusion</strong> in der Praxis<br />
aussehen kann.<br />
In Deutschland wäre ein erster Schritt das mehrgliedrige Schulsystem aufzulösen.<br />
Die Bildungspolitik in Hamburg hat 2010 gezeigt, wie schwer es sein wird diesen<br />
Schritt zu gehen. Durch einen Volksentscheid wurde deutlich, dass Bürgerinnen und<br />
Bürger in Hamburg am Gymnasium festhalten (Vgl. Süddeutsche Zeitung 2010, S.1).<br />
Die Einführung einer sechs jährigen Grundschulzeit wurde verhindert. Eine<br />
Begründung kann darin liegen, dass homogene Lerngruppen vielfach als der beste<br />
Weg gesehen werden. Es wird an alten Mustern festgehalten und argumentiert, dass<br />
auch aus diesen Schülerinnen und Schülern etwas geworden ist. Nach dem Motto:<br />
So wie es ist kann es bleiben. Für die „begabungsgerechte“ Schule werden die<br />
passenden Schüler gesucht. Das System Schule steht unveränderlich fest, die<br />
zu lösende Aufgabe ist die Auswahl („Selektion“) der passenden Schüler.<br />
(Vgl. Wocken 2010, S.2)<br />
Um den Forderungen der <strong>Inklusion</strong> gerecht zu werden, kann es so nicht bleiben.<br />
Deswegen soll zum Abschluss dieses einführenden Kapitels, eine Handreichung<br />
vorgestellt werden, die die praktische Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> an Schulen anstrebt.<br />
1.5 Index für <strong>Inklusion</strong> – ein erster Weg zur Umsetzung<br />
Der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ wurde im Jahr 2000 von Toni Booth und Mel Ainscow<br />
entwickelt. Durch den „Index für <strong>Inklusion</strong>“ werden Schulen in dem Prozess<br />
angeleitet, sich zu einer inklusiven Schule zu entwickeln. Vorarbeiten für den „Index<br />
für <strong>Inklusion</strong>“ fanden in Australien und den USA an der Masquarie Universität in<br />
New South Wales, wie auch an der Universität Syracuse in den 80er Jahren statt<br />
(Vgl. Boban; Hinz S.43). Eine Gruppe von Wissenschaftlern entwickelte daraufhin,<br />
in Großbritannien, eine Sammlung von Materialien, die das Bestreben von <strong>Inklusion</strong>
an Schulen vereinfachen und anregen sollte. 1997 und 1998 fanden die ersten<br />
Erprobungen dieses Index in Grund- und Sekundarschulen statt. Mit dem „Index für<br />
<strong>Inklusion</strong>“ wird die Lernqualität in Schulen nicht über die Leistungen von<br />
Schülerinnen und Schülern definiert, sondern über eine Auseinandersetzung mit dem<br />
Geschehen, welches an der Schule stattfindet. Barrieren, Kulturen und Strukturen<br />
einer Schule werden durch den „Index für <strong>Inklusion</strong>“, als Instrument einer Anleitung,<br />
kritisch überprüft (Vgl. Reich 2012, S.159). Dafür enthält der „Index für <strong>Inklusion</strong>“<br />
sechs Bereiche, 44 Indikatoren und insgesamt 560 Fragen, die genutzt werden, um<br />
sich kritisch mit dem auseinanderzusetzen, was für eine inklusive Schule notwendig<br />
ist. Mit diesen Fragestellungen und Indikatoren schlägt der „Index für <strong>Inklusion</strong>“<br />
Themenschwerpunkte, anhand von Fragestellungen vor, die im Lehrerkollegium<br />
diskutiert werden können. Durch die Diskussionen sollen Ziele im Kollegium<br />
festgelegt werden, um die übergeordnete Zielsetzung der „inklusiven Schule“<br />
erreichen zu können.<br />
1.5.1 Loslegen!! – Mit dem Index für <strong>Inklusion</strong><br />
Möchten Schulen mit dem „Index für <strong>Inklusion</strong>“ arbeiten, ist als erster Schritt eine<br />
Koordinationsgruppe einzurichten (Vgl. ebd. S.44). Die KoordinatorInnen sind<br />
verantwortlich für den Prozessverlauf. In Projekttreffen und Arbeitssitzungen<br />
beschäftigt sich das Kollegium einer Schule mit den Inhalten des „Index für<br />
<strong>Inklusion</strong>“. Es ist wichtig sich als TeilnehmerIn dieser Treffen, schon im Vorhinein<br />
Gedanken über die Zielsetzung gemacht zu haben und sich zum Beispiel mit der<br />
Fragestellung: Was erhoffe ich mir persönlich von dem Einsatz des „Index für<br />
<strong>Inklusion</strong>“ und was erhoffen sich die Beteiligten von dem Prozess insgesamt?<br />
auseinanderzusetzen.<br />
Die erarbeiteten Ziele müssen anhand von Indikatoren überprüfbar sein, dafür gibt<br />
der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ Vorgaben, die Überprüfbarkeit und die Realisierung eines<br />
Ziels zu erreichen (Vgl. Reich 2012, S.155). Drei Dimensionen lassen sich im<br />
Kollegium diskutieren (Vgl. Boban; Hinz 2003, S. 44). Die Dimension: „Inklusive<br />
Kulturen schaffen“ befasst sich mit der Entwicklung inklusiver Werte: Schüler und<br />
Schülerinnen, Eltern und das Kollegium der Schule setzen sich mit den<br />
Begrifflichkeiten der <strong>Inklusion</strong> inhaltlich auseinander und entwickeln ein eigenes<br />
Verständnis von inklusiven Werten. Dies schafft eine Grundlage um sich weiterhin<br />
mit <strong>Inklusion</strong> beschäftigen zu können. Ziel dieser Dimension ist es, dass jeder an der<br />
Schule wissen muss, was mit <strong>Inklusion</strong> gemeint ist und welche Veränderungen auf
die Schule zukommen, zum Beispiel der gemeinsame Unterricht oder die<br />
Doppelbesetzung durch zwei Lehrkräfte in einer Klasse, zu festgelegten Zeiten.<br />
Transparenz und Zusammenhalt ist gerade am Anfang eines solchen<br />
Entwicklungsprozesses wichtig, damit alle Kollegen und alle Eltern wissen, was auf<br />
sie zukommt. Mit der ersten Dimension „inklusive Kulturen schaffen“, soll eine<br />
sichere, akzeptierende und zusammen arbeitende Gemeinschaft entstehen, die Lust<br />
auf Veränderung entwickelt (Vgl. Reich 2012, S.164).<br />
In der zweiten Dimension: „Inklusive Strukturen etablieren“ werden zentrale<br />
Aspekte der Schulentwicklung, in derselben Schule, aufgegriffen, mit dem Ziel<br />
Partizipation für alle zu ermöglichen. Alle Strukturen von der gesamten<br />
Schulgemeinschaft bis zur kleinsten Fördergruppe, über die Schulküche und den<br />
Pausenhof bis zum Unterrichten einer heterogenen Schülergruppe müssen bedacht<br />
und durchdrungen werden. Diese Dimension erfordert von allen Beteiligten eine<br />
Reflexionsbereitschaft.<br />
„Inklusive Praktiken entwickeln“ lautet die dritte Dimension. Die zuvor theoretisch<br />
erarbeiteten Inhalte der beiden ersten Dimensionen, sollen auf die Praxis angewendet<br />
werden. Ressourcen der Schule müssen mobilisiert werden, um „die Teilhabe aller“<br />
zu ermöglichen (Vgl. Boban; Hinz 2003, S.45).<br />
Mit diesen drei Dimensionen des Index lassen sich Möglichkeiten fokussieren, die<br />
zur Unterstützung des Lernens und der Teilhabe aller Schülerinnen und Schüler der<br />
Phase 1<br />
Mit dem Index<br />
beginnen<br />
Phase 2<br />
Die Schulsituation<br />
beleuchten<br />
Phase 5<br />
Den Index-Prozess<br />
reflektieren<br />
Phase 3<br />
Ein inklusives Schulprogramm<br />
entwerfen<br />
Phase 4<br />
Die Prioritäten<br />
umsetzen
Schule dienen (Vgl. Reich 2012, S.167). Das Kollegium setzt sich mit dem<br />
jeweiligen Stand der Schule konstruktiv-kritisch auseinander und wird dazu<br />
angeregt, Veränderungen zu wagen. Die Umsetzung erfolgt in insgesamt fünf<br />
Phasen, die nachfolgend kurz erläutert werden. Abbildung 2 zeigt den Prozessverlauf<br />
und die einzelnen Phasen der Umsetzung für den „Index für <strong>Inklusion</strong>.“ Die<br />
Abbildung verdeutlicht, wie die einzelnen Phasen untereinander agieren. Der<br />
entstehende Kreislauf veranschaulicht den immer wieder angesprochenen „Prozess“<br />
durch den <strong>Inklusion</strong> ermöglicht werden kann.<br />
In der ersten Phase wird, wie bereits erwähnt, eine Koordinationsgruppe gebildet, die<br />
die Belange aller Beteiligten an der Schule mit berücksichtigt (Vgl. ebd. S.168). In<br />
Phase zwei wird die Situation der Schule analysiert. Konkrete Probleme und<br />
Missstände in der Schule werden besprochen, sowie mögliche Lösungsansätze und<br />
Verbesserungen fokussiert. Erst in Phase drei kommt der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ zur<br />
Sprache und das dahinterstehende Grundverständnis wird erklärt. Das Ziel ist es,<br />
Möglichkeiten und Lösungen im Kollegium hervorzubringen, die die Missstände<br />
einer Schule beheben können. Die Umsetzung dieser Prioritäten ist der Phase vier<br />
vorbehalten. Unvermeidbar ist ein Dokumentationsprozess für diese Phase, damit in<br />
Phase fünf Evaluierungen und Reflektionen stattfinden können, die dazu verhelfen<br />
die Lösungswege zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Durch die Arbeit<br />
mit einem solchen Modell muss sich ein Kollegium immer wieder mit der aktuellen<br />
Entwicklung ihrer Schule auseinandersetzen, um dem Prozess der <strong>Inklusion</strong> gerecht<br />
werden zu können.<br />
Kritik in der Umsetzung des „Index für <strong>Inklusion</strong>“ wird vor allem an der Menge an<br />
Fragestellungen geübt, die der Index beinhaltet. Mit 560 Fragen befasst sich dieser<br />
intensiv mit dem Verständnis von Schule und <strong>Inklusion</strong>. Gleichzeitig stellt die<br />
Beantwortung von 560 Fragen auch einen hohen Arbeits- und Zeitaufwand dar. Für<br />
die parktische Umsetzung in der Schule kann es LehrerInnenkollegien helfen,<br />
einzelne Fragestellungen lokalisiert zu beantworten. Die Vielzahl an Fragen braucht<br />
Kollegien nicht davon abzuhalten, den „Index für <strong>Inklusion</strong>“ als Ansatz für<br />
schulische Veränderungen zu nutzen. Die freie Verfügbarkeit im Internet, macht den<br />
„Index für <strong>Inklusion</strong>“ zu einem schulischen Werkzeug, welches jedem zugänglich<br />
ist. Dadurch hat der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ eine hohe Verbreitung gefunden, die
isherigen 6000 Exemplare reichten nicht aus, sodass immer wieder nachgedruckt<br />
werden musste (Vgl. Reich 2012, S.174). Die Verbreitung im Internet kann nicht<br />
überschaut werden. Festzuhalten ist, dass der „Index für <strong>Inklusion</strong>“ nicht nur für die<br />
Umstrukturierung von Schulen genutzt werden kann, das Spektrum reicht vom<br />
Elementarbereich bis zur Hochschule über Kitas, Altenheime, Jugendhilfe usw. (Vgl.<br />
Reich 2012, S.174).<br />
Nach dieser Einführung in die Theorie, die von der Klärung der Begrifflichkeiten,<br />
über wichtige Dokumente, den internationalen Vergleich zu einem schulischen<br />
Werkzeug der praktischen Umsetzung führte, geht es im nachfolgenden Kapitel um<br />
die Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong>. Die Fragestellung: „Welche Faktoren müssen<br />
für die theoretische Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> beachtet werden?“, werden in diesem<br />
Kapitel ausführlich beantwortet. Für die Beantwortung der Frage müssen als erstes<br />
die inhaltlichen Formen von <strong>Inklusion</strong> beleuchtet werden. Diese setzen sich aus den<br />
fünf Faktoren der Ausgrenzung zusammen, die inhaltlich kurz beschrieben werden.<br />
Danach folgen Organisationsformen für die Implementierung von <strong>Inklusion</strong>.<br />
Anschließend werden Bedingungen und Ansätze dargelegt, die in der theoretischen<br />
Planung von <strong>Inklusion</strong> mit bedacht werden müssen. Dazu gehört die Planung von<br />
<strong>Inklusion</strong>, ein Ressourcenmanagement, kommunikative Strukturen, eine<br />
professionelle Lehreraus- und Fortbildung, inklusive Lerninhalte und eine inklusive<br />
Didaktik sowie ein Verständnis von Individualisierung und Evaluation. All diese<br />
Ansätze und Vorschläge haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weil sich die<br />
Ideen und Ansätze um das Thema <strong>Inklusion</strong> in einem stetigen Prozess befinden.<br />
Dennoch soll in dem folgenden Kapitel ein Überblick über die aktuellsten und<br />
bedeutsamsten Dokumente und Vorschläge gegeben werden, um zu einem<br />
erweiterten Verständnis von <strong>Inklusion</strong> zu gelangen.<br />
2. Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong> – Schritt 2: Den Bedarf<br />
erkennen…<br />
Um die Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong> zu erfassen, stellt Kersten Reich inhaltliche<br />
Formen von <strong>Inklusion</strong> und im Anschluss die sich daraus ergebenen<br />
Organisationsformen vor. Wie in Abbildung 3 dargestellt, bedingen sowohl das<br />
Wissen um die inhaltlichen Formen, als auch das Wissen um die<br />
Organisationsformen, das Gelingen von <strong>Inklusion</strong>.
Gelingensfaktoren<br />
Inhaltliche Formen<br />
- Ethnokulturelle Unterschiede<br />
- Unterscheidung aufgrund des<br />
biologischen Geschlechts<br />
- Unterschiede in den sozialen<br />
Lebensformen<br />
- sozio-ökonomische<br />
Unterschiede<br />
- Ausgrenzung aufgrund von<br />
Behinderung<br />
Abbildung 3: Gelingensfaktoren für <strong>Inklusion</strong> (Reich 2012, S.104ff)<br />
Organisationsformen<br />
- <strong>Inklusion</strong>splanung<br />
- Ressourcenmanagement<br />
- Kommunikative Strukturen<br />
- Lehreraus- und -fortbildung<br />
- Lerninhalte<br />
- Didaktik<br />
- Individualisierung<br />
- Evaluation<br />
2.1 Inhaltliche Formen – <strong>Inklusion</strong> in allen Facetten<br />
Inhaltlich geht es bei <strong>Inklusion</strong> um die gleichwertige Teilhabe von Menschen in allen<br />
Bereichen. Diese Teilhabe wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst, die<br />
Menschen aufgrund von bereits benannten Merkmalen ausgrenzen.<br />
Zu diesen Faktoren gehören:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Ethnokulturelle Unterschiede<br />
Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts<br />
Unterschiede in den sozialen Lebensformen<br />
sozio-ökonomische Unterschiede<br />
Ausgrenzung aufgrund von Behinderung (Vgl. Reich 2012, S.54ff.).<br />
Diese Formen von Ausgrenzung müssen in der Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> im<br />
Unterricht berücksichtigt werden, damit <strong>Inklusion</strong> gelingen kann. Es ist wichtig zu<br />
beachten, dass Ausgrenzen sowohl im Hinblick auf die Gesellschaft, als auch im<br />
Hinblick auf die Schule, als ein Teil der Gesellschaft anzunehmen ist. Im Anschluss<br />
sollen die fünf Dimensionen der Ausgrenzung und ihre Bedeutung für Gesellschaft<br />
und Schule einzeln beleuchtet werden.
2.1.1 Ethnokulturelle Unterschiede<br />
Als ersten Faktor benennt Kersten Reich ethnokulturelle Unterschiede, mit der<br />
Forderung: „[…]radikal gedacht, dass es kein Besser oder Schlechter zwischen den<br />
Eigenen und dem Fremden im Blick auf die gemeinsame Demokratie geben sollte“<br />
(ebd. S.55). Dennoch werden immer noch Menschen aufgrund ihrer Herkunft<br />
ausgegrenzt. Ethnokulturelle Gerechtigkeit bedeutet, ein Recht darauf zu besitzen,<br />
dass ethnische Zugehörigkeit in Erziehungs- und Bildungssystemen als irrelevant<br />
gelten (Vgl. ebd. S.57). Es darf in der Erziehung und Bildung von Menschen, einzig<br />
und allein um die Einzigartigkeit jedes Individuum gehen. Ethnokulturelle<br />
Unterschiede lassen sich nur überwinden, wenn alle Menschen, egal welche<br />
Hautfarbe oder welche ethnokulturelle Zugehörigkeit sie haben, gerechte Chancen<br />
für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe eröffnet bekommen.<br />
2.1.2 Unterscheidung aufgrund des biologischen Geschlechts<br />
Auch das Unterscheiden aufgrund des biologischen Geschlechts erhöht die<br />
Bereitschaft der Ausgrenzung. Deswegen müssen sich Entscheidungsträger für<br />
Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, um eine Chancengleichheit für alle ermöglichen<br />
zu können. Reich definiert Geschlechtergerechtigkeit folgendermaßen:<br />
Geschlechtergerechtigkeit bedeutet vielmehr, dass jede/r eine individuelle<br />
und sich auch verändernde, veränderbare und sich wandelnde Persönlichkeit<br />
besitzt, die nicht auf Dauer nur eine Identität dokumentieren wird, sondern in<br />
dieser Identität stets auch Entwicklungen, Veränderungen, Widersprüche und<br />
Ambivalenzen eingeschlossen hat, die für eine freie Entwicklung zur<br />
Verfügung stehen“(ebd. S.61).<br />
Zur Anerkennung der Geschlechtergerechtigkeit gehört es, die unterschiedlichen<br />
sexuellen Orientierungen zu akzeptieren. Die Gesellschaft sieht rechtlich ein<br />
Festlegen auf das eine oder das andere Geschlecht vor (Vgl. ebd. S.58). Inklusive<br />
Settings müssen darauf ausgerichtet sein, dass Geschlechtergerechtigkeit angestrebt<br />
wird und die Zusammensetzungen von Gruppen immer wieder in einem reflexiven<br />
Prozess aufgewickelt werden, damit Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts<br />
verhindert wird.<br />
2.1.3 Unterschiede in den sozialen Lebensformen<br />
Neben der sexuellen Gleichberechtigung müssen auch andere soziale Lebensformen<br />
gleichwertig anerkannt werden. Lebensformen und Lebensläufe sind in der heutigen<br />
Gesellschaft vielseitiger und plural (Vgl. ebd. S. 68). Niemand hat das Recht, einen<br />
anderen Menschen in eine Richtung zu drängen. Dies gilt zum Beispiel für die Wahl
der Religion, der sexuellen Orientierung und der Wahl des Berufs bzw. der<br />
persönlichen Verwirklichung im Leben. Jeder Mensch besitzt das Recht, das für ihn<br />
persönlich Bedeutsame aus seinem Leben herauszufiltern.<br />
2.1.4 Sozio- ökonomische Unterschiede<br />
Der vierte Faktor bezieht sich auf die sozio-ökonomischen Unterschiede zwischen<br />
den unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten. Gerade der Bildungsstatus ist<br />
sehr von ökonomischen Unterschieden abhängig. In Deutschland ergeben sich<br />
weitreichende ökonomische Unterschiede. PISA hat mehrere Jahre hintereinander<br />
aufgezeigt, dass die sozio-ökonomischen Unterschiede sich auf die Bildung in<br />
Deutschland ausüben. Diese Ergebnisse bedeuten eine Chancenungerechtigkeit, die<br />
abhängig ist von dem ökonomischen Status (Vgl. ebd. S.75). Schulische Bildung hat<br />
den Auftrag, sich mit diesem Problem weitreichend auseinanderzusetzen, weil jedem<br />
Schüler und jeder Schülerin ein gleichwertiges Angebot zu unterbreiten ist, um die<br />
Unterscheidung des sozio-ökonomischen Status aufzuheben. In Deutschland ist der<br />
Bildungserfolg immer noch an die soziale Herkunft eines Schülers oder einer<br />
Schülerin gekoppelt (Vgl. Ruta 2012, S.1). Sozio-ökonomische Unterschiede dürfen<br />
an Schulen keine weiteren Unterschiede verursachen. <strong>Inklusion</strong> hat den Auftrag, die<br />
Unterscheidung der sozio-ökonomischen Unterschiede aufzubrechen und jedes Kind<br />
in seinen individuellen Fähigkeiten zu fördern, unabhängig vom sozialen Status oder<br />
der Herkunft der Eltern.<br />
2.1.5 Ausgrenzung aufgrund von Behinderung<br />
Der letzte Faktor, beschäftigt sich mit Behinderungen von Menschen. „Als<br />
Behinderung wird meist eine schwere und dauerhafte Beeinträchtigung der Teilhabe<br />
am gesellschaftlichen Leben einer Person gesehen […]“ (Reich 2012, S.78). Die<br />
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wird Menschen mit Behinderung erschwert,<br />
weil sich viele Menschen mit Behinderung in ihren Verhaltensweisen, ihrer<br />
Kommunikation und im Aussehen von der „Norm“ unterscheiden können.<br />
Ausbildung und Teilhabe in der Arbeitswelt und in der Freizeit ist für Menschen mit<br />
Behinderung daher häufig nur schwer umzusetzen (Vgl. ebd. S.78). Gleichzeitig<br />
können Hilfeleistungen, wie zum Beispiel eine persönliche Assistenz, zu Barrieren<br />
werden, weil sie die Teilhabe von Menschen mit Behinderung einschränken.<br />
Unterschiedliche Formen der sonderpädagogischen Förderung finden in<br />
unterschiedlichen Schulformen statt. In Deutschland werden Schülerinnen und
Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, überwiegend an Sonderschulen<br />
unterrichtet, gleichzeitig ist die Quote der gemeinsamen Beschulung am niedrigsten<br />
(Vgl. ebd. S.83). Abbildung vier verdeutlicht die hohen sonderpädagogischen<br />
Förderquoten der einzelnen Länder in Deutschland und zeigt zugleich auf, dass in<br />
allen Bundesländern die Förderung von Kindern mit einem sonderpädagogischen<br />
Förderbedarf vorherrschend in Sonderschulen stattfindet. Daraus kann geschlossen<br />
werden, dass sowohl Integration als auch <strong>Inklusion</strong> an Regelschulen in Deutschland<br />
noch nicht weit verbreitet ist.<br />
Abbildung 4: Sonderpädagogische Förderquoten nach Ländern und Förderort (Reich 2012, S.83)<br />
Durch <strong>Inklusion</strong> und professionelle Lehrpersonen kann es gelingen, die Quote der<br />
gemeinsamen Beschulung an Regelschulen zu erhöhen und gleichzeitig die Teilhabe<br />
in der Gesellschaft zu verbessern.<br />
Alle Faktoren der Ausgrenzung spielen auch in den Organisationsformen von<br />
<strong>Inklusion</strong> eine bedeutende Rolle. Ohne das Beachten von ausgrenzenden Faktoren,<br />
kann die Teilhabe von Menschen in der Gesellschaft und in der Schule nicht<br />
wachsen.<br />
Im folgenden Abschnitt wird untersucht, was in der schulischen Bildung verankert<br />
werden muss, um Ausgrenzung zu verhindern und <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen.<br />
2.2 Organisationsformen – theoretische Formen der Umsetzung<br />
In den letzten Jahren widmeten sich unzählige Autoren und Autorinnen der<br />
inklusiven Schulentwicklung in Deutschland. Leitfäden wurden entwickelt und<br />
Standards zur Verwirklichung von <strong>Inklusion</strong> aufgestellt. Immer wieder stellt sich die<br />
Frage: Wie kann ein Kollegium es schaffen, sich von dem bisherigen ausgrenzenden
Schulsystem abzugrenzen und ihre Schule, zu einer inklusiven Schule zu gestalten?<br />
Kersten Reich nähert sich einer Antwort auf diese Fragestellung. Für ihn gibt es drei<br />
Vorgehensweisen, die als erste Impulse helfen könnten, <strong>Inklusion</strong> in Schulen zu<br />
verankern. Ein erster Schritt liegt in der Verpflichtung der Entscheidungsträger, sich<br />
mit von Diskriminierung bedrohten Gruppen auseinanderzusetzen (Vgl. Reich 2012,<br />
S.92ff.). Entscheidungsträger müssen überlegen, wie es Schulen ermöglicht werden<br />
kann, alle Kinder in einem Haus zu unterrichten. Die Verpflichtung, Schulstrukturen<br />
verändern zu wollen, darf nicht nur von den Lehrerkollegien angenommen werden.<br />
Auch die Träger der Schulen, die Eltern, die Schüler selbst müssen an einem<br />
Konzept der <strong>Inklusion</strong> interessiert sein und mitarbeiten wollen. Die Verpflichtung<br />
gilt als ein großer Schritt auf dem Weg der Verwirklichung von <strong>Inklusion</strong>. Wenn<br />
Entscheidungsträger den erforderlichen Schritt wagen, und beginnen sich mit<br />
<strong>Inklusion</strong> auseinanderzusetzten, ist schon etwas erreicht. Dieses<br />
Verpflichtungsbekenntnis muss in einer gemeinsamen Sitzung beschlossen und<br />
öffentlich sichtbar dokumentiert werden, damit alle Beteiligten sich über den<br />
derzeitigen Standpunkt informieren können (ebd. S.93). Im zweiten Schritt müssen<br />
die Planungen umgesetzt und regelmäßig evaluiert werden. Als dritter und letzter<br />
Schritt in dieser Vorgehensweise empfiehlt es sich, ein langfristig angelegtes<br />
Programm zur Entwicklung eines <strong>Inklusion</strong>splans für die Schule auszuarbeiten.<br />
Hierzu hilft auch die Veröffentlichung von Jutta Schöler zum Thema: Inklusive<br />
Schulentwicklung (Vgl. Schöler 2005). In ihrem Herausgeberwerk geht es um die<br />
Vorbereitung von Schulen auf <strong>Inklusion</strong>. Themen wie: Leitbilder, Unterrichtspraxis,<br />
Koordination und Zusammenarbeit sowie Elternarbeit und Personalentwicklung<br />
werden vorgestellt und diskutiert.<br />
Das Implementieren von <strong>Inklusion</strong> im Schulkonzept als erster Schritt, zieht<br />
weitreichende zukünftige Planungen nach sich. Die Planung eines solchen Prozesses<br />
muss bestimmte Punkte mit berücksichtigen (Vgl. Reich 2012, S.91ff.):<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<strong>Inklusion</strong>splanung<br />
Ressourcenmanagement<br />
Kommunikative Strukturen<br />
Lehreraus- und Fortbildung<br />
Lerninhalte<br />
Didaktik<br />
Individualisierung
Evaluation<br />
Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, kann jedoch als<br />
Hilfestellung betrachten werden, eine erste Orientierung zu geben, was bei der<br />
Umstellung auf <strong>Inklusion</strong> an Schulen beachtet werden muss. Im Folgenden werden<br />
die einzelnen Planungspunkte vorgestellt.<br />
2.2.1 <strong>Inklusion</strong>splanung – verpflichten, vernetzen und los geht’s!<br />
Die Planung einer Implementierung von <strong>Inklusion</strong> wurde schon einleitend kurz<br />
angesprochen. Nachdem sich ein Kollegium und alle weiteren Mitglieder und Träger<br />
einer Schule für die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> an ihrer Schule verbindlich<br />
verpflichtet haben, beginnt die Planungsphase. Auseinandersetzungen, Diskussionen<br />
und erste Schritte müssen an einem „Runden Tisch“ mit möglichst vielen Beteiligten<br />
stattfinden. Ressourcen und Möglichkeiten für <strong>Inklusion</strong> werden abgewogen, sowie<br />
Aufgaben verteilt. Auf Seiten der Schulleitung ist es wichtig, eine klare<br />
Erwartungshaltung der Mitarbeit zu zeigen und das Ziel im Hinterkopf zu wahren um<br />
das Kollegium anzuleiten (Vgl. Reich 2012, S.97). Ziele werden meistens schneller<br />
durch organisierte Hilfestellungen erreicht. Es ist wichtig, dass sich Lehrerinnen und<br />
Lehrer und die Schulleitung über organisierte Hilfen informieren. Regionale<br />
<strong>Inklusion</strong>sbüros oder ein <strong>Inklusion</strong>srat könnten Anlaufstellen sein, die bei der<br />
Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> entscheidend sein könnten (Vgl. ebd. S.101). Solche<br />
Einrichtungen sind in Deutschland leider noch sehr wenig vertreten, weswegen ein<br />
weiterer Vorschlag die Vernetzung mit anderen Schulen ist. Durch die Vernetzung<br />
mit anderen Schulen können Erfahrungen auf dem Weg zur <strong>Inklusion</strong> ausgetauscht<br />
werden. Wenn Schulen vor den gleichen Problemen stehen, kann sich gegenseitig<br />
Mut gemacht werden, dennoch weiter an der Sache zu arbeiten. Mehr Menschen<br />
bieten eine größere Ideenvielfalt, die es zu nutzen gilt.<br />
Zuletzt kann auch hier wieder auf den „Index für <strong>Inklusion</strong>“ verwiesen werden, der<br />
eine große Hilfestellung sein kann. Wichtig bei der Planung einer inklusiven<br />
Schulstruktur ist die Beachtung von Ressourcen.<br />
2.2.2 Ressourcenmanagement – den Bedürfnissen der Schülerinnen und<br />
Schülern gerecht werden<br />
Ohne Ressourcen wird <strong>Inklusion</strong> von Schülerinnen und Schülern nicht gelingen.<br />
Schulträger müssen sich im Klaren darüber werden, dass <strong>Inklusion</strong> kein<br />
„Sparmodell“ ist (Vgl. Verband der Sonderpädagogen 2009, S.4). <strong>Inklusion</strong> braucht
für eine gelungene Umsetzung eine deutlich bessere Ausstattung, die sich innerhalb<br />
der Architektur der Schule, der Fördermöglichkeiten und der Klassengröße<br />
wiederspiegeln sollte.<br />
Dafür ist die Architektur von Schulen zu überarbeiten, weil „Barriere-freies- Lernen“<br />
nur in einer barrierefreien Schule für alle möglich ist (Vgl. Kegler 2009, S.61).<br />
Fahrstühle, Möblierung, Größe der Klassenzimmer und weitere Räumlichkeiten,<br />
müssen an die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schüler angepasst werden. Für<br />
diese Veränderungen fordert Ulrike Kegler die Mitsprache von Schülerinnen und<br />
Schüler:<br />
Eine bewusste Schulraumästhetik braucht die Mitsprache der Schülerinnen<br />
und Schüler und schränkt sie gleichzeitig ein. Kinder und Jugendliche sollten<br />
nach ihren Ideen und Wünschen befragt werden (ebd. S. 67).<br />
Eine Berücksichtigung der Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern ist allein<br />
durch die Klassengröße nur schwer zu ermöglichen. Lehrpersonen können bei einer<br />
Klassengröße von über 25 Kindern, nur schwer auf die Bedürfnisse jedes einzelnen<br />
Schülers und jeder einzelnen Schülerin eingehen, auch die individuelle Förderung<br />
von Schülerinnen und Schülern ist nur schwer umzusetzen.<br />
Neben kleineren Klassen könnte eine Doppelbesetzung, das bedeutet zwei<br />
Lehrpersonen unterstützen sich in einer Klasse, im Unterricht genutzt werden, um<br />
jeden Schüler individuell zu fördern. Dadurch können individuelle Förderbedarfe<br />
ihre Berücksichtigung im Klassenzimmer finden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass<br />
die Idee der Doppelbesetzung als „pädagogische Feuerwehr“ sich überwiegend den<br />
Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf annimmt, um diese mit<br />
Einzelförderungen außerhalb des Unterrichts zu fördern (Vgl. Schwager 2011, S.50).<br />
Eine äußerliche Differenzierung führt jedoch im Umkehrschluss wieder zu<br />
Aussonderungen der „Schwächeren“, was mit dem Ziel der <strong>Inklusion</strong> nicht vereinbar<br />
ist. Deswegen kommt es im gemeinsamen Unterricht viel mehr darauf an, dass sich<br />
zwei Lehrpersonen ihre Aufgaben aufteilen und sich im Unterricht gegenseitig<br />
unterstützen. Die Planung des Unterrichts, das gemeinsame Leiten einer Klasse und<br />
auch die gemeinsame Bewertung von Schülerinnen und Schülern ist ein gutes Mittel,<br />
um der Überforderung von Lehrpersonen entgegenzuwirken. Neben der<br />
Barrierefreiheit eines Schulgebäudes und dem gemeinsamen Lernen im Unterricht,<br />
verantwortet von zwei Lehrpersonen, hat es sich insofern als erfolgreich erwiesen,<br />
die Schule offen werden zu lassen zu seiner Nachbarschaft, um die
nachbarschaftlichen Ressourcen mit einbeziehen zu können (Vgl. Reich 2012, S.98).<br />
Zu den nachbarschaftlichen Organisationen gehören lokale Organisationen und<br />
Vereine (Vgl. ebd. S.100). Neben organisatorischen und architektonischen<br />
Veränderungen brauchen die Lehrerkollegien einer Schule Supervision und<br />
Coaching (Vgl. ebd. S.107). Diese müssen von Schulträgern und Kommunen<br />
finanziert werden, um die Lehrpersonen bestmöglich auf die neuen Situationen<br />
vorzubereiten.<br />
2.2.3 Kommunikative Strukturen – ohne Kommunikation läuft nichts!<br />
Durch Supervision können die kommunikativen Strukturen eines Kollegiums<br />
verbessert werden, weil zum Beispiel Verantwortlichkeiten im Kollegium aufgeteilt<br />
werden. Kommunikative Strukturen erleichtern die Arbeit miteinander, weil<br />
Absprachen getroffen werden und dadurch eine Arbeitsaufteilung erreicht wird. Das<br />
Evaluieren des <strong>Inklusion</strong>sprozesses an einer Schule, ist in einem<br />
kommunikationsbereiten Kollegium erfolgreicher. Innerhalb des Kollegiums ist ein<br />
Austausch über den <strong>Inklusion</strong>sprozess mit dessen unterschiedlichen Auswirkung von<br />
großer Bedeutung, um Zielsetzungen gemeinsam festlegen zu können. Lehrerinnen<br />
und Lehrer untereinander, sowie die Schulleitung, müssen an den gleichen Zielen<br />
arbeiten und gegenseitig wissen, was sich in der Praxis ereignet (Vgl. ebd. S.96). Die<br />
Leitung einer Schule hat die Aufgabe, die Ziele und Vorstellungen von <strong>Inklusion</strong><br />
voranzutreiben. Eine regelmäßig angebotene Sprechstunde für das Kollegium kann<br />
insgesamt und im Einzelnen, eine gute Hilfestellung sein, den Austausch<br />
voranzutreiben (Vgl. ebd. S.98). Innerhalb dieser Sprechstunde kann sich jede<br />
Zielgruppe an die Schulleitung mit Fragen und Problemen wenden, sowie Lob und<br />
Kritik aussprechen.<br />
Ein weiterer Vorschlag kann die Inanspruchnahme von lokalen oder überregionalen<br />
Hilfen sein. Kersten Reich beschreibt in seiner Monographie zum Beispiel die Idee<br />
eines <strong>Inklusion</strong>sbüros, welches eine Anlaufstelle für Eltern, LehrerInnen und alle<br />
anderen <strong>Inklusion</strong>sinteressierte werden kann. Unterstützungsmöglichkeiten und<br />
Antragsverfahren könnten mit einer solchen Einrichtung zentral überblickt werden<br />
(Vgl. ebd. S.101). Innerhalb dieser kommunikativen Struktur müssen Fortbildung<br />
und weitere Maßnahmen zur Implementierung von <strong>Inklusion</strong> besprochen und<br />
angegangen werden.
2.2.4 Lehreraus- und Fortbildungen – Ressourcen schaffen durch<br />
Fortbildungen<br />
Wie im Abschnitt Ressourcenmanagement bereits angesprochen, brauchen<br />
Lehrerinnen und Lehrer einer inklusiven Schule Einführungen in <strong>Inklusion</strong>,<br />
Fortbildungen und Trainings, um den Umgang mit einer heterogenen Schülerschaft<br />
zu erlernen. Empirische Studien belegen, dass fast 60% der Lehrpersonen ihr<br />
theoretisches Wissen über <strong>Inklusion</strong> als unzureichend empfinden (Vgl. Ziemen 2011,<br />
S.128ff.). 80% der Befragten fürchten eine höhere zeitliche Belastung. Nur 15% der<br />
Lehrerinnen und Lehrer schätzen die allgemeine Fortbildungssituation zum Thema<br />
<strong>Inklusion</strong> als positiv ein.<br />
Für die Zukunft der Lehrerinnen und Lehrer, erscheint es daher sinnvoll, eine<br />
Auseinandersetzung mit <strong>Inklusion</strong> schon in die universitäre Ausbildung zu<br />
integrieren. Lehramtsstudierende müssen sich mit dem Thema <strong>Inklusion</strong> intensiv<br />
auseinandersetzen.<br />
Lehrerausbildung<br />
Ursula Böing hat sich mit der Professionalisierung von Lehrpersonen<br />
auseinandergesetzt. Verschiedene Untersuchungen belegten, dass nur ein Drittel der<br />
Lehrpersonen bereit waren, sich mit Schulentwicklungsprozessen<br />
auseinanderzusetzen (Vgl. Böing 2011, S.60). Diese Ausgangslage zeigt ein<br />
herausforderndes Bild, das es gilt aufzuarbeiten. Eine Handlungsmöglichkeit wäre,<br />
den Ansatz der (Sonderschul-) Lehrerausbildung zu verbessern. In Nordrhein-<br />
Westfalen gliedert sich die Ausbildung des Lehrerberufes in einen „theoretischen“<br />
und einen „praktischen Teil“ (Vgl. ebd. S.61). Das im Studium gelernte Wissen soll<br />
in der Zeit des Referendariats, in praktisches Handeln umgesetzt werden. Doch<br />
pädagogisches Handeln kann nach Ursula Böing, immer als ungewisses Handel<br />
umschrieben werden, weil unterrichtliche Situationen durch Ungewissheit und<br />
spontanes Handeln gekennzeichnet sind (Vgl. ebd. S.64). Aus diesem Grund, kann<br />
sich keine Lehrperson in ihrem Handeln jemals sicher sein. Deswegen muss es zur<br />
Ausbildung von Lehrpersonen gehören, den Handlungsprozess in der Praxis zu<br />
begleiten. Sowohl das theoretisch erworbene Wissen, als auch die Praxisphase<br />
müssen sich in Zukunft aufeinander beziehen, um die Professionalisierung von<br />
LehrerInnen zu verbessern.<br />
Andreas Köpfer hat aus diesem Grund das „Theorie-Praxis Seminar“ mit dem Titel:<br />
„Inklusive Schulentwicklung in Köln“, an der Universität zu Köln entwickelt (Vgl.
Köpfer 2011, S.139). In einem Zeitraum von zwei Semestern finden Studierende der<br />
Universität zu Köln die Möglichkeit, gezielte Einblicke in die Praxis des<br />
Gemeinsamen Unterrichts zu bekommen, der mit theoretischen Modellen und<br />
Reflexion im Seminar untermauert wird (Vgl. ebd. S.139). Durch diese Vernetzung<br />
wird Studierenden ein theoretisches Wissen vermittelt, welches sie direkt in der<br />
Praxis anwenden können. Leider findet ein solches Theorie-Praxis Seminar zunächst<br />
nur für Studierende der Sonderpädagogik statt. In Zukunft wäre es erforderlich,<br />
Angebote dieser Art, für alle Lehramtsstudiengänge zu entwickeln, sowie die Anzahl<br />
solcher Angebote auszuweiten.<br />
Lehrerfortbildungen<br />
Lehrerinnen und Lehrer scheinen ihren Erfolg in einer „integrativen Lerngruppe“<br />
daran zu messen, inwieweit es ihnen gelingt, alle Schülerinnen und Schüler zum<br />
selben Lernziel zu führen (Vgl. Amrhein 2011, S.130). Dieses Ziel kann für eine<br />
inklusive Schule nicht gelten, weil das Ziel von schulischer <strong>Inklusion</strong>, die<br />
bestmögliche Förderung jedes Einzelnen ist. Das bedeutet jeder Schüler und jede<br />
Schülerin verfolgt individuelle, persönliche Lernziele. Diese Zielsetzung ist für viele<br />
Lehrerinnen und Lehrern unbekannt und muss in Weiterbildungen erlernt werden. Da<br />
für Veränderungen in Richtung <strong>Inklusion</strong> weniger Bereitschaft da zu sein scheint, als<br />
notwendig, vollzieht sich der Wandel sehr langsam.<br />
Die „Forschungswerkstatt“ bietet sich als ein mögliches Konzept an, die<br />
Professionalisierung eines Lehrerteams voranzutreiben. Ursula Böing beschreibt in<br />
ihrem Artikel das Vorgehen einer „Forschungswerkstatt“, die sich sowohl für<br />
Veränderungen auf der „Mikroebene“ einer Schule, als auch auf der „Mesoebene“<br />
von verschiedenen Schulen positiv auswirken kann (Vgl. Böing 2011, S.66). Das<br />
Prinzip der „Forschungswerkstatt“ basiert auf dem Konzept der Handlungsforschung,<br />
in der sich Aktion und Reflexion im Prozess abwechseln. Zu Beginn werden Fragen<br />
aus der unterrichtlichen Praxis, in der sogenannten „Fallarbeit“, aufgegriffen. Durch<br />
die Arbeit an konkreten Fällen aus der Praxis werden von Lehrerinnen und Lehrern,<br />
gemeinsam Lösungsstrategien entwickelt, die im Unterricht von denselben<br />
ausprobiert werden. Nach der Erprobung erfolgt dann wiederum ein Reflektieren,<br />
welches innerhalb der Gruppe besprochen und ausgewertet wird. Die Arbeit in der<br />
„Forschungswerkstatt“, sollte mindestens ein Schuljahr durchgeführt werden, um<br />
nachhaltig Erfolge zu erzielen. Es empfiehlt sich, für den gesamten Lehr-Lern-<br />
Prozess eine Moderation zu installieren, die den methodischen Verlauf der
Forschungswerkstatt überwacht (Vgl. ebd. S.68). Durch diese Bearbeitung an<br />
konkreten Fallsituationen kann die Selbstmotivation von Lehrerinnen und Lehrern,<br />
als hoch eingeschätzt werden, in einer solchen Forschungswerkstatt mitarbeiten zu<br />
wollen. Auf der Mesoebene lässt sich die „Forschungswerkstatt“ auch mit Kollegien<br />
anderer Schulen vernetzen. Es arbeiten dabei mehrere Kollegien gemeinsam an<br />
unterschiedlichen Fragestellungen. Diese Fragestellungen können sich unter anderem<br />
auf die Didaktik und Lerninhalte beziehen, um Lehrerinnen und Lehrer auf eine<br />
inklusive Didaktik vorzubereiten.<br />
2.2.5 Lerninhalte und inklusive Didaktik – Fächerübergreifende Kompetenzen<br />
und individuelle Förderung, statt einer übertriebenen Ausrichtung auf die<br />
Fachwissenschaften.<br />
In deutschen Schulen werden fächerbezogenen Curricula ein hoher Stellenwert<br />
zugeschrieben (Vgl. Reich 2012, S.101). Schon im Lehramtsstudium werden die<br />
Fachinhalte von den<br />
pädagogischen Inhalten getrennt studiert. Wie bereits<br />
angesprochen setzen sich nur wenige Veranstaltungen mit der Kopplung von<br />
Pädagogik und Fachdidaktik auseinander. 4/5 der Studienzeit werden fachliche<br />
Inhalte studiert gegenüber 1/5 Pädagogik (Vgl. ebd. S.102). Das hat zur Folge, dass<br />
an den Schulen, ein sehr fächerzentriertes Curriculum entsteht. Diese<br />
Fächerzentriertheit hat Auswirkungen auf das Lernen innerhalb der Schule.<br />
[…] die übertriebene Ausrichtung an den Fachwissenschaften, die zukünftige<br />
Lehrer/innen mit reinen Fachstudierenden oft in gleichen Seminaren erfahren,<br />
führt zu einer falschen Einschätzung der späteren beruflichen Tätigkeit und<br />
nicht selten zu Frustrationen, dass das im Studium erworbene Wissen später<br />
nicht zu den Schülerinnen und Schülern passt (ebd. S.103).<br />
Auf die Schule bezogen bedeutet das, dass SchülerInnen im Sekundarbereich mit<br />
hohen Stoffmengen konfrontiert werden, die nur wenig Platz für persönliche<br />
Interessensgebiete zulassen (Vgl. ebd. S.102ff.). Fachübergreifender Unterricht wird<br />
an wenigen Schulen praktiziert. Auch im Abitur wird die Wahlfreiheit der<br />
Schülerinnen und Schüler durch Vorgaben hinsichtlich der Fächerzusammenstellung<br />
eingeschränkt. Die inklusive Schule, muss fächerübergreifende Kompetenzen<br />
berücksichtigen, um allen Schülerinnen und Schülern ausreichend Möglichkeiten zur<br />
persönlichen Weiterentwicklung zu gewährleisten.<br />
Zu den notwendigen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler, zählen vor allem<br />
Grundfertigkeiten in Mathematik und Deutsch, wie Lesen und Rechtschreibung,
sprachliche Kompetenzen, Zahlenverständnis aber auch soziale Kompetenzen und<br />
Kompetenzen im Umgang mit Heterogenität (Vgl. ebd. S.103).<br />
Lehrerinnen und Lehrer sind mitverantwortlich, jeden Schüler und jede Schülerin in<br />
ihren Entwicklungen im Blick zu behalten und die methodischen Vorhaben gezielt zu<br />
koordinieren und an die Schülerinnen und Schüler anzugleichen. Dafür ist es zum<br />
Beispiel wichtig, Unterricht gezielt zu planen. Deswegen muss, neben der<br />
Vernetzung von allgemeinen und fachlichen Kompetenzen, um eine Stoffentlastung<br />
gekämpft werden.<br />
Die Lerninhalte müssen über eine inklusiv angelegte Didaktik vermittelt werden,<br />
damit jedem Schüler und jeder Schülerin die Teilnahme am Unterricht ermöglicht<br />
wird. Kerstin Ziemen spricht von einer „allgemeinen Didaktik und Pädagogik“, die<br />
niemanden ausschließt: „Die inklusive Schule als eine alle Kinder und Jugendliche<br />
(bzw. deren Eltern) willkommen heißende Schule […] betrachtet die Heterogenität,<br />
die Differenz als Chance bzw. als Ressource“ (Ziemen 2011, S.11). Ihre Vorstellung<br />
baut auf der Idee von Georg Feuser auf, dass nur eine „allgemeine“ angelegte<br />
Pädagogik und Didaktik es schafft, Ausgrenzung innerhalb des Schulsystems zu<br />
verhindern. Eine „allgemeine Didaktik“ passt sich den Bedürfnissen und der<br />
Entwicklung der Schülerinnen und Schüler an. Jedes Kind wird in seinem „So-Sein“<br />
angenommen (Vgl. ebd. S.15). Um diesem Ziel gerecht zu werden, bewährten sich<br />
offene Lernformen, sowie das Lernen in Kurssystemen und Lehrgängen und<br />
individuelle Arbeitsformen (Vgl. ebd. S.16). Wie solche Lernformen aussehen, wird<br />
im dritten Kapitel ausführlich behandelt, wo Beispiele für die praktische Umsetzung<br />
ausgeführt werden, um passende Möglichkeiten für den Unterricht zu entdecken und<br />
sich Unterricht in einer inklusiven Schule konkret vorstellen zu können. Viele<br />
Lerninhalte werden an inklusiven Schulen durch das Prinzip der Individualisierung<br />
umgesetzt.<br />
2.2.6 Individualisierung – Eigenständigkeit im Lernprozess vermitteln<br />
„Individualisierung geschieht im Rahmen einer Gemeinschaft und führt wieder zu ihr<br />
zurück“ (von der Groeben 2008, S.41). Mit der Individualisierung verfolgen<br />
Lehrpersonen das Ziel, einen Schüler/eine Schülerin in seiner/ihrer persönlichen<br />
Entwicklung mit für ihn/sie ausgewählten Aufgaben zu unterstützen. Dies geschieht<br />
im Rahmen einer Schülergemeinschaft. Stellt man sich die Individualisierung als<br />
Pendelbewegung vor, so pendelt sie vom Schüler zur Gemeinschaft und zurück. Der<br />
Schüler arbeitet auf der einen Seite an individuellen Aufgaben, die gleichzeitig einen
Stellenwert in dem gemeinschaftlichen Geschehen im Klassenzimmer haben (Vgl.<br />
ebd. S.65).<br />
Für <strong>Inklusion</strong> ist es unentbehrlich Schülerinnen und Schüler individuell zu<br />
betrachten. Wie bereits angesprochen geht es um die Teilhabe aller am gemeinsamen<br />
Lernstoff. Durch eine Individualisierung können Lerninhalte auf die jeweiligen<br />
Schülerinnen und Schüler zugeschnitten werden. Das Prinzip der Individualisierung<br />
beinhaltet, die Schwächen und Stärken eines jeden zu erkennen und den<br />
Schülerinnen und Schülern zur Eigenständigkeit und Eigenverantwortung zu führen<br />
(Vgl. Ziemen 2008, S.161).<br />
2.2.7 Evaluieren – Erfolge und Hindernisse offenlegen<br />
Bei all diesen notwendigen Voraussetzungen und Vorschlägen für <strong>Inklusion</strong> ist es<br />
unbedingt anzustreben, diese zu evaluieren. Haben sich Lehrerkollegien, für<br />
bestimmte Umsetzungen und Planungen entschieden, empfiehlt es sich, diese<br />
mindestens einmal im Jahr zu evaluieren (Vgl. Reich 2012, S.113). Durch eine<br />
Evaluation werden Erfolge und Hindernisse offengelegt, die im weiteren<br />
Prozessverlauf berücksichtigt werden können, um die Schulentwicklung zu einem<br />
noch positiveren Verlauf zu führen. Zielvereinbarungen können sich durch Prozesse<br />
der Evaluation verändern, wenn Ziele erneut gesteckt werden müssen, bevor andere<br />
Ziele erreicht werden können. Auch bei der Evaluation empfehlen sich<br />
Schulpartnerschaften, die einen Austausch zwischen mehreren Schulen bzw. neue<br />
Ressourcen durch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ermöglichen.<br />
Bisher haben sich die einzelnen Kapitel einer „theoretischen“ Vorstellung von<br />
<strong>Inklusion</strong> angenähert, weswegen zu prüfen ist, ob und wie die Theorie in die Praxis<br />
umgewandelt werden kann. In Kapitel drei soll deshalb aufgezeigt werden, wie die<br />
verschiedenen angesprochenen Bereiche in der Praxis verwirklicht werden können.<br />
Dafür werden vier Bereiche der Unterrichtspraxis näher beleuchtet: Unterricht,<br />
Classroom-Management, Umgang im Kollegium, Leistungsbewertung. Die zuvor<br />
behandelte Theorie findet sich in der praktischen Umsetzung wieder, so muss das<br />
bisher Gelesene mit dem folgenden Kapitel zusammenhängend, in einem „inklusiven<br />
Verbund“ betrachtet werden, weil Theorie und Praxis voneinander abhängig sind.
3. Zukunftsmodell <strong>Inklusion</strong> – Schritt 3: <strong>Inklusion</strong> in der Praxis<br />
Das Zukunftsmodell <strong>Inklusion</strong> beabsichtigt Veränderungen in mehreren Bereichen,<br />
die vor allem den Beruf als Lehrer und Lehrerin vor neue Herausforderung stellt.<br />
Lehrpersonen müssen sich auf andere Voraussetzungen einstellen, wenn jeder<br />
Schüler und jede Schülerin Zugang zur Regelschule bekommen wird. „Die Kinder<br />
lernen nicht mehr allein vom Lehrer, sondern vor allem voneinander. Die Lehrkraft<br />
tritt in den Hintergrund und wirkt vor allem als Organisator“ (BLLV 2013, S.1). Der<br />
Unterricht muss sich den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler anpassen. Es<br />
müssen Unterrichtsinhalte von Lehrpersonen ausgewählt werden, die jedem Schüler<br />
passend erscheinen. In Abbildung 5 stellt Katrin Düring die einzelnen Bereiche vor,<br />
sich als Person verändern<br />
(Werte, Einstellungen und Verhalten)<br />
den eigenen<br />
Unterricht<br />
verändern<br />
(lernwirksamer,<br />
schülerorientierter<br />
Unterricht<br />
Felder der<br />
Veränderung<br />
ddddss durch<br />
gemeinsamen<br />
Unterricht<br />
Die Schule<br />
verändert sich<br />
(Konzept,<br />
Struktur,<br />
Management,<br />
Partizipation)<br />
sich verändernde Arbeitsbedingungen<br />
(Rollenklarheit, Aufgaben-bezogenheit u.<br />
Kooperation)<br />
die sich durch die Einführung eines gemeinsamen Unterrichts verändern.<br />
Ein Bereich bezieht sich auf die Lehrperson in ihrer Persönlichkeit. Lehrerinnen und<br />
Lehrer müssen ihre Werte, Einstellungen und ihr Verhalten ändern, um <strong>Inklusion</strong> zu<br />
ermöglichen, sie müssen offen sein für Veränderungen. Als weiteren Bereich muss
sich die Schule verändern. Eine inklusive Schule kann nur gelingen, wenn Schule<br />
sich verändert, wozu Veränderungen im Konzept, Management und in der<br />
Partizipation von allen Beteiligten zählen, viele dieser Veränderungen wurden bereits<br />
in Kapitel zwei behandelt. Außerdem ändern sich durch <strong>Inklusion</strong> die<br />
Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern. Gerade auf diesen Bereich geht<br />
das Kapitel 3.1 ein, wenn es um die Vorbereitung von Unterricht im Team geht. Als<br />
letzten Bereich spricht Düring den eigenen Unterricht an, der sich verändern muss.<br />
Eine Schule, die in ihrem Konzept die Grundsätze der <strong>Inklusion</strong> festhält, braucht<br />
Lehrerinnen und Lehrer, die bemüht sind, diese auch in ihren eigenen Unterricht zu<br />
integrieren.<br />
Viele Lehrkräfte fühlen sich unter diesen Voraussetzungen überfordert und nicht<br />
ausgebildet. Der Umgang mit Kindern mit Behinderung ist ihnen fremd. Sie wissen<br />
nicht, wie sie den Zugang zu diesen Schülerinnen und Schülern herstellen und wie<br />
sie ihnen mit ihrem Unterricht weiterhelfen können. „Ich bin als „normaler“ Lehrer<br />
auf den Umgang mit behinderten Kindern doch überhaupt nicht vorbereitet!“,<br />
(Schöler 2009, S.27) ist eine Aussage, die aus den Lehrerzimmern der Regelschulen<br />
zu hören ist.<br />
Der Beruf des Lehrers war schon vor der Idee und Philosophie der <strong>Inklusion</strong> vom<br />
Burnout bedroht, weil Lehrerinnen und Lehrer vielen Ansprüchen gerecht werden<br />
müssen, nebenbei steigt der Leistungsdruck an Schulen weiter an (Vgl. Didacta<br />
2013, S.2). Mit der politischen Forderung nach <strong>Inklusion</strong> werden weitere Ansprüche<br />
an Lehrpersonen herangetragen, denen sie gerecht werden müssen. Es ist wichtig<br />
angehende Lehrerinnen und Lehrer auf diese Anforderungen bereits im Studium<br />
vorzubereiten, um alternative Wege des Umgangs aufzeigen zu können. Marion<br />
Dunkel sieht die „Akutmaßnahme“ in der Supervision (Vgl. ebd. S.2). <strong>Inklusion</strong> in<br />
Deutschland bedeutet zurzeit noch, mit wenig Ressourcen und wenig ausgebildeten<br />
Lehrkräften alle Schüler gleich gut zu fördern. Deswegen wünschen sich Lehrerinnen<br />
und Lehrer in Zukunft die Möglichkeiten sich weiterzubilden, wie bereits in Kapitel<br />
zwei angesprochen. Supervision gilt als ein Setting das Problem anzugehen. Im<br />
Internet finden sich einige Fortbildungsangebote und Tagungsthemen, die sich mit<br />
unterschiedlichen Schwerpunkten der <strong>Inklusion</strong> beschäftigen.
Universität Hildesheim: 28.2.2013 – 01.03.2013 12. Bundesweite<br />
Expertentagung „Lehrerbildung zwischen Unterrichtsforschung und<br />
Unterrichtsentwicklung“.<br />
Universität zu Köln: 04.02.2013 UK-Fortbildungen Entwicklung von<br />
Handlungsstrategien im inklusiven Unterricht<br />
Schulministerium NRW: 10.04.2013 Gemeinsamer Mathematikunterricht<br />
Schulministerium NRW: 17.04.2013 Basiswissen „Kooperativen Lernens“<br />
– Methoden und Möglichkeiten<br />
Schulministerium NRW: 04.07.2013 Auf dem Weg zur inklusiven Schule<br />
Integrales Zentrum Möhnesee: Fortbildung Changemanagement zum<br />
Thema <strong>Inklusion</strong><br />
Fortbildungen zum Thema <strong>Inklusion</strong>spädagogik in der Schule unter:<br />
www.bildungsserver.de<br />
…<br />
Diese Fortbildungen stellen einen Teil der Ressourcen dar, die für <strong>Inklusion</strong><br />
erforderlich sind. 2014 tritt die Gesetzesänderung zur <strong>Inklusion</strong> in NRW in Kraft, bis<br />
dahin muss von Seiten der Regierung geklärt sein, aus welchen Mitteln die<br />
Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> finanziert wird.<br />
Um Lehrerinnen und Lehrer die Angst zu nehmen, mit schulischer <strong>Inklusion</strong> käme<br />
eine Last auf sie zu, welche sie nicht bewerkstelligen können, sollen nachfolgend<br />
Hinweise und Anregungen gegeben werden, die Lehrerinnen und Lehrer auf<br />
<strong>Inklusion</strong> vorbereiten. Die bereits angesprochenen Bereiche Unterrichtsplanung,<br />
Kooperation im Kollegium, Classroom-Management und Leistungsbewertung<br />
werden in diesem Kapitel beschrieben. Anschließend wird auf eine Empfehlung von<br />
Ulf Preuss-Lausitz und Klaus Klemm eingegangen. In dieser Empfehlung für die<br />
Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> werden verschiedene dieser Bereiche miteinander vernetzt,<br />
um ein umfassendes Bild von inklusivem Unterricht und inklusiver Schulkultur<br />
entstehen zu lassen. Zunächst folgen Ideen zur Unterrichtsplanung.<br />
3.1 Unterrichtsplanungen – Möglichkeiten, Ideen, Visionen, Umsetzung!?!<br />
Planung von Unterricht beschäftigt sich mit der Planung von Unterrichtseinheiten<br />
und der Durchführung dieser. Das Vor- und das Nachbereiten einer Einheit sind für<br />
nachhaltigen Unterricht entscheidend. Unter Punkt 3.1 sollen verschiedene Ideen<br />
vorgestellt werden, die bei der Planung für den Unterricht einer heterogenen Gruppe
helfen. Punkt 3.1.1. beschäftigt sich mit der Vorbereitung von Unterricht im Team.<br />
Danach steht der Umgang mit heterogenen Gruppen im Mittelpunkt. Gerade die<br />
Heterogenität im Klassenzimmer ist eine der größten Barrieren der <strong>Inklusion</strong> und<br />
muss daher gesonderte Aufmerksamkeit bekommen. Unter Punkt 3.1.3 wird eine<br />
Möglichkeit aufgezeigt mit heterogenen Gruppen pädagogisch umzugehen. Die<br />
Delegation von Aufgaben durch „Nonpersonale“ oder „Personale Unterstützung“<br />
kann eine der Möglichkeiten sein, sich als Lehrkraft zu entlasten und gleichzeitig<br />
jedem Schüler und jeder Schülerin im Unterricht individuell, pädagogisch, „gerecht“<br />
zu werden. Als letzten Punkt wird auf den „handlungsorientierten Unterricht“<br />
eingegangen. Auch dieser lässt sich auf die inklusive Praxis übertragen, weil<br />
Schülerinnen und Schüler durch handlungsorientierten Unterricht vielfältige<br />
Möglichkeiten haben sich individuell zu entfalten. Es gibt noch unzählige weitere<br />
Ideen und Handlungsansätze, mit heterogenen Lerngruppen umzugehen. Täglich<br />
kommt neue Literatur zur praktischen Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> auf den Markt.<br />
Deswegen können hier nur einige ausgewählte Ideen vorgestellt werden.<br />
Wie bereits angesprochen kann Unterrichten und die Vorbereitung des Unterrichts<br />
im Team eine Hilfestellung für die Planung von Unterricht sein. Die<br />
Herausforderungen einer Doppelbesetzung wurden bereits im Kapitel 2.2.2<br />
angesprochen. Bereitet man den Unterricht aber als „wirkliches“ Team vor, haben<br />
viele Köpfe mehr Ideen als ein Kopf und kennen sich dabei gleichzeitig in<br />
unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich gut aus. Heterogenität im Kollegium<br />
kann genutzt werden, um lernwirksamen Unterricht an Schulen anbieten zu können,<br />
sowie die einzelnen Kollegen und Kolleginnen organisatorisch zu entlasten.<br />
3.1.1 Planung im Team – Kooperation im Kollegium als Entlastung im<br />
Unterricht<br />
Marianne Wilhelm bewertet Teamarbeit als eine der Grundvoraussetzung, für<br />
wirksamen Unterricht (Vgl. Wilhelm 2005, S.67). Auch empirische Befunde<br />
belegen, dass die Planung im Team eine wichtige Ressource für schulische <strong>Inklusion</strong><br />
bildet (Vgl. Lindsay 2007, S.12). Durch Teamarbeit ist es möglich, jedem Kind die<br />
Aufmerksamkeit zu schenken, die es braucht um sich gut entfalten zu können. Zum<br />
ersten Schritt einer Teamarbeit zählt die Aufgabenverteilung untereinander. Wer<br />
fühlt sich für was verantwortlich? Sind die Rollen unter den Lehrpersonen abgeklärt<br />
und sind die Aufgaben untereinander gleichmäßig verteilt, kann die Arbeit im Team<br />
gelingen. Dabei ist zwischen der Teamarbeit als „Doppelbesetzung“ in einer Klasse
und der Teamarbeit im Kollegium allgemein zu unterscheiden. Die<br />
„Doppelbesetzung“ einer Klasse, betrifft zwei KollegInnen, die sich die<br />
Verantwortung für eine Klassengemeinschaft teilen. Jedem der beiden Lehrkräfte<br />
wird empfohlen, auch einmal die Aufgaben des anderen zu übernehmen (Vgl.<br />
Schöler 2009. S.32). Wenn Zuständigkeiten im Team regelmäßig wechseln, kann auf<br />
der einen Seite Verständnis füreinander aufgebaut werden, auf der anderen Seite<br />
werden die eigenen Stärken und Schwächen erkannt. Zu Beginn einer gemeinsamen<br />
Klassenleitung empfiehlt Jutta Schöler, sich intensiv kennen zu lernen: „Gönnen Sie<br />
sich die Zeit, um diese zweite Lehrerin/den zweiten Lehrer in Ihrer Klasse auch<br />
privat kennen zu lernen“ (ebd. S.33).<br />
Das Gestalten von Unterricht im Team kann unter diesen Voraussetzungen für alle<br />
als Entlastung empfunden werden, weil der tägliche Austausch untereinander für eine<br />
Verbesserung der Förderung im Unterricht sorgt, auch hier gilt wieder, viele Köpfe<br />
sehen und denken mehr.<br />
Die Teamarbeit im Kollegium allgemein, betrifft alle Kollegen und Kolleginnen<br />
einer Schule. An der Montessorischule in Potsdam funktioniert die Teamarbeit, nach<br />
Aussage der Direktorin Ulrike Kegler, seit Jahren gut. Die Teams sind nach<br />
Schuljahren aufgeteilt, das heißt Lehrerinnen und Lehrer der Klassen eins bis drei<br />
bilden das erste Team, die Klassen vier bis sechs werden von einem weiteren Team<br />
betreut, die letzten beiden Teams betreuen die siebten und achten Klassen und die<br />
neunten und zehnten Klassen (Vgl. Kegler 2009, S.159). Durch festgelegte Treffen,<br />
wird die Teamarbeit an dieser Schule beständig. Jeden Mittwochnachmittag treffen<br />
sich alle Teams zur Besprechung. Die Besprechungen sind für zwei Stunden<br />
angesetzt, diese zeitliche Begrenzung wird eingehalten, um eine begrenzte Auswahl<br />
an Themen intensiv behandeln zu können, anstatt viele Themen unkonzentriert zu<br />
bearbeiten. Abwechselnd treffen sich in der einen Woche die Lehrerteams und in der<br />
anderen Woche das ganze Kollegium. Durch solche Strukturen kann der Unterricht<br />
gemeinsam vorbereitet werden. Der Mittwoch als feststehender Termin, ermöglicht<br />
einen geregelten Austausch, was das gemeinsame Vorbereiten des Unterrichts<br />
erleichtert. Erfolge und Probleme mit einzelnen Schülerinnen und Schülern finden<br />
durch eine solche Struktur ebenfalls Platz. Das Einführen von Lehrerteams in<br />
Schulen, stellt auch für den Umgang mit heterogenen Lerngruppen eine<br />
Arbeitsvereinfachung dar, weil ein regelmäßiger Austausch stattfindet und<br />
Möglichkeiten und Probleme besprochen werden kann. Der regelmäßige Austausch
im Kollegium und eine gelungene Teamarbeit, sind für <strong>Inklusion</strong> unverzichtbar, weil<br />
es dadurch möglich ist, allen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Förderbedarf<br />
im Unterricht gerecht zu werden. Gleichzeitig ist Teamarbeit arbeitsentlastend, weil<br />
Lehrpersonen nicht alleine für die Lerngruppe und den Ablauf des Unterrichts<br />
verantwortlich sind.<br />
Eine weitere Möglichkeit der Entlastung besteht darin, Heterogenität im<br />
Klassenzimmer als Ressource zu nutzen. Im nachfolgenden Abschnitt wird erläutert,<br />
wie diese Ressource genutzt werden kann. Dazu werden zunächst „allgemeine“<br />
didaktische Grundlagen vermittelt, um danach gezielte Hilfen vorstellen zu können.<br />
3.1.2 Umgang mit heterogenen Lerngruppen –<br />
Verschiedenheit im Unterricht<br />
Das Wort „heterogen“ stammt ursprünglich von dem griechischen Wort „heteros“,<br />
was so viel bedeutet wie: anders, abweichend (Vgl. Trautmann; Wischer 2011, S.38).<br />
Im schulischen Kontext ist mit „heterogenen Lerngruppen“ eine hohe<br />
Verschiedenheit/Unterschiedlichkeit der Schülerprofile gemeint. Schülerinnen und<br />
Schüler mit unterschiedlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten besuchen eine Klasse.<br />
Darunter befinden sich auch Schüler und Schülerinnen mit sonderpädagogischem<br />
Förderbedarf. Für den Umgang mit heterogenen Lerngruppen müssen sich die<br />
Einstellungen vieler Lehrerinnen und Lehrer ändern. Die TIMSS-Studie hat bestätigt,<br />
dass 63% der deutschen Lehrerinnen und Lehrer, Heterogenität in der Klasse als<br />
starke Berufserschwernis empfinden (Vgl. ebd. S.109). Um diesen Prozentsatz zu<br />
verringern, erwarten Lehrpersonen Hilfestellungen. Die Angst vor<br />
Unterschiedlichkeit muss verringert werden, wenn <strong>Inklusion</strong> an Schulen umgesetzt<br />
werden soll. Dies kann durch das Bereitstellen von didaktisch-methodischen<br />
Kompetenzen geschehen. Unter Punkt 2.2.7 wurde bereits das „Prinzip der<br />
Individualisierung“ erklärt. Dieses Prinzip ist für heterogene Lerngruppen, und damit<br />
für alle nachfolgenden Überlegungen zur Umsetzung, von Bedeutung, weil es im<br />
inklusiven Unterricht immer darum geht, jeden einzelnen Schüler und jede einzelne<br />
Schülerin zu berücksichtigen und gleichzeitig die gesamte Klasse an einem Thema<br />
arbeiten zu lassen.<br />
In den folgenden Abschnitten werden Vorschläge diskutiert, die ein Umdenken für<br />
den Umgang mit Heterogenität im Klassenzimmer erlauben. In all diesen<br />
Unterrichtsvorschlägen kommt es immer darauf an, dass die Passung zwischen den<br />
Lernvoraussetzungen und dem Lernangebot stimmt (Vgl. ebd. S. 120). Sind die
Lernvoraussetzungen und das Lernangebot nicht aufeinander abgestimmt, fehlen<br />
Schülerinnen und Schülern die Voraussetzungen, sich mit dem Lernangebot<br />
angemessen zu beschäftigen.<br />
Deswegen muss man als Lehrperson der Verantwortung gerecht werden,<br />
Schülerinnen und Schüler nicht zu unterfordern und nicht zu überfordern. Unterricht<br />
muss immer im Hinblick auf die Vielfalt der Schüler geplant werden (Vgl. mittendrin<br />
e.V. 2011, S.54).<br />
Annemarie von der Groeben setzte sich mit der Thematik der Verschiedenheit im<br />
Unterricht auseinander. In ihrer Monographie bringt sie viele praktische Beispiele<br />
zur Umsetzung eines Unterrichtes, in heterogenen Lerngruppen. Um Lernen für alle<br />
zu ermöglichen, muss ihrer Meinung nach die Balance im Unterricht stimmen. Die<br />
Balance entsteht zwischen dem Individuum, der Sache und der Gruppe (Vgl. von der<br />
Groeben 2008, S.14ff.) Damit ist die Balance zwischen den einzelnen Schülerinnen<br />
und Schülern, dem Lerngegenstand und der Gemeinschaft innerhalb der Klasse<br />
gemeint.<br />
Individuum<br />
Sache<br />
Gruppe<br />
Abbildung 6: Faktoren im Unterricht (Von der Groeben 2008, S.14ff.)<br />
Das Schaubild verdeutlicht diese Balance anhand eines gleichseitigen Dreiecks.<br />
Schülerinnen und Schüler, die Gemeinschaft und der Lerngegenstand müssen im<br />
Unterricht berücksichtigt werden. Dabei steht der Schüler (hier benannt mit<br />
Individuum) im Mittelpunkt und bekommt eine individuelle Berücksichtigung im<br />
Unterricht. Schülerinnen und Schüler reagieren auf Inhalte im Unterricht, sie zeigen<br />
durch ihre Motivation, ob ihnen der Unterricht Spaß macht oder nicht.<br />
Auch die Gemeinschaft in einer Klasse spielt eine wichtige Rolle für das Lernen,<br />
Streitigkeiten innerhalb der Klasse wirken sich auf die Stimmung der Schülerinnen<br />
und Schüler und damit auch auf den Unterricht aus. Lehrerinnen und Lehrer haben<br />
die Aufgabe dies im Unterricht zu berücksichtigen.
Gleichzeitig fehlt in diesem Schaubild eine wichtige Komponente: die Lehrperson. In<br />
Abbildung sieben wurde das gleichseitige Dreieck durch ein Viereck ersetzt, um die<br />
Lehrperson als weitere wichtige Komponente mit aufnehmen zu können.<br />
Individuum<br />
Sache<br />
Gruppe<br />
Abbildung 7: Faktoren im Unterricht Lehrperson<br />
(erweitert)<br />
Die viel diskutierte „Hattie Studie“ bestätigt, dass guter Unterricht von der<br />
Lehrperson abhängig ist. In einem Interview erklärt John Hattie, dass Schülerinnen<br />
und Schüler auf Feedback angewiesen sind (Vgl. Berger 2012, S.1). Hattie empfiehlt<br />
Lehrkräften, bei den Schülerinnen und Schülern nachzufragen und sich von ihnen ein<br />
Feedback über den eigenen Unterricht geben zu lassen. Andererseits sollen sich auch<br />
Schülerinnen und Schüler von der Lehrperson Feedback geben lassen: „sie brauchen<br />
Anleitung auf unterschiedlichen Ebenen, tiefer und weniger tief gehend“ (ebd. S.2).<br />
Weitere empirische Befunde weisen ebenfalls auf die Wichtigkeit der Lehrperson<br />
hin: „Teachers attitudes, as well as their behaviors have been proposed as a key<br />
factor in successful inclusive education“(Lindsay 2007, S.13). Deshalb ist es für die<br />
Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> wichtig, Lehrerinnen und Lehrer mit <strong>Inklusion</strong> vertraut zu<br />
machen. Auch ein inklusiver Unterricht kann nicht ohne die Instruktionen von<br />
Lehrpersonen stattfinden.<br />
Von der Groeben sieht Schulentwicklung als Gemeinschaftsleistung aller. Nach<br />
ihrem Verständnis verläuft die Schulentwicklung durch das Mitwirken aller in<br />
kleinen Schritten (Vgl. von der Groeben. S.11). Die Umgestaltung des eigenen<br />
Unterrichts, kann daher als ein erster Schritt gesehen werden, die eigene Schule zu<br />
einer inklusiven Schule umzugestalten.<br />
Von der allgemeinen Didaktik im Unterricht wird im Folgenden auf konkrete<br />
Vorschläge eingegangen, die Lehrerinnen und Lehrer auf der einen Seite entlasten
und auf der anderen Seite einen hohen Lerncharakter für Schülerinnen und Schüler<br />
aufzeigen. Das Unterrichten in heterogenen Lerngruppen steht dabei im Mittelpunkt.<br />
3.1.3 Delegation von Aufgaben – Ideen zur Entlastung der Lehrperson im<br />
inklusiven Unterricht<br />
Hans Wocken stellt in seinem Buch „das Haus der inklusiven Schule“ eine Idee vor,<br />
Lehrerinnen und Lehrer vor mehr Arbeit durch <strong>Inklusion</strong> zu entlasten. Nach Wocken<br />
ist die Delegation von Aufgaben an „personale und nonpersonale Hilfen“ eine<br />
Möglichkeit, inklusives Lernen zu gestalten. Unter „nonpersonalen“ Hilfen versteht<br />
Wocken, die Delegation von Lehrfunktionen an Aufgaben und Aufträge im offenen<br />
Unterricht (Vgl. Wocken 2011, S.150ff.). Zum offenem Unterricht zählen<br />
verschiedene Methoden: Stationenlernen, Wochenplanunterricht, Projektunterricht,<br />
Freiarbeit, Werkstattarbeit, Portfolioarbeit. Durch diese Methoden können im<br />
offenen Unterricht Schülerinnen und Schüler an differenzierten Lerngegenständen<br />
lernen. Die Aufgaben und Aufträge, die im „offenen Unterricht“ verteilt werden, sind<br />
das Medium des Unterrichts: „Man kann guten Unterricht in gewisser Weise als<br />
Arbeiten an Aufgaben verstehen“ (ebd. S.151). Unter „personalen Hilfen“ versteht<br />
Wocken vor allem die Personen der Schülerinnen und Schüler selbst: „Schüler sind<br />
kostbare und zugleich auch kostengünstige Ressourcen in einem inklusiven<br />
Unterricht“ (ebd. S.162). Im kooperativen Lernen können sich Schülerinnen und<br />
Schüler austauschen und gegenseitig helfen, was wiederum eine Entlastung der<br />
Lehrperson nach sich zieht. Die Delegation an nonpersonale und personale Hilfen<br />
soll im Folgenden ausführlich beleuchtet werden.<br />
3.1.3.1 Nonpersonale Hilfen – Entlastung durch Aufgaben und Methoden<br />
Die Arbeit im offenen Unterricht an ausgewählten Arbeitsmaterialien, lässt<br />
Schülerinnen und Schüler selbstständig werden, wenn sie sich mit dem<br />
Aufgabenmaterial auch selbstständig auseinandersetzen können. Dabei darf jedoch<br />
nicht davon ausgegangen werden, dass die Delegation an nonpersonale Hilfsmittel<br />
eine Beschäftigungstherapie darstellt. Es kommt nicht darauf an, den Schülerinnen<br />
und Schüler viele Arbeitsblätter bereit zu stellen, sondern auf deren Qualität. Gute<br />
Arbeitsblätter sind nach Wocken produktive Arbeitsblätter, die Schülerinnen und<br />
Schüler zu vielschichtigem Denken auffordern (Vgl. ebd. S.151).
Die bereits genannten Settings Offenen Unterrichts sind richtungsweisend für die<br />
Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler (Vgl. ebd. S.150f.).<br />
Neben der Methode ist für Wocken die Wahl des Materials von zentraler Bedeutung<br />
im inklusiven Unterricht. Aufgabentypen, die sich für offenen Unterricht eignen,<br />
erfüllen bestimmte Merkmale (Vgl. ebd. S.160ff.). Sie bieten den Schülerinnen und<br />
Schülern an, selbstständig zu arbeiten, bzw. in Kleingruppen knifflige Aufgaben zu<br />
lösen. Als Merkmal zählt die Selbstkontrolle. Aufgabentypen im inklusiven<br />
Unterricht können von Schülerinnen und Schülern, selbst kontrolliert werden. Die<br />
Selbstkontrolle fördert auf der einen Seite die Selbstständigkeit der Schülerinnen und<br />
Schüler, und entlastet auf der anderen Seite die Lehrperson. Außerdem bieten<br />
Aufgabentypen im offenen Unterricht, Möglichkeiten zur Differenzierung, ein<br />
Vorschlag von Wocken sind offene Rechenaufgaben z.B.:„Finde viele<br />
Rechenaufgaben mit dem Ergebnis 1000“ (ebd. S.152). Diese Differenzierung bietet<br />
Kindern die Möglichkeit, eine Aufgabe durch unterschiedliche Lernwege zu lösen.<br />
Weitere offene Aufgabenstellungen in anderen Fachbereichen könnten sein:<br />
Deutsch<br />
Schreibe eine Geschichte zu einem Thema deiner Wahl.<br />
Englisch<br />
Biologie<br />
Chemie<br />
Schülerinnen und Schüler lernen mit ihren Karteikästen Vokabeln.<br />
Dabei lernt jeder Schüler und jede Schülerin die Vokabeln, die für<br />
ihn oder sie gerade anstehen.<br />
Erstelle ein Plakat zu einem Tier deiner Wahl. Überlege dir zu<br />
deinem ausgewählten Tier einen Kurzvortrag, den du vor der<br />
Klasse halten kannst.<br />
Das Buch der Experimente: Suche dir ein Experiment aus, und<br />
stelle es der Klasse vor.<br />
Sachunterricht Das Wassertagebuch: wie viel Wasser verbrauchst du am Tag?<br />
Erstelle ein Wassertagebuch, in dem du festhältst wie viel Wasser<br />
du am Tag verbrauchst.<br />
Tabelle 1: Tabelle1<br />
Es gibt unzählige Möglichkeiten für Aufgabenstellungen in den verschiedensten<br />
Bereichen, die den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zur selbstständigen
Bearbeitung und Auseinandersetzung bieten. Nicht alle müssen das Merkmal der<br />
Selbstkontrolle erfüllen. Bei manchen steht am Ende eine Präsentation oder der<br />
Vergleich innerhalb der Klasse, wie zum Beispiel bei dem Vorschlag im<br />
Sachunterricht ein Wassertagebuch zu führen. Für das Zukunftsmodell <strong>Inklusion</strong>,<br />
haben solche Ideen einen präventiven Charakter vor der Überforderung von<br />
Lehrpersonen. Als Lehrperson im inklusiven Unterricht ist es bedeutsam diese<br />
Vorschläge auf den eigenen Unterricht anzuwenden, um sich selbst zu entlasten und<br />
den Schülerinnen und Schülern einen bestmöglichen Unterricht zu gewährleisten.<br />
Neben den nonpersonalen Hilfen durch Aufgaben, geht Wocken auf personale Hilfen<br />
ein, die direkt durch Schülerinnen und Schüler übernommen werden können.<br />
3.1.3.2 Personale Hilfen – Entlastung durch Schülerinnen und Schüler<br />
„In der Tat kann man das kooperative Lernen als den Königsweg eines inklusiven<br />
Unterrichts ansehen“(Wocken 2011, S.63). Wocken verdeutlicht, dass das<br />
selbständige Arbeiten von Schülerinnen und Schülern in einer Gruppe, eine<br />
hochbedeutsame Ressource im (inklusiven) Unterricht ist. Kooperative Lernformen<br />
bieten Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler in Teams selbstständig arbeiten zu<br />
lassen. Kooperatives Lernen beinhaltet folgende Grundmerkmale: ein Schülerteam<br />
besteht aus drei bis fünf Schülerinnen und Schülern, diese Teams gelten<br />
grundsätzlich als heterogen, die Zusammensetzung der Teams erfolgt mit Hilfe der<br />
Lehrperson, die Gruppen bleiben für mehrere Monate und Projekte ein Team (Vgl.<br />
ebd. S.163f.). Für den inklusiven Unterricht sind nach Wocken vor allem<br />
Heterogenität und die zufällige Zusammenstellung der Gruppe von Bedeutung. Es<br />
geht im kooperativen Lernen nicht darum, Schülerinnen und Schüler mit denselben<br />
Interessen und Stärken zu bündeln. Stattdessen empfiehlt es sich, Schülerinnen und<br />
Schüler mit ungleichen Interessen und Fähigkeiten in einer Gruppe zusammen<br />
arbeiten zu lassen, um sich gegenseitig zu ergänzen. Wockens Ansatz zur<br />
Gruppenfindung erfolgt nach dem „Prinzip des Zufalls“. Nicht die Lehrperson<br />
überlegt, welche Schülerinnen und Schüler in welche Gruppe passen, sondern der<br />
Zufall entscheidet. Der Ansatz der zufälligen Gruppenfindung ermöglicht es<br />
Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite, von den Stärken der Schülerinnen und<br />
Schüler überrascht zu werden, auf der anderen Seite zeigen Beispiele aus der Praxis,<br />
dass es Schülerinnen und Schüler gibt, die mit bestimmten Klassenkameraden<br />
konfliktfrei arbeiten können und mit anderen nicht. Es kann deshalb in Frage gestellt<br />
werden, ob zufällige Gruppenkonstellationen für alle Schülerinnen und Schüler die
este Methode ist. Neben den Gruppenkonstellationen geht Wocken auf weitere<br />
Ziele ein, die durch kooperatives Lernen erreichet werden sollen.<br />
Ziele kooperativen Lernens<br />
1. Positive Interdependenz<br />
Positive Interdependenz kommt zustande, wenn alle Schülerinnen und Schüler einer<br />
Gruppe gemeinsam auf ein Ziel hin arbeiten (Vgl. ebd. S.164ff.). Am Ende einer<br />
gemeinsamen Gruppenphase wird nicht festgelegt, welche Gruppe sich am besten<br />
geschlagen hat, sondern hervorgehoben, dass alle gemeinsam für das Gelingen des<br />
Projektes verantwortlich sind. Dafür ist es unvermeidbar, die Strukturen der Projekte<br />
transparent zu halten. Lehrkräfte sind aufgefordert, vor einer Gruppenphase ihre<br />
persönlichen Erwartungen an die Schülerinnen und Schüler zu richten. Gleichzeitig<br />
erfragen sie, welche Erwartungen die Schülerinnen und Schüler an ihr eigenes<br />
Projekt und an die Gruppe haben. Der Austausch von Erwartungen untereinander,<br />
ermöglicht jedes Mal eine hohe Transparenz, die für das Erreichen einer Zielsetzung<br />
von Bedeutung sein kann.<br />
2. Persönliche Verantwortlichkeit<br />
Kooperatives Lernen ist dann erfolgreich, wenn jedes Mitglied der Gruppe etwas auf<br />
dem Weg zum Ziel beigetragen hat (Vgl. ebd. S.165). Jeder Schüler und jede<br />
Schülerin der Gruppe muss einen Beitrag zum Projekt geleistet haben. Lehrpersonen<br />
haben die Aufgabe Schülerinnen und Schüler zur Aufgabenverteilung anzuregen.<br />
3.Direkte und förderliche Interaktionen<br />
Interaktionen innerhalb der Gruppe, machen kooperatives Lernen aus. In der Gruppe<br />
achtet jeder, auf einen freundlichen, sachlichen Umgang. Lehrerinnen und Lehrer<br />
haben die Aufgabe die Gruppen in ihrer Kommunikation zu unterstützen, wenn es<br />
nötig ist (Vgl. ebd. S.165).<br />
4. Kooperative Arbeitstechniken und soziale Kompetenzen<br />
Kooperative Arbeitstechniken und soziale Kompetenzen ergänzen den Punkt drei der<br />
direkten und förderlichen Interaktionen. Auch hier kann die Lehrperson Gruppen<br />
helfen, indem sie kooperative Arbeitstechniken vorstellt und vorschlägt. Die sozialen<br />
Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern werden innerhalb des kooperativen<br />
Lernens immer wieder auf die Probe gestellt. Schülerinnen und Schüler müssen sich<br />
aufeinander einstellen, das fordert von dem einen viel Eingewöhnung für die andere<br />
gilt dies als eine Selbstverständlichkeit (Vgl. ebd. S.165).
5. Reflexion und Evaluation der Gruppenprozesse<br />
Am Ende einer Gruppenarbeitsphase ist es wichtig, die getroffenen Zielsetzungen<br />
und den Arbeitsprozess zu überprüfen. Lehrerinnen und Lehrer können die<br />
Schülerinnen und Schüler anleiten bzw. Hilfestellungen zur eigenen Evaluation in<br />
Form von Fragebögen anbieten (Vgl. ebd. S.165).<br />
Tabelle 2: Tabelle2<br />
Durch kooperatives Lernen verändert sich sowohl die Haltung der Lehrperson, als<br />
auch die Haltung der Schülerinnen und Schüler zum Unterricht. Als Lehrperson ist es<br />
nicht mehr entscheidend an der Tafel stehend guten Unterricht zu halten. Es geht<br />
darum, die Schüler und Schülerinnen zu selbstständigen Lernern auszubilden und als<br />
Lehrerin und Lehrer die Lernenden zu begleiten. Das bedeutet auf keinen Fall, dass<br />
eine Lehrerin oder ein Lehrer keine Verantwortung für die Gruppe tragen muss, die<br />
Verantwortung liegt aber zu einem großen Teil auch bei den Schülern und<br />
Schülerinnen, was in inklusiven Settings viele Vorteile hat, weil dadurch z.B.<br />
individuelle Förderung ermöglicht werden kann. Auch hier hat die Berücksichtigung<br />
von Schülerinnen und Schülern als personelle Ressourcen für die Lehrperson eine<br />
entlastende Funktion, zugleich lernen die Schülerinnen und Schüler ihre soziale<br />
Kompetenzen auszubauen.<br />
Die folgende Tabelle verdeutlicht, wie die Lehrfunktionen des Lehrers auf der einen<br />
Seite und die Lernfähigkeit der Schüler auf der anderen Seite den Unterricht<br />
gegenseitig beeinflussen. Beides muss in Abhängigkeit voneinander gesehen werden.<br />
Wenn eine Lehrperson ihren Unterricht vorbereitet, bestimmt sie die Lernziele und<br />
begründet diese. Dennoch bestimmen im Unterricht die Schülerinnen und Schüler,<br />
was sie aus dem Lerngegenstand machen. Auch sie haben eigene Lernziele und<br />
davon ausgehend eine eigene Motivation. Die Eigenmotivation von Schülerinnen<br />
und Schülern muss bei der Unterrichtsgestaltung mit beachtet werden. Auch bei der<br />
Steuerung der Lerntätigkeit, der Leistungsbeurteilung und der Motivation und<br />
Konzentration, gibt es immer die Seite der Lehrkräfte und die Seite der Schülerinnen<br />
und Schüler. Werden beide Seiten beachtet, entsteht eine geteilte Verantwortung für<br />
den Unterricht zwischen Lehrerinnen/Lehrern und Schülerinnen/Schülern, was<br />
inklusive Unterrichtsgestaltung ausmacht.
Lehrfunktionen des Lehrers Lernfähigkeit der Schüler<br />
1.Vorbereitung des Lernens 1.Selbstbestimmung des<br />
Lernprogramms<br />
-Bestimmen der Lernziele<br />
-Begründen der Lernziele<br />
-Motivieren zum Lernen<br />
-Planung und Organisation des<br />
Lernprozesses<br />
-Aktivierung des Vorwissens<br />
-Selbstbestimmung der Lernziele<br />
-Selbstbewusstsein über Relevanz der<br />
Lernziele<br />
-Eigenmotivation zum Lernen<br />
-Selbstorganisation des Lernprozesses<br />
-Rückbesinnung auf das Vorwissen<br />
2. Steuerung der Lerntätigkeiten 2. Selbstregulierung des Lernens<br />
-Lerninhalte darbieten und erklären<br />
-Lernfortschritte überprüfen<br />
-Anleitung und Transfer des Gelernten<br />
-Lerninhalte selbst erarbeiten<br />
-Lernfortschritte selbst beurteilen<br />
-Selbstständiges Anwenden<br />
-Anleitung zur Reflektion der Lernprozesse -Selbstständige Reflektion der<br />
Lernerfahrungen<br />
3. Leistungsbeurteilung 3.Selbstbeurteilung<br />
-Feedback über das Lernen geben<br />
-Lernprozesse und –Ergebnisse beurteilen<br />
-Sich selbst Feedback geben<br />
-Lernergebnisse selbst realistisch beurteilen<br />
4. Motivation und Konzentration 4. Motivation und Konzentration<br />
-Motivieren zum Lernen<br />
-Eigenmotivation zum Lernen<br />
-Konzentriertes Lernen sicherstellen -Selbst konzentriertes Lernen anstreben<br />
Tabelle 3: Transformation von Lehrfunktionen des Lehrers in Lerntätigkeiten der Schüler (Wocken 2011,<br />
S.148)<br />
Als Lehrerin/Lehrer in einem inklusiven Kontext muss ich mich mit solchen<br />
Unterrichtskonstrukten, wie in der Tabelle dargestellt, auseinandersetzen. Ich muss<br />
den Wechsel zwischen meiner eigenen Herangehensweise an Unterricht und der<br />
persönlichen Meinung und den Austausch der Schülerinnen und Schüler<br />
untereinander, in einen günstigen Zusammenhang bringen. Durch diese Einsicht,<br />
können Lehrerinnen und Lehrer im inklusiven Unterricht für alle Schülerinnen und<br />
Schüler Lerngelegenheiten schaffen. Aus dieser Herangehensweise von Unterricht
und mit diesen Ideen kann eine zentrale Fragestellung formuliert werden, die eine<br />
Zielsetzung im inklusiven Unterrichts beschreibt: Wie kann ich Schüler und<br />
Schülerinnen motivieren, sich selbstständig mit einem bestimmten Thema<br />
auseinanderzusetzen? Um diese Fragestellung zu beantworten muss ich als<br />
Lehrerin/Lehrer meine Schülerinnen und Schüler kennen. Ich muss mich mit ihnen<br />
persönlich auseinanderzusetzen und ihnen individuelle Lerngelegenheiten im<br />
Unterricht zur Verfügung zu stellen, ohne sie aus dem Kontext der Gemeinschaft zu<br />
nehmen. Hier kann wieder das Prinzip der Individualisierung aufgegriffen werden.<br />
Ein weiterer Vorschlag berücksichtigt die gegenseitige Unterstützung von<br />
Schülerinnen und Schülern untereinander. Beim tutoriellen Lernen arbeiten jeweils<br />
zwei Schüler/Schülerinnen gemeinsam an einem Lerngegenstand (Vgl. ebd.<br />
S.171ff.). Es bilden sich Lerntandems, die in der Regel leistungsheterogen und/oder<br />
altersheterogen zusammengesetzt sind. Ein Schüler/eine Schülerin übernimmt die<br />
Rolle des Tutors, der oder die andere übernimmt die Rolle des Schülers. Dabei<br />
profitieren die Lernpartner in beiden Rollen (Vgl. ebd. S.172). Als „Lehrer“<br />
wiederholt man den Stoff und setzt sich nochmal intensiver mit diesem auseinander,<br />
um ihn vermitteln zu können. Als „Schüler“ ist es hilfreich sich das zu Erlernende<br />
noch einmal von jemand anderem erklären zu lassen. Schüler und Schülerinnen<br />
untereinander finden oft einen anderen Zugang zum Lerngegenstand als Lehrerinnen<br />
und Lehrer, weswegen die Hilfestellungen sehr gezielt sein können. Im inklusiven<br />
Setting erleichtert das tutorielle Lernen in heterogenen Gruppen die Aufgabe der<br />
Lehrperson, wobei es gleichzeitig einen Lerneffekt für alle Beteiligten hat. Nicht nur<br />
der Lernstoff wird wiederholt bzw. vermittelt, sondern soziale Faktoren wie Geduld,<br />
Zuhören usw. werden eingeübt, wenn sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig<br />
unterrichten.<br />
Durch die Delegation von Aufgaben kann es Lehrpersonen gelingen einen inklusiven<br />
Unterricht zu gestalten, ohne die Angst vor Überforderung zu entwickeln. Der<br />
Unterricht muss von direktem Unterricht zu indirektem Unterricht verändert werden.<br />
Es geht nicht darum, sich als Lehrperson in Szene zu setzten und an der Tafel<br />
vorzurechnen. Es geht vielmehr darum, eine Lernumgebung zu schaffen, die indirekt<br />
die Kinder dazu auffordert sich mit einem Lerngegenstand beschäftigen zu wollen.<br />
„Der inklusive Lehrer ist der Innenarchitekt einer Lernlandschaft, die für<br />
selbstständige differenzierte Arbeitsprozesse von heterogenen Gruppen vorbereitet
sein will“ (ebd. S. 186). Diese Lernlandschaft kann durch die Unterstützung von<br />
nonpersonalen und personalen Hilfen gelingen.<br />
In Abbildung 8 sind die nonpersonalen und personalen Hilfen zusammengefasst<br />
dargestellt. Durch das Zusammenspiel von diesen beiden Hilfestellungen, wird es für<br />
Lehrerinnen und Lehrer einfacher, „inklusiven“ Unterricht vorzubereiten und<br />
durchzuführen, weil diese Möglichkeiten vielfältige Chancen schaffen, Schülerinnen<br />
und Schüler in ihrem selbstständigen Arbeiten zu fördern.<br />
Unterstützung für<br />
die Lehrperson<br />
Personale Hilfen<br />
Nonpersonale Hilfen<br />
- kooperatives Lernen<br />
- tutorielles Lernen<br />
Abbildung 8: Unterstützung für die Lehrperson<br />
- produktive Arbeitsblätter<br />
- Methoden offenen Unterrichts<br />
3.1.4 Weitere Möglichkeiten – Handlungsorientierter Unterricht: “vom Tun im<br />
Unterricht“<br />
Eine weitere Idee wirkungsvollen Unterricht für heterogene Lerngruppen zu<br />
arrangieren ist der Handlungsorientierte Unterricht. Durch diesen ist die individuelle<br />
Förderung jedes Einzelnen möglich, weil jeder in seinem Ermessen mit einem<br />
Lerngegenstand lernen kann (Vgl. von der Groeben. S.29). Der Unterricht wird nicht<br />
allein von der Lehrperson gehalten, sondern die Lehrperson gibt das verantwortliche<br />
Lernen der Schülerinnen und Schüler, an einen Lerngegenstand ab. Schülerinnen und<br />
Schüler haben im handlungsorientierten Unterricht die Aufgabe, sich allein oder in<br />
einer Gruppe mit einem Lerngegenstand zu beschäftigen. Als wichtiges Merkmal des<br />
handlungsorientierten Unterrichts gilt das Lernen mit allen Sinnen.<br />
Als „handlungsorientiert“ bezeichnen wir einen Unterricht, in dem die<br />
Schülerinnen und Schüler nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit den<br />
Händen und Füßen, mit dem Herzen und allen Sinnen lernen können (Jank;<br />
Meyer 1991, S.315).
Dabei ist der handlungsorientierte Unterricht als ganzheitlicher und schüleraktiver<br />
Unterricht zu verstehen (Vgl. ebd. S.315). Schülerinnen und Schüler nähern sich<br />
durch eigenes „Tun“ einem Lerngegenstand. Für den Geschichtsunterricht bedeutet<br />
das zum Beispiel, Werkzeuge aus der Steinzeit selbst herzustellen. Die Herstellung<br />
von Werkzeugen wird von den Schülerinnen und Schülern gern und wirksam mit<br />
dem geschichtlichen Kontext in Verbindung gebracht, wodurch sich der Schüler/die<br />
Schülerin aktiv mit dem Lerngegenstand auseinandersetzt<br />
Hilbert Meyer und Werner Jank beschreiben fünf weitere Merkmale von<br />
Handlungsorientiertem Unterricht.<br />
Merkmale im Handlungsorientierten Unterricht<br />
1.Interessenorientierung<br />
Die Interessen von Schülerinnen und Schülern stehen im Mittelpunkt des<br />
Unterrichts. Schülerinnen und Schüler sollen sich ihren eigenen<br />
Interessen bewusst werden, und lernen diese kritisch zu reflektieren und<br />
weiterzurentwickeln (Vgl. ebd. S.316).<br />
2. Selbsttätigkeit und Führung<br />
Schülerinnen und Schüler nehmen die Chance war, sich den<br />
Lerngegenstand selbst zu erarbeiten. Meyer und Jank weisen darauf hin,<br />
dass diese Selbstständigkeit erst durch einen gezielten Aufbau der<br />
Handlungskompetenzen von den Schülerinnen und Schülern erlernt<br />
werden muss (Vgl. ebd. S.316). Das bedeutet, dass es wichtig ist,<br />
Schülerinnen und Schüler im Unterricht langsam an ihre Selbsttätigkeit<br />
heranzuführen und ihnen Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, durch<br />
die sie ihre Selbsttätigkeit verbessern können.<br />
3. Verknüpfungen von Kopf- und Handarbeit<br />
Eine „dynamische Wechselwirkung“ zwischen Kopf- und Handarbeit<br />
ermöglicht lerngerechten Unterricht (Vgl. ebd. S. 317).<br />
Handlungsorientierter Unterricht verbindet Theorie und Praxis<br />
miteinander. Wie das Beispiel im Geschichtsunterricht bereits<br />
verdeutlicht hat.<br />
4.Einübung in solidarisches Handeln<br />
<strong>Inklusion</strong> realisiert sich beinahe nahtlos, wenn die Arbeit im Unterricht
von solidarischem Handeln geprägt ist. Die Arbeit im solidarischen<br />
Handeln zu vollziehen bedeutet, diese „[…]nicht am persönlichen<br />
Vorteil, sondern am gemeinsamen Nutzen […]“ (ebd. S.319) zu<br />
vollziehen. Gruppenarbeiten stehen im handlungsorientierten Unterricht<br />
im Vordergrund. Schülerinnen und Schüler können sich aber auch dafür<br />
entscheiden, in Einzelarbeit zu arbeiten.<br />
5. Produktorientierung<br />
„Handlungsprodukte sind die veröffentlichungsfähigen materiellen,<br />
szenischen und sprachlichen Ergebnisse der Unterrichtsarbeit“ (ebd.<br />
S.319). Am Ende einer Unterrichtseinheit ist in allen Schülergruppen ein<br />
Produkt zustande gekommen, welches den Lernerfolg von Schülerinnen<br />
und Schülern bestätigt. Ein solches Produkt kann ein Rollenspiel, ein<br />
Kunstwerk, ein Vortrag usw. sein.<br />
Tabelle 4: Tabelle4<br />
Die fünf Merkmale verdeutlichen, was im Handlungsorientierten Unterricht wichtig<br />
ist. Für <strong>Inklusion</strong> kann handlungsorientierter Unterricht eine Chance sein, Schüler<br />
individuell zu fördern. Das Interesse jedes Einzelnen wird in den Mittelpunkt des<br />
Unterrichtsgeschehens gerückt. Gerade für inklusive Settings, ermöglicht diese Art<br />
zu unterrichten eine gezielte Förderung jedes Einzelnen in seinen Interessen. Vor<br />
allem das Endprodukt, was Schülerinnen und Schüler zur Arbeit mit Kopf und Hand<br />
anregt, verspricht ein Erfolgserlebnis, welches sich positiv auf die Motivation jedes<br />
Einzelnen ausüben kann. Alle Schülerinnen und Schüler können sich im<br />
handlungsorientierten Unterricht mit ihren Fähigkeiten und Interessen einbringen.<br />
Der Unterschied zum kooperativen Lernen liegt in der Auswahl des Lerninhaltes.<br />
Handlungsorientierter Unterricht berücksichtigt vor allem, dass der Lerninhalt die<br />
Schülerinnen und Schüler zum Handeln auffordert. Schülerinnen und Schüler sollen<br />
im handlungsorientierten Unterricht zum Ausprobieren und Experimentieren<br />
aufgefordert werden, anstatt ihre Zeit mit dem Ausfüllen von Arbeitsblättern zu<br />
verbringen.<br />
Um sich selbst ausprobieren zu können, brauchen Kinder Zeit, die in deutschen<br />
Schulen nur knapp bemessen ist (Vgl. von der Groeben 2008, S.32). Lernen als<br />
„dramatischer Wettlauf“ mit der Zeit, ist seit der Verkürzung des Abiturs auf 12<br />
Jahre, für viele Schülerinnen und Schüler ein Problem. Es wird häufig nicht darauf<br />
geachtet, Nachhaltigkeit im Lernen anzustreben, sondern eher wird davon
ausgegangen, dass möglichst viel Wissen für einen begrenzten Zeitraum<br />
„eingetrichtert“ wird. Eine „verkopfte Paukschule“ benennt Annemarie von der<br />
Groeben das derzeitige Schulsystem. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen<br />
Ressourcen zu nutzen, um schlechte vorhandene Strukturen zu ändern. Kooperative<br />
Lernformen, Tutorieller Unterricht, Delegation von Aufgaben und<br />
handlungsorientierter Unterricht müssen in inklusiven Schulen als Chance genutzt<br />
werden, Unterricht zu gestalten.<br />
Wenn Schulen sich verändern, geben Lehrerinnen und Lehrer ihre Rolle des<br />
einsamen (Unter-)Richtens und (Be-)Urteilens auf. Sie treten in einen<br />
gemeinsamen Dialog über ihre Schülerinnen und Schüler und über ihren<br />
Unterricht (Kegler 2009, S.159).<br />
Durch dieses Zitat greift Ulrike Kegler auf, was am Anfang dieses Kapitels der<br />
Unterrichtsgestaltung erläutert wurde. Der Austausch im Team ist eine wichtige<br />
Ressource, um mit inklusiver Unterrichtsgestaltung zu beginnen. Beginnen Schulen<br />
in Teams zu arbeiten und ihren Unterricht vorzubereiten, ist die Grundlage für<br />
inklusiven Unterricht geschaffen. Die präsentierten Lernformen: kooperative<br />
Lernformen, handlungsorientierter Unterricht und Delegation von Aufgaben, müssen<br />
in diesen Teams diskutiert werden. Durch diese Diskussionen werden<br />
Entscheidungen getroffen, welches Thema über welchen Vermittlungsweg am besten<br />
unterrichtet bzw. von den Schülerinnen und Schülern selbst erarbeitet wird.<br />
Im nächsten Abschnitt wird das so genannte „Classroom Management“ erläutert,<br />
welches einen weiteren Vorschlag zur inklusiven Unterrichtgestaltung darstellt, weil<br />
durch das Prinzip des „Classroom Managements“ Störungen im Unterricht verringert<br />
werden können, um mehr effektive Lernzeit zu gewinnen.<br />
Dazu arbeiten Lehrerinnen und Lehrer mit Strukturen, die den Tagesablauf und das<br />
Verhalten von Schülerinnen und Schülern regeln.<br />
3.2 Classroom Management – Organisationsstrukturen als Möglichkeiten zur<br />
Verbesserung der Unterrichtskultur<br />
Carolyn Evertson gilt als eine der führenden Forscherinnen auf dem Gebiet des<br />
Classroom Managements. Der Begriff des Classroom Management wird von der<br />
Autorin selbst als sehr umfassend und gleichzeitig auch schwammig aufgefasst.<br />
Lehrpersonen fassen Classroom Management teilweise als „bag of tricks“ auf,<br />
teilweise zählt Classroom Management zu einer Möglichkeit „negative“<br />
Verhaltensweisen im Unterricht zu regulieren.
Because Classroom Management is neither content knowledge, nor<br />
psychological foundations, nor pedagogy, nor pedagogical content<br />
knowledge, it seems to slip through the cracks“( Evertson; Simon 2006, S.4).<br />
Evertson definiert Classroom Management “as the actions teachers take to create an<br />
environment that supports both academic and social-emotional learning” (ebd. S.4).<br />
In Deutschland dürfte eine mögliche Übersetzung von Classroom Management<br />
Klassenführung lauten (Vgl. Hennemann; Hillenbrandt (2010), S.256). Ziel von<br />
Classroom Management ist es, Störungen im Unterricht präventiv vorzubeugen (Vgl.<br />
ebd. S.255). Das grundlegende Prinzip besteht in klaren Abläufen und Routinen, die<br />
den Unterricht für Schülerinnen und Schüler transparent machen sollen (Vgl. ebd.<br />
S.255).<br />
Thomas Hennemann und Clemens Hillenbrandt benennen drei zentrale Dimensionen<br />
von Classroom Management.<br />
Die erste Dimension beschäftigt sich mit den Handlungsmöglichkeiten, die eine<br />
Lehrperson bei unerwarteten Störungen anwenden kann, auf diese wird im<br />
Folgenden noch genauer eingegangen (Vgl. ebd. S.256).<br />
In der zweiten Dimension erkennt eine Lehrperson an, dass Verhalten und Lernen<br />
eines Schülers untrennbar miteinander verknüpft sind. Wenn Schülerinnen und<br />
Schüler ihrer Arbeit konzentriert nachgehen, kann davon ausgegangen werden, dass<br />
sie etwas lernen. Schülerinnen und Schüler, die den Unterricht stören, lernen indes<br />
viel weniger. Als Lehrerin/Lehrer muss ich mich mit dem Verhalten meiner Schüler<br />
und Schülerinnen auseinandersetzen, um guten Unterricht zu ermöglichen.<br />
Eine dritte Dimension befasst sich mit dem pädagogischen Handeln in Bezug auf die<br />
Gruppe. Das bedeutet, dass im Classroom Management das pädagogische Handeln<br />
auf die Gruppe wichtiger eingestuft wird, als das pädagogische Handeln, welches auf<br />
den Einzelnen bezogen ist. Zum Beispiel wird auf Schülerinnen und Schüler die den<br />
Unterricht stören, persönlich nur wenig eingegangen, stattdessen wird auf das Wohl<br />
der Gruppe geachtet. Empirische Befunde belegen, dass durch routinierte Abläufe,<br />
Klarheit und die präventive Vorbeugung von Störungen, mehr Zeit für den<br />
eigentlichen Unterricht gewonnen werden kann (Vgl. ebd. S.258). Für ein effektives<br />
Classroom Management ist es maßgeblich, reflexionsbereit und<br />
verantwortungsbewusst zu sein, um aus Situationen lernen zu können (Vgl. ebd.<br />
S.257).
Zur Umsetzung von Classroom Management werden proaktive und reaktive<br />
Kriterien voneinander unterschieden (ebd. S.259). Diese beziehen sich auf die bereits<br />
genannte erste Dimension der Handlungsmöglichkeiten im Unterricht. Mit<br />
proaktiven Kriterien sind präventive Kriterien gemeint, die schon vor dem Einsetzen<br />
einer Störung effektiv genutzt werden können. Reaktive Kriterien beschreiben eine<br />
Reaktion auf ein aufgetretenes Verhalten.<br />
Störendes Verhalten soll vor allem präventiv unterbunden werden, weswegen die<br />
proaktiven Kriterien beim Classroom Management überwiegen (ebd. S. 259). Die<br />
folgende Tabelle listet die proaktiven und reaktiven Kriterien auf:
Proaktive Kriterien<br />
Reaktive Kriterien<br />
Vorbereitung des Klassenraums Unangemessenes Schülerverhalten<br />
unterbinden<br />
Planung und Unterrichtung von Regeln Strategien für potenzielle Probleme<br />
und unterrichtlicher Verhaltensweisen<br />
Festlegung von Konsequenzen<br />
Schaffen eines positiven (Lern-)<br />
Klimas im Klassenraum<br />
Beaufsichtigung der Schüler<br />
Unterricht angemessen vorbereiten<br />
Festlegung<br />
von<br />
Schülerverantwortlichkeiten<br />
Unterrichtliche Klarheit<br />
Kooperative Lernformen<br />
Tabelle 5: Proaktive und Reaktive Kriterien (Vgl. Hennemann/Hillenbrandt 2010, S.25)<br />
Auch wenn ein deutlicher Überhang von proaktiven Kriterien zu verzeichnen ist, ist<br />
es das Zusammenspiel von proaktiven und reaktiven Kriterien, welches das<br />
„Gesamtpaket“ von Classroom Management ausmacht (ebd. S. 259). Lehrerinnen<br />
und Lehrer müssen sich mit den Kriterien von Classroom Management<br />
auseinandersetzen und Strategien mit dem Kollegium diskutieren und vereinbaren,<br />
um mit transparentem Unterricht, Störungen vorzubeugen und effektive Lernzeit zu<br />
gewinnen. Im inklusiven Unterricht kann Classroom Management helfen, Störungen<br />
im Unterricht zu unterbinden. Gerade für Schüler/Schülerinnen mit dem<br />
Förderschwerpunkt emotionale soziale Entwicklung, sind Klarheit und Rituale im<br />
Unterricht Maßnahmen, durch die es Schülerinnen und Schülern leichter fällt, sich<br />
angemessen zu verhalten (Vgl. Braun, Schmischke 2006, S.49). Werden die<br />
Prinzipien des Classroom Managements im (inklusiven) Unterricht genutzt, erfahren<br />
Schülerinnen und Schüler einen transparenten, klaren und gut aufgebauten<br />
Unterricht, bei dem es ihnen leichter fällt, sich auf den Inhalt und die Aufgaben im<br />
Unterricht einzustellen. Für inklusiven Unterricht ist Classroom Management<br />
bedeutsam, weil Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und<br />
Zielen eine Klasse besuchen, sie erfahren durch das Classroom Management<br />
Strukturen, die sie in ihren Lernleistungen bestärken können, weil zu jedem
Zeitpunkt klar ist, welche Erwartungen, Ziele und welches Verhalten im Unterricht<br />
erwartet wird.<br />
Auch von der Leistungsbewertung der Schülerinnen und Schüler, kann eine solche<br />
Transparenz in inklusiven Settings erwartet werden. Das Thema Leistungsbewertung<br />
im inklusiven Unterricht erfordert einen Austausch im Kollegium, weil es<br />
unterschiedliche Möglichkeiten gibt, heterogenen Lerngruppen gerecht zu bewerten.<br />
Einige dieser Möglichkeiten werden im Folgenden vorgestellt, um eine Diskussion<br />
im Kollegium anzuregen.<br />
3.3 Leistungsbewertungen – Wie können Lehrpersonen, Schülerinnen und<br />
Schüler in ihrer Vielfalt gerecht bewerten?<br />
Gerade die Forderung nach einer gerechten Leistungsbewertung, ist für einige<br />
Lehrerinnen und Lehrer das Thema, an dem sie im inklusiven Unterricht zu scheitern<br />
glauben. Das Regelschulsystem vertritt ein Leistungsverständnis, welches sich an<br />
Selektion und Wissensmenge festhält (Vgl. Meisterjahn-Knebel, S.1). Das bedeutet,<br />
dass Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Schulzeit, möglichst ein<br />
vergleichbares Wissen präsentiert bekommen haben. Wie gut sie dieses Wissen<br />
verstanden haben, soll ihr Notenspiegel aufzeigen. Die Individualität der<br />
Schülerinnen und Schüler, wird nicht berücksichtigt. Schulische <strong>Inklusion</strong> hat aber<br />
den Anspruch, jeden einzelnen Schüler und jeder einzelnen Schülerin in ihren/seinen<br />
Leistungen gerecht zu bewerten.<br />
Ziffernnoten lassen eine gerechte Bewertung von schulischen Leistungen nur schwer<br />
zu, da sie häufig die Schülerinnen und Schüler in einer Klasse miteinander<br />
vergleichen, anstatt die Leistungen der Schülerinnen und Schüler individuell zu<br />
bewerten. Klaus Wenzel sieht die Grundproblematik der Notengebung in der<br />
Schulpolitik, die wenig Förderung zulässt, dafür aber viele Selektionsmechanismen<br />
beinhaltet. „Wie soll ich ein Kind trösten, das zwar Lernfortschritte macht, aber<br />
immer noch eine Fünf in Deutsch hat, weil die Fehler, die es macht, immer noch zu<br />
viele sind?“ (Wenzel 2013, S.1). Die einfachste und zugleich radikalste Lösung wäre<br />
die Abschaffung von Zensuren. (Vgl. von der Groeben 2008, S.88). Um noch einen<br />
Schritt weiter gehen zu wollen, muss in diesem Rahmen auch die Überlegungen zur<br />
Verabschiedung des mehrgliedrigen Schulsystems angesprochen werden. Das<br />
derzeitige Schulsystem orientiert sich nicht an den Bedürfnissen junger Menschen,<br />
sondern führt zu Ungerechtigkeiten und zu Problemen, statt diese lösen zu wollen<br />
(Vgl. Wenzel 2013, S.1). Man darf nicht zulassen, dass Generationen von
Schülerinnen und Schülern unter dem derzeitigen Leistungsdruck an Schulen<br />
systematisch demotiviert werden und die Lust am Lernen verlieren (Vgl. ebd. S.1).<br />
Die Pro- und Contra Argumente der Notengebung und die unterschiedlichen<br />
Möglichkeiten der Bewertung, müssen im Kollegium einer Schule diskutiert werden.<br />
In diesem Abschnitt werden vier Vorschläge vorgestellt, wie Ziffernnoten durch<br />
andere Beurteilungsmaßnahmen ersetzt bzw. erweitert werden können. Als erstes<br />
wird die Einführung von Lernentwicklungsberichten vorgestellt, diese können die<br />
Ziffernnoten durch sogenannte Berichtzeugnisse abschaffen. Der zweite Vorschlag<br />
bezieht sich auf die Idee der Portfolioarbeit. Durch Portfolios bekommen Lehrkräfte<br />
einen umfassenden Durchblick über das Leistungsspektrum ihrer Schüler und<br />
Schülerinnen. Gleichzeitig kann das Kind eine hohe Transparenz der Benotung oder<br />
Beurteilung erwarten. Eine dritte Möglichkeit setzt sich mit dem Verständnis von<br />
Maria Montessori und ihrer Vorstellung von Notengebung auseinander. Dahinter<br />
verbirgt sich die Idee einer anderen Sichtweise auf das Arbeiten und Lernen von<br />
Schülerinnen und Schülern. Da sowohl bei den Lernentwicklungsberichten, als auch<br />
bei der Notengebung nach Montessori die Voraussetzung besteht, Ziffernnoten<br />
abzuschaffen, bezieht sich der letzte Vorschlag auf die Vereinbarung von<br />
Ziffernnoten und <strong>Inklusion</strong>.<br />
3.3.1 Lernentwicklungsberichte –<br />
schriftliche Beurteilung statt Ziffernnoten<br />
Die Lernentwicklungsberichte sind Berichtzeugnisse, die den genauen<br />
Entwicklungsstand eines Schülers/ einer Schülerin angeben. Diese Idee setzt bei der<br />
Beurteilung von Klassenarbeiten an. Anstatt einer Ziffernnote erhalten die<br />
Schülerinnen und Schüler einen Rückmeldebogen, an dem sie genau sehen, ob und<br />
inwieweit sie das Lernziel der Klassenarbeit erreicht haben (Vgl. mittendrin e.V.<br />
2011, S.213). Die Lernziele sind für die Schülerinnen und Schüler von vornherein<br />
transparent. So genannte Checklisten werden vor jeder Klassenarbeit besprochen,<br />
damit sich jeder individuell auf die Klassenarbeit vorbereiten kann (Vgl. ebd. S.213).<br />
Die Checklisten beinhalten die genauen Schwerpunkte, die die Schülerinnen und<br />
Schüler zu beachten haben, um eine gute Beurteilung zu bekommen. Im Zeugnis<br />
werden dann die Lernziele und Kompetenzen des Schülers oder der Schülerin<br />
aufgezählt. Neben der schriftlichen Rückmeldung ist es von Bedeutung als<br />
Lehrperson den Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern, sowie mit den Eltern zu<br />
halten. Dafür bieten sich Schüler- und Elternsprechtage an, an dem sich die
Lehrperson mit dem Schüler und oder den Eltern zu einem beratenden Gespräch trifft<br />
(Vgl. ebd. S.215). Gerade die Schülersprechtage können von Lehrpersonen als<br />
Anlass wahrgenommen werden den Grund für schlechte Leistungen eines Schülers<br />
ausfindig zu machen bzw. den Schüler in seiner Leistung zu bestärken.<br />
Lernentwicklungsberichte ermöglichen eine gezieltere Rückmeldung für<br />
Schülerinnen und Schüler. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit ihren<br />
Schülerinnen und Schülern auseinandersetzen, um ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und<br />
Schwächen zu kennen, damit gezielte Rückmeldungen für ein Zeugnis verfasst<br />
werden können. Für Schülerinnen und Schüler im inklusiven Kontext bieten<br />
Berichtzeugnisse die Möglichkeit, einer individuellen Beurteilung, statt eines<br />
ungerechten Vergleichs durch Ziffernnoten.<br />
3.3.2 Portfolioarbeit – Transparenz in der Beurteilung<br />
Ein Portfolio ist die Form einer individuellen Leistungspräsentation, die von den<br />
Schülerinnen und Schülern selbst zusammengestellt und vorgelegt wird (Vgl. von der<br />
Groeben 2008, S.79ff). Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich einen<br />
festgelegten Zeitraum mit einem vereinbarten Thema. Die bearbeiteten Materialien<br />
(z.B. Arbeitsblätter, Skizzen, Fotografien usw.) werden von den Schülerinnen und<br />
Schülern in Form einer Mappe gesammelt. Neben der Auseinandersetzung mit einem<br />
bestimmten Thema, lernen die Schülerinnen und Schüler auch das Erstellen eines<br />
Inhaltsverzeichnisses und Deckblatts.<br />
Die Bewertung des Portfolios wird am Anfang einer neuen Arbeitsphase mit der<br />
ganzen Klasse besprochen. Die vorgegebenen Leistungskriterien, wie zum Beispiel<br />
Umfang der Arbeit oder bestimmte Aufgabenstellungen die zu bearbeiten sind,<br />
werden transparent gemacht, dabei kann, wie schon bei den<br />
Lernentwicklungsberichten angesprochen, eine Checkliste helfen. Die Checkliste<br />
ermöglicht dem Schüler oder der Schülerin genau zu überprüfen, ob alle Kriterien<br />
eingehalten wurden. Durch diese Transparenz können sich die Schülerinnen und<br />
Schüler in ihrer Arbeit immer wieder selbst überprüfen. Am Ende entsteht ein<br />
Gesamtprodukt, auf das viele Schülerinnen und Schüler stolz sind. Die<br />
Gesamtprodukte werden am Ende der Arbeitsphase der gesamten Klasse vorgestellt.<br />
Dadurch entsteht ein intensiver Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern<br />
(Vgl. ebd. S.79). Portfolioarbeiten bieten sich vor allem in den Bereichen: Deutsch,<br />
Geschichte, Sachunterricht, Naturwissenschaften, Kunst und Handwerk an. In<br />
Bereichen in denen Wissenserwerb aufeinander aufbaut, wie in Mathematik oder
Sprachen, können Portfolioarbeiten nur in Ausnahmen eine gute Lösung des Lernens<br />
sein, weil die individuelle Themenfindung durch einen aufeinander aufbauenden<br />
Wissenserwerb schwer ist.<br />
Die Freiheit, die den Kindern durch das Erstellen eines Portfolios gegeben wird, ist<br />
positiv und negativ zugleich. Auf der einen Seite lernen Schülerinnen und Schüler,<br />
das selbstständige Erstellen einer Arbeit, unter Berücksichtigung verschiedener<br />
Kriterien. Auf der anderen Seite kann Unterricht nicht nur durch die Arbeit an<br />
Portfolios gestaltet sein, dafür geben die Lehrpläne der Kultusministerkonferenz zu<br />
strenge Vorgaben. Es ist gut, sich mit der Portfolioarbeit auseinanderzusetzen, der<br />
komplette Unterricht kann aber nicht ausschließlich durch Portfolioarbeit<br />
gewährleistet werden. Für inklusive Leistungsbewertung bieten Portfolios eine<br />
gezielte Auseinandersetzung mit einem Thema und eine transparente Beurteilung des<br />
Endprodukts. Mit den Schülerinnen und Schülern wird im Arbeitsprozess<br />
besprochen, welche Erwartungen sie erfüllen müssen, um eine gute<br />
Leistungsbeurteilung zu bekommen. Portfolioarbeit kann nicht als alleinige Methode<br />
zur Beurteilung von Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden, bietet aber eine<br />
Abwechslung im Unterricht und ist dabei gleichzeitig eine richtungsweisende Idee<br />
für mehr Transparenz in der Beurteilung von Schülerinnen und Schülern.
3.3.3 Leistungsmessung nach Maria Montessori – Im Mittelpunkt das Kind<br />
In der Pädagogik nach Maria Montessori steht immer das Kind im Mittelpunkt des<br />
pädagogischen Geschehens (Vgl. Meisterjahn-Knebel, S.2). Die Entwicklung des<br />
Kindes als ganze Person, war für Maria Montessori das Entscheidende in ihrer<br />
Pädagogik. Das spiegelte sich auch in der Leistungsbewertung wieder. Zensuren<br />
werden noch heute in der Montessori Pädagogik kritisch gesehen. Stellt man sich<br />
eine inklusive Schule vor, ist die Schülerschaft sehr heterogen. Auf den ersten Blick<br />
scheint die Beurteilung durch Ziffernnoten gerecht zu sein. Doch das Verteilen von<br />
Zensuren ist nur auf den ersten Blick objektiv. Noten suggerieren lediglich<br />
Objektivität. Lehrerinnen und Lehrer denken, sie können durch Noten die Leistungen<br />
von Schülerinnen und Schüler messbar werden lassen, doch die Verteilung kann<br />
nicht objektiv sein, weil schulische Leistung von unterschiedlichen Lehrpersonen<br />
unterschiedlich „gemessen“ wird (Vgl. ebd. S.6). Das bedeutet, dass Lehrerinnen und<br />
Lehrer unterschiedliche Noten für die gleiche Leistung verteilen. Ein weiterer<br />
Kritikpunkt gegen Ziffernnoten beinhaltet, dass die Leistungsfeststellung in Form<br />
einer Ziffernnote, in der Regel nicht dem Entwicklungsstand des Schülers / der<br />
Schülerin gerecht werden kann (Vgl. ebd. S.8). In den meisten Schulen werden<br />
Leistungen noch immer mit der sozialen Bezugsnorm gemessen, anstatt die<br />
individuelle Bezugsnorm anzuerkennen, die wirkliche Aussagen über den einzelnen<br />
Schüler oder die einzelne Schülerin zulässt. In der Montessori Pädagogik ist genau<br />
dieser Grundsatz vertreten, die individuelle Entwicklung des Kindes soll unterstützt<br />
werden. Die Freude „am Tun“ soll erhalten bleiben, indem Kinder sich in der<br />
Freiarbeit mit Material auseinandersetzen, was sie selbst wählen. Die Fehlerkontrolle<br />
bekommen die Kinder dabei nicht durch eine Note suggeriert, sondern das Material<br />
selbst beinhaltet eine Fehlerkontrolle, die den Schülerinnen und Schülern eine<br />
Bestätigung gibt, wenn eine Aufgabe richtig gelöst wurde (Vgl. ebd. S.11). Neben<br />
den typischen Montessori Materialien werden an vielen Schulen so genannte<br />
„Pensenbücher“ oder „Logbücher“ eingeführt, die ein bestimmtes Pensum an<br />
Aufgaben für eine vereinbarte Zeit vorgeben. Durch die Arbeit mit Pensenbüchern<br />
werden Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Lernen angeregt und die zu<br />
erbringenden Leistungen sind transparent.<br />
An vielen Montessori Schulen werden aber dennoch Noten gegeben, weil sie sich an<br />
die Standards der Regelschulen anpassen müssen, um ihrer Schülerschaft dieselben<br />
Chancen bieten zu können. Doch auch wenn viele Montessori-Schulen sich dem
Standard beugen und Noten vergeben, geht es darum die Leistung und die<br />
Entwicklung des Kindes in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen (Vgl. ebd.<br />
S.13). Dieser sinnvolle Zusammenhang kann durch eine vorbereitete Umgebung, die<br />
den Leistungsanforderungen der Schülerinnen und Schüler entgegenkommt,<br />
unterstützt werden. Die Schule muss in ihren Anforderungen schülergeeignet sein,<br />
nur dann können Schülerinnen und Schüler gute Leistungen erbringen, genau das ist<br />
der Grund, warum diese Idee auch für das Zukunftsmodell <strong>Inklusion</strong> mit bedacht<br />
werden muss.<br />
Ein letztes Beispiel zeigt, wie die Vergabe von Ziffernnoten, schülergeeignet und<br />
inklusiv sein kann.<br />
3.3.4 Vereinbarung von <strong>Inklusion</strong> und Notengebung - Mit vielen Teilnoten zu<br />
einer Gesamtnote<br />
Heinz Kumetat führte schon Mitte der 80er Jahre an der Hauptschule<br />
Ferdinandstraße in Köln, ein Benotungssystem ein, welches heute für die gerechte<br />
Notenverteilung hoch interessant wird. Am Beispiel des Mathematikkurses zeigt<br />
Kumetat auf, wie viele Teilnoten zu einer Gesamtnote führen, die für Schüler und<br />
Schülerinnen als gerecht empfunden werden.<br />
Wie auch in den anderen Vorschlägen angesprochen ist es wichtig, bei der<br />
Durchführung von Inhalten den Schülerinnen und Schülern transparent zu machen,<br />
was von ihnen verlangt wird (Vgl. Kumetat 1985, S.93). Dies soll am Beispiel eines<br />
Mathematikkurses verdeutlicht werden. In der Hauptschule Ferdinandstraße wurde<br />
der Mathematikkurs in mehrere Teilkurse eingeteilt. Der gesamte Rechenstoff vom<br />
4. bis 9. Schuljahr wurde in 12 Mathematikkurse aufgeteilt, für jeden Kurs ist jeweils<br />
ein Lehrer hauptverantwortlich. Jeder Schüler und jede Schülerin arbeitet sich<br />
individuell von Kurs zu Kurs. Die Lehrperson ist überwiegend zur Beratung und<br />
Hilfestellung im Kurs anwesend. Arbeiten sollen die Schülerinnen und Schüler<br />
selbstständig. Nach Abschluss eines Kurses bekommt der jeweilige Schüler<br />
Materialien für den darauf folgenden Kurs. Begleitend zu allen Kursen erhalten alle<br />
Schülerinnen und Schüler zu Beginn ihren Rechenpass. Auf diesem werden alle<br />
Inhalte, die vom Schüler erarbeitet wurden, vermerkt. Der Rechenpass bietet dem<br />
Schüler eine Transparenz, zugleich sind Eltern und andere Lehrer über den<br />
Kenntnisstand des Schülers informiert. Mit dem Rechenpass und den einzelnen<br />
Mathematikkursen wird es dem Schüler ermöglicht, individuell zu arbeiten und im
eigenen Lerntempo das Beste zu erbringen. Die Pädagogik des Gleichschritts kann<br />
durch dieses System aufgelöst werde und der <strong>Inklusion</strong>sgedanke findet bei der<br />
Bewertung von Leistung in einer solchen Form, Berücksichtigung, das bestätigt auch<br />
der Umgang mit Klassenarbeiten.<br />
Die Klassenarbeiten werden zu dem Zeitpunkt geschrieben, wenn der einzelne<br />
Schüler, die einzelne Schülerin dazu bereit ist (Vgl. ebd. S.93). Auch dies hat den<br />
Vorteil, dass der Druck, der auf den Schülerinnen und Schülern liegt, verringert wird.<br />
Jeder und Jede lernt tatsächlich in seinem und ihrem Tempo und schreibt die<br />
Klassenarbeit dann, wenn er oder sie bereit dazu ist. Hat sich ein Schüler oder eine<br />
Schülerin im jeweiligen Können verschätzt, gibt es die Möglichkeit die Klassenarbeit<br />
mit neuen Übungen zu wiederholen. Lernen ist also nicht darauf angelegt, Wissen<br />
mittels Klassenarbeiten zu testen. Stattdessen sollen Schüler und Schülerinnen durch<br />
Klassenarbeiten, die Möglichkeit haben, sich selbst richtig einzuschätzen und sich<br />
für eine Arbeit gut vorbereiten zu können. Die Bedenken, dass Kinder sich dann gar<br />
nicht zu einer Klassenarbeit anmelden räumt Kumetat aus, in einer Schulzeitung der<br />
Schule schreibt er:<br />
„Die erforderliche Mindestanzahl von Klassenarbeiten wird so weit überschritten;<br />
wie wir meinen, eine echte Chance für Ihr Kind, eine möglichst objektive Zensur zu<br />
erhalten“ (ebd. S.94).<br />
Am Ende des Schuljahres setzt sich die Mathematiknote aus vielen Teilnoten<br />
zusammen. Das bedeutet, auch wenn ein Schüler oder eine Schülerin einmal oder<br />
mehrmals eine schlechte Note in Mathematik bekommen hat, kann sie diese<br />
problemlos wieder ausgleichen. Alle Noten zusammengerechnet ergeben am Ende<br />
eine Gesamtnote.<br />
Gerade in der Sekundarstufe werden drei Klassenarbeiten pro Halbjahr und dessen<br />
Noten, sehr schwer gewichtet. Viele Schülerinnen und Schüler können sich zum<br />
Halbjahr schon ihre Note ausrechnen, indem sie die Noten der Klassenarbeiten<br />
zusammenzählen. Diese Art von Notengebung wiederspricht dem Grundsatz von<br />
<strong>Inklusion</strong>: kein Kind zurückzulassen. Mit der Idee viele Teilnoten zu geben, kann die<br />
Gewichtung von schlechten Noten herabgesetzt werden.<br />
Außerdem kann das vorgestellte System ein Vorschlag sein, das Abschaffen von<br />
Noten zu verhindern, um stattdessen die Notengebung transparent und<br />
schülerfreundlich zu gestalten.
Die Leistungsbewertung im inklusiven Unterricht kann unterschiedliche Facetten<br />
haben. Für Lehrpersonen ist es wichtig sich über Alternativen zu der bestehenden<br />
Idee von Notengebung zu informieren. Viele inklusive Schulen haben das<br />
Notensystem komplett abgeschafft und geben stattdessen verbale Beurteilungen raus.<br />
Doch auch diese können kritisch sein, weil verbale Beurteilungen häufig in<br />
vorgefertigten Aussagen enden, die letztendlich wie Noten betrachtet werden<br />
können. Das Verständnis von Beurteilung ist im Lehrerkollegium zu diskutieren, um<br />
ein allgemeines Verständnis von gerechter Leistungsbeurteilung an einer inklusiven<br />
Schule durchzusetzen. Es muss im Kollegium der Frage nachgegangen werden: Wie<br />
schaffen wir es Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischen<br />
Förderbedarf an unserer Schule gerecht zu beurteilen und ihnen einen<br />
selbstreflektierten Umgang mit Eigen-und Fremdbeurteilung zu vermitteln?<br />
Zum Abschluss soll, wie bereits erwähnt, das Gutachten von Ulf Preuss-Lausitz und<br />
Klaus Klemm erläutert werden, um einige der bereits angesprochene Ideen in einen<br />
praktischen Zusammenhang einzubetten.<br />
3.4. Empfehlungen zur Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> – ein weiterer Leitfaden für<br />
die Praxis<br />
Im Auftrag des Ministeriums für Schule und Weiterbildung NRW untersuchten<br />
Klaus Klemm und Ulf Preuss-Lausitz mögliche Empfehlungen für die Umsetzung<br />
der UN-Konvention an den Schulen in Nordrhein-Westfalen. Daraufhin wurde 2011<br />
ein Leitfaden herausgegeben mit dem Titel: „Auf dem Weg zur schulischen<br />
<strong>Inklusion</strong> in Nordrhein-Westfalen. Empfehlungen zur Umsetzung der UN-<br />
Behindertenrechtskonventionen im Bereich der allgemeinen Schulen.“ In diesem<br />
Leitfaden wird von Klemm und Preuss-Lausitz ein <strong>Inklusion</strong>splan vorgelegt, der bei<br />
Einhaltung eine <strong>Inklusion</strong>srate von 85% bis 2020 anstrebt (Vgl. Klemm; Preuss-<br />
Lausitz 2011, S.5). Stephan Ellinger und Roland Stein betrachten den Leitfaden<br />
kritisch und weisen darauf hin, dass bedeutsame Studienübersichten ausgelassen<br />
wurden (Vgl. Ellinger; Stein 2012, S.102). Sie kritisieren insbesondere fehlende<br />
Bemühungen, die Funktion von speziellen Schulen zu reflektieren, stattdessen wird<br />
pauschal die Ablösung von Sonderschulen gefordert (Vgl. ebd. S.102).<br />
Klemm und Preuss-Lausitz argumentieren, dass inklusive Regelschulen das beste<br />
Mittel sind um diskriminierende Handlungen zu bekämpfen und Gemeinschaft zu
schaffen (Vgl. Klemm; Preuss Lausitz 2011, S.12). Sie gehen weiter davon aus, dass<br />
Fortbildungsmöglichkeiten für alle Beteiligten notwendig sind, um einen guten<br />
Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler anbieten zu können. Die Fortbildungen<br />
sollten sich mit dem Themenschwerpunkt inklusiver Unterricht und seine<br />
Gelingensfaktoren auseinandersetzen, um die Angst vor neuen Herausforderungen zu<br />
verringern (Vgl. ebd. S.34).<br />
Nachfolgend werden einige Vorschläge und Hinweise aus diesem Dokument<br />
aufgegriffen. Abbildung 9 gibt einen Überblick über die Auswahl der Vorschläge<br />
und bringt diese in einen Zusammenhang. Die ausgewählten Vorschläge beschränken<br />
sich vor allem auf die Konzeption einer inklusiven Schule: das Konzept, die<br />
Schuleingangsuntersuchung, ein Zentrum unterstützender Pädagogik und der<br />
Umgang mit schlechten Leistungen und Störungen. Lehrkräfte in der Praxis sollen<br />
durch diese Vorschläge ihrer Unsicherheit gegenüber <strong>Inklusion</strong> gegenübertreten<br />
können. Auch hier soll wieder an die Verbindung mit der Theorie angeknüpft<br />
werden.<br />
Schuleingangsuntersuchung<br />
Vorschläge von<br />
Ulf Preuss –<br />
Lausitz und Klaus<br />
Klemm<br />
Zentrum<br />
unterstützender<br />
Pädagogik<br />
Konzept<br />
Umgang mit<br />
Störungen /<br />
schlechten<br />
Leistungen<br />
Leitbild<br />
Aufgaben der<br />
Schulleitung<br />
Kein<br />
Sitzenbleiben/<br />
Wiederholen<br />
Time-Out-<br />
Räume<br />
Abbildung 9: Vorschläge Klemm, Preuss-Lausitz im Überblick<br />
3.4.1 Vorschläge und Ideen nehmen kein Ende – <strong>Inklusion</strong> wird greifbar<br />
Als eine erste Notwendigkeit, <strong>Inklusion</strong> in der Schule zu etablieren, kann die<br />
Entwicklung eines Leitbildes betrachtet werden. Diese Herangehensweise wurde in<br />
dieser Arbeit schon mehrfach angedeutet und wird in dem Leitfaden von Preuss-<br />
Lausitz und Klemm in einen konkreten Kontext gebracht. Es ist wichtig <strong>Inklusion</strong> in
das Leitbild der Schule aufzunehmen (Vgl. ebd. S.103). Das Leitbild einer Schule<br />
sollte die Meinung aller Beteiligten so gut es geht wiederspiegeln. Ist ein schulisches<br />
Leitbild fertig gestellt, ist es wichtig dieses auch im Internet für Eltern und<br />
Interessierte zugänglich zu machen. Das Leitbild sollte nämlich nicht einfach nur ein<br />
Dokument sein, sondern eine Verbindlichkeit mit sich tragen, die durch die<br />
Veröffentlichung noch stärker in den Mittelpunkt kommt.<br />
Neben einem klar positionierten Leitbild in dem <strong>Inklusion</strong> verankert sein muss,<br />
fordern Klemm und Preuss-Lausitz eine Schuleingangsuntersuchung für alle<br />
Kinder, die im Nachhinein eine individuelle Förderung ermöglicht (Vgl. ebd. S.103).<br />
Mit einer einheitlichen Schuleingangsuntersuchung soll nicht mehr nur die<br />
Schulfähigkeit eines Kindes getestet werden, sondern auch Kompetenzen und<br />
Schwierigkeiten des Kindes festgestellt werden, um diese im inklusiven Unterricht<br />
angehen zu können. Eine differenziertere Schuleingangsdiagnostik, vereinfacht das<br />
Arbeiten der Lehrerinnen und Lehrer, die sich schneller ein Bild von einem neuen<br />
Kind machen können.<br />
Weitere Empfehlungen beziehen sich auf das Zurückstellen und Sitzenbleiben von<br />
einzelnen Schülerinnen und Schülern. Dies ist nach Klemm und Preuss-Lausitz mit<br />
<strong>Inklusion</strong> nicht vereinbar (Vgl. ebd. S.103ff.). <strong>Inklusion</strong> hat den Anspruch alle<br />
Kinder in ihren Fähigkeiten zu fördern. Beim Sitzenbleiben oder Zurückstellen eines<br />
Kindes wird die Möglichkeit einer individuellen Förderung nicht mehr beachtet. Das<br />
Herausnehmen aus dem sozialen Kontext hat außerdem für viele Kinder schwere<br />
Folgen. Eine inklusive Schule folgt dem Anspruch jedes Kind mit seinen Stärken und<br />
Schwächen zu fördern und ihm einen starken sozialen Halt zu vermitteln.<br />
Diesem starken sozialen Halt wird auch durch die Empfehlung der Time-Out-<br />
Räume Rechnung getragen. Time-Out-Räume ermöglichen eine gewaltfreie Auszeit<br />
und können daher störendes Verhalten verhindern (Vgl. ebd. S.105). Gerade Kinder<br />
mit Verhaltensauffälligkeiten wird durch Time-Out Räume die Möglichkeit gegeben,<br />
ihr Verhalten zu reflektieren und sich einer Bezugsperson anzuvertrauen, die ihre<br />
Probleme ernst nimmt und sie nur mit Zustimmung auch mit weiteren Kollegen<br />
diskutiert. Für eine Schule mit dem Anspruch inklusiv zu sein, können Time-Out<br />
Räume eine wichtige Maßnahme sein, mit Störungen richtig umzugehen, weil<br />
Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit ergreifen können, an ihrem Verhalten zu<br />
arbeiten, anstatt deren Verhalten zu bestrafen.
Neben den einzelnen Empfehlungen für das Gelingen einer inklusiven Schulstruktur,<br />
gibt es weitere Vorschläge wie ein Kollegium bei der Umsetzung von <strong>Inklusion</strong><br />
unterstützt werden kann. Das Etablieren eines Zentrums unterstützender<br />
Pädagogik ermöglicht, die Stellen von Sozialarbeitern, Sonderpädagogen und<br />
Erzieherinnen fest in der Schule zu verankern (Vgl. ebd.S.105). Innerhalb der<br />
Schulen müssen diese Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt bekommen, in denen<br />
sie beratend für Lehrkräfte tätig werden und sich Eltern Rat beim „Zentrum für<br />
unterstützende Pädagogik“ holen können. Gleichzeitig ändert sich auch die Rolle der<br />
Sonderpädagogen, weil Beratung und Diagnostik die zukunftsweisenden Bereiche<br />
für Sonderpädagogen werden könnten (Vgl. ebd. S.107). Dennoch können auch<br />
Sonderpädagogen bei Bedarf, als Klassenleitung oder Fachlehrer eingesetzt werden.<br />
Am Ende gehen Preuss-Lausitz und Klemm auf die Rolle der Schulleitung ein. Sie<br />
ist für <strong>Inklusion</strong> von größter Bedeutung und muss hinter den Absichten von<br />
<strong>Inklusion</strong> stehen (Vgl. ebd. S.108). Empirische Studien belegen, zwar die<br />
signifikante Rolle der Schulleitung für Veränderungen, verdeutlichen aber auch, dass<br />
Schulleitungen der <strong>Inklusion</strong> von Menschen mit Behinderungen kritisch<br />
gegenüberstehen. „Principals, although always viewed as playing a significant role in<br />
integration efforts, also tended do demonstrate a lack of knowledge about students<br />
with disabilities […]” (Cline, 1981 zit. n. Kavale; Mostert 2003, S.199). Daraus kann<br />
geschlossen werden, dass auch Schulleitungen, Fortbildungen und Maßnahmen der<br />
Supervision benötigen.<br />
An dem Gutachten von Preuss-Lausitz und Klemm wird deutlich, welche<br />
umfassenden Veränderungen auf Schulen mit einem inklusiven Anspruch<br />
zukommen. Eine Vorbereitung der Schulen, vor allem der Lehrpersonen, ist daher<br />
maßgeblich, um schulische <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen. Rückblickend wurde in diesem<br />
Kapitel auf die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> in der Praxis eingegangen. Vor allem die<br />
Unterrichtspraxis wurde als Anknüpfungspunkt erkannt, um Lehrerinnen und Lehrer<br />
zu verdeutlichen, welche Veränderungen und welche Chancen inklusiver Unterricht<br />
ermöglichen kann. Es wurde deutlich, dass der Austausch im Lehrerkollegium, die<br />
Basis darstellt, um Veränderungen wagen zu können. Auch die Vorschläge von<br />
Klemm und Preuss-Lausitz können nur unter Zustimmung des Kollegiums etabliert<br />
werden. Daher sind Lehrerinnen und Lehrer dazu aufgefordert, sich zur vorgestellten<br />
Theorie, aber vor allem zu den vorgestellten praktischen Ideen und Vorschlägen ihre<br />
eigenen Gedanken zu machen und diese in ihrer Schule zur Diskussion zu stellen.
Die Grundschule Berg Fidel in Münster, hat viele dieser theoretischen und<br />
praktischen Erkenntnisse rund um <strong>Inklusion</strong> schon in die Praxis umgesetzt. Die<br />
Schule „Berg Fidel“ soll deshalb zum Abschluss dieser Arbeit kurz vorgestellt<br />
werden, um ein konkretes Beispiel aufzuzeigen, wie <strong>Inklusion</strong> in der Schule gelingen<br />
kann bzw. wie der Prozess <strong>Inklusion</strong> an einer Schule abläuft.<br />
4. Praxisbeispiel Berg Fidel – Schritt 4: Die konkrete Umsetzung von<br />
<strong>Inklusion</strong><br />
4.1 Die Schule - Grundvoraussetzungen<br />
„Berg Fidel“ ist eine Schule in Münster, auf die Kinder aus dreißig verschiedenen<br />
Nationen gehen (Vgl. Stähling; Wenders 2012, S.13). In jeder Klasse sind im<br />
Durchschnitt 5 bis 7 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Schule<br />
„Berg Fidel“ hat den Anspruch, alle Kinder so gut wie möglich zu fördern und<br />
koordiniert daher individuelle Hilfen für ihre Schüler und Schülerinnen. Die Stunden<br />
der Sonderpädagogen werden auf alle Klassen verteilt, dadurch hat die<br />
Klassenleitung einen „Unterstützerring“ um sich versammelt. Die pädagogische<br />
Arbeit wird in einem Team durchgeführt. Die Verantwortungsbereiche sind<br />
aufgeteilt, wodurch einer Überforderung von Lehrpersonen entgegengewirkt wird.<br />
Die Schule Berg Fidel ist eine Schule im gebundenen Ganztag, sie endet täglich um<br />
15:30 Uhr (Vgl. ebd. S.19). Schülerinnen vom ersten bis vierten Jahrgang werden<br />
altersgemischt aufgeteilt und besuchen einen jahrgangsgemischten Unterricht (Vgl.<br />
ebd. S.23). Die Schulleitung und das Kollegium fordern von der Landesregierung,<br />
die Schule in Berg Fidel auf den Sekundarbereich auszuweiten, damit Schülerinnen<br />
und Schüler von der ersten bis zur 13. Klasse die Schule besuchen können. Der<br />
Direktor der Schule, Reinhard Stähling sieht ein Schulmodell von Klasse eins bis<br />
Klasse dreizehn als Ausdruck für inklusive Schulkultur (Vgl. ebd. S. 83). Die<br />
Altersmischung soll bis zur Klasse 13 fortgeführt werden. Immer drei<br />
aufeinanderfolgende Jahrgänge könnten gemeinsam unterrichtet werden. In der<br />
Eingangsstufe kommt noch ein nullter Jahrgang hinzu und in der Schulabschlussstufe<br />
haben Schülerinnen und Schüler von der Klasse 10 bis 13 gemeinsam Unterricht<br />
(Vgl. ebd. S.87). Die Schule würde nach diesem Modell zu einem Haus des Lernens
wachsen. Schulwechsel nach der vierten Klasse wären nicht notwendig, stattdessen<br />
hätten Kinder die Möglichkeit nach der Grundschule in ihrem gewohnten sozialen<br />
Umfeld zu bleiben. Außerdem bietet dieses Modell die Chance der Zusammenarbeit<br />
von Grund- und Sekundarschullehrern, wodurch eine individuelle Förderung<br />
ermöglicht wird, weil ein Austausch der Lehrerinnen stattfinden kann. An der Schule<br />
in Berg Fidel wurde das Sitzenbleiben abgeschafft (Vgl. ebd. S.15). Den<br />
Forderungen von Klemm und Preuss-Lausitz wird an dieser Schule entsprochen.<br />
Kein Kind muss ein Schuljahr wiederholen, wodurch Kinder die Möglichkeit<br />
bekommen ihre Schulzeit in einem Klassenteam zu verbringen, wo sie nicht als<br />
Schlusslichter der Klasse behandelt werden, sondern ihnen stattdessen Hilfen<br />
angeboten werden, um ihre Leistungen zu verbessern. Diese Idee soll auch in den<br />
Sekundarbereich übernommen werden. Von der ersten bis zur dreizehnten Klasse<br />
hätten Kinder an der Schule „Berg Fidel“ die Möglichkeit sich zu entfalten und an<br />
ihren Stärken und Schwächen zu arbeiten. Im November 2012 organisierte die<br />
Schulleitung, gemeinsam mit dem Kollegium der Schule, einen Praxiskongress, der<br />
sich konkret mit dem Ausbau der Schule auf die Sekundarbereiche beschäftigte.<br />
Kongressteilnehmer arbeiteten an zwei Tagen an konkreten Themen rund um<br />
<strong>Inklusion</strong>. Dabei wurden Vorschläge gesammelt, die die Schule in ihrem Ausbau<br />
unterstützen sollen.<br />
Im nächsten Abschnitt, sollen konkrete Einblicke in den Schulalltag vermittelt<br />
werden und ein möglicher Ablauf eines Schultages dargestellt werden.<br />
4.2 Einblicke in den Schulalltag<br />
In dem Buch von Reinhard Stähling und Barbara Wenders „Das können wir hier<br />
nicht leisten“, bekommen die Leser Einblicke in den Schulalltag einer „inklusiven“<br />
Schule. Jeden Morgen kommen die Kinder zwischen 7:30 Uhr und 8:00 Uhr in den<br />
Spieleraum. (Vgl. ebd. S.20 ff.). Dieser Raum befindet sich vor jedem<br />
Klassenzimmer. Die Klassenlehrer erwarten jeden Schüler und jede Schülerin, bevor<br />
er/sie in die Klasse geht. Jeder wird persönlich begrüßt und die Eltern haben kurz<br />
Zeit vom Alltag oder auch von bestimmten Problemen zu berichten. Eine zweite<br />
Lehrkraft befindet sich bereits im Klassenzimmer. Die Schülerinnen und Schüler<br />
besprechen im Klassenraum ihre heutigen Arbeiten, mit der Lehrperson. Einzeln<br />
oder in einer Lernpartnerschaft beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler mit<br />
Mathematikaufgaben (Vgl. ebd. S.16f.). Das bereits angesprochene Prinzip nach
Wocken, die Schülerinnen und Schüler als Lernhelfer mit in den Unterricht<br />
einzubeziehen, wird im Unterricht angewandt. Die freie Arbeitsphase endet um 9:30<br />
Uhr, es folgt eine große Pause, in der die Kinder freie Zeit auf dem Schulgelände<br />
verbringen können. Nach dem Frühstück und der Pause wird jeden Tag mit der<br />
ganzen Klasse über die vergangene Freiarbeit reflektiert. In Form eines<br />
„Lernklassenrates“ kommen die Schülerinnen und Schüler mit den beiden<br />
Lehrkräften im Stuhlkreis zusammen. Ziel des „Lernklassenrates“ ist es gemeinsam<br />
über das gerade gelernte zur reflektieren und als Schüler/Schülerin benennen zu<br />
können, was ich heute alles geschafft habe (Vgl.ebd. S.41). Zusätzlich führen alle<br />
Schülerinnen und Schüler ein individuelles Lerntagebuch, in dem sie ihr geschafftes<br />
Lernpensum für den Tag eintragen (Vgl. ebd. S. 21). Lerntagebuch und<br />
Lernklassenrat wechseln sich unter der Woche ab. Dadurch lernen Schülerinnen und<br />
Schüler die schriftliche und mündliche Art, der Selbstreflektion (Vgl. ebd. S. 43). In<br />
der folgenden Tabelle ist der tägliche morgendliche Ablauf nochmal<br />
zusammengefasst dargestellt.<br />
Morgendlicher Ablauf<br />
Offener Beginn Zwischen 8:00-8:30<br />
Freiarbeit Bis 9:30<br />
Große Pause / Frühstück<br />
Lernklassenrat<br />
Schülerinnen und Schüler werden zur Selbstreflektion<br />
über ihr Arbeitsverhalten angeregt (schriftlich und<br />
mündlich im Wechsel)<br />
Tabelle 6: Morgendlicher Ablauf (Vgl. Stähling/Wenders 2012, S.20ff.)<br />
Das Ziel dieser Unterrichtsgestaltung ist: „[…] dass jedes Kind Erfolge erlebt bei der<br />
Durchdringung der Bearbeitung von „stofflichen Hürden“ und dem Verstehen einer<br />
Sache und auf diesem Weg größtmögliche individuelle Lernfortschritte macht.“ (ebd.<br />
S. 21) Für dieses Ziel ist auch die Haltung im Kollegium ausschlaggebend.<br />
4.3 Wertschätzung der Kinder - Haltung im Kollegium<br />
Im Team hat sich das Lehrerkollegium der Schule Berg Fidel auf 20 Regeln geeinigt,<br />
wie sie als Pädagogen mit den Schülerinnen und Schülern umgehen (Vgl. ebd. S. 15).<br />
Die Regeln sind eng verbunden mit dem amerikanischen Begriff der „Caring
Education“. Die Lehrerinnen und Lehrer der Schule, sollen sich persönlich mit dem<br />
Schüler/ der Schülerin auseinandersetzen, ihn/sie nach seinen/ihren Bedürfnissen<br />
fragen und auf diese eingehen. Die erste Regel lautet: „Achte die Kinder!“. Diese<br />
erste Regel an den Anfang des Regelwerkes für Lehrerinnen und Lehrer zu stellen,<br />
kann ganz im Sinne von <strong>Inklusion</strong> verstanden werden. Lerngruppen sind<br />
grundsätzlich heterogen, weswegen es wichtig ist, jedes einzelne Kind zu achten und<br />
Wertschätzung zu vermitteln. Wenn ein Schüler/eine Schülerin Wertschätzung<br />
erhält, fällt es ihm/ihr auch leichter selbst wertschätzend zu handeln. Die Regel<br />
Nummer sieben ist ebenfalls ein gutes Beispiel für die Inklusive Haltung der Schule,<br />
sie lautet: „Erwarte ihr Bestes; erwarte keine Perfektion!“ Die Haltung der<br />
Lehrerinnen und Lehrer, sollte passend auf die Schülerinnen und Schüler<br />
zugeschnitten sein. An der Schule in „Berg Fidel“ werden nicht einheitliche<br />
Standards gebildet, die von den SchülerInnen erwartet werden. Es wird individuell<br />
auf die Kinder eingegangen und mit den Kindern entschieden, was gut für sie ist.<br />
Auch die übrigen 18 Regeln befassen sich mit der Wertschätzung gegenüber<br />
Schülerinnen und Schülern. Für die Kinder bietet das Einhalten der Regelungen<br />
Sicherheit und soziale Geborgenheit (Vgl. ebd. S.16). Wenn Kinder sich sozial<br />
geborgen und sicher fühlen können sie ihre Angst in bestimmten Situationen<br />
überwinden und werden zu selbstständigen Wesen.<br />
Von den Lehrerinnen und Lehrern werden neben der Einhaltung der besagten 20<br />
Regeln weitere Kompetenzen erwartet. Hierzu zählen unter anderem:<br />
Kommunikationsfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Geduld, Organisationsfähigkeit,<br />
Teamgeist, Freude an Zusammenarbeit, didaktische und methodische Kenntnisse<br />
(Vgl. ebd. S. 44f.).<br />
4.4 Praktische Idee für den Unterricht<br />
Nachfolgend wird der „Freie Forscherclub“ vorgestellt, als eine Idee inklusiven<br />
Unterricht zu ermöglichen. Der „Freie Forscherclub“ ist in allen Klassen an der<br />
Schule fest verankert.<br />
Freier Forscherclub<br />
An drei Tagen in der Woche haben die Schülerinnen und Schüler 60 Minuten Zeit<br />
sich mit einem Thema ihrer Wahl zu beschäftigen. An der Schule Berg Fidel wird<br />
diese Stunde mit den Buchstaben FFC abgekürzt, was so viel heißt wie: Freier<br />
Forscherclub (Vgl. ebd. S.50f.). Schülerinnen und Schüler können entscheiden, ob<br />
sie alleine oder in einer Gruppe, zu einem selbstgewählten Thema arbeiten wollen.
Meistens arbeiten zwei bis drei Schülerinnen und Schüler zusammen an einem<br />
Thema. Der FFC bietet den Schülerinnen und Schüler eine Art Projektarbeit an. Die<br />
Arbeit im Freien Forscherclub gliedert sich bei jedem Projekt in sechs Phasen, die in<br />
Abbildung 10 dargestellt werden(Vgl.ebd. S.53).<br />
Thema<br />
finden<br />
20<br />
Fragen<br />
Informations-<br />
beschaffung<br />
Experten-<br />
interview<br />
Auswertung<br />
Präsentation<br />
Abbildung 10: Prozessverlauf freier Froscherclub (ebd. S.53)<br />
In der ersten Phase finden sich Schülerinnen und Schüler zusammen und suchen sich<br />
ein Thema aus. Danach formulieren sie gemeinsam 20 Fragen zu diesem Thema,<br />
woraus eine Gliederung entsteht, was die Bearbeitung des Themas differenziert und<br />
vereinfacht. In der dritten Phase beschaffen sich die SchülerInnen die notwendigen<br />
Informationen. Nachdem sie sich einen Überblick über ihr Thema verschafft haben,<br />
müssen sie in der nächsten Phase ein Experteninterview führen. Ein Experte für das<br />
gewählte Thema muss von den Schülerinnen und Schülern besucht und interviewt<br />
werden. Das Interview findet in vielen Fällen während der Schulzeit, aber auch<br />
außerhalb der Schule statt. Lehrerinnen und Lehrer stellen sicher, dass der<br />
Anfahrtsweg von den Schülerinnen und Schülern zu den Experten ohne Gefahren<br />
bewerkstelligt werden kann und dass das Experteninterview auch sicher durchgeführt<br />
werden kann. Durch den Besuch eines außenstehenden Menschen, der hoffentlich<br />
mit Passion von dem Thema berichten kann, bekommen die SchülerInnen einen noch<br />
gezielteren Einblick. Alle Quellen und das Interview werden dann gemeinsam<br />
ausgewertet. Am Ende erfolgt die Präsentation der Ergebnisse. Die<br />
Präsentationsformen dürfen frei gewählt werden.<br />
Der FFC bietet den Schülerinnen und Schülern einer Klasse an, sich intensiv mit<br />
einem Thema auseinanderzusetzen. Das Lernen verläuft meistens hochmotiviert,<br />
weil das Thema frei gewählt werden kann. Begleitet wird die Arbeit in diesem Kurs<br />
von einer fortlaufenden Dokumentationspflicht, auf Seiten der Schülerinnen und
Schüler (Vgl. ebd. S.69). Damit ist für alle klar, in welcher Phase sich die Gruppe<br />
gerade befindet, und was der nächste Schritt sein muss, um am Ende eine<br />
erfolgreiche Präsentation halten zu können.<br />
Die Leistungsbewertung erfolgt durch individuelle Rückmeldungen, die die gesamte<br />
Bearbeitung eines Themas berücksichtigen, von der Arbeitshaltung über die Nutzung<br />
von Medien zur Präsentation.<br />
Die Idee einen Freien Forscherclub an der eigenen Schule zu etablieren, kann als<br />
eine Möglichkeit angesehen werden <strong>Inklusion</strong> im Unterricht umzusetzen. Wenn<br />
jedes Kind an seinem persönlichen Thema arbeitet, findet individuelle<br />
Differenzierung bereits statt. Diese Differenzierung muss im Freien Forscherclub<br />
nicht durch die Lehrpersonen geschehen, sondern die Kinder selbst können ihre<br />
Leistungen differenzieren. Natürlich wird es auch in diesem Unterrichtsentwurf<br />
Kinder geben, die Schwierigkeiten haben ein Thema zu finden, weil sie nicht wissen,<br />
was sie eigentlich interessiert. Doch dieser Prozess ist für Kinder in allen<br />
Altersklassen wichtig, um herauszufinden, was eigentlich die Stärken und<br />
Schwächen eines jeden Kindes sind. Im Freien Forscherclub gibt es für Schülerinnen<br />
und Schüler das Angebot, diese Stärken ausfindig zu machen bzw., die Möglichkeit<br />
herauszufinden, was die jeweiligen Schwächen sind und welche Themen der Schüler<br />
oder die Schülerin nur ungern bearbeite.<br />
Die Schule „Berg Fidel“ hat sich bereits auf den Weg zur <strong>Inklusion</strong> gemacht, arbeitet<br />
aber immer noch weiter daran, die Grundsätze der <strong>Inklusion</strong> in den Schulalltag zu<br />
integrieren. Ich wünsche mir, dass mehr Schulen sich trauen diesen Weg zu gehen,<br />
um die Bildungslandschaft zu verändern, damit ein gemeinsames Lernen möglich<br />
wird.<br />
Ausblick – <strong>Inklusion</strong>: ein Riese in der Bildungslandschaft<br />
In dieser Arbeit wurde mir immer wieder deutlich, dass eine der wichtigsten<br />
Voraussetzungen für angestrebte bzw. verordnete schulische <strong>Inklusion</strong> die<br />
Einstellungen der Beteiligten sind, und dabei insbesondere die Einstellung der<br />
Lehrerinnen und Lehrer, inklusive der Schulleitungen. Gerade für Lehrerinnen und<br />
Lehrer an einer Regelschule, bedeutet <strong>Inklusion</strong> eine Umstellung, die auf mehreren<br />
Ebenen kritisch reflektiert werden muss. Wie in der Arbeit dargestellt ist ein Bereich<br />
der sich grundlegend verändern muss der Unterricht, aber auch andere schulische
Zusammenhänge, wie schulische Architektur und Professionalisierung der<br />
Lehrerinnen und Lehrer müssen sich verändern. Eine Studie von Schumm und<br />
Vaughn belegt, dass Regelschullehrer glauben, sie könnten Schülerinnen und<br />
Schülern mit Behinderungen nicht gerecht werden, weil sie damit überfordert seien<br />
(Schumm; Vaughn 1995 zit. n. Kavale; Mostert 2003, S.202). Deswegen sind<br />
Fortbildung und die Aufklärung von Lehrerinnen und Lehrern von „allergrößter“<br />
Bedeutung. Katrin Düring fasst weitere Contra Argumente gegenüber <strong>Inklusion</strong><br />
zusammen, in denen sich die Kritik von Lehrerinnen und Lehrern, gegenüber<br />
<strong>Inklusion</strong>, äußert: das übliche Modell der LehrerInnenarbeitszeit, was bisher keine<br />
verbindlichen Zeiträume für Kooperation zulässt. Wenig Ressourcen zur<br />
Unterstützung, zusätzliche hohe Anstrengung auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer,<br />
fehlendes Basiswissen, wie ein solcher Prozess wie <strong>Inklusion</strong> gesteuert werden muss<br />
(Vgl. Düring 2003, S.61). Es wird von Lehrerinnen und Lehrern verlangt, sich mit<br />
<strong>Inklusion</strong> zu beschäftigen, die nicht vorhatten oder nicht vorhaben, Kinder mit<br />
sonderpädagogischem Förderbedarf in ihren Unterricht zu integrieren (Vgl. Preuss-<br />
Lausitz 2003 S.176). Insofern ist es für mich verständlich, dass Lehrerinnen und<br />
Lehrer einer schulischen <strong>Inklusion</strong> kritisch gegenüber stehen. Auch auf Seiten der<br />
Sonderpädagogen zeigen sich Qualifikationsdefizite in der Ausbildung (Obolenski<br />
2003, S.184). Diese Bedenken müssen von der Politik sofort und unbedingt<br />
aufgegriffen und mit bedacht werden, um schulische <strong>Inklusion</strong> umsetzten zu können.<br />
Im Februar 2012 startete eine landesweite Qualifizierungsmaßnahme, in der 200<br />
Lehrkräfte zum Ausbau des gemeinsamen Unterrichts fortgebildet werden (Vgl.<br />
Schulministerium NRW 2012, S.1). Bis 2018 sollen bis zu 2500 Lehrerinnen und<br />
Lehrer an dieser 18 monatigen Ausbildung teilnehmen. Dieses Fortbildungsangebot<br />
ist nur eines unter vielen und kann als Indikator dafür stehen, dass sich zum Thema<br />
<strong>Inklusion</strong> gerade vieles in Bewegung setzt.<br />
Maßnahmen wie Fortbildungen sind wichtig, um Lehrerinnen und Lehrer in ihren<br />
sozial- emotionalen Zweifeln zur Seite zu stehen, sie können helfen diese Zweifel zu<br />
überwinden.<br />
<strong>Inklusion</strong> ist keine einfache Veränderung im Schulsystem, sie muss als Prozess<br />
betrachtet werden, da <strong>Inklusion</strong> sich nie total erreichen lässt. <strong>Inklusion</strong> vermittelt<br />
eher eine utopische Vorstellung von Schule und Gesellschaft, wie es wäre, wenn alle<br />
Menschen in ihren individuellen Bedürfnissen von der Gesellschaft/ Schule<br />
aufgenommen und gefördert werden. <strong>Inklusion</strong> lässt sich nie ganz verwirklichen,
weil es Ausgrenzung in unserer Gesellschaft immer geben wird, was die Umsetzung<br />
von <strong>Inklusion</strong> so schwierig macht. Gleichzeitig müssen auch immer die Vor- und<br />
Nachteile von <strong>Inklusion</strong> hinterfragt werden. „Mit dem Ausschluss aus dem<br />
Regelschulsystem werden die Betroffenen zum Objekt vielfacher Beschämungen, die<br />
ihnen Anerkennung und Würde absprechen“ (Schumann 2007, S.201). argumentieren<br />
<strong>Inklusion</strong>sbefürworter. „Widersacher“ der <strong>Inklusion</strong> fordern sorgfältige empirische<br />
Untersuchungen, bevor Förderorte abgeschafft werden. (Vgl. Ellinger; Stein 2012,<br />
S.104)<br />
Ich teile die Meinung der <strong>Inklusion</strong>sbefürworter, die sich für die <strong>Inklusion</strong> von<br />
Menschen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen einsetzen, weil<br />
ich selbst als Schülerin Erfahrungen mit Integration machen konnte, die mich in<br />
meiner Meinung bestärken. Dennoch ist es mir wichtig, auch die unzureichenden<br />
empirischen Forschungsergebnisse nicht außer Acht zu lassen, weil die<br />
Forschungslage zurzeit noch nicht ausreicht, um sich einer Meinung anschließen zu<br />
können. Ich wünsche mir für die Zukunft Überprüfungen und Evaluationen von<br />
Maßnahmen, Erfahrungen und Ideen, die sich für ein Implementieren von <strong>Inklusion</strong><br />
in Schulen einsetzen. Außerdem ist es mir ein Anliegen, Menschen für <strong>Inklusion</strong> zu<br />
begeistern, weil ich davon ausgehe, dass die theoretischen Grundlagen der<br />
Wissenschaft mit der Praxis verknüpft werden müssen, um <strong>Inklusion</strong> in die<br />
Schullandschaft zu integrieren.<br />
Deshalb ist das Ziel dieser Recherche, Lehrerinnen und Lehrer mit Theorie und<br />
Umsetzungsmöglichkeiten auf <strong>Inklusion</strong> vorzubereiten. Aus diesem Grund begann<br />
ich mit einer theoretischen Grundlage, um sich immer weiter einer praktischen<br />
Vorstellung von <strong>Inklusion</strong> zu nähern.<br />
Lehrerinnen und Lehrer müssen auf <strong>Inklusion</strong> vorbereitet werden, einige Ideen und<br />
Umsetzungsangebote sind in dieser Arbeit vorgestellt worden. Doch das Lesen dieser<br />
Arbeit reicht nicht aus. Um die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> zu ermöglichen, braucht es<br />
meines Erachtens die Kraft vieler. Die Hattie-Studie hat belegt, dass der einzelne<br />
Lehrer einer Klasse das ist, was für das Gelingen von <strong>Inklusion</strong> zählt (Vgl. Berger<br />
2012 S.1). Wir als zukünftige oder bereits amtierende Lehrer und Lehrerinnen sind<br />
es die zählen. Wir sind für die Schülerinnen und Schüler mitverantwortlich und<br />
können das bestehende System Schule verändern, wenn wir alle zusammenhalten.<br />
Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit einer Rollenveränderung in ihrem Beruf<br />
anfreunden. Auf einer <strong>Inklusion</strong>stagung in Münster, im November 2012, durfte ich
Hans Wocken persönlich eine Frage stellen. Meine Frage lautete: „Was glauben sie,<br />
ist zur Vorbereitung der Lehrerinnen und Lehrer im Hinblick auf <strong>Inklusion</strong> am<br />
Wichtigsten?“ Seine Antwort: „Hospitationen!“<br />
Lehrerinnen und Lehrer müssen die Möglichkeiten bekommen und wahrnehmen,<br />
sich andere Schulen anzusehen, um sich eine Idee davon machen zu können, was<br />
<strong>Inklusion</strong> bedeutet. Auch mir leuchtet ein, dass bloßes Zureden auf Lehrerinnen und<br />
Lehrer nicht ausreicht. Sie müssen „ersehen“ dürfen, wie es funktioniert, um aus<br />
ihrem Alltagstrott der Regelschulen herauszukommen. Wenn Lehrpersonen bei einer<br />
Hospitation verstehen, was die Umsetzung von <strong>Inklusion</strong> bedeutet, gehe ich davon<br />
aus, dass viele Vorbehalte gegenüber <strong>Inklusion</strong> verringert werden. Ich wünsche mir,<br />
dass viele Lehrkräfte das Angebot von Hospitationen annehmen, welches unter<br />
anderem mit dem Projekt des Schulverbundes „Blick über den Zaun“ angeboten<br />
wird. Über den eigenen Schulzaun in andere Schulen zu gucken, ist ein Geschenk,<br />
welches Lehrerinnen und Lehrer annehmen dürfen, um ihre persönliche Arbeit in der<br />
Schule zu professionalisieren. Erst wenn <strong>Inklusion</strong> in Schule und Umfeld erlebt wird,<br />
kann ich mir auch für meine eigene Schule eine Umsetzung vorstellen.<br />
Deswegen formuliere ich abschließend, meinen Wunsch an alle Lehrerinnen und<br />
Lehrer: Schaut Euch in anderen Schulen um, in denen bereits mit inklusiven<br />
Ansätzen gearbeitet wird, vernetzt Euch und seit offen für Veränderungen!
Literaturverzeichnis<br />
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Schlüsselbegriffe aus Theorie und Praxis. 2. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.<br />
Amrhein, Bettina (2011). Lehrkräfte im Paradox zwischen Integration und<br />
Segregation- Konsequenzen für die zukünftige Aus- und Fortbildung von<br />
LehrerInnen für <strong>Inklusion</strong>. In Ziemen, Kerstin; Langner, Anke; Köpfer, Andreas;<br />
Erbring, Saskia (Hrsg.) <strong>Inklusion</strong> – Herausforderung, Chancen und Perspektiven.<br />
(o.A.) Hamburg: Verlag Dr. Kovac, S.125 – 139.<br />
Boban; Ines, Hinz;Andreas (2003).Der Index für <strong>Inklusion</strong>. In Feuser, Georg (Hrsg.)<br />
Integration heute – Perspektiven ihrer Weiterentwicklung in Theorie und Praxis.<br />
Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag, S. 39 – 47.<br />
Braun; Dorothee, Schmischke; Judith (2006). Mit Störungen umgehen. Verhalten<br />
verstehen und beeinflussen. Übungen und Materialien. Berlin: Cornelsen Verlag.<br />
Böing, Ursula (2011). Professionalisierung von Lehrpersonen und Schulentwicklung<br />
– eine effektive Wecheselbeziehung. In Ziemen, Kerstin; Langner, Anke; Köpfer,<br />
Andreas; Erbring, Saskia (Hrsg.) <strong>Inklusion</strong> – Herausforderung, Chancen und<br />
Perspektiven. (o.A.) Hamburg: Verlag Dr. Kovac, S.59-75.<br />
Düring, Katrin (2003). Gemeinsamer Unterricht braucht Schulentwicklung. In<br />
Feuser, Georg (Hrsg.) Integration heute – Perspektiven ihrer Weiterentwicklung in<br />
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tt_news%5D=5933, zuletzt aktualisiert am 20.02.2013, zuletzt geprüft am<br />
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