ad marginem Nr. 78/79 - Humanwissenschaftliche Fakultät ...
ad marginem Nr. 78/79 - Humanwissenschaftliche Fakultät ...
ad marginem Nr. 78/79 - Humanwissenschaftliche Fakultät ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
neren Schriftbild gehalten. Im übrigen Text wurde die originale Rechtschreibung<br />
weitgehend beibehalten.<br />
Der im Lesen von alten Texten, insbesondere Dialekttexten, weniger Geübte<br />
wird sich erst etwas einlesen müssen. Dafür wird er mit dem Genuss der vitalen,<br />
bildkräftigen, oft auch drastischen, unverfälschten und nicht geschönten Sprache<br />
belohnt. Die Texte sind in der überwiegenden Mehrzahl kurz gefasst. So liest<br />
sich das Buch kurzweilig. Dennoch sollte über die einzelnen Texte nicht einfach<br />
hinweg gelesen werden, denn in ihnen ist eine Fülle volkskundlicher, historischer,<br />
sozialer und psychologischer Fakten enthalten. Der Autor war allerdings<br />
sehr gut beraten, dass er die Untersuchung dieser Zusammenhänge in diesem<br />
Buch nicht unternommen hat, da sie eine eigene Schrift füllen würden. Der Leser<br />
jedoch sollte sich motiviert sehen, bei den Texten zu verweilen und den Bedingungen<br />
und Begründungen des jeweiligen Geschehens nachzugehen. Angereichert<br />
wird die Schrift mit einer großen Anzahl von Abbildungen in hervorragender<br />
Qualität, zumeist im Zusammenhang mit Texten, was schon allein für<br />
sich ein Kompendium wichtiger Informationen über den Dudelsack in Europa<br />
über die Jahrhunderte hinweg darstellt.<br />
Die Texte reichen von sehr groben Darstellungen (Der Kirchweihbock) bis zur<br />
Erzählung mit erotischen Anspielungen, in den Spott auch den Pfarrer mit einbeziehend<br />
(Novelle V); von überraschenden Erklärungen über die Entstehung<br />
des Dudelsacks (z. B. Wie der Dudelsack auf die Bergweiden kam, Die Legende<br />
von der Stwiri oder Der Wettstreit zwischen Gott und dem Teufel) bis zur Interpretation<br />
einer Spielkarte, die einen Dudelsackspieler darstellt, zugleich aber<br />
zeitkritische Sentenzen enthält. Wir erfahren, dass die Sackpfeifer beim Spielen<br />
aufstampfen, weil sie den Kuhfl<strong>ad</strong>en abstreifen wollen, der von einem Ochsen<br />
stammt, dem sie zu nahe standen, als sie in der Krippe dem neugeborenen Jesuskind<br />
aufspielten (im Weihnachtsmärchen Warum die Sackpfeifer beim Spielen<br />
aufstampfen); dass die Sackpfeife Friedensvermittler sein (Ein Sackpfeifer<br />
als Friedensrichter), aber auch als Mittel militärischer Siege eingesetzt werden<br />
kann (Die Sackpfeifer Julius Cäsars). Wir werden Zeuge vom Wolfsanführer<br />
oder vom Dudelsack spielenden Teufel, der bei einem Fest erscheint, vertrieben<br />
wird, aber Unfrieden zurücklässt, so dass der Dreißigjährige Krieg ausbricht<br />
(Kapitel Predikow aus Theodor Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg).<br />
Es handelt sich bei der vorliegenden Publikation um eine sehr gelungene<br />
Schrift, deren Texte sich vergnüglich lesen lassen, aber mehr sind als eine<br />
bloße Unterhaltungslektüre.<br />
N.<br />
35