ad marginem Nr. 78/79 - Humanwissenschaftliche Fakultät ...
ad marginem Nr. 78/79 - Humanwissenschaftliche Fakultät ...
ad marginem Nr. 78/79 - Humanwissenschaftliche Fakultät ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
eichhaltige Musikleben in den Ötztaler Alpen. Selbst für die Fachwelt ist überraschend,<br />
wie bis in die jüngste Vergangenheit hinein immer wieder Zeugnisse<br />
einer vitalen musikalischen Volkskultur gefunden werden, die man längst verschüttet<br />
glaubte. Ziel der Kassette ist es vor allem auch, die Teilergebnisse der<br />
Forschungen wieder zum Klingen zu bringen: „Wir möchten es wieder lebendig<br />
machen: für Schulen, für gesellige Veranstaltungen, für Feste im Jahres- und<br />
Familienkreis, für Begegnungen mit Gästen aus aller Welt, für Forscher als Dokumente<br />
eines vielfältigen Musiklebens.“ Es geht auch um den Nachweis, dass<br />
trotz des strengen Verbots von ca. 1800 bis 1914 des Singens und Musizierens<br />
außerhalb der kirchlichen Aufsicht und der Kirche in den Tälern der Ötztaler<br />
Alpen bis heute – und „abseits des Massentourismus“ – eine eigenständige<br />
Volkskultur sehr lebendig ist. Es wurden nur „authentische“, d. h. nicht im Studio<br />
geschönte Aufnahmen in die Sammlung aufgenommen. Sie sind trotzdem,<br />
bis auf wenige Ausnahmen, von einer erstaunlich guten technischen Qualität,<br />
ganz abgesehen von der Vitalität und Unmittelbarkeit der Live-Darbietungen.<br />
Ausgeklammert wurde die in den Hochburgen des Tourismus dominierende medial<br />
verbreitete volkstümliche Unterhaltungsmusik, auch weil sie bisher zu wenig<br />
erforscht wurde.<br />
Für die Gestaltung dieser Doppel-CD wurden sämtliche – insgesamt neun –<br />
Sammlungen von Tondokumenten aus Feldforschungsprojekten in dieser Region<br />
seit 1970 herangezogen. Hinzugezogen wurden weiterhin Tonaufnahmen,<br />
die 1941 von Alfred Quellmalz, seinerzeit Leiter der Abteilung Volksmusik des<br />
Staatlichen Instituts für Musikforschung Berlin im Auftrage der Forschungsund<br />
Lehrgemeinschaft Das Ahnenerbe der SS, durchgeführt wurden. Ziel war<br />
seinerzeit, die ältere Volksmusik der ins „Deutsche Reich“ umzusiedelnden<br />
Südtiroler Optanten zu erfassen. Thomas Nußbaumer hat die historisch-politischen,<br />
ideologischen und organisatorischen Hintergründe dieser Sammelaktion<br />
2001 kritisch aufgearbeitet und verwies auf die „in methodischer wie auch in<br />
aufnahmetechnischer Hinsicht großartige Pionierarbeit“ von Quellmalz. Es waren<br />
die ersten Tonaufnahmen im Ötztaler Alpengebiet überhaupt. So erschließt<br />
die Sammlung ein breites Panorama musikalischen Volkslebens über einen Zeitraum<br />
von mehr als sechzig Jahren – eine seltene musikalische Anthologie.<br />
Die CD musica alpina V gliedert nach der Musik im Jahreslauf: Weihnachten,<br />
Neujahr, Fasnacht, Frühling, Alm, Jagen und Wildern, Herbst. In musica alpina<br />
VI geht es um einzelne volksmusikalische Gattungen: Scherz- und Wirtshauslieder,<br />
Ball<strong>ad</strong>en, sentimentale und auch politische Lieder zum Thema Heimat,<br />
ergänzt durch Beispiele aus der Tanzmusik in den verschiedensten Besetzungen,<br />
z. B. mit Ziehharmonika, Mundharmonika, Raffele oder in Tanzgeigenbesetzungen.<br />
Häufig werden die Gesänge von der Gitarre begleitet.<br />
Aufschlussreich ist Nußbaumers Hinweis, dass als ausgesprochen regionaltypisch<br />
anzusehen ist, „wie man mit Bekanntem umgeht, wie man es umdichtet,<br />
umsingt, zersingt und ‚herrichtet’ für den eigenen Zweck“. Viele Lieder sind<br />
41