ad marginem Nr. 78/79 - Humanwissenschaftliche Fakultät ...
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Großvater war als Lehrer, Organist, Geiger und Chorleiter tätig, die Mutter<br />
spielte Klavier, und es gab zahlreiche Hauskonzerte mit namhaften Musikern<br />
der St<strong>ad</strong>t. In diesem außerordentlich anregenden Milieu beginnt früh der Klavierunterricht<br />
des Jungen, dessen hohe Begabung (absolutes Gehör) schnell erkannt<br />
und gefördert wird. Als junger Studienrat am Quirinus-Gymnasium in<br />
Neuss vermag er später im Musikunterricht seine Schüler nicht nur durch seine<br />
unorthodoxen methodischen Ansätze, sondern auch durch sein virtuoses Klavierspiel<br />
zu begeistern, wie ein ehemaliger Schüler noch nach Jahrzehnten voller<br />
Anerkennung berichtet.<br />
Ebenfalls sehr früh kommt er mit der Dialektsprache in Berührung. Zwar wird<br />
im Elternhaus ausschließlich Hochdeutsch gesprochen, aber auf der Straße mit<br />
den Spielkamer<strong>ad</strong>en nur Nüsser Platt. Als der Zwölfjährige 1942 im Zuge der<br />
Zwangsevakuierung angesichts der immer heftiger und gefährlicher werdenden<br />
Bombenangriffe in das Eifeldorf Kehrig in der Nähe der St<strong>ad</strong>t Mayen kommt,<br />
lernt er überrascht deren andere Dialektsprache kennen, die sich auffallend von<br />
der Neusser unterscheidet. In dieser „Dreisprachigkeit“ aufwachsend, entsteht<br />
eine enge, lebenslange Verbundenheit mit dem Dialekt. In einer Reihe von wissenschaftlichen<br />
Publikationen widmet er sich später insbesondere dem Dialektlied,<br />
einem wichtigen Bereich innerhalb von Lied- und Singforschung.<br />
In seiner Heimatregion Neuss entfaltet er gleichzeitig umfangreiche Aktivitäten<br />
zur Pflege und Erhaltung der Dialektsprache, z. B. durch die Mitarbeit in der<br />
Vereinigung der Neusser Heimatfreunde, seit 1997 auch als Leiter des Arbeitskreises<br />
Mer kalle Platt (später Mer kalle Nüsser Platt); als Initiator der Aufführung<br />
der ersten Mundartmesse in der Neusser Innenst<strong>ad</strong>t; als Sprecher und für<br />
die musikalische Regie verantwortlich in der Hörfunkfolge der Heimatfreunde<br />
Neuss im Lokalfunk R<strong>ad</strong>io News; in der Initiierung und Betreuung eines Dialekt-Schülerwettbewerbs;<br />
als Komponist von Dialektliedern etc. 2003 wird ihm<br />
für seine besonderen Verdienste um volkskundliche Forschung und rheinische<br />
Mundart vom Rhein-Kreis Neuss die Franz Peter Kürten-Auszeichnung verliehen.<br />
Schon 1990 war er mit der Ehrenmedaille des Heimatvereins ausgezeichnet<br />
worden.<br />
Zwei Jahre nach der Geburt Wilhelm Scheppings übernimmt das nationalsozialistische<br />
Regime 1933 die Macht in Deutschland. Das in einer christlichen Umgebung<br />
aufwachsende Kind erlebt dessen Zwangsrituale, den Uniformzwang,<br />
den Krieg, die Bombennächte und stellt sich schon früh dagegen. Als Mitglied<br />
einer Messdienergruppe an St. Quirin in Neuss erfährt er eine andere Kindheitsund<br />
Jugendkultur, die von einer im Grunde genommen verbotenen Gruppenaktivität<br />
bündischer Tr<strong>ad</strong>ition, mit „Antiuniform“ (Lodenmantel, hohen Schuhen,<br />
weißen Söckchen), heimlichen Treffen etc. unter der Obhut der damaligen<br />
Geistlichkeit geprägt war. Im Prinzip handelte es sich um Widerstand, der gefährlich<br />
war, genauso wie das unter schwerer Strafe stehende Abhören von sog.<br />
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