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Mein 1968 - Gerd Koenen

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Dieser ferne Krieg in Vietnam war allerdings auch der erste moderne<br />

Krieg, den man im gerade angebrochenen Fernsehzeitalter nun fast<br />

„live“ verfolgen konnte. Erstmals konnten Filmaufnahmen per Funk<br />

übermittelt und in allen Ländern der Welt binnen kürzester Zeit<br />

ausgestrahlt und gesehen werden. Mehr als uns bewusst war, trug<br />

dies dazu bei, den Vietnam-Krieg als eine globale<br />

Entscheidungsschlacht zu sehen, die uns suggestiv mahnte, Partei<br />

zu nehmen. Binnen kürzester Zeit änderten sich die Parolen: Aus<br />

„Friede für Vietnam“ wurde „Amis raus aus Vietnam“, dann „Waffen<br />

für den Vietcong“, und schließlich „Sieg im Volkskrieg“. Wir wollten,<br />

aus sicherer Entfernung, diesen Krieg nicht mehr beendet, sondern<br />

gewonnen sehen.<br />

Das entsprach schließlich auch der testamentarischen Botschaft, die<br />

der argentinische Weltrevolutionär Che Guevara dem in Havanna<br />

tagenden Kongress einer „Trikontinentale“ der kämpfenden Völker<br />

hatte zukommen lassen: „Schafft zwei, drei, viele Vietnams!“ Er<br />

selbst hatte währenddessen im Dschungel Boliviens diesen Kampf<br />

mit einer kleinen Schar Getreuer aufgenommen. Dass er im Oktober<br />

1967 durch von US-Beratern instruierte Rangertruppen aufgespürt<br />

und ermordet worden war, machte seinen Nimbus nur noch<br />

symbolkräftiger und strahlender. Zumal das Bildnis des<br />

aufgebahrten, den Blitzlichtern der Fotografen preisgegebenen,<br />

schönenToten in einem unglaublichen Akt ikonographischer<br />

Überhöhung denen des für die Sünden der Welt gestorbenen Jesus<br />

Christus glichen. „Che lebt!“, stand an den Wänden vieler, fast aller<br />

Universitätsviertel der Welt. Und das vom Mailänder Verleger<br />

Feltrinelli verbreitete Bildnis des Che wurde zur berühmtesten und<br />

dauerhaftesten Ikone einer unbestimmten Sehnsucht nach einer<br />

großen, alles umfassenden, revolutionären Veränderung der Welt.

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