Mein 1968 - Gerd Koenen
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„Sternmarsch“ nach Bonn war bereits von einer gewissen Ermüdung<br />
gezeichnet, aber auch von der wachsenden Unvereinbarkeit der<br />
traditionellen und der neuen, „antiautoritären“ Linken. Nicht wenige<br />
APO-Aktivisten suchten jetzt verstärkt eine politische Heimat und<br />
fanden sie am Ende doch auf dem linken Flügel der SPD, vor allem<br />
bei den Jungsozialisten, oder in der neu entstehenden, wieder<br />
zugelassenen Kommunistischen Partei, die jetzt DKP hieß.<br />
Aber auch die Antiautoritären verstrickten sich in eine Diskussion<br />
über die Notwendigkeit einer revolutionären Organisation, die eine<br />
wissenschaftliche revolutionäre Theorie und ein klares Programm<br />
brauchte; und gleichzeitig in eine Diskussion über die Bereitschaft<br />
zur Anwendung revolutionärer Gewalt gegenüber einer staatlichen<br />
Repression, die sich in zehntausenden von Strafverfahren und einer<br />
demonstrativen Aufrüstung der Polizei zeigte.<br />
Die Lage schien sich weltweit zuzuspitzen. War das 1967 in<br />
Griechenland installierte Militärregime vielleicht nur die erste Etappe<br />
einer Rückkehr Westeuropas zum Faschismus? Und wie sollte man<br />
die Entwicklungen in den USA beurteilen, wo im Juni auch Robert<br />
Kennedy, der aussichtsreiche Kandidat des linken Flügels der<br />
Demokraten, durch ein Attentat starb – und wieder (angeblich) durch<br />
einen verwirrten Einzeltäter? Kein Wunder, dass der Wahlkongress<br />
der Demokraten im August von tagelangen Straßenschlachten<br />
begleitet war, denen im Oktober noch einmal die „Days of rage“ (die<br />
Tage der Wut) eines militanten Kerns von Demonstranten folgten –<br />
während der Krieg in Vietnam nach vergeblichen<br />
Friedensgesprächen immer verheerendere Ausmaße annahm und<br />
auch immer größere Opfer auf amerikanischer Seite forderte (allein<br />
im Mai <strong>1968</strong> waren es 2000 Gefallene).