Mein 1968 - Gerd Koenen
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unwillig auch immer) der Disziplin des Untergrunds unterwerfen<br />
mussten.<br />
Das alles waren nicht zuletzt Fluchtbewegungen aus dem sich<br />
steigernden, immer unübersichtlicheren Chaos dieses Jahres <strong>1968</strong>.<br />
Wer sich einmal zur „Bewegung“ dazuzählte, der fühlte sich in einem<br />
reißenden Strom der Ereignisse, der auf irgendeinen im Dunkeln<br />
liegenden Punkt der Entscheidung oder auch der Erfüllung<br />
hinauslief. Alles schien sich tatsächlich mit allem in der Welt zu<br />
verknüpfen.<br />
Der junge DDR-Flüchtling und Hilfsarbeiter Josef Bachmann las die<br />
Meldung über das erfolgreiche Attentat gegen den schwarzen<br />
Prediger Martin Luther King, und beschloss, diesen roten Agitator<br />
Rudi Dutschke, der bestimmt von der SED oder Stasi gesteuert war,<br />
seinerseits durch ein Attentat zu eliminieren. (Und zehn Jahre später<br />
würde Rudi Dutschke, kurz vor seinem Tod, überzeugt sein, dass es<br />
gerade die Stasi war, die ihm diesen jungen Flüchtling Bachmann<br />
auf den Hals gehetzt hatte.)<br />
Das Attentat auf Dutschke am 11. April wirkte buchstäblich wie der<br />
Funke, der einen Steppenbrand auslöste. Die spontanen Versuche<br />
tausender, vielleicht zehntausender Demonstranten, die<br />
Auslieferung der Springer-Blätter zu verhindern, sind unter der<br />
Chiffre „Osterunruhen“ in die Geschichte der Republik eingegangen<br />
und markieren darin einen bis dahin unerhörten Fall eines<br />
gewaltsamen zivilen Ungehorsams, der das vielzitierte<br />
„Establishment“ vollends aufscheuchte. Jetzt war diese linksradikale<br />
„APO“ ein politischer Faktor eigener Art geworden; und wieder hatte<br />
es Tote gegeben, diesmal in München und durch Wurfgeschosse<br />
aus den Reihen der Demonstranten. Dass auf dem rechten Flügel