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BOGART 16 (BeOurGuestARTist)

Das Gießener Mitmachmagazin für Creative – Aktuelles und Zeitloses aus Kunst-Kultur-Comic

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Markus Singer / Johannes Wosilat (Bilder) / Anna Maria Wicklein<br />

Teil I<br />

Madrina Della Luce<br />

„La Banda -<br />

das Band“<br />

Das herrschaftliche Anwesen war das<br />

höchstgelegene der ganzen Umgebung. Es<br />

wachte über dem darunterliegenden See und<br />

lag gleichauf mit den bewachsenen Hängen der<br />

gegenüberliegenden Seite. Eine gepflasterte<br />

Straße führte hinab zum Dorf. Ihr Ende war<br />

durch Windungen und die Neigung des<br />

Berges verborgen. Irgendwo unten am Fuß des<br />

Berges mündete sie in das kleine Städtchen<br />

Locarno. Enge, schräge Gassen, die Steine so<br />

braun wie die Haut der Menschen.<br />

Als kleines Mädchen saß Vida Ylenia Scorrano<br />

still auf der weißen Mauer, diese umgab das<br />

Anwesen und den weitläufigen Garten. Alleine<br />

und abseits der sommerlichen Hochzeit wurde<br />

sie von den Steinen der Mauer gewärmt.<br />

Der laue Wind mischte ferne Stimmen mit dem<br />

süßlichen Duft von lila Hyazinthen.<br />

Caprice Scorrano war Vidas Mutter, eine schöne,<br />

launenhafte und lustvolle Frau, aus einfachen<br />

Verhältnissen. Bellisario Callisto Reale, ein<br />

mächtiger und zorniger Mann, würde Caprice<br />

an diesem Tage ehelichen. Sein ja-Wort machte<br />

Caprice Scorrano zur Caprice Reale, machte sie<br />

zu "la prima donna".<br />

Vidas leiblicher Vater war ein aufrechter und<br />

ehrlicher Mann, aber durch ein Unglück<br />

schwach und arm; nichts wert in den Augen<br />

einer Caprice Reale.<br />

Wie Nebel schlich der fade Geruch von Wasser<br />

die Hänge herauf. Die Luft wurde schwer und<br />

die Wolken drückten.<br />

Jeden Moment konnte Regen losbrechen, die<br />

kleine Vida aber wollte sitzenbleiben, für immer.<br />

Ihre Gedanken machten aus Jahren Sekunden:<br />

Ihr Körper welkte und zerfiel, ihr Sommerkleid<br />

verwitterte und Vidas Knochen zerstachen die<br />

blauen Rosen darauf.<br />

Die ganze Villa Reale war festlich geschmückt.<br />

Mit Hunderten von Blüten tanzte der Wind<br />

durch die Flure. In den Marmorböden spiegelten<br />

sich maskenhafte Fratzen. Im Wettlauf<br />

verpackten Lippen Falsches, Verächtliches und<br />

Hundsgemeines in geschickten Phrasen und<br />

erregenden Tönen. Achtlose Sohlen zertraten<br />

die Blüten und beendeten den Tanz. Ihr feiner<br />

Saft verschmierte den Boden und gab den<br />

Spiegelbildern ihren wahren, dunklen Ausdruck<br />

wieder. Das Brautpaar stand unter dem Schutze<br />

stolzer Bäume. Das letzte starke Licht drang<br />

durch die Wolken, wurde vom Wasser des Sees<br />

reflektiert und fiel in die Augen der Gäste. Das<br />

8 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin

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