Vollständiges Gutachten vom 20. Juni 2012 im PDF-Format
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8. Auch bei Prüfung des Anspruchs auf Grundsicherung für Arbeitsuchende 16 sind nach<br />
§ 11a Abs. 4 SGB II – wie nach § 84 Abs. 1 SGB XII 17 – Zuwendungen der freien<br />
Wohlfahrtspflege nicht zu berücksichtigen, soweit sie die Lage der Empfängerinnen und<br />
Empfänger nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht<br />
gerechtfertigt wären. Die für das Sozialamt zur Nichtanrechnung bestehende<br />
Verwaltungsrichtlinie kann be<strong>im</strong> Arbeitslosengeld II und dem Sozialgeld allenfalls Bindung<br />
entfalten, soweit Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für den Bedarf für Unterkunft und<br />
Heizung geleistet wird. Das ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB II. Im Übrigen ist nach § 6<br />
Abs. 1 Nr. 1 SGB II die Bundesagentur für Arbeit Träger der Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts und insoweit obliegt nach § 44b Abs. 3 SGB II ihr die Verantwortung für<br />
die rechtmäßige und zweckmäßige Erbringung dieser Leistungen in der gemeinsamen<br />
Einrichtung bzw. dem Jobcenter.<br />
9. Der Begriff „freie Wohlfahrtspflege“ hat in § 11a Abs. 4 SGB II dieselbe Reichweite wie in<br />
§ 84 Abs. 1 SGB XII; er bezieht also die anfragende Stiftung ein. 18<br />
10. Mehr Aufmerksamkeit als bei der Sozialhilfe zieht bei der Grundsicherung für<br />
Arbeitsuchende die wertende Betrachtung auf sich, die nach § 11a Abs. 4 SGB II (und<br />
davor schon nach § 11 SGB II a.F.) zu dem unter Verwendung der beiden unbest<strong>im</strong>mten<br />
Rechtsbegriffe nahezu wortidentisch formulierten Vorbehalt anzustellen ist, der in dem<br />
gesetzlich zur Nichtberücksichtigung angeordneten Regel-Ausnahme-Verhältnis doch zur<br />
Einkommensanrechnung von Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege führt, soweit diese<br />
die Lage der Begünstigten „so günstig beeinflussen“, dass daneben die nach dem SGB II<br />
zu erbringende Fürsorgeleistung „nicht gerechtfertigt“ wäre. 19 Greifbar wird die diesem<br />
Abwägungsvorgang für die Praxis des SGB II zukommende Bedeutung auch darin, dass<br />
sich dafür unter dem SGB II die eigenständige, auch in der Begründung zu § 11a Abs.4<br />
SGB II verwendete Bezeichnung „Gerechtfertigkeitsprüfung“ herausgebildet hat. 20 Als<br />
maßgeblich für die Auswirkung der Zuwendung auf den Lebensunterhalt <strong>im</strong> Rahmen der<br />
16 Diese Prüfung wird Schützlinge der Stiftung weitaus häufiger betreffen als der bei Sicherung des<br />
Lebensunterhalts durch die Sozialhilfe zur Anwendung kommende § 84 Abs. 1 SGB XII und beherrscht<br />
offenbar auch die Ausgangsfrage der Stiftung; jedenfalls könnte bei überschlägiger Betrachtung der amtlichen<br />
Statistik (Statistisches Bundesamt, Fachserie 13 Reihe 2.2, Sozialleistungen 2009) die dem Internetauftritt<br />
der Stiftung zu entnehmende Zahl der Schützlinge in der sog. ambulanten Förderung (monatliche<br />
Zuwendungen) selbst dann nicht erreicht werden, wenn dabei – ungeachtet, ob sie Waisenkinder bzw. ihnen<br />
gleichgestellte Kinder sind – alle in der Stadt lebenden minderjährigen Empfängerinnen und Empfänger<br />
Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt würden.<br />
17 Die Unterschiede in der Abfassung sind nach der mit Wirkung <strong>vom</strong> 01.04.2011 in Kraft getretenen<br />
Neustrukturierung der Regelungen zur Einkommensanrechnung <strong>im</strong> SGB II bloß noch redaktioneller Art.<br />
18 Vgl. Geiger in LPK-SGB II, 4. Aufl. 2011, § 11a Rn. 14. Erkennbar liegt der Verwendung des Begriffs in<br />
§ 11a SGB II und dem in § 17 Abs. 1 SGB II an die SGB II-Träger gerichteten Gebot, die Träger der freien<br />
Wohlfahrtspflege in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeit zu unterstützen, dasselbe<br />
Verhältnis zugrunde wie bei der ‚Mutter der modernen Fürsorgegesetzgebung‘ in § 10 und 78 Abs.1 BSHG<br />
(§§ 5, 84 SGB XII).<br />
19 Das Schrifttum zur Sozialhilfe stellt dogmatische Betrachtungen in den Vordergrund, wobei hier offen<br />
bleiben kann, ob die Begriffe der Behörde, die deren tatbestandliche Ausfüllung darzulegen und zu beweisen<br />
hat, dabei überhaupt einen (engen oder sehr engen) Beurteilungsspielraum lassen (so Wolf in<br />
Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl. 2009, § 84 Rn. 2 bzw. Ste<strong>im</strong>er in Mergler/Zink, SGB XII, 10. Lfg. Stand<br />
August 2008, § 84 Rn. 4) oder nicht (so Gottschick, NDV 1964, S. 375 ff, 378). Übereinst<strong>im</strong>mung besteht,<br />
dass die Begriffe ermessensfeindlich und gerichtlich voll überprüfbar sind (Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl.<br />
<strong>2012</strong>, § 11a Rn. 46; Geiger in LPK-SGB II, a.a.O., § 11a Rn. 18; ders., info also 2011, S. 106 ff., 110).<br />
20 Die Formulierung wurde anscheinend erstmals <strong>vom</strong> Bundessozialgericht (Urteil <strong>vom</strong> 29.3.2007 – B 7 AS<br />
12/06 R) verwendet; Geiger, a.a.O., bezeichnet den Abwägungsvorgang als „Rechtfertigungsprüfung“.<br />
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