Vollständiges Gutachten vom 20. Juni 2012 im PDF-Format
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Gerechtfertigkeitsprüfung wird in der Begründung zu § 11a Abs. 4 SGB II die<br />
Berücksichtigung von Art, Wert, Umfang und Häufigkeit der Zuwendungen angegeben. 21<br />
11. Gerechtfertigkeitsprüfungen sind von der Rechtsprechung bislang auf Grundlage von<br />
§ 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F. zur Frage der Anrechnung von zweckgerichteten Einnahmen<br />
angestellt worden, soweit erkennbar auf Grundlage von § 11 Abs. 3 Nr. 1b SGB II a.F. aber<br />
nicht zur Frage der Anrechnung von laufenden Zuwendungen der freien<br />
Wohlfahrtspflege. 22 Für die nach § 11a Abs. 4 SGB II anzustellende<br />
Gerechtfertigkeitsprüfung muss <strong>im</strong> Ausgangspunkt jedenfalls beachtet werden, dass die<br />
freie Wohlfahrtspflege Zuwendungen unabhängig von staatlichen Leistungen gerade mit<br />
dem Ziel erbringt, die Lage der Leistungsberechtigten zu verbessern. 23 Deshalb wird in der<br />
Kommentarliteratur davon ausgegangen, dass auch für das SGB II vertretbar ist, laufende<br />
Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege insoweit nicht zu berücksichtigen, als sie 50 %<br />
des Regelsatzes des Empfängers nicht übersteigen. 24 Dies st<strong>im</strong>mt mit der <strong>vom</strong> Deutschen<br />
Verein zur Sozialhilfe (§ 84 Abs. 1 SGB XII) gegebenen Empfehlung überein, dass bei<br />
laufenden Geldleistungen in der Regel ein Betrag bis zu 50 % des maßgebenden<br />
Regelsatzes freigelassen werden sollte. 25<br />
12. Indessen besteht bei der Bundesagentur für Arbeit und dem die Rechts- und<br />
Fachaufsicht führenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales bislang nicht die<br />
Absicht, für Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege in den Fachlichen Hinweisen der<br />
Bundesagentur (wieder) eine Konkretisierung der Anrechnungsschwelle vorzunehmen. 26<br />
Soweit sich daran nichts ändert, gilt für den Abwägungsvorgang bei der in Trägerschaft der<br />
Bundesagentur in den Jobcentern wahrgenommenen Sachbearbeitung als<br />
handlungsleitende Grundlage die Maßgabe, dass Zuwendungen der freien<br />
Wohlfahrtspflege nicht zu berücksichtigen sind, soweit nicht <strong>im</strong> Einzelfall Erkenntnisse<br />
offensichtlich sind, dass Art, Wert, Umfang und Häufigkeit der erbrachten Zuwendung dazu<br />
führen, dass Leistungen nach dem SGB II ungerechtfertigt wären<br />
(Gerechtfertigkeitsprüfung). 27 Auch wenn gegen die Angabe einer pauschalen Wertgrenze<br />
vorgebracht wird, dass stets sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls zu<br />
berücksichtigen sind 28 , besteht zur Vereinfachung der Begründungslast in der Praxis<br />
offenbar ein Bedürfnis an der Angabe einer solchen Wertgrenze. 29 Dass es bei der<br />
21 BT-Drs. 17/3404, S. 94<br />
22 Streitgegenstand waren insbesondere – nunmehr auf Grundlage von § 11a Abs. 5 SGB II zu beurteilende –<br />
<strong>vom</strong> Arbeitgeber gezahlte Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen, Verpflegungszuschüsse oder<br />
Spesen (vgl. LSG Sachsen, Urteil <strong>vom</strong> 19.01.<strong>2012</strong> – L 3 AS 820/10 – m.w.N.), wobei unter Berücksichtigung<br />
der Dauer und Höhe der Einnahmen eine vergleichende Betrachtung mit anderen erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen vorgenommen und die Höhe der Regelleistung <strong>im</strong> jeweils streitbefangenen Zeitraum als<br />
Bezugspunkt dafür angesehen worden ist, inwieweit eine zweckbest<strong>im</strong>mte Einnahme die Lage des<br />
Empfängers beeinflussen kann (vgl. LSG Sachsen, Beschluss <strong>vom</strong> 21.09.2010 – L7 AS 395/10 B ER –<br />
m.w.N. und Urteil <strong>vom</strong> 19.01.<strong>2012</strong> – L 3 AS 820/10).<br />
23 Vgl. Geiger in LPK-SGB II, a.a.O., § 11a Rn. 14; Söhngen in jurisPK-SGB II, a.a.O, § 11a Rn. 45.<br />
24 Geiger in LPK-SGB II, a.a.O., § 11a Rn. 14.<br />
25 Empfehlungen für den Einsatz von Einkommen und Vermögen in der Sozialhilfe (SGB XII), Eigenverlag des<br />
Deutschen Vereins 2007, Rn. 40.<br />
26 In der Aussprache des Arbeitskreises „Grundsicherung und Sozialhilfe“ des Deutschen Vereins am<br />
7. Februar <strong>2012</strong> wurde deutlich, dass der Verzicht auf eine Einzelfallprüfung, den es zur Vorgängervorschrift<br />
aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gegeben hätte, nicht mehr gewollt ist.<br />
27 Fachliche Hinweise „Zu berücksichtigendes Einkommen, §§ 11, 11a, 11b SGB II“ der Bundesagentur für<br />
Arbeit (Fassung <strong>vom</strong> <strong>20.</strong>02.<strong>2012</strong>), Rn. 11.105.<br />
28 Söhngen in jurisPK-SGB II, aa.O, § 11a Rn. 46<br />
29 Vgl. „Interne Arbeitshinweise SGB II“ eines zugelassenen kommunalen Trägers, in denen Rn 11.105 der<br />
BA-Hinweise (Anm. 28) übernommen, aber der Klammervermerk „(Gerechtfertigkeitsprüfung)“ in<br />
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